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Berliner
Tierärztliche Wochenschrift.
Redaktion:
Professor Dl*. Schnialtz -Berlin.
Verantwortlicher Redakteur.
Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Professor Departementstierarzt
Hamburg. Cöln.
Prof. Dr. Peter
Staatstierarzt für Hamborg
Hamburg.
VeterinäiTat Peters Veterinärrat PreuBe Dr. Richter
Departementstierarzt Dopartementstierarzt Professor
Bromberg. Danzig. Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder Dr. Schlegel Dr. J. Schmidt Ober-Reg.-Rat Dr. Vogel
Professor
Dresden.
Professor
Freiburg.
Professor
Dresden.
Landestierarzt
München.
Wehrle
Kaiserl. Regiernng«rat
Be rl i n.
Zftndel
Kreistierarzt
Mülhausen i. £.
.Helfer
Scblacbtbof-Direktor
Mülhausen i. K
K. von Sande
Frankfurt
a. M.
Dr. H. Sieber
am Tropeninstitut
Hamburg.
Dr. Stödter
Stadt-Tierarzt
Hamburg.
Dr. Zimmermann
Dozent
Budapest.
Jahrgang 1908.
Berlin 1908.
Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz.
Wilhelmstraße 10.
LIBRARY
UNIVER5ITY C CALIFORNIA
DA V'iä
Berlin, Druck von W. Büxenstein.
Sachregister.
(Die Zahlen hiner den einfeinen Sätzen bedeuten die Seitenzahlen.)
>ie Sätze mit kleiner Schrift aind Hinweise auf die medizinische Literatur.')
Aalbrut. 574.
Abdeckerei frage: s. a. Bayern, Kadaver¬
vernichtung, Konfiskate, Tierkörperver¬
nichtungsanstalt. — Anregung zur end
liehen Regelung des Abdeckereiwesens v.
Siebenbürger. 85. — Rede des Reichstags¬
abgeordneten Siebenbürger über das Ab¬
deckereiwesen. 257. — Abdeckereiverhält¬
nisse in Mecklenburg. 330. — Abdeckerei¬
wesen. 418. — Steht privilegierten Ab¬
deckern von geschlachteten Tieren, bei
denen lediglich das Fleisch als untauglich
befunden wurde, auch die Haut zu? Zu¬
gleich ein Beitrag zur Definition des
Begriffs „unrein“ v. Dr. Ostertag. 493. —
Polizeiverordnung, betr. Fortschaffung und
Vernichtung von Tierkadavern. 566. —
Eine neue Kammergerichtsentscheidung,
betreffend Abdeckereiprivilegien. 604. —
Abdeckereiwesen v. Schmaltz. 985.
Abderhaldens Ablehnung der Berufung als
Nachfolger Hüfners. 538. s. a. 399.
Abende s. a. Wissenschaftliche.
Abende, in Stettin. — Tierärztliche — 792.
Abgeordnetenhaus s. a. Bayern, Österreich.
Abgeordnetenhaus s. a. Abdeckereiwesen,
Kreistierarztreform, Ländernamen, Medi¬
zinalbeamte. — Petition der Polizeitier¬
ärzte um etatsmäßige Anstellung, Ver¬
mehrung der Stellen und Erhöhung der
Dienstbezüge. 75. — Erklärung des Mi¬
nisters, daß an eine Vereinigung der tier¬
ärztlichen Hochschulen mit den landwirt¬
schaftlichen nicht gedacht werde. 75. —
Organisation und Promotionsrecht an der
Berliner Tierärztlichen Hochschule. 75. —
Erklärung des preußischen Herrn Ministers
für Landwirtschaft über die Promotions¬
frage. 90. — Über die Pauschalierung der
Reisekosten und Tagegelder der Kreis¬
ärzte. 185. — Weiterer Ausbau des
Veterinärinstituts in Breslau. 185. — Haft¬
pflicht des Staates für seine Beamten. 252.
AbiturientenUberschuß s. Hessen.
Äbkalben s. Magendarmkatarrh.
Abschnürung der Jungen bei Katzen durch
Fremdkörper v. Dasch. 202.
Abschnürung von Organen bei Hunden v.Dasch.
202 .
Abszesse von Taubenei — bis Kindskopfgrbße
bei einer Kuh v. Mayr. 26.
Abwehr! — Zur — v. Kunibert Müller. 437.
Abzeichen s. Vererbung.
Acarusmilbenbeim Pferd. Orig.-Art. v. Walther.
691.
I Acarusräude des Hundes. — Behandlung der —
| v. Moussu. 409.
| Aderlaß s. Hohlnadel.
j Adversarius (Hakenwender) nach Hoffmann.
460.
I Ärzte s. Tagesgeschichte.
Affe s. Speicheldrüse.
Afrika: Die Bekämpfung der afrikanischen
Viehseuchen. 155. — Koloniales Preisaus¬
schreiben. 186. — Ausbildung der Tier¬
ärzte für die Kolonien. 251. — Piroplasma
canis im Bezirk Usambara in Deutsch-
Ostafrika v. Leupold. 286. — Trypanosoma
Theileri im südlichen Deutsch - Ostafrika
v. Stolowsky. 286. — Piroplasmose bei
afrikanischen Ziegen v. Panse. 286. —
Preliinary note on the development of
piroplasma canis in the tick v.Christophers.
287. — Katarrhalfieber der Schafe in Süd¬
afrika v. Dr. Theiler. 344. — Seuchen-
haftes Auftreten von akutem Magen-Darm -
katarrh bei Wiederkäuern in und bei
Otjimbingwa in Deutsch-SüdweBtafrika
Februar 1907. Orig.-Art. v. Hoerauf. 354.
— Maßnahmen zur Förderung der Vieh¬
zucht in Deutsch-Süd westafrika und zur
Bekämpfung der afrikanischen Vieh¬
seuchen v. Preuße. 415.
Afters beim Kalbe. — Fehlen des — von
Reichert. 516.
Agglutination s. Rotz.
Agglutination. — Über den Einflufi von Wärme und Zeit
auf den Ablauf der — v. Konricb. 760.
Agrostemma Githago (Kornrade). — Die
Giftwirkung von — v. Dr. Baier. 272.
| Akademie s. Kaiser-Wilhelm-Akademie.
Akanthom auf der Innenfläche des Pferde-
| ohres. — Papilläres — v. Pröscholdt.
I 502. 560.
Aktinomykom an der Vulva bei einer Kuh
v. Schalter. 848.
Albertus Magnus von Cöln und das Cölner
Autogramm seiner Tiergeschichte v. Prof.
Dr. Stadler. 868. j
Albumosurie bei Tieren v. Dr. Käthe. 55. |
Alkohol beim Jungrind. — Vergiftung durch
— v. Berger. 7. |
Alkohol-Injektion s. Nabelbruch. I
Alkoholismus s. Centralverband. |
Alkoholtoleranz. — Über das Weaen der — v. Pringahehn. I
908. |
Altdamm. — Neuerrichtetes Schlachthaus in j
- 196.
Alter. — Hohes — 623. |
Alter in Ehren. — Ein — 37. j
Amerika: Internationaler Tuberkulosekon¬
greß in Amerika. 106. — Amerikanische'
Großschlächtereien in Frankreich. 262. —
Viehhandel in Chicago. 262. — Ausfuhr
von Btichsenfleisch. 262. — Schlachthaus-
Skandale in Chicago. 569. — Färben von
Nahrungsmitteln in den Vereinigten
Staaten. 728. — Milchkontrolle in New-
York. 943.
Amphibien s. a. Viehhandel.
Amputation s. Laparotomie.
Amtstierärzte s. Gebühren.
Amtliche Stellen s. Besetzung.
Amtsbezeichnung des Schlachthofleiters in
der Stadtverordnetensitzung in Könitz. 226.
Amyloiden Degeneration bei Tieren. — Über
das Vorkommen der — v. Hißbach. 534.
Anämie der Pferde. — Die pernieiöse —
v. Friedrich. 469.
Anämie des Pferdes. — Untersuchungen über
das Auftreten und die Bekämpfung der
infektiösen — v. Prof. Ostertag. 69.
Andenken s. Tagesgeschichte (Persönliches
[Nachrufe]).
Aneurysma verminosum, dessen Einfluß auf
die Kolik und die damit verbundenen
Volvuli. — Vorkommen und Häufigkeit
des — Orig.-Art. v. Knoll. 529.
! Aneurysma verminosum equi vom patholog.-
! anatorn., statistischen, klinischen und
zoologischen Standpunkt v. Dr. Adelmann.
735.
Anfragen. 913.
Anhalt: Abgeschaffte Milchsteuer in Dessau.
944. — Anerkennung des Schweizer Dr.
med. vet. 963.
Annonce. — Unpassende — 606. s. a. 576.
Anordnung s. Schlachthofdirektor.
Anstalten s. Berlin.
Ansteckung s. Haftpflicht.
Anthelminthicum s. Brechweinstein.
Anthracosis pulmonum. — Beiträge zur
Kenntnis von der Entstehung der — v.
Dr. Lüttschwager. 246.
Anthrax geimpften Tiere dem menschlichen
Genüsse zulassen? — Wann kann man
das Fleisch und die Milch der gegen —
v. Rieger. 504.
Anthrax s. Elastikotropiscbe.
Antidiarrhoicum s. Tannyl.
Antiformin, ein bakterienauflösendes Desin¬
fektionsmittel v. Uhlenhuth und Xylander.
784. Erläuterungen dazu v. Dr. Pior-
kowski. 972.
Antiperiostin s. a. Knocbenneubildung.
Antiperiostin bei veralteten Überbeinen.
Kleins — v. Train. 244.
IV
Antiperiostin. — Zur Wirkung des — v.
Schade. 518.
Antipyrin gegen Milchandrang v. Lange. 977.
Antiseptica. — Moderne — Orig.-Art. v. Mayr.
25.
Antistreptococcenserum. 272.
Anzeigepflicht s. a. Rindertuberkulose.
Anzeigepflicht für Gehirnrückenmarksent¬
zündung und Gehirnentzündung in Sachsen-
Altenburg. 187.
Anzeigepflicht auf die Pferde-Influenza im
Deutschen Landwirtschaftsrat. — Aus¬
dehnung der — v. v. Rantzau. 253.
Anzeigepflicht für die als Influenza der Pferde
bezeichneten Krankheiten. — Bekannt¬
machung betreffend die — 564.
Apparate s. Adversarius, Autocautcr, Bica-
pessar, Bistouris, Blutstillungszange,
Bullenringe, Digitorector, Ekraseur-Emas-
kulator, Emaskulator, Hohlnadel, Kastrier¬
zange, Klemmzange, Koppen, Metallver-
schlnßknopf, Nasenbremse, Pillen- und
Eingußapparat, Pravazsche Nadel, Salben¬
spritze, Schraubenschere, Stift, Stilett,
Tragbahre, Trokar, Verbandhalter, Wurf¬
zeug.
Aphthenseuchenartige Erkrankung bei Schafen
v. Tietze. 467.
Apotheker s. Tagesgeschichte (Apothekon-
wesen).
Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheits¬
amt 681.
Arbeitspferdes durch Hufnägel. — Verletzung
am Hinterfuß eines — v. Mayr. 26.
Arbeitsräume s. Schlachthof.
Ardennen s. Tuberkulöse Kuh.
Argus roflexus Fabr. s. Spirochaete.
Armee s. Hufbeschlag.
Arpädenzeit s. Hufeisen.
Arsacetins bei der Syphilisbebandlung. — über die Ver¬
wendung des — v. Nelfler. 656.
Arteriosklerose bei den Haustieren. — Zur
Kenntnis der — v. Dr. Lyding. 124.
Arthritis und der Hydarthrose der Fohlen. —
Beiträge zum Studium der Pathogenität
der — v. Marq. 847.
Artverwandtschaft und biologische Reaktion
v. Prof. Disselhorst. 337.
Arzneimittel und Kurmethoden. 977.
Arzneimittels.a. Alkohol, Antiperiostin, Anti¬
pyrin, Antiseptika, Ascaris, Atoxyl, Bazillol-
salbe, Biozitin, Bissulin, Borpulver, Bosanat,
Bosanol, Brechweinstein, Chloralhydrat,
Collargol, Damholid, Dealin, Digalen, Dy¬
mal, Ester-Dermasan, Euman, Fibrolysin,
Filmaron, Formaldehyd, Formalinmilch,
Geheimmittel, Hämostogen, Hcxainetylen-
tetramin, Jodipin, Jodtinktur, Kalomel,
Kloneln, Kochsalz, Ledumin, Lezithin,
Lumbagin, Mallein, Morphium, Novokain,
Oleum Ricini, Opsonine, Paratoxin,
Phenyform, Pilokarpin, Quecksilber,
Rauschbrandimpfstoff, Salizylsäure,
Schwefelkohlenstoff, Secacomin, Seife,
Sobernheimsches Serum, Spießglanzbutter,
Strophantin, Suptol, Tannyl-Gehe, Tetanus¬
antitoxin, Therapogen, Tuberkel-Diag-
nosticum-Höchst, Tuberkel-Sozin, Tuber¬
kulose-Toxin, Ungt. Hydrargyri cinereum,
Vergotinine, Yohimbin, Yohimvetol s. a.
Desinfektionsmittel.
Ascaris lumbricoides s. Ascaris Builla. —
Erbrechen bei einem Schwein, verursacht
durch — v. Loewenthal. 557.
„Ascbinger“ in Berlin. 139.
Assistenten s. Haftpflicht, Tagesgeschichte
(Tierärztliche Lehranstalten), Wissen¬
schaftliche Abende.
Atheromatose des Endocards der linken
Herzhälfte bei einer hochgradig tuber¬
kulösen Kuh. Orig.-Art v. Sonnenberg. 213.
Atmungsphänomen bei einem Pferde. — Das
Cheyne-Stockesche — v. Dr. Vogel. 597.
Atoxyl s. a. Sleeping sickness.
Atoxyl im Vergleich mit Quecksilber bei der
experiment Kaninchensyphilis. — Unter¬
suchungen über die präventive Wirkung
des — Von Uhlenhuth und Weidanz. 784.
Atoxyl mit besonderer Berücksichtigung der
damit angestellten Tierversuche und dessen
bisherige Anwendung in der Veterinär¬
medizin. Org.-Art. v. Loewenthal. 873.
Atoxyls bei Thyphus recurrens. — Klinische
Beobachtungen über die Wirkung des —
v. Glaubermann. 583.
Atoxyls in der Veterinärmedizin. — Anwendung
des — Orig.-Art v. Walther. 265.
Atoxyls iin Vergleich mit Quecksilber bei der experi¬
mentellen Kaninchensypbilis. — Untersuchungen
Ober die präventive Wirkung des — v. Uhlenhuth
und Weidanz. 465.
Atrichie beim Kalbe. Org.-Art. v. Gutbrod. 593.
Atropin bei akuter Morphium- und Opiumvergiftung,
v. Roch. 904.
Atteste s. Fleischeinfuhr.
Aufblähen durch ein Tuberkel. Orig.-Art. v.
Dr. Goldberger. 613.
Aufklärung über Hundestaupeserum. Von
Richter. 737. — Erwiderung dazu von
Dr. Piorkowski. 770.
Aufruf an sämtliche Tierärzte und tierärzt¬
lichen Vereine Deutschlands 409.
Auge 8. Filaria papillosa.
Augenbogens mit Zereißung des Nervus
opticus. — Fractura comminuta des rechten
— v. Prof. Schimmel. 84.
Augenerkrankung infolge Arbeit mit einem künstlichen
Düngemittel, v. Bondi. 393.
Augenkammer. Heilung durch Borpulver. —
Öffnung der vorderen — v. Lacassague.
479.
Augenkrankheiten s. Bindehautsack.
Ausbildung 8. a. Tagesgeschichte (Tierärztliche
Lehranstalten).
Ausbildung. — Zur tierärztlichen — v. Witt. 957.
Ausbildung der Volksschullehrer. 507.
Ansbluten bei verschiedenenSchlachtmethoden.
439.
Ausnahmetarif für Fleischsendungen. 815.
Ausschneiden s. Fleisch.
Ausstellung s. Kreis-Stuten- u. Fohlenschau,
Landwirtschaftgesellschaft, Mastviehaus¬
stellung, Pferdeschutz.
Austernfang in der Nordsee. 574.
Austernzucht. — Deutsche — 574.
Auszeichnungen s. Tagesgeschichte (Persön¬
liches).
Autocauter. — Orig.-Art. v. Cämmerer. 545.
Autochromplatte im Dienste der praktischen
und wissenschaftlichen Photographie v.
Dr. Fambach. 834. S. a. Farbenphoto¬
graphie.
Autogramm s. Albertus Magnus.
Automobil für die ärztliche Praxis, v. Dr.
Kötschau. 988.
Bacillus s. a. Bazillus.
Bacillus pyogenes bovis und den Bacillus
pyogenes suis. — Vergleichende Unter¬
suchungen über den — v. Berger. 99.
Bacillus pyogenes und die durch ihn hervor¬
gerufenen Gewebsveränderungen. — Unter¬
suchungen über — v. Holth. 861.
Bacillus pyogenes bei der Ziege und den
Nachweis seiner Identität mit dem Ba¬
cillus pyogenes bovis et suis. — Über
das Vorkommen des — v. Dr. Dammann
und Dr. Freese. 861.
Bacillus suisepticus und des Bacillus sui-
pestifer. — Über die Tenazität des — v.
Erdös und Koppänyi. 98.
Bacillus suipestifer. — Zur Herkunft des —
v. Dr. Grabert. 98.
Bacillus vituliaepticu8 und zur Immunisierung gegen die
durch denselben hervorgerufoue septische Pneumonie
der Kälber. — Beitrag zur Biologie de» — v. Rchirop.
638.
Backsteinblattern erkrankter Schweine auf
das Vorhandensein virulenter Rotlauf¬
bazillen. — Untersuchungen des Fleisches
an — v. Schuh. 548. 815.
Backware s. Leberkäs.
Baden s. Jahresberichte, Tagesgeschichte
(Persönliches). — Die Impfungen gegen
den Rotlauf der Schweine in Baden 1905
und 1906 v. Fehsenmeier. 56. — Ver¬
urteilung des Tierarztes A. U. zu K.
wegen Verletzung der Berufs- u. Standes¬
pflichten. 186. — Gehaltsaufbesserungen
in Baden. 252. — Aufhebung der Fleisch¬
steuer in Baden. 260. — Vorlesungs¬
verzeichnis der Universität Freiburg i. B.
311. — Anerkennung des Schweizer
Doktor-Titels. 350. — Beanstandetes
Fleisch als Fischfutter. 494. — Gehälter
der Bezirkstierärzte in Baden. 605. 932.
Bär s. Gastroenteritis.
Bakterien s. Kopfkrankheit, Schlachttier¬
krankheiten.
Bakterien in Form von längeren Stäbchen
und Fäden. — Zum Wachstum der — v.
Broll. 928.
Bakterienentstehung. — Hypothese der — v.
Prof. Dunbar. 8.
Bakteriennährboden s. Gonococcen, Perhydmsemllchugar.
Bakteriologische Fleischbeschau. 493.
Bakteriotropine s. Opsonine.
Bakterium. — Über ein aus zwei Karpfen
gezüchtetes pathogenes — Orig.-Art. v.
Schwinning. 708.
Balantidienenteriti». v. GlaeSner. 633.
Ballenabszeß bei einem Ochsen, v. Mayr. 25.
Barberio s. Spermareaktion.
Basedowthymus. — Ein neuer Beitrag zur — v. Capelle.
697.
Basel s. Schweiz.
Bauchbruch beim Pferd, v. Ventzki. 479.
Bauchbrtichen bei Kühen. — Drei Fälle von
— v. Breß. 430.
Bauchfell s. Tuberkulose.
Bauchhöhle s. Trokar.
Bauchoperationen, operative Koliktherapie an
großen Haustieren. — Einige Instrumente
für — Orig.-Art. v. Prof. Hoffmann. 459.
Bauchwassersucht bei einem Kalbe als Ge¬
burtshindernis. — Intrauterine — Orig.-Art.
v. Holterbach. 555.
Bayern: s. a. Jahresbericht, Kreisraolkerei-
inspektor, Tagesgeschichte (Tierärzt¬
liche Lehranstalten, Persönliches).
V
— Zentralstelle für genossenschaftliche
Viehverwertung in Bayern. 23. — Fest¬
stellung der Vieh- und FJeischpreise in
Bayern. 23. — Das neue Gehaltsregulativ
in Bayern. 186. 252. — Annahme der
neuen Gehaltsordnung. 538. — GehaltBbe-
ziige der tierärztlichen Staatsbeamten. 549.
G05. — Wiedereinführung des praktischen
Jahres in Bayern. 251. — Das neue Be¬
amtengesetz in Bayern. 363. — Einführung
der Trichinenschau in Bayern. 493. 647. —
Schlachtviehversicherung. 494. — Hebung
der Nutzgeflügelzucht in Bayern. 613. —
Geschäftsbericht der bayerischen Landes-
Pf erde Versicherungsanstalt für das VII.
Versicherungsjahr 1906/07. v. Maier. 686.
— Geschäftsbericht der bayerischen
Landes - Viehversicherungsanstalt f. d.
II. Versicherungsjahr 1906/07. v. Maier.
574. — Schaffung der Stelle eines Kreis-
raolkereiinspektors für den Reg.-Bez.
Oberbayern. 701. — Ballfest des S. C. in
München. 186. — Voits Tod. 186. — Prof.
Franks Berufung an Foiths Stelle nach
München. 637. — Ein- und Durchfuhr v.
Rindern und Ziegen aus der Schweiz nach
Bayern. 837. — Bayern voran, v. Schmaltz.
959.
Bazillen mit Sporen. 942.
Bazillenextrakte s. Impfstoffe.
Bazillolsalbe s. Scheidenkatarrh.
Bacillus suipestifer der Erreger der Schweinepest oder
Dicht? — Ist der — ▼. Hübner. 698.
Beamtete Tierärzte s. Vertretung.
Beamtenbesoldung. — Bange Zweifel in der
— v. Schmaltz. 602.
Bcaratenbesoldungskommi88ion s. Gehälter.
Beamtenbesoldungsvorlage. — Aus der neuen
preußischen — 770. 784.
Beamtengesetz in Bayern. — Das neue — 363.
Beamtenverein * zu Hannover, Lebensver¬
sicherungsverein auf Gegenseitigkeit. —
Preußischer — 638.
Befürderungsverhältnisse. — Künftige — 635.
Begutachtung s. a. Schweinerotlauf.
Begutachtung außerhalb ihres Beschaubezirkes
notgeschlachteter Tiere, die vorher von 1
denselben behandelt worden sind, wie es
bis vor dem Inkrafttreten der Verfügung
vom 19. Oktober 1906 gewesen ist. —
Den in der Fleischbeschau tätigen Tier¬
ärzten soll auf ihren Antrag hin ohne
Einschränkung freigegeben werden: die
- v. Dr. Zehl. 35.
v. Behring s. Bovovaccination, Tuberkulose.
Beinbruch beim Pferd. — Geheilter. — v.
Littmann. 599.
Beleben eines scheintoten Kalbes v. Kenning.
148.
Beleidigung eines Tierarztes. 12.
Belgien: Seuchennachrichten. 991. — Ein¬
fuhrverbot wegen Maul- und Klauenseuche.
330.
Berichte s. Mitteilungen, Tagesgeschichte,
Vereine.
Berlin: s. a. Tagesgeschichte (Tierärztliche
Lehranstalten, Persönliches und Ärzte),
Wutschutzabteilung. — „Aschinger“ in
Berlin. 139. — Offene Assistentenstelle
am physiologischen Institut der Tier¬
ärztlichen Hochschule. 186. — Auszug
aus dem Fleischbeschaubericht 1907.
IV. Quartal. 195; 1908 I. Quartal. 335;
II. Quartal. 572; III. Quartal. 839. — Er¬
klärung des Rektors und Professoren¬
kollegiums auf einen Artikel des Herrn
Professor Dr. Malkmus v. Schmaltz. 251.
295. — Jubiläum der Fleischbeschau. 261.
— Besichtigung der Berliner städtischen
Anstalten. 324. — Schärfere Unter¬
suchungen der Fleischsendungen in Berlin.
334. — Freistudentenschaft. 367. —
Berliner Akademische Nachrichten als
Neue Folge der Berliner Akademischen
Wochenschrift. 539. — Zur Versorgung
Berlins mit Fischen. 573. — Schwedische
Milch in Berlin. 718. — Anfrage, ob in
Berlin eine Konferenz von tierärztlichen
Hochschullehrern getagt habe. 913. — Be¬
rufungen 963 s. a. Tagesgeschichte (Tier¬
ärztliche Lehranstalten, Persönliches und
Ärzte).
Bern s. Schweiz.
Berufsjubiläum der 1883 in Berlin approbierten j
Tierärzte. — 25 jähriges — 855.
Berufspflichten s. Gerichts-Entscheidungen.
Berufsüberfüllung v. Geißler. 713; v. IThlmann.
982.
Berufungen s. Tagesgeschichte (Tierärztl.
Lehranstalten, Persönliches).
Beschälseuche in Ostpreußen. 776. 804; von
Nevermann. 884; v. Lorenz. 915.
Beschaubezirk s. Begutachtung.
Beschaubücher ausgehändigt? — An wen
werden am besten die — v. Schilling. 34. ;
Beschauzwang für Hausschlachtungen. 490. !
Beschauzwang bei Rinderhausßchlachtungen ;
(Polizei-Verordnung). 420. I
Beschmutzung s. Fleisch.
Beseitigung s. Senchenkadaver.
Besetzung amtlicher Stellen. — Ein Wort zur
— v. Kunze. 938; Berichtigung. 963.
Besitzrecht auf durch Operation entfernte
Teile. 718.
Besoldung der Bezirkstierärzte in Sachsen. 224.
Besoldung der Kreistierärzte. —- Zur — 825.
Besoldung der Militärveterinäre. 825.
Besoldungskommission s. Gehälter. j
Besoldungsvorlage s. a. Tagesgeschichte j
(Militärveterinäre). ,
BesoldungsVorlage. — Eingabe des Vereins j
beamteter Tierärzte Preußens um Ab -1
änderung des auf sie bezüglichen Teiles j
der — 881.
Betätigung 8. Tierärzte.
Betäubung der Schlachttiere. 47. j
Betäubung des Schlachtviehs. — Polizeiver- j
Ordnung in Lippe betr. — 195.
Beugesehnenveränderungen des Pferdes unter
besonderer Berücksichtigung der histo¬
logischen Vorgänge. — Die aseptischen
- v. Schifferli, 695.
Bewegungszentrum (?) — Ein eigenartiger
Fall von Erkrankung des — Orig.-Art.
v. Wolfstein. 731; v. Pekaf. 925.
Bezirkstierärzte s. Besoldung, Gehälter,
Jahresberichte, Mitteilungen.
Bicapessar (doppelte bewegliche Hakenzange)
nach Hoffmann. 461.
Biersches Saugverfahren mit der Glocke bei
parenchymatöser Mastitis v. Lange.
Bindehautsack des Pferdes und ihre Be¬
ziehungen zu den Augenkrankheiten. —
Über das Vorkommen von Mikroorganismen
im — v. Krüger. 902.
Binder s. Tagesgeschichte (Persönliches
[Ehrungen]).
Biocitin. 273.
Biologie s. Artverwandtschaft. Insekten.
Pferdefleisch. Wild- und Rinderseuchc.
Bissulin. 913, 963.
Bissulin. — Zur Behandlung des ansteckenden
Scheidenkatarrhs mit —Orig.-Art. v. Schaaf.
283.
Bissulin. — Behandlung des ansteckenden
Scheidenkatarrhs mit — v. Botzner. 584.
Berichtigung. 634.
Bißverletzungen bei Menschen durch tolle oder
tollwutverdächtige Tiere. — Übersicht
über die im Jahre 1906 zur amtlichen
Kenntnis gelangten Fälle von — 567. Im
Jahre 1907. 807.
Bistouris auf langem, biegbaren Kupferstab-
griff nach Hoffmann. 461.
Bitte. — Redaktionelle — v. Schmaltz. 913.
Bläschenaus8cblag. — Sublimatlösung bei
Behandlung des — v. Röbert. 377.
Blasensteinbildung beim Wallach, kompliziert
mit eiterig-diphtheritischer Zystitis. — Ein
Fall von — Orig.-Art. v. Hieronymi. 299.
Blaufärbungen des Fleisches. 439.
Bleivergiftung bei Stubenvögeln. Orig.-Art.
v. Prof Regenbogen. 544.
Blitzschlag v. Zerler. 8.
Blume s. Wurfzeug.
Blut s. Insekten, Tuberkelbazillengehalt.
Blut der Schlachttiere. 838.
Blutfilarien bei den Spatzen, v. Angelici. 32.
Blutgefäße s. Blutstillungszange.
Blutgerinnsel s. Schabefleisch.
Blutharnen (Texasfieber) und die Damholidbe-
handlung. — Erfahrungen über die Schutz¬
impfung gegen — Orig.-Art. v. Evers. 458.
Blutkörperchen bei chirurgischen Krankheiten
des Pferdes, besonders bei eitrigen Ent¬
zündungen. — Untersuchungen über das
Verhalten der — v. Dr. Gasse. 600.
Blutkrankheit s. Spirillosis.
Blutmehl. 838.
Blntparasiten in China v. Pfeiffer. 447.
Blutplättchen? — Ein Beitrag zum Wesen
der Ilämoglobinämie. Was sind — von
Dr. Freytag. 775.
Blutstillungszange, die ein Unterbinden durch¬
schnittener Blutgefäße überflüssig macht.
— Eine neue — Orig.-Art. v. Blunk. 579.
Blutungen in der Hornkapsel v. Geßner. 99.
Bocholt s. Schlachthofzwang.
Bodenkrankheiten. — Beziehungen des Bodens
zu den sogenannten — v. Ludewig. 502.
Bornasche Krankheit der Pferde. Orig.-Art.
v. Liebener. 197.
Bornasche Krankheit. — Betrachtungen über
die sogenannte — Orig.-Art. v. Kühn. 173.
Bomasche Krankheit. — Anzeigepflicht im
Herzogtum Sachsen-Altenburg für die —
489.
Bornyral und seine klinische Bedeutung, v. Kabisch. 432.
Borpulver s. Augenkammer.
Bosanat undBosanol.—-Bekämpfung der Maul*
und Klauenseuche mittelst — v. Dr.
Freytag. 775.
VI
Bovovaccin. -- Innnnuisierungsvorsuehe gegen
die Tuberkulose an Rindern mit v. Beh-
ringscbem — Orig.-Art. v. Prof. Dr.
Kern. 578.
Bovovaccination der Kälber gegen Tuber¬
kulose nach Dr. v. Behring. — Erfahrungen
über die — v. Ondraeek. 357.
Bradsot s. a. Piroplasmosis.
Bradsot der Schafe. 489, 802; Orig.-Art. v.
Dr. Mießner. 436. 577.
Bradsot. — Beiträge zur Kenntnis des —
v. Hilbrand. 599.
Brandenburg: Milchkontrolle in der Mark
Brandenburg. 203. 334. — Branden-
burgischer Stftdtetag. 648.
Brauch und Mißbrauch v. Schmaltz. 349.
Braunschweig. — Tierärztekammern in —
865. 929.
Brechweinstein als Anthelminthicum v. Dr.
Möller. 955.
Brechweinsteinvergiftung bei einem Fohlen.
— Über einen Fall von — v. Lüer. 696.
Bremen. — Anstellung eines Kreistierarztes
in — 507.
Bremse s. Nasenbremse.
Brennesselvergiftung. Orig.-Art. v. Holter¬
bach. 297.
Breslau s. Abgeordnetenhaus, Nahrungsmittel¬
untersuchung, Schlesien.
Bromberg s Fortbildungskursus, Gebühren¬
ordnung, Tagesgeschichte (Tierärztliche
Lehranstalten).
Bronchitis venninosa der Rinder un<J die
verschiedenen Behandlungsmethoden der¬
selben v. Dr. Scheibel. 146. |
Bronchitis der Schafe, — Erfolgreiche Be¬
handlung der verminösen — v. Kroening. i
146.
Broschüre s. döfendus.
Brot. — Vergiftung durch verschimmeltes —
v. Holterbach. 82.
Brühwasser. — Zur Verhütung der Anfüllung
der Lungen mit — 816.
Brühwürstchen. — Zur Räucherung der —
440.
Brustfellentzündung s. Ruhr.
Brust- und Rotlaufseuche unter den Pferden
der Militärverwaltung. 336.
Brustseuche s. Influenza, Sehnenscheiden¬
entzündung, Tuberkulose.
Brustseuche. — Zur Ätiologie der — Orig.-
Art. v. Prof. Dr. Lorenz. 497. 797.
Brustseuche der Pferde. — Untersuchungen
bei der — Orig.-Art. v. Dr. Mayer. 897.
Brutinaschinen. — Über die Konstruktion
von — 179.
Bücheranzeigen: Kritiken: Bayer und Fröhner,
Handbuch der tierärztlichen Chirurgie und
Geburtshilfe, III. Bd., II. Teil u. IV. Bd.,
I. Teil. 992. — Bongert, Bakteriologische
Diagnostik mit besonderer Berücksichti¬
gung der Immunitätslehre der Serodia¬
gnostik und der Schutzimpfungen. 496. —•
Bonnet, Lehrbuch der Entwicklungs¬
geschichte. 399. — Chauveau, Arloing und
Lesbre, Traite d’Anatomie comparee des
aniinaux domestiques. 100. — Dr. (’rone,
Die Entwicklung der Schweinezucht in
Deutschland unter besonderer Berück¬
sichtigung der wirtschaftlichen Fragen.
608. — Disselhorst, Anatomie^und Physio¬
logie der großen Haustiere, mit besonderer
Berücksichtigung der Beurteilungslehre
des Pferdes. 400. — Falke, Die Dauer¬
weiden. 383. — Franke, Merkbuch für
Ziegenhalter. 839. — Fuhrmann, Die
Cestoden der Vögel. 967. — Griffin, Me¬
moria. 384. — Groß, Das ostfriesische
Pferd. 608. — Handbuch der vergleichen¬
den Anatomie der Haustiere. Von Ellen¬
berger und Baum. 399. — Handbuch der
tierärztlichen Chirurgie und Geburtshilfe
Herausg. v. Prof. Bayer und Prof. Dr.
Fröhner. 624. — Heine, Reichsfleisch¬
beschaugesetz. 839. — Hinckf Die er¬
worbenen Eigenschaften und das Ver¬
erbungsproblem. 608. — Bösch, Die
wichtigsten Fragen der Tierzucht und
Tierhaltung in der Gegenwart. 510. — j
Hoffmann, Atlas der tierärztlichen Ope¬
rationslehre. 992. — Honecker, Die Zucht
der rehfarbenen, hornlosen Schwarzwald¬
ziege in Württemberg 704. — Jagd-
Ordnung nebst Ausführungsbestimmungen. j
— Neue preußische — 624. — Jahr-;
buch für das Deutsche Reich. — Sta
tistisches — XXVIII. Jhrg., 1907. 672. - !
Jakobsen, Viehseuchen und Herdenkrank-
heiten in Deutsch-Südwestafrika. 352. i
— Johne, Taschenkalender für Fleisch¬
beschauer und Trichinenschauer. 528. — !
Johne, Der Trichinenschauer. 527. —;
Kästner, Die tierpathogenen Protozoen, j
352. — Ka} r ser, Anatomie und Physiologie j
der Haussäugetiere. 400. — Klimmer, Vete¬
rinärhygiene. Grundriß der Gesundheits¬
pflege der landwirtschaftlichen Haustiere
mit besonderer Berücksichtigung der Füt-
tcrungslehre. 496. — Kilhnau und Clevisch,
Einrichtung und Betrieb von Säuglings-1
milchanstalten. 528. — Kuhnert, Farbige
Tierbilder. 352. — Lantzsch, Kgl. Sächs. (
Gesetz betreffend die Unterhaltung und I
Körung der Zuchtbullen vom 30. IV. 06.
383. — Lanzilotti-Buonsanti, Trattato di j
Tecnica eTherapeuticaC'hirurgica generale j
e speciale degli Animali domestici. 400. 1
— Lesbre, Elements d’Histologie et de i
Technique microscopique. 400. — Martini,
Symptome, Wesen und Behandlung der
Malaria. 352. — Meyers kleines Kon¬
versationslexikon, VII. Aufl. in 6 Bdn.
368. — Müller, Lehre vom Exterieur des
Pferdes oder von der Beurteilung des
Pferdes nach seiner äußeren Form. 576.
— Munks, Lehrbuch der Physiologie des
Menschen und der Säugetiere. 400. —
Dr. Nördlinger, Nachsehlagebuch derFirma.
624. — Ostertag, Das Veterinärwesen der
Vereinigten Staaten von Amerika, Reise¬
studie. 352. — Pfeiffer, Operationskursus
für Studierende und Tierärzte. 352. —
Pomayer, Das Zurückhalten der Nach-,
gebürt beim Rinde. 352. — Pott,
Handbuch der tierischen Ernährung und
der landwirtschaftlichen Futtermittel, Bd. II. j
156. — Pusch, Kindermilchproduktion
in wirtschaftlicher und hygienischer Be¬
leuchtung. 528. — Report of the govem-
ment veterinan* bakteriologist. 968. —
Rau. Die Not der deutschen Pferdezucht
368. — Rickmann, Tierzucht und^Tier¬
krankheiten in Deutsch - Südwestafrika.
227. — Sander und Hennig, Tropische
und subtropische Viehseuchen. 384. —
Sehäffer, Der Einfluß unserer therapeu¬
tischen Maßnahmen auf die Entzündung.
510. — Schlachtvieh-Versicherungsgesetz¬
gebung deB Königreichs Sachsen. Zu¬
sammengestellt und erläutert von Edel¬
mann. 528. — Schmidt, Beitrag zur
Geschichte des Landesverbandes Preußi¬
scher Trichinen- und Fleischbeschauer¬
vereine. 527. — Schmaltz, Akademische
Freiheit und Vaterlandsliebe. 352. — Share-
Jones, The Surgical Anatomy of the Horso.
400. — Steinbrück, Handbuch der ge¬
samten Landwirtschaft. 608 — Struska,
Lehrbuch der Anatomie der Haustiere.
399. — Stuhlmann, Beiträge zur Kenntnis
der Tsetsefliege. 383. — Suckow, Über
Vererbung und Aufzucht der Pferde mit
besonderer Berücksichtigung der Schritt¬
pferdezucht. 575. 608. — Theiler, Report
of Government Veterinary Bacteriologist
384. -- Vennerholm, Spezielle Opcrations-
lehre des Pferdes. 510. — Vorschriften für
das Veterinärwesen in Bayern, Bd. I. II.
47. — v. Wasielewski, Studien und Mikro¬
photogramme zur Kenntnis der pathogenen
Protozoen. 384. — Ziemann, Schutzpocken¬
impfung in den Kolonien. 383. — Ziemann,
Wie erobert man Afrika für die weiße und
farbige Rasse. 383. — Zwick, Schema des
Blutkreislaufs beim Rinde. 352. — Zwick,
Schema des Blut- und Lymphstroms beim
Rinde. 352.
Neu« Einginge:
Abderhalden, Neoere Ergebnisse auf dem Gebiete
der speziellen Eiweißchemie 967. — Abderhalden,
Lehrbuch der physiologischen Chemie in zweiund-
dreißig Vorlesungen. 840. — Abel und Ficker, Einfache
Hilfsmittel zur Ausführung bakteriologischer Unter¬
suchungen. 967. — Ammelouox, Über Entwicklung
and Entwicklangsstörangen der Nieren. 698 . — An-
geloff, Die grauen durchscheinenden Knötchen in
den Lungen des Pferdes nnd ihre Beziehung zu der
Rotzkrankbelt. 48. — Apparate nnd Transport¬
wagen zur Verwertung und Beseitigung von Tier¬
kadavern und Sihiacbthofkonßskaten. Prüfungs¬
bericht erstattet vom Geh Med.-Rat Prof. Dr.
Fr&nkel, Prof. Dr. Fischer, Prof. Dr. Stutzer, Dr.
H. Thiesing, Ökonomie rat Vibrans; mit einer Eiu¬
leitang von Dr. M. Hoffmann. S36. — Arbeiten ans
dem Kaiserlichen Getmndbeitsamte, Bd. XXVIII,
Heft 5. 1908: Prof Dr. Uhlenbutb, Dr. O. Welclant
and Dr. Angeloff. Über den bio ogisehen Nachweis
der Herkunft von Blut in blutsaugenden Insekten
Dr. Hüne, Die Anwendung des biologischen Ver¬
fahrens zum Eiweißaachweis im Fettgewebe und
ausgelassenem Fett i8chmalz). ■ Prof Dr Uhlen-
huth, Dr. O. Weidanz und Dr. Wedemano. Technik
und Methodik de« biologischen Verfahrens zum Nach¬
weis von Pferdefleisch. — Dr. W.'Wedemanti, Toxi-
kolo.iscbe Versuche mit Atoxyl an zahmen Ratten.
— Dr. O. Weidanz und K. Borchmann. Vergleichende
Untersuchungen über die praktis< he Verwertbarkeit
der Pr&zipltlnreaktion und der Komplementbindungs¬
methode zum Nachweis von Pferdefleisch. — Dr.
Xyiauder und Dr. Wolthe. Über eine neue Vor-
riohiung zur Gewinnung keimfreier Sara ln größeren
Mengen. 624. — Rärner, Über den histologisohen
Ban der Arterien in der Brnst- nnd Bauchhöhle dos
Pferdes mit besonderer Berücksichtigung der An¬
passung dieser Geflße an die Umgebung nsw 678. -
Baumeier, Zur vergleichenden Anatomie und Morpho¬
logie des Musculua obilquus abdomlnis externus und
der Fascia flava. 840. — Beding, Beiträge zur makro¬
skopischen und mikco kopisoben Anatomie der Vagina
und des Utero* der 8äug*tie?e. Mit 1 Tafel. 678.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Herausgegeben
v. Piof. Dr. Ludoiph Brauer, Band IX, Heft 1: Wolff-
Eisner, Die Ophthalmo- und Kutan-Diagnose der
Tuberkulose (kutane und konjunktivale Tuberkulln-
reaktion nach v. Pirquet und Wolff-Eisner) nebst
Besprechung der klinischen Methoden zur Früh¬
diagnose der Luugen-Tuberkulose. 228 — Beiträge
zur Klinik der Tuberkulose, Bd. VIII, Heft 4. Inhalt:
Fricke, Ein Fall von Karzinom und Tuberkulose der
Mamma. Mit 1 Tafel. Eisen, Über die Tuberkulin
Ophthalmo-Reaktion. Amrein, Weitere Tuberkulin-
Erfabrungen. Pigger, Künstlicher Pneumothorax und
opsonischer Index. Mit 1 Tafel. Much. Über die
nicht säurefesten Formen des Kochschen Tuberkolin-
bazillus. Kraemer, Psychophysische Gleichgewichts¬
störung? Bemerkung zu Dr. Köhlers Abhandlung lm
VII
1. Heft dieses Bandes. 1&& — Beiträge zur Klinik
der Tuberkulose und spezifischen Tuberkulose-
Forschung. Herausgegeben von Prof. Dr. Ludolph
Bauer. Bd- X, Heft 1: Turban und Baer, Opsonischer
Index und Tuberkulose. Mit 1 Tafel. Rothschild,
Neue Gesichtspunkte in der Tuberkulintherapie.
Ge. hartx und Strigel, Über Lungensteine und
Kieseisäurebehandlung. Dluski, Über Tuberkulin¬
anwendung in der Lungentuberkulose vom klini¬
schen Standpunkte. Rzewnski, Zur Röntgenograpbie
de« Thorax dyspnoischer Patienten bei Atem¬
stillstand. 624. — Bd. X, Heft 3. Francke,
Der krankhafte Druckschmerz — ein Erkennungs¬
mittel der beginnenden Schwindsucht. Berliner,
Zar Behandlung der Tuberkulose mit Eukalyptol-
injektionen. Weber, Neuere Gesichtspunkte bei der
Behandlung der Lungentuberkulose. Graetz, Der
Einfluß des künstlichen Pneumothorax auf die
tuberkulöse Lunge. Mit 3 Tafeln. Goldschmidt und
Knobel, II. Bericht über intravenöse Behandlung
Tuberkulöser mit Hetol. 840. — Band X, Heft 4: Land¬
en anr.. Tuberkulol und Tuberkulin. Böraneck. Sahli,
Erwiderung auf den vorstehenden Artikel Böraneck,
R6pon«e 4 Monsieur le Dr. Landmann. Landmann,
Sahli und Böraneck, Schluflbemerkungen. Konzei-
mann, Über den Einfluß pleuritischer Exsudate auf
den Verlauf der Lungentuberkulose. 840. — Band XI.,
Heft 1. Shingu, Beiträge zur Physiologie des künst¬
lichen Pneumothorax und seiner Wirkung auf die
Lungentuberkulose. Mit 6 lithographierten Tafeln.
Eber, Experimentelle Übertragung der Tuberkulose
▼om Menschen auf da« Rind. (Dritte Mitteilung.)
Much, Granula und Splitter. Wirths, Die Muchachen
„Granula-* und die Cor Spenglcrschen „Splitter“. 967.
— Bd. XI, Heft 2: Römer. Spezifische Überempflndlich-
keit und Tuberkuloseimmunität. Mit 1 Tafel. —
Cohn, Über die durch Komplementbindung nach¬
weisbaren Tuberkulose - Antikörper im Blute von
Phthisikern. — Meißen, Tuberkulöt-e Infektion und
tuberkulöse Erkrankung. — Schröder, Über das
Vorkommen von Peilsuchtbazillen im Sputum der
Phthisiker und ihre Bedeutung für die Therapie der
chronischen Lungentuberkulose. — Tendelor, Die
Bedeutung der Atmungsgröße für die Entstehung
und die Ausdehnung bzw. Heilung der Lungen¬
tuberkulose. — Roepke, Die diagnostische und pro¬
gnostische Bedeutung derKonjunktivalreaktion.968. —
Bennec Studien über Gefäßerkrankungen durch
Gifte. 336. — Bericht über die Königliche Tierärzt¬
liche Hochschule zu Dresde > für das Jahr 1907. 840.
— Bericht über die Tätigkeit des Gesundheitsamtes
der Landwirtschaftskammer für die Provinz Pommern
während des Jahres 1907/08. Erstattet vom Direktor
Dr. Schmitt, 624 — Bericht über die Tätigkeit des
Bakteriologischen Instituts für die Landwirtschafts¬
kammer der Provinz Sachsen zu Halle a. S. während
des Jahres 19 -7/08. 840. — Bericht über die sechste
allgemeine Vereinsversammlung des Vereins preußi¬
scher Scblachthoftierärzte zu Berlin am 16. nnd
16. Juni 1907. 48. — Bericht über die Verwaltung
des städtischen Schlacht- und Viebhofes zu Augs¬
burg 19uö. 228. — Bericht über die Verwaltung des
städt. Schlacht- und Viebhofes zu Breslau f-r die
Zeit vom 1. April 1907 bis 31. März 1908 840. —
Bericht über das Veterinärwesen im Königreich
Sachsen für das Jahr 1907. 840. — Bingert, Bak¬
teriologische Diagnostik mit besonderer Berück¬
sichtigung der Immunitätslehre, der Serodiagnostik
und der Schutzimpfungen für Tierärzte und Studie¬
rende. 336. — Bonnet, Lehrbuch der Entwicklungs¬
geschichte. 156. — Braun und Lühe, Leitfaden
zur Untersuchung der tierischen Parasiten der
Menschen und der Haustiere. 962. — Budnowski, Über
die Entzündung des Unterstützungsbandes der Huf-
beinbengesehne am Vorderfuße des Pferdes. 672. —
Centralblatt, Internationales, für die gesamte Tuber¬
kulose orschung. Herausg. von Prof. Dr. Ludolph
Brauer, Prof Dr. de la Camp, Dr. G. Schröder,
n. Jahrg., Nr 5. 228. — Centralblatt, Internationales,
für die gesamte Tuberkuloseforscbung. Unter Mit¬
wirkung zahlreicher Fachgelehrten des In- und
Auslandes, herausgegeben von Prof. Dr. L. Brauer,
Prof. Dr. Oskar de la Camp und Dr. G- Schröder*.
UL Jahrg, Nr. 1. 967. — Christ, Untersuchungen
über die Muskulatur und das elastische Gewebe in
der Milchdrüse der Haussängetiere. 672. — Cornelias,
Das Oldenburger Wesermarschriud Herausgegeben
vom Oldenburger Wesermarscb-Herdbucbvereln. 384.
— Crone-Münzebrock, Entwicklung der Schweine¬
zucht ln Deutschland unter besonderer Berücksichti¬
gung der wirtschaftlichen Fragen. 228. — Degen,
Untersuchungen über die hämatogene eitrige Nephritis
des Schweines. 576 — Degive, PrÄcis de mödicine
opöratoire vetörinaire. 840. — Depperich, Beiträge
snr Kenntnis der „neuen Hühnerseuche“ (Hühnerpest
Ostertag). 704. — Desinfektion. Monatsschrift. I. Jahrg.
2. Heft. 840. — Dexler, Zar Anatomie des Zentral-
nervensystems von Blephas Indiens. 48. — Dexler,
Ärztliche Sachverständigentätigkeit auf dem Gebiete
der Veterinärmedizin. 47. — Edlnger und Prof. Dr.
Ed. Claparöde, Über Tierpsychologie. 968. — B ob-
mann, Photographische Belichtuog'tabelie Helios.
336. — Ritenberger, Über die Beeinflussung der
Verdauung und der Ausnutzung der vegetabilischen
Nahrungsmittel durch die ln den Pflansen ver¬
kommenden Enzyme. 48. — Elleuberger nnd Baum,
Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haus¬
tiere. 704. — Bllenberger, Baum und Dittrioh, Handbuch
der Anatomie derTiere für Künstler. Bd»III. Anatomie
des Löwen. 672. — Ellenberger und Günther, Grund¬
riß der vergleichenden Histologie der Hausslnge-
tlere. 38L — En gelm amt, Untersuchungen über die
elastischen Fasern der Lymphknoten vom Pferd,
Rind. Schwein und Hnpd and über die an ihnen
ab'anfenden Altersveränderungen. 156. — Ent¬
scheidungen des Prenfliscben Ehrengerichtshofes für
Ärste. 1. Band. 528. — Ephraim, Patentanwalt,
Der Entwurf da« Gesetzes über den Geheimmittel-
verkebr und die chemlsobe Industrie 384. — Er¬
gänzungs-Steuergesetz vom 19. Juni 1906. 156. — Er¬
gebnisse der Schlachtvieh- nnd Fleischbeschau im
Deutschen Reiche im Jahre 1905. Bearbeitet im
Kaiserlichen Gesundheitsamte. 336. — Fischer, Über
Scheiden- and Wurflnberkulose bei der Kuh. 628. —
Francke, Merkbnch für Ziegenhalter. 528 — Franz,
Die Druse dt-r Pferde und ihre Behsndlumr mit Serum
nach DDr. Jeß-Piorkowski. 8 6. — Freitag, Zur Ent¬
wicklung und Einteilung des Kleinhirnes der Haus-
Säuger 672. — Freund, Anomalien des Fisch-Skeletts.
(Ergebnisse der allgemeinen Pathologie und patho¬
logischen Anatomie des Menschen und der Tiere.) 48.—
Freytag, Die Bedeutung des gelben Knocheumarkes
für die Blutbildung und die „Kerneinheit 4 ' der Ery-
throcyten. 228. — Freytag. Beziehungen der Milz
zur Reinigung und Regeneration des Bintes. 156. —
Freytag, Zur Theorie der Biutzellenbildung und der
fixen Zellen der tierischen Organismen. 228. —
Friedberger nnd Fröhner, Lehrbuch der speziellen
Pathologie und Therapie der Haustiere. Heraus¬
gegeben von Prof. Dr. tned. Eugen Fröhner. VII. nen-
bearbeitete Auflage. Zwei Bände. 156. — Fröhner,
Lehrbuch der Arzneimittellehre für Tierärzte. 840. —
Fuhrmann, Die Cestoden der Vögel. 840. — Gasse,
Untersuchungen über das Verhalten der Blutkörper¬
chen bei chirurgischen Krankheiten des Pferdes,
besonder« bei eitrigen Entzündungen. 628. —
Gewerbesteuer-Gesetz, Preußisches. 228. — Glaesmer,
Tierseuchen-Bekämpfung im Felde. 624. — Gmeiner,
Klinische Untersuchungen Uber die Wirkung modi¬
fizierter Salizylsäuren auf die Harnorgane. 836. —
Goedecke, Ueber die Wirkung einiger Salze bei
subkutaner und intravenöser Anwendung. 336. — Gold¬
beck, Das Militär-Veterinärwesen nnd die Krankheits-
Statistik der Armeepferde aller Kultnrstaaten. 166. —
Groß, Das ostfriesisebe Pferd (Monographien Bd. VII.)
528. — Gütig, Ein Beitrag zur Morphologie des Schwei¬
neblutes. 48. — Gundelach, Das Pferdefleisch als
Nahrungsmittel. Herausgegeben von der Pferdeschutz-
Vereinigung über ganz Deutschland (E. V.) 624. —
Gattmann, Medizinische Terminologie. Ableitung
nnd Erklärung der gebräuchlichsten Fachausdrücke
aller Zweige der Medizin und ihrer Hilfswissen¬
schaften. 968. — Haacke und Kuhnert, Tierleben
der Erde. 528 — Haane, Über die Cardiadrüsen und
die Gardiadrüseuzone des Magens der Haus-
säugetiere. 672. — Hafemann, Erlischt das Leitung«-
vermögen motorischer und sensibler Frosoh-
nerven bei derselben Temperaturerhöhung. 336. —
Handbuch der Tierärztlichen Chirurgie und Geburts¬
hilfe. Herausgegeben von Prof. Dr. Jos. Bayer und
Prof. Dr. Eug. Fröhner. 27. Lfg.: Extremitäten, Hufe,
Klauen. H. Teil 8. Lfg.: Prof. Dr. Eberlein, Die
Hnfkrankhelten des Pferdes. (Mit Ausnahme der
Krankheiten der Horakapsel.) [Bogen 26—36.] —
Dasselbe 28. Lfg.: M. G. de Brnin, Geburtshilfe bei
den kleineren Haustieren. — Dasselbe III. Bd.,
1L *Teil: Kopf, Hals, Brust, Bauch. II. Teil: Korps¬
stabsveterinär Bartke, Sattel- und Geschirrdrücke,
Widerristtistein. — Prof. W. Gntmann, Chirurgische
Krankheiten des Magens und Darmes. — Prof.
Hendrick, Männliche Geschlechts- und Harnorgane
inkl. Kastration. — Prof. Dr. Gmelin Die Krank¬
heiten des Nabels. — Dasselbe IV. Band. L Teil:
Extremitäten, Hufe. Klauen. Prof. Dr. Zschokke,
Die Krankheiten der Knochen. — Korpsstabsveterinär
Heil, Krankheiten der Muskeln, Faszien, Nerven und
Gefäße an den Extremitäten. — Prof. Dr. Siedam-
grotzky, Krankheiten der Sehnen, Sehnenscheiden
und Scbleimbeutei. Neu bearbeitet von Prof. Dr.
Langwitz. — Korpsstabsveterinir Bartke, Kriegs-
chirargie und Statistik. — Prof. Dr. N. Lan/ilottl-
Buonsanti, Krankheiten der Gelenke inkl. Spat und
Schale. — Dasselbe VI. Band: Prof. Dr. Hngo
Bchindelka, Hautkrankheiten bei Haustieren. 510. —
Hansen-Bonn, Fütterungaversuche mit Milchkühen.
Im Aufträge des Sonderausschusses für Fütterungs¬
wesen der Deutschen Landwirtachaftsgesellschaft.
156. — Happich, Bericht über die Tätigkeit des milch-
wirtschaftlichen bakteriologischen Laboratoriums zu
Jurjew (Dorpat). Für das Jahr 1905 mit kurzem
Überblick für die Jahre 1903—1904. 1906. 156. —
Hartig, Vergleichende Untersuchungen über die
Lippen- und Backendrüsen der Haussäugetiere und
des Affen. 576. — Heinemann, Albreeht von Haller
als Vivisektor. Ein Beitrag zu seinem 200. Geburtstag.
856. — Helm, Vergleichende anatomische nnd histo¬
logische Untersuchungen Uber den Ösophagus der
Haussängetiere. 48. — Hink, Zuchtinspektor. Die
erworbenen Eigenschaften nnd das Vererbungs¬
problem. 884. — Höcke, Beiträge sur vergleichenden
Histologie des Pankreas der wichtigsten Haussäuge¬
tiere (Hund, Katze, Schwein, Schaf, Ziege, Rind,
Pferd) mit besonderer Berücksichtigung des „Aus-
führenden Apparates“ und der „Pankreasinseln“. 836.
— Hoesch, Königl. ökonomierat: Die wichtigsten
Fragen der Tierzucht und Tierhaltung in der Gegen¬
wart. 228. — Hoffmans, Atlas der tierärztlichen
Operationslehre in fünf Büchern. I> Bach: Zwangs¬
mittel und Zwangsmaflregeln. II. Buch: Instrumenten¬
lehre. III. Buch: Verbandslehre. IV. Buch: All¬
gemeine Operationen. V. Bach: Spezielle Operationen.
704. — Honeker, Oberamtstierarzt, Die Zucht der
rehfarbenen, hornlosen Schwarzwaldziege InWürttem-
berg. Mit eiuem Anhang über die Behandlung der
häufigsten Ziegenkrankbeiten. 624. — Hornickel,
Vergleichende Untersuchungen über den histo¬
logischen Bau der Tränendrüse unserer Häussäuge-
tiere. 672. — Hummel, Vergleichende Untersuchungen
über die im Darm der Pferde vorkommenden Knoten
und geschwürsartigen Veränderungen mit besonderer
Berücksichtigung der Rotzkrankheit. 840. — Immisch,
Untersuchungen über die mechanisch wirkenden
Papillen der Mundhöhle der Haussäugetiere. 672. —
Jahrbuch für wissenschaftliche und praktische Tier¬
zucht einschließlich der Züchtnngsbiologla. Heraus¬
gegeben von Robert Müller. Dritter Jahrgang. 624.
— Jahresbericht über die Ergebnisse der Iramunitäts-
forsebung. Unter Mitwirknng von Fachgenossen
herausgegeben von Dr. Wolfgang Weichardt,
Privatdozent. Bd. III: Bericht Aber das Jahr
1907 einschließlich einer zusammenfassenden Über¬
sicht „Über Anaphylaxie“ von C. Levaditi and
über „Phagozytose, Opsonintheorio und Ver¬
wandtes“ von Dr. W. RosentbaL 962. — Jahres¬
bericht der Landwirischaftsk&mmer für die Pro¬
vinz Schlesien für das Verwaltnngsjahr 1907. 840.
— Jahresbericht über die Leistungen auf dem
Gebiete der Veterinärmedizin. 840. — Jahresbericht
über die Verbreitung von Tierseuchen Im Deutschen
Reiohe. Bearb. im Kaiserlichen Gesundheitsamte zu
Berlin. XXI Jahrg. 19 6 nnd XXII. Jahrg. 1907. 672.
— Joest, Die Amyloiddegeneration bei Tieren.
(Separatabdruck aus Ergebnisse der Allgemeinen
Pathologie und pathologischen Anatomie ries Menschen
und der Tiere. XIV. Jahrg. 840. — Joest, Zur patho¬
logischen Anatomie der Lungenwurmkrankbeit
(Lnngenstrongylose) des Rindes. 576. — Joest,
Bericht über das pathologische Institut. 840. —
Joest, Untersuchungen zur Frage des Vorkommens
latenter Tuberkelbazillen in den Lymphdrüsen des
Rindes and 8« hweines. 676 — Joest nnd Selber,
Über lokale Eosinophilie in der Leber der Haustiere.
840. — Joest and Röder, Ein interessanter Fall von
Endocarditis valvularis chronica beim Pferde. 676.
— Joest und Wolffhügel, Zur Pathogenese der
Lymphd üsentuberkulose. 576. — Käppeli, Beiträge
sur Anatomie und Physiologie der Ovarien von wild
lebenden und gesähmten WiedrrkäuernundSchweinen.
386. — Kitt, Bakterienkunde und pathologische Mikro¬
skopie für Tierärzte und Studierende der Tiermedizin
228. — Kitt, Was mnß jeder Hundebesitzer wissen?
856. — Kitt, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie für
Tierärzte und Studierende der Tiermedizin. 2. verb.
Aufl. 228. — Klawitter, Über Nebennierengeschwülste
der landwirtschaftlichen Haussängetiere. 156. —
Klinge, Die inneren Irisschichten der Hanssäuge-
tiere. 528. — Knflsel, Studien über die sogenannte
sterilisierte Milch des Handels. Ein Beitrag zur
Biologie der peptonisierenden Milchbakterien. 228.
— Koch und Rabinowitacb, Die Tuberkulose der
Vögel und ihre Beziehungen zur Sängetiertnber-
kulose. 48 — König, Die Autochrom-Photo-
graphle and die verwandten Drelfarbenraster-Ver-
fahren. 528. — König, Veterinärkalender für das Jahr
1909. 2 Teile. 672. — Kongreß für Hygiene
und Demographie, Bericht über den XIV. Inter¬
nationalen, Berlin 23 - 29. September 1907. Bd. III,
erster Teil. Bd. in, zweiter Teil. Bd. IV, mit
General-, Namen- and Sach-Register. 528. — Kongi eß
im Haag. — Neunter Internationaler Tierärzt¬
licher. — 18. —19. 8eptember 1909. National-
Komitees, Verhandlungsgegenstände usw. 968. —
Kormann, Über den Baa der Integuments der
Regio fariam and der Wand des Nasenvorhofs
der Haussäugetiere mit besonderer Berücksichtigung
der daselbst vorkommenden Drüsen. 672. — Krage,
Vergleichende histologische Untersuchungen über
das Präputium der Haussäugetiere. 48. 336. —
Ktthnau und Cleviscb, Einrichtung und Betrieb von
Säug ingsmilcbanstalten. 156. — Kuhnert, Farbige
Tierbilder. 10 Lieferungen mit 60 Bildern. 628. —
Kurtswi Über Peridemitis (Periostitis alveolaris)
beim Pferde mit besonderer Berücksichtigung der Er¬
krankung des M, im Unterkiefer. 968. — Lantzscb,
Kgl. säen« Gesetz betreffend die Unterhaltung nnd
Körung der Zuchtbullen vom 30. April 1906. 704. —
Leers, Methoden and Teohnlk der Gewinnung, Prüfling
and Konservierung des zur forensischen Blut- btw.
Biweißdifferenzierung dienenden Antiserums. 840. —
Lehmann, Über Bau und Entwicklung der Wand
der hinteren Hohlvene des Rindes nnd Venenklappen
bei Pferd nnd Rind. 704. 856. — Lenfers, Zur
Histologie der Milchdrüse des Rindes. 672. — Lenfers,
Beiträge zur Synopbthalmie der Haustiere. 672-
Levy, Blum*ntha1 und Marxer, Über Immunisierung
gegen die Rotzkrankheit. 48. — Lnngwltz, Die Be-
dentnng der Hufbeschlages für die Verhütung und
Heilung von Lahmheiten 672 — Luttmann, Unter¬
suchungen über die Agglutination des Rotzbazillns
840. — La Maceilazione ed il Consumo Carneo in
Roma. Negli anni 1906—1907. - 967. Magyar
Kiralyi Allatorvosi Fölskola Evkönyve az 13071908.
Tanövröl. (Az lntözet FennällasAnak CXXI. Mint
FöcIskolAnak IX. Eve.) 968. — Markus. Bijdrage
Tot de Kennt« Der Toraio Ventricul. By den Hond.
968. — Märtel, Rapport sur le« Operation« du Service
v6t6rinaire sanitaire de Paria et du Departement de
la Seine. Pendant Fannie 1906. 166. — Märtel,
Rapport snr les Operation* du serviee vöterinalr®
sanitaire de Paris et du Departement de la 8eine.
Pendant l’annle 1907. 672. — Massig, Über die
Verbreitung des Muskel- und elastischen Ge¬
webes und speziell über den Verlauf der Muskel¬
fasern in der Wand der Wiederkäuermägen. 48 672. —
May, Vergleichende anatomische Untersuchungen der
Lymphfollikelapparate des Darmes der Haussäuge¬
tiere. 672. — Merck, Bericht über Neuerungen auf
den Gebieten der Pharmakotherapie und Pharmazie.
XXL Jabrg. 1907. 336. — MIadenowitach, Ver¬
gleichende anatomische und histologische Unter¬
suchungen über die Regio analis und das Rectum
der Haussäugetiere. 48 — von Müller, Beiträge zur
Lehre vom Zahnalter des Pferdes. 528. — Müller,
Lehre vom Exterieur des Pferdes oder von der Be¬
urteilung des Pferdes nach seiner äußeren Form. 528.
— Müller, Bestimmungen des Gewichtes des Magens
und Darmes bei mageren, mittelfetten und fetten
Tieren und Gewichtsbestimmungen des Magen- und
Danninhaltes, soweit die letzte Fütterung bekannt
ist. 968. — Müller, Zur vergleichenden Histologie
der Lungen unserer Hanssäugetiero. Mit 1 Tafel.
672. — Müller, Das Problem der sekundären Ge¬
schlechtsmerkmale nnd die Tierzucht. Eine wissen¬
schaftliche Untersuchung. 866. — Müller, Dio
*1*
VIII -
Krankheiten de« Hunde« und ihre Behandlung. 704.
Müller und v. Wendt, Abhandlungen aus dem
Gebiete der Tierhaltung. Heft 1. Wie füttert der
Landvrirt zweckmäßig Rübenblätter? Heft 2. Milch-
gewinnung vom hygienischen und wirtschaftlichen
Standpunkte aus nebst Vorschlägen zur Bekämpfung
der Rindertuberkulose und Regelung des Verkehrs
mit Milch. Heft 8. Grundzüge einer wirtschaftlichen
Ernährung der Milchkühe nebst Anleitung zur
schnellen Berechnung der Futterrationen und Ein¬
schätzung des Futterwertes der Ernte. 962. — Möllers
Lehrbuch der Chirurgie für Tierärzte. Bearb. von
Prof. Dr. H. Möller und Prot H. Frick. 2 Bände.
Band II. Spezielle Chirurgie. 856. Neufeld
und Haendel, Beitrag zur Beurteilung der El Tor-
Vibrionen. 76. — Neumann, Beitrag zur Biologie
des Erregers der Kälberrnhr-Colibacillosis. 576. —
Nevennann, Veröffentlichungen aus den Jahres-
veterinärberichten der beamteten Tierärzte Preufiens
für das Jahr 1905. VI. Jahrg., II. Teil. 528. —
Njegotin, Über die Methode der graphischen Re¬
gistrierung des Pulses und dessen Arhythmie beim
Hunde. 528. — Njegotin, Elektromagnetischer Re¬
spirationsapparat für kleine Tiere. Berlin. 884. —
Noack, Experimentelle Untersuchungen, betreffend
die bazilläre Pseudotuberkulose der Schafe und
deren Übertragungsfähigkeit auf andere Tier¬
gattungen. 672. — Nörner, Praktische Schweinezucht.
967. - Oberwarth und Rabinowitsch, Über dio
Resorptionsinfektion mit Tuberkelbazillen vom
Magendarmkanal aus. 228. — Orth (Unter teilweiser
Mitwirkung von Dr. Lydia Rabinowitsch). Über die
Resorption körperlicher Elemente im Darm, mit be¬
sonderer Berücksichtigung derTubcrkelbazillen.672. —
Panisset et Alilaire, Intluence de la Coagulation et
de la Döcoagulation des Antig6nes Hömaties sur la
production des Anticorps. 856. — L. Panisset et
Loiseau, Vaginalite experimentale a bacille
dipht6riquc. 704. — Parzer-Mühlbacher, Röntgen¬
photographie. 336. — The Philippine Journal of |
Science. Vol. II. Nr. 0. Dezember 1907. 339. Vol. III.
Nr. 2, April 19J8. 576. — Pick, Zür feineren Anatomie
der Lunge von Halicore Dugong. 48. — Pirocchi,
La Razza ovina di Karakul. Proposta d’importarla
in Itilia per una prova di acclimamento e d’inerocio.
Relazione al consiglio zootecnico (Sessionc ordinaria
del 1908). 968. — Pomayer, Das Zurückhalten der
Nachgeburt beim Rind. 228. — Pröscholdt, Papilläres
Akanthom auf der Innenfläche des Pferdeohres. 336.
— Pusch, Die Kindermilchproduktion in Wirtschaft
liclier und hygienischer Beleuchtung unter besonderer
Berücksichtigung der im Rassestalle derTierärztlichen
Hochschule in Dresden gemachten Erfahrungen. 228.
— Rabinowitsch, übet spontane Affentuberkulose, ein
Beitrag zur Tuberkulosefrage. 48. — Rabinowitsch,
Geschichte der Immunisierungsversuchc gegen Tuber¬
kulose mit Kaltblütertubcrkelbazillen und säurefesten
tuberkelbazillenähnlichen Bakterien. 48. — Ratgeber
bei Steuereinscliätznng und Steuerroklamation nebst
preußischem Einkommensteuergesetz sowie Aus-
rübrnngsbesttmmungen und Formularen. 48. — Recht
und Unrecht Im Pferde- und Viehhandel, bearbeitet
von Wrcde und Dehmke. 962 — Reinhardt,
Über die Pleiodaktylie beim Pferde. 672. — Report
of the Government Veterinary Bacteriologist
1906—1907. 968. — Richter, Die Hundestaupe, ihre
Vorbeugung und Behandlung durcli Impfung. 628. —
Rickmann, Tierzucht und Tierkrankheiten in Deutsch-
Südwestafrika. 156. — Roschig. Untersuchungen Uber
die individuellen Verschiedenheiten der Großhirn¬
furchen beim Rinde. 672. — Rosonfeld, Über die
Eiweißverdauung im Magen des Pferdes. 624. —
Roßmüller, Über den histologischen Bau der Arterien
in der Brust- und Bauchhöhle des Kindes. 672. —
Rahner, Volksernährungsfragen. 628. — Russische
Medizinische Rundschau, Monatsschrift für die ge¬
samte rassische medizinische Wissenschaft und
Literatur. 884. — Sabatini, Untersuchungen Uber die
Tragezeit bei unseren wichtigsten Haustieren, be¬
einflußt durch Frühreife, Erstgeburt, sowie Zahl and
Geschlecht der Foetea. 576. — Schmidt, Beitrag
zur Geschichte des Landesverbandes Preußischer
Trichinen- und Fleischbeschaner-Vereine mit be¬
sonderer Berücksichtigung der Bestrebungen des¬
selben für die Fleisch- und Tricbinenbeschauer, nm
Teilnahme an den staatlichenWohlfahrtseinrichtungen
zu erzielen. 228. — Schlampp, Therapeutische
Technik mit besonderer Berücksichtigung der
speziellen Therapie für Tierärzte. 2 Bde. Bd. II
2. Hälfte. 1. Lieferung, Geschlechts-Apparat 856.
— Schmaltz, Anweisung zur Exenteration der Bauch¬
höhle des Rindes. 856. — Schroidtchen, Die Sahnen¬
scheiden und Schleimbeutel der Gliedmaßen des
Rindes. 672. — Schneider, Histologisches Praktikum
der Tiere für Studenten und Forscher. 866. —
Schröder, Über den Nachweis und die quantitative
Bestimmung von Rostpilzen in Futtermitteln. 884.
— Schröder, Untersuchungen über den Einfluß der
Kühlung auf die Haltbarkeit und den Keimgehalt
der Milch. 386. — SchumanD, Untersuchungen über
Abszesse und abszeßähnliche Nekroseberde in der
Leber des Kalbes. 576. — Schumann, Beiträge zur
vergleichenden Histologie des Enddarmes und des
Überganges des Mitteldarmes in den Enddarm der
Hausjäugetiere. 386. — Schwaebel, Über die knotige
Muskeltuberkulose des Rindes (Inveterierte Tuber¬
kulose DUrbeck—Rlastomykoie Foulerton). 704. 840.
— Schwyter, Über das Gleichgewicht des Pferde*. 676.
— Bebau er, über die Bedeutung der Kalksalze für das
wachsende Tier. 156. — Share-Jones, F. R, C. V. S.,
The Surgical Anatomy of the Horse. Part III. 856. —
Siegel, Anatomische Untersuchungen über die äußere
Haut des Hundes. 156. — Sllbersiepe, Die Fessel¬
beinfrakturen des Pferdes mit besonderer Berück-
sichtlgnng der Architektur des Fesselbeins und der
Transformationen der äußeren Form und der inneren
Architektur dieses Knochens infolge von Frakturen.
884. — Simon, Vieh* und Schlachthöfe ln den Jahren
1904 und 1905. (Sonderabdruck ans dem Statist.
Jahrbuch Deutscher Städte, Jahrg« XV. Wilh. Gottl.
Korn, Breslau.) 962. — Sleeplng Sickneas Burean.
Bulletin Nr. 1, 1908. 967. — Spanier, Beiträge zur
Entwicklung des Wiederkäuermagens 672. — Strahl
und Martin, Die puerperale Involution des Uterus
beim Schaf. 672. — Studien und Mikropbotogramme
zur Kenntnis der pathogenen Protozoen. Heraus-
gegeben von v. Wasielewski. II. Heft. Untersuchungen
über Blutschmarotzer. 228. — Stuhlmann, Beiträge
sur Kenntnis der Tsetsefliege (Glossina fuaca und Gl.
tachinoides). 76. -- Suckow, Über Vererbung und j
Aufzucht der Pferde mit besonderer Berücksichtigung
der Schrittpferdezucht. 528. — Suckow, Die Be¬
deutung der kommunalen Kinder- und Kurmilch¬
anstalten und die Bedeutung der Tierärzte für die j
Leitung dieser Wohlfahrtseinricblungen. 884. — j
Tangl, Beiträge zur Futtern.iitellehre und Stoff- i
wechselpbyaiologle der landwirtschaftlichen Nutz¬
tiere. III. Heft. 156. — Taschenkalender für Flelsch-
besebauer and Trichinenschauer. IX. Jahrgarg. 1909.
Herausgegeben von Johne. 968. — Tlemann, Tätig¬
keitsbericht der Versuchsstation and Lehranstalt für
Molkereiwesen zn Wreschen vom April 1907 bis 81.März
1908. 384. — Tierärzriieber Taschenkalender für
1909. Bearbeitet und berausgegeben von Albrecht
und BÜrcbncr. XIII. Jahrgang. 8 Teile. 9^8. —
Train, VeteriLär-Taschenbuch 1908. 2 Teile. 48
— Tr&utmann, Beiträge zur vergleichenden Histo¬
logie des Dünndaimes der Haussäugetiere. 836 —
Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesund¬
heitsamte. Heft 9, 1908: Dieterlen, Beitrag zur Frage
der Schnelldiagnose der Tuberkulose im Tierversuch.
— Dieterlen, Beitrag zur Frage der Infektionswege.
— Titze, Ausscheiden von Tuberkelbazilien mit der
Kuhmilch nach intravenöser Injektion menschlicher
Tuberkelbazillen. — Titze und Weidanz, Infektions¬
versuche an Hunden mit Tuberkelbazillen des Typus
bovinus und Tuberkelbazillen des Typus humanus.
— Weber, Titze und Weidanz, Über Papageien- und
Kanarienvogel-Tuberkulose. — Weberund Titze, Die
Immunisierung der Rinder gegen Tuberkulose.
II. Mitteilung. — Weber, Schütz, Titze und Holland,
Versuche über die Haltbarkeit der behufs Immu¬
nisierung eingespritzten menschlichen Tuberkel-
hazillen im Körper des Rindes. 968. — Uhlenhat,
Hübener, Xylander und Bohtz, Untersuchungen Uber
das Wesen und die Bekämpfung der Schweinepest.
336. — van Volzen, Das Vorkommen pathogener
Mikroorganismen bei gesunden Schweinen. 48. —
Verhandlungen des Landwirtschaftsrats für Elsaß-
Lothringen. Session 1907 (XXIII. Tagung). 384 —
Verslag van de Werkzaamheden der Rijksserum-
inrichting 1906. 228. — Verwaltungsbericht für den
städtischen Schlacht- und Viehhof zu Königsberg
1. Pr. für das Betriebsjahr 1906. 156. — Verwaltungs¬
bericht, Fünfzehnter, über den städtischen Sohlacht-
und Viehhof zu Magdeburg. Rechnungsjahr 1907. 624.
— Verwaltungshericht über den städtischen Vieh- und
Schlaehthof zu Zwickau auf das Jahr 1907. 96H --
Veterinär-Sanitäts-Berlcht, Statistischer, über die
preußische Armee und das XIII. (Könlgl. Württem-
bergische) Armeekorps für das Rapportjahr
1907. 840. — Völiz, Über die Bedeutung des Problems
der Vererbung sog. erworbener Eigenschaften
für die landwirtschaftliche Tierzucht. 840. —
Wall, Die Euterentzündangen der Kuh. Mit 29 Ab¬
bildungen im Text 856. — Walther, Zwei Betträg zur
Kenntnis des Pferdeblutes. 528. — Wandkalender der
Spratts Patent Akt.-Ges. 48. — Weltzlg, Unter¬
suchungen über die pathogenen nnd Coli Bakterien
beim Puerperalfieber des Rindes. 624. — Wölfel, Bei¬
träge znr Entwicklung des Zwerchfelles und Magens
, bei Wiederkäuern. 672. — Xylander, Der Rat>nbazillus
als Rattenvertilgungsmitte). 384. — Zahn, Der Nähr¬
wert der Milch, ihre zweckmäßige Behandlung und Ver¬
wendung im Haushalt nebst einem Merkblatt für Säug¬
lingsernährung. 967. — Zeitschrift für indnktive Ab¬
stammung*- und Vererbu gslehre. Herausgegeben
von C. Correns, V. Haecker, G. Steinmann, R. v. Wett-
tteio. Redigiert von E. Banr. Band I, Heft 1/2. 840.
— Zeitschrift für wissenschaftliche und praktische
Veterinärmedizin, herausgegeben von dem Veterinär¬
institut za Jurjew (Dorpat). Bd. I, Liefg. 2. 48. —
Dasselbe Bd. II, Liefg. 1. 1908. 967. - Zieger,
Die Diagnose der Trächtigkeit des Kindes. 856. —
Zlemann, Wie erobert man Afrika für die weiße
und farbige Rasse. 228. — Zietzschmann, Ein Bei¬
trag zum Stadium der Folgen der Schilddrüsen¬
exstirpation. Thyreoidectomie bei Ziegen. 840. —
Zueg • r, Dohm und Marxer, Neuere Untersuchungen
über den experimentellen Diabetes. 840. — Zuelzer,
in Gemeinschaft mit Uohrn und Marxer, Spezifische
Anregung der Darmperistaltik durch intravenöse
Injektion des „Peristaltik-Hormons“. 968. — Zwick,
Schema de« Bmtkreislanls and Sch-ma des Blut¬
end Lymphstroms. 2 Wandtafeln. 836.
Büchsenfleisch. — Ausfuhr von — 262.
Bujatrik. — Kaltwasseranwendung in der —
v.*Stietenroth. 780.
Bulgarien. — Hühnerspirillose in —- v. Gareit-
schnoff. 165.
Bullenringen. — Einziehen von — 977.
Bnndesratsbestimmimg. — Eine beachtens¬
werte — v. Dr. Goldbeck. 106.
Bundesstaaten s. a. Fleischbeschaugebühren.
Bundesstaaten. — Gehalts Verhältnisse in den
kleinen — 539.
Burow 8. Suptol.
Butter und Cholera. — Russische — 837.
Butterexport. — Sibirischer — 943.
C s. a. K u. Z.
Cannstadt s. Landwirtschaftsgesellschaft.
Carcinom s. Urämie.
Cattle plague. — Filtration experiments with
virus of — v. Rüdiger. 712.
Cavicorniergehörne. — Allgemeine Betrach¬
tungen über die — v. Dr. Fambach. 834.
Centralverband zur Bekämpfung des Alko¬
holismus. 296.
Cervix Uteri s. Krampf.
Chamer Milchgesellschaft 494.
Chemiker s. Hüfners Nachfolge. 399. 538. 637.
Chemiker Deutschlands in Sondershausen. —
Hauptversammlung des Verbandes öffent¬
licher — 660.
Cheyne-Stocke s. Atmungsphänomen.
Chicago s. a. Amerika.
Chicago. — Schlachthausskandale in — 569.
China s. Eigelb. Tierseuchen.
Chloralhydratinjektionen in der Behandlung
von schweren Koliken beim Pferd. —
Intraperitoneale — v. Breton. 97.
Cholera. — Russische Butter und — 837.
Chorioiditis und Iritis tuberculosa nebst
tuberkulöser Keratitis parenchymatosa
beim Kalb. Orig.-Art. v. Priewe. 841.
Chylurie (Lipurie) beim Hunde. Zwei Fälle
von — Orig.-Art. v. Prof. Regenbogen. 499.
Coast Fever. — Experiments with Serum
agaiust — v. Theiler. 582.
Coccidienseuche unter dem Geflügel. 616.
Colibacillosis s. Kälberruhr.
Collargol s. Maul- und Klauenseuche.
Corpus lutenm s. Immunisierung.
Curare bei Tetanns. — v. Lubenetzki nnd Slnakewitsch.
903.
Cufci- 8. Ophthalmoreaktion.
Cystenbildung und Sklerose im laktierenden
Euter einer jungfräulichen Ziege von
Ritter. 217.
Cystitis s. Blasensteinbildüng.
Dämpfigkeit des Pferdes. — Die Behandlung
der — v. Szöllös. 585.
Dänemark: Gutachten Proskauers über“ die
dänische Milch. 43. — Deutsch-dänischer
Handelsvertrag. 45. Notwendigkeit der
Trichinenschau in Dänemark. 139. —
Forderung des deutschen Fleischerver¬
bandes betr. Aufhebung der Tuberkulin¬
impfung und Quarantäne bei Einfuhr däni¬
schen Viehes. 195. — Zur Einfuhr dänischen
Viehs. 569. — 50 jähriges Bestehen der
Tierärztlichen und Landwirtschaftlichen
Hochschule in Kopenhagen. 701. —
Professor C. 0. Jensen und Professor
Dr. Fibiger zum Vorsitzenden bzw.
stellvertr. Vorsitzenden des Ausschusses
zur Erforschung der Krebskrankheit
gewählt 701. — Seuchennachrichten. 991.
Därme s. Wursthüllen.
Damholidbehandlung s. Blutharnen.
Dammbruch beim Hund v. Prof. Herbrand und
Antoine. 782.
Dampfer s. Fische.
Danksagung. 196. s. a. Tagesgeschichte, (Per¬
sönliches [Verschiedenes.])
Danksagung für die Anteilnahme beim Tode
des Kreistierarztes Dr. Jeß. 100.
IX
Dann s. Tuberkelbazillen.
Darmanhängsel beim Schwein. Orig.-Artikel
v. Dr. Goldberger. 734.
Darmentzündung s. a. Haferwert.
Darmentzündungen. — Allgemeine Betrach¬
tungen über die — v. Prof. Cad6ac. 302.
Darm gase s. Trokar.
Darmhandel. 494.
Darmparasiten des Hundes. — Die Therapie
der — Orig.-Art. v. Prof. Regenbogen. 425.
Darmresektion beim Rinde. — Ein weiterer
Beitrag zur — Orig.-Art. v. Jöhnk. 689.
Dannschleimhaut s. Rotlaufbazillen.
Dealin, ein neues Antisepticum. v. Sommer
876.
Deckblätter zur Militärveterinärordnung,
v. Schmaltz. 534.
Döfendus“ ? erledigt. — Die Broschüre „Sommes
nous — 571.
Degeneration s. # Amyloid.
Degradierung des Dr. med. vet. — Ein Wort
zur — v. Haupt. 394.
Demographie s. Kongreß.
Demonstration s. Tagesgeschichte (Tierärztl.
Lehranstalten).
Demonstration'patbologisch-anatomischer Prä¬
parate. v. Sommer. 661. (Beilage.)
Denaturierung s. Petroleum.
Denkmal s. Tagesgeschichte (Persönliches
[Ehrungen]).
Denkschrift über die Fleischbeschau, ein¬
gereicht dem Ministerium für Landwirt¬
schaft vom Verbände der Privattierärzte
in Preußen. 892.
Dermatosen s. Sporozoen.
Desinfektion. — Neue Zeitschrift für — 569.
Desinfektion auf Eisenbahnen. 190.
Desinfektion mit Kalk. v. Trattner. 123.
Desinfektionsmittel s. Antiformin, Phenyform,
Therapogen.
Desinfektionsmittel s. Morbicid.
Desinfizierung von Sanitätsanstalten, Schlacht¬
höfen usw. — Mangelhafte — v. Humbert.
139.
Dessau s. Milchsteuer.
Deutsche Tierärztliche Wochenschrift. — Kün¬
digung der — 452.
Deutschland: s. a. Tagesgeschichte, Gras¬
fluren, Preußen. — Seuchennachrichten:
Jahresberichte für 1906 : Allgemeines. 39.
— Milzbrand. 39. — Rauschbrand. 41.
— Rotz. 255. — Tollwut. 256. — Maul¬
und Klauenseuche. 327. — Lungenseuche.
328. — Pockenseuche. 328. — Bläschen¬
ausschlag. 328. — Räude der Pferde. 565.
— Räude der Schafe. 565. — Tollwut.
567. — Rotlauf der Schweine. 640. —
Schweineseuche. 719. — Geflügelcholera.
720. — Hühnerpest. 720. — Gehirn-Rücken¬
marksentzündung der Pferde. 720. — Ge¬
hirnentzündung der Pferde. 720.— Influenza
der Pferde. 720. — Ansteckender Scheiden¬
katarrh der Rinder. 721. — Druse der
Pferde. 721. — 1907 : Maul- u. Klauen¬
seuche. 131. — Schweineseuche. 132. —
Allgemeines. 936. — Milzbrand. 937. —
Rauschbrand. 938. — Monatsausweise:
1907: Dezember 20, Januar 134, Februar
189, März 257. 258, April 329, 330, Mai
420, Juni 490, Juli 568, August 641,
September 723, Oktober 807, November 939.
— Maul- und Klauenseuche: s. a. Seuchen¬
nachrichtendienst 21. 41. 63.114. 363. 383.
420. 436. 456. 489. 508. 590. 606. 624. 642.
660. 686. 701. 744. 760. 776. 788. 837. 837.
856. 872. 940. 963. 991. - ßchlachtvieh-
und Fleischbeschau in Deutschland:
1907: III. Quartal 46, IV. Quartal 194;
1908: I. Quartal 437, II. Quartal 726. -
Ergebnisse der Schlachtvieh- und Fleisch¬
beschau im Deutschen Reiche (Preußen)
für das Jahr 1906 : 421. 423; 1905 : 642. -
Der Verbrauch an Fleisch in Deutschland
im Jahre 1907, verglichen mit den 3 Vor¬
jahren. 191. — Deutschlands Vieh- und
Fleischeinfuhr im Jahre 1907. 332. —
Deutschlands Fleischkonserven - Industrie.
439. — Ergebnisse der Untersuchungen
der Rindviehbestände in den Quarantäne¬
anstalten auf Tuberkulose im IV. Quartal
1907. 568. — Einfuhr von Fischen, Am¬
phibien, Weichtieren und Krustentieren
nach Deutschland im Jahre 1907. 573. —
Deutschlands Fischverbrauch. 573.
Deutsch-Ostafrika s. Afrika.
Deutsch-Südwestafrika s. Afrika.
Dexler s. Operationstisch.
Diabetes s. Ferment
Diagnose s. Tuberkulose.
Dlastaae s. Ferment
Didym s. Dymal.
DienBteinkommen s. a. Gehaltsklassen.
Diensteinkommen. — Über das — v. Dralle.
150; v. Rust. 165; v. Krüger. 222; Nach¬
trag. 224; y. Traeger. 167.
Digalen v. Beck. 584.
Digalen. — Strophantin und — Von Dom. 736.
Digalens bei Hunden und Pferden. — Unter¬
suchungen über die Wirkung des — v.
Hipp. 547.
Digitorector nach Hoffmann. 459.
Distanzfahrt 701.
Distomatosis s. Schwefelkohlenstoff.
Doktorat s. Tagesgeschichte. (Tierärztl. Lehr¬
anstalten)
Doppelmißbildung eines Kalbes. — Ein sel¬
tener Fall einer — Orig.-Art. v. Hiero-
nymi. 692.
Dorpat s., Rußland.
Dorsch-Lebertran und von Lebertran-Emul¬
sion auf die Ernährung gesunder und
tuberkulöser Schweine. — Vergleichende
Studie über den Einfluß von — v. Dr.
Wells. 493.
Dortmund s. Milch.
Dourine and sleeping sickness. — Some
further observations an the cell changes
in — v. Mott and Stewart. 583.
Dourine trypanoaomen. — Zur lofektionsmöglichkelt der
Hühner mit — v. Yakimoff und Kohl. 681.
Dresden s. Sachsen.
Druckfehler. — Ein niedlicher — 367.
Druse s. a. Myokarditis.
Druse. — Bekämpfung der — v. Wagenheuser.
559.
Druse der Pferde. — Schutz- und Heil¬
impfungen bei der — 559.
Druse der Pferde mit den bekannten Kom¬
plikationen v. Mayr. 26.
Druse der Pferde und ihre Behandlung mit
Serum nach Dr. Jeß-Piorkowski v.
Dr. Franz. 737.
Druseabszesse beim Pferde v. Dr. Mayr. 25.
1 Düngemittel *. Augenerkrankung.
Düngerproduktion an Schlacht- und Vieh-
l höfen. 495.
Dünndarmeinschnürung im Foramen Winslowii
beim Pferd — Drei operierte Fälle von —
v. Forssell. 448.
! Durchschneidung s. Zehenbeuger.
Dutton s. Spirochaeta.
Dymal 913.
Dymal (salizylsaures Didym) v. Dr. Maier. 462.
Dymals. — Der therapeutische Wert des —
Orig.-Art. v. l)r. Creutz. 4.
Echinococceneyste der rechten Lunge v. Gautier. 864.
Echinococceninvasion s. a. Lebervergrößerung.
Echinococcus multilocularis in der Muskulatur
des Pferdes. Orig.-Art. v. Höchstem. 475.
Echinococcus. — Eine seltene Lokalisation des —
v. Rudolph. 966.
Eier s. a. Pinguineneier.
Eiereinfuhr 574.
Eier. — Konservierung der — 574.
Eierlegen s. Wetteierlegen.
Eigelbes aus China. — Import konservierten
— 264.
Eihäute. — Plötzlicher Tod einer Kuh nach
Verfüttern der — v. Gergely 248.
Eilgut s. a. Fleischwaren.
Einfuhr s. Fleisch, Milch.
Einfuhrverbot s. a. Fleisch.
Einfuhrverbot wegen Maul- und Klauenseuche
in Belgien und den Niederlanden. 330.
Eingußapparat s. Pillen.
Einhufer s. Sterbe.
Einkassieren s. Fleisch.
Einkommen s. Tagesgeschichte (Ärzte).
Eis. — In Schnee und — Orig.-Art. v.
Hennig. 285.
Eisenbahn s. Milch.
Eisenbahnen. — Desinfektion auf — 190.
Eisfabrik s. Fleischhackerei.
Eistransport. 495.
Eiters. — Beitrag zur proteolytischen Wirkung des
sterile.i — v. Her*. 432.
Eiters mit Mil ons Reagens. — Zur Prüfung des —
v. Dreyer. 345.
Eiterung in der Nabelgegend eines Jung¬
rindes v. Mayr. 26.
Eitriger Prozesse. — Heue Gesichtspunkte bei der Be¬
handlung — r. Müller und Peiser. 432.
Eklampsie bei einer kalbenden Kuh. Orig.-
Art. v. Train. 859.
Ekraseuremaskulator s. Emaskulator.
Elastikotropische Erscheinungen beim Wachstum des
Bazillus anthracia und verwandter Bazi Heu auf
Serum-Nährböden, v. Eisenberg. 769.
Elberfeld s. Tierschutzlehrstunden.
Elefant s. Tympanitis.
Elektrokardiogramm v. Prof. Einthoven. 869.
Elektrophysiologie s. Thermoelektrizität.
Ellenberger s. Tagesgeschichte (Persönliches).
Emaskulator und Ekraseuremaskulator. —
Stumpfer — Orig.-Art. v. Blunk. 231. 245.
Empfindungslosigkeit (Lokalanästhesie) in der
Veterinärchirurgie. — Die örtliche — v.
Krüger. 407.
Ende. — Trauriges — 623.
Endocard s. Atheromatose.
England: Seuchennachrichten. 41. 991. —
Milchknappheit in London. 140. — Maul¬
und Klauenseuche in England. 420. —
Viehbestand Großbritanniens im Jahre
1907. 607. — Fleischteuerung in England.
728.
Enten. — Strychninvergiftung bei — 615.
X
Entenerkrankung durch Tropidocerca fissis-
pina. 616.
Ententen der Neugeborenen überhaupt und
speziell des Kalbes. — Über die Ätiologie
der — v. Prof. Cadöac. 70.
Enteritis catarrhalis chronica bei einer Kuh.
v. Zietzschmann. 847.
„Enteritis chronica bovis pseudotuberculosa“.
— Vorläufige Mitteilung über die — Orig.-
Art. v. Dr. Bugge und Albien. 175.
Enteritis chronica pseudotuberculosa bovis
oder die „Johnesche Seuche“ konstatiert
in Norwegen, v. Hörne. 235.
Enteritis pseudomembranacea der Katzen. —
Die histologischen Veränderungen bei
der — v. Dr. Schmul. 246.
Entgegnung s. Finnenschnitte.
Entschädigung s. Milzbrand, Rauschbrand,
Rindertuberkulose, Schlachtviehversiche-
rung.
Entzündungen s. Blutkörperchen.
Enzephalitis s. Meningo.
Eosinophilie bei zooparasitären Leiden. —
Über lokale — v. Fölger. 978.
Epilepsia nocturna bei einer Katze, v. Holter¬
bach. 656.
Epithelioma contagioaam der Vögel. — Untersuchungen
Ober — v. Llpschfltx. 449.
Erbrechen s Ascaris.
Erde s. Grasfluren.
Erdnußkuchen und -Mehle. — Gesundheits¬
schädliche — 585.
Erklärung s. Malkmus.
Erklärung der Direktion Halensia. 367; des
Korps Salingia. 414; Resolution des tier¬
ärztlichen Vereins f. d. Reg.-Bez. Merse¬
burg. 414.
Erklärung zu der von mir verfaßten Ab¬
handlung: „Mißstände“ in der B. T. W.
vom 19. IX. 07 v. Dr. Göhler. 701.
Erkrankung s. Vertretung.
Ernährungslehre v. Ludewig. 479.
Ernäbrungszweck s. Kongreß.
Ernennung s. Tagesgeschichte (Persönliches).
Erwiderung v. Dr. Felisch. 348; Anmerkung
v. Schmaltz. 349; v. Dönecke. 941.
Erythrocytenformen. — Ein Beitrag tu den Unter-
■uchungsmethoden Ober — v. Yamada. 764.
Ester-Dermasan bei Verdickung des Unter-
hautzellgewebes v. Zietzschmann. 977.
Etat für 1908.56; s. a Tagesgeschichte (Militär-
veterinäre).
Euman bei Schweineseuche v. Train. 244;
Berichtigung 269.
Euter s. Cystenbildung.
Euterentzündung von Schafen — Gangränöse
— v. Dr. Pfeiler. 600.
Euterentzündungen des Rindes. — Beiträge
zur Kenntnis der chronischen — absze-
dierenden — v. Vielhauer. 146.
Eutergeschwüre v. Otto. 847.
Euterrotz beim Pferde v. Schmidt. 697.
Euterseuche. — Holsteinische — v. Glage. 862.
Euterseuche in Schleswig-Holstein. — Eine
neue — Orig.-Art. v. Nielsen. 969.
Eutertuberkulose in den französischen Schlacht¬
häusern. — Häufigkeit der — 944.
Exostosen s. Spießglanzbutter.
Extrakte s. Impfstoffe.
Facialislähmung beim Ochsen. — Einseitige
— v. Dutroys. 247.
Fftrea s. Parasiteneier.
Fadenpilzinfektion s. Schlundkopflähmung.
Fäden s. Bakterien.
Färben s. a. Nahrungsmittel.
Färben von Wursthüllen. 262.
Färbungen *. Blaufärbungen.
Färbungsmethode s. Tuberkelbazillen.
Faintinggoats s. Schreckziegen.
Fall. — Ein merkwürdiger — Orig.-Art. v.
Dr. Bernhardt. 282.
Farben s. Vererbung.
Farbenphotographie. — Die Entwicklung der
— v. Prof. Wiener. 869.
Farnwurzel s. Filmaron.
Fasanen. — Syngamus trachealis bei — 616.
Federlose Hühner. 615.
Feilbieten und Verkaufen. 493.
Feist (Tagesgeschichte Persönliches [Eh¬
rungen]).
Ferkel s. Schweineseuche.
Ferkelfressen der Schweine. Orig.-Art. v.
Zieger. 268. Berichtigung. 302.
Fermentes im Blot und über seine Beziehungen zum
Diabetis mellitus. — Über den Ursprung des
diastatischen — ▼. Dr. Schlesinger. >88.
Fesselbeinbeugers an den beiden Hinterfüßen
bei einem Wagenpferde. — Ruptur des —
v. Prof. Schimmel. 84.
Fesselbeinfissuren bei Pferden. — Zur Diagnose
von — v. Voß. 271.
Fesselbeinfrakturen des Pferdes v. Dr. Silber-
siepe. 655.
Festliegen der Kühe nach der Geburt. Orig.-
Art. v. Dr. Zehl. 117.
Fever s. Relapsing-fever. Tick-Fever.
Fibrolysin v. Dr. Reinhardt. 557.
Fibrolysin. — Behandlung mit — v. Train. 243.
Fieber s. Wut.
Filaria papillosa im Auge des Pferdes von
Okholm. 976.
Filmaron, als wirksamen Bestandteil der
Wurmfarnwurzel. — Klinische Unter¬
suchungen über das — von Prof. Dr.
Gmeiner. 83.
Finnenfunde bei Saugkälbern. — Weitere —
v. Dr. Stroh. 440.
Finnenschnitte und Finnenfunde v. Dr. Heine.
451.
Fisch s. a. Seefische, Viehhandel.
Fische zur Verproviantierung von Dampfern.
— Lebende — 196.
Fischen. — Zur Versorgung Berlins mit — 573.
Fischen und Fischabfällen an Schweine. —
Verftitterung von — 264.
Fischerbooten. — Fleischschmuggel auf — 21.
Fischfutter. —Beanstandetes Fleisch als —494.
Fischigkeit der Schweine. 495.
Fischverbrauch Deutschlands. 573.
Fleisch s. a. Abdeckereifrage, Anthrax,
Austern, Backsteinblattem, Brühwürstchen,
Büchsenfleisch, Fische, Fleischbeschau,
Fleischbeschauverordnungen, Fleisch¬
konsum, Freizügigkeit, Gänsefleisch, Ge¬
richtsentscheidungen, Grenzverkehr, Hack¬
fleisch, Haut, Katzenfleisch, Kleinhandels¬
preise, Konservenfabrik, Leberkäs, Milch,
Petroleum, Pferdedärme, Pferdefleisch,
Pökeln, Preistafeln, Probeschlachtungen,
Schabefleisch, Schlachtgewicht, Schweine-
preise, Tuberkelbazillengehalt, Viandes,
Wild, Wurst, Wurstbereitung, Wursthüllen,
Ziegenfleisch. — Fleischschmuggel auf i
Fischerbooten. 21. — Beförderung von
Fleischwaren als Eilgut zu Frachtgut¬
sätzen. 261. — Verbot der Einfnhr von
Fleisch in die Stadt, das nicht von einem
Tierarzt untersucht ist 261. — Schärfere
Untersuchung der Fleischsendungen in
Berlin. 334. — Atteste bei der Fleisch¬
einfuhr nach den Städten. 46. — Neue
Bestimmungen über die Einfuhr frischen
Fleisches. 569. — Abänderungen der Be¬
stimmungen über die Untersuchung aus¬
ländischen Fleisches. 252. — Über die
Kontrolle des im Verkehr befindlichen
Fleisches, insbesondere des Hackfleisches
v. Gundelach. 206. — Polizeitierärzte und
Fleischkontrolle. 334. — Angebliche Mi߬
stände bei der Fleischlieferung im
französischen Heer. 335. — Deutschlands
Fleischkonserven-Industrie. 439. — Be¬
handlung des Fleisches in Kühlräumen.
439. — Sibirisches Fleisch. 439. — Blau¬
färbungen des Fleisches. 439. — Be¬
anstandetes Fleisch als Fischfutter. 494.
— Fleischverhältnisse der ostfranzösischen
Garnisonen. 494. — Monopolisierung des
Fleischhandels. 495. — Fleischhackerei
und Eisfabrik auf dem Schlachthofe in
Frankfurt a. M. 495. — Vermeidung der
Beschmutzung von Fleisch durch das
Einkassieren. 495.. — Verwertung des im
Nahrungs- und Genußwerte erheblich
herabgesetzt erklärten Fleisches v. Ehrle.
571. — Unberechtigtes Ausschneiden von
Fleisch vor der Bestimmung des Schlacht¬
gewichts. 572. — Zusätze zu Fleisch und
dessen Zubereitungen (Min.-Verf.). 647. —
Fleisch und Fleischextrakt 727. — Begriff
frisches Fleisch. 727. — Ausnahmetarif für
Fleiscbsendungen. 815. — Fleischhack¬
maschinen für den Feldgebrauch. 816. —
Fleischsaft Puro. 816. 838. — Häutefleisch.
838. 839. — Fleischpreise s. a. Darm-
handel. — Fleischpreise der sächsischen
Schlachtviehversicherung 1908. I. Quartal
47. II. Quartal 335. III. Quartal 495.
IV. Quartal 839. — Statistik der Fleisch¬
preise. 23. — Feststellung der Vieh- und
Fleischpreise in Bayern. 23. — Behörd¬
liche Aufforderung zum Herabsetzen der
Fleischpreise. 24. — Kontrolle der Vieh-
und Fleischpreise 196. — Fleischpreise
in den einzelnen Garnisonen. 196. —
FleiBchpreistafeln in Leipzig. 196. 260. —
Fleischpreise und Fleischverbrauch. 260.
— Einwirkung auf die Fleischer zum
Herabsetzen der Fleischpreise. 260. —
Steigerung der Fleischpreise. 494. 571. —
Notizen über Vieh- und Fleischpreise
längs der Grenze und Qualität des im
kleinen Grenzverkehr konsumierten
Fleisches v. Bubendorf. 647. — Zur Er¬
hebung der Fleischpreise im Kleinhandel.
814. — Ausgleich zwischen Vieh- und
Fleischpreisen. 837. — Aufhebung der
Fleischsteuer in Baden. 260. — Ein¬
richtungen gegen die Fleischteuerung vor
400 Jahren v. Dr. Tempel. 260. — Schutz
der Viehzucht bei vorübergehender
Fleischteuerung. 647. — Fleischteuerung
in England. 728. — Notschlachtungen mit
Bezug auf die Fleischvergiftungen v.
XI
Gützlaff. 134. — Fleischvergiftungen. 139.
262. 816. — Serumtherapie bei Fleisch¬
vergiftungen. 262. — Fleischvergiftungen
v. Dr. Bugge. 412.
Fleischbeschau s. a. die einzelnen Seuchen;
ferner: Abdeckereifrage, Ausbluten,
Backsteinblattern, Begutachtung, Be¬
schaubücher, Beschauzwang, Feilbieten,
Finnenfunde, Finnenschnitte, Fleisch,
Fleischbeschauverordnungen, Freizügig¬
keit, Gesetze, Konfiskate, Laienvertreter,
Nahrungsmittelkunde, Peritonitis, Pferde¬
fleischnachweis, Rinderfinne, Schlachthof,
Schlachthofzwang, Standesvertretung, Sta¬
tistik s. d. Ländernamen, Stempel,Trichinen¬
schau, Trichinose, Wildbret — Auszug
aus dem Fleischbeschaubericht in Berlin.
1907. IV. Quart. 195. 1908. I. Quart 335.
II. Quart 572. III. Quart. 839. — Schlacht
vieh- und Fleischbeschau in Deutschland.
1907. III. Quart 46. IV. Quart. 194. 1908.
I. Quart 437. II. Quart. 727. — Ergeb¬
nisse der Schlachtvieh- und Fleischbeschau
im Deutschen Reiche (Preußen) für das
Jahr 1906. 421. 423. — Bericht über die
Schlachtvieh- und Fleischbeschau im
Königreich Sachsen für das Jahr 1906. 333.
— Aus der Fleischbeschau v. Dr. Zehl.
808. — Ein Lob der deutschen Fleisch¬
beschau. 47. — Jubiläum der Fleisch¬
beschau. 261. — Röntgenstrahlen in der
Fleischbeschau. 195. — Praktische Er¬
fahrungen aus der Fleischbeschau v.
Dr. Schmidt. 471. — Bakteriologische
Fleischbeschau. 493. — Anerkennung der
deutschen Fleischbeschau in Frankreich.
495. — Stellungnahme zum Anträge der
Tierärztlichen Gesellschaft zu Berlin betr.
außerordentliche Fleischbeschau bzw.
Markt- und Ladenkontrolle v. Dr. Maaß.
912. — Denkschrift über die Fleisch¬
beschau, eingereicht dem Ministerium für
Landwirtschaft vom Verbände der Privat¬
tierärzte in Preußen. 892. — Wünsche
der Landwirte bei Ausdehnung der Fleisch¬
beschau auf die Hausschlachtungen. 261.
— Fleischbeschau bei Hausschlachtungen.
572. — Fleischbeschau bei Hausschlach¬
tungen in der Rheinprovinz, Schleswig-
Holstein und Oldenburg. 647. — Haus¬
schlachtungen in genehmigten Schlacht¬
stätten. 727. — Untersuchungen des
Fleisches an Backsteinblattern erkrankter
Schweine auf das Vorhandensein virulenter
Rotlaufbazillen v. Schuh. 548. 815. —
Die Befunde von Tuberkulose bei den in
öffentlichen Schlachthäusern geschlach¬
teten Tieren. 646. — Die bakteriologische
Untersuchung notgeschlachteter Tiere v.
Dr. Bugge. 815. — Milzbrand und Not-
schlachtnngen (Minist.-Erlaß). 329. —
Jüdische Fleischbeschau. 572. — Schlacht¬
vieh-und Fleischbeschau bei Schlachtungen
im Inlande. 642. — Fleischbeschau bei
dem in das Zollinland eingeführten
Fleische. 645. — Fleisch- und Wurst¬
kontrolle. 837. — Zur Abwehr! v. Müller.
437. — Zur Stellung der Tierärzte in der
Fleischbeschau. 250. — Die unschädliche
Beseitigung der Seuchenkadaver und der
Konfiskate der Fleischbeschau in den
Städten und auf dem Lande v.Dr. Zernecke.
12. — Schlachthaus-Skandale in Chicago.
569. — Übernahme der Fleischbeschau¬
gebühren durch den Staat. 138. — Über¬
nahme der Fleischbeschaugebühren auf
die Bundesstaaten. 260. — Unzulässigkeit
der Kürzung der Fleischbeschaugebühren
durch die Gemeinden v. Helfer. 331. —
Kürzungder Fleischbeschaugebühren durch
die Gemeinden. 438. — Ungünstige Ent¬
scheidung betreffend die Fleischbeschau¬
gebühren. 985. — Strafen im Reichs¬
fleischbeschaugesetz. 262. — Besprechung
im Reichsamt des Innern über zweifel¬
hafte Punkte, die bei der Durchführung
des Schlachtvieh- und Fleischbeschau¬
gesetzes sich ergeben haben (17. Sitzung
am 9. Dezember 1907). 333. — Olden-
burgisches Schlachthausgesetz. 195. 569.
Fleischbeschauer: s. a. Laienvertreter.—
Invalidenversicherungspflicht der Fleisch¬
beschauer. 192. — Feilbieten und Ver¬
kaufen. 493.
Fleischbeschauverordnungen: Zur
Durchführung des Fleischbeschaugesetzes.
47. —- Besprechung im Reichsamt des
Innern über zweifelhafte Punkte, die bei
der Durchführung des Schlachtvieh- und
Fleischbeschaugesetzes sich ergeben haben.
(17. Sitzung v. 19. Dezember 1907.) 333. —
Oldenburgisches Schlachthausgesetz. 195.
569. — Abänderung der Bestimmungen
über die Untersuchung ausländischen
Fleisches. 252. — Strafen im Reichsfleisch¬
beschaugesetz. 262. — Einführung der
Trichinenschau in Bayern. 493. —
Trichinenschau-Verordnung in Mecklen¬
burg-Schwerin. 493. — Neue Bestimmungen
über die Einfuhr frischen Fleisches. 569.
Fleischeinfuhr s. Fleisch.
Fleischer s. a. Fleischpreise. Gerichtsent¬
scheidungen. Schlachtungen. 495.
Fleischer. — Forderungen der — 571.
Fleischereiberufsgenossenschaft. — Mitteilung
betr. — 492. 523.
Ficischereiberufsgenossenschaft im Jahre 1907.
— Unfallstatistik der — 571.
Fleischereiberufsgenossenschaft. — Genossen¬
schaftsversammlung der — v. Colberg. 812.
Fleischerverbandes betr. Aufhebung der Tu¬
berkulinimpfungen und der Quarantäne
bei Einfuhr des dänischen Viehes. —
Forderung des deutschen — 195.
Fleischhackmaschinen für den Feldgebrauch.
816.
Fleischkonsum, -Handel, -Verkehr:
s. a. Fleisch, Fleischbeschaustatistik,
Fleischeinfuhr, Fleischpreise, Freibank,
Freizügigkeit, Viehbandel. — Der Ver¬
brauch an Fleisch in Deutschland im
Jahre 1907, verglichen mit den 3 Vor¬
jahren. 191. — Deutschlands Vieh- und
Fleischeinfuhr im Jahre 1907. 332. —
Les viandes metsaines. 494. — Monopoli¬
sierung des Fleischhandels in der Kap-
kolonie. 495. — Hausschlachtungen in
Preußen. 572. — Deutschlands Fisch¬
verbrauch. 573. — Notizen über Vieh-
und Fleischpreise längs der Grenze und
Qualität des im kleinen Grenzverkehr
konsumierten Fleisches, v. Bubendorf. 647.
Militär-Konservenfabrik. 439. — Kaninchen¬
handel. 574. — Fleischteuerung in England.
728.
Fleischkrone.— Histologische Untersuchungen
bei Entzündungen der — v. Dr. Zimmer¬
mann. 548.
Fleischpreise im Kleinhandel. — Zur Er¬
hebung der — 814.
Fleischvergiftungen s. Schlachttierkrankheiten.
Fliege s. Flies.
Fliegen. — Gölubacer — 502.
Fliegenöl. — Floria-v. Schade. 956.
Flies. — The carriage of the infection by —
v. Buchanan. 287
FIoria-Fliegenöl v. Schade. 956.
Flüssigkeit s. Trokar.
Flugmaschinen s. Motorballon.
Flus8er s. Hufbeschlag.
Fohlen s. Arthritis, BrechWeinsteinvergiftung,
Harnstein, Kniegelenksentzündung.
Fohlenlähme. — Zur Ätiologie der — Orig.-
Art. v. Dr. MitrowitBch. 649.
Fohlenlähme. —- Zur Behandlung der — v.
Beck. 585.
Foramen Winslowii s. Dünndarmeinschnürung.
Formaldehyd bei Hufkrebs v. Freytag. 977.
Formalinmilch s. Kälberruhr.
Fortbildungskursus s. Tagesgeschichte (Ticr-
ärztl. Lehranstalten).
Fortbildungskursus für Tierärzte an der Ab¬
teilung für Tierhygiene des KaiserWilhelm-
Instituts für Landwirtschaft zu Bromberg.
791.
Frachtsätze s. Fleischwaren.
Fractura comminuta s. Augenbogen.
Fraktur s. Fesselbein, Hufbein, Metatarsus.
Frankfurt a. M. s. Fleischhackerei.
Frankreich: Kleiner Grenzverkehr. 21. — Aus
Französisch-Lothringen. 139. 571. — Ver¬
besserungen im französischen Schlacht¬
hofwesen. 139. — Amerikanische Gro߬
schlächtereien in Frankreich. 262. —
Angebliche Mißstände bei der Fleisch¬
lieferung im französischen Heer. 335. —
Professor Galtier in Lyon verstorben. 367.
— Fleischverhältnisse der ostfranzösischen
Garnisonen. 494. 571. — Anerkennung
der deutschen Fleischbeschau. 495. —
Die Broschüre „Sommes nous defendus?“
erledigt. 571. — Reorganisation des Tier¬
seuchendienstes in Frankreich v. Zündel.
638. Häufigkeit der Eutertuberkulose in
den französischen Schlachthäusern. 944.
— Seuchennachrichten. 991.
Französisch-Lothringen. 139.
Frauen s. Tagesgeschichte (Lehranstalten).
Freibankordnung. 941.
Freiburg s. Baden.
FreiBtudentenschaft der Tierärztlichen Hoch¬
schule Berlin. 367.
Freizügigkeit des Fleisches. 46.
Freizügigkeit des Wildes. 494.
Fremdkörper s. Abschnürung.
Fruchtbarkeit bei einem Rind. — Große —
v. Dr. Hauger. 7.
Fütterungsversuche s. Milchkühe.
Funiculitis beim Pferd v. Mayr. 26.
Futterausschlag, verursacht durch die Fütte¬
rung doldentragender Hopfenranken v.
Zaruba. 148.
****
XII
Futtermittel s. Erdnußkuchen, Fische,
Fleisch, Futterausschlag, Haferwert,Hering,
Kalk, Milch, Rostpilz, Viehproduktion,
Zuckerfütterung.
Gänse. — Seuchenartige Krankheit der —
616.
Gänsefleisch. — Vergiftung durch — 494.
Gänsen. — Ruhrähnliche Krankheit unter
den — 616.
Gänsen. — Taeniasis bei — v. Sallinger. 165.
Güllenblatv' s Rotlaufbazillen.
Gallenkapillaren. — Die Genese der patho¬
logisch sich bildenden intralobularen,
epithelialen v. Jaeger. 774.
Gans s. Hundestaupeserum, Impfstoffe, Kälbcr-
ruhrserum, Luftsackentzündung, Schweine-
seucho.
Garnison s. Fleischpreise.
Garnisonschlächtereien in Französisch - Lo¬
thringen. — Neue — 571.
Gastroenteritis s. Haferwert.
Gastroenteritis acuta beim Bären, v. Jakob. 955.
Gastroenteritis catarrhalis acuta bei einem
Löwen, v. Dr. Jakob. 863.
Gastwirt s. Haftung.
Gebärmutter s. Schleimverhaltung.
Gebärparese beim Rind — Rückfall von —
Orig. Art. v. Wieland. 733. v. Michael. 860.
v. Scheffer. 876.
Gebiß des neugeborenen Kalbes v. Prof.
Pusch. 56; Berichtigung. 124.
Gebühren 8. Fleischbeschaugebühren, Ge¬
stütspferde, Kreistierarztreform, Medizinal¬
beamte. — Gebühren für Zeugen und
Sachverständige. 350. — Gebühren für
die Revisionen privater Schlachthäuser
durch die Kreistierärzte. 569 — Gebühren¬
ordnung in Württemberg. 590. — Zeugen
und Sachverständige. 350.
Gebühren und Reisekosten in Württemberg.
960.
Gebührenordnung der Tierhygienischen Ab¬
teilung des Kaiser Wilhelms Instituts für
Landwirtschaft zu Bromberg. 508.
Gebührenordnung des Vereins der Tierärzte
des Reg.-Bez. Düsseldorf, 986.
Gebührenordnung für die Württembergischen
Tierärzte. — Entwurf einer — 451.
Gebührenordnung in Württemberg — Neue —
590
Gebührentarifs. Landespolizeiliche Anordnung.
Geburtshilfe s. Abschnürung, Bauchwasser¬
sucht, Bissulin, Eklampsie, Festliegen,
Kalbefieber, Krampf, Laparotomie, Leu¬
kozytose, Magendarmkatarrh, Nachgeburt,
Neugeborene, Scheidenkatarrh, Scheiden-
und Wurf tuberkulöse, Schleim verhaltung,
Schroten, Torsio uteri, Überfruchtung,
Unfruchtbarkeit, Uteruskarunkel.
Geburtshilfe, tierärztl. v. Dr. Zimmermann.
735. v. Bischof. 966.
Geburtshindernis s. Bauchwassersucht.
Geburtstage s. Tagesgeschichte (Persönliches).
Geburtswege s. Thorapogen.
Gedenktafel s. Tagesgeschichte (Militär -
veterinäre).
Geflügel s. Coccidienseuche, Spirillosis, Wund¬
heilung.
Geflügel. — Über ein paar Versuche beim —*
v. Albrecht. 164.
Geflügelcholera v. Freytag. 377.
Geflügelcholera im Reg.-Bez. Posen. — Ma߬
regeln zur Bekämpfung der — 328.
Geflügelcholera. — Pathologisch-anatomische
Untersuchungen bei akuter und chronischer j
— v. Jungklaus. 178. j
Geflügelkrankheiten. — Seuchenartige — 616. j
Geflügels. — Pleuro-Peritonitis des — von
Guittard. 616. I
GeflUgeltuberkusose und Säugetiertuberkulose v. Bang.
S69.
Geflügelzucht und Geflügelkrankheiten. 164.
177. 613. |
Gehälter der Bezirkstierärzte in Baden. 605.932.
Gehälter der Kreistierärzte und die Beamten¬
besoldungskommission v. Schmaltz. 881
959.
Gehalt s. a Besoldung, Gehälter, Kommunal¬
beamten, Kreisärzte, Kreistierarztreform
und die Ländernamen.
Gehaltsbezüge der tierärztlichen Staatsbeamten
in Bayern. 549. 605.
Gehaltsklassen und Dienstaltersstufen von
Krüger 879. j
Gehaltsordnung in Bayern. — Annahme der |
neuen. — 538.
Gehaltsregulativ in Bayern. — Das neue. 185. j
Gehaltsverhältnisse in den kleinen Bundes -1
Staaten. 539.
Gehe s. Tannyl.
Geheimmittel. — Zusammensetzung einiger —
v. Dr. Göhler. 359.
Geheimmittelanzeige. 368.
Gehirn s. Hyperämie.
Gehirn-Rückenmarksentzündung s. a. Anzeige¬
pflicht j
Gehirn-Rückenmarksentzündung der Pferde. |
377.
Gehörorgan und Sprechwerkzeuge der Papa-1
geien v. Denker. 618.
Gelberübenvergiftung. Orig.-Art v. Holter- j
bach. 267; y. Suckow 356.
Gelenkwunden v. Notz. 344. I
Gelatine und ihre Bedeutung f"r die Präservierung von
FleUchsafb — Die Feuchtigkeitsieaktion tiockener —
v. Richter. 756.
Gemeinde s. Fleischbeschaugebtihren.
Genossenschaftliches v. Marks. 63. 311. 523.
660. 792. 872. 913. 963.
Genußwert s. Fleisch.
Gera s. Preistafeln. j
Gerbereien. — Milzbrandübertragung in — 195J
Gerbereizwecke s. Häute.
Gerichtsentscheidungen: a) Veterinär¬
polizei: Fortgang der Klage gegen Ge¬
heimrat Professor Dr. Löffler wegen der
im Kreise Greifswald ausgebrochenen
Maul-und Klauenseuche. (Oberverwaltungs-
gerichts-E.). 398. — Ein langwieriger
Seuchenprozeß. 418. — Ist Leberkäs eine
Wurst wäre oder Back wäre? (Landger.-E.).
495. — Verkauf von Ziegenfleisch statt
Schaffleisch. (Schöffenger.-E.). 495. — Ver¬
urteilung wegen Rotlaufimpfung (Schöffen-1
gerichts-E.). 538. — Haftpflicht des Reichs- j
militärfiskus wegen Schädigung eines
Pferdebesitzers infolge Ansteckung durch
kranke Militärpferde. (Reichsger.-E). 604.
— Eine neue Kammergerichtsentscheidung
betreffend Abdeckereiprivilegien. 604. —
Gebühren für die Revisionen privater j
Schlachthäuser durch die Kreistierärzte j
(Oberverw.-GerJE.). 569.
b) Fleischbeschau: Freizügigkeit des
Fleisches (Kammerger.-E.). 46. — Schlacht¬
hofzwang für Schlachtungen gewisser
Kategorien Gewerbetreibender (Landger.-
E.). 46. — Strafen im Reichsfleischbeschau¬
gesetz. 262. — Stempelfälschung (Ver¬
urteilung) 262. — Beleidigung eines Tier¬
arztes. 12. — Inverkehrbringen tuber¬
kulösen Fleisches in Reims 139. — Auf¬
rechterhaltung der Ordnung auf dem
Schlachthof durch den Schlachthof¬
direktor (Oberlandesger.-E.). 195. —
Verbot der Einfuhr von Fleisch nach
Spandau, das nicht von einem Tierarzt
untersucht ist. (Kammerger.-E.). 261. —
Färben von Wursthüllen. 262. — Unzu¬
lässigkeit der Kürzung der Fleischbeschau¬
gebühren durch die Gemeinden. (Landger.-
E.). 331. — Feilbieten und verkaufen.
(Kammerger.-E.). 493. — Begriff „frisches
Fleisch“. (Kamraer-Ger.-E.). 727. — Feil¬
halten von verdorbenen Nahrungsmitteln.
816. — Fleisch - und Wurstkontrolle
(Reichsger.-E.). 837.
c) Verschiedenes: Die Verordnung betr
Aushängen von Preistafeln in Gera.
Vor Gericht. (Schöffenger.-E.). 196. —
in Leipzig 1%. 260. — in Dresden 494. —
Dürfen die Städte verbindliche Vorschriften
hinsichtlich der Feststellung des Schlacht¬
gewichtes treffen? (Schöffenger.-E.). 24.
Gültigkeit allgemeiner Anordnungen
des Schlachthofdirektors. (Kammerger.-
E.). 47. — Angriff eines Fleischers in
Nancy auf den Schlachthofdirektor Molitor
(Verurteilung) 139. — Verletzung der
Berufs- und Standespflichten durch den
Tierarzt A. U. zu H. (Disziplinarkammer-
E.). 186. — Verurteilung des Tierarzt
Heege in Kletzke wegen Tierquälerei.
(Schöffenger.-E). 324. — Aufhebung einer
Ordnungstrafe gegen den Schlachthof¬
direktor Janßen zu Elberfeld (Oberverw.-
Ger.-E.). 367. — Verkauf der ärztlichen.
Praxis und Konkurrenzklausel (Reichsger.-
E.). 465. Anmerkung v. Schmaltz 466. —
Private Tätigkeit eines Schlachthofin¬
spektors (Obervcrw.-Ger.-E.). 507. — An¬
klage wegen Meineides des Tierarztes
Ehlers bei Ausübung derSachverständigen-
tätigkeit Freisprechung. (Schwurger.-
E.). 522. Berichtigung. 590. — Kreistier¬
arzt Raebiger und Kreisarzt Ludwig zu
Habelschwerdt. Ein Landgerichtsurteil.
536. s a. 104. 324. 367. 522. —
Ein unleserliches Rezept und
seine Folgen. (Oberlandesges.-E.). 563.
Haftung des Gastwirts für Beschädigung
eingestellter Tiere. (Oberlandes-Ger.-E.).
638. — Haftpflicht des Pferdebesitzers
(Landger.-E.) 638. — Fahrlässige Körper¬
verletzung (Kriegsger.-E.). 660. — Ent¬
scheidung des Strafsenates in Milch¬
angelegenheiten. 140. — Unfall bei einer
Tieroperation und Haftbarmachung des
Tiereigentümers v. Misslack. (Reichsger.-
E.) 717.
Geschlechtsorgane beim Rind. — Mißbildung
der männlichen — Orig.-Art v. Friede-
rich. 707.
Geschwüre s. Eutergeschwüre.
XIII
Geschwulstproblems. — Zur Kritik des —
v. Dr. Jaeger. 66. 77.
Geschwulsttheorie. — Eine neue — Orig.-
Art. v. Freytag. 708.
Gesellschaft in Berlin. — Tierärztliche — s.
Tagesgeschichte (Vereine).
Gesellschaft. — Deutsche tropenmedizinische
— 324.
Gesetze; s. a. Abdeckerei wesen, Anzeige¬
pflicht, Fleischbeschau, Fleischbeschau¬
verordnungen, Gerichtsentscheidungen,
Haftpflicht, Ministerialverfügungen, Vieh¬
versicherungsvertrag. — Apothekengesetz.
507. — Entwurf eines Reichsapotheken¬
gesetzes. 451. — Das neue Beamtengesetz
in Bayern. 363. — Neue Bestimmungen
über die Einfuhr frischen Fleisches. 569. —
Zur Durchführung des Fleischbeschau¬
gesetzes. 47. — Strafen im Reichsfleisch¬
beschaugesetz. 262. — Gesetzentwurf be¬
treffend die Gebühren der Medizinalbe¬
amten. 803. — Entwurf einer Gebühren¬
ordnung für die Württembergischen Tier¬
ärzte. 451. — Haftpflicht des Tierhalters.
59. 507. — Kurpfuschereigesetz v. Preuße.
210. — Kurpfuscher-Gesetz. 153. 884. —
Entwurf des Kurpfusch ergesetzes. 757. —
Reichsgesetz betreffend Preisfeststellung
beim Schlachtvieh. 837. — Oldenburgisches
Schlachthausgesetz. 195. 569. — Tier¬
seuchengesetz statt Viehseuchengesetz.
Eingabe des Deutschen Veterinärrats an
den Reichstag. 379. — Reichstagskom¬
mission für dasTierseuchengesetz v. Krüger.
124. — Reichstierseuchengesetz und Kreis
tierarzt v. Krüger. 72. — Vieheuchen¬
gesetz. 59. — Braunschweigisches Tier¬
ärztekammer-Gesetz. 929. — Tollwutgesetz.
189. — Zum Tollwutgesetz v. Dr. Goldbeck.
189. — Gesetzentwurf betreffend den Vieh¬
handel nach Lebendgewicht. 788. — Entwurf
eines Versicherungsgesetzes von Schmaltz.
75; v. Maier. 59. 381. — Eingabe des
Verbandes der Privattierärzte betr. das
Viehseuchengesetz. 126; Anmerkung von
Schmaltz. 128. 212; Gegenpetition des
Vereins der beamteten Tierärzte. 252. —
Viehseuchengesetznovelle. 75. — Vieh-
seuchengeBetznovelle im Deutschen Land-
wirtschaftsrat v. Rettich. 252; v. Endeil.
253. — Häutehandel und Novelle zum
Reichsviehseuchengesetz. 259. — Kom¬
mission des Reichstages zur Beratung des
Viehseuchengesetzes. 104. — Beratung
des Viehseuchengesetzes im Reichstag.
295. — Viehseuchengesetznovelle im
Reichstag. 107. — Die erste Lesung des
Viehseuchengesetzes. 84. 100. — Erste
Kommission - Lesung der Novelle zum
Viehseuchengesetz v. Preuße. 914. —
Änderung des Gesetzes über die staatliche
Schlachtviehversicherung im Fürstentum
Reuß j. L. 260. — Viehwährschaftsgesetz.
133.
Gestüt und Tierzucht.
Gestüts-Karriere, v. Dr. Goldbeck 289.
Gestütspferde. — Gebühren für Behandlung
der — 562.
Gesundheitsamt s. Arbeiten, Milchmerkblatt.
Gesundheitskommission s. Ortsgesundheits-
Kommission.
Gesundheitspflege s. Milchgewinnang.
Gesundheitszeugnisse für Rindertransportc
— 451.
Gewebsveränderungen s. Bacillus pyogenes
Gewerbetreibende 8. Schlachthofzwang.
Gewicht s. a. Viehhandel.
Gewichtsverlust des Schlachtviehs auf dem
Transport 45.
Gießen s. Hessen.
Giftfrei s. Seife.
Giftigeit des Lysol v. Korreng. 84.
Giftwirkung s. Vergiftungen.
Glandula thyreoidea und parathyreoidea des
PferdeB. — Beiträge zur Kenntnis der
normalen und patologischen Anatomie
der — v. Dr. Litty. 480.
Gleichgewicht s. osmotisch.
Glottisödem infolge traumat. Pericarditis —
Orig.-Art. v. Dr. Liebetanz. 732.
Gölubacer Fliegen. 502.
Görlitz s. Naturforschende Gesellschaft.
Oonococcen. — Rin einfacher Nährboden für —
v. Dr. Plorkowaki. 346.
Gonococcen. — Ein einfacher Nährboden für
— v. Dr. Piorkowski. 391.
Grabfunde s. Hufeisen.
Granulom bei einem Pferde v. Bierling. 655.
Grasfluren der Erde, Deutschlands Wiesen¬
typen und die Wertbestimmung des
Wiesenheues v. Dr. Naumann. 606. 667.
Grauwerdens der Haare. — Die Ursachen
des — v. Schein. 712.
Gregarinose bei unseren Haustieren. — Zur
Frage der — Orig.-Art. v. Koiransky. 675;
v. Dr. Vogel. 779.
Greifswald s. Kuhmeister, Löffler.
Grenze u. Rotz — Russische 490.
Grenzverkehr s. a. Fleischpreise.
Grenzverkehr. — Kleiner — 21.
Grenzverkehr. — Haushaltungsscheine im
kleinen — 262.
Grenzverkehr. — Zollfreier — 262.
Großschlächtereien in Frankreich. — Amerika¬
nische — 262.
Großbritannien s. England.
Grundsteinlegung des RSC.-Denkmal. 413.
Gutachten s. Milch.
Haag s. Kongreß.
Haare s. Grauwerden.
Habelschwerdt s. Ludwig.
Hackfleisch. 727. s. a. Fleisch.
Hackfleisch. — Zusatz von Salpeter zum —
439.
Hackfleisch. — Über die Wirkung einiger
sogenannter Konservierungsmittel auf —
v. Kickton. 438.
Hämagglutination und Hämatolyse. Von
Prof. v. Liebermann. 736.
Haematocystis hepatis. Orig.-Art. v. Dr.
Lehmann. 557.
Hämatogen als Kräftigungsmittel, v. Lange.
977.
Hämatolyse. — Hämagglutination und —
Von Prof. Dr. von Liebermann. 736.
Hämoglobinämie s. Blutplättchen.
Hämoglobinämie, hervorgerufen durch Rost¬
pilze. — Toxische — v. Sziläscyi. 99.
Hämoglobinurie der Rinder. — Gebrauchs¬
anweisung für den Impfstoff gegen die —
190.
Hämoglobinurie der Rinder pro 1907 im Kreise
Landsberg a. W. — Die Schutzimpfungen
gegen die — Orig.-Art. von Graffunder.
175.
Hämoglobinurie des Rindes. — Schutzimpfung
gegen die — Orig.-Art. v. Dr. Bugge. 95.
Häute. — Gewicht der — 839.
Häute rauschbrandkranker Tiere zu Gerberei¬
zwecken verwendet werden? — Können
ohne veterinärpolizeiliche Bedenken die —
v. Sauer. 503.
Häutefleisch. 838. 839.
Häutehandel und Novelle zum Reichsvieh-
seuchengesetz. 259.
„Haferwert“. — Mykotische Magen-Darment¬
zündung infolge Verfütterung von —
Orig.-Art. v. Berndt. 28. Erwiderung v.
Dr. Beddies. 500. Bemerkung hierzu v.
Berndt. 501.
Haftbarmachung des Tiereigentümers — Un¬
fall bei einer Tieroperation und — von
Mißlack. 717.
Haftpflicht für Assistenten. — Anfrage betr.
— 660.
Haftpflicht des Hufschmiedes. 638.
Haftpflicht des Pferdebesitzers. 638.
Haftpflicht des Reichsmilitärfiskus wegen
Schädigung eines Pferdebesitzers infolge
Ansteckung durch kranke Militärpferde. —
Reichsgerichtsentscheidung betreffend —
604.
Haftpflicht des Staates für seine Beamten. 252.
Haftpflicht des Tierhalters. 59. 507.
Haftung des Gastwirts für Beschädigung ein¬
gestellter Tiere. 638.
Hakenwender s. Adversarius.
Hakenzange s. Bicapessar.
Halberstadt s. Schlachthofdirektor.
Halle s. Landwirtschaftskammer.
Hamburg: „Universität“ Hamburg. 63. —
Anerkennung der Schweizer Dr. med. vet.
in Hamburg. 186. — Errichtung eines
Kolonialinstituts in Hamburg. 324. 983. —
Technische Beamte des höheren Ver¬
waltungsdienstes. 436. — Staatliche Tier¬
ärzte in Hamburg. 451. — Kolonial-
Institut in Hamburg. 563. 603. — Vor¬
schriften für die Säuglingsernährung. 701.
— Professor Peter zum Staatstierarzt in
Hamburg ernannt. 350. — Mastvieh-
ausstellung in Hamburg. 262.
Handelsgesellschaft s. Tagesgeschichte (Apo¬
thekenwesen).
Handelsvertrag. — Deutsch-dänischer 45.
Hannover: Königsgeburtstagsfeier in Han¬
nover. 107. — Freibankordnung. 941.
s. a. Beamten verein.
Harnblase s. Sedimentanhäufung.
Harnorgarne s. Salizylsäure.
Harnröhren st eiu beim Pferde. Orig.-Art. v.
Oppel. 52.
Harnstein bei einem 10 Wochen alten Fohlen,
v. NemeCek. 680.
Hase s. Strongylus.
Hauptmangel s. Stetigkeit.
Haushaltungsscheine im kleinen Grenzverkehr.
262.
Haussäugetier s. Papillen, Präputium, Tränen¬
drüse.
Hausschlachtnug s. Beschauzwang, Fleisch¬
beschau, Schlachthofzwang.
XIV
Hausschlachtungen in Preußen. 572.
Hausschlachtungen in genehmigten Schlacht¬
stätten. 727.
Hausgeflügel s. Hühnerspirillose, Spirillosis,
Wundheilung.
Haustier s. Arteriosklerose, Bauchoperation,
Gregarinose, Kastration, Operationstisch,
Oleum Ricini, Tagesgeschichte (Pfuscherei).
Haut — Steht privilegierten Abdeckern von
geschlachteten Tieren, bei denen lediglich
das Fleisch als untauglich befunden
wurde, auch die Haut zu? — v. Ostertag.
493.
Haut, mit besonderer Rücksicht auf den Haut¬
krebs. — Das Verhalten der elastischen
Faser in der — v. Dr. Neuber. 783.
Hautkrebs s. Haut.
Heide s. Schweinemästereien.
Heidelberg s. Krebsforschung.
Heilbronn s. Wurstbereitung.
Heilzwecke s. Schweineseuche.
Hengst s. Samenfäden.
Hengst oder Stute, v. Jewasinski. 177.
Hengstkörung und Hengstmarkt am 28., 29.,
30. Januar in Oldenburg. 914.
Hengstkörungen. — Gesuch des Vereins
beamteter Tierärzte Preußens um Erlan¬
gung der Stimmberechtigung bei den —
Hodendegeneration. — Cystoide — v. Neven.
977.
Hoden s. RSntgenstrahlen. I
Hörner s. Schaf bock.
Hohenlohe s. Memoiren.
Hohlnadel s. a. Trokar. j
Hohlnadel mit Stilett. — Intravenöse Injektion j
und Aderlaß durch eine — Orig.-Art. v. |
Dr. Bugge. 353.
Holland s. Niederlande.
Holsatia s. Protest.
Holstein s. Euterseuche.
Homologie s, Säugetierleben.
Hopfenranken s. Futterausschlag 148.
Hornes und der Stirngegend beim Rinde.
— Die Krankheiten des — v. Professor
Imminger. 408.
Hornkapsel. — Blutungen in der — v. ■
j Geßner. 99.
Hornsäule des Pferdes, v. Dr. Immelmann. 72.
Hornvieh s. Sobernheimschos Serum.
Hüfner. — Nachfolge von — 399. 538. 637. I
Hühner zwischen Schweinen gehalten werden? !
— Dürfen — v. Dr. Vajda. 358.
Hühner-Frikassee. 139.
Hühnerpest mit besonderer Berücksichtigung
der pathologischen Anatomie v. Dr.Freese.
614.
Hund s. Abschnürung, Akarusräude, Chylurie
Dammbruch, Darmparasiten, Digalen,
Ikterus, Kolik, Laparatomie, Lymphoma¬
töse, Meningo-Enzephalitis, Morphium,
Negri, PiroplaBma, Pneumotomia, Sporo¬
zoen, Struma, Tabes, Urämie, Wut
Hund a. Hirnrinde.
Hundebifi s. Sch&delbruch.
Hundestaupe s. Kochsalzlösung.
Hundestaupe. — Ein Beitrag zur Statistik
der — v. Wierth. 955.
Hundostaupesera. — Impfversuche zur Be¬
wertung zweier — v. Dr. Puttkammer. 391.
Hnndestaupeserum von dem Pharmazeutischen
Institut L. W. Gans in Frankfurt a. M.
— Bericht über die erzielten Erfolge mit
dem — Orig.-Art. v. DvofaCek. 300.
Hundestaupeserum. — Aufklärung über von
Dr. Richter. 737. Erwiderung dazu von Dr.
Piorkowski. 770. Entgegnung von Dr.
Richter. 846. Entgegnung von Dr. Pior¬
kowski. 877. Vorläufige Mitteilung von
Dr. Richter. 954.
Hydrargyri s. Unguentum Hydr.
Hydarthrose s. Arthritis.
Hydrops s. Struma.
Hygiene s. Kongreß.
Hyperämie des Gehirns und der Hirnhäute
320. Erwiderung 321.
Herbivoren s. Tollwut.
Hering als Futtermittel. 574.
Herpes tonsurans bei Pferden. — Seuchen¬
hafte Verbreitung des — v. Windisch. 7.
Herrenfahrer. — Ein Tierarzt als erfolg¬
reicher — 523.
Herz s. Lymphadenie.
Her» a. Hyposystolie.
Herzens bei einem Kalbe. — Abnorme Lage
des — v. Dr. Seyfert. 99.
Herzhälfte s. Atheromatose.
Herzklappendehnung beim Pferd v. Zschokke.
31.
Herzverletzungen. — Beitrag zur Heilung von
— Orig.-Art v. Michalik. 690.
Hessen: Abiturientenüberschuß — Lehrer¬
mangel. 539. — Zur Geschichte des
Veterirärinstituts zu Gießen. 561. —
Gründung eines Verbandes der prak¬
tischen Tierärzte im Großherzogtum
Hessen. 699. — Zulassung der Frauen
zum Studium der Medizin. 701.
Hexametylentetramin ist nach Beardsley
schon in geringen Dosen giftig. 585.
Heymannsches Verfahren s. Tuberkuloseschutz¬
impfung.
Hinterfuß s. Arbeitspferde, Fesselbeinbeuger,
Zehenbeuger.
Hirnhäute s. Hyperämie.
Hirnhaut-Tuberkulose beim Rind. — Über
einen Fall von — Orig.-Art. v. Fleisch¬
hauer. 54.
Hirnrinde des IIundeB — über die Lautgebungsstelle in
der — v. Kat.cnstein. 755.
Historische Wissenschaften. — Internationaler
Kongreß für — 324.
Hochschule s. Kindermilchproduktion, Tages¬
geschichte (Tierärztliche Lehranstalten).
Hoch8chulfrequenzen. 186.
Hochschullehrertag s. a. Tagesgeschichte
(Tierärztliche Lehranstalten).
Hochschullehrertag zu Jena. 787.
Hochschulnachrichten. 636. i
Hdhnerpeatvlru* s. a. Infektionserreger.
Hühnerpestvirus im Zentralnervensystem empfänglicher,
natürlich und künstlich unempfänglicher Tiere.
Über das Verhalten des — v. Kraus und Doerr. 464.
Hühnerspirillose in Bulgarien. — Ein Fall
von — v. Gareitschnoff. 165.
Huf s. Tragranderweiterung.
Hufbeinbeuger s. Sehnenscheide.
Hufbeinfissuren u. Hufbeinfrakturen. v.Rachfall.
734.
Hufbeins. — Ein Beitrag zur Fraktur des —
Orig.-Art. v. Walther. 553.
Hufbeschlag und Schlagfertigkeit in der
Armee. Entgegnung zum Flußerschen
„Plattenhufeisen“ als Armeebeschlag v.
Prof. Dr. Lechner. 359.
Hufbeschlages. — Demonstrationen auf dem
Gebiete des — v. Winkler. 667.
Hufeisen, welche der praktische Tierarzt
kennen muß. — Eine Wandlung in der
Fabrikation der — v. Prof. Dr. Lung-
witz. 431.
Hufeisens in Ungarn (mit Bezugnahme auf
die Grabfunde aus der Arpädenzeit). —
Zur Geschichte des — v. Dr. Zimmer¬
mann. 359.
Hufknorpel s. Verknöcherung.
Hufknorpelfesselbeinbandes und der Zehen¬
binde, sowie ihre Beziehungen zur
Schalenbildung und Verknöcherung der
Hufknorpel. — Die Veränderungen des —
v. Dr. Hugentobler. 304.
Hufknorpelfistel. 462.
Hufkrebs s. Formaldehyd.
Hufkunde s. a. Hornkapsel, Hufknorpel¬
fesselbeinband, Tragranderweiterung. !
Hufnägel s. Arbeitspferd.
Hufschmied s. Haftpflicht. I
Huhn s. Federlos, Geflügel, Hühner, Koli-
bakterienseptikämie, Phosphorvergiftung,
Polyneuritis, Sarcoptes, Streptococcen-
Krankheit, Tuberkulose, Veränderungen,
Wett-Eierlegen.
Iluhn s. Leukämie, Dourinctryp&nosomen.
I v. Hölscher. 768.
Hypernephrom beim Rind. Orig.-Art von
, Haupt. 861.
| Hyperostose der Phalangen infolge von Nagel-
| tritt — Über die — v. P6cus. 123.
! Hypertrophie der Nebennieren. — Beitrag zu
der Kasuistik der kompensatorischen —
Orig.-Art. v. Prof. Guerrini. 513.
Hyposystolie der Kammern des Säugetierherzens. — Über
zeitweise partielle — v. Prof. Hering. 844.
!
I
! Icterus catarrbalis bei Hunden mit physio¬
logischer Kochsalzlösung. — Die Be¬
handlung des — Orig.-Art. v. Horneck.
857.
i Immatur s. Tagesgeschichte (Tierärztliche
Lehranstalten).
Immunisierung s. die einzelnen Infektions¬
krankheiten
Immunisierung mit Corpus luteum. — Über Komplement¬
bindung bei — v. Miller. 450.
Immunität s. Muskeltrichinose.
Immunserum s. Schweinepest.
Impfstoff s. die einzelnen Seuchen und
Hämoglobinurie.
Impfstoffe des Pharmazeutischen Instituts
Ludwig Wilhelm Gans. 252. 300. 508. 963.
Impfstoffe und Sera in Ungarn. — Der Ver¬
trieb und die Kontrolle der tierischen —
Orig.-Art. v. Märai. 475.
Impfstoffen an Landwirte. — Lieferung von —
963.
Impfung s. d. einzelnen Infektionskrankheiten.
Suptol.
Impfung s. die einzelnen Seuchen.
Impfung von Maultieren gegen Sterbe,
v. Rickmann. 71.
Index s. Opsonisch. Pneumothorax.
Indien s. Trypanosomata.
Infektionserreger zur Filtration des Hühnerpestvirus. —
Weitere Untersuchungen Uber sogenannte ultrauiikro-
skopische — v. Giemsa und Prowazek. 632.
Infektionskrankheiten s. a. Wutschutzabteilung.
Influenza s. a. Anzeigepflicht.
Influenza. — Bekämpfung der — 805.
XV
Influenza der Pferde. — Die Landespolizei*
liehe Anordnung betreffend die —
v. Migge. 915.
Influenza (Brustseuche) der Pferde. — Versuch
einer Heil- und Schutz-Impfung bei der —
v. Dr. Willerding. 593.
Influenza der Pferde bezeichneten Krank¬
heiten. — Bekanntmachung betreffend die
Anzeigepflicht für die als — 564.
Influenza der Pferde bezeichneten Krank¬
heiten. — Gemeinfaßliche Belehrung über
die als — 919.
Influenza der Pferde. — Anschauungen über
die Bekämpfung der — Orig.-Art. v. Walther.
49. Orig.-Art. v. Fenner. 339.
Influenza unter den Pferden der Zivil¬
bevölkerung in Preußen. 330.
Injektion s. Hohlnadel, Jodtinktur, Klonein.
Insekten. — Über den biologischen Nach¬
weis der Herkunft von Blut in blut¬
saugenden — v. Uhlenhuth, Weidanz und
Angeloff. 682.
Insekten. — Schutz gegen — 399.
Insektenplage. — Schutz der Pferde vor der
— 399; v. Dr. Raebiger. 585.
Institut s. Wutschutzabteilung.
Institut Gans s. Impfstoffe.
Instrumente s. Apparate.
Invagination s. Mastdarmzerreißung.
Invalidenversicherung s Versicherungswesen.
Iritis s. Chorioiditis.
Italien: Seuchennachrichten. 991.
Jahr. — Das praktische — v. Bischof!. 309.
Jahrbuch der Deutschen Landwirtschafts-
Gesellschaft. 508.
Jahresberichts s. a. die Ländernamen.
Jahresbericht über die in der Klinik der König¬
lichen Militär-Lehrschmiede zu Berlin im
Jahre 1906 behandelten Pferde v. Krüger.
462.
Jahresberichte der Oberamtstierärzte. — Ent¬
wurf eines Erlasses des Ministeriums des
Innern, betreffend die — 452.
Jahresberichten der badischen Bezirkstier¬
ärzte. — Aus den — 6.
Jahresberichte bayerischer Tierärzte. 430.
Jahrespauschalien s. Kreistierarztrefonn.
Jena. — Hochschullehrertag zu — 787.
Jeß-Piorkowski s. Druse.
Jodipin bei Lungenentzündung des Pferdes.
Orig.-Art. v. Dr. Cornelius. 285.
Jodipin bei Lungenentzündung eines dänischen
Pferdes, v. Train. 244.
Jodtinktur. — Behandlung der blutig-serösen
Ansammlungen durch Injektionen von
reiner — v. Cadix und Pineau. 518.
Johnesche Seuche s. Enteritis chronica.
Jubiläum s. Tagesgeschichte (Persönliches,
Verschiedenes).
Jungen s. Abschnürung.
Jungrind s. Alkohol, Eiterung.
Jungrindern. — Proctitis haemorrhagica bei
— v. Holterbach 81.
Kadaverbeseitigung s. 1 Milzbrandbehandlung
Kadaververnichtung. — Über thermo-chemische
Kälberpneunomie v. Wagner. 430.
Kälberruhr v. Wagner 430.
Kälberruhr. — Die Ätiologie der — Orig.-
Art. v. Dr. Titze und Weichei 457.
Kälberruhr. — Erfolg bei — v. Zietzschmann;
v. Lange; v. Pretzsch; v. Steffani; v.
Schaller und von Eichhorn. 378.
Kälberruhr. — Impfung gegen — v. Ehrle. 599.
Kftlberruhr-Colibacillosis. — Beitrag zur Biologie des
Erregers der — v. Neumann. 464.
Kälberruhrimpfungen nach Raebiger-Habel-
schwerdt von Dr. Goldbeck. — Entgegnung
vom Pharmazent. Inst Gans zu dem
Artikel: — 900.
„Kälberimpfungen von Dr. Goldbeck.“ — Zum
Artikel — v. Kaiser 975.
Kälberruhrserum. — Die Herstellung von
polyvalentem — v. Dr. Grosso. 831.
Kälberruhrserum nach Ludwig Wilhelm Gans-
Frankfurt a. M. -L- Erfahrungen in der
Schutz- und Heilimpfung mit polyvalentem
— Orig. - Art. von Raebiger. 532, v. Dr.
Goldbeck. 610; Nachtrag v. Dr. Goldbeck.
629; v. Raebiger. 654; v. Dr. Goldbeck.
844; Anmerk, dazu v. Schmaltz. 846;
Entgegnung v. Pharm. Institut Gans. 900;
v. Kaiser 975.
Kälberseuchen. — Zur Bekämpfung der — 722.
Kälbersterbens. — Zur Ätiologie des seuchen-
haften — v. Dr. Schmitt 788.
Kälbersterben. Ein neues Schutz- und Heil¬
serum gegen die septische Pneumonie.
— Beiträge zum — Orig.-Art. v. Kaiser. 921.
Kälteindustrie. — Internationaler Kongreß
der — 334. 569. 660.
Kalb s. a. Rind, After, Atrichie, Bauch¬
wassersucht, Beleben, Bovovaccination,
Chorioiditis, Doppelmißbildung, Enteriten,
Gebiß, Herz, Mißbildung, Paratyphus-B.,
Quecksilberveigiftung, Ruhr, Saugkälber.
— v. Heiß 600.
Kalb a. Pneumonie.
Kaiser Wilhelm-Akademie. — Die neue —
539.
Kaiser Wilhelm-Institut s. Fortbildungskursus,
Gebührenordnung, Tagesgeschichte, Tier-
ärztl. Lehranstalten.
Kalbefieber trotz vorhergegangener Schwer¬
geburt. v. Breß. 430.
Kalbslunge s. Melanosis maculosa.
Kalk. — Desinfektion mit — v. Trattner. 123.
Kalk und andere Mineralstoffe in Futter¬
mitteln. v. Prof. Kellner. 272.
Kalomeis. — Klinische Untersuchungen über
Wert und Wirkung des — v. Dr. Müller. 695.
Kaltwasseranwendung in der Bujatrik. Orig.-
Art. v. Stietenroth. 780.
Kanarienvögeln. — Über seuchenhafte Er¬
krankungen mit septikämischem Charakter
bei — v. Dr. Freese. 177.
Kanarienvogel s. a. Nekrose.
Kanarienvogelseuche. — Untersuchungen über
eine — v. Prof. Dr. Zwick. 617.
Kaninchen s. Pyämie.
Kaninchenfleisch s. Katzenfleisch.
Kaninchenhandel. 574.
Kaninchensyphilis s. Atoxyl.
Kaninchonsyphilis s. Atoxyl.
Kaninchen-Zuchtanstalt 574.
Kapkolonie s. Monopolisierung.
Kapselbildung von Milxbrandbasillen v. Bail. 860.
Kardiographische Studien v. Dr. Immisch. 671.
Karpalgelenk s. Lappentransplantation.
Karpfen s. Bakterium.
Karankel s. Uteruskarunkel.
Karzinom und Tuberkulose der Mamma — Ein Fall von
— v. Fricke 504.
Karzinomatose beim Pferd v. Noack. 679.
Karzinomen. — Gefahr beim Arbeiten mit —
305.
Kassel. — Bekämpfung der Schafräude im
Regierungsbezirk —■ v. Tietze. 603.
Kastration. Orig.-Art. v. Reimers. 281.
Kastration. — Zur — Orig.-Art. v. Stern. 428.
Kastration. — Ausgewählte Kapitel aus der —
Orig.-Art. v. Dr. Toepper. 945.
Kastration und Kastrationsmethoden der
männlichen Haustiere, v. Prof. Frick. 29.
Kastrierzange nach Masch. — Die Kastration
der Pferde mit der — v. Eichhorn. 977.
Katarrhalfieber der Schafe in Südafrika v.
Dr. Theiler. 344.
Katze s. Abschnümng, Enteritis, Epilepsia,
Urämie.
Katzenfleisch — statt Kaninchenfleisch. 495.
Kauterisation s. Stifte.
Kehlkopftuberkulose des Rindes. Orig.-Art.
v. Mayr. 176.
Keratitis s. Chorioiditis.
Kinder- und Kurmilchanstalten und die Be¬
deutung der Tierärzte für die Leitung
dieser Wohlfahrtseinrichtungen — Die
Bedeutung der kommunalen — v. Suckow.
941.
Kindermilchproduktion in wirtschaftlicher und
hygienischer Beleuchtung unter besonderer
Berücksichtigung der im Rassestalle der
Tierärztlichen Hochschule in Dresden
gemachten Erfahrungen v. Prof. Dr. Pusch.
519.
Kissingen. — Einführung der Trichinenschau
in — 701.
Klage s. Löffler.
Klauensäckchen des Schafes. — Über das —
v. Dr. Zimmermann. 783.
Klein s. Antiperiostin.
Kleinhandelspreise von Fleisch in Preußen.
837.
Klemmzange nach Hoffmann. 461.
Klinik s. Jahresbericht. Mitteilungen.
Klonein, ein neues Mittel zur subkutanen
Injektion und seine Wirkung. Orig.-Art.
v. Sonnenberg. 1.
Kniegelenkentzündung beim Fohlen, — Über
die Behandlung der — v. Prof. Hendricks.
654.
Kniescheibe s. Luxation.
Knochen. — Krankheiten der — 462.
Knochenbruch beim Pferd v. Freytag. 680.
Kjiochenbrüche beim Schwein. — Beiträge
zur Kenntnis der — v. Zbiranski. 656.
Knochengeschwülste v. Sommer 662.
Knochenneubildungen (Antiperiostin). — Dar¬
stellung eines Mittels gegen — v. Dr. Klein.
272.
Knochenverwertung. 838.
Knötchen in den Pferdelungen und ihre Bezie¬
hung zu der Rotzkrankheit — Die grauen
durchscheinenden — v. Angeloff. 477.
Kochsalz s. osmotisches Gleichgewicht.
Kochsalzlösung s. Icterus.
Kochsalzlösung bei Hundestaupe. — Physiolo¬
gische — v. Lange. 977
Kocbschen Tuberkelbazillus. — Über die nicht säure¬
festen Formen des — v. Mucb. 504.
Köln s. Albertus Magnus. Nahrungsmittelunter¬
suchungsanstalt, Tierkörpervornichtungs-
anstalt.
5 *
XVI
Köln. Ärztestreik in — 414.
Königsberg s. Tuberkulosefälle, Tuberkiilose-
tilgung.
Königsgeburtstagsfeier. 91; in Hannover. 107.
Königshütte s. Schlachthof.
Königstiger s. Pneumonie.
Körgeschäft. — Der Tierarzt beim von
Maximilian. 290.
Kongreß im Haag 1900. — IX. internationaler
Tierärztlicher - 37. 106. 240. 274. 321.
366. 409. Programm 471. 636. 855.
Kongreß der Kälteindustrie. — Internationaler
- 334. 569. 660.
Kongreß. — Die Teilnehmer am ersten inter-,
nationationalon tierärztlichen — 586. 605.
984.
Körperverletzung. — Fahrlässige — 060.
Körung 8. a. Hengstkörung.
Körungskommissionen. — Zur Frage der
Mitwirkung der Tierärzte in den — 33.
v. Georges. 58.
Kolibakterienseptikämic bei Hühnern als
Transportkrankheit v. Dr. Claußcn. 614.
Berichtigung. 634.
Kolik s. a. Aneurysma, Ghloralhydratinjek-
tionen, Prießnitzumschläge, Windkolik,
Zuckerfüttorung.
Kolik. — Diagnostik und Behandlung der —
v. Oppel. 294.
Kolik bei Hunden v. Dasch. 202.
Koliken boim Pferd — Über die Behandlung
der — v. Roux. 29.
Koliktherapie s. Bauchoperation.
Kolonialbeamten. — Ausbildung der - 984.
Koloniales Preisausschreiben. 186.
Kolonialinstitut in Hamburg. 563. 603.
Kolonialinstituts in Hamburg. — Errichtung
eines — 324. 983.
Kolonialpolitik s. Trypanosomen.
Kolonialschule in Witzenhausen. 367.
Kolonialschule für das W.-S. 1908/09. — Vor¬
lesungsverzeichnis der Deutschen. — 718.
Kolonien s. Afrika. |
Ivolonverdrchung (Torsio coli) beim Pferde. — j
Diagnose und Behandlung der — von
Forssell. 407.
Koloaru -l. — Schwarzes — v. Semon. 956.
Kommers s. Tagesgeschichte (Tierärztliche
Lehranstalten).
Kommission s. Landespferdezucht, Ortsgesund-!
heits-Kominission, Viehseuchengesetz.
Kommunalbeamten-Gehälter. — Aufbesserung
der — 185.
Kommunale Tätigkeit. 12. 884.
Kommunalvcrbänden — Betätigung von Tier¬
ärzten in den — 367. v. Meier 601.
Komplement s. Phagozytose.
Komplementbildung s. Schweinepest.
Kompleinentbindung s. Jmmn lis'ernng.
Komplementbindungsmethodc s. Pferdefleisch.
Kondylom am Penis und eine diffuse papillo- j
matöse Wucherung auf dem inneren
Präputialblatt v. Prof. Schimmel. 84.
Kongreß für historische Wissenschaften. —
Internationaler — 324.
Kongresse. — Zur Geschichte der inter¬
nationalen tierärztlichen — Orig.-Art.
v. Prof. Dr. Schmaltz 586. 605. 984.
Könitz s. Amtsbezeichnung.
Konjunktival s. Tuberkulinreaktion.
Konkurrenzklausel s. Praxis.
Konservenfabrik s. Militärkonservenfabrik.
Konservenindnstrie s. Fleisch.
Konservierung s. Eier. Milchprobon.
Konservierung. — Nahrungsmittel — 438.
Konservierungsmittel s. Hackfleisch.
Kontrolle s. Fleisch.
Kontrollvereinc s. Milchkontrollvereinc.
Kopenhagen s. Dänemark.
Kopfkrankheit der Pferde gefundenen Bak¬
terien Untersuchungen über die bei
der sog. — v. Grimm. 518.
Koppen der Pferde und ein Instrument das¬
selbe zu verhüten. Orig.-Art v. Hohmann.
971.
Koprostase s. Urämie.
Kornrade s. Agrosteinma Githago.
Korps Holsatia. — Protest des — 92.
Kräftigungsmittel. — Hämostogon als — v.
/Lange. 977.
Krämpfe bei einer Milchkuh. — Choreatische —
v. Breß. 430.
Krampf der cervix uteri als Ursache abnor¬
maler Geburt beim Rind. — Zwei Fälle
von — Orig.-Art. v. Herhudt 781.
Krampfanfälle s. Neurotoxine.
Krebsforschung. — Ergebnisse dermodernen—
v. Dr. Sticker. 83.
Krebsforschung in Heidelberg. — Arbeits¬
plätze am Institut für — 186.
Krebssuppen. — Verwertung übriggebliebcncr
Speisereste zu — 574.
Kreisärzte s. Straßenzoll, Tagesgeschichte
(Ärzte).
Kreisärzte. — Besserung der Stellung der —
415.
Kreiskommunalmittcl s. Rotlaufimpfungen.
Krcismolkereiinspektors für den Reg.-Bez.
Oberbayern. — Schaffung der Stelle eines —
701.
und Tagegelder v. Träger. 167. — im
Abgeordnetenhauso. 185. — Pauschal¬
vergütung für die Dienstreisen der Kreis¬
tierärzte. 360; v. Preuße 520; v. Schmaltz
549; v. Krüger 770. — Die Bezirkstier¬
ärzte in Sachsen. 224. — Unsere Taxe v.
Kis8uth. 224. — Das neue Gebaltsregulativ
in Bayern. 185. 252. — Gehaltsauf¬
besserungen in Preußen, Baden und Würt¬
temberg 252 — Petition der preußischen
Kreistierärzte gegen eine Eingabe des Ver¬
bandes der Privattierärzte. 252. — Ein¬
führung der Pauschalierung in Preußen v.
Schmaltz. 350. — Zur Anstellung der Kreis¬
tierärzte v. Freytag. 506. — Gebühren fürdie
Revisionen privater Schlachthäuser durch
die Kreistierärzte. 569. — Die Stellung der
Sächsischen und Preußischen beamteten
Tierärzte v. Schmaltz. 250. — Vorschläge
zur Neuorganisation des Veterinärbeamten¬
tums v. Graffundcr. 682. — Zur Gehaltsauf¬
besserung der Kreistierärzte v. Schaumkell.
800. — Pauschalvergütung der Kreis¬
tierärzte. 804; v. Krüger 853. — Zur
Besoldung der Kreistierärzte. 825. —
Jahrespauschalien der Kreistierärzte v.
Krüger. 866. — Gehaltsklassen und Dienst¬
altersstufen v. Krüger. 879. — Gehälter
der Kreistiorärzte und die Beamten¬
besoldungskommission v. Schmaltz. 881.
959. — Eingabe des Vereins beamteter
Tierärzte Preußens um Abänderung des
auf sie bezüglichen Teiles der Besoldungs¬
vorlage. 881. — Gehälter der Kreisärzte
und Kreistierärzte v. Krüger. 906. —
Zur Besoldung der Kreistierärzte v.
Prof. Dr. Schmaltz. 931.
Kreaolaussoheidung beim Hunde nach Lysolverab¬
reiehang. — Über die Höhe der — v. VriÖdländer, 630.
Kreuzen s. Vorderschonkel.
Kritik. — Anonyme — v. Schmaltz. 351.
Krone s. Vorderschenkel.
Kropf der Ziege. — Angeborener — v. Fölgcr.
862.
Kruppe. — Die abschüssige — v. Hink. 792.
Berichtigung v. Krämer. 903.
Krustentiere s. Viehhandel.
Küchenabfälle. — Verwertung städtischer —
139.
Kühlanlage in Verdun. 139.
Kühlanlagen in den Markthallen. 573.
Kühlraum s. Fleisch.
Kündigung der Deutschen Tierärztlichen
Wochenschrift. 452.
Kürzung s. Fleischbescbaugebühren.
Küstenfieber s. Coast fever.
Konfiskatbehältern in den Schlächtereien in
Lüneburg. — Polizeiverordnung, betr. Auf¬
stellung von — 573.
Konfiskate s. Souchenkadaver.
Konfiskate. — Kosten des Transports der —
261.
Kongo Freestate 8. Trypanosomiasis.
Kongreß s. a. Kälteindustrie. Milch. Tuber¬
kulosekongreß.
Kongreß für Ernährungszwocke. — Inter¬
nationaler — 648.
Kongreß für Hygiene und Demographie zu
Berlin. — XIV. internationaler — 456.
Kongreß für Milchwirtschaft. — IV. inter¬
nationaler -- 648.
'Kreisstuten-u.Fohlenschau ernannt. — Direktor
Suckow zum Preisrichter der — 484.
Kreistierarzt s. Gebühren, Standesvertretung.
Kreistierarzt. — Reichstierseuchengesetz u. — -
v. Krüger. 72.
Kreistierarztreform s. a. Beamtenbesol¬
dung, Besoldung, Gehalt, Standes Ver¬
tretung. — Pauschale. 75. — Ist eine
Änderung in dem Aufrücken in die höheren
Gehaltsklassen, sowie eine Aufbesserung
des Gehalts resp. der amtlichen Einnahmen
der Kreistierärzte nicht eine dringende
Notwendigkeit? v. Dralle. 150; v. Rust.
165; v. Krüger. 222. Nachtrag v. Krüger
224. — Pauschalierung der Reisekosten
Kuh s. a. Rind, Aktinomykom, Eihäute,
Eklampsie, Enteritis, Eutergeschwür, Euter¬
seuche, Gebärparese, Hypernephrom, Lab¬
magen, Magendarmkatarrh, Milch, Nah¬
rungsfett, Scheidentuberkulose,Thrombose,
Unfruchtbarkeit. Torsio uteri v. Frasch.
430. — Das Zurückhalten der Nachgeburt
bei der Kuh v. Hermanns. 545.
Kuhmeistern in Greifswald. — Ausbildung
von — 264.
Kuhmilch s. Milch.
Kultusminister über die Promotion. 155.
Kurmethoden — Arzneimittel und — 977.
Kurmilch b. Kindermilch.
Kurpfuscherei s. Tagesgeschichtc (Pfuscherei).
XVII
Kutan 8. Ophthalmoreaktion, Tuberkulin-
reaktion.
KutAa-Diagnose *. Ophthalmo-Diagnofic.
Kutireaktion 8. Tuberkulosediagnose.
K*abmagen s. a. Lymphadenie.
Labmagen bei einer Kuh. Zereißung des —
783.
Labmagenverstopfung. — Zwei Fälle von
rentabler — v. Frasch. 430.
Laboratorien an den Schlachtbüfen. 139. s. a.
Tagesgeschichte (Tierärztl. Lehranstalten).
Ladenkontrolle s. Fleischbeschau.
Lähmung s. Quadricepslähmung.
Lage der Tierärzte s. Standesvertretung.
Lagemans Thüringer Pillen. Orig.-Art. von
Schwarz. 144.
Lahmheiten s. Sehnen- und Periostknochen¬
reflexe.
I^aiengeburtshilfe s. Tagesgeschichte (Pfusche¬
rei).
Laienvertreter b. a. Standesvertretung.
Laienvertreter, sondern der von dem Tierarzt
vorgeschlagene tierärztliche Vertreter
ohne weiteres auch als Vertreter in der
Fleischbeschau bestallt wird? — Auf
welche Weise kann es erreicht werden,
daß bei Beurlaubungen von längerer, einige
Tage überschreitender Dauer eines in der
Fleischbeschau tätigen Tierarztes nicht
der — v. Dr. Zehl. 34.
Landesökonomiekollegium. — Landwirt¬
schaftsrat und — 155.
Landes-Ökonomie-Kollegium. — Tagung des
Kgl. Preuß. — 187. 564.
Landespferdezuchtkommission. 107.
Landespolizeiliche Anordnung, betreffend
Untersuchung von in den Landespolizei'
bezirk Berlin eingeführten Kindern 940.
Gebübrentarif 940.
Landgerichtsurteil s. Gerichtsentscheidungen
(Verschiedenes).
Landsberg s. Hämoglobinurie.
Landwirt s. Fleischbeschau. Impfstoffe.
Landwirtschaftsgesellschaft. — Ausstellung
der Deutschen — 440. 452. 456. 524.
Landwirtschaftsgesellschaft. — Jahrbuch der
Deutschen — 508.
Landwirtschaftskammer s. Tierzuchtinspektor,
Tuberkulosefälle, Tuberkulosetilgung.
Landwirtscbaftskammer in Halle. — Besich¬
tigung des bakteriologischen Instituts
der — 833.
Landwirtschaftskammer betr. Rotlauf¬
impfungen. — Bekanntmachung der West¬
preußischen — 351.
Landwirtschaftskammern. — Von den In¬
stituten der — 563.
Landwirtschaftskammern im Dienste der
Seuchentilgung. — Tätigkeit der Institute
der — 721.
Landwirtschaftsrat s. a. Anzeigepflicht, Staats¬
veterinärwesen.
Landwirtschaftsrat und Landesökonomie¬
kollegium — 155.
Landwirtschaftsrat. — Novelle zum Gesetz
betr. die Abwehr und Unterdrückung von
Viehseuchen im Deutschen — v. Rettich, i
252; v. v. Endeil. 253. [
Landwirtschaftsrates, Februar 1908. — Ver¬
sammlung des Peutschen — 638, I
Laparotomie mit daran anschließender Am¬
putation dos Uterus bei einer Hündin.
Orig.-Art. v. Klirameck. 706.
Lappentransplantation am Karpalgelenk des
Pferdes. — Komplizierte ausgedehnte —
v. Roschig. 122.
Laufgewichtsharamer. v. Dr. Kantorowicz. 691.
Lebendgewicht. — Protest gegen den Vieh¬
bandel nach — 941.
Lebendgewicht im Reichstage. — Handel
nach — 261.
Lebensmittelteuerung. — Zur Bekämpfung
der - 815.
Leber s. Säugetierleber.
Lebereirrliosc. — Zur Genese der v. Kibbert. 76*.
Leberegel beim Pferd, v. Brietsch. 679.
Leberkäs eino Wurstware oder Backware?
— Ist — 495.
Lebertran s. Dorschlebertran.
Lebervergrößerung infolge Echinococcenin-
vasion. — Über außergewöhnliche —
v. Dr. Feuereißen. 430.
Lecithin s. a. Tuberkulose-Toxin.
Lecithin und dio Form, in welcher man es
verordnen soll. Orig.-Art. v. Holterbacb. 28.
Lecithingehalt des Tierkörpers. 728.
Lecithintherapie. — Zur — v. Holterbach 580.
Leder. — Milzbrandübertragung durch — 195.
Ledumin von Dr. Pinner. 520. 856.
Lehrer für Tierzucht in Stuttgart. 452.
Lehrermangel s. Hessen.
Leipzig s. Sachsen.
Leipzig s. Sachsen.
Leukämie s. Tympanitis.
Leukämie bei Hübnern. — Experimentelle — v. Kller-
mann und Bang. 449.
Leukocytose beim Rind unter besonderer
Berücksichtigung der Trächtigkeit und
der Tuberkulose v. Utendörfer. 145.
Lippe s. Betäubung.
Lipurie s. Chylurie.
Literarische Notizen. 351; s. a. Bücher-
besprechungen. |
Literarische Unterstützungen v. Oeller. 914. j
Löfflers Berufung. 172. i
Löffler, betr. der im Kreise Greifswald aus- j
gebrochenen Maul- und Klauenseuche. — j
Klage gegen den Geheimrat Professor |
Dr. — 398. i
Loewe s. Gastroenteritis.
Lokalanästhesie s. Empfindungslosigkeit.
London s. England. |
Lothringen. — Aus französisch — 138. i
Ludwig, 8. Gerichtsentscheidungen (Vcr-
schiedenes).
Ludwig in Habelschwerdt — Tierarzt — 104, I
324. Erklärung der Direktion Halensia. '
367. v |
Lüneburg s. Konfiskatbehälter. >
Luftdruck s. Magen wand
Luftsackentzttndung der Gänse. — Ansteckende
— v. Dr. Bugge. 616.
Luftsackerkrankungen. — Zur Kasuistik der —
v. Reimers. 203. Orig.-Art. v. Becker.
429.
Luftsackes. — Tympanitis des — v. Kettner.
147.
Lumbagin — Über die Wirkungen des —
547.
Lumbagins Raebiger. — Untersuchung des —
v. Dr. Hermans. 248.
Lunge 8. Brühwasser,
Lungenartcrien z. Thrombose.
Lungenbrustfcllcntzündung s. Ruhr.
Lungenchirurgie v. Prof. Friedrich. 869.
Lungendämpfigkeit s. Vergotinine.
Lungenentzündung s. Jodipin.
Lungenentzündungen des Rindes. — Bakterio¬
logische Untersuchungen über einige
chronische — v. Dr. Berger. 431.
Lungenseucho in Posen. 807.
Lungentuberkulose b. Tuberkulinanwendung.
Lungenwurmseuche v. Vacth. 6.
Luxation der Kniescheibe. — Zwei Fälle von
von Dr. Ziramermann. 220.
Lymphadenie des Labmagens und des Herzens
bei einem Ochsen v. Zietzschmann. 847.
Lymphdrttsen s.Tuberkelbazillen, Tuberkulose.
Lymphomatöse beim Hund. — Maligne — v.
Dr. Jakob. 247.
Lyon s. Frankreich.
Lysols. — Giftigkeit des — v. Korreng. 84.
Lysolvorabreicliung *. Kreaolansscheldung.
Hagen — Darmentzündung s. Haferwert.
Magendarmkatarrh der Kühe nach dem Ab¬
kalben. — Chronischer — Orig.-Art. v.
Janssen. 555.
Magen-Darrakatarrh bei Wiederkäuern in und
bei Otjimbingwa in Deutschsüdwestafrika
Februar 1907. — Seuchenhaftes Auftreten
von akutem — Orig.-Art. v. Hoerauf. 354.
Magenerweiterung der Pferde und ihre Be¬
handlung. — Die akute — v. Prof.
Dr. Marek. 96.
Mageninhalt in der Wurst. 728.
Magenwandungen des Pferdes gegen den
Luftdruck. — Über den Widerstandsgrad
der — v. Fayot und Gassend. 976.
Mainz s. Militärkonservenfabrik.
Malaria des Rindes. Idiopathische Milzruptur
des Rindes = malaria perniciosa des
Menschen. Orig.-Art. v. Witt. 625.
Mallein-Reaktion v. Dr. Mießner. 781.
Maina s. Karzinom.
Marburg. — Prof. Gerbers Berufung nach —
637.
Markthallen. — 24.
Markthallen. — Kühlanlagen in den — 573.
Malkmus. — Erklärung des Rektors und
Professorenkollegiums der Tierärztlichen
Hochschule Berlin auf einon Artikel des
Herrn Professor Dr. — v. Schmaltz. 251.
Marktkontrolle s. Fleischbeschau.
Marktmilch s. Milch.
Marktverkchr s. Milchgewinnung.
Massage in der Veterinärmedizin. — Zur An¬
wendung der — v. Dr. Goldbeck. 502.
Mastdarmzerreißung beim Pferd infolge Vor¬
falls mit Invagination. Orig.-Art. v.
Leowenthal. 54.
Mastitis s. Biersches Saugverfahren, Milch,
Streptococcenmastitis.
Mastviehausstellung in Stuttgart. 648; in
Hamburg. 262.
Matur s. Tagesgeschichte (Tierärztl. Lehr¬
anstalten [Promotion]).
Mauke s. Schlempemauke.
Mauke der Pferde. — Seuchonhaftc — v. Ko-
vanyi. 235.
Maul- und Klauenseuche s. Bosanat, Einfuhr¬
verbot, Löffler, Statistik s. d. Länder¬
namen, Viebhandel.
XVIII
Maul- und Klauenseuche in China v. Pfeiffer.
444; in England. 420; in Schottland. 464.
Maul- und Klauenseuche. — Die neuere Art
der Bekämpfung der — Orig.-Art. v.
Leistikow. 372.
Maul- und Klauenseuche mit Collargol. —
Behandlung der — v. Barabäs. 32.
Maul- und Klauenseuchebekämpfung. 701.
Maul- und Klauenseuche. — Pseudo- —
v. Dr. Kantorowicz. 31.
Maultier s. Impfung.
Maus s. Streptococcenepidemie.
Mecklenburg-Schwerin: Die neue Mecklen¬
burgische Taxe für Tierärzte v. Teetz. 248.
— Abdeckereiverhältnisse. 330. — Rausch-
brand in Mecklenburg. 420. — Verordnung
betreffend die Trichinenschau. 493. —
Gründung eines Kollegenabends in Rostock.
913. — Tierarzt Zschiescbe in Rostock
zum Dr. phil. summa cum laude promo¬
viert 913.
Medizinalbeamten. — Neufestsetzung der Ge¬
bühren der — 803.
Medizinalkollegium s. Säuglingsornährung.
Mehl s. Tierkörpermehl.
Meiereibranche. — Verdienst in der — 944.
Meiereiwesen. — Tierärzte im — 364.
Meineid s. Gerichtsentscheidungen.
Melanosis maculosa der Kalbslunge. Orig.-
Art. v. Leeb. 357.
Memoiren des Generals der Artillerie Prinzen
Hohenlohe-Ingelfingen. 11. v. Lührs 380.
414. Anmerk. v. Schmaltz. 414.
Meningo-Enzephalitis beim Hund. — Diffuse
subakute — v. Marchand, Petit und
Pöcard. 517.
Mensch s. Bißverletzung.
Mensch in Vergangenheit und Gegenwart. —
Der primitive — v. Prof. Klaatsch. 868.
Menschen. — Schweinerotlauf beim — 420.
v. Röder. 656.
Metallverschlußknopf auf langem, biegbarem,
vernickeltem Kupferstab nach Hoffmann.
461.
Metatarsus beim Zebu. — Geheilte Fraktur
des linken — v. Dr. Jakob. 584.
Mikroorganismen s. Bindehautsack.
Milch s. Anthrax, Kindermilch, Kindermilch¬
produktion, Kreismolkereiinspektor, Per¬
oxydasen, Rindertuberkulose, Strepto¬
coccenmilch. — Die deutsche Milchwirt¬
schaft und die Tierärzte v. Prof. Glage.
21. — Milchwirtschaft und die Be¬
kämpfung der Rindertuberkulose v. Prof.
Dr. Ostertag. 42. — Gutachten Pros-
kauers über die dänische Milch. 43. —
Milchknappheit in London. 140. — Bak¬
teriologische Milchuntersuchungen in
Leipzig. 140. — Entscheidungen des
Strafsenates in Milchangelegenheiten. 140.
— Opposition gegen ärztliche und tier¬
ärztliche Aufsicht in der Milchkontrolle.
140. — Überwachung der Milcbgewinnung
und des Milchverkehrs v. Simon. 226. —
Milchkontrollvereine. 263. — Schwedische
Milch in Berlin. 718. — Milchunter¬
suchung. 728. — Trommsdorffsches Leuko¬
zytenverfahren. 728. — Gesundheits¬
schädlichkeit der Milch der an Mastitis
erkrankten Tiere. 728. — Die derzeitige
Regelungjier Milchkontrolle im Vereins¬
bezirk v. Dr. Meyer. 827. — Blutige Be¬
schaffenheit der Milch v. Zietzschmann. 848.
— Tätigkeit des Tierarztes in der Milch¬
hygiene. 854. — Tierärzte u. Milchkontrolle
v. Meßner. 646. - Milcheiterprobe s.Tromms-
dorff. — Übertragung von Typhus durch
die Milch. 942. — Studien über die
sogenannte sterilisierte Milch des Handels
v. Kneisel. 942. — Milchkontrolle in New-
York. 943. — Milchverbrauch der Welt.
943. — Einfuhr von Milch und Milch¬
erzeugnissen nach Deutschland im Jahre
1907. 943. — Milchkannen aus Papier.
944. — Milchersatz bei der Kälberaufzucht.
944. — Abgeschaffte Milchsteuer. 944. —
Beförderung von Milch auf der Eisen¬
bahn. 944. — Ultraviolettes Licht beim
Sterilisieren von Milch. 944. — Tierärzt¬
liche Kontrolle der Marktmilch. 263. —
Milchkontrolle in der Mark Brandenburg.
263. 334. — Milchuntersuchungen in
Leipzig. 263 — Errichtung eines Muster¬
stalles zur Gewinnung von Milch für die
städtische Säuglingsmilchküche in Dort¬
mund. 263. — Herstellung einer Säug¬
lingsmilch aus Kuhmilch. 263. — Her¬
stellung löslicher Trockenmilch. 263. —
Milchmerkblatt des Kaiserl. Gesundheits¬
amts. 264. — Milchwirtschaftlicher Kon¬
greß. 264. — Milchhygiene und Milch¬
untersuchung v. Prof. Dr. Ostertag. 320. —
Milchgewinnung und der Verkehr mit
Milch vom Standpunkt der öffentlichen
Gesundheitspflege v. Schlitzberger. 471.
— Chamer Milchgesellschaft. 494. —
Einfluß der Milchgenossenschaften auf den
Rindviehbestand v. Ujhelyi. 607. —
IV. internationaler Kongreß für Milch¬
wirtschaft. 648. — Milchwirtschaftlicher
Weltverband in Ungarn. 648. — Das
Verfüttern von Milch- und Molkereirück¬
ständen an das Vieh der Sammelmolkerei¬
inhaber ist nur unter gleicher Bedingung
gestattet. 701.
Milch a. Walflachmilch.
Milchandrang s Antipyrin.
Milchdifferentierung, — über biologische. v. Bauer.
360.
Milchgewinnung und des Marktverkehrs mit
Nahrungsmitteln. — Überwachung der —
v. Dr. Marschner. 964.
Milchhygiene an den tierärztlichen Hoch¬
schulen. — Lehrstuhl für — 91.
Milchkühen. — Fütterungsversuche mit — v.
Dr. Hansen. 943.
Milchkuh s. Krämpfe.
Milchproben für analytische Zwecke. —
Konservierung der — v. Prof. Dr.
Windisch. 944.
Milchproduktion s. Nahrungsfett.
Milchsekretion. — Einfluß der Tuberkulin¬
probe auf die — v. Gillilauded und
Coruman. 943.
Milchwirtschaft in Württemberg. — Ertrag
der — 944.
Militärkonservenfabrik in Mainz. — Schlach¬
tungen in der — 439.
Militär-Lehrschmiede s. Jahresbericht.
Militärpferd s. Haftpflicht.
Militärverwaltung s. Brust- und Rotlaufseuche.
Militärveterinärakademie. 172.
Militärveterinäraspiranten s. Tagesgeschichte
(Militärveterinäre).
Militärveterinärlaufbahn. — Eintritt in die —
410.
Militärveterinärordnung. 411; Deckblätter zur
— v. Schmaltz. 534.
Militärveterinär-Reorganisation. — Vorschläge
für die — 657.
Militärveterinär-Reorganisation. 799.
Militaria. 482. s. a. Tagesgeschichte (Militär-
veterinäre).
Mlllons Reagens r. Eiter.
Milzbrand s. Antrax.
Milzbrand und Notschlachtungen (Ministerial-
Erlaß). 329.
Milzbrand nach Prof. Sobernheim. — Schutz-,
Not- und Heilimpfung gegen — Orig.-Art.
v. Moritz. 694.
Milzbrand in der Schlachthalle. 837.
Milzbrand beim Schwein. Orig.-Art. v. Leeb.
176; v. Dr. Wyßmann. 83.
Milzbrand in China v. Pfeiffer. 446.
Milzbrandbazillen. — Kapselbildung von — v. Rail. 3t>0.
Milzbrandbehandlung und „Impfung und
Kadaverbeseitigung“. — Mitteilungen über
- 8.
Milzbrandes. — Übertragung des — 41.
Milzbrandentschädigung 939.
Milzbrandes in Sachsen. — Ansteigen iui
Auftreten des — 377.
Milzbrandes beim Menschen. — Über die Serumbehand¬
lung des — v. Laewen. 864.
Milzbrandkrank s. Sobernheimsches Serum.
Milzbrandtibertragung in Gerbereien. 195.
Milzbrandübertragung durch Leder. 195.
Milzbrandvirus. — Über Varietiten des abgescbw&ehten —
v. Prelsz. 697.
Milz- und Rauschbrandes durch Schutz¬
impfungen. — Die Bekämpfung des —
Orig.-Art v. Dr. Warringsholz. 93.
Milzruptur s. Malaria.
Milzteilung. — Eigenartige — v. Leeb. 877.
Mineralstoffe s. Kalk.
Minimaltarif. — Vereinbarungen betreffend
einen tierärztlichen — v. Preuße 712.
Ministerialverfügungen: 155. 186. 187.
329. 330. 360. 489. 489. 490. 494. 508.
642. 647. 701. 727. 804. 806. 838. 940. 963;
s. a. Jahresberichte.
Mischinfektion s. Schweinepest.
Mißbildung beim Kalb. Orig.-Art. v. Leeb 843.
Mißbildungen: s.Akanthom,Darmanhängsel,
Doppelmißbildung, Geschlechtsorgane,
Hämatocystis, Hufknorpelfesselbeinband,
Knochonneubildungen, Schieferzähne,
Schleimverhaltung, Verknöcherung.
Mißbrauch s. Brauch.
Mißstände 8. Erklärung, Fleisch.
Mitteilung s. Landwirtschaftsgesellschaft,
Schweinepest.
Mitteilung betr. eine Erwiderung, v. Dr. Gold¬
beck 691.
Mitteilung. — Vorläufige — 318. v. Dr. Richter
954.
Mitteilungen s. a. Praxis.
Mitteilungen. — Kleine — 75. 272. 305. 585.
913. 963.
Mitteilungen aus den Berichten der sächsischen
Bezirkstierärzte, v. Prof. Dr. Edelmann.
679. 847.
Mitteilungen aus den Berichten der Bezirks-
tierärzte auf daB Jahr 1906. v. Professor
Dr. Edelmann. 377.
XIX
Mitteilungen auB der chirurgischen Klinik der
Reichstierarzneiscbule in Utrecht, v. Prof.
Schimmel. 84.
Mitteilungen aus der tierärztlichen Praxis. 412.
Mittelmeerfahrten. — Vereinigung für deutsche
— 227. 824. 415.
Molkereigenossenschaft s. Rindertuberkulose.
Molkereigenossenschaften auf die Viehzucht.
— Der Einfluß der — v. Prof. Dr. Hansen.
944.
Molkereirückstände s. Milch.
Monopolisierung des Fleischhandels in der
Kapkolonie. 494.
Morbicid, ein neues Desinft ktiousniittol v. Töpfer. t&7.
Morbus maculosus. — Quadricepslähmung bei
— v. Dr. Vogel. 597.
Morbus maculosus beim Rind v. Dörrwächter.
863.
Morphium s. Atropiu.
Morphiums bei Hunden. — Zur Toxikologie
des — Orig.-Art. v. Dr. Goldberger. 429.
Morphologie s. Säugetierleber.
Motorballon und Flugmaschinen v. Parseval.
868 .
Mückenstiche. — Vergiftung durch — Orig.-
Art. v. Wigand. 858.
M tinchen: s. a Bayern, Milchkontrolle, Tages¬
geschichte (Tierärztl. Lehranstalten). —
Ballfest des S. C. in München. 186. —
Geheimrat Prof. Dr. Karl v. Voit in
München geBtorben. 186. — Rennsieg
der Tierarztes Volkmann. 367. — Die
Tierärztliche Hochschule zu München in
der bayerischen Kammer der Abgeordneten.
507.
Muskeltrichinose. — Untersuchungen über die
Immunität der Vögel gegen die — von
Höyberg. 178.
Muskulatur s Echinococcus.
Musterstall s. Milch.
Myokarditen beim Pferd. — Über die Be¬
handlung der pneumonischen — v. Prof.
Cadiot. 558.
Myokarditis infolge Druse. — Akute — von
Zschokke. 30.
Nabelbruch. — Mittelst Alkohol-Injektionen
geheilter — v. Dr. Zimmermann. 754.
Nabelgegend s. Eiterung.
Nachgeburt bei der Kuh. — Das Zurückhalten
der — v. Hermanns. 545.
Nachklänge s. Standesvertretung.
Nachkrankheiten 8. Schweinerotlauf.
Nachrichten s.Tagesgeschichte(V erschiedenes).
Nachrufe s. TagesgeBgeschichte (Persönliches).
Nadel im Unken Bronchus. ▼. Dr. r. Scbröttcr. 345.
Nährboden s. Gonococcen.
Nährboden s. Gonococcen, Perlbydrosomllchagar.
Nageltritt 462 s. a. Hyperostose.
Nabrungsfettes auf die Milchproduktion der
Kühe. — Neue Untersuchungen über die
Wirkung des — v. Prof. Albrecht. 220.
Nahrungsmittel 8. Milchgewinnung.
Nahrungsmittelanstalten. — Verzeichnis der —
263.
Nahrungsmittelchemiker. — Ausbildung der —
935.
Nahrungsmittelchemiker — Verband ge¬
prüfter — 139.
Nahrungsmittelchepiker. — Freie Vereinigung
Deutscher —*415.
Nahrungsmittelfabrikanten und Händler. — i
Versammlung des Bundes deutscher —
941.
Nahrungsmittelgesetze. — Verurteilungen
wegen Vergehens gegen die — 423.
Nahrungsmitteikonsenderung. 438.
Nahrungsmittelkontrolle: 45. 91. 140.
206. 262. 263. 264. 423. 438. 438. 439.
573. 574. 647. 728. 816. 837. 854. 941. -
Nahrungsmittelkontrolle im Reichstage.
263.
Nahrungsmittelkunde und außerordentliche
Fleischbeschau als besonderer Lehrgegen¬
stand der tierärztlichen Hochschulen. —
Die animalische — v. Borchmann 91; in
Württemberg. 854
Nahrungsmitteln. — Feilhalten von ver¬
dorbenen — 816. Erwiderung v. Dr.
Dönecke. 941.
Nahrungsmitteln in den Verein. Staaten. —
Färben von — 728.
Nahrungsmittelproben.— Entnahme von —573.
Nahrungsmitteluntersuchung für elf Kreise
des Reg.-Bez. Breslau auf das chemische
Untersuchungsamt — Übernahme der —
140.
Nahrungsmitteluntersuchungsanstalt in Köln.
— Öffentlieho — 45.
Nahrungsmitteluntersuchungsanstalten. 262.
Nahrungswert s. Fleisch.
Nancy s. a. Gerichtsentscheidungen.
Nancy. — Teuerungsgehaltserhöhungen in —
139.
Narbenbildung s. Wundbeilung.
Nasenbremse. — Eine neue — Orig.-Art.
v. Kyl6n. 285.
Nasenstenose beim Pferd. — Akute — v.
Zschokke. 31.
Nasentumoren beim Pferd v. Prof. Dr. Kärn-
bach. 92.
Nassau s. Tierzucht.
Natron 8. Tuberkulose-Toxin.
Naturforschende Gesellschaft zu Görlitz,
Veterinär - medizinische Sektion. 172.
II. Wintersitzung. 365. 456. 701.
Naturforscherversammlung. 296. 311. 398. 685.
686. 759. 772. 788. 801. 834. 853. 868.
883. 909. 984.
Nebennieren 8. Hypertrophie, Neoplasmen,
Struma.
Negrischen Tollwutkörperchen. — Über die
ätiologische und diagnostische Bedeutung
der — v. Dr. Standfuß. 503.
Nekrose bei den Kanarienvögeln. — Die
infektiöse — v. Dr. Mießner und Dr.
Schern. 617.
Neoplasmen in den Nebennieren und acces-
sorischen Nebennieren beim Rind. Orig.-
Art v. Prof. Dr. Schlegel. 777. 794. 821.
Nephritis des Schweines. — Untersuchungen
über die hämatogene — v. Degen. 548.
Nervenfasern. — Die Entwicklung der peri- !
pheren — v. Lenhossäk. 390.
Nervus opticus s. Augenbogen.
Neubildung s. Taube.
Neugeborenen s. a. Enteriten.
Neugeborenen. — Über die Behandlung von (
scheintoten — v. Prof. Moussü. 377.
Neurektomie und ihre Folgen v. Bürgi. 598.
Neurektomie in der tierärztlichen Praxis v.
Dr. Peter. 773.
Neurotoxine in der Auslösung epileptischer
Krampfanfälle. — Die Rolle der — von
Dr. Donäth. 955.
Neuß. — Ernennung des Dr. D’heil zuin
Schlachthofdirektor in Neuß a. Rh. 590.
New York s. Amerika.
Niederlande: Maul- und Klauenseuche in
Holland. 21. — Mitteilungen aus der
chirurgischen Klinik der Reichstierarznei¬
schule in Utrecht, v. Prof. Schimmel. 84.
— Einfuhrverbot wegen Maul- und Klauen¬
seuche. 330. — Seuchennachrichten. 991.
Niederlassung. — Erbetener Nachweis zur —
804.
Niere s. Tuberkulose, Urämie.
Nierenabszeß mit dicker Kapsel bei einer
Ziege v. Reichert. 517.
Nierenerkrankungen des Schafes. — Beiträge
zur Kenntnis der chronischen — v. Horn.
534.
Nocards. — Dem Andenken — 222.
Nordsee. — Austernfang in der — 574.
Norwegen: Enteritis chronica pseudo-
tuberculosa bovis oder die „Johnesche
Seuche“ konstatiert in Norwegen. v.Homc.
235. — Seuchennachrichten. 992.
Notizen. — Klinische — v. Zschokke. 30.
Notizen. — Literarische — 351. s. a. Bücher¬
besprechungen.
NotBchlachtung s. a. Fleischbeschau, Peritonitis
Notschlachtungen. 727; s. Milzbrand.
Notschlachtungen mit Bezug auf die Fleisch¬
vergiftungen v. Gtttzlaff. 134.
Novokains in der Veterinärmedizin. — Ex¬
perimentelle Untersuchungen und klinische
Erfahrungen über die Verwendbarkeit
des — v. Fehse 342.
Nürnberg s. Tierseuchenflugblatt.
Nutzgeflügelzucht in Bayern. — Die Hebung
der — 613.
Nystagmus mixtus suis v. Gruß. 431.
Nystagmus oscillatorius v. Dr. Vogel. 597.
Oberamtstierärzte s. Jahresberichte.
Oberlehrerlaufbahn in Preußen 539.
| Obermeyer s. Spirillum.
j Ochse s. Facialislähmung, Lymphadenie, Rind.
Öffentlichkeit s. Tierärzte.
i Ölsaures Natron s. Tuberkulose-Toxin.
Ülseifeninjektionen. — Subkutane — v. Dr. Zeunur. 31t».
Österreich-Ungarn: s. a. Wien. — Ge¬
schichte des Militärveterinärwesens in
Österreich-Ungarn v. Dr. Goldbeck. 204.
— Doktorat an den Tierärztlichen Hoch¬
schulen Österreichs. 212. 756; v. Schmaltz.
786. 878. — Die Tierärztliche Hochschule
im österreichischen Abgeordnotenhause.
295. — Parlamentarische Studienreise auf
österreichischen Viehmärkten. 332. —
Aufblühen der österreichischen tierärzt¬
lichen Hochschulen v. Schmaltz. 878. —
Seuchennachrichten. 991.
Ohrläppchens aur Tuberkulose. — Über das Verhältnis
des — v. Rossolimo. 766.
Oldenburg: Oldenburgisches Schlachthaus-
gesetz. 195. 569. — Fleischbeschau bei
Hausschlachtungen. 647. — Hengstkörung
und Hengstmarkt am 28., 29. und 30. Januar
1909 in Oldenburg i. Gr. 914.
Oleum Ricini bei den Haustieren. — über die
Anwendung des — v, Dr. Bruns. 584.
XX
Operationen s. Bauchoperation, Besitzrecht,
Dünndarmeinschnürung, Kastration, Kolik¬
therapie, Laparotomie, Nabelbruch,
Punktion, Sehnenscheide, Tcnotomie.
Operationstisch für kleinere Haustiere. — Be¬
merkungen zu Prof. Dexlers. Orig.-Art.
v. Dr. Freund. 729.
Operationstisch für große Haustiere nach
Dexlcr. Orig.-Art. von Dr. Freund. 761.
Ophthalmoreaktion s. Tuberkulosediagnosc.
Ophthalmoreaktion hei Rotz. Orig.-Art. von
Wladimiroff. 50.
Ophthalmoreaktion bei Rotz. — Die Kuti- u. —
v. Dietrich. 848.
Ojdithalmo — und Ktttaudiagnose der Tuberkulose,
v. Wolft-Eianer. 504.
Ophthalrao- und Kutanreaktion bei Rinder¬
tuberkulose v. Dr. Gartb, Dr. Kranich und
Grttnert. 478. 848.
Ophthalmo- und Kutireaktion bei Tuberkulose.
— Beitrag zum diagnostischen Wert der —
Papagei s. Gehörorgan,
j Papier. — Milchkannen aus — 944.
Papillen der Zunge der Haussilugetiere. —
IHermechanisch wirkenden — v.Dr. Immisch.;
666. j
Paijueliu. — Automatischer — v. Xeuiuann. 681. j
Paralysis bulbaris infektiosa bei Ratten v. !
! Baiäs. 599. !
Parasiten. — Planzliche -- 462. I
| Parasiten im Rlnte. Beitrag zum Nachweis von - |
v. Steubli 956. \
Parasiteneiern in den Fäces. Eine Methode zur Er- I
j lelchterung der Auffindung von v. Telmanii. 650. !
Paratoxin, ein neues Tuberkulosemittel v.
I Gerard und Lemoine 272.
i Paratyphus. 816.
j Paratyphus B-Gruppe in der Außenwelt. —
Über das Vorkommen von Bakterien der
■ 784 — v. Uhlenhuth und Hiibener. — 784.
Paratyphus B — als Krankheitserreger bei
Kälbern. — Der Bazillus — von Dr. Schmitt
788. |
v. Gratz. 849. I
Ophthalmoreaktion. — Versuche mit — Vor¬
läufige Mitteilung v. Sahner. 318; von
Dr. Wülfel. 318.
(»phthalmoreaklion boi Typhus abdominalis. — über j
den diagnostischen Wert der — v. Dr. Orszag, 345. j
— v. Dr. Schnitz. 346. — v. .Siegrist 845. j
o.dum s. Atropin.
Opsonine in der modernen Therapie. Von j
Dr. Piorkowski. 272. j
Opsonine und Bakteriotropine, sowie ihre j
Bedeutung, für die Veterinärmedizin. Von !
Dr. Mießner. 618. |
Opsoninmethode v. Raebiger. 831.
Opsonische Technik v. Strubeil. 465.
Opsonischen Index. — Die praktische Verwertbarkeit
des — v. Saathoff. 8P3.
Opsonischer Index und Tuberkulose. Von.
Dr. Turban u. Dr. Beer. 737.
Opsonischer Index s. a. Pneumothorax,.
Opsonisches Laboratorium s. Tagesgeschichte
(Tierärztl. Lehranstalten).
Optimismus. — Tierärztlicher — v. Haupt.
561. 606.
Ordensverleihungen s. Tagesgeschichte. (Per¬
sönliches [Ordensverleihungen].)
Ordnung s. Schlachthof.
Ordnungsstrafe s. Gerichtsentscheidungen.
Ortsgesundheits-Kommissionen. — Über die
Mitwirkung der Tierärzte in den — v. j
Meier. 44. |
Osteo-Arthriten. — Über die — v. Gadäac. 925.!
Osmotische Gleichgewicht im tierischen Or
ganismus. Die Rolle des Kochsalzes.
— Über das — v. Porcher. 269.
Osteofibrom am Unterkiefer eines Hengst¬
fohlens v. Prof. Schimmel. 84.
Osterode s Schlachthofdirektorstelle.
Ostertag 8. a. Tuberkulosetilgung. !
Ostertag-Feier. 91. 225. 296.
Ostfrankreich s. Säuglingsmilchanstalten. I
Ostium pulmonale s. Stenose. I
Paratyphusbazillus. 492.
Paris 8. Frankreich. j
Patentierungen. — Neuere — 263. j
Pauschale. 75. j
Pauschalierung s.a.Kreistierarztreform. Tages-1
geschichto (Arzt).
Pauschalierungder Reisekosten undTagegelder
der Kreistierärzte v. Träger. 167.
Penis s Kondylom. j
Pensionierung s. Tagesgeschichte (Person -1
liebes). |
Perhydrasein ilch&gat. — Ein neuer Baktericnuährboden !
v. Fracnkel und Mucb. 346.
Perikard s. Punktion. ;
Perikarditis s. a. Glottisödem.
Perikarditis. — Bemerkungen über die Punk- !
tion des Perikards bei der traumatischen
— v. Liänaux. 678.
Perikarditis. — Eine interessante Ursache
der traumatischen — v. Glage. 32.
Periostknochenreflexe s. Sehnen.
Peritonitis des Rindes und die Fleischbeschau
bei eigetretener Notschlachtung. — Die
traumatische partielle — v. Dr. Männer. 462.
Peroxydasen. Orig.-Art. v. Schellhase. 723.
Persönliches s. Tagesgeschichte.
Personalien s. Tagesgeschichte (Persönliches |
Tierärztl. Lehranstalten).
Petersburg s. Rußland.
Petition s. Kreistierarztreform.
Petition der preußischen Kreistierärzte be¬
treffend § 2 des Viehseuchengesetzes. : 52.
Petroleum zur Denaturierung des Fleisches.
494.
Pferd s. Acaru8milben, Akanthom, Anämie,
Aneurysma, Arbeitspferd, Arthritis, At-
lnungsphänomen, Bauehbruch, Beinbruch,
Beugesehnenveränderungen, Bindehaut¬
sack, Blasensteinbildung, Blutkörperchen,
Bornasche Krankheit, Brechweinstein¬
vergiftung, Brustseuche, Brust- und Rot-
ll«Mlcndegcneration,Ilorn8äule,llufkuorpel-
fistel, Hyperämie, Hyperostose, Influenza.
Insektenplage, Jahresbericht, Jodipin,
Karzinomatose, Kniegelenksentzündung,
Knochen, Knochenbrnch, Kolik, Kolon¬
verdrehung, Kondylom, Kopfkraukheit,
Koppen, Lappentransplantation, Leber¬
egel, Magenerweiterung, Magenwandungen.
Mastdarmzerreißung, Mauke, Myokarditen,
Myokarditis, Nageltritt, Nasenstenose,
Nasentumoren, Neoplasmen, Ophthalmo¬
reaktion, Osteofibrom, Parasiten, Pyämie,
Rauschbrand, Rostpilz, Rotz, Samenfäden,
Schale, Scheinzwitter, Schlempemaukc,
Schlundkopflähmung, Schlundruptur,
Schweinepest, Sedimentanhäufung, Seh¬
nenscheide, Sehnen- und Periostknochcn-
reflexe, Septikämie, Stätigkeit, Stollbeule,
Synovektomie, Thrombose, Tragbahre,
Tuberkulose, Vererbung, Verknöcherung,
Vorderschenkel, Windkolik, Wirbelsäule,
Wundstarrkrampf, Wurfzeug, Zungen-
ödem, Zwerchfellkrampf.
Pferde-Antiserum 728.
Pferdebesitzer s. Haftpflicht.
Pferdedärme s. Wursthüllen.
Pferdefleisch. — Vergleichende Untersuch
ungen über die praktische Verwertbarkeit
der Präzipitiureaktion und der Komple-
mentbindungsmethode zum Nachweis von
— v. Weidanz und Borchmann. 682.
Pferdefleisch. — Technik und Methodik des
biologischen Verfahrens zum Nachweis
von — v. Uhlenhuth, Weidanz und Wedc-
mann. 682.
Pferdefleisch. — Verfügung betreffend den
biologischen Nachweis von — 940.
Pferdefleischnachweis durch die Präzipitiu-
methode. 139.
Pferdc-Influenza s. Anzeigepflicht.
Pferdelungen s. Knötchen.
Pferdeohr s. Akanthom.
Pferdeschutz. — Internationale Ausstellung
für - 187.
Pferdeseuche. — Eine eigenartige — von
Kremell. 798.
Pferdeversicherungsanstalt s. Versicherungs¬
wesen.
Pferdezucht. — Teilnahme der Tierärzte an
der — von Matthiesen. 801.
Pferdezucht-Kommission. — Landes- — 107.
Pferdzuehtverein. — Rheinischer. 240.
Pflngstreise 1908. 383.
Pflanzen. — »Serumanfnabme durch — 585.
Pfortader bei einer Kuh. — Thrombose der -
v. Göhre. 848.
Pfuscher s.WundstarrkrampfjTagesgcsehichtc,
(Pfuscherei)
Phagozytose. — Über die Ursachen der -
v. Neufcld. 681.
Phagozytose und der Herkunft des Komple-
Ostpreußen s. Beschälseuche. laufseuche, OhloralhydratiDjektionen, ments. - Beitrag zur Kenntnis der v.
Otjimbingwa s. Magen-Darmkatarrh. ' Dämpfigkeit, Digalen, Druse, Drnseabszeß, Neufeld. 681.
Dünndarmeinschnürung, Echinococcus, Phalangen s. Hyperostose.
Pankreaskonkremente. — Zur Kenntnis der — Euterrotz, Fesselbeinbeuger, Fcsselbein- Pharmazeut. Institut Gans s. Hundestaupe*
v. Dr. Bergholz. 670. fissuren,Fesselbeinfraktur,Filariapapillosa, serum, Impfstoffe.
Pankreassekrete* aus dem Magen und ihre diagnostische Fohlenlähme, Funiculitis, Gehirn-Rücken- Phenyform. Orig.-Art. v. Espert. 473.
Verwertbarkeit. — Die Gewinnung des — v. Lcwinski. * . . , . .
698. marksentzündung, Gestütspferde, Glandula Phenyform, ein neues Desinfektionsmittel v.
Pansenlähmuug infolge reichlicher Aufnahme thyreoidea, Granulom, Haferwert, Haft- Dr. Lemke. 680.
von Sand. v. Guhrauer. 927. pflicht, Harnröhrenstein, Harnstein, Hengst, Phlegmone. — Abszedierende, periproktale
Panpppleere v. Frasch. 430, Herpes tonsurans, Herzklappendehnung, | v. Bülling. 7.
XXI
PhoBphorvergiftung bei Hühnern. (>15.
Photographie s. Autochromplatte, Farben¬
photographie.
Pillen s Lageman.
Pillen- und Eingußapparat, ein neues In¬
strument. Orig.-Art. Dr. Zimmermann. 556.
Pilocarpin. — Die Wirkungsweise des — v.
Prof. Dr. Ginelin. 782.
Pilze. — Giftige — 495.
Pinguineneier. 574.
Piorkowski s. Hundestaupeserum.
Piroplasma canis in the tick. — Preliminary
note on the development of — von
Christophers. 287. j
Piroplasma canis im Bezirk Usambara in
Deutsch-Ostafrika v. Leupold. 286.
1 Preisausschreiben. — Koloniales -- 186.
Preisausschreiben für Schlachthausballten. 728.
Preisfeststellung beim Schlachtvieh. — Reichs¬
gesetz betreffend — 837.
Preistafeln. 494.
j Preistafeln in Gera vor Gericht. — Die Ver-
• Ordnung betr. Aushängen von — 24. 196;
in Leipzig. 196. 260.
Pressebureau. — Begründung eines tierärzt¬
lichen — v. Schmaltz. 799; v. Dr. Foth.
835; Erwiderung v. Schmaltz. 851; Er¬
widerung v. Dr. Foth. 865; Schlu߬
bemerkung v. Schmaltz. 866. 960.
Pressebureall. — Beschluß der Veterinär¬
beamten des Reg.-Bez. Schleswig über
das — 985.
PriifungsbeBtimmungon s. Tagesgeschichte
(Ärzte und Universitäten und tierärztliche
Lehranstalten).
Pseudohermaphroditismus masculinus. — Bei¬
trag zur Kenntnis des — v. Feuereißen.
203.
Pseudo - Maul- und -Klauenseuche v. Dr.
Kantorowicz. 31.
Pseudotuberkulosis s. Enteritis.
Pseudotuberkulose der Schafe und der Über¬
tragungsfähigkeit auf andere Tier¬
gattungen. — Experimentelle Unter¬
suchungen betreffend die bazilläre —
v. Noack. 632.
Ptomaino s. Tierkörpermehle.
Punktion s. Pericarditis.
Piroplasmose bei ostafrikanischen Ziegen v.
Panse. 286.
PiroplasmoBis der Schafe v. Dr. Frosch u.
Nevermann. 610. 817.
Piroplasmosis der Schafe und ihre Beziehung j
zur sog. Bradsot der Schafe. Orig.-Art. i
v. Sonnenberg. 609; Erwiderung v. Dr.
Mießner. 779.
Plattenhufeisen s. Hufbeschlag.
Pleß s. Stadtverordneten.
Pleuritis s Pyämie.
Pleuroperitonitis des Geflügels v. Guittard. 616.
Pneumektomia s. Pneumotoraia.
Pneumokoniosen. — Der Ursprung der - v. Ruata. 769.
Pneumonie s. Kälbersterben, Myokarditen.
Pneumonie s. Bacillus rituliscpticua.
Pneumonie der Kälber. — Prüfungen über Mono- oder
1‘olyvalenz der Sera gegen die infektiöse. 633.
Pneumonie eiues Königstiegers (Bacillus pneumoniae
tigris). — Der Erreger der — v. Marx. 697.
Pneumothorax und opsonischer Index. — Künstlicher —
v. PIpper. 604.
Pneumotomia und der Pnenmektomia bei
Hunden. — Experimente über die Indi- j
kationen der — v. Pausini. 202. i
Pökeln. — Vorschriften für das — 439.
Pökelprozesses. — Wissenschaftliche Erfor¬
schung des — 439.
Polizeiverordnung s. Verordnung.
Polynenritis der Hühner v. Kellermann. 178.
Polizeibeamte s. Tierschutzlehrstunden.
Polizeitierärzte s. Abgeordnetenbaus.
Polizeitierärzte und Fleischkontrolle. 334.
Polizeiverordnung s. Betäubung.
Pommern. — Tierzuchtinspektoren in — 963.
Posen s. Geflügelcholera, Lungensenche.
Prämonitorisches Fieber s. Wut.
Präparate s. Demonstration.
Präputialblatt s. Kondylom.
Präputium der Haussäugetiere v. Dr. Krage.
668 .
Präzipitinmethode. — Pferdefleischnachweis
durch die — 139.
Präzipitinreaktion s. Pferdefleisch.
Praktisches Jahr v. Bischof. 309.
Praktischen Jahrs in Bayern. — Wiederein¬
führung des — 251. j
Pravazsche Nadel v. Hoffmann. 461.
Praxis s. a. Automobil.
Praxis — Aus der — v. Holterbach. 81. 876.
973; v. Dasch. 202; v. Train. 243; Be¬
richtigung dazu. 245; v. Zieger. 268; Be¬
richtigung. 302; v. Frascli. 430; v. Reichert.
516; v. Dr. Vogel. 596; s. a. Mitteilungen.
Praxis und Konkurrenzklausel. — Verkauf
der ärztlichen — 465.
Preis s. Kleinhandelspreise.
Preußen: s. a. Beamtenbesoldung, Be¬
soldungsvorlage, Deutschland, Jahres¬
veterinärberichte, Kreistierarztreform, Ost¬
preußen. Die Stellung der sächsischen
und preußischen beamteten Tierärzte
v. Schmaltz. 250. — Gehaltsaufbesserungen
in Preußen. 252. — Petition der prenßischen
Kreistierärzte gegen die Eingabe des Ver¬
bandes der Privattierärzte. 252. — Ver¬
fügung betr. Schafräude in Preußen. 258.
— Gesuch des Vereins beamteter Tier¬
ärzte Preußens um Erlangung der Stimm¬
berechtigung bei den Hengstkörnngen.
320; Erwiderung. 321. — Influenza unter
den Pferden der Zivilbevölkerung in
Preußen. 330. — Brust- und Rotlaufseuche
unter den Pferden der Militärverwaltung.
330. — Einführung der Pauschalierung in
Preußen v. Schmaltz. 350. — Erweiterung j
des Promotionsrechts in Preußen. 396. — I
Ergebnisse der Schlachtvieh- und Fleisch¬
beschau bei Schlachtungen im preußischen
Staate für das Jahr 1906. 421. 423; 1905.
642. — Oberlehrerlaufbahn in Preußen. 539.
— Hausschlachtungen in Preußen. 572. —
Viehzählung in Preußen. 701. 913. — Die
im Jahre 1907 in Preußen zur amtlichen
Kenntnis gelangten Bißverletzungen durch
tolle oder der Tollwut verdächtige Tiere
807. — Kleinhandelspreise von Fleisch
in Preußen. 837. — Wohnungsgeldzuschuß
und Steuerprivileg der Beamten in Preußen.
853. —•Tierärztekammern v. Schmaltz 864.
Prießnitzumschläge bei Kolik. — Heiße —
v. Grundmann. 977.
Privattierärzte s.a. Gesetze, Standes Vertretung,
Tagesgeschichte (Vereine).
Privattierärzte in der Fleischbeschau und die
Mittel zur Besserung. — Die Stellung
der — Orig.-Art. v. Meier. 8.
Probeschlachtungon zur Steuerveranlagung.
573.
Proctitis baemorrhagica bei Jungrindern,
v. Holterbacb. 81.
Professoren- und Naturforscherversammlung,
v. Schmaltz. 984.
Promotion s. Abgeordnetenhaus, Tages¬
geschichte (Tierärztliche Lehranstalten).
Proskauer s. Milch.
Proteid. 728.
Protest des Korps Holsatia. 92.
Protozoen. — Biologische Studien über
parasitische — v. Dr. Lindner. 123.
Protozoenkrankheiten. — Tropenhygiene und
Puro s. Fleischsaft.
Pyämie der Kaninchen. — Über eine mit
fibrinöser Pleuritis einhergehendc — von
Koppänyi. 518.
Pyämie bei der Stute — Puerperale — von
Pincimin. 977.
Quadricepslähmung bei Morbus maculosus.von
Dr. Vogel. 597.
Quarantäne s. Fleischerverband. Tuborkulosc-
| Statistik.
; Quecksilber s. Atoxyl.
j Quecksilber s. Atoxyl.
j Quecksilbervergiftung bei Kälbern. — Beitrag
i zur — Orig.-Art. v. Dr. Reiche. 475.
i
I Baebiger s. Gerichtsentscheidungen (Ver¬
schiedenes). Kälberruhrserum. Lumbagin.
Salbenspritze.
Räucherung der Brühwürstchen. 440.
Rasselgeräusche zu Lchrzvvockeu. Über künstlich
erzeugte — v. Hildebrandt. 698.
Rassen s. Spezialisierung.
Rassestall s. Kindermilchproduktion.
Ratin s. Trichinenkrankheit.
Ratinbazillua als RattenTertilgungainittel. — ▼. Xvlander.
606 .
Ratten s. Paralysis bulbaris. Trichinen¬
krankheit.
Rauschbrand s. a. Milzbrand.
Rauschbrand nach O. Thomas. — Ein Beitrag
zur Impfung gegen den — Orig.-Art. v.
Nissen. 925.
Rauschbrand in Mecklenburg. 420.
Rauschbrand beim Pferde vor? — Kommt —
v. Prof. Ostertag. 83.
Rauschbrand bei einem Schwein. Orig.-Art.
v. Willenberg. 734.
Rauschbranddiagnose. — Beitrag zur —
v. Dr. Warringsholz. 65.
Rauschbrandentschädigung. 939.
Rauschbrandfälle in Sachsen v. Eichhorn. 377.
Rauschbrandimpfstoif. — Über flüssigen —
v. Prof. Dr. Schnürer. 547.
Rauschbrandkrank s. Häute.
Reaktion s. Artverwandtschaft
Redaktionsnotizen: Literarische Notizen.
351. — Verzeichnis der Tierärzte ohne
Wohnortsangabe. 511. — Vakanz der
I. Assistentenstelle am physiol. Institut
der Tierärztl. Hochschule Berlin. 540. —
Mitteilung betr. eine Erwiderung v. Dr.
Goldbeck. 695. — Erbetener Nachweis
zur Niederlassung. 804. — Redaktionelle
Bitte v. Schmaltz. 913.
Redaktionswechsel der Zeitschrift „Der Tier-
— v. Dr. Sieber. 285.
arzt a . 186.
XXII
Rinderdärme. 494.
Rinderfinne. — Bekämpfung der — 494.
Rinderhausschlachtungen. — Beschauzwang
bei — 420.
Rotzbazillus. Untersuchungen über die
Agglutination des — v. Dr. Sustmann. 631.
Rotze«. Die Sclinellagglutination und ihre Verwendung
bei der Serodiaf noa>< des — v. Miefiner. 903.
Reform s. Viehhandel.
Reformgedanken. — Studentische — 523.
Reichsamt des Innern s. Fleischbeschau.
Reichsapothekengesetz s. Tagesgeschichte
(Apothekenwesen).
Reichsbeamten s. Tagesgeschichte (Militär-
veterinäre).
Reichsgesundheitsamt s. Milch.
Reichsland 195.
Reichsmilitärfiskus s. Haftpflicht
Reichstag 8. a. Gesetze, Lebendgewicht, Nah¬
rungsmittelkontrolle, Tierseuchengesetz,
Viehseuchengesetz, Viehseuchenkom-
mission.
Reichstag. — Eingabe des Deutschen Vete¬
rinärrats an den — 379.
Reichstagskommission ftlr das Tierseuchen-
geßetz. Von Krüger. 124.
Reichstierarzneischule s. Mitteilungen.
Reichstierseuchengesetz und Kreistierarzt von
Krüger. 72.
Reichsviehseuchengesetz s. Gesetze.
Reims s. Tuberkulöse Kuh.
Reinerz s. Schlesien.
Reisekosten s. Kreistierarztreform, Tagcs-
geschichte (Ärzte), Gebühren.
Reiten der Veterinäre. 57.
Relapsing Fever. — The part plaved by
pediculus corpories in the Transmission
of — v. Mackie. 582.
Rennsieg des Tierarztes Volkmann. 367.
Resektion s. Darmresektion.
Resolution des tierärztl. Vereins f. d. Reg.-
Bez. Merseburg. 414.
Resorption s. Tuberkolbazillen.
Renß j. L. s. Versicherungswesen.
Reuß-Greiz. — Schächtverbot in — 701.
Revision s. Gebühren.
Rezept und seine rechtlichen Folgen. — Ein
unleserliches — v. Voigt. 563.
Rheinprovinz. — Fleischbeschau bei Haus-
Bchlacbtungen in der — 647.
Richterbund. — Deutscher — 563.
Ricin 8. Oleum Ricini.
Riesenschmuggelprozeß. 856.
Rietzei s. Tagesgeschichte (Verschiedenes).
Rind s. Alkohol, Atheromathose, Bacillus
pyogenes, Bauchbrüche, Beschauzwang,
Bronchitis, Darmresektion, Eihäute, Eite¬
rung, Enteritis chronica, Euterentzündung,
Facialislähmung, Festliegen, Fruchtbarkeit,
Gebärparese, Geschlechtsorgane, Glottis-
ödem, Hämoglobinurie, Hirnhauttuber¬
kulose, Horn, Jungrind, Kalb, Kalt¬
wasseranwendung, Kehlkopftuberkulose,
Krämpfe, Krampf, Labmagenverstopfung,
Landespolizeiliche Anordnung, Leuko¬
zytose, Lungenentzündung, Lymphadenie,
Magendarmkatarrh, Malaria, Morbus macu-
losus, Neoplasma, Pericarditis, Peritonitis,
Proctitis hämorrhagica, Pseudo-Maul- und
Klauenseuche, Rostpilz, Sarkoptesräude,
Scheidenkatarrh, Schieferzähne, Starr¬
krampf, Stenose, Strabismus, Strepto¬
coccenmastitis, Tendinitis, Thrombose,
Torsio uteri, Trächtigkeit, Trypanosomata,
Tuberkelbazillen, Tuberkulinreaktion, Tu¬
berkulöse Kuh, Tuberkulose, Tuberkulose¬
diagnose, Tuberkulose - Schutzimpfver¬
fahren, Ulcus ventriculi, Uteruskarunkel,
Viehhandel, Wirbelsäule.
Rinderpest s. a. Cattle plaque.
Rinderpest in China v. Pfeiffer. 441.
Rinderseuche s. Wild.
Rindertransporte. — Gesundheitszeugnisse
für — 451.
Rindertuberkulose s. a. Milchwirtschaft, Oph¬
thalmoreaktion.
Rindertuberkulose. — Zur Bekämpfung der —
721; v. Dr. Müller. 988; in der Rheinprovinz
v. Krautstrunk. 789.
Rindertuberkulose ist auf die äußerlich er¬
kennbare Form zu beschränken — Die
Anzeigepflicht der — 253.
Rindertuberkulose. — Entschädigung bei
253.
Rindertuberkulose und die Mitwirkung der
Molkereigenossenschaften dabei. — Die |
Bekämpfung der — v. Dr. Müller. 259.
Rindviehbestand s. Milchgenossenschaften, i
Tuberkulose.
Rüntgenstrahlen auf den Hoden. — Über die anatomi¬
schen Wirkungen der - v. Herxheimcr und HofTmann
680.
Röntgenstrahlen in der Fleischbeschau. 195.
Röntgentherapie v. Kienböck. 869.
Rostock s. Mecklenburg-Schwerin.
Rostpilz 8. Hämoglobinämie.
Rostpilzbefallenen Futters. — Beobachtungen I
über Vergiftungsfälle bei Pferden, Rindern
und Schafen infolge Verftitterung — Orig.-
j Art. v. Dr. Müller. 541.
! Rothenburg. — Trichinenepedemie in — 647.
| Rotlauf der Schweine in Baden 1905 und 1906.
! — Die Impfungen gegen den — von
| Feb8enmeier. 56.
Rotlauf der Schweine auf den Menschen. —
Eine Übertragung von -— v. Röder. 656.
Rotlauf der Schweine. — Zur Bekämpfung
des — v. Dr. Dörrwächter. 98.
Rotlaufbazillen s. Backsteinblattern.
Rotlaufbazillen auf der Darmschleimhaut und
in den Tonsillen gesunder Schweine. — '
Beiträge zum regelmäßigen Vorkommen j
der — v. Pitt. 391.
Rotlaufbazillen in faulenden Organen. — Bei-
i trag zum Nachweis von — v. Dr. Opalka.
123.
Rotlauib»KiUen in der Gallenblase von Schweinen, die
die Infektion Uberstanden haben. — Das Vorkommen
von — v. Dr. Pitt. 288.
Rotlaufbazillus. — Beiträge zur Biologie des
— v. Schipp. 790.
Rotlaufimpfung s. Gerichtsentscheidungen,
Landwirtschaftskammer.
Rotlaufimpfungen aus Kreiskommunalmitteln.
— Beitrag zur Organisation der — von
Dr. Bartels. 271.
Rotlaufschutzimpfung und Nachprüfung der
Rotlaufdiagnosen durch Seruminstitute!
v. Lübke. 870. j
Rotlaufseuche s. Brustseuche.
Rotz s. a. Ophthalmoreaktion. j
Rotz. — Agglutinationsprobe bei — Orig.-Art. :
v. Nevermann 673.
Rotz. — Beitrag zur Agglutinationstechnik
bei — v. Dr. Müller. 595.
Rotz in China v. Pfeiffer. 445.
; Rotz. — Russische Grenze und — 490.
Rotzkrankheit s. KnÖtschen.
Rotzkrankheit. — Die moderne Bekämpfung
der — v. Dr. Stödter. 484.
Rotzkrankheit. — Ober Immunisierung gegen
die — Orig.-Art. v. Dr. Marxer. 229; v. Prof.
Dr. Levy, Dr. Blumentbal und Dr. Marxer.
343.
Rotzkrankheit. — Untersuchungen über die
Pathogenese der — v. Prof. Dr. Hutyra. 82.
R. S. C. — Denkmal. 107, 186, 351, 413,
Einweihung. 481.
Rüben s. Gelbe Rüben.
RUckfallfieber s. relapsing fever.
Rttckfallfiebers durch Zecken. — Experimen¬
telle Studien über die Übertragung des —
v. Möllers. 583.
Ruhr und Lungenbrustfellentzündung der
Kälber. — Infektiöse — Orig.-Art. v. Eisen.
500.
Ruhrähnliche Krankheit unter den Gänsen. 616.
Rundzellensarkom s. Struma.
Ruptur des Fesselbeinbeugers s. Fesselbein¬
beuger, s. a. Zerreißung.
Rußland: Fleischschmuggel auf Fischer¬
booten. 21. — Fortbildungskursus für
Tierärzte in Petersburg. 155. — Russische
Grenze und Rotz. 490. — Russische Butter
und Cholera. 837. — Veterinärinstitut zu
Dorpat. 963. — Sibirischer Butterexport.
943.
Hachsen: s. Kindermilchproduktion. —
Fleischpreise dersächsischen Schlachtvieh¬
versicherung. 1908. I. Quart 47. II. Quart
335. III. Quart. 495. IV. Quart. 839. -
Fortbildungskursus für Tierärzte an der
Kgl. Tierärztlichen Hochschule zu Dresden.
106. — Bakteriologische Milchunter¬
suchungen in Leipzig. 140. — Fleisch¬
preistafeln in Leipzig. 196. 260. — Be¬
soldung der Bczirkstierärzte in Sachsen.
224. — Die Stellung der sächsischen
und preußischen beamteten Tierärzte v.
Schmaltz. 250. — Milch Untersuchungen
in Leipzig. 263. — Ablehnung der An¬
erkennung des Schweizer Dr. med. vet
in Sachsen v. Schmaltz. 318. — Die Pro¬
fessoren Obermedizinalrat Dr. Müller und
die Medizinalräte Dr. Röder und Dr. Kunz-
Krause-Dresden zu Mitgliedern des Senats
gewählt. 323. — Beteiligung am Fort¬
bildungskursus für praktische Tierärzte.
323. — Bewilligung der Mittel zur Ein¬
richtung eines opsonischen Laboratoriums
an der Tierärztlichen Hochschule in
Dresden. 323. — Vermittlungsstelle für
Vertretungen im Schlachthofdienst. 324.
— Milzbrand und Notschlachtungen (Minist-
Verfüg.). 329. — Bericht über die Schlacht¬
vieh- und Fleischbeschau im Königreich
Sachsen für das Jahr 1906. 333. — Aus
den Berichten der sächsischen Bezirks¬
tierärzte. 377. 679. — Geburtstagsfeier
Sr. Majestät des Königs von Sachsen in
der Tierärztlichen Hochschule in Dresden.
398. — Neuregelung der Gehälter der
höheren Schulanstaltcn Sachsens. 414. —
xxni
Preistafeln ungültig. 494. — Geschäfts¬
bericht der Anstalt für staatliche Schlacht-
viehversicherung im Königreich Sachsen
für das Jahr 1907. 607. — Wissenschaft¬
liche Abende der Assistenten der Tier¬
ärztlichen Hochschule zu Dresden im
Winter 1906/07.661. (Beilage). — Dresdener
Tuberkulose Schutzimpfverfahren. 241. —
Ein Wort zur Besetzung amtlicher Stellen.
933.
Sachsen-Altenburg s. Anzeigepflicht, Borna¬
sche Krankheit
Sachsen-Weimar: Veterinärratstitel in
Sachsen-Weimar. 984.
Sachverständige s. Gebühren.
Sachverständigentätigkeit s. Gerichtsentschei¬
dungen.
Sadismus und Sodomie v. Meitzer. 7.
Säugetierleber nebst Homologie ihrer Lappen.
— Terminologie und Morphologie der —
v. Meyer. 801.
S&agetiertuberkulose. — Geflügel tuberkulöse und — von
Bang. 359.
Säuglingsernährung. — Vorschriften für die —
701.
Säuglingsmilch s. Milch.
Säuglingsmilchanstalten in Ostfrankreich. —
Stiftung gewisser Summen für — 139.
Säuglingsmilchkühe s. Milch.
SalbenBpritze in der Praxis. — Die Raebiger-
sche — Orig.-Art v. Dr. Goldbeck. 284.
Salizylsäuren auf die Harnorgane. — Klinische
Untersuchungen über die Wirkung modi¬
fizierter — v. Prof. Dr. Gmeiner. 680.
Salpeter s. Hackfleisch.
Samenfäden im Sperma des Hengstes. —
Feststellung der Zahl der — Orig.-Art. v.
Dr. Bernhardt. 793; Berichtigung. 851.
Sand s. Pansenlähmung.
Sanitätsanstalten s. Desinfizierung.
Sanitätstierarztstelle s. Tagesgeschichte
(Sanitätstierärzte).
Sarcoptes mutans lebendig gebärend? v. Dr.
Hase. 615.
Sarcoptesräude des Kindes (Sarcoptes scabici
Latr.). — Ein Fall von — v. Prof. Dr.
Wolffhügel. 392.
Sarin, ein neues Heilmittel gegen Schweine¬
seuche v. Szabö. 55.
Sau s. Schroten, Schwein, Überfruchtung.
Saugkälbern. — Weitere Finnenfunde bei —
v. Dr. Stroh. 440.
Saugverfahren s. Biersches Saugverfahren.
Schabefleisch mit Blutgerinseln. 839.
Schäclitverbot — Abgelehntes — 47.
Schächtverbot in Reuß-Greiz. 701.
Schidelbruch durch Hundebifl v. Pfleger und Marx. 956.
Schädigung s. Haftpflicht.
Schaf: s. Bradsot, Bronchitis, Euterent¬
zündung, Katarrhalfieber, Klauensäckchen,
Nierenerkrankung, Piroplasmosis, Pseudo¬
tuberkulose, Rostpilz, Tetanusantitoxin.
Schafbock mit drei Hörnern. Orig.-Art v.
Mord. 1.
Schafdärme. 494.
Schafen. — Aphthenseuchenartige Erkrankung
bei — v. Tietze. 467.
Schaffleisch s. Ziegenfleisch.
Schafkrankheit. — Eine bisher noch nicht
erforschte — Orig.-Art. v. Grabe. 355.
Schafkrankheiten. — Infektiöse — v. Dr.
Mießner. 436.
Schafräude. — Bekämpfung der — v. Oster¬
tag. 979.
Schafräude im Regierungsbezirk Kassel. —
Bekämpfung der — v. Tietze. 603.
Schafräude in Preußen. — Verfügung betr.
— 258. 642.
Schale an den Vorderextremitäten beim Pferd.
* — Zur Frühdiagnose der — v. Lange. 680.
Schalenbildung s. Hufknorpelfesselbeinband.
Scheide s. Schleimverhaltung.
Scheidenkatarrh b. a, Bissulin.
Scheidenkatarrh der Rinder. — Ansteckender
— 783; v. Kukuliewiz. 794.
Scheidenkatarrh und seine Bedeutung für die
nassauische Tierzucht — Der infektiöse
— v. Wenzel. 325.
Scheidenkatarrhs mit Bazillolsalbe. — Be¬
handlung des ansteckenden — 378.
Scheiden- und Wurftuberkulose bei der Kuh
v. Fischer. 600.
Scheintot s. Beleben, Neugeborene.
Scheinzwitter bei einem Pferde. Orig.-Art.
v. Tantos. 53.
Schieferzähne beim Rind. Orig.-Art v. Wie¬
land. 694.
Schilddrüse s. Glandula thyreoidea, Thyreoi-
dektomie, Struma.
Schlachtgewicht. 814.
Schlachtgewicht. — Durchschnittliches — 261;
s. a. Fleisch.
Schlachtgewichtes treffen? — Dürfen die
Städte verbindliche Vorschriften hinsicht¬
lich der Feststellung des — 24.
Schlachtgewichts. — Abänderung des üb¬
lichen Wiegens bei Feststellung des — 24.
Schlachthäuser: — Neuerrichtete — Altdamm
196; Saargemünd 648; Krappitz, Kletzke,
Münsterberg 494; — geplante — E nbeck,
Kulenbach, Pfaffenhofen, Grünstadt 941
Schlachthalle. — Milzbrand in der — 837.
Schlachthaus s. Gebühren.
Schlachthausbauten. — Preisausschreiben für
728.
Schlachthausgesetz. — Oldenburgisches —
195. .569.
Schlachthaus-Skandale in Chicago. 569.
Schlachthöfe s. Viehhöfe.
Schlachthöfen. — Errichtung von Laboratorien
an den — 139.
Schlachthof s. Düngerproduktion, Fleisch¬
hackerei, Schlachthaus, Sommes, Viehhof.
Schlachthofdienst. — Vermittlungsstelle für
Vertretungen im — 324.
Schlachthofdirektor s. Gerichtsentscheidungen.
Schlachthotdirektors. — Gültigkeit allgemeiner
Anordnungen des — 47.
Schlachthofdirektorstelle Osterode, Ostpr. —
Anfrage betreffs — 576; s. a. 606.
Schlachthofe. — Über die Notwendigkeit
separater Arbeits- und Untersuchungs¬
räume im — v. Breuer. 138.
Schlachthofe in Königshütte durch den
Schlachthofdirektor. — Aufrechterhaltung
der Ordnung auf dem — 195.
Schlachthofes. — Gesundheitliche Aufgaben
des - 941.
Schlachthofinspektors. — Private Tätigkeit
eines — 507.
Schlachthoftierärzte s. a. Standesvertretung
und Tagesgeschichte (Sanitätstierärzte).
Schlachthofwesen. — Verbesserungen im
französischen — 139.
Schlachthofzwang für Schlachtungen gewisser
Kategorien Gewerbetreibender. 46.
Schlachthofzwang bei Hausschlachtungen. 262.
Schlachtmethoden. — Ausbluten bei ver¬
schiedenen — 439.
Schlachtpistole. — Neue — 571.
Schlachtstätten s. Hausschlachtungen.
Schlachttage s. Schlachtungen.
Schlachttiere. — Betäubung der — 47.
Schlachttiere. — Blut der — 838.
Schlachttierkrankheiten und Fleischvergif¬
tungen durch Bakterien der Typhus-Coli-
Gruppe. — Über den Zusammenhang
zwischen — v. Edenhuizen. 56.
Schlachttierversicherung s. Versicherungs¬
wesen.
Schlachtungen eines Fleischers. — Veröffent¬
lichung der Zahl der — 595.
Schlachtungen auf die einzelnen Schlachttage.
— Angemessene Verteilung der — 570.
Schlachtvieh s. Betäubung, Fleischbeschau,
Gewichtsverlust, Preisfeststellung.
Schlachtvieh- und Fleischbeschau: Statistik
s. d. Ländernamen.
Schlachtviehes. — Wert des — 260.
Schlachtviehhandels. — Statistik des — 814.
Schlachtviehmärkte. — Deutsche — 813.
Schlachtviehversicherung s. Gesetze, Ver¬
sicherungewesen.
Schlachtviehversicherungsvereine. — Private
— 260.
Schlachtzeiten. — Festsetzung der — 571.
Schlächterei s. Garnisonschlächterei, Gro߬
schlächterei, Konfiskatbehälter.
Schlafkrankheit s. Sleeping sickness, Strepto¬
coccenkrankheit
Schlafkrankheit. — Schlußbericht über die
Tätigkeit der deutschen Expedition zur
Erforschung der — v. Koch. 285.
Schlagfertigkeit s. Hufbeschlag.
Schleimverhaltung in der Gebärmutter und
der Scheide. — Angeborene genitale
Mißbildung und — v. Moussu. 630.
Schlempemauke beim Pferde v. Dr. Froehner.
534.
Schlennstedt. — Der Fall — v. Dr. Felisch. 312;
Anmerk. v. Schmaltz. 312; Erwiderung v.
Dr. Felisch. 348; Anmerk. v. Schmaltz. 349;
Erklärung des S. C. 383; Anmerkung v.
Schmaltz. 383; Erklärung des Korps Sa-
lingia. 414; Resolution des Tierärztlichen
Vereins f. d. Reg.-Bez. Merseburg. 414.
Schlesien: Wutschutzabteilung am hygie¬
nischen Institut der Universität Breslau.
257. — Forstmeister v. Raesfeld, Tierarzt
Dr. Standfuß und ein Diener von einem
tollen Hunde gebissen. 538. -— Ausbau
des Veterinärinstituts in Breslau. 185. —
Nahrungsmitteluntersuchung in Breslau.
140.
Schleswig-Holstein: Fleischbeschau bei
Hausschlachtungen. 647. — Holsteinische
Euterseuche v. Glage. 862. — Eine neue
Euterseuche in Schleswig-Holstein. Orig.-
Art. v. Nielsen. 969.
Schluckbehinderungen beim Pferd v. Zschokke.
30.
Schlundkopflähmung durch Fadenpilzinfektion
beim Pferd v. Zschokke. 30.
XXIV
Schlundruptur beim Pferde v. Zschokke. 30.
Schmelzveränderungen von Tierfetten. 585.
Schmuggelprozeß s. Riesenschmuggelprozeß,
Viehschmuggel.
Schnee und Eis. — In — Orig.-Art. v. Hennig.
285.
Schonzeit. — Wild verkauf während der —
494.
Schottland. — Maul- und Klauenseuche in —
464.
Schraubenschere nach Hoffmann. 461.
Schreckziegen oderFainting goats. Orig.-Art.
v. Prof. Dexler. 970.
Schroten der Säue. v. Beck. 559.
Schulanstalten s. Sachsen.
Schußapparat. — Tödliche Verletzung durch
den — 569.
Schutzimpfung s. die einzelnen Infektions¬
krankheiten.
Schweden: Militärveterinärwesen in Schwe¬
den. 701. — Schwedische Milch in Berlin.
718. — Vorkommen der Trichinen in
Schweden v. Nystedt. 848. — Seuchen¬
nachrichten. 992.
Schwefelkohlenstoff gegen Distomatosis. v.
Floris. 518.
Schweidnitz s. Schächtverbot.
Schwein: s. Ascaris, Bacillus pyogenes,
Backsteinblattern, Darmanhängsel, Dorsch¬
lebertran, Ferkelfressen, Fische, Fischig-
keit, Hühner, Huhn, Knochenbrüche, Milz¬
brand, Nephritis, Nystagmus, Rauschbrand,
Rotlauf, Rotlaufbazillen, Schroten, Sedi¬
mentanhäufung, Trichinenkrankheit, Toll¬
wut, Tuberkelbazillen, Tuberkulose, Über¬
fruchtung.
Schwein s. Rotlaufbazillcn,
Schweinedärme. 494.
Schweinemästereien in der Heide. 261.
Schweinepest s. a. Schweineseuche.
Schweinepest s. Bacillus suipcstifer.
Schweinepest (Ministerialverf.). 806.
Schweinepest. — Studie über die Ätiologie
der deutschen — v. Gläser. 6.
Schweinepest. — Neue Erfahrungen über
Immunisierung gegen — 463.
Schweinepest heranzuziehen. — Vorläufige
Mitteilung über die Möglichkeit, das Pferd
zur Lieferung eines Immunserums gegen
— Orig.-Art v. Koops. 117.
Schweinepest mit Hilfe der Methode der
Komplementbildung. — Versuche zum
Nachweis des Erregers der — v. Ded-
julin. 122.
Schweinepest, Schweineseuche und Misch¬
infektion. — Über Heilung und Prophylaxis
der — v. Schaffner. 305.
Schweinepest. — Untersuchungen über das
Wesen und die Bekämpfung der — von
Prof. Dr. Uhlenhuth, Dr. Xylander, Dr.
Hübener und Dr. Bohtz. 405.
Schweinepest mit abgetötetem Virus. — Eine
aktive Immunisierung gegen — Orig.-Art.
v. Dr. Marxer. 401.
Schweinepestserums. — Versuche über die
praktische Verwendbarkeit eines mit Hilfe
des filtrierbaren Virus hergestellten —
v. Dr. Stadie. 830.
Schweinepreise im Auslande. 260
Schweinerotlauf beim Menschen. 420.
Schweinerotlaufs. — Beitrag zur sanitäts¬
polizeilichen Begutachtung der Nach-
! krankheiten des — Orig.-Art. v. Haase. 427.
! Schweineseuche s. Euman, Sarin, Schweine¬
pest, Suptol.
| Schweineseuche. — Zur Bekämpfung der —
! Orig.-Art. v. Wittenberg. 613; v. Ripke. 820.
Schweinescuche schwer erkrankter Ferkel
durch Verimpfung eines neuen, von Prof.
Dr. Wassermann-Berlin angefertigten Impf¬
stoffes für „Heilzwecke bei Schweine¬
seuche“. — Heilung an akuter — Orig.-
Art. v. Mucha. 388.
Schweineseuche nach Ludwig Wilhelm Gans-
Frankfurt a. Main. — Der Impfstoff für
Heilzwecke bei — Orig.Art. v. Raebiger. {
611. |
Schweinescuche. — Schutzimpfungen gegen
722.
Schweineseuche und Schweinepest. — Weitere
Untersuchungen über die Ätiologie der —
v. Prof. Dr. Ostertag und Dr. Stadie. 31
Schweineseuchebazillenextrakt — Durch¬
schlagender Erfolg mit keimfreiem —
Orig.-Art. v. Pfeil. 301.
Schweineseucheserum. Orig.-Art v. Cämmerer.
404.
Schweinestall s. Stallbauten.
Schweiz: Seuchennachrichten. 42. 991. —
Viehwährscbaftsgesetz. 136. — Abschieds¬
feier für Prof. Dr. Krämer in Bern. 185.
Anerkennung des Schweizer Dr. med.
vet in Hamburg, 186; in Baden, 350. —
Ablehnung der Anerkennung des Schweizer
Dr. med. vet. in Sachsen v. Schmaltz.
318. — Deutscher und Schweizer Dr. med.
vet. v. Dr. Jonas 347; Anmerkung
v. Schmaltz. 347. — Der Schweizer
Dr. med. vet. 367. — Zahl der Tierärzte
in der Schweiz. 718. — Ausdehnung des
Ein- und Durchfuhrverbots wegen Aus¬
breitung der Maul- und Klauenseuche in
der Schweiz. 195. — Ein- und Durch¬
fuhr von Rindern und Ziegen aus der
Schweiz nach Bayern. 837.
Schwergeburt s. Kalbefieber.
Secacomin v. Dom. 203.
Sedimentanhäufung in der Harnblase beim
Pferd und beim Schwein v. Sommer. 661.
Seefische. — Transport lebender — 573.
Seefischerei. — Deutsche — 334.
Sehne s. Zehenbeuger.
Sehnen- und Periostknochenreflexe beim
Pferde; ein Beitrag zur Diagnostik der
Lahmheiten v. Dr. Schmidt 235.
Sehnenscheide des dicken Hufbeinbeugers
beim Pferd. Heilung. — Synovektomie
der am Sprunggelenk gelegenen — v.
Prof. Hendricks. 234.
Sehnenscheidenentzündung als Komplikation
der Brustseuche. — Ein Fall von
metastatischer — v. Aulich. 462.
Sehnenzerrungen s. Tenotomie.
Seife zum Gebrauch in der Veterinärmedizin. —
Darstellung giftfreier — 272.
Selbsthilfe s. Taxe.
Semiplacenta materna s. Uteruskarunkel.
Senegal s. Trypanosomiasis. 582.
Septicaemia pluriformis ovium v. Dr. Mießner.
436.
Septicaemie s. Kanarienvogel.
| Septicaemie v. Hölscher 768.
| Ser» ». Pneumonie.
t Serotherapie des Typhus recurrens von
Dobrosrakow. 582.
I Serum s. Impfstoffe. Tiersera.
1 Serum- uaw. Infektionen. — Eine neue Methode der
■ubkutanen — v. Krautschneider. 769.
Serumaufnahme durch Pflanzen. 585.
Seruminstitut s. Rotlaufschutzimpfang.
Serumtherapie s. Fleischvergiftungen.
Seuchen: Statistik s. d. Ländernamen.
Seuchenartige Krankheit der Gänse. 616.
Seuchenausbrüchen. — Anlässe zu den — 40.
Seuchenentschädigungen. 41.
Seuchengesetznovelle s. Gesetze.
Seuchenkadaver und Konfiskate der Fleisch¬
beschau in den Städten und auf dem
Lande. — Die unschädliche Beseitigung
der — v. Dr. Zernecke. 12.
Senchennacbrichtendienst über die Ausbrüche
der Maul- und Klauenseuche. 642.
i Seuchenprozeß. — Ein langwieriger — 418.
1 Sencbcntilgung s. a. Landwirtschaftskammer,
Seuchentilgung. — Mitwirkung der Privat¬
tierärzte bei der — v. Beust. 35.
! Seuchenverbreitung s. Viehhandel.
Sibirischer Butterexport 943.
! Sibirisches Fleisch. 439.
Sklerose s. Cystenbildung.
Sleeping sickness s. a. Dourine.
Sleeping sikness and other Tryp. by the
Atoxyl and Mercury method. — The
Treatment of — v. Boyce. 287.
Sobernheim s. Milzbrand.
Sobernheimschen Serums bei milzbrandkran¬
kem Hornvieh. — Die immunisierende
Wirkung des — v. Gäl. 343.
Sodomie s. Sadismus.
Sommes nous döfendus? erledigt. — Die
Broschüre — 571.
Spandau s. Gerichtsentscheidungen (Fleisch¬
beschau).
Sparsamkeit. — Falsche — 75.
Spatzen. — Blutfilarien bei den — v. Angelici.
32.
Speicheldrüsen. Die mandibularen Speichel-
, drtisen des Affen. — Ein Beitrag zur
vergleichenden Anatomie und Histologie
| der — v. Dr. Illing. 662.
| Sperma s. Samenfäden.
Spermareaktion. — Über die praktiache Bedeutung der
BarberioscHeu — t. Fränkel und Rudolf Müller. 392.
Spezialarzt. — Bestimmungen über die Bei¬
legung des Titels — 636.
Spezialisierung der Rassen v. Boucher. 701.
Spießglanzbutter gegen frische Exostosen,
v. Dehne. 977.
Spirillosis and a haematozoal disease of
domestic fowls in the anglo-egyptian
Soudan. v. Balfour. 54.
| Spirillum Obermeieri. — The cultivation of —
| v. Novy and Knapp. 583.
I Spirochaeta Duttoni. — On the morphology
i and the life history of — v. Breindl. 286.
' Spirochaete galllnarum durch Argas reäexus Fahr. —
Übertragungsverauche der — ▼. Schellack. 360,
Sporen. — Bazillen mit — 942.
Sporenfärbung. — Eine einfache Art der — v. Wirte. 464.
Sporozoen-Dermatosen des Hundes v. Marcone.
! 863.
Sprechwerkzeuge s. Gehörorgan.
Sprunggelenk s. Sehnenscheide.
Staatliche Tierärzte in Hamburg. 436, 451.
XXV
Staatsbeamten b. Gebaltsbezüge.
Staatsregierung. — Ärzte und — 155.
Stadtverordnete. — Tierärzte als — 12.
Stadtverordneten gewählt — Veterinärrat
Gabbey in Pleß zum — 884.
Stäbchen s. Bakterien.
Städtetag. — Brandenburgischer — 648.
Stallbauten. — Vorschläge zu deren Ab¬
stellung, mit besonderer Berücksichtigung
des Schwefnestalles. — Hygienische
Mängel unserer — v. Evers. 148.
Star. — Grauer — v. Bierstedt. 584.
Standesheber? — Auch ein — v. Dr. Felisch.
312; Anmerkung v. Schmaltz. 312; Er¬
widerung v. Dr. Felisch. 348; Anmerkung
v. Schmaltz. 349; Erklärung des S. C.
383; Anmerkung v. Schmaltz. 383; Er¬
klärung des Korps Salingia. 414;
Resolution des Tierärztlichen Vereins für
den Reg.-Bez. Merseburg. 414.
Standesinteressen v. Loewel. 294.
Standespflichten s. Gerichts-Entscheidungen.
Standesvertretung: s. a. Gebühren, Ge¬
halt, Kindermilchanstalt, Minimaltarif,
Tagesgeschichte (Militärveterinäre), Zen¬
tralgeschäftsstelle. — Die Stellung der
Privattierärzte in der Fleischbeschau
und die Mittel zur Besserung. Orig.-
Art v. Meier. 8. — Wodurch läßt sich das
Ansehen der Tierärzte in der Fleisch¬
beschau heben? v. Meier. 34. — Stellung
der Tierärzte in der Fleischbeschau.
250. — • Den in der Fleischbeschau
tätigen Tierärzten soll auf ihren Antrag
hin ohne Einschränkung freigegeben
werden: die Begutachtung außerhalb ihres
Beschaubezirkes notgeschlachteter Tiere,
die vorher von denselben behandelt
worden sind, wie sie es bis vor dem In¬
krafttreten der Verfügung vom 19. Oktober
1906 gewesen ist. v. Dr, Zehl. 35. —
Anf welche Weise kann es erreicht werden,
daß bei Beurlaubungen von längerer,
einige Tage überschreitender Dauer eines
in der Fleischbeschau tätigen Tierarztes
nicht der Laien Vertreter, sondern der von
dem Tierarzt vorgeschlagene tierärztliche
Vertreter ohne weiteres auch als Vertreter
in der Fleischbeschau bestellt wird v. Dr.
Zehl. 34. — Die deutsche Milchwirtschaft
und die Tierärzte v. Prof. Glage. 21.
— Zur Frage der Mitwirkung der Tier¬
ärzte in den Körungskommissionen. 33;
v. Georges. 58. — Berufs-Überfttllung von
Geißler. 713; von Uhlmann. 982. —
Begründung eines Tierärztlichen Presse-
bureaus v. Schmaltz. 799; v. Dr. Foth.
835. Erwiderung v. Prof. Dr. Schmaltz.
851; Erwiderung v. Dr. Foth. 865; Schlu߬
bemerkung v. Schmaltz 866. — Preußische
Tierärztekammern v. Schmaltz. 864. 904.
— Tierärztekammern in Braunschweig.
865. — Bayern voran v. Schmaltz. 959.
— Selbsthilfe gegen die veraltete tier¬
ärztliche Taxe v. Masch. 979. — Ver¬
leihung des Veterinärratstitels in Sachsen-
Weimar. 984. — Mitwirkung der Privat¬
tierärzte bei der Seuchentilgung v. Beust.
35. — Über die Mitwirkung der Tierärzte
in den Ortsgesundheits-Kommissionen v.
Meier. 44. — Reichstierseuchengesetz und
Kreistierarzt. 72. — Zu dem Thema: Kreis¬
tierarzt — Privattierarzt v. Plessow. 149.
— Die Lage der praktischen Tierärzte
und ihre Beteiligung bei der Veterinär¬
polizei von Professor Dr. Schmaltz.
180 — Die Stellung der sächsischen
und preußischen beamteten Tierärzte v.
Schmaltz. 250. — Eingabe des Verbandes
der Privattierärzte betr. das Viehseuchen¬
gesetz. 126; Anmerkung v. Schmaltz. 128.
212; Gegenpetition des Vereins der be¬
amteten Tierärzte. 252. — Zur Lage der
Tierärzte. 277; v. Prof. Schmaltz. 393. —
Gestüts-Karriere v. Dr. Goldbeck. 289. —
Der Tierarzt beim Körgeschäft v. Maxi-1
milian. 290. — Lage und Bestrebungen |
der Privattierärzte v. Prof. Dr. Peter. 291; j
v. Amous. 308; v. Wieland. 484. —Standes-1
interessen v. Löwel. 294. — Pflichten und
Rechte der Schlachthoftierärzte v.Krekeler. |
305. — Auch ein Standesheber v. Dr. j
Felisch. 312; Anmerkung v. Schmaltz. 312;
Erwiderung v. Dr. Felisch. 348; Anmer¬
kung v. Schmaltz. 349; Erklärung des S. C.
in Hannover. 383; Anmerkung v. Schmaltz.
383; Erklärung des Korps Salingia. 414;
Resolution des tierärztl. Vereins f. d. Reg.-
Bez. Merseburg. 414. — Brauch-und Mi߬
brauch betr. Standessitte v. Schmaltz. 349.
— Nachklänge zu dem „gefährdeten
Stand“ v. Lauft. 365. — Zur Lage der
Schlachthoftierärzte. 394. 853. — Tier¬
ärztliche Standesfragen in Württemberg
v. Metzger. 453. — Betätigung der Tier¬
ärzte in der Öffentlichkeit v. Meier. 601.
— Zur Ausbildung der Volksschullehrer.
507. 623. — Tierärztlicher Optimismus. 561.
Starrkrampf s. a. Tetannsantitoxin.
Starrkrampf beim Rinde v. Ronge. 782.
Statistik: Seuchenstatistik, Tierzucht,
Handel usw. s. d. Ländernamen.
Steigerung der Fleischpreise. 494.
Stellung s. Fleischbeschau.
Stellung der beamteten Tierärzte in Sachsen
und Preußen. 250.
Stempelfälschung. 262.
Stempelklemme v. Feuereisen. 262.
Stenose des Ostiura pulmonale bei einer Kuh.
928.
Sterbe der Einhufer. — Immunisierung gegen
— v. Rickmann. 883.
Sterbe. — Impfung von Maultieren gegen —
v. Rickmann. 71.
Sterilisieren s. Milch.
Stetigkeit der Pferde nicht zum Hauptmangel
im Sinne von § 482 d. B. G. B. ? — Warum
eignet sich die — Orig.-Art. von Dr.
v. Müller. 745.
Steuerangelegenheiten i. Württemberg. 452.
Steuerprivileg s. Wohnungsgeldzuscbuß.
Steuerveranlagung. — Probeschlachtungen
zur — 573.
Stiften. — Die Kauterisation mit zwei — v.
Eloire. 782.
Stilett 8. Hohlnadel.
Stimmberechtigung s. Hengstkörung.
Stipendium. — Wolffsches — 718.
Stirngegend s. Horn.
Stollbeule beim Pferd von Haubold. 680.
Strabismus deorsum vergens bei der Kuh.
Orig.-Art. v. Storch. 177; Berichtigung 202.
Strahlkrebses. — Über die Behandlung des —
v. Querrnau. 429.
Straßenzoll. — Befreiung der Kreistierärzte
vom — 804.
Streptococcenepldcmie unter weißen Mäusen — Eine
spontane — 7. Kutschern. 464.
Streptococcen-Krankheit (Schlafkrankheit) der
Hühner. — Beitrag zur Kenntnis der —
v. Dr. Greve. 614.
Streptococcenmastitis bei Kühen. —- Unter¬
suchungen über das Vorkommen und die
Häufigkeit der — v. Rühm. 902.
Streptococcenmilch. — Zur Frage der Patho¬
genität der —■ v. Rühm. 978.
Strongylus retortaeformis. — Erkrankung der
Hasen durch — v. Simon. 736.
Strophantin u. Digalen v. Dorer. 736.
Struma sarcomatosa der Schilddrüse (klein-
. zelliges Rundzellensarkom) mit sekundärer
Hypertrophie derNebennieren und Hydrops
ascites beim Hunde. — Über einen Fall
von — von Guerrini. 736.
Strychninvergiftung bei Enten. 615.
Stubenvögeln. — Bleivergiftung bei — Orig.-
Art. v. Prof. Regenbogen. 544.
Studenten s. Tagesgeschichte (Ärzte und Uni¬
versitäten).
Studentenbude. — Vorbildlich eingerichtete —
523.
Studentenkrawall. — Der Wiener — 381.
Studentenzahl s. Tagesgeschichte (Tierärztl.
Lehranstalten [Hochschulfrequenzen]).
Studentische Reformgedanken. 523.
Studienordnung f. Tierärzte und Zahnärzte.
396.
Studienreise s. Österreich. Pfingstreise.
Studiensemester s. Tagesgeschichte (Arzte u.
Universitäten).
Stute s. a. Pferd.
Stute. — Hengst oder — v. Jewasiriski. 177.
Stuttgart: s. a. Württemberg. Landwirt¬
schaftsgesellschaft, Mastviehausstellung,
in Stuttgart. 648.
Sudan s. Spirillosis.
Superfoetatio. s. Überfruchtung.
Suptol Dr. Burow als Mittel zur Bekämpfung
der akuten und chronischen Schweine¬
seuche. — Versuche über Wirkung und
Natur des — v. Andrejew. 818.
Suptol-Burow. — Weitere günstige Impf¬
ergebnisse mit — Orig-.Art. v. Becher-
974.
Suptol Dr. Burow. — Schlimme Erfahrungen
mit — v. Hillerbrandt. 820. Antwort v.
Dr. Burow. 843. Entgegnung v. Hillerbrandt.
877. Berichtigung 901.
Suptol. — Behandlung der Schweineseuche
mit — Orig.-Art. v. Berger. 404.
Suptol nach Dr. Burow. — Impfung gegen
Schweineseuche mit — v. Pekar. 98.
Suptol. — Bericht über Impfungen mit —
Orig.-Art. v. Jackschrth. 52.
Suptol (Burow) bei Schweineseuche. — Ver¬
suche mit — v. Tatray. 547.
Susdorf s. Tagesgeschichte (Persönliches
[Ehrungen]).
Syngamus trachealis bei Fasanen. 616.
Synovektomie s. Sehnenscheide.
Syphilis s. a. Arsacetin.
Syphilis? — Was leistet gegenwärtig die innere Behand¬
lung der — v. Köhler. 864.
XXVI
Tabes bei Hunden (Trypanosomen Tabes). —
Experimentelle — v. Spielmeyer. 287.
Taeniasis bei Gänsen v. Sallinger. 165.
Tageblatt. — Berliner — 75.
Tagegelder s. Kreistierarztreform, Tages-
geschichte (Arzte).
Tagesgeschlchte s. a. Abgeordnetenhaus,
Fleischbeschau, Fleischbeschauer, Ge¬
bühren, Gerichtsentscheidungen, Länder¬
namen, Reichstag, Städtenamen, Statistik.
Tierärztliche Lehranstalten und Unterricht
s. a. Persönliches, Universitäten. — Be¬
richtigung zu dem Artikel „Tierärztliche
Promotion“. (B. T. W. 1907, Seite 959ff.) t
12. — Organisation und Promotionsrecht
an der Berliner Tierärztlichen Hochschule.
75. — Erklärung des preußischen Herrn
Ministers für Landwirtschaft über die
Promotionsfrage. 90. — Promotionsrecht
der Tierärztlichen Hochschulen von
Schmaltz. 879. — Der Kultusminister über
die Promotion. 155. — Anerkennung des
Schweizer Dr. med. vet. in Hamburg. 186;
in Baden. 350; in Anhalt. 963. — Deutscher
und Schweizer Dr. med. vet. v. Dr. Jonas.
347. 450; Anmerkung v. Schmaltz. 347;
v. Gebhardt 363. 535; v. Heinick. 378;
v. Dr. K. Müller. 379; v. Haupt. 394;
v. Kurtzwig. 395; v. Seber. 411; v. Dr.
Lehmann. 435; v. Dr. Adelmann. 549. —
Ablehnung der Anerkennung des Schweizer
Dr. med. vet. in Sachsen v. Schmaltz. 318.
— Der Schweizer Dr. med. vet. 367. —
Die bisher genehmigten Dr. med. vet.
der Schweiz v. Dr. K. Müller. 379. —
Erweiterung des Promotionsrechtes in
Preußen. 396. — Doktorat an den Tier¬
ärztlichen Hochschulen Österreichs. 212.
756; v. Schmaltz. 786. 878. — Aus¬
bildung der Tierärzte für die Kolonien.
251. — Zur Ausbildung der Tierärzte v.
Witt. 634; Anmerkung v. Schmaltz. 635.
— Zur tierärztlichen Ausbildung v. Witt.
957. — Fortbildungskursus für Tierärzte
in der tierhygienischen Abteilung des
Kaiser Wilhelm-Instituts zu Bromberg. 62.
— Fortbildungskursus für Tierärzte an
der Königl. Tierärztlichen Hochschule zu
Dresden. 106. 4# iFortbildungskursus für
Tierärzte an der Abteilung für Tierhygiene
des Kaiser Wilhelm-Instituts für Land¬
wirtschaft zu Bromberg. 791. — Fort¬
bildungskurse für Tierärzte in Peters¬
burg. 155. — Beteiligung am Fortbildungs¬
kursus für praktische Tierärzte. 323. —
Wiedereinführung des praktischen Jahrs
in Bayern. 251. — Das praktische Jahr
v. Bischoff. 309. — Weiterer Ausbau des
Veterinärinstitutes in Breslau. 185. —
Errichtung eines Kolonialinstituts in
Hamburg. 324. — Kolonialinstitut in
Hamburg. 563. 603. — Anfrage, ob in
Berlin eine Konferenz von tierärztlichen
Hochschullehrern getagt habe? 913. —
Erklärung des Rektors und Professoren-
Kollegiums der Tierärztlichen Hochschule
Berlin auf einen Artikel des Herrn Prof.
Dr. Malkmus v. Schmaltz. 251. 295. —
Erklärung, daß an eine Vereinigung der
tierärztlichen Hochschulen mit der land¬
wirtschaftlichen nicht gedacht werde. 75.
— Die Tierärztliche Hochschule zu München
in der bayerischen Kammer der Abge¬
ordneten. 507. — Kindermilchproduktion
in wirtschaftlicher und hygienischer Be¬
leuchtung unter besonderer Berück¬
sichtigung der im Rassestalle der Tier¬
ärztlichen Hochschule in Dresden ge¬
machten Erfahrungen v. Prof. Dr. Pusch.
519. — Zur Geschichte des Veterinär¬
institutes zu Gießen. 561. —Die animalische
Nahrungsmittelkunde und außerordent¬
liche Fleischbeschau als besonderer Lehr¬
gegenstand der Tierärztlichen Hoch¬
schulen v. Borchmann. 91; in Württem¬
berg. 854. — Lehrstuhl für Milchhygiene
an den tierärztlichen Hochschulen. 92. —
Anstellung eines Lehrers für Tierzucht an
der Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart.
452. — Bewilligung der Mittel zur Ein¬
richtung eines opsonischen Laboratoriums
an der Tierärztlichen Hochschule in Dres¬
den. 323. — Hochschulnachrichten. 636. —
Berufungen an die Berliner Tierärztliche
Hochschule. 172. 251. 251; v. Schmaltz
274. 351. — Prof. Dr. Mayr zum Nachfolger
Kitts ernannt. 251. — ProBektor Dr. Moser
zum Nachfolger Gutenäckers ernannt. 251.
— Hüfners Nachfolge. 399. Prof. Dr.
Abderhaldens Ablehnung als Nachfolger
Hüfners. 538. 637. — Hofrat Prof. Dr.
Bayer, Rektor der Tierärztlichen Hoch¬
schule Wien in den Ruhestand getreten.
701. — Prof. Dr. Lechner durch Prof.
Dr. Günther an der Tierärztlichen Hoch¬
schule in Wien ersetzt. 985. — Die
Professoren Obermedizinalrat Dr. Müller
und die Medizinalräte Dr. Röder und
Dr. Kunz - Krause' - Dresden wurden zu
Mitgliedern des Senats gewählt. 323. —
Berufungen an die Tierärztliche Hoch¬
schule in München. 251. Ablehnung der
Berufung durch Schmitt. 350. — Veterinär¬
institut zu Dorpat 963. — Offene Assi¬
stentenstelle am physiol. Institut der Tier¬
ärztlichen Hochschule Berlin. 186. —
Vakanz der I. Assistentenstelle am j
physiol. Institut der Tierärztlichen Hoch¬
schule Berlin. 540. — Hebung der Stellung
der Assistenten an den preußischen Tier¬
ärztlichen Hochschulen. 226. — Wissen¬
schaftliche Abende der Assistenten der
Tierärztlichen Hochschule zu Dresden im
Winter 1906/07. XX.-XXIII. Abend. 661.
(Beilage). — Wolffsches Stipendium. 718.
Studienordnung für Tierärzte und Zahn¬
ärzte. 3%. — Zulassung der Frauen zum
Studium der Tiermedizin in Hessen. 701.
— Prüfungsordnung für Tierärzte. 787. —
Beachtenswerte Bundesratsentscheidung
betreffend Prüfungsbestimmungen. 106. —
Vorlesungsverzeichnisse für das Sommer-
Semester 1908: Gießen 186; Freiburg 311;
Winter-Semester 1908/09: Berlin 605;
Gießen 606; Hannover 606. — Hochschul¬
frequenzen. 186.523. — Freistudentenschaft
der Tierärztlichen Hochschule Berlin. 367.
— Kommers der Studentenschaft der
Militärveterinärakademie. 172. 225. —
Ballfest des S. C. in München. 186. —
Vorbildlich eingerichtete Studentenbude.
523. — Protest des Korps Holsatia.
92. — R. S. C.-Denkmal. 107. 186.
351. 413; Einweihung. 481. — Königs
Geburtstagsfeier 91; in Hannover. 107. —
Geburtstagsfeier Sr. Majestät des Königs
von Sachsen in der Tierärztlichen Hoch¬
schule in Dresden. 398. — Falsche Spar¬
samkeit. 75. — Abschiedsfeier für Professor
Dr. Kraemer in Bern. 185. — Gehälter der
Professoren in Bayern. 185. — Gebühren¬
ordnung der Tierhygienischen Abteilung
des Kaiser Wilhelm-Instituts zu Bromberg.
508. — 50jähriges Bestehen der Tier¬
ärztlichen und Landwirtschaftlichen Hoch¬
schule in Kopenhagen. 701. — Tierärzt¬
liche Hochschule im österreichischen
Abgeordnetenhause. 295. — Demonstration
der Studierenden an der Wiener Tier¬
ärztlichen Hochschule v. Schmaltz. 351.
— Der Wiener Studentenkrawall. 381. —
Aufblühen der österreichischen Tierärzt¬
lichen Hochschulen v. Schmaltz. 878.
Staat8veterinärwesen: Alles zur Kreistier¬
arztreform und Standesvertretung gehörige
s. diese; ferner vergleiche Abdeckerei¬
wesen, Abgeordnetenhaus, Beamtenbesol¬
dungsvorlage, Desinfektion, Fleisch,
Fleischbeschau, Gebührenordnung, Ge¬
richtsentscheidungen, Gesetze, Gestüt¬
pferde, Grenzverkehr, Haftpflicht, Körungs¬
kommission, Landespferdezuchtkom¬
mission, Landw'irtschaftskammer, Land¬
wirtschaftsrat , Ministerialverfügungen,
Reichstag, Sanitätstierärz'te, Seuchen,
Seuchennachrichtendienst, Verordnungen,
V ersicherungs wesen, Vetcrinärpolizei,
Viehhandel,Viehzucht,Wutschutzabteilnng.
— Verhandlungen des Deutschen Land¬
wirtschaftsrats. 37. — Anlässe zu den
Seuchenausbrüchen. 40. — Seuchenent¬
schädigungen. 41. — Aus dem Etat für
1908. 56. — Reichstierseuchengesetz und
Kreistierarzt v. Krueger. 72, 124. — Be¬
kämpfung der afrikanischen Viehseuchen.
155. — Anzeigepflicht für Gehirnrücken¬
marksentzündung und Gehirnentzün¬
dung in Sachsen - Altenburg. 187. —
Tagung des Kgl. preuß. Landes-Ökono-
mie-Kollegiums. 187. 564. — Milzbrandüber¬
tragung in Gerbereien. 195. — Wut-
schutzabteilung am hygienischen Institut
der Universität zu Breslau. 257. — Ge¬
stütskarriere v. Dr. Goldbeck. 289. — Der
Tierarzt beim Körgeschäft v. Maximilian.
290. — Viehseuchenkommission im Reichs¬
tag. 826. — Verfügung betr. Viehseuchen¬
statistik. 930. — Das neue Beamtengesetz
in Bayern. 363. — Tierseuchengesetz statt
Viehseuchengesetz, Eingabe des Deutschen
Veterinärrats an den Reichstag. 379. —
Ein langwieriger Seuchenprozeß. 418. —
Gesundheitszeugnisse für Rindertransporte.
451. — Gehaltsbezüge der tierärztlichen
Staatsbeamten in Bayern. 549. — Be¬
kämpfung der Schafräude im Regierungs¬
bezirk Kassel v. Tietze. 603. — Reor¬
ganisation des Tierseuchendienstes in
Frankreich v. Zündei. 658. — Selbsthilfe
gegen unsere Taxe von Annodazumal
v. Schmaltz. 660. — Vorschläge zur Neu¬
organisation des Veterinärbeamtentums
v. Graffunder. 682. — Vorbereitung zum
XXVII
staatstierärztlichen Dienst an der Uni¬
versität in Freiburg i. B. 311. — An¬
stellung eines Kreistierarztes in Bremen.
507. — Preußische Technische De¬
putation für das Veterinärwesen,
v. Schmaltz. 536. — Unschädliche Be¬
seitigung der Leichenkadaver und der
Konfiskate der Fleischbeschau in den
Städten und auf dem Lande v. Zern ecke.
12. — Deutsch-dänischer Handelsvertrag.
45. — Ein Wort zur Besetzung amtlicher
Stellen v. Kunze. 933.
Nllit&rveterlnflre: s. a. Tagesgeschichte
(Persönliches [Ernennungen], Tierärztliche
Lehranstalten). — Erleichterung des Ein¬
trittes der Militärveterinäraspiranten. 311.
— Eintritt in die Militärveterinärlaufbahn
v. Schmaltz. 410. — Etat des Militär-
veterinärwesens. 185. — Militärveterinäre
in der Besoldungsvorlage der Reichs¬
beamten v. Schmalz. 867. — Organisation
und Uniformierung des Militärveterinär¬
korps. 75. — Bange Zweifel v. Schmaltz.
602. — Künftige Beförderungsverhältnisse.
635. — Vorschläge für die Militärveterinär-
Reorganisation. 657. — Verantwortlichkeit
der Veterinäre v. Maximilian. 684. —
Veterinär-Offizierkorps. 718. — Zur Militär¬
veterinär-Reorganisation. 799. — Berich¬
tigung. 913. — Schicksal der Militär¬
veterinär-Reform? 803. — Vertagung der
Militärveterinärreform v.Prof.Dr. Schmaltz.
823. — Künftige Besoldung der Militär-
veterinäre. 825. — Das Deutsche Veterinär-
Offizierkorps. 904. — Das Reiten der
Veterinäre. 57. 75. — Militaria 482. 738.
824. — Militärveterinär-Ordnung. 411. —
Deckblätter zur Militärveterinärordnung
v. Schmaltz. 534. — Zur Lage der Unter-
veterinäre. 550. — Professor Dr. Schmitt,
Stabsveterinär d. L., in den Vorstand der
Dresdener Offiziersgesellschaft gewählt.
803. — Gedenktafel an der Kaiser Wilhelm-
Akademie für die gefallenen Veterinäre.
107.—Die neue Kaiser Wilhelm-Akademie.
539. — Geschichte des Militärveterinär¬
wesens in Österreich-Ungarn v. Dr. Gold¬
beck. 204. — Militärveterinärwesen in |
Schweden. 701.
Sanltfltstlerfirzte: s. a. Abgeordnetenhaus,
Amtsbezeichnung, Begutachtung, Beschau-
bticher, Fleisch, Fleischbeschau, Fleisch¬
beschaugebühren, Gerichtsentscheidungen,
Kommunalbeamtengehälter, Laienvertreter,
Polizeitierärzte, Privattierärzte, Schächt-
verbot, Schlacbthof, Schlachthofdirektor,
Schlachthofzwang, Standesvertretung, Ver¬
waltungsdienst, Viehhof. — Beleidigung
eines Tierarztes. 12. — Tierärzte als
Stadtverordnete. 12. — Pflichten und
Rechte der Schlachthoftierärzte v. Krekeler.
305. — Vermittlungsstelle für Vertre¬
tungen im Schlachthofdienst. 324. —
Tierärzte im Meiereiwesen. 364. — Private
Tätigkeit eines Schlachthofinspektors. 507.
— Anstellung des Schlachthofdirektors
Dr. D'heil in Neuß a. Rh. 590. — Titel¬
frage. 226. — Überwachung der Milch¬
gewinnung und des Milchverkehrs. 226.
— Besichtigung der Berliner städtischen
Anstalten. 324. — Zur Lage der Schlacht¬
hoftierärzte. 394. — Entgegnung von
Dr. Heine auf einen Artikel von Kunibert
Müller betr. Finnenschnitte und Finnen¬
funde. 451. — Trichinenschau in Kissingen.
701. — Über die Mitwirkung der Tierärzte
in den Orts-Gesundheitskommissionen. 44.
— Zweckmäßige Einrichtung einer Sani¬
tätstierarztstelle. 788. — Stellung der
Schlachthoftierärzte. 835. — Erweiterung
der Befugnisse der Schlachthoftierärzte.
854.
Persönliches, Ehrungen, Feste: Berufun¬
gen u. Ernennungen: s. a Tierärztliche
Lehranstalten. — Professor Abderhalden
zum Hilfsarbeiter bei der Technischen
Deputation. 536. — Prof. Abderhalden zum
Nachfolger Geh.-Rat Munks a. d. Tier¬
ärztliche Hochschule in Berlin. 172. —
Professor Durigs Berufung nach Berlin.
75. — Geheimer Med.-Rat Prof. Dr.
Frosch zum Nachfolger Prof. Dr. Oster¬
tags. 251. — Prof. Zwick-Stuttgart in
das Kaiserliche Gesundheitsamt. 484. —
Professor Dr. Thierfelder als Nachfolger
Hüfners auf den Lehrstuhl der physio¬
logischen Chemie in Tübingen. 637. —
Prof. Gürber in Würzburg für den phys.-
chem. Lehrstuhl in Marburg. 637. —
Prof. Frank-Gießen f. d. physiolog. Lehr¬
stuhl in München. 637. — Prof. Dr. Plate
als Nachfolger Haeckels. 963. — Prof.
Rubner als Nachfolger Du Bois Rey-
monds. 963. — Prof. Dr. Ellenberger zum
Mitglied d. Kaiserl.-Leopoldiniach-Karoli-
nischen Akademie der Naturforscher. 185.
— Landestierarzt Feist zum Geheimen
Regierungsrat. 185. — Ministerialrat Anton
Binder zum Wirklichen Medizinalrat 185.
— Prof. Dr. Mayr zum Nachfolger
Kitts. 251. — Prosektor Dr. Moser zum
Nachfolger Gutenäckers. 251. — Dr.
Franz Schmitt zum Nachfolger Prof.
Mayrs. 251. — Ablehnung 350. —
Dr. de Jong zum a. o. Professor für all¬
gemeine Pathologie an der Universität
Leiden. 323. — Geh. Reg.-Rat Prof. Dr.
Ostertag zum Direktor der Veterinär¬
abteilung im Kaiserlichen Gesundheitsamt.
323. — Veterinärrat Nevermann zum
Regierungs- und Veterinärrat. 323. —
Prof. Dr. Peter zum Staatstierarzt in
Hamburg. 350. — Schröter zum Lehrer a. d. j
Kolonialschule in Witzenhausen. 367. — !
Dr. D’heil zum Schlachthofdirektor in
Neuß a. Rh. ernannt 590. — Prof. C. 0.
Jensen und Prof. Dr. Fibiger zum Vor¬
sitzenden bzw. 8tellvertr. Vorsitzenden
des Ausschusses zur Erforschung der j
Krebskrankheit gewählt. 701. — Feld- j
veterinär P. L. Schmidt zum Chef des
Schwedischen Militärveterinärwesens er¬
nannt. 701. — Prof. Dr. Günther zum
Nachfolger Lechners. 985. — Oberst¬
leutnant Dreher zum Obersten. 91. —
Ehrungen: Denkmal für den verstorbenen
Professor Thomassen-Utrecht. 76. — Oster¬
tagfeier 91. 225. 296. — R. S. C.-Denkmal 107.
186. 351. 413; Einweihung 481. — Gedenk¬
tafel an der Militärveterinär-Akademie für
die gefallenen Veterinäre. 107. — Ab¬
schiedsfeier für Professor Dr. Kraemer in
Bern. 185. — Hofrat, Landestierarzt Dr.
Vaerst in den erblichen Adelsstand er¬
hoben. 185. — Denkmal für Professor
M. G. de Bruin. 318. — Auszeichnungen
der Landestierärzte von Bayern, Württem¬
berg und Baden durch das Komturkreuz
des österr. Franz Joseph-Ordens. 350. —
Dem Wirkl. Ob.-Reg.-Rat Beißwänger ist
das Ehrenkreuz des Ordens der Württem-
bergischen Krone mit dem persönlichen
Adel verliehen worden. 551. — Ein Alter
in Ehren. 37. — Verleihung des Ehren¬
kreuzes der Württembergischen Krone.
185. — Dem Andenken Nocards 222. —
Ordensverleihungen an den Unterstaats-
sekretär von Conrad, Geh. Ober-Reg.-Rat
Schröter und Wirkl. Geh.-Rat Ministerial¬
direktor Dr. Thiel. 963. — Geburtstage:
Sr. Majestät des Königs v. Preußen. 91.107.
— Sr. Majestät des Königs v. Sachsen. 398.
— Wulfhorst. 37. — Bezirkstierarzt Fuchs.
803. — Jubiläen: 50jähriges Dienst¬
jubiläum des Vet.-Rat Roskowski. 309;
Schlachthofdirektor Kleinschmidt. 350;
Siebert. 775; Bezirkstierarzt Fuchs. 803;
Mölter. 803; s. a. Berufsjubiläum. 855.
Nachrufe: Erxleben. 8. — Brücher. 32.
— Schümm. 100. — Hedwig Schmaltz.
221. — de Bruin. 221. — Schönwciler.
222. — Bongartz. 273. — Jorns. 273. —
Jamminger. 274. — Sindt. 318. — Rathke.
318. — Haß. 346. - Albrecht. 465. —
Thomas. 505. —- Munckel. 508. — Dittmer.
560. — Röttger. 589. — Decker. 605. —
Raben. 634. — Richter. 657. — Gebhardt.
698. — Schröder. 738. — Schnibbe. 755.
Dircks. 825. — Hein. 826. — Baldewein.
864. — Marchi. 928. — Niemela. 956.
— Langer. 957. — Dönicke. 957. —
Todesfälle: Geheimrat Prof. Dr. Karl
v. Voit 186. — Frau Professor Schmaltz.
156. — Professor Galtier-Lyon. 367. —
Rittergutsbesitzer Hirt-Kammerau. 484. —
Prof. Dr. Marchi. 551. — Korpstabsveterinär
a. D. Laug. 623. — Kreistierarzt Tielker.
623. — Geh.-Reg.-Rat Prof. Dr. Settegast.
636. — Verschiedenes: Tierärzte als
Stadtverordnete. 12. 884. — Beleidigung
eines Tierarztes. 12. — Danksagung für
die Anteilnahme beim Tode des Kreis¬
tierarztes Jeß. 100. — Dem Andenken
Nocards. 222. — Schlachthofdirektor
Suckow-Berg.-Gladbach zum Preisrichter
ftir die Kreis-St uten- und Fohlen schau
gewählt 484. — Persönliches zwischen
Veterinärrat Preuße und Prof. Malkmus.
590. — Warnung vor dem Tierarzt Stern
v. Felbaum. 637. — Hofrat Professor Dr.
Bayer, Rektor der Tierärztlichen Hoch¬
schule Wien in den Ruhestand getreten.
701. — Tierarzt Wiedemann-Charlotten¬
burg beteiligt an der Distanzfahrt Berlin-
München. 701. — Tierarzt Zschiesche in
Rostock zum Dr. phil. summa cum laude
promoviert. 913. — Prof. Dr. Lechner-
Wien in den Ruhestand versetzt. 985. —
Vereine, Versammlungen, Festlichkeiten : s. a.
Aufruf, Beamtenverein, Centralverband,
Chemiker,Fleischereiberufsgenossenschaft,
Genosenschaft, Gessellschaft, Kongreß.
Landwirtschaftsrat, Milchkontrollvereine,
XXVIII
Nahrungsmittel Chemiker, Nahrungsmittel¬
fabrikanten, Naturforschende Gesellschaft,
Naturforscherversammlung, Pferdezucht¬
vereine, Pressobureau, Schlachtviehver¬
sicherungsvereine, Tierschutz, Unter¬
stützungsverein, Veterinärrat, Zentral Ver¬
tretung. — Aachen 367. 803. — Baden
856. — Bayern (s. Namen der Kreis¬
vereine). — Verein beamteter Tierärzte
Preußens 126. 150. 165. 206. 226. 236.
252. 291. 308. 319. 440.456. 881. 882. 915.
Hohenzollerns 855. — Berlin 63. 63.
91. 212 324. 791. 835. 912. 913. - Bran¬
denburg 456. 791. 835. — Braun¬
schweig 436. 563. — Düsseldorf 311.
837. 986. — Elsaß - Lothringen 523.
— Hannover 507. — Hessen (s. a.
Wiesbaden) 699. 884. — Kurhessen 366.
467. 686. 790. — Lüneburg 539. —
Mecklenburg 803. — Ostpreußen 63.
623. 637. 776. 869. 935. - Pfälzer 540.
716. — Pommern-Stettin 60. — Posen
366. 435. 618. 760. 872. — Privattier¬
ärzte: Preuß. Verband 33. 62. 126. 131.
187. 212. 311. 366. 872. 882. 892. 908. —
Rheinprovinz 311 637.686. 715. — Sachsen,
Königreich 699. 700. 743. Provinz 381.436.
816. 826. 884. - Schlesien 382. 397. 776.
835. 964. — Schleswig 412. 686. 787. —
Thüringen 294. 324. 803. — Unterfranken
und Aschaffenburg 637. 936. — Westfalen
605.913. — Westpreußen 435.987. — Wies¬
baden 351. 856. 936. — Württemberg 187.
440. 451. 700 854. — Schlatjbthoftier-
ärzte: Preußen 114. 398. 491. — Rhein¬
provinz 296. — Westfalen 456. 872. 910.
— Schlesien 623. 637. — Tierärztever¬
sammlungen: Lüneburg 539. — Rhein¬
provinz 686. 760. — Stettin 792. — Rostock
913. — Schleswig 985.
Pfusoherei und Verwandtes: Kurpfuscher-
Gesetz. 153. 884. — Kurpfuscherei-Gesetz
v. Preuße. 210. — Entwurf des Kur¬
pfuschergesetzes v. Maier. 757. — Von
Pfuscherhand vorbehandeltes Pferd mit
Wundstarrkrampf v. Mayr. 26. — Über-
handnahme des Kurpfuschertums von
Raebiger. 104. 324. 367. 522. — Zur
Kurpfuscherfrage. 962. — Geheimmittel¬
anzeige. 368. — Zeichen der Zeit von
Doenhardt. 506. — Eingabe betr. Laien¬
geburtshilfe in Württemberg. 452. —
Laiengeburtshilfe bei Haustieren. 452. —
Tierärztliche Geburtshilfe v. Bischoff. 966.
— Auch ein Standesheber? v. Dr. Felisch.
312; Anmerkung v. Schmaltz. 312; Er¬
widerung v. Felisch. 348; Anmerkung v.
Schmaltz. 349; Erklärung des S. C. 383;
Anmerkung von Schmaltz. 383; Er¬
klärung des Korps Salingia. 414; Resolution
des tierärztlichen Vereins f. d. Reg.-Bez.
Merseburg. 414. — „Tierarzt“ Ludwig in
Habelschwerdt. 104. 324; Erklärung der
Direktion der Halensia. 367. 522. 536.
Ärzte und Universitäten: s. a. Tierärztliche
Lehranstalten, Persönliches (Ernennungen,
Berufungen), Zahnärzte. — „Universität“
Hamburg. 63. — Arbeitsplätze für Tier¬
ärzte im Institut für Krebsforschung in
Heidelberg. 186. — Wutschutzabteilung
am hygienischen Institut der Universität
Breslau. 257. — Vorbereitung zum staats¬
tierärztlichen Dienst an der Universität
Freiburg i. B. 311. — Beachtenswerte
Bundesratsentscheidung betr. Prüfungs¬
bestimmungen. 106. — Anrechnung tier¬
ärztlicher Studiensemester für das ärzt¬
liche Studium. 787. — Neue Studien- j
Ordnung für Zahnärzte 323. 396. — Vor-!
bildung der Zahnärzte. 935. — Voll¬
berechtigte weibliche Studenten. 636. —
Universitätssucht der Volksschullehrer v.
Schmaltz. 507. 623. — Hüfners Nachfolge.
399. 538. 637. — Prof. Gürber nach Mar¬
burg berufen. 637. — Prof. Frank an
Foits Stelle nach München berufen. 637.!
— Prof. Dr. Plate als Nachfolger Haeckels. j
963. — Prof. Rubner als Nachfolger Du- j
bois-Reymonds. 963. — Die neue Kaiser *
Wilhelm-Akademie. 539. — Ärzte und j
Staatsregierung. 155. — Ärztestreik in j
Köln. 414. — Verkauf der ärztlichen
Praxis und Konkurrenzklausel 465; An¬
merkung v. Schmaltz. 466. — Ärztliches
Einkommen. 539. — Bestimmungen über
die Beilegung des Titels Spezialarzt 636.
— Besitzrecht auf durch Operationen
entfernte Teile. 718. — Über die Pau¬
schalierung der Reisekosten und Tage¬
gelder der Kreisärzte. 185. — Besse¬
rung der Stellung der Kreisärzte. 415. —
Gehälter der Kreisärzte und Kreistierärzte J
v. Krüger. 906. — Berliner Akademische
Nachrichten. 539. — Berliner Akademische !
Nachrichten als neue Folge der Berliner j
Akademischen Wochenschrift 539. — Vor-!
Schriften für die Säuglingscrnährung. 701. i
— Hochschullehrertag zu Jena. 787.
Apothekenwesen: Handelsgesellschaft ;
deutscher Apotheker. 415. — Militär-
Apotbckenw'esen. 436. — Entwurf eines
Reichsapothekengesetzes. 451. — Apo- j
thekengesetz. 507.
Verschiedenes:. Aus den Memoiren des J
Generals der Artillerie Prinzen Hohen-
lohe-Ingelfingen. 11.380. — Haftpflicht!
des Tierhalters. 59 507. — Redaktions-,
Wechsel der Zeitschrift „Der Tierarzt“.
186. — Koloniale Preisausschreiben. 186.
— Vorlesungsverzeichnis der deutschen
Kolonialschule für das Wintersemester
1908/09. 718. — Ausstellungen für Pferde¬
schutz. 187. — Tierschutz und Tierschutz¬
verein v. Dr. Storch. 322. — Ergötzliche
Tierquälerei-Diskussion. 399. — Tier¬
schutzlehrstunden für Polizeibeamte. 399.
— Vereinigung für deutsche Mittelmeer¬
fahrten. 227. 324. 415. — Besichtigung
der Berliner städtischen Anstalten. 324.
— Kommunale Tätigkeit. 12. 884. — Be¬
tätigung von Tierärzten in den Kommunal¬
verbänden. 367; v. Meier. 601. — Rennsieg
des Tierarztes Volkmann. 367. — Ein
Tierarzt als erfolgreicher Herrenfahrer.
523. — Rietzei als Roßarzt von der
1. Reitenden (Gardefeldartillerie). 11; v.
Lührs. 380, 414; Anmerkung v. Schmaltz. '•
414. —Pfingstreise 1908. 383. — Technische '
Beamte des höheren Verwaltungsdienstes :
in Hamburg. 436. — Steuerangelegen¬
heiten. 452. — Gehaltsverhältnisse in den
kleinen Bundesstaaten. 539. — Neu¬
regelung der Gehälter der höheren Schul¬
anstalten Sachsens. 414. — Oberlehrer¬
laufbahn in Preußen. 539. — Berliner
Akademische Nachrichten. 539. —
Abiturientenüberschuß — Lehrermangel
in Hessen. 539. — Tierärztlicher Opti¬
mismus v. Haupt. 561. — Offener Brief
von Haupt. 606; Anmerkung von
Schmaltz. 606. — Die neue mecklen¬
burgische Taxe für Tierärzte, v. Teetz.
248. — Impfstoffe von Gans. 252. — Ge¬
bühren für Tierärzte und Sachverständige.
350. — Ein niedlicher Druckfehler. 367.
— Schutz gegen Insekten. 399. 399. —
Deutscher Richterbund. 563. — Warnung
vor Tierarzt Stern. 637. — Selbsthilfe
gegen unsere Taxe von Annodazumal.
660. — Anstellung eineB Kreismolkerei¬
inspektors. 701. — Vereinbarungen betr.
einen tierärztlichen Minimaltarif, v. Preuße.
712. — Erbetener Nachweis zur Nieder¬
lassung. 804. — Wohnungsgeldzuschuß
und Steuerprivileg der Beamten in
Preußen. 853. — Riesensenschmuggel¬
prozeß. 856.
Tannyl-Gehe. Ein neues Antidiarrhoicum mit
antiseptischer Wirkung. Org.-Art. v.
Dr. Roschig. 533.
Taube. — Merkwürdige Neubildung am Kopfe
einer — v. Dr. Klee. 178.
Taxe s. a. Gebühren.
Taxe von Annodazumal. — Selbsthilfe gegen
unsere — v. Schmaltz. 660. v. Masch. 979.
Taxe für Tierärzte. — Die neue Mecklen¬
burgische — v. Teetz. 248.
Taxe. — Unsere — v. Kissutb. 224.
Taxe in Württemberg. — Tierärztliche —
v. Beißwänger. 854.
Technische Beamte s. Verwaltungsdienst
Technische Hochschule s. Studentische Reform¬
gedanken.
Teilnehmer s. Kongreß.
Tenazität s. Bacillus suisepticus u. suipestifer.
Tendinitis beim Zuchtstier. v. Mayr. 26.
Tenotomie deB Perforatus in den sich wieder¬
holenden oder unheilbaren Formen der
Sehnenzerrungen, v. Quermau. 710.
Terminologie s. Säugetierleber.
Tetanus s. a. Curare.
Tetanus und seine Entstehung. — Der lokale — v.
Dr. Pochhammer. 392.
Tetanus. — Experimentelle Beiträge und Demonstration
lur Pathogenese des — v. Pochhammer. 903.
Tetanusantitoxin bei Starrkrampf der Schafe,
v. Haubold. 977.
Teuerungs-Gehaltserhöhungen in Frankreich.
139.
Texasfieber s. Bluthamen.
Theiler s. Trypanosoma.
Therapie s. Virulenz.
Therapogen zur Desinfektion der Geburtswege,
v. Trommsdorf. 430.
Thermo- und Triboelektrizität zur Elektro-
physiologie. — Über Beziehungen der —
v. Studte. 480.
Thomas s. Rauschbrand.
Thrombose beim Pferd, v. Sehaller. 679.
Thrombose der Pfortader bei einer Kuh. Von
Göhre. 848.
Thrombose der Lungenarterien bei 2 Rindern,
v. Berger. 7.
Thüringen. 660.
Thüringer Pillen s. Lageman.
XXIX
Thyreoidektomie bei Ziegen. — Beiträge zum j
Studium der Folgen der — v. Professor
Dr. Zietzschmann. 519.
Tick-fever contre les anticorps. — Immuni-
sation des spirilles de la — v. Levaditi
et Rochö. 583.
Tick-fever. — Les opsonines et la mechanisme
de la cri8e dans la — v. Levaditi et
Rochö. 583.
Tierärzte I. u. II. Klasse? v. Gebhardt. 363.
606.
Tierärzte und Milchkontrolle v. Meßner. 646.
Tierärzte in der Öffentlichkeit — Betätigung
der — v. Meier. 601, s. a. Kommunal¬
verbände.
Tierärzte in der Schweiz. — Zahl der — 718.
Tierärztekammergesetz s. Gesetze.
Tierärztekammern s. Brauch und Mißbrauch.
Standesvertretung.
Tierärztetag. — Rheinischer — 686, 760.
Tierarzt s. Beleidigung, Redaktionswechsel,
Stadtverordneter, Standesvertretung, Stu¬
dienordnung, Tagesgeschichte (Pfuscherei),
Taxe, Wohnortsangabe.
Tierfetten. — Schmelzveränderungen von —
585.
Tiergeschichte s. Albertus magnus.
Tierhalters. — Haftpflicht des — 59, 507.
Tierkadaver s. Abdeckerei wesen.
Tierkörpermehle Ptomaine und Toxine? —
Enthalten die — v. Dr. Häfcke. 838.
Tierkörpervernichtungsanstalt in Köln. 853,
Tiermedizin und Tierzucht, v. Dr. Lothes. 802.
Tierproduktion, exotische, v. Sperl. 792.
Tierquälerei s. a. Gerichts-Entscheidungen.
Tierquälerei-Diskussion. — Ergötzliche — 399.
Tierschutz und Tierschutzverein, v. Dr. Storch.
322.
Tierschutzlehrstunden für Polizeibeamte im
Wuppertaler Tierschutzverein. 399.
Tiersera. — Beitrag zur Biologie normaler —
v. Rißling. 288.
Tlerser*. — Beitrag aur Biologie normaler — v. Riß-
liog. 288.
Tierseuchen: Statistik s. d. Ländernamen, s. a.
Landwirts chaftsrat. 252.
Tierseuchen im Lichte chinesischer Auffassung
und ihre etwaige Bekämpfung. — Orig.-Art.
v. Pfeiffer. 441.
Tierseuchen-Anzeiger. 195.
Tierseuchenbekämpfung im Felde von Dr.
Glaesmer. 954.
Tierseuchendienst s. Frankreich.
Tierseuchenflugblatt aus dem 18. Jahrhundert
— Ein Nürnberger — v. Dr. Schöppler. 254.
Tierseuchengesetz s. Reichstagskommission.
Tierseuchengesetz statt Viehseuchengesetz.
Eingabe des Deutschen Veterinärrats an
den Reichstag. 379.
Tierversuch s. Atoxyl.
Tierzucht: s. a. Grasfluren, Nutzgeflügel-
zucht, Scheidenkatarrh, Versicherungs¬
wesen, Viehbestand, Viehzucht, Württem¬
berg. — Landespferdezucht-Kommission.
107. — Rheinischer Pferdezuchtverein.
240. — Der infektiöse Scheidenkatarrh
und seine Bedeutung für die nassauische
Viehzucht v. Wenzel. 325. — Jahrbuch
der Deutschen Landwirtschafts-Gesell¬
schaft. 508. — Über die 22. Wander¬
ausstellung der Deutschen Landwirtschafts¬
gesellschaft in Stuttgart - Cannstatt v.
Maier. 524. — Welche Aufgaben stellt die
moderne Forschung in der Tierzucht an die
praktischen Tierärzte? v. Prof. Dr. Müller.
551. — Gebühren für Behandlung der
Gestütspferde. 562. — Deutsche Austem-
zucht. 574. — Aalbrut 574. — Kaninchen-
Zuchtanstalt 574. — Über die Vererbung
von Farben und Abzeichen beim Pferd v.
Kiesel. 592. — Schutz der Viehzucht bei
vorübergebender Fleischteuerung. 647. —
Mastviehausstellung in Stuttgart. 648. —
Eine berühmte Zuchtstute. 660. — Speziali¬
sierung der Rassen v. Boucher. 701. —
Zur Frage der Mitwirkung der Tierärzte
in den Körungskommissionen. 33. — Be¬
sichtigung des Gestüts Trakehnen durch
die Deutsche Kaiserin. 775. — Exotische
Tierproduktionen v. Sperl. 792. — Ab¬
schüssige Kruppe v. Hink. 792. — Teil¬
nahme der Tierärzte an der Pferdezucht
v. Matthiesen. 801. — Tiermedizin und
Tierzucht v. Dr. Lothes. 802. — Tierzucht¬
inspektoren in Pommern. 963.
Tierzuchtinspektoren in Pommern. 963.
Titelfrage. 226; in Bayern. 959.
Todesfälle s. Tagesgeschichte (Persönliches).
Tollwut 8. Biß Verletzungen, Schlesien, Statistik
s. d. Ländernamen.
Tollwut. — Einiges über — v. Dammann u.;
Hasenkamp. 978.
Tollwut erkrankten oder intravenösen In¬
jektionen vonTollwut-Virus unterworfenen
Herbivoren. — Über die Unschädlichkeit
der Milch der an — v. Nicolas. 504.
Tollwut in China v. Pfeiffer. 446.
Tollwut bei Schweinen 788.
Tollwutgesetz. 189.
Tollwutkörperchen s. Negrische.
Tonsillen s. Rotlaufbazillen.
Torsio Uteri v. Frasch. 430.
Torsio uteri ante cervicem. — Ein Fall von
— v. Keller. 55. Ein weiterer Fall. Orig.-
Art. v. Dr. Köhler. 428.
Toxikologie s. Morphium.
Toxikologisches. 585. .
Toxine s. Tierkörpermehle.
Trächtigkeit s. Leukocytose.
Trächtigkeit des Rindes. — Diagnose der —
v. Dr. Zieger. 901.
Trächtigkeitsstempel in Wien. 815.
Tränendrüse unserer Haussäugetiere. — Ein
Beitrag zur Kenntnis des histologischen
Baues der — v. Dr. Hornickel. 671.
Tragbahre s. Wurf zeug.
Tragranderweiterung belasteter gesunder Hufe.
— Neue Beweise für die — v. Prof.
Dr. Lungwitz. 303.
Trakehnen. 775.
Transplantation s. Lappentransplantation.
Transport s. Gewichtsverlust, Konfiskate, See¬
fische.
Transport von Eis. 495.
Transportkrankheit s. Kolibakterienseptikämie.
Transportunfähige Tiere. 261.
Triboelektrizität s. Thermoelektrizität.
Trichinen — Vorkommen der — in Schweden
v. Nystedt. 848.
Trichinenepidemie in Rothenburg. 647.
Trichinenkrankheit der Schweine und ihre |
Bekämpfung durch Vernichtung der Ratten i
mittelst Ratin v. Dr. Bartels. 619; Be¬
richtigung. 760.
Trichinenschau in Bayern. — Einführung der
— 493. 647.
Trichinenschau in Dänemark. — Notwendig¬
keit der — 139.
Trichinenschau inKissingen. — Einführung
der — 701.
Trichinenschau in Württemberg. — Einführung
der obligatorischen — 854. 941.
Trichinenschau. — Kosten der — v. Böhm.
572.
Trichinenschauverordnung in Mecklenburg-
Schwerin. 493.
Trichinose. 439; s. a. Muskeltrichinose.
Trockenmilch s. Milch.
Trokar und Hohlnadel zur Entleerung von
Darmgasen oder Flüssigkeiten in der Tiefe
der Bauchhöhle nach Hoffmann. 461.
Trommsdorff s. Bissulin. 913. 963.
Trommsdorffsche Milcheiterprobe. — Erfreu¬
liche Folgen der — v. Dr. Rullmann. 941.
Trommsdorffsches Leukocyten-Verfahren. 728.
Tropenbygiene und Protozoenkrankheiten v.
Dr. Sieber. 285. 582.
Tropenmedizinische Gesellschaft. — Deutsche
— 324.
Tropidocerca fissispina. — Eutererkrankung
durch — 616.
Tryp. — Concerning the treatment of ex¬
perimental — von Moore, Nierenstein,
Todd. 583.
Trypanosoma Theileri im südlichen Deutsch-
Ostafrika v. Stolowsky. 286.
Tryp&nocoma des Wisent von Bieloweseh ▼. Wru-
blewski. 903.
Trypanosomata observed in bovines in India.
— Different species of — v. Lingard. 582.
Trypanosomen s. Tabes.
Trypanosomen, ihre Bedeutung für Zoologie,
Medizin und Kolonialpolitik. — Die krank¬
heitserregenden — v. Prof. Doflein. 869.
Trypsanosomes. — La volutine chez les —
v. Swellengrebel. 583.
Trypanosomiasis in Senegal. — Animal —
v. Thiroux and Teppaz. 582.
Trypanosomiasis in the Kongo Freestate. —
Cattle — v. Dutton, Todd and Kinghorn.
583.
Tuberkel s. Aufblähen.
Tuberkelbazillen. — Eine neue Färbungs¬
methode der — v. Betegh. 219; Be¬
richtigung. 248.
Tuberkelbazillen. — Über Resorption körper¬
licher Elemente im Darm, mit besonderer
Berücksichtigung der — v. Orth und
Rabinowitsch. 928.
Tuberkelbazillen in den Lymphdrüsen des
Rindes und Schweines. — Untersuchungen
zur Frage des Vorkommens latenter —
v. Prof. Dr. Joest, Noack und Liebrecht.
245.
Tuberkelbazillengehalt des Fleisches und
Blutes. 493.
Tnberkelbazillus s. Kocb.
Tuberkel-Diagnostikum — Höchst. 273.
Tuberkel-Sozin v. Klebs. 273.
Tuberkulin s. Milchsekretion.
Tuborkulinanwendung in der Lungentuber¬
kulose vom klinischen Standpunkt, v. Dr.
Dluski. 737.
Tuberkulinimpfung s. Fleischerverband.
XXX
Tuberkulinimpfung. — Resultate einer —
v. Ländler. 632.
Tuberkulinprobe in der tierärztlichen Praxis.
— Die kutane und konjunktivale — von
Sekyra. 848.
Tuberkulinprüfung s. Tuberkulose.
Tuberkulinreaktion v. Dr. Garth, Dr. Kranich
u. Grunert. 848.
Tuberkulinreaktion beim Rinde. — Beitrag
zur kutanen und konjunktivalen — Orig.-
Art v. Reinecke. 313; Tabelle. 340.
Tuberkulinreaktion beim Rind. — Die kon¬
junktivale — Orig.-Art. v. Dr. Wölfel. 369.
Tuberkalinreaktion. — Über die — v. Eisen. 604.
Tuberkulöse Veränderungen bei einem Huhn.—
Hochgradige — v. Volkmann. 614.
Tuberkulösen Kuh teils nach Reims, teils
nach den Ardennen. — Versendung einer
— 139.
Tuberkulose s. a. Atheromatose, Bovovacci-
nation, Chorioiditis, Dorscblebertran,
Eutertuberkulose, Hirnhaut, Kehlkopf,
Leukocytose, Milchwirtschaft, Ophthalmo¬
reaktion, Opsonischer Index, Pseudotuber¬
kulose, Rindertuberkulose, Scheidentuber¬
kulose, Statistik s. d. Ländernamen.
Tuberkulose s. Geflügel. Karzinom. Ohrläppchen. Opb-
thalinodiagnose. Säugetier.
Tuberkulose. — Neue Methoden zur Frühdiagnose der —
v. Calinette 849.
Tuberkulose. — Ein Vorschlag zur Therapie der —
v. Dr. Schrakamp. 287.
Tuberkulose. — Neue Gesichtspunkte der —
v. Rothschild. 737.
Tuberkulose. — Beiträge zur Lehre von der
Entstehung der — v. Bongert. 389.
Tuberkulose, v. Dr. Mießner. 737.
Tuberkulose. — Angeborene — v. Reichert.
516.
Tuberkulose. — Die experimentelle ente-
rogene — v. Prof. Orth. 869.
Tuberkulose im ersten Stadium; Bemerkung
zu „Fehldiagnosen mit der Tuberkulin -
Prüfung“. — Die anatomische Diagnose
der — Orig.-Art. v. Prof. Dr. Hottinger.
232.
Tuberkulose im 4. Vierteljahr 1907. — Er¬
gebnisse derüntersuchungen der Rindvieh¬
bestände in den Quarantäneanstalten. 568.
Tuberkulose des Bauchfells und der abdo¬
minalen Lymphdrüsen beim Rinde durch
rektale Untersuchung. — Klinische Dia¬
gnostik der — Orig.-Art. v. Storch. 141.
Tuberkulose kompliziert mit Brustseuche v.
Prof. Dr. Fröhner. 358.
Tuberkulose nach dem Beringschen Ver¬
fahren. — Versuche der Immunisierung von
Rindern gegen — v. Prof. Dr. Dammann.
978.
Tuberkulose zweier Nieren vom Schwein. —
Atypische — v. Sommer. 661.
Tuberkulose — bei den in öffentlichen
Schlachthäusern geschlachteten Tieren. —
Die Befunde von — 646.
Tuberkulose beim Pferde. — Ein interessanter
Fall von — v. Behr. 680.
Tuberkulose der Rinder nach v. Behring. —
Fünfjährige Erfahrungen über die Schutz¬
impfung gegen die — Orig.-Art. v.
Dr. Strelinger. 385.
Tuberkulosebekämpfung v. Prof. Dr. Zschokke.
357. v. Rautmann. 830.
j Tuberkulosediagnose bei den Tieren, vor-
! nehmlich den Rindern, durch gleichzeitige
I Anwendung der Ophthalmo- und der
! Kutireaktion. v. Lignteres. 147.
Tuberkulosefälle der Landwirtschaftskammer
in Königsberg. — Demonstration offener —
v. Dr. Johann. 935.
Tuberkuloseforschungen. — Neuere — v.
Prof. Dr. Kitt. 217.
Tuberkulosekongreß in Amerika. — Inter¬
nationaler — 106, 367. 744.
Tuberkulosemittel. — Neue — v. Gärard und
Lemoine. 272.
Tuberkulose. — Zur Frage der Schutzimpfung
von Rindern gegen — v. Prof. Dr. Hutyra.
463.
Tuberkulose-Schutzimpfverfahren für Rinder
mit Hilfe nicht infektiöser Impfstoffe. —
Das Dresdener — Orig.-Art. v. Prof. Dr.
Klimmer. 241.
Tuberkulose-Schutz- und Heilimpfung der
Rinder. — Das Heymannsche Verfahren
zur -— v. Raebiger. 833.
Tuberkuloseschutzimpfungen. — Beiträge zu
den — v. Jungklaus. 214.
Tuberkulosetilgung. Demonstrationen in
Königsberg. 770.
Tuberkulosetilgung nach Ostertag. — Zwei
Jahre — Orig.-Art. v. Eberhard. 143.
Tuberkulosetilgungsresultate v. Prof. Ujhelyi.
203.
Tuberkulose - Toxin. — Ein mit ölsaurem
Natron und Lecithin hergestelltes hoch¬
wertiges — Orig.-Art. v. Dr. Zeuner. 653.
694.
Tübingen s. Hüfners Nachfolger. 399.
Tumor s. Osteofibrom.
Tumorgenese. — Über die — v. Dr. Jaeger. 773.
Tympanitis des Luftsackes v. Kettner. 147.
Tympanitis und chronische lymphatische
Leukämie beim Elefanten v. Jakob. 768.
Typhus s. Atoxyl.
Typhus - Coli - Gruppe s. Schlachttierkrank¬
heiten.
Typbus durch die Milch. — Übertragung von
— 942.
Typhus recurrens s. Serotherapie.
Typhi» 8. Ophthalmoreaktion.
Überbein s. Antiperiostin.
Überfruchtung (Superfoetatio) bei einer Sau.
357.
Ulcus ventriculi. — Orig.-Art. v. Schütt 706.
Ultram ikroakopfoeh a. Infektionserreger.
Ultraviolettes Licht s. Milch.
Unempfindlichkeit s. Vorderschenkel.
Unfall s. Haltbarmachung,
Unfallstatistik s. Fleischereiberufsgenossen¬
schaft.
Unfruchtbarkeit bei Kühen und ihre Behand¬
lung v. Albrechtsen. 598.
Ungarn s. a. Budapest - Österreich. Zur
Geschichte des Hufeisens in Ungarn
(mit Bezugnahme auf die Grabfunde aus
der Arpädenzeit) v. Dr. Zimmermann. 359.
— Der Vertrieb und die Kontrolle der
tierischen Impfstoffe und Sera in Ungarn.
Orig.-Art. v. Märai. 475. — Milch wirt¬
schaftlicher Weltverband. 648. — Seuchen¬
nachrichten. 991.
Ungt Hydrargyri cinereum. 585.
Universität 8. Tagesgeschichte.
Universitätssucht der Volksschullehrer v.
Schmaltz. 623.
Unschädlich s. Seuchenkadaver.
Unterbinden s. Blutstillungszange.
Unterhautzellgewebe s. Ester-Dermasan.
Unterkiefer s. Osteofibrom.
Unterstützungen. — Literarische — v. Aller.
914
Unterstützungsverein für Tierärzte. 155. 322.
983.
Untersuchung s. Fleischbeschau.
Untersuchungsräume s. Schlachthof.
Unterveterinäre. — Zur Lage der — 550.
Urämie infolge primären Carcinoma der
linken Niere bei einem Hunde. —
Chronische — v. Habacher. 100.
Urämie infolge Verwundung bei einer jungen
Katze. — Koprostase und comatöse —
v. Grobon. 501.
Usambara s. Piroplasma.
Uterus s. Torsio, Laparatomie.
Uteruskarunkeln (Semiplacenta materna) beim
Rind. — Berechnung der Oberfläche der
— v. Dr. Rörik. 97.
Utrecht s. Niederlande.
Vaerst in den Adelsstand erhoben. 185.
Vena coronaria. —- Verletzung der — v. Dr.
Vogel. 596.
Verantwortlichkeit der Veterinäre von
Maximilian. 684.
Verband der praktischen Tierärzte s. Tages¬
geschichte (Vereine).
Verbandhalter. — Ein neuer — Orig.-Art. v.
Barnick. 340.
Verbesserung s. Schlachthofwesen.
Verdun s. Desinfizierung.
Vereine s. Vereinigung, Pferdezuchtverein,
Tagesgeschichte.
Vererbung von Farben und Abzeichen beim
Pferd, v. Kiesel. 592.
Verfügungen s. Ministerialverfügungen, Ver¬
ordnungen, Landespolizeiliche Anordnung.
Vergiftungen: s. Agrostemma Githago,
Alkohol, Bleivergiftung, Brechweinstein,
Brennessel, Brot, Eihäute, Erdnußkuchen,
Fleisch, Fleischvergiftung, Gänsefleisch,
Gelbertiben, .Lysol, Mückenstiche, Not¬
schlachtung, Phosphor, Pilze, Quecksilber,
Rostpilz, Schlachttierkrankheiten, Strych¬
nin, Ungt. Hydrargyri cinereum.
Vergotinine bei Lungendämpfigkeit, v. Train.
244.
Verimpfung s. Schweineseuche.
Verkauf s. Praxis.
Verkaufen. — Feilbieten und — 493.
Verknöcherung s. a. Hufknorpelfesselbeinband.
Verknöcherung der Hufknorpel beim Pferde,
v. Dr. Zimmermann. 679.
Verletzungen s. Wirbelsäule, Vena coronaria.
Vermittlungsstelle s. Schlachthofdienst
Vernichtung s. Abdeckereifrage.
Verordnungen: s. Abdeckereiwesen, Be¬
schauzwang, Betäubung, Fleischbeschau¬
verordnungen, Gesetze, Influenza, Konfis-
katbehälter, Landespolizeiliche Anord¬
nungen, Landwirtschaftskammer, Lungen¬
seuche, Milzbrand, Preistafeln, Schafräude,
Schlachthofzwang, Trichinenschau, Veteri¬
närpolizei, Wurstbereitung.
XXXI
Verproviantierung s. Fische. !
Versicherungsgesetz. 75.
Versicherungsvertrag s. Viehversicberungs-
vertrag.
Versicherungswesen: Zu dem Gesetzent¬
wurf über den Viehversicherungsvertrag
v. Maier. 59. 881. — Die größeren deut-,
sehen Vieh-Versicherungsgesellschaften am
Schluß des Jahres 1906 v. Dr. Plath. 63;
1907. 590. — Entwurf eines Versicherungs¬
gesetzes. 75. — Invalidenversicherungs¬
pflicht der Fleischbeschauer. 192. — An- j
derung des Gesetzes über die staatliche
Schlachtviehversicherung im Fürstentum
Kcuß j. L. 260. — Private Schlachtvieh¬
versicherungsvereine. 260. —* Fleischpreise
der sächsischen Schlachtviehversicherung
1908. I. Qu. 47. II. Qu. 335. III. Qu.
495. IV. Qu. 839. — Schlachtviehver¬
sicherung. 494. — Geschäftsbericht der
Bayerischen Landes - Viehversicherungs¬
anstalt für das II.Versicherungsjahr 1906/07
v. Maier. 574. — Geschäftsbericht der An-}
stalt für staatliche Schlachtviehversiche -1
rung im Königreich Sachsen für das Jahr
1907. 607. — Preußischer Beamtenverein j
zu Hannover, Lebensversicherungsverein ,
auf Gegenseitigkeit. 637. — Geschäfts- j
bericht der Bayerischen Landes-Pferde- <
Versicherungsanstalt für das VII. Ver¬
sicherungsjahr 1906/07 v. Maier. 686. —
Lokale Schlachttierversicherungen v.
Volmer. 910.
Vertretungen s. Schlachthofdienst.
Vertretung beamteter Tierärzte. — Verfügung
betreffs Erkrankung und — 963.
Verurteilung s. Gerichtsentscheidungen, Nah¬
rungsmittelgesetze.
Verwaltungsdienstes in Hamburg. — Tech¬
nische Beamte des höheren — 436. 451.
Verzollung s. Viehhandol.
Veterinärbeamtentums. — Vorschläge zur
Neuorganisation des — v. Graffunder. 682.
Veterinärchirurgie s. Empfindungslosigkeit.
Veterinäre s. Tagesgeschichte (Militärveteri¬
näre), Verantwortlichkeit.
Veterinärinstitut s. Tagesgeschichte (Tierärztl. J
Lehranstalten). * 1
Veterinärinstitutes zu Gießen. —- Zur Ge-1
schichte des — 561. I
Veterinärmedizin s. Atoxyl. Seife. j
Veterinäroffizierkorps s. Tagesgeschichte
(Militärveterinäre).
Veterinärpolizei: s. a. Gerichtsentschei¬
dungen, Seuchen, Standesvertretung,
Tagesgeschichte (Staatsveterinär weBen). —
Die Lage der praktischen Tierärzte und ihre
Beteiligung bei der Veterinärpolizei v.Prof.
Dr. Schmaltz. 180. — Landespolizeiliche
Anordnung, betreffend Untersuchung von
in den Landespolizeibezirk Berlin einge¬
führten Rindern. 940; Gebührentarif. 940.
Veterinärrat an den Reichstag. — Eingabe
des Deutschen — 379.
Veterinärrats zu Stuttgart. — Vorbereitung
zur XI. Plenarversammlung des Deutschen
— 452.
Viandes metsaines. — Les — 494.
Vieh. — Versorgung durch heimisches — 815.
Viehbestand der Erde. 607; Großbritanniens im
Jahre 1907. 607.
Vieheinfuhr s. Viehhandel. !
Viehhändler. — Forderungen der — 261. \
Viehhandel: s. a. Einfuhrverbot, Fleischer¬
verband, Gesundheitszeugnisse, Grenz¬
verkehr, Handelsvertrag, Häutehandel,
Schlachtgewicht, Schlachtvieh, Schweine¬
preise, Statistik s. d. Ländernamen, Vieh¬
bestand, Viehproduktion, Viehzählung,
Wildverkauf, Zoologische Gärten. —
Kleiner Grenzverkehr. 21. — Reformen
im Viehhandel. 23. — Zentralstelle für
genossenschaftliche Viehverwertung in
Bayern. 23. — Gewichtsverlust des
Schlachtviehs auf dem Transport. 45. —
Der Viehhandel in seinen verschiedenen
Formen als Quelle der Seuchenverbreitung
und die Vorbeugungsmaßnahmen v. Dr.
Hohmann. 108. — Ausdehnung des Ein-
und Durchfuhrverbots wegen Ausbreitung
der Maul- und Klauenseuche in der
Schweiz. 195. — Kontrolle der Vieh- und
Fleischpreise. 196. — Handel nach Lebend- -
gewicht. 261. — Durchschnittliches
Schlachtgewicht. 261. — Bestimmung des
Gewichts bei der Verzollung des Viehs. *
261. — Forderungen der Viehhändler. 261. 1
— Transportunfähige Tiere. 261. — Vieh- 1
handel in Chicago. 262. — Mastvieh- J
ausstellung in Hamburg. 262; Stuttgart. I
648. — Parlamentarische Studienreise auf |
österreichischen Viehmärkten. 332. — Zur j
Einfuhr dänischen Viehs. 569. — Forde¬
rungen der Fleischer. 571. — Einfuhr von .
Fischen, Amphibien, Weichtieren und j
Krustentieren nach Deutschland im Jahre |
1907. 573. — Vieh- und Schlachthöfe im i
Jahre 1903 oder 1903/04 v. Rahts. 570. — j
Transport lebender Seefische. 573. — Zur j
Versorgung Berlins mit Fischen. 573. — |
Austernfang in der Nordsee. 574. —
Kaninchenhandel. 574. — Konservierung;
der Eier. 574. — Eiereinfuhr. 574. —
Pinguineneier. 574. — Gesetzentwurf be-!
treffend den Viehhandel. 788. — Deutsche |
Schlachtviehmärkte. 813. — Statistik des
Schlachtviehhandels. 814. — Schlacht¬
gewicht. 814_Viehpreise. 814 (s. a. |
Fleischpreise). — Trächtigkeitsstempel in
Wien. 815. — Versorgung durch heimisches ,
Vieh. 815. — Einfuhr von Rindern und
Ziegen aus der Schweiz nach Bayern. 837.
— Reichsgesetz betr. Preisfeststellung,
beim Schlachtvieh. 837. — Hengstkörung j
und Hengstmarkt am 28., 29. und 30. Januar
1909 in Oldenburg i. Gr. 914. — Protest <
gegen den Viehhandel nach Lebend¬
gewicht. 941. i
Viehhof s. Düngerproduktion. '
Vieh- und Schlachthöfe. 570.
Vieh- und Schlachthöfe im Jahre 1903 oder !
1903/04. v. Prof. Rahts. 570.
Viehmarkt s. Tiermarkt, Viehhandel.
Viehpreise. 814; s. a. Fleischpreise.
Viehproduktion und ausländische Futtermittel.
569.
Viehschmuggel. 941; s. a. Riesenschmuggel¬
prozeß.
Viehseuchen s. a. Tierseuchen.
Viehseuchen, — Die Bekämpfung der afri¬
kanischen — 155.
Viehseuchengesetz s. a. Gesetze, Tierseuchen¬
gesetz.
Viehseuchengesetz. 59. 75. 84. 100. 104. 107.
124. 126. 187. 252. 253. 259. 295. 326.
Viehseuchengesetz im Landes - Ökonomie-
Kollegium. 187.
Viehseuchengesetzes im Reichstag. — Be¬
ratung des — 295.
Viehseuchenkommission des Reichstages. 104.
253. 326.
Viehseuchenstatistik. — Verfügung, betreffend
- 330.
Viehseuchennnterdrückung s. Landwirtschafts¬
rat.
Viehversicherung 8. Versicherungswesen.
Viehversicherungsgesellschaften am Schluß
des Jahres 1906. — Die größeren deutschen
- v. Dr. Plath. 63; 1907. 590.
Viehversicherungsvertrag. — Zu dem Gesetz¬
entwurf über den — v. Maier. 59. 381.
Viehverwertung s. Viehhandel.
Viehwäbrschaftsgesetz. 133.
Viehzählung in Preußen. 701. 913.
Viehzucht s. Tierzucht.
Viehzucht in Deutsch-Südwcstafrika und zur
Bekämpfung der afrikanischen Vieh¬
seuchen. — Maßnahmen zur Förderung
der — v. Preuße. 415.
Virulenz und Therapie v. Prof. Dr. Preisz. 862.
Virus s. Schweinepest.
Vögel s. Muskeltricbinose.
v. Voit s. Tagesgeschichte. (Persönliches
[Todesfälle]).
Volksschullehrer. — Ausbildung der 5<)7.
Volksschullehrer. — Universitätssucht der -
v. Schmaltz. 623.
Volvuli s. Aneurysma.
Vorderextremitäten s. Schale.
Vorderschenkel und die Unempfindlichkeit
beim Treten auf die Krone. — Unter¬
suchungen über das künstliche Kreuzen
der — v. Dröge. 358.
Vorfall s. Mastdarmzerreißung.
Vorlesungsplan s. Tagesgeschichte (Tier¬
ärztliche Hochschule).
Vulva s. Aktinomykom.
Walflschmilcb. — Zusammensetzung der — r. Si heibe. 3M:>.
Wanderausstellung s. Landwirtschaftsgescll-
schaft.
Warnung v. Felbaum. 637.
Wassermann s. Schweineseuche.
Weichtiere s. Viehhandel.
Weltverband. — Milchwirtschaftlicher — 648.
Wertbestimmung s. Grasfluren.
Westpreußen s. Landwirtschaftskammer.
Wett-Eierlegen deutscher Hühner. 179.
Widerstandsgrad s. Magenwand.
Wiederkäuer s. Magendarmkatarrh.
Wiegen s. Schlachtgewicht.
Wiegeordnung. — Vorschriften für die — 913.
Wien: Demonstration der Studierenden an
der Wiener Tierärztlichen Hochschule, v.
Schmaltz. 351. — Der Wiener Studenten¬
krawall. 381. — Hofrat Professor Dr.
Bayer, Rektor der Tierärztlichen Hoch¬
schule Wien in den Ruhestand getreten.
701. — Trächtigkeitsstempel in Wien.
815. — Prof. Dr Lechner durch Prof. Dr.
Günther ersetzt. 985.
Wiesenheu s, Grasfluren.
XXXIL
Wiosentypen s. Grasfluren. '
Wild s. Freizügigkeit.
Wildbret. — Fleischbeschau beim — 45.
Wildbret. — Über die Notwendigkeit der
Ausdehnung der Untersuchung (Fleisch¬
beschau) auf das — v. Borchmann. 44. ,
Wild- und Rinderseuche. 328. i
Wild- und Rinderseuche. — Zur Biologie des j
Erregers der — v. Ostertag. 697.
Wildverkauf während der Schonzeit. 494.
Windkolik beim Pferd. — Einige Betrachtungen I
über die — v. Prof. Hendrickx. 448.
Winslow 8. Dünndarmeinschnürung.
Winterfest der Tierärztlichen Gesellschaft zu |
Berlin. 63. i
Wirbelsäule beim Rinde. — Verletzung der j
— v. Tapken. 202. j
Wissenschaftliche Abende der Assistenten |
der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden I
im Winter 1906/07. XX.-XXII1. Abend. |
661. (Beilage).
Witzenhausen — Kolonialschule in — 367.
Wochenschrift. — Kündigung der Deutschen j
Tierärztlichen durch den Landes verein i. |
Württemberg. 452. i
Wohnortsangabe. — Verzeichnis der Tierärzto
ohne — 511. |
Wohnungsgeldzuschuß u. Steuerprivileg der i
Beamten in Preußen. 853.
' Wölfisches Stipendium. 718.
Württemberg: s. a. Tagesgeschichte (Per¬
sönliches und Pfuscherei). Wochenschrift.
Übernahme der Fleischbeschaugebühren
durch den Staat. 138. — Gehaltsauf¬
besserungen in Württemberg. 252.452. —
Entwurf einer Gebührenordnung für die
wiirtteiubergischen Tierärzte. 451. — Ent-,
wurf eine§ Erlasses des Ministeriums des j
Innern betreffend die Jahresberichte der
Oberamtstierärzte. 452. — Entwurf eines
Reichsapothekengesetzes. 451. — An-!
Stellung eines Lehrers für Tierzucht an i
der Hochschule in Stuttgart. 452. — Tier-1
ärztliche Standesfragen in Württemberg i
v. Metzger. 453. — Dem Wirk!. Ober-1
Reg.-Rat Beißwänger ist das Ehrenkreuz j
des Ordens der Württembergischen Krone |
mit dem persönlichen Adel verliehen
worden. 551. — Neue Gebührenordnung j
in Württemberg. 590. — Über die 22. j
Wanderausstellung der Deutschen Land- j
Wirtschaftsgesellschaft in Stuttgart-Cann¬
statt. v. Maier. 452. 524. — Steuerange¬
legenheiten in Württemberg. 452. —
Tierärztliche Taxe in Württemberg, von
Beißwänger. 854. Errichtung besonderer
Professuren für animalische Nahrungs¬
mittelkontrolle an den Tierärztlichen
Hochschulon. 854. — Erweiterung der Be¬
fugnisse der Schlachthoftierärzte 854. —
Einführung der obligatorischen Trichinen¬
schau in Württemberg. 854. 941. — Ertrag
der Milchwirtschaft in Württemberg 944.
— Gebühren und Reisekosten der Ober¬
amtstierärzte in Württemberg. 960.
Wundheilung und Narbcnbildung beim Haus¬
geflügel v. Schräpler. 164.
Wundstarrkrampf. — Von Pfuscherhand vor¬
behandeltes Pferd mit — v. Mayr. 26.
Wuppertal s. Tierschutzlehrstunden.
Wurftuberkulose s. Scheidentuberkulose.
Wurfzeug nach Landestierarzt Blume. 245.
Wurfzeug und eine Tragbahre für Pferde. —
Ein neues - Orig.-Art. v. Konge. 580.
Wurmfarnwurzel s. Filmaron.
Wurmseuche s. Lungenwurmseuche.
Wurst s. a. Brühwürstchen.
Wurst. — Mageninhalt in der — 728.
Wurstbereitung. — Bekanntmachung des
Polizeiamtes in Heilbronn betr. — 440.
Wursthüllen. — Färbon von — 262.
Wursthüllen. — Pferdedärme als — 440.
Wurstkontrolle. — Fleisch- und — 837.
Wurstware s. Leberkäs.
Wut beim Hunde. — Ein Fall von atypisch
verlaufender rasender — Orig.-Art. v.
Wölfel. 266.
Wut; über das sogenannte prämonitorische
Fieber. — Über ein Symptom der
experimentellen — v. Löte. 247.
Wutschutzabteilung am hygienischen Institut
der Universität zu Breslau. 257.
Wutschutzabteilung des Instituts für Infektions¬
krankheiten in Berlin in der Zeit vom
1. Januar 1905 bis 31. März 1900. —
Tätigkeit der — 326.
Yohimbin. — Gefährliche Nebenwirkungen
bei — v. Daeis. 305.
Yohimbin Spiegel (Yohimvetol). — Wirkung
und Nebenwirkungen des — Orig.-Art.
v. Holterbach. 157.
Vohimvetolerfolg. — Ein durchschlagender
v. lloltorbacli. 973.
Z s. a. C.
Zahnärzte. — Neue Studienordnung für -
323. 396.
Zahnärzte. — Vorbildung der — 935.
Zange b. Blutstillungszange.
Zebu s. Metatarsus.
Zecke s. Rückfallfieber.
Zehenbeugers am linken Hinterfuß undHeilung.
— Durchschneidung der Sehne des ober¬
flächlichen — v. Tantos. 392.
Zehenbinde s. Hufknorpelfesselbeinband.
Zeichen der Zeit v. Doenhardt 506.
Zeitschrift für Desinfektion. — Neue — 569.
Zellgifte und Zellkrankheiten v. Professor
Dr. Zschokke. 560.
Zentralgeschäftsstelle der deutschen tierärzt¬
lichen Standesvertretung. — Gründung
einer — v. Prof. Dr. Schmaltz. 433.
Zentralnerveimystem s. llUhnerpestviiu«.
Zentralstelle s. Viehhandel.
Zentralvertrotnng der tierärztlichen Vereine
Preußens. 904.
Zerreißung s. Labmagen.
Zerreißung des N. opticus s. Augenbogen.
Zeugen s. Gebühren.
Ziege s. Bazillus pyogenes, Cystenbildung,
Kropf, Nierenabszeß, Piroplasmose,
Schreckziege, Thyrcoidcktomie, Vich-
handel.
Ziegenfleisch statt Schaffleisch. — Verkauf
von — 495.
Zivilbevölkerung s. Influenza.
Zoologische Gärten. — Einfuhr von Tieren
in — 186.
Zooparasiten s. Eosinophilie.
Zuchtstier s. Rind.
Zuchtstute. — Eine berühmte — ö<>0.
Zuckerfütterung in der Pathogenese der
Koliken. — Rollo der — v. Roux. 30.
Zuckerharnruhr v. Krüger. 220.
Zunge 8. Papillen.
Zungenödem beim Pferde v. Ileieck. 430.
Zurückhaltcn s Nachgeburt
Zweifbl. — Bange — v. Schmaltz. 602.
Zwerchfellkrampf. — Eigenartige Fälle von -
v. Demora n. Adriansen. 767.
Zwitter s. a. Scheinzwittor.
XXXIII
Autorenregister.
(Die Zahlen bedeuten die Seitenzahlen.)
(Die Namen in kleiner Schrift bedeuten die Autoren der medizinischen Literatur.
Adelmann 549. 785.
Adriansen 767.
Albien 175.
Albrecht 164. 220.
Albrechtsen 598.
Andrejew 818.
Angel ici 32.
Angeloff 477. 682.
Antoine 782.
Amous 308.
Anlich 462.
Baer 737.
Baier 272.
Hall 360.
Balus 599.
Balfonr 54.
Bang 359, 449.
Barabäs 32.
Barnick 340.
Bartels 271. 619. 760.
Bauer SCO
Beardsley 585.
Becher 974.
Beck 559. 584. 585.
Becker 429.
ßeddies 500.
Behr 680.
v. Beißwänger 854.
Berger 7. 99. 404. 431.
Bergholz 670.
Berndt 28. 501. 793.
Bernhardt 282. 793. 851.
Betegh 219.
Beiist 35.
Bierling 655.
Bieretedt 584.
Bischof! 309, 966.
Blumenthal 343.
Blank 231. 245. 579.
Böhm 572.
Bohtz 405.
Bondi 393.
Bongert 389.
Borchmann 44. 91. 682.
Botzner 584.
Boucher 701.
Boyce 287.
Breindl 286.
Breß 430.
Breton 97.
Brener 138.
Brietseh 679.
Broll 928.
Brnns 584.
Bubendorf 647.
Buchanan 287.
BUlling 7.
Bürgi 598.
Bugge 95. 175. 353. 412.
| 616. 815.
I Burow 843.
Cadöac 70. 302. 925.
I Cadiot 558.
i Cadix 518.
Caemmerer 404. 545.
| Cal motte 849.
1 Capelle C97.
| Christophers 287.
I Claußen 614.
| Colberg 812.
i Cornelius 285.
I Corumann 943.
! Creutz 4.
| JDaols 305.
j Dammann 861. 978. 978.
Dasch 202.
Dedjulin 122.
Degen 548.
Dehne 977.
Demoro 767.
Denker 618.
Dexler 970.
Dietrich 848.
Disselhorst 337.
Dluski 737.
Dobrosrakow 582.
Doenecke 941.
Doenhardt 506.
Doerr 464.
■ Dörrwächter 98. 863.
Doflein 869.
Donath 955.
Dom 203. 736.
Dralle 150.
Dröge 358.
Dreyer 345.
Dunbar 8.
Dutroys 247.
Dutton 583.
Dvoraifek 300.
Eberhard 143.
Edelmann 377. 679. 847.
977.
Edenhuizen 56. |
Ehrle 571. 599.
Eichhorn 377. 378. 977.
Einthoven 869.
Eisen 500.
Eisen 504.
Eisenberg 769.
Ellermann 449.
Eloire 782.
v. Endell 253.
Erdös 98.
Espert 473
Evers 148. 458.
Fambach 834. !
Fayot 976. !
Fehse 342. j
Fehsenmeier 56. !
Felbaum 637. I
Felisch 312. 348. j
Fenner 339. I
Feuereißen 203. 262. 430. !
Fingerling 944. j
Fischer 600. j
Fleischhauer 54. j
Floris 518. I
Fölger 862. 978. I
Forssell 407. 448. *
Foth 835. 865.
Fraenkel 346, 392.
Franke 759. 772. 788. 801.
834. 853. 868. 883. 909.
Franz 737.
Frasch 430.
Freese 177. 614. 861.
Freund Dr. 729. 761. j
Freytag 377. 506. 680. 708.
775. 977.
Frick 29.
Fricke 504.
Friederich 707.
Friedläuder 633.
Friedrich 469. 869.
Fröhner 358. 534.
Frosch 610. 817.
«äl 343.
Gans 900.
Gareitschnoff 165.
Garth 478. 848.
Gasse 600.
Gassend 976.
Gautier 8C4.
Gebhardt 363. 535. i
Geißler 713.
Georges 58.
G6rard 272.
Gergcly 248.
Geßner 99.
Giemsa 632.
Gillilaudet 943.
Gläser 6.
Gläsraer 954.
Glaesner 633.
Glage 862.
Glaubermann 583.
Gm einer 83. 680.
Gmelin 782.
Göhler 701.
Göhre 848.
Go’dbeck 106. 189. 204.
284. 289. 502. 610. 629.
695. 844.
Goldberger 429. 613. 734.
Grabe 355.
Grabert 98.
Graffund er 175. 682.
Gratz 849.
Greve 614.
Grimm 518.
Grobon 501,
Grosso 831.
Grünert 478. 848.
Grundmann 977.
Gruß 431.
Guerrini 513. 736.
Gützlaff 134.
Gubrauer 927.
Guittard 616.
Gundelach 206.
Gutbrod 593.
Haase 427.
Habacher 100.
Haefcke 838.
Hansen 943. 944.
Hase 615.
Hasenkamp 978.
Haubold 680. 977.
Hauger 7.
Haupt 394. 561. 606. 861.
Hebrant 782.
Heieck 430.
Heine 451.
Heinick 378.
Heiß 600.
Helfer 331.
Hendricks 234. 654.
Hendrickx 448.
Hennig 285.
Herhudt 781.
Hering 314.
Hermans 248. 545.
Herxheimer 680.
Herz 432.
Hieronymi 299. 692.
Hilbrandt 599.
Hildebrandt 698.
Hillerbrand 820. 877.
Hink 792.
Hipp 547.
Hißbach 534.
Höchstem 475.
Hölscher 768. 768.
Hoerauf 354.
Höyberg 178.
Hoffmann 459.
lloflfmann 680.
Hohmann 108. 971.
Holterbach 28. 81. 82.157.
267. 297. 555. 580. 656.
876. 973.
Holth 861.
Horn 534.
Horne 235.
Iiorneck 857.
Hornickel 671.
Hottinger 232.
HUbener 405. 784.
1 H Wiener 698.
Hugentobler 304.
] Hurabert 139.
I Hutyra 82. 463.
Illing 662.
Immelmann 72.
Imminger 408.
Immisch 666. 671.
Jackscbath 52.
Jaeger 66. 77. 773. 774.
Jakob 247. 584. 768. 863.
955.
Janßen 555.
Jewasinski 177.
Jöhnk 689.
Joest 245.
Johann 935.
Jonas 347. 450.
| Jungklaus 178. 214.
XXXIV
Kubisch 43*. [
Kärnbach 92. !
Kaiser 921. 975.
Kantorowicz 31. (591.
Katzenstein 756.
Keller 55.
Kellermann 178.
Kellner 272.
Kemöny 148.
Kern 578.
Kettner 147.
Kickton 438.
Kienböck 869.
Kiesel 592.
Kinghorn 583.
Kissuth 224.
Kitt 217.
Klaatsch 868.
Klebs 273.
Klee 178.
Klein 272.
Klimmeck 706.
Klimmer 241.
Knapp 583.
Knoll 529.
KnUsel 942.
Koch 285.
Kötschau 988.
Köhler 428.
Köhler 864.
Kob) 681.
Koiransky 675.
Konge 580.
Koops 117.
Kopp&nyi 98. 518. 1
Kon rieh 769.
Korreng 84
Kovänyi 235.
Kraemer 903. 928.
Krage 668.
Krameil 798.
Kranich 478. 848.
Krau* 464.
Krautsehneider 769.
Krautatrunk 789.
Krekeler 305.
Kroening 146. j
Krueger 72. 124. 220. 222.
224. 407. 462. 770. 853.
866. 879. 902. 906.
Kühn 173.
Köthe 55. <
Knkuljevie 798.
Kunze 933. 963.
Kurtzwig 395.
Kusch s. Pusch.
KuUchera 464.
Kvlen 285.
JLacassaguc 479.
Ländler 632.
Lüwen 861.
Lange 378. 680. 977. 977.
977. 977.
Lau ff 365.
Lechncr 359.
Lech 176. 357. 843. 877.
Lehmann 453. 557.
Leistikow 372.
Lemke 680.
Lemoine 272.
Lenhoss^k 390.
Lcupold 286.
Levaditi 583. 583.
Levy 343.
Lewinski 698.
Liebener 197.
Liebermann 736.
Liebetanz 732.
Liebrecht 245.
Lienaux 678.
Ligniüres 147.
Lindner 123.
Lingard 582.
Lipsehtltz 449.
Littmann 599.
Litty 480.
Löte 247.
Löwel 294.
Loewenthal 54. 557. 87;
Lorenz 497. 797. 915.
Lothes 802.
Lubenetzki 903.
Ludewig 479. 502.
Lübke 870.
Lüer 696.
Liihrs 380.
Lüttschwager 246.
Lungwitz 303. 431.
Lyding 124.
fflaaß 912.
Mackie 582.
Männer 462
Mater 59. 381. 462. 501
524. 574. 686. 757.
Malkmus 590.
Märai 475.
Marchand 517.
Marcone 863.
Marek 96.
Marq 847.
Marschner 964.
Marx 697, 956.
Marxer 229. 343. 401.
Masch 979.
MatthieBen 801.
Maximilian 290. 684.
Mayer 897.
Mayr 25. 176.
Meier 8. 34 44. 601.
Meitzer 7.
Meßner 646.
Metzger 453.
Meyer 801. 827.
Michael 860.
Michalik 690.
Mießner 436. 577. 617. 611
737. 779. 781. 802.
Mieliner 903.
Migge 915.
Mil Irr 450.
Mißlack 717.
Mitrowitseh 649.
Möller 955.
Möllers 583
Moore 583.
Mord 1.
Moritz 694.
Mott 583.
Moussu 309. 377. 409. G3(
Much 346, 504.
Mueha 388.
v. Möller 745.
Müller (Eduard! 432.
Müller (Franz) 695.
Müller (K.) 379. 437.
Müller (M.) 541. 595.
988.
Müller (0.) 259.
Müller (Kudolf) 39?.
i Müller (R.) 551.
Naumann 606. 667.
Neißer 656.
Nemeöek 680.
Neuber 783.
Neufeld 681. 681.
Ncuiuann 464. 681.
Xe von 977.
Nevermann 610. 673. 817.
884.
Nicolas 504.
Nielsen 969.
Nierenstein 583.
Nissen 925.
Noack 245. 632. 679.
Notz 344.
Novy 583.
Nvstedt 848.
Oeller 914.
Okholm 976.
Ondra^ek 357.
Opalka 123.
Oppel 52. 294
Orszag 345.
Orth 869. 928.
Ostertag 31. 42. 69. 83.
320. 493. 697. 979.
Otto 847.
Pages 838.
Panse 286.
Parseval 868.
Pausini 202.
Picard 5l7.
P6cus 123.
IViser 432.
Poka»- 98. 925.
Peter 62. 291. 773.
Petit 517.
Pfeiffer 441.
Pfeil 301.
Pfeiler 600.
Pfleger H56
Pharmazeutisches Institut
Gans 900.
Pigger 604.
Pincemiu 977.
Pineau 518.
Pinn er 520.
Piorkowski 272. 391. 877.
972.
l’irokowski 34«,
Pitt 888.
Pitt 391.
Plath 63. 590.
Plessow 149.
Pochbamiuer 392. H •:>.
Porcher 269.
Prcisz 697.
Preis/. 862.
Pret/.sch 378.
Preuße 210. 415. 520. 590.
712. 914. 983.
Priewe 841.
Priugshoim 903.
Prowazek 63*
Pröscholdt 502. 560.
Pusch 56. 124. 519.
Puttkammer 391.
t^uerrnau 429. 710.
Rabinowitsch 928.
Rachfall 734.
Raebiger 532. 611. 654.
831. 833.
Rahts 570.
Rantzau 253.
Rautmann 830.
Regenbogen 425. 499. 544.
Reiche 475.
Reichert 516.
Reimers 203. 281.
Reinecke 313. 340.
Reinhardt 557.
Rettich 252.
Ribbert 768.
Richter 737. 846. 954.
Itic >ter 755.
Rickmann 71. 883.
Rieger 504.
Ripke 820.
Rißling 288.
Kißling 288.
Ritter 217.
Roch 904.
Roch* 583. 583.
Robert 377.
Röder 656.
Rörik 97
Rongc 783.
Roschig 122. 533.
Kossolhno 765.
Rotschild 737.
Roux 29.
Kuala 769.
Rüdiger 712.
Kudolph 956.
Rühm 902. 978.
Kullmann 941.
Rust 165.
.Saathoff 393.
Sahner 318.
Sallinger 165.
Sauer 503.
Sehaaf 283.
Schade 518. 956.
Schaffner 305.
Schaller 378. 679. 848.
Schaum keil 800.
Scheffer 876.
Scheibe 393.
Soheibel 146.
Schein 712.
Schellack 360.
Schellhase 723.
Schern 617.
Schifferli 695.
Schilling 34.
Schimmel 84
Schipp 790.
Schirop 633.
Schlegel 777. 794. 821.
Schlesinger 2SS.
Schlitzberger 471.
Schmaltz 75. 91. 100. 107.
128. 156. 180. 186. 196.
250. 251. 274. 312. 318.
347. 349. 349. 350. 350.
351. 351. 383. 393.^410.
414. 433. 465. 466. 534.
536. 549. 586. 602. 606.
623. 635. 660. 784. 786.
799. 823. 846. 851. 864.
866. 867. 878. 879. 881.
913. 931. 959. 969. 960.
984. 984. 985.
Schmidt 235. 471. 697.
Schmitt 788. 789.
Schmul 246.
Schnürer 547.
Sehöppler 254.
Sehrakatnp *87.
Schräpler 164.
Schnitter 346
Schuh 548. 815.
Schultz 346.
Schütt 706’.
Schwarz 144.
Schwinning 708.
Seber 411.
Sekyra 848.
Semon 956.
Seyfert 99.
Siebenbürger 85. 257.
Sieber 285. 582.
Siegrist 346.
Silbersiepe 655.
Simon 226. 736.
Sinakewitsch 903.
Sommer 661. 876.
Sonnenberg 1. 213. 609.
Sperl 792.
Spielmeyer 287.
Stadie 31. 830.
Stadler 868.
St&ubll 956.
Standfuß 503.
Steffani 378.
Stern 428.
Stewart 583.
Sticker 83.
Stietenroth 780.
Stödter 484.
Stolowsky 286.
Storch 141. 177. 322.
Strelinger 385.
Stroh 440.
Strubel) 465.
Struck 585.
Studte 480.
Suckow 356. 942.
Sustmann 631.
Swellengrebel 583.
Szabö 55.
Sziläscvi 99.
Szöllös 585.
Tantos 53. 392.
Tapken 202.
Tätray 547.
Teetz 248.
Telemann 656.
Tempel 260.
Teppaz 582.
Theiler 344. 582.
- XXXV
Thironx 582.
Tietze 467. 603.
Titze 457.
Todd 583. 583.
Töpfer 657.
Toepper 945.
Träger 167.
Train 243. 859.
Trattner 123.
Trommsdorff 430.
Tnrbau 737.
Uhlenhuth 405. 682. 682.
784.
Ublenhutb 465.
Uhlmann 982.
Ujhelyi 203. 607.
Utendörfer 145.
Vaeth 6.
Vajda 358.
Ventzki 479.
Vielhauer 146.
Vogel 596. 597. 779.
Voigt 563.
Volkmann 614.
Volmer 910.
Voß 271.
Wagenheuser 559.
Wagner 430.
Walther 49. 265. 553. 691.
i Warringshoiz 65. 93.
i Wedemann 682.
i Weichei 457.
■ Weidanz 682. 682. 682.
784.
j Weidanz 465.
Wells 493.
Wenzel 325.
Wieland 484. 694. 733.
Wiener 869.
Wierth 955.
Wigand 858.
Willenberg 613. 734.
! Willerding 593.
Windisch 7. 944.
Winkler 667.
| Wirlz 464.
j Witt 625. 634. 957.
| Wladimiroff 50.
j Wolff-Bisner 501.
Wölfel 266. 318. 369.
Wolffhügel 392.
Wolfstein 731.
Wrnblevrski 905.
| Wyßmann 83.
! Xylander 405. 784.
I Xylander 605.
Yakimoff 681.
Yaroada 754.
: Zaruba 143.
Zbiranski 656.
! Zehl 34. 35. 117. 80*.
Zerber 8.
Zernecke 12.
Zeuner 653. 694.
j Zenner 346.
Zieger 268. 302. 901.
i Zietzschmann 378. 519.
847. 847. 848. 977.
i Zimmermann 220. 359. 548.
; 556. 679. 735. 754. 783.
1 Zschokke 30. 357. 560.
Zündel 658.
! Zwick 617.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48. Wilhelmstr. 10. Durch Jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert, (österreichische Post-Zeitungs*
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Hk., in Petitsata mit
60 Bk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmält/, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Luisenstraüe 56. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakfeur.
De Bruln
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Veterinärrat Peters
Veterinärrat Preuße
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Dr. Richter Med.-Rat Dr. Roeder Dr. Schlegel Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel Zündel
Professor Professor Professor Professor Landestierarzt v. Bayern Kreistierarzt
Dresden. Dresden. Freiburg i. Br. Dresden. München. Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908. Jfä 1 . Ausgegebcn am 2. Januar.
Inhalt: Mord: Schafbock mit drei Hörnern. — Sonnenberg: Klone'in, ein neues Mittel zur subkutanen Injektion und
seine Wirkung. — Creutz: Der therapeutische Wert des Dymals. — Referate: Gläser: Studie über die Ätiologie der
deutschen Schweinepest. — Aus den Jahresberichten der badischen Bezirkstierärzte. — Windisch: Seuchenhafte Verbreitung
des Herpes tonsurans bei Pferden. — ßülling: Abszedierende, periproktale Phlegmone. — Zerler: Blitzschlag. — Hypothese
der Bakterienentstehung. — Mitteilungen über Milzbrandbehandlung und „Impfung der Kadaverbeseitigung“. — Tagesgeschichte:
Mo>ier: Die Stellung der Privattierärzte in der Fleischbeschau und die Mittel zur Besserung. — Verschiedenes. — Staats¬
veterinärwesen: Zernecke: Die unschädliche Beseitigung der Seuchenkadaver und Konfiskate der Fleischbeschau in den Städten
und auf dem Lande. — Verschiedenes. — Fleischbeschau, Fleisch- und Viehhandel: Die deutsche Milchwirtschaft und die Tierärzte. —
Verschiedenes — Personalien. — Vakanzen.
Schafbock mit drei Hörnern.
Herr Tierarzt Mord in Rastenburg
hat die Freundlichkeit gehabt,* die hier
abgebildete Photographie eines Schaf¬
bockschädels mit drei Hörnern, welche
einer weiteren Beschreibung nicht bedarf,
zur Verfügung zu stellen.
Klone'in, ein neues Mittel zur
subkutanen Injektion und seine
Wirkung.
Von E. Sonnenberg, Tierarzt, Brilon.
Über die Vorteile der subkutanen
Behandlungsmethode sind die Praktiker
einig. Jedes neue Mittel, das sich zu
dieser Behandlung eignet, wird sich bald
eingebürgert haben, wenn seine Anwen¬
dung einmal gefahrlos ist, zum andern vielleicht auch Vorteile
vor anderen Präparaten gewährt.
Mein neues Mittel, eine Milcheiweißlösung*), stellte ich nach
einer besonderen Methode zum Gebrauch für unsere Haustiere
her. Über dasselbe ist gewiß noch nicht das letzte Wort ge¬
sprochen, meine bisherigen Beobachtungen über seine Wirkung
sind aber so vielversprechend, daß ich mir erlaube, dasselbe
zum Kostenfreien Versuch anzubieten. Erst dann, wenn recht
viele, eingehende Berichte über das Klonein aus Kollegenkreisen
vorliegen, werden wir über seinen Wert oder Unwert genau
unterrichtet sein.
Die Firma Bengen & Co., Hannover, hat in liebenswürdiger
Weise die Herstellung des Präparates übernommen und wird
es bis auf weiteres kostenfrei abgeben.
*) Zur Ätiologie des Milchfiebers, B. T. W. 1907, Nr. 17.
—
-1
Die Conjnnctiven erscheinen dnnkel-
rot verfärbt. Der Puls ist drahtförmig und 100mal in der
Minute zu fühlen. Die Zahl der Atemzüge ist erhöht. Die
Atmung erfolgt unter lautem Stöhnen. Die Peristaltik liegt
danieder. Der Hinterleib erscheint in geringem Grade anfge-
trieben. Kot und Gase werden in kleiner Menge ausgeschieden.
Das Pferd erhält subkutan 8 ccm meiner Eiweißlösung.
Die Conjunctiven nehmen darauf schon nach 5 Minuten eine
rosarote Färbung an. Diese Aufhellung hält ca. JO Minuten an
und macht wieder einer tieferen Rötung Platz, die aber nicht
so tief ist, wie vor der Injektion.
An dem drahtförmigen Pulse macht sich eine ständig zu¬
nehmende Kräftigung bemerkbar. Nach 20 Minuten zähle ich
nur uoch 54 bedeutend kräftigere Pulse, nach 45 Minuten
48 volle, kräftige Schläge.
Die Darmbewegung wird langsam stärker. Nach 20 Minuten
Wenn ich hiermit zu den Fällen
übergehe, in denen ich das Klonein zur
Anwendung brachte, so will ich an die
Spitze meiner Beschreibung die Kolik
der Pferde stellen.
Fall 1. Ein vier Jahre alter, brau¬
ner Wallach, mittelschweres Arbeitspferd,
leidet seit vier Stunden an heftiger Kolik,
die vom Besitzer auf den Genuß dumpfi¬
gen Heus zurückgeführt wird.
Bei meiner Untersuchung stellte ich
folgendes fest. Das Pferd äußert sehr
große Schmerzen, es schlägt heftig mit
den Beinen und überwälzt sich häufig.
Treibt man es hoch, so wirft es sich
schon nach einigen Schritten ungestüm
zur Erde.
2
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
hört ?aan schon mehr langgezogene Geräusche. Nach 45 Minuten
weicht die Peristaltik fast gar nicht von der Norm ab.
Schritt haltend mit der Besserung des Pulses und der
Peristaltik läßt auch langsam die Schmerzhaftigkeit nach. Die¬
selbe ist nach 45 Minuten nur noch gering. Auf dem langen
Nachhausewege — das Pferd hatte bis zum Stalle einen Marsch
von IVa Stunden zurückzulegen — zeigt das Tier nur noch
zwei ganz leichte Kolikanfälle.
Als ich das Pferd in B. nochmals untersuchte, erscheint
es gesund.
Die nächsten Fälle betreffen sogenannte leichte Koliker.
Aber auch bei diesen tritt eine prägnante Wirkung meines
Präparates hervor.
Fall 2. Der 6jährige Wallach des Landwirts X. aus M.»
ein leichtes Wagenpferd, erkrankt auf dem hiesigen Markte
leicht an Kolik. Er kratzt mit den Hufen, sieht sich nach dem
Hinterleibe um, legt sich häufig nieder und versucht, sich zu
wälzen.
Die Conjunctiven sind etwas injiziert. Die Peristaltik ist
unterdrückt. Das Pferd hat 48 Pulse. Es erhält subkutan
8 ccm Klonei'n, worauf sich folgendes Bild entrollt:
Der Puls wird langsam kräftiger. Nach 4 Minuten zähle
ich 44, nach 10 Minuten 40 und nach 30 Minuten 36 kräftige,
volle Schläge. Die Conjunctiva erscheint schon nach 5 Minuten
deutlich blasser. Die Peristaltik wird langsam reger, nach
25 Minuten sehr rege und langgezogen
Die Schmerzhaftigkeit nimmt zunächst zu. Nach 40 Minuten
geht sie zurück und ist nach 50 Minuten verschwunden.
Fall 3. Am selbigen Tage behandelte ich auch ein Pferd
des Landwirts B. aus Th. Das Pferd, eine Belgierzuchtstute,
hatte tags vorher ein kräftiges Fohlen ohne Kunsthilfe geworfen
und war ca. 10 Stunden später unter heftigen Kolikerscheinungen
erkrankt.
Bei meinem Eintreffen nehme ich folgenden Befund auf. Das
Pferd scharrt häufig mit den Vorderhufen, es legt sich nieder
und steht wieder auf. Die Peristaltik erscheint unterdrückt.
Der Hinterleib ist etwas aufgetrieben. Ich zähle 40 kräftige
Pulse und finde normal rosarote Conjunctiven.
Der Muttermund ist geschlossen. In der Scheide zeigen
sich leichte Erosionen. Es besteht ein starkes Euterödem, das
sich bis auf das Perineum fortsetzt. Das Ödem des Perineums
erscheint besonders hart und nimmt keine Fingereindrücke an.
Das Pferd erhält eine Injektion von 5 ccm Klonein. Darauf
sehe ich schon nach 5 Minuten eine kleine Kräftigung des
Pulses eintreten. Die Pulswelle ist voller geworden und läßt
sich in der Minute 36 mal fühlen.
Die Peristaltik wird schon nach 3 Minuten reger und
gewinnt langsam an Energie. Die Darmgeräusche werden nach
15 — 20 Minuten langgezogen.
Die Schmerzhaftigkeit nimmt zunächst geringgradig zu und
ist nach 50—60 Minuten vollständig verschwunden.
Das Mittelfleischödem erscheint schon nach 15 Minuten
weniger hart, so daß es jetzt deutliche Fingereindrücke annimmt.
Fall 4 Am 6. August 1907 erkrankte ein 5 jähriges,
leichtes Ackerpferd, Stute, des Besitzers Sehr, aus N. unter
folgenden Erscheinungen: Es verschmähte plötzlich das Futter,
krümmte sich zusammen, legte sich oftmals nieder und stand
wieder auf. Mist hatte das Pferd nicht abgesetzt, aber Harn
gelassen. Es erhielt seit längerer Zeit Grünfutter.
Bei meiner Ankunft kann ich folgenden Befund aufnehmen.
Das Tier ist scheinbar ruhig. Die Konjunktiven sind blaßrosa¬
rot mit einem Stiche ins Gelbliche. Der Puls ist regelmäßig,
36 mal in der Minute zu fühlen. Die Atmung erfolgt ruhig.
Die Maulschleimhaut erscheint trockener als gewöhnlich.
Die Peristaltik ist unterdrückt. Bei der rektalen Untersuchung
findet man viele steinharte, trockene, kleingeballte, äußerlich
pechschwarze Kotballen. Ebensolche Kotballen kann man auch
in anderen Teilen des Dickdarms, besonders in der Beckenflexur
nachweisen.
Zur Eruierung der Wirkung meines Milcheiweißpräparates
gebe ich dem Pferde 8 ccm desselben subkutan.
Der träge Darm wird durch die Injektion schon nach
3 Minuten in lebhafte Bewegung gesetzt. • Die Darmbewegungen
werden langsam stärker und nach 20 Minuten laut polternd und
langgezogen, ähnlich wie nach einer Arecolininjektion. Die leb¬
hafte Anregung der Peristaltik hält an und ist während der
50 Minuten dauernden Beobachtung stets nachzuweisen.
Am Zirkulationsapparate und an den Konjunktiven läßt sich
eine stärkere Einwirkung nicht erkennen.
Ergebnis: Es gelingt bei der Kolik der Pferde:
1. die Darmperistaltik kräftig anzuregen;
2. die Pulsfrequenz herabzusetzen und die Pulswelle kräftiger
zu machen.
An diese KolikfUlle möchte ich . einen Fall von Darm¬
entzündung anschließen, der die Wirkung des Präparates ganz
besonders schön zeigt und auch die Grenzen seiner Wirksamkeit
erkennen läßt.
Eine 3jälirige, oldenburgische Stute war angeblich um
7 l / 2 Uhr morgens an Kolik erkrankt, nachdem sie tags vorher
gequollene Wicken erhalten hatte. Um 12 Uhr traf ich zur
Behandlung ein.
Das Pferd liegt laut stöhnend auf dem Boden und läßt sich
nur durch starkes Antreiben zum Aufstehen bewegen.
Die Conjunctiven erscheinen stark gerötet. Der Puls ist
äußerst schwach und elend, 80mal in der Minute zu fühlen.
Die Atmung ist etwas erhöht und oberflächlich.
Die Maulschleimhapt erscheint trocken. Die Peristaltik
liegt darnieder. Nur hin und wieder hört man schwache
Darmgeräusche. Durch die Mastdarmuntersuchung läßt sich
keine Kotanschoppung, aber eine leichte gasige Auftreibung,
hauptsächlich an der Beckenflexur nachweisen. Die Blase
ist leer.
Ich appliziere dem Pferde eine Einspritzung von 8 ccm
meiner Lösung. Die Veränderungen, die ich darauf an dem
Tiere beobachten konnte, sind folgende.
Die Conjunctiven erscheinen schon nach 5 Minuten nach
der Injektion ganz blaß. Gleichzeitig zeigt auch der Darm
lebhaftere Bewegung, die konstant zunimmt und schon nach
15 Minuten recht kräftig ist. Neben den langgezogenen, leb¬
haften Bewegungen hört man aber noch kurze, klingende. Nach
30 Minuten finde ich beiderseits rege Peristaltik, daneben aber
noch dieselben kurzen, klingenden Geräusche wie vorher. Nach
90 Minuten arbeitet der Darm scheinbar normal, auch sind die
klingenden Geräusche nicht mehr nachzuweisen.
Die Schmerzhaftigkeit läßt gleichzeitig nach und äußert
sich in der Folge nur^geringgradig.
Der vorher ganz schwache, elende Puls, den ich 80mal
zählte, gewinnt gleich nach der Einspritzung an Umfang, während
2. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
3
die Frequenz stetig abnimmt. Nach 30 Minuten fühle ich an
der Maxillararterie volle, kräftige Pulswellen, die sich in der
Minute regelmäßig 40 mal wiederholen. Der Puls hält sich
dann kräftig. Er schlägt nach 1 Stunde 48 mal und nach
l l /2 Stunden 60mal pro Minute.
Mit der Zunahme der Pulsfrequenz werden auch die Con-
junctiven wieder roter. Nach IV 2 Stunden ist ihre Injektion
stärker als normal, aber nicht so stark als vorher.
Wegen der fortdauernden Blähungen erhält das Pferd im
Anschluß an die Einspritzung stark verdünntes Creolinwasser
und 30 g Aloeextrakt in Pillenform.
Es war mir also möglich:
1. Die blutüberfüllten Därme blutleer zu machen und in Be¬
wegung zu bringen.
2. Den ganz elenden, frequenten Herzschlag im Verlauf von
30 Minuten fast auf die Norm zurückzubringen und
wieder kräftig zu machen.
Der zweifellos günstige Einfluß der Injektion konnte aber
auf die Dauer nicht anhalten, zumal eine Darmentzündung die
Ursache der Kolikschmerzen war. Der Besitzer erschien nämlich
am selbigen Tage abends und berichtete mir, gleich nach meinem
Fortgange habe das Tier gemistet und viele Schleimhäute ver¬
loren, nicht schleimige, zerreißbare Massen, sondern feste Häute.
Damit stand die Diagnose „Darmentzündung“ fest. Der
Fall war nunmehr aussichtslos.
Am nächsten Tage traf ich denn auch ein moribundes Tier.
Die Schleimhäute erschienen tief dunkelrot. Die Mastdarm¬
temperatur betrug 40,2° C. Der Puls war elend, 80 mal zu
fühlen. Es bestanden heftige Schmerzen bei ganz unterdrückter
Peristaltik, kein Harn- und Kotabsatz.
Um mich von der Wirkung des Klonein in diesem Zustande
zu überzeugen, spritzte ich dem Pferde nochmals 10 ccm der
Lösung ein.
Es stellte sich darauf eine deutliche Besserung des Pulses
ein. Der Puls wurde langsam voller und kräftiger und war
nach 30 Minuten 68 mal zu fühlen. Die Conjunctiven erschienen
deutlich blasser, blieben aber immer noch stark gerötet. Die
Peristaltik erfuhr nur eine kurz anhaltende Anregung.
60 Minuten nach der Einspritzung erfolgte der Exitus
letalis. Die Sektion konnte ich selbst nicht machen. Der Be¬
sitzer berichtete mir aber, der Darm sei vollständig schwarz
gewesen.
Ergebnis:
1. Wegen der starken Entzündung war eine Einwirkung auf
den Darm nur teilweise möglich. Die Gefäße hatten die
Fähigkeit, sich zu kontrahieren, eingebüßt.
2. Eine leichte Besserung des Pulses war trotzdem zu er¬
zielen.
Hieran will ich die drei Krankheitsfälle beim Rindvieh und
einen Fall beim Schwein anreihen, in denen ich mein Präparat
versuchte. In allen diesen Fällen konnte ich ebenfalls die vor¬
her beschriebene Wirkung meiner Lösung nachweisen. Weil
aber ihre geringe Zahl sichere Schlüsse nicht zuläßt, beschränke
ich mich auf die Beschreibung der einzelnen Fälle. Weitere
Praxisversuche müssen auch hier die nötige Klarheit bringen.
1. Eine fünf Jahre alte Kuh leidet seit vier Tagen an
Verdauungsstörungen und ist schon anderweitig mit verschiedenen
Magenmitteln behandelt worden. Eine Besserung ist nicht
eingetreten.
Das Tier atmet bei meiner Untersuchung ruhig. Es hat
80 Pulse. Die Mastdarmtemperatur ist nicht aufzunehmen, da
der After offen steht. Die Conjunctiven haben blaßrosarote
Farbe.
Das Flotzmaul erscheint trocken. Ohren undJHörner sind
kalt. Der Pansen zeigt starke Aufblähung und bewegt sich
nur ganz schwach. Zu einem regelmäßigen Heben seines In¬
haltes kommt es nicht. Der Bauch ist nirgends druckempfindlich.
Das Tier kaut nicht wieder und gibt nur sehr wenig Milch.
Auf die versuchsweise Einspritzung von 6 ccm meiner
Lösung sehe ich folgendes eintreten.
Schon nach fünf Minuten erscheinen die Pansenbewegungen
reger, aber noch nicht so ergiebig wie normaliter. Nach
15 Minuten werden einzelne Bewegungen ergiebig. Der Pansen
arbeitet alle Minuten einmal. Nach 20 Minuten finde ich fast
normale Pansentätigkeit. Daneben macht sich eine lebhafte
Darmbewegung bemerkbar.
Mit zunehmender Magen- und Darmtätigkeit äußert das
Tier leichtes Unbehagen, das sich dadurch kundgibt, daß es
öfter mit den Hinterfüßen gegen den Bauch schlägt.
Der Puls nimmt langsam an Frequenz zu. Nach zehn
Minuten zähle ich 100 kräftige Schläge. Diese Steigerung hält
aber nicht an, so daß sie schon nach weiteren zehn Minuten
verschwunden ist.
Eine längere Beobachtung des Tieres war mir leider nicht
möglich. Auch konnte ich wegen des ungünstigen Lichtes nicht
die Färbung der Conjunctiven verfolgen.
2. Eine sechs Jahre alte Kuh erkrankt unter folgenden
vom Kollegen Plessow festgestellten Symptomen; Darnieder¬
liegen der Pansen- und Darmtätigkeit, keine Blähung, kein
Wiederkauen, Anorexie, kein Fieber, Abgang von blutigem Kot.
Nach der Behandlung mit Natr. sulfuric. und Bittermitteln stellt
sich keine Besserung ein. Am dritten Behandlungstage sind
die Blutungen verschwunden. Der Kot ist scheinbar normal.
Der am fünften Tage beobachtete, stinkende Durchfall wird mit
Creolinlösung bekämpft. Am siebenten Tage erscheint die Kuh
sehr hinfällig.
Der Befund des achten Krankheitstages ist folgender: Die
Schleimhäute erscheinen blaß. Das Tier atmet ruhig, zeigt 75
schwache Pulse und eine Mastdarmtemperatur von 37,6° C.
Flotzmaul, Hörner und Ohren sind kalt, desgleichen die Extre¬
mitäten. Die Hungergrube ist stark eingefallen. Die Palpation
der Bauchdecken ist mit Schmerzäußerungen 'nicht verbunden.
Pansen und Darm zeigen nur sehr schwache Bewegung. Es
besteht grünlicher, stinkender Durchfall. Das Tier schwankt
beim Führen hin und her.
Zur Anregung der Pansentätigkeit erhält die Kuh versuchs¬
weise 3 ccm des Präparates. Darauf läßt sich, zirka fünf
Minuten nach der Injektion beginnend, eine langsame Zunahme
der Pansenbewegungen feststellen. Der Pansen arbeitet in der
Folge quantitativ und qualitativ besser. Zu einem regelmäßigen
Heben seines Inhalts kommt es aber nicht. Das Tier zeigt
leichte Unruhe. Es trippelt hin und her, knirscht auf den
Zähnen und stöhnt etwas lauter. Hin und wieder werden
Rülpsbewegungen wahrgenommen.
Nach Ablauf von 40 Minuten injiziere ich dem Tier noch
2 ccm des Präparates. Die Pansenbewegung wird dadurch
aber nicht stärker angeregt.
Die Kuh verendet in der folgenden Nacht.
4
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Der Obduktionsbefund, den ich gemeinschaftlich mit Herrn j
Kollegen Plessow aufnehme, war in Kürze nachstehender.
Es besteht eine ausgebreitete Enteritis katarrhalis des
Dünn- und Dickdarms. Die Schleimhaut erscheint nur wenig
verdickt und sieht wie ausgewaschen aus. In derselben liegen
zahlreiche stecknadelkopfgroße und größere Blutungen. An
einzelnen Stellen linden wir die Erscheinungen einer Enteritis
haemorrhagica. Der Darminhalt ist durchweg flüssig, von grüner
Farbe und stinkendem Geruch. Auf dem Bauchfell sieht man
überall die Erscheinungen der Peritonitis chron. granulosa,
besonders stark auf seinem visceralen Teile. Außerdem bestehen
am Magen zahlreiche Verwachsungen. Organschwellungen und
abgekapselte Eiterherde sind nicht erkennbar.
3. Am 8. August 1907 wurde ich zu einer 8 Jahre alten Kuh
des Mühlenbesitzers K. gerufen, die vor 36 Stunden leicht
gekalbt hatte, bei der aber die Nachgeburt noch nicht ab¬
gegangen war.
Das Allgemeinbefinden des Tieres ist ziemlich gut. Fieber
besteht nicht. Der Drang auf die Nachgeburt ist sehr gering.
Die Nachgeburt sitzt sehr fest. Hire versuchte Lösung ist sehr
schwierig. Der Uterus zeigt sehr geringe Kontraktion.
Zur Erprobung der Wirkung meines Präparates, besonders
aber, um zu sehen, ob es vielleicht möglich ist, durch dasselbe
eine schnellere Lösung oder wenigstens eine Lockerung der
Nachgeburt zu erzielen, gebe ich der Kuh 4 ccm desselben
subkutan und beobachte das Tier 30 Minuten lang — zu längerem
Zuwarten konnte ich den Besitzer nicht veranlassen.
Bei der Beobachtung der Kuh kann ich folgendes feststellen :
Schon nach 3 Minuten tritt eine bedeutend verstärkte Tätigkeit
des Magendarmtraktus ein, die auch nach 1 -Stunde noch nicht
nachläßt. Das Tier zeigt leichtes Unbehagen, das sich dadurch
dokumentiert, daß es hin und hertrippelt, ohne aber deutliche
Kolikerscheinungen zu zeigen. Daneben drängt es häufiger auf
die Nachgeburt. Jedoch ist dies Drängen nicht hochgradig. Es
hat einige Ähnlichkeit mit dem Drängen nach der Geburt.
Eine Beschleunigung des Herzschlages tritt nicht ein. Die
Herzkontraktionen erscheinen im Gegenteil etwas kräftiger und
voller. Ich zähle vor der Einspritzung 88, nach derselben
75—80 Schläge.
Die nach 30 Minuten langem Zuwarten vorgenommene Ab¬
lösung der Nachgeburt läßt sich sehr schnell bewerkstelligen
und ist schon nach 15 Min. beendigt, weil in der Verbindung
der Cotyledones maternae und foetales eine große Lockerung
eingetreten war. Die vorher weite Gebärmutter zeigt nacli der
Abnahme starke Kontraktion, wie ich sie sonst nur nach starken
Einläufen eintreten sah.
4. Ein ca. 1 Jahre altes Mutterschwein hat am Tage vor¬
her die Abendmahlzeit teilweise verschmäht und zeigt am
16. Juni 1907 morgens vollständige Anorexie. Seine Mastdarm¬
temperatur beträgt 40,4° C. Die Haut erscheint ungleichmäßig
warm, bald eisig kalt, bald heiß. Das Tier zeigt Kreuzschwäche
und leichte, fleckweise, wandernde Rötung, besonders am Bauch.
Das Schwein erhält um 11 Uhr 30 ccm Rotlaufserum und um
2 Uhr nachmittags 2 Eßlöffel voll Glaubersalz mit Rizinusöl.
Um 6 Uhr sind die Bewegungen des Tieres noch träger, die
Kreuzschwäche stärker und die Stimme heiser. Nach der In¬
jektion von 2 ccm meines Präparates wird die Darmbewegung
sehr stark angeregt. Die leichte Rötung verschwindet schnell.
Am 17. Juni 1907 erscheint das Allgemeinbefinden bedeutend
gebessert. Die Kreuzschwäche ist fast verschwunden, die Stimme
kräftig. Das Tier verschmäht Futter, nimmt aber Wasser auf.
Der Körper ist über und über mit Backsteinblattern besät. In
der Nackengegend erscheint die Haut im ganzen stark geschwollen
und gerötet. Die Abgrenzung der Backsteinblattern ist hier
sehr undeutlich.
Um die Wirkung der Milcheiweißlösung nochmals zu er¬
proben, gebe ich dem Schwein subkutan 1,5 ccm derselben. Der
normal rege Darm gerät dadurch schon nach 5 Minuten in stärkere,
nach 10—15 Minuten in sehr lebhafte Tätigkeit. Die Herz¬
tätigkeit wird nicht beeinflußt. An den stärker geschwollenen
Hautpartien macht sich bald eine bedeutende Aufhellung be¬
merkbar. Die Struktur der Backsteinblattern tritt schärfer hervor,
während die dazwischen liegenden Hautstellen blasser werden.
Darf ich nochmals zusammenfassen, so haben wir an meinem
Präparate folgende Eigenschaften kennen gelernt:
1. Das Klonein regt sowohl den gesunden, als auch den
hyperämischen Magendarmtraktus zu starker Tätigkeit an.
Es macht ihn blutleer und hält die Lähmung der kleinen
Blutgefäße auf. Auf entzündete Teile wirkt es nicht ein.
2. Das Klonein ist ein brauchbares Mittel zur Kolik¬
behandlung der Pferde, weil es auf die Herztätigkeit nicht
schädigend einwirkt, im Gegenteil die hohe Schlagzahl
des Herzens bedeutend herabsetzt und den schwachen,
elenden Puls voll und kräftig macht.
Diese günstige Einwirkung auf das Herz ist aber
dann nur gering oder bleibt aus, wenn die Schädigung der
Herzaktion durch entzündliche Veränderungen am
Digestionstraktus verursacht wird.
3. Das Klonein ist ein gutes Diagnosticum bei Darm- und
Bauchfellentzündung.
4. Das Klonein wirkt durch Reizung des vasomotorischen
Zentrums anregend auf die Peristaltik. Die Herabsetzung
der Schlagzahl des Herzens bei kolikkranken Pferden ist
auf die Erregung des Herzhemmungszentrums zu beziehen,
während die gleichzeitige Kräftigung des Pulses höchst
wahrscheinlich einzig und allein durch die Reizung des
vasomotorischen Zentrums verursacht wird. (Blutanhäufung
in den großen Gefäßen und im Herzen.)
Als Dosis des Klonei'ns empfehle ich: für Pferde 6—8 ccm,
für Rinder 3—8 ccm und für Schweine 1—2 ccm.
Der therapeutische Wert des Dymals.
Von Veterinärarzt Dr. med. vet. H. Creutz-Wynberg (Kap-Kolonie).
Seit Einführung der antiseptischen Wundbehandlung in die
Chirurgie ist die Summe der Mittel, die sich an das ursprüngliche
Karbol anreihten, so stattlich angewachsen, daß sie selbst schon
eine eigene Literatur zu bilden imstande wären. Daß im Laufe
der Zeit auch Minderwertiges und direkt Belangloses geliefert
wurde, hat wohl in der Wichtigkeit des Gesuchten nicht zum
geringsten Teile seine Ursache, da sich nicht nur die Ärztewelt,
sondern auch die chemische Industrie der Angelegenheit be¬
mächtigte, angeeifert durch den hohen Lohn, den eine derartige
glückliche Erfindung durch allgemeine Verbreitung mit Gewi߬
heit finden würde. Während nun eine Anzahl dieser neu ein¬
geführten Mittel die an sie geknüpften Hoffnungen rechtfertigt
und als Antiseptika eine dauernde Verwendung fand, sanken
2. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
5
wieder andere schnell in die Wertlosigkeit zurück, aus der sie
eine überlaute Reklame emporgehoben hatte.
In ein neues Stadium trat die Frage der Wahl eines ge¬
eigneten Antiseptikums mit der Einführung eines pulverförmigen
Wundmittels, nämlich des Jodoforms. Die Frage der möglichen
Schädigung des Organismus ganz außer acht gelassen, vereinigte
dieses Medikament derartige Vorzüge in sich, daß viele damit
das Gewünschte gefunden zu haben glaubten. Vor allem be¬
grüßte man in dem Jodoform ein Mittel, welches in ungelöstem
Zustande angewendet werden konnte, ein nicht zu unterschätzender
Vorteil für den Arzt; nicht minder erfreulich war der Umstand,
daß das Medikament ohne weitere Beimengung sofort rein auf
die Wunde gestreut werden konnte und als pulverförmige Sub¬
stanz überall leicht anzubringen war. Doch auch diesen Vor¬
zügen standen Nachteile gegenüber, die sehr stark ins Gewicht
fallende unangenehme Eigenschaft des Jodoforms, nämlich der
widerliche Geruch desselben, sowie auch die vielen anderen mehr
oder minder bedeutenden Mängel des Jodoforms, so zum Beispiel
seine Fähigkeit an der Applikätionsstelle ekzematöse und andere
Reizerscheinungen der Haut und Schleimhäute hervorzurufen;
sowie in vielen Fällen zu langsam vor sich gehende Wirkung
und seine in manchen Fällen beobachtete, vollständige Unwirksam¬
keit riefen das Bestreben wach, das Jodoform durch andere,
durch bessere Mittel zu ersetzen. Die Jagd nach solchen Ersatz¬
mitteln hat nun einen derartigen Umfang angenommen, daß man
tatsächlich fast jeden Monat von einem neuen Repräsentanten
dieser pharmazeutischen Gruppe zu hören bekam, mit welchen
uns eine nur zu rührige chemische Industrie beglückte.
Und in der Tat hat der Skeptizismus, mit welchem die
Arzte die Ankündigung eines neuen Medikaments aufnehmen,
volle Berechtigung, weil oft lediglich industrielle Zwecke damit
verfolgt werden und nur zu häufig die Inferiorität der neuen
Mittel gegenüber altbewährten Präparaten sich herausstellt.
Dieser instruktive Widerstand, welchen die Ärzte wegen
früherer Enttäuschungen gegen die modernen Medikamente zu
hegen pflegen, führt aber manchmal auch dazu, die positiven
und günstigen Eigenschaften einiger solcher Präparate zu ver¬
kennen und letztere ungerechtfertigt der Vergessenheit anheim¬
fallen zu lassen.
Zu diesen wirklich zweckmäßigen Medikamenten ist das
Dymal zu rechnen und wird dasselbe von der Frankfurter
chemischen Fabrik „Vereinigte Chininfabriken Zimmer & Co.“
hergestellt. Es ist ein Nebenprodukt der Fabrikation von Auer¬
strümpfen und von der chemischen Formel Di 2 (C 6 H 4 OH.COO) 6 .
Das Präparat beBteht im wesentlichen aus salizylsaurem Dulym
und bildet ein äußerst feines Pulver von blaßrosa Farbe, wenig
ausgeprägtem, aber angenehmen Geruch, das nicht zusammen¬
ballt, beim Zerreiben mit den Fingern auf der Haut festhaftet,
mit einem Pinsel sich gut aufstreuen läßt und mit Wasser eine
milchige Emulsion bildet. Auch ein nicht zu unterschätzender
Vorteil gegenüber den sonstigen antiseptischen Mitteln ist der
geringe Preis des Dymal, der besonders in der Veterinärpraxis,
wo meist erhebliche Quantitäten zur Verwendung gelangen,
schwer ins Gewicht fällt.
Ich selbst habe Dymal äußerlich und innerlich in den ver¬
schiedensten Fällen in meiner hiesigen Praxis angewendet und
habe Dymal in äußerlicher Anwendung als ausgezeichnetes
Desinfiziens mit gleichzeitiger adstringierender und des¬
odorisierender Wirkung kennen gelernt. Günstige Resultate
durch Dymal wurden von mir in der Veterinärpraxis erzielt
bei frischen Wunden, wobei Dymal als Streupulver in
reichlicher Menge auf diese aufgetragen wird, ferner
bei älteren Wunden, bei Mauke der Pferde und ebenso bei
Panaritium des Rindes. Außerdem leistete mir dieses Streu¬
pulver bei Sattel- und Geschirrdrücken der Pferde, beim Durch¬
liegen derselben, bei oberflächlichen Wunden, Abschürfungen
und bedeutenden Hautverletzungen in der Veterinärpraxis vor¬
zügliche Dienste und trat durch öftere Einpuderung der betreffenden
Stellen eine rasche Heilung ein; auch bei Ekzemen der Hunde
wurde Dymal als Streupulver mit gutem Erfolge angewandt und
ist auch die Behandlung der eitrigen Entzündung des äußeren
Gehörgangs des Hundes durch Einblasen von vorgenanntem
Präparat mit erfolgreichem Resultat durch mich vorgenommen
worden. Auch Verbrennungen heilen unter Dymal verband bald,
besonders nimmt die Sekretion rasch ab und ist der günstige
Einfluß des Dymals bei Verbrennungen geradezu evident. Auch
noch in weiteren chirurgischen Fällen habe ich das Dymal ge¬
braucht und konnte immer seine austrocknende und vernarbende
Wirkung beobachten. Deshalb und weil es weder reizend noch
giftig wirkt und keinen unangenehmen Geruch besitzt und ver¬
hältnismäßig billig ist, sollte jeder Praktiker nicht versäumen,
Dymal in den obengenannten chirurgischen Fällen anzuwenden.
Zufriedengestellt mit den guten Resultaten der Behandlung
mit Dymal in chirurgischen Fällen, verabreichte ich Dymal
innerlich in mehreren Fällen von akuten und chronischen Darm¬
katarrhen bei Pferden und Rindvieh, ferner bei Durchfall des
Jungviehs. Gnte Dienste leistete mir dieses Präparat bei einem
Ochsen mit blutiger Diarrhöe, die allerdings schon einige Tage
gedauert hatte, bevor der Eigentümer mich hinzuzog, und wurde
diese Krankheit durch Anwendung von drei Dosen Dymal ä 20 g
täglich, in Haferschleim verabreicht, in drei Tagen zum Stillstand
gebracht. Eine lVa jährige Kalbin litt an Diarrhöe, die ver¬
schiedensten Mittel waren schon erfolglos angewendet worden,
die Krankheit wurde immer heftiger, so daß fast rein wässerige,
rötlich gefärbte Fäkalwasser in weitem Bogen abgingen. Die
Ordination war dreimal täglich ein Pulver von 20 g Dymal
in einer Flasche Haferschleim aufgelöst; die Kalbin, aufs
äußerste abgemagert und kraftlos, fing bereits am zweiten
Tage an zu fressen und erlangte allmählich ihr früheres Aus¬
sehen wieder, nachdem vom vierten Tage an nur eine einmalige
Dosis von 20 g Dymal verabreicht worden war. Auch bei ver¬
schiedenen Pferden, welche an infektiösem Magendarmkatarrh
mit heftiger Diarrhöe litten, wandte ich Dosen Dymal zu je
20 g mit guten Erfolgen an und wurden diese Dosen je nach
Bedarf zwei- oder dreimal täglich wiederholt. Auch bei
Diarrhöen und Darmerkrankungen junger Fohlen, bei Durchfällen
der Ferkel und Hunde und ebenso bei allen Verdauungsstörungen
und Diarrhöen der Kälber, sowie bei infektiöser Kälberruhr
leistete das Dymal mir ebenfalls vorzügliche Dienste und wurde
dieses in Dosen von 5—10 g zwei- oder dreimal täglich in
Haferschleim eingegeben. Von einer schädigenden Wirkung des
Dymal während der innerlichen Verabreichung war absolut nichts
zu bemerken und braucht man deshalb mit der Dosierung nicht
ängstlich zu sein und habe ich beobachtet, daß Dymal dort, wo
Fäulnis und Gärung hemmende, zusammenziehende, desodori¬
sierende und antiseptische Wirkung erwünscht ist, gute
Dienste leistet.
6
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Zum Schluß kann gesagt werden, daß das Dymal ver¬
dient, nach obigen Versuchen unzweifelhaft auch in der Veterinär¬
medizin in den verschiedensten Gebieten in größerem Umfange
angewendet zu werden und läßt sich sicherlich das Indikations¬
gebiet des Dymal noch wesentlich erweitern. Bestimmend
hierfür dürfte sowohl die Ungiftigkeit als auch die prompte
äußerliche und innerliche Heilwirkung ins Gewicht fallen.
Jedenfalls aber sind die von mir gemachten praktischen Er¬
fahrungen geeignet, zu weiteren Versuchen einzuladen, um ein
erschöpfendes Urteil in der Veterinärmedizin fällen zu können.
Zum Schluß sei an dieser Stelle noch erlaubt, den Vereinigten
Chininfabriken Zimmer & Co., Frankfurt a. M., die mir in
kulantester Weise das verwandte Dymal für meine Versuche
hier in der Kapkolonie zur Verfügung stellten, meinen besten
Dank hiermit auszusprechen.
Referate.
Studie Aber die Ätiologie der deutschen Schweinepest,
Von K. Gläser, Repetitor am pathologisch-anatom. Institut der
tierärztlichen Hochschule zu Hannover.
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 1907. Nr. 44 und 45.)
Durch seine Untersuchungen stellte Gläser fest, daß die
amerikanischen Autoren nicht den Beweis dafür erbracht haben,
daß ein filtrierbares Virus die Ursache der Hogcholera sei.
Ebensowenig beweisen die Untersuchungen Ostertags die
Filtrierbarkeit des Virus der Hogcholera. Aber auch die von
Ostertag und Stadie angestellten Untersuchungen über die
Ätiologie der deutschen Schweinepest haben nicht bewiesen, daß
die Ursache derselben ein filtrierbarer Virus ist.
Gläser komm auf Grund seiner Untersuchungen und Ver¬
suche über die Ätiologie der deutschen Schweinepest zu folgenden
Schlußfolgerungen:
1. Weder mit Filtraten hergestellt aus Schweinen, die an
einer Mischinfektion von Schweineseuche und Schweinepest ge¬
litten hatten, noch mit solchen gewonnen aus Ferkeln, die an
der typischen chronischen Form der Schweinepest verendet
waren, noch auch mit denjenigen, die aus den Versuchsferkeln
HI und IV, bei denen durch die Sektion subakute bzw. akute
Form der Schweinepest festgestellt worden war, stammten, war
es möglich, eine Erkrankung der subkutan und intrapleural ge¬
impften Versuchsferkel I, II und V herbeizuführen.
2. Dagegon gelang es durch Verfütterung von Reinkulturen
des Bacillus suipestifer bei den Versuchsferkeln IH und IV im
Wesen ganz dieselben Veränderungen zu erzeugen, wie man sie
bei natürlichen Schweinepestfällen in Deutschland beobachtet.
3. Durch die Fütterung des Bac. suipestifer an die Ver¬
suchsferkel III und IV wurden nicht nur „die der Schweinepest
eigentümlichen Nekrosen im Darm des Schweines“ erzeugt
(Ostertag-Stadie), sondern es fand außer beginnender
Nekrose einzelner Follikel, Hyperplasie der Lymphapparate des
Darmes auch eine fibrinöse Darmentzündung bei Versuchsferkel
m (subakute Form der Schweinepest), und es fand sich weiter
bei Versuchsferkel IV eine fibrinös-hämorrhagische Darm¬
entzündung und Hyperplasie der Lymphapparate ohne irgend¬
welche Erscheinung der Nekrose (akute Form der Schweinepest).
4. Filtratinjektionen bei Kaninchen waren völlig unwirksam,
dagegen ließ sich durch den Bacillus suipestifer beim Kaninchen
ein getreues Abbild der Veränderungen her vorrufen, die wir im
Darm des Schweines bei spontanen Schweinepestfällen beobachten.
5. Gläser stellt fest, daß er (iurch seine Untersuchungen
einwandfrei dargetan habe, daß die Ursache der Schweinepest des
spontan erkrankten Ausgangsferkels zum Versuch 1 der II. Ver¬
suchsreihe und der künstlich infizierten Versuchsferkel IH und IV
der Bacillus suipestifer war. Die Veränderungen bei den natür¬
lichen Schweinepestfällen decken sich in ihrem Wesen voll¬
kommen mit denjenigen, die bei der Sektion dieser drei Ferkel
ermittelt wurden.
6. Auf Grund seiner Untersuchungsergebnisse muß Gläser
als Ursache der Schweinepest in Deutschland allein den Bacillus
suipestifer ansprechen. Daß es noch eine unter dem Bilde der
Schweinepest verlaufende, infektiöse Erkrankung der Schweine
gibt, die durch ein filtrierbares Virus bedingt wird, ist bis heute
von keiner Seite einwandfrei bewiesen.
Auch Lourens, Unterdirektor des Reichsseruminstitutes in
Rotterdam kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem¬
selben Resultat, daß nämlich nur der Bacillus suipestifer die
einzige Ursache der Schweinepest ist. Rdr.
Aus den Jahresberichten der badischen Bezirkstierärzte.
(Mitteilungen des Vereins badischer Tierärzte, 7. Jahrg., Nr. 8 u. 9.)
ÜberLungenwurmseuche berichtet Bezirkstierarzt V a e t h,
Heidelberg. Unter den 70 Stück Jungrindern einer Jungvieh¬
weide brach im Herbst eine scheinbar ansteckende Lungen¬
erkrankung aus, die sich bei näherer Untersuchung als die
sogenannte Lungenwurmseuche offenbarte. Die veranlassende
Ursache war der Strongylus micrurus. Als klinische Symptome
zeigten die Tiere blasse Schleimhäute, geringgradigen Nasen¬
katarrh, starken angestrengten Husten, erschwerte Atmung,
starke Rasselgeräusche bei Auskultation der Brust; einige Tiere
waren erheblich in der Ernährung zurückgegangen, die meisten
waren noch fleischig. Im ausgeworfenen Schleim konnten die
genannten Palissadenwürmer massenhaft nachgewiesen werden.
Die diätetische Behandlung bestand darin, daß die Rinder
die Weide verlassen und die Stallungen wieder beziehen mußten.
Sie wurden ausschließlich mit Trockenfutter genährt. Zur
arzneilichen Therapie diente die intratracheale Injektion, für
welche dreierlei Medikamente gewälilt wurden. Dies waren:
1. einprozentiges Karbolwasser (jeweils 20,0); 2. eine Mischung
von Kreosot 5,0 und Mandelöl 100,0 (15 bis 20,0 pro dosi);
3. eine Mischung von 01. caryophyll., 01. Terebinth aa 100,0,
Acid. carbolic., 01. cadin. ää 2,00, jeweils 10,0 pro dosi. Mit
den genannten Arzneimitteln wurden die Tiere am 1., 5., 13.
und 21. Tage behandelt, alle drei Mischungen wurden gleich
gut ertragen, nur bei Nr. 3 entstanden starke ödematöse und
schmerzhafte Anschwellungen an der Einstichstelle, so daß für
die Folge von dieser scharfen Arznei Abstand genommen und
statt ihrer das 1 proz. Karbolwasser verwendet wurde.
Die Vornahme der Injektion gestaltete sich verhältnismäßig
einfach, für die 60 zu behandelnden Tiere benötigte V. kaum
l 1 a Stunden. Beim Halten des Kopfes wurde der Hals etwas
abgebogen, die Spritze etwa handbreit unterhalb des Kehlkopfes
von der rechten Seite her (nicht von vorn) eingestochen.
Der Erfolg war ein scheinbar guter, denn nach zwei bis
drei Monaten waren die Tiere geheilt. Nach des Verfassers
Ansicht ist aber dieses Resultat nicht der arzneilichen Behand¬
lung, sondern der Unterbringung der Tiere im Stall und der
Ernährung mit Trockenfutter zuzuschreiben.
2. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
7
Große Fruchtbarkeit bei einem Rind beschreibt Be-
zirk8tierarzt Dr. Hanger in Neustadt. Das betreffende Tier
gebar im siebenten Trächtigkeitsmonat fünf Kälber (drei männ¬
liche und zwei Zwitter). Das Jahr zuvor hat dasselbe Rind
drei Kälber geworfen.
Bezirkstierarzt Berger in Bühl fand bei zwei Rindern,
welche unter den Symptomen des Herzschlages plötzlich ver¬
endet waren, Thrombose der Lungenarterien. Bei dem
einen Tiere ließ sich der primäre Krankheitsherd in einer
parenchymatösen Euterentzündung vermuten, im anderen Falle
konnte die Ursache der Embolie bzw. Thrombenbildung nicht
ermittelt werden.
Derselbe Autor beobachtete bei einem ein Jahr alten männ-
Hcben Jungrind Vergiftung durch Alkohol. Das Rind hatte
ans einem in der Stallung behufs schnellerer Gärung auf¬
gestellten Zuber mit Kornmaische ziemliche Mengen aufgenommen
und war hiernach unter dem klinischen Bilde völliger Bewußt¬
losigkeit und akuter Tympanitis erkrankt. Die eingeleite Be¬
handlung versagte; das Tier mußte, da es ein freies Sensorium
nicht wieder erlangte, am dritten Tage notgeschlachtet werden.
Über ein Vorkommnis von Sadismus und Sodomie referiert
Bezirkstierarzt Meitzer in Donaueschingen. Einem Landwirt
erkrankte nahezu der ganze Viehbestand in längeren Zwischen¬
räumen unter den verschiedensten Symptomen (Indigestion, Ab¬
magerung, Bösartigkeit, äußeren Verletzungen, Verkalben, Aus¬
fluß aus den Geschlechtsteilen). Die infolge mehrerer Not¬
schlachtungen erforderliche Fleischbeschau ergab dringenden
Verdacht auf Beschädigung der Tiere durch einen Sadisten.
Die unauffällige, ständige Überwachung des Stallpersonales
führte zur Entdeckung des Schuldigen — eines noch ganz jungen
Burschen, der schon eine Vorstrafe wegen Sittlichkeitsverbrechen
erlitten hatte. Im vorliegenden Falle hatte der Übeltäter
17 Rinder, 2 Pferde und 5 Schweine teils durch Sadismus, teils
durch Sodomie mißbraucht und gequält. An denjenigen Tieren,
welche sich der* Sodomie erwehrten, übte er Rache durch
sadistische Grausamkeiten, insbesondere durch gewaltsames tiefes
Einfuhren von Besen- und Peitschenstielen in Mastdarm und
Scheide, aber auch durch Beibringen von Wunden, Quetschungen
und dergleichen an den verschiedensten Körperteilen vermittelst
Heu- und Mistgabeln, Rechen und Prügeln. Der Gesamtschaden,
welchen der Landwirt erlitten hatte, wurde vor Gericht auf
922 M. taxiert.
Als Grund seines strafbaren Tuns gab der Angeklagte an:
er habe möglichst bald aus dem Dienste seines jetzigen strengen
Herren entlassen werden wollen. Die Verurteilung lautete auf
11 Monate Gefängnis, von welchen 3 auf widernatürliche Unzucht
und 8 auf Sachbeschädigung entfielen. Daß vor Ermittlung
des Schuldigen die so schwer geschädigte und beunruhigte Familie
des betroffenen Tierbesitzers, sowie auch die umwohnende Be¬
völkerung dazu neigte, an einen üblen Hexenspuk zu glauben,
bedarf wohl kaum noch der Erwähnung. J. Schmidt.
Seachenhafte Verbreitung des Herpes tonsurans bei
Pferden.
Von k. und k. Militär-Gestütstierarzt A. W indisch in Nijitra.
(Allatorvori hapok 1907, Nr. 2-«.)
Im vergangenen Winter trat kurz nach einander bei drei¬
zehn Hengsten an der Sattellage ein sonderbarer Hautausschlag
auf. Es entstanden pfennig- bis talergroße, regelmäßig kreis¬
runde haarlose Flecke, die mit aschgrauen asbestartigen Krusten
bedeckt waren. Die Berührung dieser Stellen erzeugt kein
Juckgefühl, sondern eher einen Schmerz. In einzelnen Fällen
konnte man vorher kleinere Schwellungen der Haut bemerken,
zu einer Bläschenbildung kam es aber nicht. Mit den Krusten
konnte man leicht andere Pferde infizieren.
In ungefähr zwei Monaten stieg die Zahl der erkrankten
Pferde schon auf 120, auch verbreitete sich das Leiden von der
Sattellage aus bei mehreren Fällen auf die ganze Körperober¬
fläche, so daß 25 Hengste beinahe vollkommen kahl wurden.
Wenn die hautkranken Pferde sich zufälligerweise verwundeten,
so wurde die Wundfläche bald mit einer schimmelartigen Schicht
bedeckt, welche sich hier allmählich in Tellerform verbreitete.
Einzelne Krustenfelder faßten bald in eins zusammen, besonders
an solchen Stellen, wo sie einer Reibung ausgesetzt waren.
Von den Pferden erkrankten am spätesten die Lipizzaner-
Schimmel; bei den Schimmeln war die Erkrankung überhaupt
nur leichteren- Grades.
In den Krusten wurde bei der mikroskopischen Untersuchung
durch Prof. Dr. Marek der Trichophyton tonsurans nach¬
gewiesen.
Zur Behandlung ließ man die noch gesunden Pferde
separieren; bei den kranken wurden die Krusten abgehoben
und nachher flie Haut mit einer 5proz. Salizylspiritus-Lösung
bepinselt. Nach dem Eintrocknen ließ man die kranke Stelle
und ihre unmittelbare Umgebung mit einer 10 proz. Salizylsäüre-
Salbe einreiben. Zwei- bis dreimaliges Einreiben genügte voll¬
kommen. Durch sechs Wochen wurden sämtliche Pferde alle
drei Tage einer strengen Kontrolle unterworfen, bis die Seuche
vollkommen erloschen war.
Zur Desinfektion des Geschirrs und Stallgerätes wendete
man siedend heiße 6 proz. Natronlauge an, während die Kotzen,
Decken usw. durch Dampf in l l /a Atmosphärendruck desinfiziert
wurden. Dr. Z.
Äbszedierende, periproktale Phlegmone.
Von Oberveterinär Bülling.
(Zeitschrift für Veterinärkunde 1907, S. 324.)
Ein Reitpferd erkrankte nach erfolgreichem Rennen an
Kolik. Die geschwollene Mastdarmschleimhaut war stark vor¬
gedrängt, vereinzelte Bluttropfen liefen aus dem After. Bei der
rektalen Untersuchung wurde in der Entfernung der halben
Armeslänge eine rauhe, muldenartige Vertiefung von der Größe
eines halben Enteneies in der unteren Darmwand festgestellt,
in der ein fester Kotballen saß. Aus diesem mit Blut über¬
zogenen Kotballen ragte die Spitze eines 1,6 cm langen End¬
triebes von Berberis vulgaris etwa 2 mm heraus; die Dornspitze
zeigte eine alte Bruchfläche. Unter der rauhen Darmwandstelle
wurde eine Geschwulst von der Größe zweier Mannesfäuste, die
mit der unteren Darmwand verwachsen schien (Abszeß), fest¬
gestellt. Schwankungen des Allgemeinbefindens usw. gingen in
den folgenden Tagen mit Lähmung des Mastdarms einher. Am
zehnten Krankheitstage ließ sich in der Mitte der eben be¬
schriebenen Darmläsion ein strohhalmstarker Kanal bemerken,
aus dem sich Eiter entleerte und der in die Geschwulst führte.
Unterhalb des Afters bildete sich ein weiterer Abszeß hühnerei¬
groß unter der Haut, der aufgeschnitten bald ausheilte. Auch
der periproktale Abszeß in der Beckenhöhle wurde täglich
kleiner, so daß nach vier Wochen Heilung eingetreten war.
Nach drei Monaten hatte Patient seine alte Leistungsfähigkeit
wiedergewonnen. Richter.
8
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Blitzschlag.
Von Oberveterinär Zerler.
(Zeitachr. f. Veterin&rk. 1907. S. 390.)
Eine Remonte war durch Blitzschlag im Stalle getötet
worden. — Aus dem Sektionsbefund sei folgendes hervor¬
gehoben: Nach Abnahme der Haut zeigt sich am Kopfe die
Unterhaut und die darunter liegende Muskulatur tief schwarzrot
verfärbt, wie gequetscht. Diese Veränderung setzt sich zu
beiden Seiten des Halses fort, geht dann über die ganze linke
Schulterpartie bis an die linke Vorderfußwurzel und verliert
sich am Schienbein. — Nach Herausnahme des Gehirns findet
sich die Hirnsubstanz wie mit Serum durchsetzt (wäßrig). In
den Ventrikeln ebenfalls vermehrte seröse Flüssigkeit.
Richter.
Hypothese der Bakterfenentstehung.
Prof. Dunbar veröffentlicht in seiner Schrift^ „Wie ent¬
stehen die Bakterien“ interessante Untersuchungen über die
Entstehung der Bakterien. Danach entwickeln sich die Bak¬
terien, samt den dem Saprophytengeschlechte angehörigen
Schimmel- und Hefepilzen aus den chlorophyllhaltigen Algen.
Viele Jahre ausdauernder Bemühungen sollen Dunbar zu dem
Resultat verholfen haben, auf dem Wege der Reinkultur aus
einer Chlorophycacee (der Familie der Palmellace^e angehörig)
auf ganz bestimmten Nährböden, bei bestimmter Temperatur
und entsprechenden Nährzusätzen, sowohl Hefe- wie Schimmel¬
pilze, sowie sämtliche Bakterienarten, Stäbchen, Kokken, Komma¬
bazillen, Spirillen, auch Sarcine usw. züchten zu können. Eine
über ein Jahr steril aufbewahrte Algenzelle z. B., die un¬
verändert geblieben war, veränderte sich unter dem Einfluß der
spezifischen Dunbarschen Kultur und erzeugte Tochterbildungen
nach fünf Tagen, die ebenfalls sofort sich zu vermehren be¬
gannen. Die Vorgänge bei der Metamorphose von Alge zu
Bakterium sollen folgende gewesen sein: Erst produzierte die
Algenzelle schlauchartige Ausstülpungen, die nach einiger Zeit
verschwanden; statt dessen war die Kultur mit Bakterien besetzt.
Waren keine chlorophyllhaltige Algen zur Stelle, kamen auch
Spirochaeten, Coccen, Vibrionen, Hefen, Streptothrix, sowie
Schimmelarten von Toincillinen und Uredo zum Vorschein.
Sollten die Dunbarschen Untersuchungen auch anderwärts be¬
stätigt werden, so dürfte hinsichtlich der Genese vieler Infektions¬
krankheiten sich manches erklären. Dr. G.
Mitteilungen über Milzbrandbehandlnng und „Impfang
and K&d&yerbeseitignng“.
(Veröffentl. &. «1. Jahres-Veteriniirberichten der beamteten Tierärzte Preußens fllr das
Jahr 1905. 6. Jahrgang. I. Teil. S. 16 20.)
Vgl. auch den Artikel von Zernecke S. 12.
Über die Behandlung milzbrandkranker Tiere mit Kreolin
liegen mehrere Berichte vor, die günstig lauten. Zwei Bericht¬
erstatter erwähnen aber, daß die Kreolinbehandlung im Stiche
ließ. Nach der Erfahrung des Veterinärrates Schmidt in Stade
läßt man milzbrandkranken Rindern am besten zunächst mehrere
Male stündlich, dann zweistündlich 15 g Kreolin mit einer Wein¬
flasche Wasser so lange eingeben, bis die Temperatur auf
39,0° heruntergegangen ist. Nunmehr wird ;alle 3 bis 4 Stunden
die Temperatur gemessen. Wenn sie steigt, wird wieder Kreolin
verabreicht. Auf diese Weise hat Schmidt nicht selten inner¬
halb 24 Stunden bis 200 g Kreolin und innerhalb vier Tagen
500 g Kreolin eingeben lassen, fast immer Heilung erzielt und
niemals Kreolinvergiftung eintreten sehen.
Zahlreiche Berichte liegen vor über Milzbrandimpfung nach
Sobernheim und Pasteur. Die Zahl der geimpften Tiere
war in einzelnen Kreisen sehr beträchtlich. Der Erfolg der
Impfung war sehr verschieden, im allgemeinen jedoch günstig.
Es kamen Mißerfolge nach der Pasteurschen wie nach der
Sobernheim8chen Impfung vor. Einige Berichterstatter er¬
wähnen, daß die Sobernheimsche Impfung einen genügend
langen Schutz gewährte. Beispielsweise währte der Impfschutz
im Kreise Schmiegel nur drei Monate, sodaß die Bestände noch¬
mals und zwar nach Pasteur geimpft werden mußten.
Über die Zweckmäßigkeit' und Ausführbarkeit der Ver¬
brennung der Kadaver äußern sich auch diesmal die Kreistier¬
ärzte sehr verschieden. Im großen und ganzen wird die Ver¬
brennung von den Berichterstattern nicht günstig beurteilt, weil
die Kosten für das Brennmaterial nicht unerheblich sind und
die vollkommene Verbrennung sehr lange dauert. Schwierig ist
auch die Kontrolle darüber, ob die Kadaverteile alle verbrannt
sind. Kreistierarzt Müller in Wongrowitz (Regierungs-Bezirk
Bromberg) hat einen Verbrennungsofen mit ausziehbarem eisernen
Rost herstellen lassen. Das Verbrennen eines Schafes soll
damit in l l / 2 Stunden erfolgen und nur wenig Brennmaterial
erfordern. In den Abdeckereien der Kreise Pyritz und Dem min
werden die Milzbrandkadaver durch Zerkochen mit schwefel¬
säurehaltigem Wasser unschädlich gemacht. Rdr.
Tagesgeschichte.
t
Am 16. Dezember d. Js. verschied in Dahme (Mark) nach
schwerem Leiden der Königliche Kreistierarzt Adolf Erxleben
im 43. Lebensjahre.
Erxleben war am 1. Oktober 1865 in Eberswalde geboren,
woselbst er das Gymnasium bis zur Prima besuchte. Nachdem
er 1888 das Staatsexamen als Tierarzt und 1894 das Examen
zur Anstellung als beamteter Tierarzt bestanden hatte, wurde
er 1896 für den Kreis Jüterbog-Luckenwalde als Kreistierarzt
in Dahme angestellt.
Der so früh Verstorbene war ein stets pflichttreuer Beamter
und ein überaus reger und fleißiger Praktiker. Durch sein ge¬
winnendes und bescheidenes Wesen hat er sich nicht allein die
Liebe seiner Kollegen, sondern auch Achtung und Ansehen bei
den Eingesessenen seines engeren Wirkungskreises erworben
und sich so ein bleibendes Andenken gesichert.
Neubabelsberg, den 23. Dezember 1907. Kl ebb a.
Bie Stellung der Privattierärzte in der Fleischbeschaa
and die Mittel zar Besserung.
Von Tierarzt G. Meier-Ketzin.
(Vortrag, gehalten auf der Generalversammlung des Verbandes der
Privattierärzte in Preußen am 8. Dezember 1907.)
Meine Herren! Die wirtschaftliche Lage und die Be¬
strebungen der Privattierärzte sind in letzter Zeit in den tier¬
ärztlichen Vereinen und Zeitschriften häufig Gegenstand der
Besprechung gewesen. Für uns handelt es sich hauptsächlich
um die Verteidigung unseres Gebietes der kurativen Praxis und
um Wahrung unserer Stellung gegenüber den beamteten Tier¬
ärzten. Wir konnten nicht ruhig zusehen, daß wir in unserer
Tätigkeit mehr und mehr eingeengt und immer weiter in den
2. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
9
Hintergrand gedrängt wurden, während die anderen Berufs-
gmppen sich in einer erfreulichen Aufwärtsbewegung befinden.
Durch gegenseitigen Meinungsaustausch scheint hier eine fried¬
liche Lösung gefunden zu werden und uns hierdurch unsere
bisher bewährte und auch fernerhin dringend notwendige Einig¬
keit erhalten zu bleiben. In dieser Aussprache wurde die
Stellung, welche die Privattierärzte in der Fleischbeschau ein¬
nehmen, nur wenig berührt. Die meisten von uns sind heute
jedoch nicht nur auf dem Gebiete der Heilkunst, sondern auch
auf dem der Fleischbeschau tätig, so daß auch diese auf unseren
Stand einen Einfluß ausüben muß.
Nachdem nunmehr das Fleischbeschaugesetz 4 l /a Jahre be¬
steht, erscheint es mir angebracht, daß wir uns hier darüber
äußern, wie die Fleischbeschau die Verhältnisse der Tierärzte
beeinflußt hat. Die beamteten Tierärzte dürften an der Er¬
örterung dieser Frage weniger Interesse haben, da dieselben in
der Regel die ordentliche Beschau nicht auBüben und nach dem
Gesetz eine andere Stellung in der Fleischbeschau einnehmen
als die übrigen Tierärzte. Sie sind die aufsichtfuhrenden und
wir die ausführenden Organe. Die Generalversammlung des
Verbandes der Privattierärzte muß demnach als der geeignetste
Ort für eine diesbezügliche Aussprache gelten.
Es steht fest, daß sich die Hoffnungen, die ein großer
Teil der Tierärzte auf die Fleischbeschau gesetzt hatte, nicht
erfüllt haben. Der Freudenstimmung ist die Enttäuschung ge¬
folgt. Immer häufiger werden Klagen von Tierärzten laut über
Ärger und Verdruß und über geringe Befriedigung in der Aus¬
übung der Beschau. Daß dies so kommen würde, war voraus¬
zusehen. Die Verstimmung ist die unausbleibliche Folge davon,
daß wir gezwungen sind, auf einem tierärztlichem Gebiete mit
Laien zusammen arbeiten zu müssen. Der Einfluß der Fleisch¬
beschau auf den tierärztlichen Beruf hat sich nach zwei Richtungen
bemerkbar gemacht,
1. im Einkommen,
2. in der Stellung.
Zugegeben muß werden, daß durch die Beschau eine nicht
unbedeutende Summe Geldes in die Taschen der Tierärzte und
zwar vorzugsweise in die Taschen der Privattierärzte fließt.
Gar manchem Kollegen hat sie eine gesicherte Stellung verschafft,
und viele neue Stellen sind durch sie bedingt worden. Das
letztere aber hatte zur Folge, daß die Konkurrenz, namentlich in
der Nähe der Großstädte, vergrößert und der Bezirk der Praxis
verkleinert worden ist. Oft hat ein Gebiet, das früher ein
Tierarzt beherrschte, jetzt drei, vier oder noch mehr Tierärzte
aufzuweisen. Um ihre Existenz auch ferner zu sichern, haben
viele Tierärzte notgedrungen zur Fleischbeschau greifen müssen.
Es muß auch berücksichtigt werden, daß die Untersuchungen
viel Zeit erfordern, und daher in der Ausübung der Praxis eine
große Behinderung bedeuten. Erst die Fleischbeschau, dann die
Praxis, dürfte die Regel sein. Die meisten durch die Beschau
geschaffenen Stellen gewähren nur ein recht bescheidenes Ein¬
kommen und können nur als befriedigende gelten, so lange sie
als Durchgangsstellen benützt werden. Und doch dürfte mancher,
sei es in der Hoffnung auf Besserung, sei es daß er sich nach
einigen Jahren nicht mehr in die Praxis hinauswagt, in dieser
Stellung verbleiben. Ersparnisse sind ausgeschlossen, Pensions¬
berechtigung besteht nicht, und somit sind die Aussichten für
die Zukunft wenig erfreulich. Dem tierärztlichen Stande
aber können diese Stellen nicht zum Vorteil gereichen,
denn sie werden uns ein tierärztliches Proletariat
verschaffen.
Die Ergänzungsbeschau hat für die Tierärzte keine Be¬
deutung gehabt. Als neue Einnahmequelle kann sie nicht
gelten, da sie in der Regel Notschlachtungen betrifft, zu deren
Begutachtung wir früher schon zugezogen wurden. Es hat den
Anschein, als ob die Fälle von Ergänzungsbeschau immer seltener
würden, so sind dieselben z. B. in meinem Bezirk um die Hälfte
zurückgegangen. Während ich noch vor zwei Jahren von einem
Beschauer 7 mal im Laufe des Jahres requiriert wurde, geschah
dies seitdem überhaupt nicht mehr. Sind wirklich die Unter¬
suchungen kranker Tiere soviel seltener geworden, oder über¬
schreiten die Beschauer soviel öfter ihre Befugnisse? Es wird
der Zuverlässigkeit der Laienbeschauer kein gutes Zeugnis aus¬
gestellt, wenn auf dem städtischen Schauamt zu Königsberg
nach den Angaben des Herrn Schlachthofdirektors Maske von
den eingeführten und von Laien als tauglich und vollwertig ab¬
gestempelten Tieren 30 18 / 4 Rinder, 125 Kälber, 19 Schweine
und 6 Schafe beanstandet werden mußten. Sollten solche Über¬
griffe der Beschauer nur in der Gegend von Königsberg Vor¬
kommen? Diejenigen Beschauer, denen man das Zeugnis der
Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit ausstellen muß, haben den
Ergänzungsbeschauer am häufigsten nötig, während andere die
Ergänzungsbeschau überhaupt nicht zu kennen scheinen.
Aus dem Gesagten geht hervor, daß durch die Fleisch¬
beschau eine wesentliche Aufbesserung unserer wirtschaftlichen
Lage nicht erfolgt ist. Immerhin können wir nach dieser
Richtung mit der Wirkung des Fleischbeschaugesetzes zu¬
frieden sein.
Einen ganz anderen Einfluß aber hat dieselbe auf die tier¬
ärztliche Stellung ausgeübt. Das Ansehen der Privat¬
tierärzte ist durch die Beschau nicht verbessert,
sondern — hierüber dürfte kein Zweifel mehr bestehen —
vielfach verschlechtert worden. Ich brauche nur auf den
Kampf um die Freizügigkeit des tierärztlich untersuchten
Fleisches hinzuweisen. Sind wir hier nicht als eine minder¬
wertige Klasse hingestellt worden? Ist unsere Brauchbarkeit
und Zuverlässigkeit hier nicht öffentlich in Frage gestellt worden ?
Auch das Vorgehen des Vereins der beamteten Tierärzte, die
Privattierärzte von der Begutachtung der Pferdeschlachtung
auszuschließen, mußte unser Ansehen herabsetzen. Doch das
liegt hinter uns und hat, wenn auch die Spuren noch nicht
verwischt sind, für die Zukunft keine Bedeutung mehr.
Den größten Einfluß auf unsere Stellung und unser Am
sehen hat die Anstellung von Laien in der Fleischbeschau
gehabt, und dieser wird sich, da wir die Laien niemals ent¬
behren können, immer bemerkbar machen. Es kann unmöglich
zur Förderung unseres Ansehens beitragen, wenn Leute in ein¬
facher Lebensstellung auf Grund eines mehrwöchentlichen Kursus
im wesentlichen dasselbe ausführen können und die gleiche Be¬
zahlung dafür erhalten, wie wir Tierärzte. Das bißchen Er¬
gänzungsbeschau, was man gern zu unsern Gunsten anführt
kommt kaum in Betracht, denn ein großer Teil des Publikums
weiß davon überhaupt nichts, und nicht nach einer gelegent¬
lichen Verrichtung, sondern nach unserer täglichen Beschäftigung
werden wir beurteilt. Preisgeben können wir dieserhalb die
Fleischbeschau nicht, weil wir ein tierärztliches Gebiet zu er¬
halten verpflichtet sind. Wir müssen aber dahin streben,
die Stellung der Tierärzte in der Beschau zu ver-
<**
io
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
bessern und sie derartig gestalten, daß wir den Laien
gegenüber eine andere Stellung einnehmen als bisher.
An welcher Stelle, und in welcher Weise der Hebel zur
Besserung angesetzt werden muß, soll der Hauptgegenstand
meines Vortrages sein.
Der oberste Grundsatz in der Fleischbeschau muß sein,
daß mit der Ausübung derselben Tierärzte zu beauftragen sind,
und daß nur dort, wo diese nicht in hinreichendem Maße zu
haben sind, Laien als Beschauer angestellt werden. Daraus
folgt für jeden Tierarzt die Verpflichtung, sich so weit als
möglich für die Beschau zur Verfügung zu stellen. Je mehr
tierärztliche Beschau, um so weniger Laien.
Die Behörden sollten mehr als bisher darauf Bedacht
nehmen, wo Tierärzte ansässig sind, diesen allein die Beschau
zu übertragen, und nicht neben diesen noch Laien anzustellen.
In vielen Orten, wo heut mehrere Beschauer tätig sind, könnte
sehr wohl ein Tierarzt allein die Beschau ausüben. Gerade das
Nebeneinanderarbeiten in einem Orte von Tierarzt und Laien
schädigt unser Ansehen. Ist der Tierarzt nicht imstande, allein
die gesamte Beschau auszuüben und will er sich dieserhalb
keinen Assistenten halten, so daß man zu Laien greifen muß,
dann richte man ein unter Leitung des Tierarztes stehendes
Beschauamt ein. Die etwaigen Kosten würden durch einen
Gebührenabzug wie bei der Ergänzungsbeschau, die ja hier
fortfällt, zu decken sein. Ist am Wohnort des Tierarztes
ein Laie als Beschauer nicht tätig, oder geschieht
die Beschau der Laien unter Aufsicht des Tierarztes,
dann dürfte hier unsere Stellung nach Möglichkeit
gewahrt sein.
Ein zweiter Punkt, der dringend der Abhilfe bedarf, ist
die Stellvertretung der Tierärzte durch Laien. Soweit als
irgend möglich sollten als tierärztliche Vertreter die benach¬
barten Kollegen bestellt werden. Hier müßten die Kollegen
zur gegenseitigen Unterstützung bereit sein, zumal der Stell¬
vertreter doch nur selten einzutreten hat. In vielen Orten
muß jedoch mangels eines Tierarztes ein Laie zum Vertreter
des Tierarztes ernannt werden. Das wird sich niemals ändern
lassen. Aber das müssen wir in Wahrung unserer Interessen
fordern, daß der Laie als Vertreter nicht fungiert, wenn ein
tierärztlicher Vertreter gestellt wird. Von einer unrecht¬
mäßigen Benachteiligung des Laien kann hier gar keine Rede
sein, da ihm die Stellvertretung doch nicht zur Erhöhung
meiner Einnahmen, sondern zur ordnungsmäßigen Durchführung
der gesetzlichen Bestimmungen übertragen ist. Wir alle sind
ja auch Stellvertreter in der Ergänzungsfleischbeschau und sehen
diese Vertretung als eine Notwendigkeit an, der wir uns nicht
entziehen dürfen, nicht aber als eine besondere Einnahmequelle.
Nichts hat auf unser Ansehen so ungünstig ein¬
gewirkt als die Laienvertretung. Schon die von Zeit zu
Zeit in den Kreisblättern erfolgende Bekanntmachung der Er¬
nennung von Laien als tierärztliche Vertreter kann uns nicht
angenehm berühren. Gar zu gern, oft in nicht zu erkennender
Absicht, werden wir vom Publikum auf diese Vertreter hinge¬
wiesen. Recht unfreundlich jedoch gestalten sich die Ver¬
hältnisse, wenn bei längerer Behinderung des tierärztlichen
Beschauers sein Vertreter in der Praxis die Beschau nicht aus¬
üben darf, sondern der Laie eintreten muß. Das Publikum hält den
Tierarzt für den Sachverständigen und den Laien für einen
Notbehelf und hat keine Erklärung dafür, daß der Tierarzt
hinter den Laien zurückstehen muß.
Die einen schütteln den Kopf, die anderen sind entrüstet,
daß sanitäre Maßregeln dem finanziellen Interesse eines Laien
untergeordnet werden müssen. Im Regierungsbezirk Potsdam
ist in letzter Zeit stets der Laie für den Tierarzt eingetreten.
Wo bleibt da die Berufsfreudigkeit! Will jetzt wirklich noch
jemand behaupten, daß durch die Fleischbeschau der tierärzt¬
liche Stand an Ansehen gewonnen hat? Als im letzten Sommer
auch für mich ein Laie vom Dorfe, gegen den noch dazu ein
Strafantrag wegen grober Vergehungen in der Beschau vorlag,
als Vertreter eintreten mußte, habe ich diesen Einfluß bitter
empfänden. Nur das Pflichtgefühl, ein tierärztliches Gebiet
verteidigen zu müssen, und das Verlangen der Ketziner Ein¬
wohnerschaft nach tierärztlicher Beschau hielten mich davon
ab, die Fleischbeschau sofort niederzulegen. Die Stadt Ketzin
erhob bei der Regierung gegen den Laien Einspruch mit dem
Erfolge, daß nach einigen Tagen die Ausübung der Fleisch¬
beschau meinem Vertreter • übertragen wurde. Hierauf dürfte
es vielleicht zurückzuführen sein, daß nunmehr im Regierungs¬
bezirk Potsdam eine Verfügung erlassen ist, nach welcher in
den Fällen, wenn der Stellvertreter nicht am Orte wohnt, oder
infolge der Vertretung in der Beschau überlastet wird; oder
wenn die Ausfuhr von Fleisch eine tierärztliche Untersuchung
wünschenswert erscheinen läßt, von den ernannten Stell¬
vertretern abgesehen werden und der tierärztliche Vertreter
für die Praxis mit der Ausübung der Beschau beauftragt
werden kann. In allen anderen Fällen jedoch darf in
Behinderung8fällen grundsätzlich nur der ordentliche Stell¬
vertreter herangezogen werden, sofern derselbe nicht aus¬
drücklich auf diese Vertretung verzichtet. Die Tierärzte
haben sich bei Stellung von Anträgen betreffs Vertretung stets
vorher dieser Zustimmung zu vergewissern und dies in dem
Anträge zum Ausdruck zu bringen. Dieser Erlaß kommt unseren
Wünschen teilweise entgegen. In vielen Fällen wird es nun
möglich sein, dem trierärztlichen Vertreter die Beschau zu über¬
tragen. Befriedigen jedoch kann uns diese Verfügung nicht,
denn wir müssen in derselben eine schwere Schädigung unserer
Stellung erblicken. Wir können und dürfen nicht auf die frei¬
willige Verzichtleistung der Laien als Stellvertreter angewiesen
werden, denn dadurch kommen wir ja in ein direktes Ab¬
hängigkeitsverhältnis von denselben. Nicht jeder Tierarzt ist
gewillt, auf die Einnahme aus der Beschau während längerer
Zeit zu verzichten, mancher ist vielleicht gar nicht in
der Lage dieselben zu entbehren. Sie sind daher ange¬
wiesen, sich um jeden Preis mit dem Laien gut zu stellen.
Verderben sie es mit ihm, dann folgt die Strafe nach. Also
die Laien sind nicht von uns Tierärzten, sondern wir von den
Laien abhängig. Ich hoffe, daß die Beschau treibenden Tier¬
ärzte so viel Korpsgeist und Standesbewußtsein haben werden,
daß sie dieses Anerbieten dankend ablehnen werden.
Wir müssen es für unter unserer Würde halten, von der
Gnade der Laien abhängig zu sein. In der Regel werden diese
auf die Vertretung verzichten, was ihnen auch niemand ver¬
denken kann. Nicht ihnen wollen wir einen Vorwurf machen.
Bondern den gesetzlichen Bestimmungen. Diese müssen eine
Änderung dahin erfahren, daß es Tierärzten gestattet
ist, im Behinderungsfalle die Beschau durch einen
tierärztlichen Vertreter ausüben zu lassen. Daß wir
2 Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
11
dieses erreichen, liegt nicht nur im Interesse der Fleischbeschau
treibenden Tierärzte sondern des ganzen Standes. Diese Stell¬
vertretung setzt aber voraus, daß die Bestallung des Vertreters
möglichst schnell bewirkt werden kann. Vielleicht in der Weise,
daß die Ortspolizeibehörde nach Prüfung der vorgeschriebenen
Papiere die Genehmigung telegraphisch einholt.
Ferner dürfte es sowohl für die Stellung der Tierärzte als
auch für die Ausübung der Fleischbeschau von größter Be¬
deutung sein, wenn von dem den Landespolizeibehörden ein¬
geräumten Recht, die Laien in der Beschau den Ergänzungs¬
beschauern zu unterstellen, allgemein Gebrauch gemacht würde.
Unsere gegenwärtigeStellung den Laien gegenüber ist ungenügend.
Die Ergänzungsbeschau allein vermag unser Ansehen nicht zu
heben. Dieses kann nur dadurch geschehen, daß die
Tierärzte die Beschauer ihres Ergänzungsbeschau¬
bezirkes zu überwachen haben. Hierdurch würde auch
die Fleischbeschau eine ganz wesentliche Verbesserung erfahren.
Jeder Tierarzt würde danach streben, ein möglichst brauchbares
und zuverlässiges Beschaupersonal zu haben. Nur der Er-
gänzungsbeschauer ist in der Lage über die Beschauer seines
Bezirks ein richtiges Urteil zu fällen, weil er jeden in seiner
Tätigkeit kennt. Vor allem aber kann durch ihn am besten
die Weiterbildung der Laien erfolgen, da er häufig Gelegenheit
hat, mit den Beschauern am Schlachtier zusammen zu treffen
und somit deren Kenntnisse durch die Praxis verbessern kann.
Hierdurch würde die Weiterbildung ungleich besser erreicht
werden als durch Vorträge in den Versammlungen. Man ver¬
suche es nur einmal, der Erfolg wird ein guter sein. Ungeeignete
Beschauer würden bald durch bessere ersetzt werden. Die alle
2 Jahre durch den beamteten Tierarzt vorzunehmende Revision
kann als eine genügende Beaufsichtigung nicht angesehen werden
und dürfte für das Urteil über die Brauchbarkeit eines Beschauers
in der Regel nicht von Bedeutung sein. Liegt wirklich nicht
das Bedürfnis vor, die Laien einer anderen Kontrolle
zu unterstellen als die Tierärzte? Müssen auch hier
wieder Laien und Tierärzte auf gleicher Stufe stehen?
Hält man die Tierärzte als Ergänzungsbeschauer für nicht be¬
fähigt, eine Aufsicht über die Beschauer ihres Bezirkes zu
führen, so stellt man dem tierärztlichen Stande ein recht be¬
dauerliches Zeugnis aus.
Ich will noch ausdrücklich hervorheben, daß die Stellung
der beamteten Tierärzte in der Fleischbeschau in der bisherigen
Weise bestehen bleiben soll, und daß die Privattierärzte nicht
daran denken, eine gleiche Stellung zu erreichen. Jeder Be¬
schauer soll dem Ergänzungsbeschauer und die Ge¬
samtheit der Beschauer dem beamteten Tierarzt unter¬
stellt sein. Daher dürfen wir Privattierärzte wohl hoffen,
daß uns wenigstens in diesem Fall die Unterstützung aller Tier¬
ärzte zuteil wird. Oder sollen wir auch hier zwischen be¬
amtetem Tierarzt und Laien eine völlig unzulängliche Stellung
bekleiden? Sollte sich aber unser nur allzuberechtigter Wunsch
gegenwärtig noch nicht erfüllen, so wird er immer und immer
wiederkehren, bis die Weiterentwicklung unseres Standes die
Erfüllung desselben gebietet.
Endlich möchte ich noch auf eine ministerielle Verfügung
vom 17. August 1907 hinweisen. Es Bollen die Fleischver¬
kaufs- und Aufbewahrungsräume einer regelmäßigen polizeilichen
Beaufsichtigung unterliegen. Zu dieser Kontrolle sollen die
beamteten Tierärzte und nötigenfalls auch die als Beschauer
angestellten Tierärzte zugezogen werden. Also auch hier
müssen wir wieder hinter den beamteten Tierärzten zurückstehen,
und nach unseren bisherigen Erfahrungen sind wir zu der An¬
nahme berechtigt, daß wir bei diesen Revisionen nur selten
tätig sein werden. Würde es nicht richtiger sein, daß die
Polizeibehörden die Tierärzte zuziehen würden, welchen bei
dem betreffenden Gewerbetreibenden die Fleischbeschau obliegt?
Denn diese haben den berechtigten Wunsch, durch eine Revision
sich zu überzeugen, ob in der Beschau keine Hintergehungen
vorgekommen sind. Diese Revisionen könnten zur Erhöhung
unseres Ansehens beitragen, aber nur dann, wenn hier zwischen
beamtetem und privatem Tierarzt kein Unterschied gemacht
wird. Werden wir übergangen, so bedeutet dies eine Schädigung
unserer Stellung.
Das, meine Herren, wären die hauptsächlichsten Vorschläge,
die ich Ihnen zwecks Besserung unserer Stellung in der Fleisch¬
beschau zu machen hätte. Ich habe Ihnen im wesentlichen
neues nicht vorgebracht sondern habe nur das zusammen¬
getragen, was in erster Linie unseren Stand ungünstig beeinflußt,
und habe Ihnen Mittel angegeben, durch welchen diesen Mi߬
ständen abgeholfen werden kann, und die mir nach den gesetz¬
lichen Bestimmungen anwendbar erscheinen. Sollten meinen
Vorschlägen an einzelnen Stellen Hindernisse entgegenstehen,
so dürfte es bei gutem Willen nicht schwer sein, dieselben zu
beseitigen, oder es müßte eben ein anderer gangbarer Weg ge¬
funden werden. Meine Wünsche, hervorgegangen aus Liebe
zum tierärztlichen Beruf, bezwecken nicht irgendeinen
pekuniären Vorteil, sondern einzig und allein die Er¬
haltung und Förderung unseres Ansehens, und darum
dürfte eine Regelung zu unserer Zufriedenheit nicht schwierig
sein. Bleibt der gegenwärtige Zustand bestehen, dann wird die
Mißstimmung unter den Privattierärzten immer mehr zunehmen
und viele von ihnen, deren Existenz von der Fleischbeschau
unabhängig ist, werden die Beschau niederlegen und ein tier¬
ärztliches Gebiet Laien überlassen. Für das Ansehen des tier¬
ärztlichen Standes kommt in erster Linie die Stellung der
Privattierärzte in Betracht, denn sie bilden den größten Teil
und das Fundament. Hier zu fördern halte ein jeder für seine
Pflicht. Unsere Stellung wirkt nicht verlockend und ist nicht
geeignet, bei den Abiturienten Neigung zum tierärztlichen
Studium zu erwecken; daher dürfte sich bald ein mangelhafter
Besuch unserer Hochschulen bemerkbar machen. Sache unserer
Standesorganisationen wird es sein, hier rechtzeitig einzugreifen.
In der Versammlung des Veterinärrats zu Breslau sagte
ein Redner „der schönste Titel für uns ist Tierarzt, den wollen
wir gewürdigt wissen“. Ich glaube, diesem Ausspruche stimmen
wir, die wir ja nur diese Bezeichnung führen, mit einem herz¬
lichen Bravo und mit dem Wunsche bei, daß es immer so sein
möge.
Uns aber, den Privattierärzten, liegt es vor allem ob, die
Stellung, das Ansehen und die Würde als Tierarzt nach innen
und nach außen hochzuhalten und zu verteidigen. In der
Fleischbeschau wollen wir den Tierarzt besser ge¬
würdigt wissen.
(Lebhaftes Bravo, Händeklatschen.),
Aus den Memoiren des Generals der Artillerie Prinzen Hohenlohe-Ingellingen.
In den mit so vielem und verdientem Beifall aufgenommenen
Memoiren des berühmten Artilleriegenerals findet sieb, worauf Herr
Tierarzt Dr. Pitt hinweist, folgendes kleines Vorkommnis erzählt;
£
12 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 1.
Am 19. August 1870 lag der Prinz mit anderen Offizieren in der
Nacht auf einer Wiese. Ich schlief, erzilhlt er, sehr bald ein und i
wurde nach einiger Zeit durch laules Zanken geweckt.
„Na, da hört doch alles auf! Da liegen alle unsere Herren j
Offiziere in einer feuchten Wiese! Bilden sich die Herren etwa ein, |
daß wir Lust haben, friih gar keine Offiziere mehr zu haben, wenn !
Sie sich alle vor Rheumatismus nicht mehr rühren können? Stehen i
Sie gleich auf und legen Sie sich gleich dort hin, da ist trocknes j
Stoppelfeld“. I
Verschlafen richtete ich meinen Kopf in die Höhe und sagte:
„Alter Rietzei, meinen Sie uns hier?“, denn der Zankende war
kein anderer als der Roßarzt Rietzel von der 1. Reitenden (Garde-
foldartillerie), der mit weißem Bart und Haar sich schon etwas er¬
lauben konnte. „Na, Sie auch noch“, sagte er, „wenn Sie uns gar i
krank werden, sind wir ganz verloren. Machen Sie, daß Sie auf¬
stehen“. leb erhob mich und fühlte alsbald, wie recht der vor¬
sorgliche alte Mann gehabt hatte. Es befiel mich ein heftiger
Schüttelfrost, so daß ich kaum stehen konnte. In meinen Woilach
gehüllt, schleppte ich mich an ein Feuer, das für die Batterie ge¬
macht war, um mich zu erwärmen und trocken zu werden. Da
setzte ich mich hin. Ich muß ausgesehen haben wie ein Gespenst.
Bald kamen noch mehr solche Gespenster und setzten sich zu mir.
Aus den weißen Hüllen schauten die Gesichter von Planitz I von !
meinen Adjudanten und anderen Offizieren heraus. Der brave
Rietzei aber kochte Kaffee am Feuer und dieser wärmte uns
wohltuend.“
Zu diesem Satz bemerkt Prinz Hohenlohe in einer Fu߬
note noch folgendes: „Zwei Jahre später sandte ich dem alten
Rietzei in Berlin am Jahrestage mein Bild zum Andenken mit
einem entsprechenden Vermerk, ohne zu wissen, daß er krank war. ,
Er hat sich noch sehr darüber gefreut und ist tags darauf gestorben.“
Dieses Zitat ist für die Leser der B. T. W. unter allen Um¬
ständen von Interesse. Von Interesse zunächst als eine kleine
Episode aus unserem großen Feldzuge, bei welcher ein Kollege
figuriert; sympathisch wirksam ferner durch den Einblick in das gute
Verhältnis, in welchem ein alter, verdienter, seinerzeit in Berlin i
allbekannter und hoch geachteter Kollege zu seinem General und
den Offizieren des Regimentes gestanden hat; höchst bezeichnend
aber auch für die »Stellung, die der Roßarzt in der preußischen
Armee einnahm. Der Ton, in dem man mit ihm, wenn er persönlich
besonders beliebt ist, verkehrt und in dem er sich zu verkehren
gestattet, ist eben der, wie er einem altgedienten, allgeschätzten
und zum Faktotum gewordenen Wachtmeister („der sich schon ein¬
mal etwas erlauben kann“) zukommt.
Trotz dieses Beigeschmacks, den die kleine Episode unzweifel¬
haft hat, wird man sich doch über die Liebenswürdigkeit aufrichtig
freuen können, mit der der Prinz Hohenlohe mit seinem alten Ro߬
arzt verkehrt und an ihn gedacht hat. S.
Berichtigung zu dem Artikel „Tierärztliche Promotion“.
(B. T. W. 1907, Nr. 52, S. 959 ff.)
Die durch die Feiertage bedingte verfrühte Ausgabe der letzten
Nummer des vorigen Jahrganges hat die Korrektur des Satzes be¬
einträchtigt, weshalb in dem Artikel über die Promotion sich
mehrere sinnentstellende Fehler vorfinden. S. 949 ist im 2. Absatz,
Zeile 8, der Überrest eines Satzes, der gestrichen und durch den
folgenden ersetzt war, stehen geblieben; die Worte „es ist aber
nicht im Interesse des Standes gelegen“ fallen fort S. 961 (An¬
erkennung des Schweizer Dr.) muß es im 2. Absatz heißen
„i/ 4 bis V 3 “ (nicht '/&)• S. 962 endlich ist in Zeile 12 ebenfalls ein
durch Abänderung überflüssig gewordenes Wort (dagegen) stehen¬
geblieben. 8.
Tierärzte als Stadtverordnete.
In Nastätten (bei St. Goarshausen) wurde der praktische
Tierarzt Steuerwald zum Stadtverordneten wiedergewählt. In
Pr.-Fricdland wurde von der 1. Abteilung der Schlachthausinspektor
Dogs gewählt. Die Wahl, und zwar die Wählbarkeit des Herrn
Dogs, wurde aber angefochten, so daß eine höhere Entscheidung
eingeholt werden muß. Über diese Angelegenheit sind bekanntlich
schon mehrfach Entscheidungen ergangen, welche im Deutschen
Veterinärkalender, Teil II, S. 123, angeführt sind.
Beleidigung eines Tierarztes.
Wegen Beleidigung des Tierarztes Dr. N. aus Weißensce
gelegentlich der Ausübung der Fleischbeschau wurde der Schlächter¬
geselle K. von dem Amtsgericht Weißensee zu einer Woche Ge¬
fängnis verurteilt Die III. Strafkammer des Landgerichts Berlin
bestätigte das Urteil als Berufungsinstanz.
Staatsveterinärwesen.
Redigiert von Veterinärrat Preuße.
Die unschädliche Beseitigung der Seachenkadaver und
der Konfiskate der Fleischbeschau in den Städten und
auf dem Lande.
Vortrag, gehalten am 29. September 1907 auf der ersten Ver¬
sammlung der beamteten Tierärzte des Regierungsbezirks Danzig
von Dr. Zernecke, Kreistierarzt in Elbing.
Die großen, allgemein anerkannten Fortschritte und Er¬
folge der Seuchengesetzgebung der letzten Jahrzehnte beruhen
hauptsächlich darauf, daß wir die einzelnen Infektionskrankheiten
jetzt genau erkennen und scharf unterscheiden können, nachdem
wir die Erreger der meisten kennen gelernt und deren Lebens-
hedingungen erforscht haben. Nur unter ständiger Berücksich¬
tigung der Biologie eines lebenden tierischen oder pflanzHchen
Krankheitserregers ist es möglich, Anordnungen zu treffen, die
der Verbreitung von Seuchen wirksam entgegenarbeiten, ja diese
endlich vollkommen ausrotten können. Dieses letzte endgültige
Ziel der Seuchenbekämpfung kann aber nur dann erreicht werden,
wenn wir nicht nur die seuchenkranken Tiere isolieren und daran
verhindern andere gesunde Tiere zu infizieren, sondern, wenn
wir auch dafür Sorge tragen, daß die Ansteckungsstoffe — in
und anßerhalb der Tierkörper — dauernd beseitigt werden und
nirgends Gelegenheit und Möglichkeit finden als Dauersporen
Jer in irgendeinem anderen Stadium lange Zeit, oft Jahrzehnte
hindurch, im Erdboden zu ruhen und dann durch eine gelegent¬
liche Bodenbewegung an die Oberfläche oder an Futterpflanzen
zu gelangen, und nun wieder gesunde Tiere zu infizieren, so daß
die vor Jahren scheinbar getilgte Seuche wieder von neuem
auflebt. Ist bei einer großen Zahl von Infektionskrankheiten
der Krankheitserreger allein auf das lebende Individium ange¬
wiesen, so daß er mit dessen Tode oder bald darauf, während
der Fäulnis des Kadavers zugrunde geht und Anlaß zu neuen
Seuchenausbrüchen nicht mehr geben kann, so haben wir anderer¬
seits unsere ganz besondere Aufmerksamkeit denjenigen Krank¬
heitserregern zu widmen, deren Existenz und Lebensfähigkeit
mit dem Tode ihres Opfers und dessen Vergrabung im Erdboden
nicht erlischt, sondern allen Einwirkungen der Zersetzung orga¬
nischer Stoffe durch die Fäulnis zum Hohne, Jahre und Jahr¬
zehnte hindurch in den Tiefen des Erdbodens wirksam erhalten
bleibt. Als beste Waffe im Kampfe gegen die durch diese Er¬
reger hervorgerufenen Seuchen ist vom Augenblick der Erkenntnis
der Lebensbedingungen dieser Krankheitskeime an die unschäd¬
liche Beseitigung der infizierten Kadaver allgemein anerkannt
und gefördert worden.
Die wichtigsten der von den hier in Frage kommenden
Krankheitserregern erzeugten Infektionskrankheiten sind der für
Mensch und Tier verderbliche Milzbrand und der allerdings nur
auf bestimmte Haustiere beschränkte, aber trotzdem in wirt¬
schaftlicher Beziehung nicht unbedeutendere Rauschbrand. Beide
2. Januar 19:'8.
HERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
13
Seuchen nehmen in den Jahresberichten und statistischen Auf¬
stellungen über die Verbreitung der Tierseuchen in der Provinz
Westpreußen eine ständige Rubrik ein und sind bisher trotz der vor¬
züglichen Organisation des Veterinärwesens in unserer Provinz,
die bei allen anderen Seuchen offensichtliche und allgemein
anerkannte Erfolge gezeitigt hat, nicht nennenswert zurückzu¬
drängen gewesen. Wie große Verluste der blühenden heimischen
Viehzucht durch diese beiden Seuchen alle Jahre von neuem
zugefngt werden, lehrt ein Blick auf folgende Zahlen, die ich
aus den Veröffentlichungen aus den Jahres -Veterinärberichten
der beamteten Tierärzte Preußens von 1901—1905 zusammen¬
gestellt habe. An Milzbrand und Rauschbrand sind in den fünf
Jahren 1901—1905 in der Provinz Westpreußen zusammen 1021
Haustiere zugrunde gegangen und zwar 39 Pferde, 601 Rinder
und 381 Schafe; das sind im Durchschnitt im Jahr 8 Pferde,
120 Rinder und 76 Schafe. Berechnet man den Durchschnitts¬
wert der gefallenen Pferde auf 500 M. pro Pferd, und den der
Rinder auf 250 M. so ergibt sich, bei Fortlassen der Schafe,
in 5 Jahren ein Verlust an Pferden für mindestens 20000 M.
und an Rindern für mindestens 150000 M. Zu diesen Zahlen
bemerke ich noch besonders, daß sie in den letzten 3 Jahren
nicht kleiner, sondern erheblich größer geworden sind, weil jetzt
nach der am 1. Februar 1905 von seiten der Provinz Westpreußen
eingeführten Entschädigung für die an Milzbrand und Rausch¬
brand gefallenen Tiere jeder Fall von diesen Seuchen zur amt¬
lichen Kenntnis gebracht wird, während dies nachweislich, be¬
sonders beim Rauchbrand, nur selten oder zufällig geschah. Aus
diesen Gründen halte ich es gerade jetzt, wo uns Dank dem
Entschädigungsreglement jeder Fall von Milzbrand oder Rausch¬
brand mit Sicherheit zur Kenntnis gelangt, für geboten, den
letzten und bedeutungsvollsten Schritt in der Tilgung dieser
Seuchen zu tun, nämlich den einer obligatorischen Vernichtung
der Krankheitskeime durch eine absolut unschädliche Beseitigung
der Kadaver.
Daß die bisher allerorts übliche Kadaverbeseitigung durch
Vergraben derselben, selbst bei Beobachtung aller hierfür in den
Ausführungsbestimmungen des Bundesrates zum Reichs vieh-
seuchengesetz und der Bekanntmachung des Herrn Reichskanzlers
vom 8. September 1898 vorgesehenen Kautelen nicht eine Ver¬
nichtung des Ansteckungsstoffes, sondern höchstens eine tunliche
Isolierung desselben gestattet, in manchen Fällen sogar eine
Konservierung des Ansteckungsstoffes zur Folge gehabt hat,
lehrt die zahlreiche Literatur über die Ursachen und Anlässe
zur Entstehung der jährlich von neuem beobachteten Milzbrand-
nnd Rauschbrandfälle.
Aus der großen Zahl der in den Veröffentlichungen der
Jahresberichte der beamteten Tierärzte Preußens niedergelegten
Beobachtungen, bei denen mit Sicherheit festgestelllt worden ist,
daß verscharrte Milzbrandkadaver noch nach Jahren und Jahr¬
zehnten eine gefährliche und sichere Quelle für neue Infektionen
bildeten, möchte ich folgende besonders instruktiven Fälle er¬
wähnen, die von der unglaublich erscheinenden Widerstands¬
fähigkeit und Gefährlichkeit der in der Erde befindlichen Milz¬
brand- und Rauschbrandsporen in erschreckender Weise Kunde
geben.
1. Im Kreise Landeshut wurde 1901 Milzbrand festgestellt
nach Verabreichung von Schilfgras, das in einer 20 Jahre
vorher zum Verscharren von Milzbrandkadavern benutzten
Lehmgrube gewachsen war.
2. Im Kreise Mühlhausen a. Rh. konnte nachgewiesen werden
daß in einem Gehöft widerholte Milzbrandfälle auftraten,
sobald die Erträgnisse einer Wiese verfüttert wurden,
auf welcher 20 Jahre vorher Milzbrandkadaver verscharrt
worden waren.
3. Im Kreise Fallingbostel wurde 1903 ermittelt, daß
auf einem von Kühen beweideten Ackerstück vor ca.
14—15 Jahren Milzbrandkadaver verscharrt worden waren.
Zwei Tage nach dem Auftrieb fiel die erste Kuh, nach
einigen Tagen die zweite an Milzbrand. Nach Einfriedigung
dieses dem Besitzer noch bekannten Verscharrungsplatzes
kamen weitere Fälle beim Betreiben der Weide nicht
mehr vor.
4. Im Kreise Berent wurde 1904 festgestellt, daß die Kuh
eines Besitzers an Milzbrand fiel, nachdem sie ein Acker¬
stück des benachbarten Gutes beweidet hatte, welches
schon im Vorjahre als die Infektionsquelle der auf
dem Gute selbst vorgekommenen Milzbrandfälle ermittelt
worden war.
5. Im Jahre 1904 fielen plötzlich 12 Schafe im Kreise
Magdeburg an Milzbrand, nachdem sie ein Ackerstück
beweidet hatten, auf dem vor 25 Jahren nachweislich eine
Anzahl von Schafen an Milzbrand gefallen, abgehäutet
und vergraben worden war.
6. Im Kreise Warendorf war seit 7 Jahren eiu Gehöft ständig
mit Milzbrand verseucht; es fielen nach und nach 14 Rinder.
Da hier nachzuweisen war, daß bei dem ersten Milzbrand¬
fall vor 7 Jahren eine Verschleppung von Milzbrandkeimen
stattgefunden hatte, es handelte sich um eine Not¬
schlachtung, bei der eine umfangreiche Infizierung, des
Bodens in der Nähe des Gehöftes unvermeidlich war, so
wurde hier im Jahre 1904 eine Bodenuntersuchung vor¬
genommen. Von drei an die Tierärztliche Hochschule in
Hannover eingesandten Bodenproben aus dem fraglichen
Gehöft konnten dort in einer, die aus der Erdschicht
direkt über dem Grundwasserstand entnommen war, tat¬
sächlich lebende Milzbrandbakterien nachgewiesen und
mit Erfolg auf Versuchstiere verimpft werden. Die Ab¬
wässer des Gehöfts flössen direkt auf die Stelle, der die
Bodenproben entnommen waren.
7. Im Jahre 1905 hatte im Kreise Heydekrug ein Besitzer
wegen Futtermangel von einem benachbarten, seit Jahren
als Milzbrandherd bekannten Gute Futter (Gersten- und
Roggenspreu) bezogen. Die Fütterung mit dieser Spreu
begann am 19. Januar 1905, am 24. und 25. Januar traten
die ersten Milzbrandfälle auf.
R.*) Auf einem Gute verendeten innerhalb eines Zeitraumes
von 6 Tagen 10 Rinder an Milzbrend infolge der Ver-
fütterung von Mais. Dieser Mais war in der Nähe des
Gehöftes gewachsen, wo nachweislich vor 16 Jahren
Milzbrandkadaver vergraben worden waren. Nachdem von
der weiteren Verfütterung des Mais Abstand genommen
worden war, traten keine Milzbranderkrankungen mehr auf.
9. Auf einem Gute gingen in der Zeit von Januar bis April
19 Rinder an Milzbrand zugrunde. Als Ursache ergab
sich, daß infizierter Kies als Aufschüttung bei einem
*) Nr.8—10. Niemann-Profe, Grundriß der Veterinär-Hygiene.
Berlin 1903. Städter. Berliner Tierärztliche Wochenschrift 1907.
S. 515-518.
14
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Stallbau Verwendung gefunden hatte. Der Kies, dessen
Gehalt an Milzbrandsporen später bakteriologisch nach¬
gewiesen wurde, stammte aus einer Grube, in welcher
vor etwa 20 Jahren mehrere an Milzbrand verendete Tiere
verscharrt worden waren. Nachdem Ende April der
aufgeschüttete Kiesboden des Stalles mit Ziegeln und
Zement gepflastert worden war, kam kein Milzbrand
mehr vor.
10.*) Aus einer Kiesgrube, in welcher 10 bis 12 Jahre zuvor
Milzbrandkadaver vergraben worden waren, wurde im März
zu Wegeaufbesserungen Kies entnommen. Die mit dem
Kies ausgebesserten Wege wurden gleich nach der Fertig¬
stellung von der Schafherde eines Gutes passiert, von
dieser Herde infizierten sich 12 Schafe und verendeten;
sie wurden auf der in der Nähe befindlichen Wiese ver¬
graben. Im Juni desselben Jahres gelangte Grünfutter,
das auf der eben erwähnten Wiese gewonnen war, für
Rinder zur Verwendung, von denen in kurzer Zeit 57 Stück
an Milzbrand verendeten.
Genau so liegen die Verhältnisse beim Rauschbrand, der
geradezu als Bodenseuche bezeichnet werden muß und in den
einmal betroffenen Gemeinden bisher noch nicht zum Erlöschen
zu bringen war. An Rauschbrand waren in den Jahren 1901
bis 1905 in Preußen 2338 Gemeinden, daß sind im Durchschnitt
pro Jahr 467 Gemeinden, verseucht, in denen zusammen 4057
Rinder an dieser Seuche zugrunde gingen. Auch hier sind
alle Berichterstatter darüber einig, daß die größte Menge dieser
Rauschbrandfälle auf das Vergraben der Rauschbrandkadaver
zurückzuführen ist. Beim Rauschbrand ist dieses Verfahren um
so bedenklicher, als der Rauschbrand vornehmlich in den Nieäe-
rungs- und Marschdistrikten auftritt, in denen wegen des hohen
und ständigen Schwankungen unterworfenen Grundwasserstandes
ein tiefes Vergraben überhaupt unmöglich ist, so daß hier die
vergrabenen Rauschbrandkadaver in der Erde für spätere Rausch¬
brandausbrüche gewissermaßen konserviert werden.
In richtiger Erkenntnis dieser mit dem Vergraben von
Rauschbrandkadavern verbundenen Gefahren, haben die bei
Emanierung des Reichsviehseuchengesetzes und der dazu er¬
lassenen Bundesratsinstruktion und des Reichsfleischbeschau¬
gesetzes gehörten Sachverständigen in erster Linie zur Be¬
seitigung dieser Kadaver, deren Vernichtung durch Anwendung
hoher Hitzegrade (also durch Verbrennen, trockene Destillation
oder Kochen bis zum Zerfall der Weichteile) oder auf chemischem
Wege gefördert. Nur ausnahmsweise, wo ein derartiges Ver¬
fahren nicht ausführbar ist, darf ein Vergraben der Kadaver
gestattet werden.
Wie gestaltet sich nun die Kadaverbeseitigung in praxi?
Genau umgekehrt. Die Lage der Verhältnisse im Lande hat
die Ausnahme des Vergrabens zur Regel und die Regel der
chemischen oder thermischen Kadaverzerstörung zur Ausnahme
gemacht.
Um nun die mit dem vorläufig noch nicht zu vermeidenden
Vergraben der Kadaver notwendig verknüpfte Gefahr tunlichst
zu paralysieren, sind besondere Vorschriften für das Vergraben
der Milzbrand- und Rauschbrandkadaver erlassen worden. § 11
der Bundesratsinstruktion zum Reichsviehseuchengesetz schreibt
vor, daß zur Vergrabung der Milzbrand- und Rauschbrand¬
kadaver nur solche Stellen auszuwählen sind, welche von Pferden,
Wiederkäuern und Schweinen nicht betreten werden und an
denen Viehfutter oder Stroh weder gewonnen noch vorüber¬
gehend aufbewahrt wird. Die Gruben sind möglichst abgelegen
und von Gebäuden und Gewässern mindestens 30 m, von Wegen
mindestens 3 m entfernt und so tief anzulegen, daß die Ober¬
fläche der Kadaver von einer unterhalb des Randes der Grube
mindestens 1 m starken Erdschicht bedeckt ist. Vor dem Ver¬
graben der nicht abzuhäutenden Kadaver sind die Häute der
Kadaver durch mehrfaches Zerschneiden unbrauchbar zu machen
und die Kadaver selbst mit Teer, Petroleum oder roher Karbol¬
säure zu übergießen. Nach Einbringung der Kadaver in die Grube
sind die durch Blut oder sonstige Abgänge verunreinigten Stellen
der Erd- oder Rasenschicht abzustoßen und mit den Kadavern
zu vergraben. Es empfiehlt sich, die Kadaver in den Gruben
in frisch gelöschten Kalk, Zement, Asphalt oder Gips einzubetten,
sofern hierdurch die Beseitigung der Kadaver nicht ver¬
zögert wird.
Durch eine Verfügung des Herrn Regierungspräsidenten
in Danzig vom 26. September 1899 wird noch besonders auf
die strengste Beachtung dieser Vorschrift hingewiesen und
außerdem in allen Fällen, in denen eine Verbrennung der
Kadaver nicht ausführbar ist, gefordert, daß die Vergrabungs¬
plätze an erhöhten Stellen liegen sollen, die außerhalb der
Einwirkung von natürlichen oder künstlichen Wasserläufen
(z. B. Drainagen) liegen und daß Kies- oder Sandgruben stets
zu vermeiden sind. Ferner sollen die Verscharrungsplätze
möglichst 1 m im Umkreise der Grube derartig mit einer halt¬
baren Einfriedung umgeben werden, daß ein Zutritt von Vieh
zu den Plätzen nicht stattfinden kann. Auch sollen ältere,
etwa noch nicht eingefriedete Verscharrungsplätze nachträglich
noch mit Einfriedungen versehen und dafür gesorgt werden,
daß die ordnungsmäßige Erhaltung der Einfriedungen jährlich
mindestens einmal von der Polizeibehörde kontrolliert wird.
Endlich sind die Plätze frei zu halten von künstlichen und
natürlichen Pflanzenansamungen.
Da aber eine Kadaverbeseitigung selbst unter peinlicher
Beobachtung aller dieser gewiß durchaus zweckmäßigen Vor¬
schriften dennoch keine Gewähr für eine unschädliche Ver¬
nichtung des Ansteckungsstoffes bietet und da andererseits in
i zahlreichen Fällen ein Begraben der Kadaver nach diesen Vor¬
schriften, selbst bei bestem Willen überhaupt unmöglich ist —
sind doch z. B. in vielen im AUuvionsgebiet der Niederungs¬
kreise Danzig, Marienburg und Elbing liegenden Orte Plätze,
die 30 m vom Wasser und 3 m von Wegen entfernt sind und
1 1/2 m tief sein sollen, ohne daß die Kadaver direkt im Grund¬
wasser liegen, überhaupt nicht zu finden — so wurde die For¬
derung immer dringender, von dem Vergraben gänzlich ab¬
zusehen und sich der Zerstörung der Kadaver durch Anwendung
hoher Hitzegrade zuzuwenden.
Auch die geforderte Einfriedigung der Verscharrungs¬
plätze und die Kontrolle der Unterhaltung der Einfriedigungen
hat in meinem Kreise z. B. auch nicht durchgeführt werden
können, da man in den holz- und brennstoffarmen Gegenden
der Elbinger Niederung, in der sogar Kuhdung während des
Sommers gesammelt, getrocknet und zu einer Art Torf ver¬
arbeitet wird, um im Winter als Brennmaterial zu dienen, die
Einfriedigungen nachts noch schneller entfernt, wie sie bei Tage
hergerichtet waren. Selbst auf den fiskalischen Weiden, in
denen in bezug auf die Durchführung aller administrativen An¬
ordnungen musterhafte Ordnung herrscht, hat die dauernde Ein
2. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
15
friedigung von Rauschbrand-Verscharrungspl ätzen nicht erreicht
werden können, da die Umhegungen nachts immer gestohlen
wurden, um das Holz anderweitig zu verwenden.
Da die Überführung der Milzbrand- und Rauschbrandkadaver
nach größeren Städten, in denen sachgemäß eingerichtete
Kadaver-Vernichtungsapparate aufgestellt sind, vom Lande her
nie oder nur in den allerseltensten Fällen ausführbar ist, und
da andererseits die Aufstellung von Tierverbrennungsöfen im
Lande wegen der immerhin seltenen Inanspruchnahme der Öfen
unrationell und der hohen Kosten wegen unmöglich erschien, so
wurden seit dem Jahre 1900 systematische Versuche angestellt,
Milzbrand- und Rauschbrandkadaver im freien Felde
zu verbrennen. Die ersten im Reg.-Bez. Breslau angestellten
Versuche, Kadaver großer Haustiere im Felde zu verbrennen,
haben befriedigende Resultate nicht ergeben, da selbst nach
stundenlanger, kostspieliger Unterhaltung eines großen Feuers
noch rohe, blutige Fleischteile vorhanden waren; im Kreise Kosel
nahm damals die Verbrennung von drei Milzbrandkadavern zwei
volle Tage in Anspruch; dieselben Zahlen ergaben sich in den
Kreisen Kreuzburg und Ostrich im Reg.-Bez. Oppeln.
Diesen Übelständen bei der Verbrennung im freien Felde
abzuhelfen, wurde in den Reg.-Bez. Minden und Arnsberg ein
Verfahren durchgeführt, welches sich kurz folgendermaßen ge¬
staltet : „Behufs Verbrennung großer Kadaver ist auf einer von
Gebäuden und brennbaren Gegenständen abgelegenen Stelle eine
1 bis l l / 2 m breite und tiefe und 2*/ 2 bis 3 m lange Grube so
anznlegen, daß die Längsrichtung der Grube der Windrichtung
entspricht. Die der Windrichtung zugekehrte schmale Seite
wird von dem Boden der Grube nach der Erdoberfläche zu ab¬
geschrägt, damit die Luft freieren Zutritt zu den unteren Teilen
der Grube hat. In der Grube wird ein Scheiterhaufen in der
Weise errichtet, daß zunächst auf dem Boden unmittelbar an
beiden Längswänden entlang je ein 12—15 cm starkes Holz¬
stück und quer über diese nach Art eines Rostes, von einer bis
zur anderen Seitenwand reichende Bretter gelegt werden, sodann
wird die Grube bis zum oberen Rande mit trockenen Holz¬
stücken, Reisigbündeln und Stroh angefüllt, wobei die etwa zu
verbrennenden Holzteile aus den infizierten Stallungen mit ver¬
wendet werden. Hierauf wird der Kadaver mit der Bauchseite
nach unten gelegt, nachdem Bauch- und Brusthöhle vorher er¬
öffnet worden waren. Der Inhalt des Pansens ist über dem
Verbrennungslager gleichmäßig auszubreiten. Die Haut und das
Fleisch sind mit zahlreichen tiefen Einschnitten zu versehen,
damit die Hitze leichter in das Innere eindringen kann. Falls
die Haut schon abgezogen ist, ist sie in Stücke zu zerschneiden
und an solche Stellen zu legen, an denen sich das Feuer stark
entwickelt.
Nachdem alles so vorbereitet worden ist, werden Ver¬
brennungslager und Kadaver mit 4 bis 5 Liter Petroleum über¬
gossen und mittelst eines in Petroleum getauchten Strohbündels
angezündet. Die Flamme schlägt anfangs oft 3 bis 4 Meter in
die Höhe, das Feuer ist deshalb zu überwachen und durch Auf¬
legen des herbeigeschafften Stallmistes zu dämpfen.
Bei genauer Befolgung vorstehender Anweisung soll die
vollständige Verbrennung eines Kadavers in 8 bis 10 Stunden
gelingen.
Die Vorzüge dieses Verfahrens bestehen darin, daß die
Hitze durch Errichtung des Scheiterhaufens in der Grube und
zweckentsprechendes Auflegen des Stallmistes nicht nutzlos ent¬
weichen kann und mehr in den Kadaver einströmt. Außerdem
ist das Verfahren einfach und mit so geringen Kosten verknüpft,
daß es der Vergrabung und Einfriedung der Verscharrungs¬
plätze, abgesehen von seinen veterinärpolizeilichen Vorzügen,
schon aus diesem Grunde vorzuziehen ist.“
Das Bekanntwerden dieser Methode der Vernichtung von
Milzbrand- und Rauschbrandkadavern durch Feuer im freien
Felde hatten zur Folge, daß durch den allgemeinen Erlaß des
I Herrn Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten vom
21. Juli 1902 in fast sämtlichen Regierungsbezirken Versuche
dieser Art angestellt wurden, über deren Erfolge wir in den
Veröffentlichungen aus den Jahresveterinärberichten der be¬
amteten Tierärzte Preußens für das Jahr 1902 eine übersicht¬
liche Zusammenstellung finden, die aber erkennen läßt, daß die
Meinungen über den Wert und die Ausführbarkeit des Ver¬
fahrens recht erheblich auseinander gehen.
Während einige Berichterstatter, besonders die aus holz¬
reichen Bezirken, in denen das Brennmaterial nicht teuer ist,
das Verfahren für durchführbar halten, loben oder zur Nach¬
ahmung empfehlen, kommen die meisten darin überein, daß dem
Verfahren große Schwierigkeiten entgegenstehen, die vor allen
Dingen darin zu suchen sind; daß
1. die Kosten für das Brennmaterial (Holz» Petroleum)
zumal in holzarmen Gegenden nicht unerheblich sind,
2. daß die vollkommene Verbrennung sehr lange dauere und
daß, besonders bei Änderung der Windrichtung nach Anlage
der Grube, ebenso bei anhaltendem Regen die Verbrennung
sehr schlecht oder gar nicht vor sich gehe;
3. daß durch das Zerlegen der Kadaver leicht Krankheits¬
keime verschleppt werden und daß das bei der Verbrennung be¬
schäftigte Personal einer großen Infektionsgefahr ausgesetzt sei;
4. daß das Anlegen eines großen Feuers in der oft nicht
zu vermeidenden Nähe von Gebäuden nicht ungefährlich sei;
5. daß die Kontrolle darüber, ob auch alle Kadaverteile ver¬
brannt seien, sehr schwierig sei;
6. daß das Personal 8—12 Stunden die Verbrennung *zu
überwachen habe und leicht, zumal wenn eine Kontrolle nicht
ausgeübt werden kann, geneigt sei, die Überwachung aufzugeben
oder die Verbrennungsgruben zu früh zuzuwerfen.
Wurden auch manche Mängel dieses Verbrennungsverfahrens
durch die von Lothes und Profe vielfach erprobte und 1904
in der B. T. W. (Seite 401) beschriebene, verbesserte Kadaver¬
verbrennung beseitigt, die eine schnellere Verbrennung bei
relativ geringem Aufwand an Brennmaterial erreichten, so
scheiterte doch die allgemeine Einführung dieser Art der
Kadaververnichtung teils an der Holzarmut vieler Länder und
der Unmöglichkeit in Gebieten mit hohem Gnmdwasserstand
grundwasserfreie Verbrennungsgruben anzulegen, teils aber auch
an dem enormen Widerstand, den viele Besitzer, Gemeinden
und ländliche Polizeiorgane diesem Verfahren entgegenstellten.
Um aber trotz dieser Schwierigkeit die Vorteile des Verfahrens
der Kadaververbrennung gegenüber der Verscharrung nicht zu
verlieren, schritt man zur Aufstellung von Verbrennungs¬
öfen, in die hinein die an Milzbrand oder Rauschbrand ge¬
fallenen Tiere aus der Umgegend geschafft werden mußten.
Der erste Ofen dieser Art ist der vom Landestierarzt, jetzigen
Regierungsrat Feist in Straßburg i. E. in einem großen Milz¬
branddistrikt der Reichslande im Jahre 1884 aufgestellte und in
Betrieb genommene Feist sehe Verbrennungsofen. Dieser
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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Ofen ist nach dem Prinzip der Kalköfen konstruiert und ge¬
stattet das Hineinbringen ganzer, unzerlegter Kadaver großer
Haustiere. Die Kosten der ganzen Ofenanlage, einschließlich
Schuppen und Transportwagen, betrugen nur 2500 M., die einer
Verbrennung einschließlich Brennmaterial und Löhne ca. 16 M.
Die mit diesem Fei stechen Ofen erzielten günstigen Resultate
führten 1895 zur Aufstellung zweier weiterer Öfen im Elsaß,
in den Kreisen Zabern und Saargemünd. Bis Ende des Jahres
J896 wurden in allen drei Öfen zusammen 194 Milzbrandkadaver
(das heißt nur Rinder und Pferde) verbrannt. Die hierfür auf¬
gewandten Kosten beliefen sich auf 3100 M., das heißt durch¬
schnittlich 16 M. für eine Verbrennung.
Nachdem ich diesen Fe ist sehen Verbrennungsofen, der
einzig und allein zum Zweck der Vernichtung von Seuchen¬
kadavern im Landgebiete konstruiert und aufgestellt wurde,
erwähnt habe, will ich gleich hier einen anderen Verbrennungs¬
ofen besprechen, der zunächst hauptsächlich für Schlachthäuser
zu unschädlicher Beseitigung der Kontiskate der Fleischbeschau
bestimmt war, der aber auch sehr gut ftir ländliche Bezirke zur
Vernichtung von Seuchenkadavern Verwendung finden kann, den
Korischen Verbrennungsofen. Dieser von Ingenier Kori
in Berlin konstruierte Ofen ist zunächst vor ca. 17 Jahren im
kleinen Maßstabe im Hygienischen Institut der Universität
Berlin zur Vernichtung von kleinen Versuchstieren, die mit
pathogenen Mikroorganismen infiziert waren und gestorben sind,
aufgestellt worden und hatte sich so bewährt, daß Kori schon
nach zwei Jahren (1892) einen auf demselben Grundprinzip
beruhenden großen Ofen im Schlachthause zu Nürnberg auf-
stellen konnte, der dort zur Vernichtung von ganzen Kadavern
und allen Schlachthausabfällen benutzt wird. Dieser Ofen faßt
bei normaler Füllung 750 kg Fleisch- und Kadaverteile, zu
deren Verbrennung 300 kg Kohlen erforderlich sind.
Nach einer Brenndauer von 7 Stunden sind von dem eingeführten
Rohmaterial nur noch Aschenreste übrig. Diese Öfen haben sich
überall so gut bewährt, daß sie jetzt schon in mehr als 30 Schlacht¬
höfen (im Jahre 1906 auch in Elbing) zur Aufstellung gelangt
sind. Für die schnelle Verbreitung der Korischen Öfen sprechen
deren relativ billige Aufstellungskosten (ein kompletter Ofen
kostet je nach Dimension 1500—3000 M.) und deren einfache
Bedienung. Die Verbrennung im Korischen Verbrennungsofen
geht im großen Ganzen so vor sich, daß in einem gar nicht groß
erscheinenden, aus feuerfesten Steinen aufgebauten Ofen die
Fleischabfälle, Konfiskate und ganze Kadaver durch eine große
Eingangstür auf eine schrägstehende, ebenfalls aus feuerfesten
Steinen hergestellte, durchbrochene Verbrennungsfläche gelangen.
Durch außerordentlich geschickte Ausnutzung des am entgegen¬
gesetzten Ende des Ofens angefachten Kohlenfeuers werden die
heißen Feuergase so geleitet, daß sie die zu verbrennenden
Fleischteile zunächst von allen Seiten umspielen und so deren
Austrockenung und beginnende Verbrennung vorbereiten. Ein
Geruch oder Rauchbelästigung der Umgebung ist gleichfalls
ausgeschlossen, da die übelriechenden Verbrennungsgase bevor
sie den Ofen verlassen, noch einmal zur Feuerung zurückgeleitet
und hier vollends verbrannt und geruchfrei gemacht werden. Mit
der zunehmenden Austrockenung beginnt die Verkohlung der
Weichteile, welche dann nach und nach von dem schrägen Rost
direkt ins Feuer fallen und so vollends verkohlen. Nach Be¬
endigung der Verbrennung restieren nur minimale Mengen von
Kohlen und Kadaverasche, die allerdings, da alle organischen
Stoffe vollkommen verbrannt sind, nur noch ganz geringen oder
keinen Wert zu Düngezwecken oder dergleichen haben.
Wenn auch diese Verbrennungsöfen in bezug auf Kadaver¬
vernichtung Vollkommenes leisten und zur Errichtung und Unter¬
haltung nicht erhebliche Kosten verursachen, so stehen ihrer
allgemeinen Einführung für ländliche Bezirke noch immer die
Bedenken entgegen, daß sie an eine geeignete öffentliche Anlage
mit Feuerstelle und Schornstein angeschlossen werden müssen,
die im platten Lande selten oder gar nicht zu finden sein wird
und das die zur Verbrennung ihr zuzuführenden Kadaver aus
den einzelnen Gehöften und Weiden des Bezirks mehr oder
weniger weite Transporte zurückzulegen haben, bis sie vom
»Seuchenort an den Verbrennungsofen gelangen. Daß diese
Transporte gewisse Schwierigkeiten machen werden und häufig
genug Anlaß zur Zerstreuung von Krankheitserregern bieten
können, ist selbstverständlich. Aus diesen Gründen hat mich
ganz besonders der in der Nr. 27 der ,.Berliner Tierärztlichen
Wochenschrift“ vom 4. Juli d. J. (S. 515) von Stadttierarzt
Dr. Stödter in Hamburg beschriebene nnd abgebildete fahr¬
bare Verbrennungsofen interessiert, der alle Vorzüge eines
idealen Kadaververnichtungsapparates einstweilen in sich zu
vereinen scheint. Es handelt sich um den der Aktiengesellschaft
Boni in Nyirbäter in Ungarn gehörenden und in Deutschland und
Ungarn zum Patent angemeldeten fahrbaren Kadaververbrennungs¬
apparat, den ich außer in dem erwähnten Stödter sehen Aufsatz
auch in der Broschüre: r Die Verbrennung von unzerteilten und
zerteilten Tierkadavern in einem fahrbaren Apparat“ von Baurat
Lange und Polizeinspektor Ohlandt (Hamburg 1907) eingehend
beschrieben und abgebildet finde, der ich folgendes entnehme:
„Der fahrbare Apparat zur Kadaververbrennung ist von
gefälliger Bauart, leicht auf einem vierrädrigen Fahrgestell
montiert und dazu bestimmt, um ganze Tierkadaver unter ver¬
hältnismäßig geringem Feueruugsaufwand in verschlossenem
Behälter geruchlos in kurzer Zeit vollständig zu Asche zu ver¬
brennen. Das Fahrgestell kann beliebig den abweichenden
Bedürfnissen und Gewohnheiten in den verschiedenen Gegenden
entsprechend ausgeführt werden. Der Apparat ist einfach in
der Konstruktion, leicht und ohne Fachkentnisse von jedermann
zu handhaben und mit beliebigem Feuerungsmaterial: Holz, Kohle,
Stroh usw., wie es eben zur Verfügung steht, zu beheizen.
Der Kadaver kann unzerlegt in den Verbrennungraum geschafft
werden und wird hier unenthäutet und ungeöffnet über einem
leichten Feuer in einem Zeitraum von 5—6 Stunden verbrannt.
Der Apparat hat als Verbrennungsraum einen liegenden
Zylinder aus Schmiedeeisenblech von etwa 2,500 m Länge und
1,250 m Durchmesser, der im Inneren durch eine Schamotte¬
schicht von 5—6 cm geschützt ist. Unter dem Zylinder ist an
seinem hinteren Ende der Feuerkasten mit Heiztür angebracht
zu welchem Zwecke der Wagen eine gebogene Hinterachse
erhalten muß. Feuerungsraum und Verbrennungsraum stehen in
unmittelbarer Verbindung. Über der Heiztür ist eine Schau-
Öffnung. Die Vorderseite des Zylinders besteht ans einer
leicht zu öffnenden, hermetisch schließenden Tür zur Ein¬
führung des Kadavers. Auf dem Vorderteil des Zylinders
befindet sich ein niederlegbares Rauchabzugsrohr von einigen
Metern Länge. Für die Einführung des Kadavers ist im
Innern des Zylinders ein Geleise, mit welchem in der
Einführungsöffnung ein in schiefer Ebene zum Erdboden
führendes Vorlängerungsgeleise verbunden wird. Auf diesem
2. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
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fährt ein dreiachsiger Schlitten, der zur Aufnahme des zur Ver¬
brennung bestimmten Kadavers dient. Das Verlängerungsgeleis
wird während der Fahrt des Apparats zum Bestimmungsort auf
der Decke des Zylinders untergebracht, das erforderliche Brenn¬
material kann im Zylinder selbst mitgenommen werden. Die
Einführung des Kadavers in den Verbrennungsraum geschieht
durch eine über der Heiztür befindliche Aufziehvorrichtung
(Winde), die ein Stahldrahtseil aufnimmt. Diese Vorrichtung
besteht aus einem selbstsperrenden Schneckenradmechanismus
und kann von einem Mann bedient werden. Für die Bergung
des Kadavers sind, je nach Größe und Schwere des Objekts,
noch einige Hilfsmannschaften erforderlich. Der Verbrennungs¬
apparat kann den abweichenden Bedürfnissen entsprechend in
größeren und kleineren Dimensionen ausgeführt werden. In der
hier beschriebenen Ausführung hat er samt dem zugehörigen
Fahrgestell ein Gesamtgewicht von etwa 2500 kg. Es empfiehlt
sich, das Fahrgestell mit einer guten Federung auszurüsten,
die für die Dauerhaftigkeit des ganzen Fahrzeugs, namentlich
auch der Schamottebekleidung des Verbrennungsraumes, von
Bedeutung ist.
Der fahrbare Apparat zur Kadaververbrennung ist am
5. Januar 1907 auf der städtischen Abdeckerei in Hamburg
Öffentlich im Betriebe vorgeführt worden. In dem Apparat war
am Tage vorher ein Pferdekadaver im Gewicht von 552 kg
eingeäschert, dessen Aschenrückstände im Gewicht von wenigen
Kilogramm, zum Teil mit der Feuerungsasche vermischt, noch
unberührt im Apparat vorgezeigt wurden. Nach Ausräumung
dieser Aschenrückstände wurde der Apparat von neuem mit
einem nicht enthäuteten und nicht geöffneten Pferdekadaver be¬
schickt, dessen Gewicht die selbstregistrierende Wage der Ab¬
deckerei auf 500 kg festgestellt hatte. Die Befeuerung wurde
um 11 Uhr vormittags begonnen und um 4'/a Uhr nachmittags
nach vollständiger Einäscherung eingestellt. Als Heizmaterial
diente gewöhnliches Föhrenholz, weil dies unter ländlichen Ver¬
hältnissen in der Regel zur Hand sein wird. Für die Ein¬
äscherung wurden davon 210 kg verbraucht. Geruchsbelästigungen
in der Umgebung des Verbrennungsherdes sind nicht wahr¬
genommen. Bei Beginn der Verbrennung entströmte dem Ab¬
zugsrohr etwas Rauch, der zunächst von Haut und Haaren des |
Kadavers herrührte und später mit der fortschreitenden Ver¬
brennung aufhörte.
In dem fahrbaren Apparat zur Kadaververbrennung sind im
Januar 1907 auf der städtischen Abdeckerei in Hamburg im
ganzen drei Pferdekadaver verbrannt worden, wie folgt:
im Gewicht von mit Föhrenholz
am 2. Jan. 07 250 kg ( 5 Ztr.) 195 kg (4 Ztr.)
am 4. Jan. 07 552 kg (11 „ ) 240 kg (4Va „ )
am 5. Jan. 07 500 kg (10 „ ) _ 210 kg (4V a „ )
zusammen 1302 kg Kadaver (26 Ztr.) mit 645 kg (13 Ztr.) Holz.
Das Gesamtgewicht der Holz- und Kadaverasche von diesen
drei Verbrennungen wurde .von der städtischen Abdeckerei mit
53 kg (1 Zentner) nachgewiesen. Am 2. und 5. Januar wurde
gewöhnliches Brennholz, am 4. Januar ausgedörrtes Altholz, aus
einem Gebäudeabbruch herrührend, als Brennmaterial verwandt.
Die Kosten des Apparates sollen sich auf 3000 M. beziffern.
Habe ich in vorstehendem die bisher üblichen und die jetzt
möglichen Methoden, nach denen eine Beseitigung von Seuchen¬
kadavern geschehen ist oder geschehen kann, geschildert, so
ergibt sich daraus mit Notwendigkeit folgende Forderung:
Wollen wir die Bodenseuchen, insbesondere Milzbrand und
Rauschbrand so bekämpfen, wie es das Wesen ihrer Krankheits¬
erreger notwendig macht, um diese Seuchen nach und nach mit
Sicherheit zu tilgen, so müssen wir jegliche Verscharrung ver¬
bieten und sämtliche Kadaver dieser Art den Verbrennungsöfen
in geschlossenen und undurchlässigen Wagen zuführen. Zu
diesem Zweck muß in jedem Kreise, in dem eine der ge¬
nannten Seuchen häufiger vorkommt, an einer passenden,
möglichst zentral gelegenen Stelle ein gemauerter Ver¬
brennungsofen oder, falls sich diese bewähren sollten, fahr¬
bare Verbrennungsöfen der Firma Boni aufgestellt werden,
wenn nicht schon eine mit solchen Apparaten versehene Ab¬
deckerei vorhanden ist. Zu den stehenden Öfen sind die
Kadaver in einem Kadavertransport wagen zu schaffen, der
so konstruiert sein muß, daß der zur Aufnahme des Kadavers
dienende Oberteil — der Kasten des Wagens — vom eigent¬
lichen Wagen abgenommen und, wenn nötig, auf eine Schleife
oder einen Schlitten gesetzt werden kann, damit jederzeit, auch
bei den in unserer Niederung stets zu berücksichtigenden
schlechten Wege Verhältnissen, die Abholung des Kadavers aus¬
geführt und in absolut einwandfreier Weise geschehen kann.
An guten und bewährten Modellen von Kadavertransportwagen
sind wir heute ebensowenig in Verlegenheit wie an Öfen, nach¬
dem zunächst Frankreich durch eine Sondervorschrift vom Jahre
1842 für den Transport von Seuchenkadavern ein ausschließlich
zu benutzendes, vom Conseil de salubritö vorgeschriebenes
Wagenmodell eingeführt hat. Diese französische Verordnung
bringt in kurzen Worten diejenigen Forderungen zum Ausdruck,
denen auch heute noch einwandfreie Kadavertransportwagen zu
genügen haben. Die Wagen müssen undurchlässig und ringsum
geschlossen sein, um das Ablaufen von Kadaverflüssigkeit zu
verhüten und den Kadaver selbst den Blicken des Publikums zu
entziehen und dürfen nicht zu schwer werden, damit sie überall
hin leicht gelangen können. In Deutschland haben sich in den
letzten Jahren mehrere Firmen mit der Konstruktion von
Kadavertransportwagen befaßt, von denen folgende, als brauchbar
erprobte Wagen hergestellt wurden, die gleichzeitig eine Winde¬
vorrichtung zum leichten Aufladen der Kadaver besitzen. Ich
nenne kurz den Wagen von Adolf Epple in Cannstadt, Chr.
Miesen in Bonn, den von Frd. Lange in Dresden, von C. Schom-
bardt in Kassel, Jan Kunz in Kronberg a. T., denen sich auch
schon Motorwagen anschließen, die sich bisher nur für den
Transport von Kleinviehkadavern in praktischem Gebrauch
befinden.*)
Daß die allgemeine Aufstellung dieser Verbrennungsöfen
an der Kostenfrage nicht mehr scheitern kann, glaube ich durch
die Beschreibung der jetzt in Frage kommenden billigen Öfen
bewiesen zu haben. Für die Aufstellung und Unterhaltung
eines von jedermann leicht zu bedienenden Ofens sind nur
wenige Tausend Mark nötig, die vollauf aufgebracht werden
durch den enormen Nutzen der absolut sicheren Vernichtung
der Ansteckungsstoffe. Vielleicht wird auch die Provinz geneigt
sein, den Kreisen bei Aufstellung dieser Apparate mit Kapital
entgegenzukommen, da jedenfalls nach dem Aufhören des
Kadaververscharrens, wie die Beweise aus den Kreisen Cleve,
Rees und Ruhrort im Reg.-Bez. Düsseldorf, in denen alle
Kadaver in Öfen verbrannt werden und in denen der Milzbrand
*) Haefke, Handbuch des Abdeckereiwesens. Berlin 1906. S, 205.
18
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
allgemein mehr und mehr zurückgeht, während er in den Nach¬
barkreisen, die nicht verbrennen, alle Jahre die gleichen Opfer
fordert, bezeugen, die Milzbrand- und Rauschbrandfälle zusehends
abnehmen und somit auch die Summe der jährlich zu leistenden
Entschädigung eine kleinere wird. Das in diese Anlagen ge¬
steckte Kapital trägt durch das Nachlassen der alljährlich in
Westpreußen allein 40000 M, an Viehwerten verschlingenden
Seuchen, indirekt die denkbar höchsten Zinsen.
Eine Vergrabung von Milzbrand- und Rauschbrandkadavern
darf nur noch so lange geschehen, bis die Einführung dieser
Verbrennungsöfen so allgemein geworden ist, daß jeder Kadaver
verbrannt werden kann. Für diese Zwischenzeit darf die Ver¬
grabung niemals auf dem Seuchengehöft selbst erfolgen, sondern
auf gemeinsamen Verscharrungsplätzen, die von jeder Gemeinde
oder von jedem Gutsbezirk an Stellen anzulegen sind, die unter
Zuziehung der beamteten Tierärzte auszuwählen und mit hoher,
fester Umzäunung zu umgeben und mit einer verschließbaren
Tür zu versehen sind. Diese Verscharrungsplätze müssen selbst¬
verständlich unter genauester Beachtung aller hierfür erlassenen
und vorstehend aufgeführten Kautelen ausgewählt werden.
Außerdem muß jeder Kadaver in der Erde so in Kalk einge¬
bettet werden, daß dessen Zerstörung im Kalk gewährleistet
wird; hierzu sind allerdings ca. 15 20 Zentner frisch gelöschter
Kalk erforderlich, dessen Preis ca. 10 M. beträgt. Diese
Summe steht in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den ein
nicht derartig sicher verscharrter Kadaver noch nach Jahr¬
zehnten wieder anzurichten imstande ist.
Es bleibt uns jetzt noch übrig, einen Blick auf die un¬
schädliche Beseitigung der Konfiskate der Fleisch¬
beschau in den Städten und auf dem Lande zu werfen.
Mit der Einführung der für alle gewerblichen Schlachtungen
obligatorischen Fleischbeschau am 1. April 1903 trat an uns
die Notwendigkeit heran, dafür zu sorgen, daß das durch die
Organe der Fleischbeschau beanstandete kranke, verdorbene und
bisweilen sogar für Mensch und Tier gefährliche Krankheitskeime
enthaltende Fleisch oder Teile desselben in sicherer, einwandfreier
Weise zunächst aufbewahrt und dann vernichtet werde. Diese
Beseitigung und Vernichtung konfiszierter Fleischteile gestaltete
sich von vornherein in den Städten mit geregeltem Schlacht¬
hausbetrieb erheblich leichter als auf dem Lande. In den städti¬
schen Schlachthäusern geschieht die Sammlung und Beseitigung
der Konfiskate dadurch, daß zunächst in den Schlachthallen aus
Eisen hergestellte Gefäße aufgestellt sind, die eine solche Kon¬
struktion aufweisen, daß die oben hinein geworfenen Fleisch¬
teile auf eine sich drehende Klappe oder Trommel fallen und
nun nicht mehr von unbefugter Hand herausgenommen oder gar
entwendet werden können. Eine Entleerung dieser Gefäße kann
nur nach Öffnen des Schlosses und Aufklappen des Deckels
erfolgen. Was geschieht nun mit den angesammelten Konfis-
katen und wie werden diese beseitigt?
Als primitivste Art der Vernichtung dieser Konfiskate kommt
die noch hie und da (bis zum Vorjahre auch noch in Elbing)
übliche Verbrennung unter der Feuerung des Kessels in
Frage. Daß hierbei eine im allgemeinen sichere Vernichtung
der Konfiskate stattfindet, ist nicht in Abrede zu stellen, doch
sprechen gegen diese Methode wichtige Bedenken. Wie Haefke
(S. 105.) sehr richtig betont und wie ich aus eigener Erfahrung
bestätigen kann, ist die Einbringung der zu verbrennenden Fleisch-
stiicke oder ganzer Tierkörper in die Kesselfeuerung mit Schwie¬
rigkeiten verbunden und nicht ohne Verunreinigung oder Infi¬
zierung des Kesselhauses zu bewerkstelligen. Andererseits ist
die Verbreitung stinkender Dämpfe und Gase unvermeidlich, da
die Kesselfeuerung auf diesen Zweck nicht zugeschnitten ist.
Die Unzuträglichkeiten steigern sich namentlich in der heißen
Jahreszeit noch dadurch, daß dann häufig die Fleischteile nicht
schnell genug verbrannt werden können und in dem besonders
warmen Kesselhause rasch der Fäulnis und Zersetzung anheim¬
allen. Der bedenklichste Einwand, der gegen dieses Verfahren
erhoben werden muß, ist der, daß die Kessel selbst dabei Schaden
nehmen. Dadurch, daß Fleischteile an der Kesselwandung
haften bleiben, können Korrosionen verursacht werden, die in
kurzer Zeit zur Außer dienst Stellung der Kessel zwingen. In
Aachen hat z. B. eine durch die Verbrennung unter dem Kessel
notwendig gewordene Reparatur der Kesselanlage 2000 M.
Kosten verursacht. Die Roste erleiden bei solchen Verbren¬
nungen von Fleischteilen im Kesselfeuer auch eine vermehrte
Abnutzung.
Sehen wir von dieser jetzt wohl mehr und mehr verschwin¬
denden Vernichtungsmethode ab, so kommen für die Schlacht¬
häuser zwei Anlagen in Frage, die eine sichere und zweckent¬
sprechende Vernichtung der Konfiskate gewährleisten. Erstens
die Vernichtung in Öfen, die eine Ausnutzung der in
den Kadavern enthaltenen Wertstoffe nicht gestatten und
zweitens die Beseitigung in Apparaten mit gleichzeitiger
Ausnützung der noch nutzbar zu machenden Stoffe. Zu
den ersteren Apparaten gehören die bereits erwähnten Ver¬
brennungsöfen nach Feist und besonders nach Kori, der in be¬
zug auf eine schnelle und einwandfreie Vernichtung der ihm
zugeführten Fleischteile Hervorragendes leistet und dessen Auf¬
stellung um so weniger Schwierigkeiten machen dürfte, als er
schon, je nach Größe, für l‘/a—3 Tausend M. fertig hergestellt
und an jeden Schornstein angeschlossen werden kann. Auch die
Bedienung der Feuerung macht hier keine großen Schwierig¬
keiten. Der Korische Ofen braucht z. B. in mittleren und
kleinen Schlachthöfen wöchentlich höchstens 1—3 mal in Be¬
trieb gesetzt zu werden und kann in der Zwischenzeit sehr gut, ohne
zur Verbreitung übler Gerüche beizutragen, als Aufbewahrungsbe¬
hälter aller demnächst zu verbrennenden Konfiskate benutzt werden.
Für größere Schlachthöfe, z. B. für Städte von 4000 Einwohnern
aufwärts kann der Aufstellung von Verbrennungsöfen, die eine
Verwertung der in dem Fleisch enthaltenen Nutzstoffe nicht ge¬
statten, nicht das Wort geredet werden. Hier findet, wie
Haefke treffend sagt, eine unverantwortliche Vergeudung wert¬
voller Stoffe statt und hier muß unter allen Umständen auf eine
zweckentsprechende Verwertung der Schlachthausabfälle Bedacht
genommen werden, nachdem die Technik Einrichtungen ge¬
schaffen hat, die eine vollkommene Wiedergewinnung der im
Fleisch enthaltenen Wertstoffe gestatten und doch eine einwand¬
freie und absolut sichere Vernichtung der schädlichen pflanz¬
lichen und tierischen Parasiten gewährleisten. In den hier ge¬
dachten Apparaten werden durch die Hitze und den Druck des
hochgespannten, gesättigten Wasserdampfes als endgültige Pro¬
dukte aus den Tierkörpern folgende drei Wertstoffe gewonnen:
1. Fett, 2. Tierkörper- oder Kadavermehl und 3. Schlichtleim.
Nach Haefke haben wir gegenwärtig unter den Apparaten zur
Durchführung des thermochemischen Verfahrens zwei führende
Richtungen zu unterscheiden, welche durch ebensoviele Apparat¬
systeme repräsentiert werden. Es sind dies das Podewilssche
2. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
19
und das Hartmannsche System. Alle anderen bekannt ge¬
wordenen Apparate lehnen sich an diese Systeme nach der einen
oder anderen Seite hin an. Wir können uns deshalb darauf be¬
schränken hier das Podewilssche und Hartmannsche System
kurz zu besprechen.
In dem Podewilssehen Apparat geschieht die Extraktion
des Kadavermaterials durch Auskochen in einer stark überhitzten,
wässrigen Flüssigkeit unter Druck, indem der Kesseldampf dem
zu verarbeitenden Material direkt zugeführt wird. Das Hartmann¬
sche System verwendet nicht mehr den direkten Kesseldampf,
sondern vielmehr, sowohl zur Durchkochung als auch zur Trock¬
nung den aus der Leimbrühe, d. h. aus dem Eigenwasser des
Kadavers entwickelten Dampf. Man spricht infolgedessen in
diesem Falle von einer indirekten Durchdämpfung und Trocknung,
weil der eigentliche Arbeitsdampf tatsächlich nur indirekt auf
das Rohmaterial wirkt. Hierdurch wird eine bedeutende Re¬
duktion der Betriebf kosten gegenüber älteren Systemen erzielt,
welche in einem sonst unerreichten geringen Verbrauch an Dampf,
Kohlen und Kühlwasser zum Ausdruck kommt.
Die aus vorstehenden Betrachtungen zu ziehende Nutz¬
anwendung ist meines Erachtens folgende:
Zur Beseitigung der Konfiskate ist auf kleinen Schlachthöfen
mit geringem Betrieb allein ein Verbrennungsofen z. B. nach
Kori aufzustellen, der dann für eine billige und sichere, aller¬
dings nutzlose Vernichtung aller Konfiskate sorgt. Auf größeren
und großen Schlachthöfen ist dieser Apparat ebenfalls nicht zu
entbehren, doch neben demselben ein Apparat aufzustellen, der
eine Verwertung der Kadavernutzstoffe gestattet. In ersterem
Ofen werden alle diejenigen Teile zu vernichten sein, deren ge¬
ringer Gehalt an Uützbareh Stoffen' eine Verarbeitung im Ver¬
wertungsapparat nicht lohnend erscheinen läßt, z. B. hochgradig
abgemagerte Tiere, wäßrige Orgaen, ungeborene Tiere, Ein¬
geweide U8w. In dem daneben in Betrieb zu setzenden Ver¬
wertungsapparat (z. B. ein kleinerer oder größerer Hartmann-
seher Apparat oder ein Garthsches Sammelgefäß) werden dann
diejenigen Teile Aufnahme finden, deren Gehalt an Fett und
anderen Nutzstoffen eine Verbrennung als Verschwendung dar¬
stellen würde. Daß dieser Punkt nicht übersehen werden darf,
ergibt eine vom Schlachthofdirektor Falk in Elbing mir zur
Verfügung gestellte Berechnung; hiernach wurden neulich im
Korischen Ofen fette Schweine im Gewicht von zusammen
2060 Pfd. vollkommen nutzlos verbrannt, dieses Fett hätte bei
einer anderen Verarbeitung des Kadavers, nach Abzug der Un¬
kosten, einen Erlös von 210 M. eingebracht, wenn man bedenkt,
daß 2060 Pfd. rohes Fett ca. 1170 Pfd. Schmalz gleichkommen,
dessen Wert mit 22 Pf. pro Pfund nicht «als zu hoch angesetzt
erscheint.
Wir haben nun noch der Beseitigung der Konfiskate der
Fleischbeschau auf dem Lande und in Städten ohne
Schlachthäuser unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Hier
sind die Verhältnisse freilich noch in höherem Grade reform¬
bedürftig als in den Städten mit Schlachthäusern.
Die unschädliche Beseitigung des beanstandeten Fleisches
regelt sich nach folgenden gesetzlichen Vorschriften. Die vom
Bundesrat erlassenen und am 30. Mai 1902 bekannt gegebenen
Ansführungsbestimmungen zum Reichsfleischbeschaugesetz vom
3. Juni 1900 geben in § 45 folgende Anweisung: Die unschäd¬
liche Beseitigung des Fleisches hat zu erfolgen entweder durch
höhere Hitzegrade oder auf chemischem Wege bis zur Auflösung
der Weichteile. * Die hierdurch gewonnenen Erzeugnisse können
technisch verwendet werden. Wo ein derartiges Verfahren un¬
tunlich ist, erfolgt die Beseitigung durch Vergraben tunlichst
an Stellen, welche von Tieren nicht betreten werden. Vor dem
Vergraben ist das Fleisch mit tiefen Einschnitten zu versehen
und mit Kalk oder feinem, trockenem Sande zu bestreuen oder
mit Teer, rohen Steinkohlenteerölen oder Alphanaphthylamin
in 5proz. Lösung zu übergießen. Die Gruben sind so tief an¬
zulegen, daß die Oberfläche des Fleisches von einer mindestens
1 m starken Erdschicht bedeckt ist. Der Reichskanzler ist er¬
mächtigt, weitere als die vorstehend bezeichneten Mittel zur
unschädlichen Beseitigung zuzulassen. Auch kann nach näherer
Anordnung der Landesregierung im Einzelfalle die unschädliche
Beseitigung auf andere Weise zugelassen werden, jedoch nur
mit der Maßgabe, daß die unschädliche Beseitigung polizeilich
überwacht wird. Mit tierischen Schmarotzern durchsetzte Fleisch¬
teile sind jedoch stets nach Vorschrift der Abs. 1 und 2, trichi¬
nöses Fleisch nur nach Maßgabe des Abs. 1 unschädlich zu
machen.
Die Bestimmungen dieses § 45 werden noch erweitert durch
§ 39 der preußischen Ausführungsbestimmungen betreffend die
Schlachtvieh- und Fleischbeschau bei Schlachtungen im Inlande
vom 20. März 1903. Hiernach darf von den strengen Forderungen,
die § 45 B v B. A an die unschädliche Beseitigung von bean¬
standetem Fleisch stellt, ausnahmsweise von der Ortspolizei¬
behörde in solchen Fällen abgesehen werden, in denen die Be¬
achtung der im Abs. 1 und 2 des § 45 gegebenen Vorschrift unver¬
hältnismäßig schwierig oder kostspielig sein würde. Injiiesen Fällen
kann als anderweitige Beseitigungsart u. a. das Vergraben der
Konfiskate nach Anlegung tiefer Einschnitte und Übergießung des
Fleisches mit Petroleum oder mit Jauche in Betracht kommen.
Gerade letztere Art der Beseitigung von Fleischbeschaukonfis-
katen ist in meinem Beobachtungsbezirk zur Regel geworden,
da hier eben die Voraussetzungen des § 39 (unverhältnismäßige
Schwierigkeiten und Kosten bei einem anderen Beseitigungs¬
modus) zutreffen. Doch nicht die Art und Weise, wie die Kon¬
fiskate endgültig zu beseitigen sind, sondern wie sie vom
Augenblick der Beanstandung und Untauglichkeitserklärung durch
den Beschauer bis zu ihrer Vernichtung sicher aufzubewahren
sind, macht nach den übereinstimmenden Beobachtungen der
meisten Berichterstatter die größeren Schwierigkeiten. Die
Fleischer oder Schlachtenden haben an den konfiszierten Teilen
kein Interesse mehr und wollen sie baldmöglichst los sein, die
Fleischbeschauer wiederum, die in den meisten Fällen kilometer¬
weit vom Sitz der Ortspolizeibehörde entfernt wohnen, sind
nicht in der Lage, zu übersehen, was mit den von ihnen be¬
schlagnahmten und zur Vernichtung bestimmten Organen geschieht.
Als unbedingt notwendig hat sich deshalb die obligatorische
Aufstellung von Konfiskatgefäßen an allen Stätten, an denen
gewerbliche Schlachtungen vorgenommen werden, erwiesen, in
die alle beanstandeten Organe oder Fleischteile sofort in Gegen¬
wart des Beschauers oder von diesem selbst, hineingeworfen
werden müssen und die bis zur Entleerung unter Verschluß zu
halten sind. Zu diesem Zweck ist für den Reg.-Bez. Danzig
unter dem 21. Februar 1907 folgende Anordnung erlassen worden:
„Jeder, der sich mit der gewerblichen Schlachtung von
Tieren beschäftigt, hat in der Nähe seiner Schlachtstätte einen
undurchlässigen, mit einem dichten Deckel versehenen, ver¬
schließbaren Behälter aufzustellen, in welchem die bei der
20
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Fleischbeschau untauglich befundenen Fleischteile Vorläufig auf¬
zubewahren sind. Der Fleischbeschauer hat die untauglichen
Teile in den Behälter zu werfen, diesen alsdann abzuschließen
und der Ortspolizeibehörde Mitteilung zu machen, sobald die
Entleerung des Behälters erforderlich ist. Dabei ist zu be¬
achten, daß diejenigen Fleischteile, welche nach § 15 B. B. A
zwecks Feststellung einer Seuche für den beamteten Tierarzt
unter sicherem Verschluß in einem geeigneten Raum aufzu¬
bewahren sind, nicht sofort in diesen Behälter geworfen werden
dürfen. Es empfiehlt sich, die Behälter mit Kalk- oder Kreolin¬
wasser oder einer anderen Flüssigkeit, welche die Unschädlich¬
keit und Geruchlosigkeit gewährleistet, zur Hälfte anzufüllen.
Die Öffnung und Schließung der Behälter darf nur durch die
Organe der Polizeibehörden erfolgen, in deren Händen auch die
hierzu erforderlichen Schlüssel verbleiben müssen. Die an¬
gesammelten Fleischteile sind, ebenso wie die ganzen untauglichen
Tierkadaver durch tiefes Vergraben — tunlichst auf Gemeinde¬
verscharrungsplätzen — oder durch Verbrennen unschädlich zu
beseitigen. Die Anschaffung der Behälter ist den Schlächtern
unter Androhung von Zwangsmitteln durch die Ortspolizei¬
behörden aufzugeben.“
Diese Maßregel ist mit einigem guten Willen unschwer
durchzuführen; sie hat sich in den Kreisen Danziger Höhe und
Dirschau und im Reg.-Bez. Hannover durchaus bewährt. Die
Kosten für die Anschaffung und Unterhaltung der Behälter sind
ebenfalls in Rücksicht auf ihren Nutzen nicht zu hohe. Den
Anforderungen dieser Anordnung genügt zwar schon ein mit
Deckel und .Schloß versehenes undurchlässiges Faß, ich rate
aber nicht zur Aufstellung derartiger primitiver und improvi¬
sierter KonfUkatbehälter, da deren Benutzung doch nur in
Gegenwart des einen Schlüssel führenden Beschauers oder der
Ortspolizeibehörde vor sich gehen kann, empfehle vielmehr die
Aufstellung der verzinkten Konfiskateimer von Ränger (in
Arnstadt i. Th.), die den großen Vorteil aufweisen, daß sie
eine automatische Verschlußöffnung besitzen, die es gestattet,
daß man ohne den behördlich verschlossenen Entleerungsdeckel
öffnen zu müssen, jederzeit Fleischabfälle hineinwerfen kann,
die aber infolge des selbsttätigen Sicherheitsverschlusses unbefugt
nicht aus dem Eimer herausgenommen werden können. Ich habe
für meinen Kreis diese Eimer in größerer Zahl bestellt, deren
Preis, je nach Größe, 27—35 M. beträgt. Ein Eimer für 27 M.
wiegt 18 kg und vermag 60 1 Inhalt zu bergen. Er dürfte in
den meisten Fällen genügen.
Die zeitweise Entleerung und Beseitigung des Inhalts
dieser Eimer dürfe nicht auf Schwierigkeiten stoßen, sie müßte,
wenn Gemeindeverscharrungsplätze oder Verbrennungsöfen in
der Nähe vorhanden sind, in diese geschehen. Da aber in diese
Geiäße größtenteils Organe und Fleischteile geworfen werden,
die nicht mit so schwer zerstörbaren Ansteckungsstoffen behaftet
sind, wie z. B. Milzbrand und Rauschbrand, und da andererseits
dadurch, daß die Eimer mit einer Lösung von roher Karbolsäure,
Kalkwasser oder Kreolinwasser gefüllt sind, die Krankheits¬
keime in ihrer Lebensfähigkeit abgeschwächt oder vernichtet
sein dürften, so können mit dem Vergraben des Eimerinhalts
erhebliche Gefahren durch die Verschleppung von Infektions¬
oder Invasionskrankheiten nicht mehr verknüpft sein; auch
dürfte es nicht wahrscheinlich sein, daß die durch den Aufent¬
halt in einer der genannten Flüssigkeiten denaturierten Fleisch¬
teile nach dem Vergraben von unbefugter Hand wieder aus¬
gegraben werden und als menschliche Nahrungsmittel Ver¬
wendung finden könnten.
In größeren geschlossenen Orten, z. B. in kleineren Städten
ohne Schlachthaus, in denen täglich mehrfache Schlachtungen
und Beanstandungen Vorkommen, können wir mit dieser Art der
Konfiskatbeseitigung nicht auskommen, hier muß auf die Auf¬
stellung eines kleinen Verbrennungsofens oder eines kleinen
Sammelgefäßes (z. B. nach Garth) hingewirkt werden.
Nachweisung über den Stand der Tierseuchen in Deutschland
vom 15. Dezember 1907.
Die Zahlen bedeuten die Kreise (Ober&mtsbezirke) usw., eingeklammert die Gemeinden.
Schweineseuche und Schweinepest
Regierungs¬
bezirk usw.
Kreise »
e <
er-
chte
a
'S ö
©
o
Auf je 1000 i
Gemeinden
waren verseucht
Regierungs¬
bezirk usw.
V
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83
©
O
Preußen:
Sigmaringen . . .
—
—
Königsberg . . .
13
60
20
Waldeck.
1
2
Gumbinnen . .
4
9
3
Bayern:
Allenstein . . .
8
22
12
Oberbayem ....
6
16
Danzig.
6
12
10
Niederbayern. . .
5
6
Marienwerder .
13
14
6
Pfalz.
1
1
Berlin.
1
1
1
Oberpfalz.
1
1
Potsdam ....
14
84
32
Oberfranken . . .
1
3
Frankfurt....
14
58
21
Mittelfranken. . .
2
2
Stettin.
7
12
6
Unterfranken. . .
3
4
Köslin.
5
11
6
Schwaben.
—
—
Stralsund ....
1
2
2
Württemberg .
5
6
Posen .
23
93
28
Sachsen.
10
15
Bromberg ....
13
79
36
Baden .
4
15
Breslau.
21
129
34
Hessen .
5
9
Liegnitz.
18
115
41
Meckl.-Schwerin
6
15
Oppeln.
12
! 31
11
Meckl.-Strelitz .
1
2
Magdeburg . . .
8
1 16
11
Oldenburg . . .
12
23
Merseburg . . .
14
i 35
15
Sachs.-Weimar.
8
12
Erfurt.
3
15
26
Sach s.-Meiningen
2
4
Schleswig . . .
15
38
18
Sachs.-Altenburg
1
1
Hannover ....
6
10
11
Sachs.-Kob.-Got
—
—
Hildesheim . . .
5
7
10
Anhalt.
2
2
Lüneburg ....
10
16
11
Braunschweig
6
19
Stade .
7
11
15
Schwarzb.-Sond.
—
—
Osnabrück . . .
2
5
9
Schwarzb.-Rud.
—
—
Aurich.
1
1
3
Reuß ä. L.
—
—
Münster.
7
27
101
Reuß j. L.
1
2
Minden.
4
9
17
Schaumb.-Lippe
1
3
Arnsberg ....
13
23
27
Lippe-Detmold .
4
11
Kassel.
15
82
49
Hamburg ....
3
3
Wiesbaden . . .
10
38
41
Lübeck .
—
—
Koblenz.
10
28
27
Bremen.
1
1
Düsseldorf . . .
11
28
65
Elsaß.
1
1
Köln.
3
5
17
Lothringen . .
1
1
Trier.
8
12
11
Aachen .
4
6
15
Rotz.
Preußen: In den Reg.-Bez. Königsberg, Gumbinnen, Allenstein,
Marienwerder, Frankfurt. Liognitz, Merseburg, Hildesheim, Arnsberg
je 1 (1), Köln 1 (2), Stadtkreis Berlin 1 (6), in den Reg.-Bez.
Düsseldorf 2 (2), Bromberg 3 (3), Potsdam 4 (4), Breslau 5 (5),
Posen 7 (7).
Bayern: In den Reg.-Bez. Oberbayern 4 (4), Niederbayern 2 (2),
Oberfranken 1 (1).
Sachsen: Kreishauptmannschaft Leipzig 2 (2v.
Baden: Freiburg 1 (3).
Zusammen 42 Gemeinden (55 im verflossenen Monat), davon
32 auf Preußen (38 im November).
2. Januar 1908.
RP.rn.1N ER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
21
Lungenseuche.
Preußen: Reg.-Bez. Bromberg 1 (1).
Sachsen: Kreishauptmannschaft Leipzig 2 (2).
Zusammen 3 Gemeinden und 3 Gehöfte.
Maul- und Klauenseuche.
Regierungsbezirk usw.
bzw. Staat
(♦ = neu verseucht)
Kreise
Gemeinden
Gehöfte
Gegenüber d. 15. Nov.
Kreise
Gemein¬
den
Gehöfte
Preußen:
♦Königsberg . . .
7
16
20
+ 7
+ 16
+ 20
Gumbinnen ....
8
24
33
+ 4
+ 19
-f 23
Allenstein ....
5
24
65
+ 2
+ 14
+ 40
Marienwerder . . .
5
20
53
+ 3
+ 17
+ 46
♦Bromberg ....
2
2
2
+ 2
+ 2
+ 2
Oppeln.
°
°
o
— 1
- 1
- 3
Aachen.
3
6
12
+ 2
+ 3
2
Preußen zusammen
30
92
185
-f- 19
+ 70
+ 126
Bayern:
1
Schwaben ....
4
8
36
+ 2
O
+ 9
Württemberg:
1
♦Donaukreis . . .
i
1
1
+ 1
+ 1
+ 1
Zusammen
35 |
101 |
222
+ 22 |
+ 71
1 + 136
Maul- und Klauenseuche.
Die Maul- und Klauenseuche ist in den Schlachthöfen zu
München und Stuttgart am 27. Dezember 1907 ausgebrochen.
Wegen der enormen Verbreitung der Seuche in Westrußland,
die leider bereits nach Ostpreußen eingeschmuggelt ist, haben die
dortigen Regierungspräsidenten mit Genehmigung des Ministers für
Landwirtschaft usw. verboten: Die Einfuhr von Geflügel auf Land¬
wegen, zollfreien Fleischportionen, Milch, sowie von Heu und Stroh
in losem Zustande.
Maul- und Klauenseuche In Holland.
In Holland herrscht die Maul- und Klauenseuche in außer¬
ordentlicher Verbreitung. Im Monat Juli wurden 5684 Fälle in
Südholland, 133 in Nordholland und 6 in Utrecht konstatiert. Die
Seuche war Anlaß, daß die Beschickung der internationalen Aus¬
stellung im September mit Schweinen und Wiederkäuern verboten
werden mußte. Bekanntlich ist auch des Herrschens der Seuche
wegen die Einfuhr von Wiederkäuern und Schweinen, Milch, Rahm,
frischen Häuten usw. aus den Niederlanden und Belgien untersagt
worden.
Kleiner Grenzverkehr.
Das anläßlich der starken Verbreitung der Maul- und Klauen¬
seuche in Frankreich für die Reichslande erlassene Verbot des
kleinen Grenzverkehrs mit Vieh und Fleisch und der Einfuhr von
tierischen Rohstoffen und Futtermitteln ist wegen Rückgangs der
Seuche im französischen Grenzgebiet vom 1. November 1907 ab
wieder aufgehoben. Dagegen wurde der kleine Grenzverkehr mit
zollfreiem Fleisch für den Grenzbezirk Eydtkuhnen verboten, um
der Einschleppung der Maul- und Klauenseuche aus Rußland vor-
zubeugen.
Fleischschmuggel auf Fischerbooten.
Die Zollbehörde in Memel beschlagnahmte ein Fischerboot, auf
w elchem sich 250 Pfund Fleisch befanden, das die Bootsmannschaft
aus Rußland einzuschmuggeln versucht hatte.
Fleischbeschau, Fleisch- und Viehverkehr.
Redigiert von Ginge.
.Die deutsche Milchwirtschaft und die Tierärzte.
Der Tierärztliche Provinzialverein für Schleswig-Holstein
hatte in seiner Generalversammlung am 1. September d. J. in
Kiel bei Anwesenheit von 107 Mitgliedern nach einem bereits
in der B. T. W. 1907, S. 647—651 veröffentlichten Vortrage
von Veterinärrat Dr. Foth über „Die Überwachung der Milch¬
gewinnung und des Verkehrs mit Milch“ einstimmig eine
Resolution angenommen, die in der B. T. W. 1907, S. 667 ver¬
öffentlicht ist und im wesentlichen besagt, daß die Tierärzte
sich allgemein mit der Milchkontrolle beschäftigen sollen, da
die Überwachung der Milchgewinnung und des Verkehrs mit
Milch eine der dringendsten Aufgaben der öffentlichen Gesund¬
heitspflege seien und aa erster Stelle zu ihrer Durchführung
die Tierärzte berufen wären. Damit den Tierärzten die führende
Rolle nicht mit Erfolg streitig gemacht werden kann, hält der
Verein es für dringend geboten, diesem Zweige der Veterinär¬
wissenschaften erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden, und gibt
die Anregung, daß die Milchkontrolle als ständiger Verhandlungs¬
gegenstand auf die Tagesordnung der tierärztlichen Vereine
gesetzt wird.
Die vorstehenden Beschlüsse haben von einer Seite Wider¬
spruch erfahren, von der man es vielleicht am wenigsten er¬
wartet hätte, in der landwirtschaftlichen Presse. Um einen
Meinungsaustausch herbeizuführen, beschäftigt sich auf Anregung
der „Illustrierten Landwirtschaftlichen Zeitung“ Hans Schrott-
Fiechtl eingehend mit den Beschlüssen des Vereins und nimmt
dabei in Nr. 87 der genannten Zeitung vom 30. Oktober 1907
in seinem Aufsatze den Tierärzten gegenüber eine mehr als
unfreundliche Stellung ein.
Die Abhandlung kann ihres großen Umfanges wegen hier
nicht wörtlich wiedergegeben werden. Sie befaßt sich auch
nicht ausschließlich mit der Milchwirtschaft, sondern streift und
kritisiert die Verhandlungen über die Organisation der Nahrungs¬
mittelkontrolle und die Besprechungen über die Abgrenzung der
Befugnisse und Zuständigkeit von Tierarzt und Chemiker immer
gegnerisch gegenüber dem Tierarzt. Es würde zu weit führen,
auch diese Fragen hier zu berücksichtigen und es sei hin¬
sichtlich derselben deshalb nur auf die einschlägige Literatur
verwiesen.
Was die Milch und Milchkontrolle angeben, das eigentliche
Thema, so sollte nach Hans Schrott-Fiechtl den Tierärzten
schon der gesunde Menschenverstand sagen, daß ein Stand, der
bisher für die Milchwirtschaft sozusagen nichts übrig hatte und zu
der erfreulichen Einsicht komme, daß das falsch war, nicht gleich
in die führende Rolle hineinspringen könne, sondern erst den Be¬
fähigungsnachweis zu führen hätte, um so mehr, als das Molkerei¬
fach doch recht weit von dem tierärztlichen Berufe abstehe. Der
Tierarzt komme dabei dem Arzt in die Quere, der die öffentliche
Gesundheitspflege nach allgemeiner Annahme zu vertreten hat. Die
Entwicklung des tierärztlichen Standes sei bewundernswert und
nötige Hochachtung ab, gar viele Landwirte hätten aber das sicher
nicht ganz unbegründete Gefühl, daß die Tierärzte bei der Suche
nach neuen Betätigungsgebieten nicht immer das nötige Maß von
Zurückhaltung bewahrten, das im allgemeinen Interesse erwünscht
sei. Der Tierarzt könne ohne Zweifel Uber viele gesundheitliche
Verhältnisse im Kuhstall aufklären, entsprechend der Strömung der
Zeit würden wohl auch die Kindermilchanstalten in absehbarer
Frist genötigt werden, ihre Kühe unter fortlaufende Kontrolle zu
stellen, es bestehe auch die Gefahr, daß die Ställe, in denen Markt¬
milch produziert werde, dieses Vorzuges teilhaftig werden. An die
Aufbringung der Kosten denke man aber nicht, der Konsument
protestiere gegen jede Erhöhung des Milchpreises und der Produzent
müsse daher denselben tragen. Was würde denn bei der tierärzt¬
lichen Kontrolle erreicht? Ein Tierarzt habe bei solcher Kontrolle
das erste Mal jedes Tier untersucht, später aber monatelang nur
flüchtig den Stall betreten. Bei solchem Verfahren diente die
Kontrolle nur als Aushängeschild, das dem Publikum nichts nutzt
22
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
und dem Landwirt Kosten verursacht. Dem Tierarzt fehlt voll¬
ständig das wirtschaftliche Empfinden, viele derselben betrachten
die Milchproduktion nur als Vergnügen, das dem Landwirt, etwas
kosten müsse. Ein wirklich erfolgreiches Vorgehen lasse sich nur
durch'vernünftige Kompromisse erreichen unter Anpassung an die
wirtschaftlichen Verhältnisse und Mitwirkung aller Berufenen.
Niemand 'dürfe dabei aber sagen, er sei an erster Stelle berufen.
Ohne Mitwirkung des Besitzers lasse sich nichts erreichen, und der
Besitzer habe keine Veranlassung, das tierärztliche Arbeitsgebiet
zu erweitern. Hinsichtlich der polizeilichen Milchkontrolle solle
sich der Tierarzt mit dem Nahrungsmittelcheraiker auseinandersetzen.
Der einzelne könne die Milchwirtschaft heute nicht völlig umfassen,
die tierärztliche Hilfe sei angenehm, so lange aber das Können der
Tierärzte nicht hochwertig sei, dürfen sie nicht erwarten, in den
Kreisen der Milchwirtschaft treibenden Landwirte für voll genommen
zu werden.
Die ganze Fassung der Darlegungen von Hans Schrott-
Fiechtl zeigt, daß man dieselben nicht überschätzen darf,
andererseits können die in einem bekannten landwirtschaftlichen
Blatt verbreiteten Anfeindungen der Tierärzte nicht totgeschwiegen
werden. Schrott-Fiechtl mag der Landwirtschaft und dem
Molkereifach heute auch so fernstehen, daß zu eingehenderem
Meinungsaustausch über die Stellung und Betätigung der Tierärzte
bei der Milchhygiene aufBasis der gegebenen Anregung kaum Anlaß
vorliegen dürfte. Nur eins sei dem Aufsatz von Schrott-Fiechtl
entnommen: Die Notwendigkeit der hervorragenden Be¬
teiligung der Tierärzte an der Milch- und Milchvieh¬
kontrolle ist offenbar noch nicht allgemein so erkannt
und wird noch nicht so gewürdigt, wie sie es verdient.
Die Ursache hierfür ist sicherlich besonders in der Tatsache zu
suchen, daß die bekannten Forderungen, die von Geheimrat
Dr. Ostertag als Direktive für die praktische Beteiligung der
Tierärzte an der Milchhygiene aufgestellt sind, noch zu wenig
in die Praxis umgesetzt wurden. In dieser Hinsicht muß weiter
vorgegangen werden, theoretische Erörterungen haben dagegen
nur bedingten Wert. Dann wird auch die allgemeine An¬
erkennung der tierärztlichen Arbeit nicht ausbleiben. Erst der
letzthin von Ostertag auf dem III. Internationalen Milch¬
wirtschaftlichen Kongreß im Haag über die Tuberkulosetilgung
gehaltene Vortrag beweist, wie großes Interesse dieses eine
tierärztliche Ziel bei den Milchwirten und Landwirten erregt
und wie verständnisvoll der Landwirt und Tierarzt dabei Zu¬
sammenarbeiten, wenn die Forderungen den wirtschaftlichen Ver¬
hältnissen angepaßt nur Erreichbares erstreben. Auch auf der
Internationalen Milchausstellung in Hamburg wurde die hervor¬
ragende Bedeutung der tierärztlichen Kontrolle rückhaltslos
anerkannt.
Ein guter Kenner der Milchwirtschaft und der Tierärzte,
der verstorbene Schriftführer des Deutschen Milchwirtschaftlichen
Vereins, der Hamburgische Schlachthofdirektor Ökonomierat
Boysen, ein Landwirt, hat sich öfters in dem Sinne der inten¬
siven Heranziehung der Tierärzte bei der Milchwirtschaft und
Milchkontrolle ausgesprochen. Boysen schwebte dabei die
Idee vor, die Resultate der Fleischbeschau der Landwirtschaft
im allgemeinen und der Milchwirtschaft im besonderen dienst¬
bar zu machen. Auf seine Anregung hin habe ich längere Zeit
die kranken Euter der Schlachttiere bakteriologisch untersucht
und die Herkunft der betreffenden Kühe festgestellt. Berück¬
sichtigt man dabei vornehmlich diejenigen Tiere, welche auf
Wagen dem Schlachthofe zugeführt oder einfach zugetrieben
werden, so erhält man, da diese durchweg aus der Nachbarschaft
der Stadt stammen, also zu deren Milchversorgung gedient haben,
leicht eine Übersicht über die Art und Verbreitung der Krank¬
heiten in dem für die Stadt besonders in Frage kommenden Milch¬
produktionsgebiet und kann die Stelle namhaft machen, in welchen
eine Sanierung notwendig ist. Es sind da wochenlang an jedem
Hauptschlachttage 1—3 Kühe mit derselben ansteckenden Euter¬
entzündung aus demselben Bestände zur Schlachtbank gebracht
worden und über den Wert solcher Milch wird man trotz der
renommierten Namen der betreffenden Milchkuranstalten nicht
im Zweifel sein dürfen.
Wohin die deutsche Milchwirtschaft kommen muß, wenn bei
den fortschreitend sich ausbreitenden seuchenhaften Euter¬
erkrankungen, der Tuberkulose usw. entgegen der schleswigschen
Anregung die Tierärzte sich gleichgültig verhalten, das wird
der verständige Milchwirt sich wohl selbst sagen können. Eine
Milchwirtschaft kann eben nur betrieben werden, wenn Milch da
ist, Milch in genügender Menge und Güte. Diese kann aber
nur von gesunden und leistungsfähigen Kühen produziert werden,
und die Bestrebungen, die Milchviehbestände durch gemeinsame
Arbeit mit dem Landwirt auf einer solch erwünschten Höhe zu
I erhalten oder sie dahin zu bringen, rechtfertigen es ohne weiteres,
daß der Landwirt dem Tierarzt in der Milchwirtschaft eine
bevorzugte Rolle zuweisen sollte.
Auf Hamburger Gebiet ist der Tierarzt heute bereits recht
vielseitig im Dienste der Milchwirtschaft praktisch tätig. Ab¬
gesehen von der polizeilichen Milchkontrolle, die der Tierarzt
hier insoweit ausübt, als ihm der Nachweis pathologischer
Sekrete, pathogener Bakterien und bakterieller Zersetzungen
der Milch übertragen ist (die Verfälschungen weist der Chemiker
nach), findet eine Kontrolle der Bestände nach folgenden vier
Methoden statt.
1. Verein der Landwirte der Hamburgischen Marsch¬
land e. Die Bestände der Mitglieder werden vier- bis sechs¬
wöchentlich durch einen beamteten Tierarzt revidiert, wobei auf
alle einschlägigen Fragen der Milchwirtschaft, auf Fütterung,
auf Stallverhältnisse, Gesundheitszustand der Kühe usw. geachtet
wird. Milch krankheitsverdächtiger Kühe wird bakteriologisch
untersucht, ebenso regelmäßig die Mischmilch. Die Fütterung
wird auf Gehalt an Nährstoffen geprüft und es werden nach
Bedarf Futtertafeln aufgestellt. Die Revisionen erfolgen nur
zur Belehrung, nicht zur Durchführung amtlicher Maßnahmen.
Die Kosten trägt der Staat.
2. Verein gesunde Milch. Die Ställe werden von einer
Kommission, die aus zwei Landwirten, einem Tierarzt und einem
Arzt besteht, in regelmäüigen Zeitabschnitten besichtigt. Stall,
Fütterung, Haltung, Viehbestand, Melken usw. werden einer
Pointierung unterzogen und die Ställe nach dem Resultat in
verschiedene Klassen geteilt. Die Mitglieder wetteifern daher,
in die obere Klasse zu kommen. Jährlich wird jeder Bestand
einmal tierärztlich untersucht, ebenso wird die Milch bakterio¬
logisch geprüft. Die Kosten trägt teils der Staat, teils zahlt
d er Besitzer nach der Kopfzahl der Kühe einen kleinen Beitrag.
3. Milchzentrale. In den angeschlossenen Beständen
wird die Tuberkulosetilgung nach dem Ost er tauschen Ver¬
fahren durchgeführt.
4. Eine große Kindermilchanstalt steht unter Kontrolle
des Staat stierarztes. Dieser oder sein Vertreter nehmen monatlich
eine genaue Revision vor, verdächtige Milchproben werden
bakteriologisch untersucht, ebenso monatlich die Mischmilch.
2. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
23
Futtertafeln werden ausgerechnet. Der Besitzer bezahlt die
Auslagen der Untersuchungen.
Allen diesen Verfahren ist das eine gemeinsam, daß der
Tierarzt keine neue Betätigung suchte, sondern daß die Land¬
wirte ihn gerufen haben und nun nicht missen möchten. Diese
Kontrollen, besonders zu 1, haben sich so eingebürgert, daß
schon eine zufällig eintretende Verspätung der Revision von
Beteiligten unangenehm empfanden wird. Die Landwirte sehen
den Nutzen der Heranziehung des Tierarztes eben besser ein
als Hans Schrott-Fiechtl und in diesem Sinne hat sich ein
bekannter Hamburgischer Landwirt in Berlin vor berufensten
Zuhörern unaufgefordert und unzweideutig genug ausgesprochen.
Der praktische Nutzen der Kontrollen besteht in der Zuriick-
drängnng senchenhafter Erkrankungen, besonders dem fast
vöUigen Verschwinden der Streptococcen-Euterentzündungen, die
früher in vielen Beständen unerkannt und die Milchproduktion
in Frage stellend herrschten, ebenso der Tuberkulose; die
Fütterung wird rationell, es findet keine Vergeudung statt, der
Besitzer lernt sein Vieh besser bewerten, und die bessere
Kenntnis der Milchwirtschaft macht, daß er beim Ankauf der
Kühe vorsichtiger wird. Die Zucht ist rationeller und der Erfolg
durch Mehrerzeugung von Milch und zwar besserer Milch auch
einklingender. Die Marktverhältnisse erweitern sich bei der
allgemeinen Aufmerksamkeit, die die Hygieniker der Milch¬
versorgung heute zuwenden, ganz beträchtlich. Die Besitzer
sind hier bevorzugte Lieferanten der Volksküchen, Kranken¬
häuser, Armen- und Waisenhäuser und öffentlicher Anstalten
überhaupt. Das sind die Vorzüge für den Landwirt. Alle
Veranlassung, das Arbeitsfeld des Tierarztes auf dem Gebiete
der Milchhygiene zu erweitern; denn das bringt ihm Nutzen,
um das hochwertige Können braucht niemand in Sorge zu sein,
da die Durchführung der tierärztlichen Aufgaben und das allge¬
meine tierärztliche Studium voraussetzt.
Lediglich ein mangelhafter Einblick in die Aufgaben der
Tierärzte bei der Milchhygiene und ein Nichtvertrautsein mit
den bereits erzielten Erfolgen im Dienste der deutschen Milch¬
wirtschaft konnten zu den eingangs erwähnten Anfeindungen
Anlaß sein. Doch fällt eine einzelne ablehnende Stimme nicht
besonders ins Gewicht. Glücklicherweise finden die Tierärzte I
gerade bei den führenden Landwirten nnd Milchwirten die
verdiente Anerkennung und Unterstützung. _ Die Tierärzte werden
sich durch einzelne Angriffe in der Verfolgung ihrer Ziele
sicherlich auch nicht beirren lassen, vielleicht sorgt aber auch die
landwirtschaftliche Presse in der Erkenntnis, dadurch zum besten
der Landwirte zu handeln, dafür, daß nicht durclf Abhandlungen,
wie diejenige von Schrott-Fiechtl, Mißstimmung zwischen
Tierarzt und Milchwirt gesäet wird, sondern daß der Gedanke,
im Sinne der Ostertag sehen Forderungen ganz allgemein
vorzugehen, in weiteste Kreise getragen wird. Glage.
Statistik der Fleischpreise.
Auf Veranlassung des Landes-Ökonomie-Kollegiums hatte der
Landwirtschaftsminister auf den 15. November eine Kommission von
Sachverständigen einberufen, zu Beratungen über die Verbesserung
der jetzigen Statistik der Kleinhandelspreise für Fleisch. Nach
Mitteilungen der Zentralstelle der Preußischen Landwirtschafts-
kammera herrschte Übereinstimmung darüber, daß die jetzige Statistik
der Fleischpreise nicht nur nicht ermögliche, Vieh- und Fleisch¬
preise zu vergleichen, sondern auch der wichtigsten Aufgabe, nämlich
ein Bild der jeweiligen wirklichen Höhe der Fleischpreise zu haben,
in keiner Weise gerecht würde. Während nach Ansicht der Ver¬
treter des Fleischergewerbes es überhaupt ganz unmöglich ist, eine
Statistik der Fleischpreise aufzustellen, die das Bild der tatsächlich
gezahlten Fleischpreise darstelle und daher auf jede Ermittlung
zur Veröffentlichung der Kleinhandelspreise zu verzichten sei, wurde
sowohl von den Vertretern der Regierung als auch der Landwirt¬
schaft und Statistik entschieden betont, daß eine solche Statistik,
die im Interesse der Konsumenten liege, geschaffen werden müsse.
Es soll nach dem Ergebnis der Beratungen angestrebt werden, in
20—25 preußischen Großstädten in Zukunft durch besondere
Kommissionen von Sachverständigen die Preise, und zwar in erster
Linie die Ladenpreise, für drei verschiedene Sorten Rindfleisch
(eventuell noch Ochsen- und Kuhfleisch getrennt), für vier Sorten
Schweinefleisch und je zwei Sorten Kalb- und Hammelfleisch
möglichst allwöchentlich zu ermitteln und sofort im „Reichsanzeiger“
oder in ähnlicher Weise anderw eitig zu veröffentlichen. Eine solche
Ausgestaltung der Statistik w ürde nach übereinstimmender Ansicht
aller Kommissionsmitglieder einen wesentlichen Fortschritt bedeuten.
Von den Vertretern der landwirtschaftlichen Verw altung wurde des
ferneren hervorgehoben, daß die Frage, ob auch in Preußen ein
Anschlag der Fleischpreise in den Fleischerläden, wie er in Bayern
zumeist, in Sachsen teilweise bereits vorgeschrieben ist, durch
Polizei Verordnungen werde eingeführt werden könne, [noch keines¬
wegs als endgültig geklärt angesehen werden könne. Die weitere
Verfolgung der Angelegenheit wird nun das Landes-Ökonomie-
Kollegium aufnehmen und in seiner nächsten Plenarsitzung im
Februar 1908 das Ergebnis der Kommissionsberatung zu festen Vor¬
schlägen an die Staatsregiemng gestalten.
Zentralstelle für genossenschaftliche Viehverwertung in Bayern.
Jüngst fand in München eine Beratung wegen Gründung einer
Zentralstelle für genossenschaftliche Viehverwertung in Bayern
statt, bei welcher Vertreter fast aller landwirtschaftlichen Körper¬
schaften (landwirtschaftliche Vereine, christliche Bauernvereine,
Genossenschaften usw.) anwesend waren. Das Königliche Staats¬
ministerium bekundete durch die Anwesenheit zweier Vertreter sein
lebhaftes Interesse. Der Landesinspektor für Tierzucht, Dr.Attinger,
leitete die Verhandlungen. Nach einer allgemeinen Aussprache
kam der von Dr. Attinger verfaßte Entwurf der Satzungen zur
Beratung und wurde mit wenigen Abänderungen angenommen. Die
Finanzierung des Unternehmens ist in der Weise gedacht, daß die
der Zentrale beitretenden Mitglieder (Körperschaften und Einzel¬
personen) bestimmte, später noch festzusetzende Beiträge leisten;
ein entsprechender Zuschuß des Königlichen Staatsministeriums des
Innern zu den Betriebskosten des Unternehmens wurde von den
anwesenden Regicrungsvertretem in sichere Aussicht gestellt. Die
Gründung der Zentralstelle wurde hierauf einstimmig beschlossen,
desgleichen die Anstellung eines Hauptgeschäftsführers (Wochen¬
schrift für Tierheilkunde und Viehzucht).
Reformen im Viehhandel.
Der sächsische Landeskulturrat befürwortet, daß an allen
größeren Schlachthöfen, welche mit Viehhöfen verbunden sind,
Verkaufsvermittler angestellt werden, die nebenbei Geschäfte als
Kommissionär oder Händler selbständig nicht treiben dürfen, ferner
daß seitens dor Fleischer Vieheinkaufsgenossenschaften gebildet
werden zu dem Zwecke, das Schlachtvieh möglichst billig ein¬
zukaufen. Der Landeskulturrat wünscht, daß die städtischen Ver¬
waltungen veranlaßt werden, dieses Vorgehen zu fördern. Das
sächsische Ministerium hat von den Beschlüssen den Kreishaupt¬
mannschaften Mitteilung gemacht. Zur Eröffnung an die Stadträte,
damit letztere die genannten Bestrebungen des Landeskulturrates
entsprechend unterstützen.
Feststellung der Vieh- und Flelschpreise in Bayern.
Das bayrische Ministerium des Innern hat in einer am
26. September an die Kreisregierungen ergangenen' Entschließung
die Magistrate darauf hinweisen lassen, daß die angeordneten Er¬
hebungen und Feststellungen der Vieh- und Fleischpreise nicht in
gewünschter Weise erfolgt seien. Um eine Einheitlichkeit zu
erzielen, hat das Ministerium eine Tabelle entworfen, nach welcher
in Zukunft die Erhebungen stattfinden sollen. Es wird empfohlen,
anzuordnen, daß die Fleischer eino bevorstehende Erhöhung der
24
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1.
Fleischpreise drei Tage vorher der Polizeibehörde mitteilen sollen.
Ferner ist in der Tabelle die Feststellung der mittleren Laden¬
preise vorgesehen und wird angeregt, die Erhebung durch die
Polizeiorgane vornehmen zu lassen und vorzuschreiben, daß die
Fleischpreise im Laden von außen sichtbar anzuschreiben seien.
Die Preise sollen nach den aufgestellten Tabellen alle Monat sowohl
dem statistischen Bureau in München, als auch der betreffenden
Kreisregierung mitgeteilt werden.
Behördliche Aufforderung zum Herabsetzen der Fleischpreise.
Der Magistrat der Stadt Dülmen sendet nach der „Z f. K. u V. B.“
an die Metzger seiner Stadt, die trotz niedriger Viehpreise die
Fleischpreise hochhalten, folgendes Schreiben: „In Verfolg eines
Magistratsbeschlusses vom heutigen Tage mache ich Sie darauf
aufmerksam, daß die Schweinefleischpreise trotz des schon seit
langer Zeit anhaltenden rapiden Sinkens der Schlachtviehpreise
hier noch außerordentlich hoch sind. Der Magistrat würde deshalb
gezwungen sein, im Interesse aller Einwohner nach Vorgang anderer
Städte zur Selbsthilfe zu greifen, wenn Sie nicht alsbald eine an¬
gemessene Ermäßigung der Fleischpreise vornehmen.“ Unterschrift.
Die Wirkung ist die gewesen, daß die Metzger mit dem Preise für
einzelne Fleischsorten, besonders Speck, alsbald etwas zurück¬
gegangen sind.
Die Verordnung betr. Aushängen von Preistafeln vor Gericht.
In Gera war die Vorst hrift erlassen worden, daß die Schlächter
Preistafeln auszuhängen haben. Ein Fleischer, der dagegen verstieß
und mit Polizeistrafe belegt wurde, führte eine richterliche Ent¬
scheidung herbei. Das Schöffengericht erkannte auf Freisprechung,
weil die Verordnung gegen die Gewerbeordnung verstoße und
daher ungültig sei. Die Strafkammer verwarf die eingelegte Be¬
rufung der Staatsanwaltschaft und erklärte, sich den sächsischen
Oberlandesgerichtsentscheidungen, die diese Preistafeln als berechtigt
anerkennen, nicht anschließen zu können, weil in Titel 5 der Ge¬
werbeordnung im allgemeinen von unzulässigen Preistafeln gesprochen
wird, so daß auch die von den Fleischern verlangten Preistafeln
nicht zulässig seien.
Dürfen die Städte verbindliche Vorschriften hinsichtlich der Feststellung
des Schlachtgewichtes treffen?
In München darf nach der Schlacht- und Viehhofordnung bei
der Feststellung des Schlachtgewichts beim Schwein die Zunge
nicht entfernt werden. Ein wegen Übertretung dieser Bestimmung
mit einem Strafmandat bedachter Schlächter führte eine richterliche
Entscheidung vor dem Schöffengericht herbei über die Frage, ob
der Magistrat berechtigt ist, mit Anordnungen bezeichneter Art den
Handel zu regeln. Ein Gutachten der Schlachthofdirektion betonte
die Notwendigkeit solcher Vorschriften, da vor dem Verwiegen
zum Nachteil des Verkäufers manchmal mit der Zunge erhebliche
Mengen des Fleisches der Nachbarschaft entfernt würden. Der
Einwand des Beklagten, daß die Bestimmungen ein gesetzlich un¬
zulässiger Eingriff in die privatrechtlichen Verhältnisse des Metzgers
seien, w urde zurückgewiesen und seine Verurteilung wegen Über¬
tretung der Schlacht- und Viebhofordnung ausgesprochen. — Bei
der verschiedenen Auslegung des Begriffes „Schlachtgewicht“ wäre
eine einheitliche Regelung wünschenswert, und sie wird sich bei
der heutigen Entwicklung des Viehhandels und dem regen Vieh¬
verkehr von Stadt zu Stadt schließlich auf die Dauer auch nicht
umgehen lassen.
Abänderung des üblichen Wiegens bei Feststellung des Schlachtgewichts.
Das Bestreben landwirtschaftlicher Kreise, auf ein angemessenes
Verhältnis zwischen Vieh- und Fleischpreisen durch Reformen im
Fleischhandel hinzuwirken, ist Anlaß gewesen, daß seitens der
Fleischervertretungen als Gegenzug auf eine Abänderung der
üblichen Feststellung des Schlachtgewichte hingearbeitet wird.
Man wird als Schlachtgewicht nach einem Verbandstagsbeschluß
in Zukunft bei Rindern und Schafen nur das reine Fleischgewicht
gelten lassen. Da der Wertunterschied zwischen Fett und Fleisch
beträchtlich ist, sollen vor dem Verwiegen mindestens alle größeren
Fettmassen, also besonders das Nieren- und sog. Schlußfett,
entfernt werden. Dann würde der Preis des Fleisches entsprechend
höher notiert werden müssen und die Spannung zwischen Vieh- und
Fleischpreisen würde mehr ausgeglichen sein oder richtiger nur
ausgeglichen zu sein scheinen.
Markthallen.
Der Magistrat von Hanau hat bei allen Städten mit 20 000 bis
100 000 Einwohnern angefragt, ob eine Markthalle bestehe und nach
ihrer Errichtung eine Verbilligung oder Verteuerung der Lebens¬
mittel eingetreten sei. Die aus 169 befragten Städten eingegangenen
165 Antworten besagen, daß nur in 16 Städten Markthallen vor¬
handen sind. Die Errichtung beeinflußte die Preise in den meisten
Städten nicht, in Kolmar und Solingen war eine günstige Wirkung
auf diese zu verzeichnen.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurden verliehen dem Korpsstabsveterinär
Hermann Barfke beim Generalkommando des II. Armeekorps der
Rote Adlerorden vierter Klasse, dem Oberveterinär in der Schutztruppe
Dr. Dieckmann das schwarze Band zum Kronenorden mit Schwertern
an Stelle des weißen Bandes; dem Departementstierarzt, Veterinär-
ral Barauski in Aachen der persönliche Rang der Räte vierter
Klasse; ferner: Der Charakter als Veterinärrat dem Departements-
tierarzt Dr. Marks zu Allenstein und den Kreistierärzten Liescnberg-
Zielenzig, l^ehmann- Calau, Bertelt- Ostrowo, -Sagrer-Tilsit, Rodcwald-
Kiel, ZfecAer-Warburg, SWi/icpeZ-Rinteln und Eckardt-'NeuQ.
Ernennungen: Veterinärbeamte: Die Tierärzte J. Wiedewann-
Burgau zum Distriktstierarzt daselbst, M. Jöhnk- Berne (Oldenburg)
mit Wahrnehmung der Geschäfte des beamteten Tierarztes für das
Amt Elsfleth beauftragt. — Schlachthofverwaltung: Ferdinand
Barstem -München zum Schlachthoftierarzt in Saarlouis (Rheinpr.).
Niederlassungen: Die Tierärzte Otto Brunbauer-hender in Allers¬
hausen bei Freising, Adolf Bottes- Ettlingen in Kenzingen, Richard
jWayer-München in Stuhm (Westpr.).
Examina: Promoviert: Die Tierärzte Wilhelm Holzapfel aus
Hagen i. Westf. und Erich, Silbersiepe aus Ergste bei Schwerte
zum Dr. phil. in Leipzig. — Approbiert: Die Herren Franz Rotlauf
aus Weismain und Innorenz Srhwander aus Augsburg in München.
Todesfälle: Regimentspferdearzt a. D. Dr. Brü>her senior zu
Hildesheim, Oberveterinär a. D. Christian Meyer zu Verden, Kreis¬
tierarzt Erxleben zu Dahme.
Verantwortlich (Ir den Inhalt (exkL luaar&tenUil): Prot Dr. Schmalta In Berlin.
Druck tob W. 1
| Vakanzen.
I Kreistierarztstellen: Nach Ablauf der Meldefrist noch un-
, besetzt: Reg.-Bez. Posen: Schwerin a. W.
Bchlachthofstellen: a) Neu ausgeschrieben: Gelsenk irchen
I Assistenztierarzt zum 1. April 1908. AnfangBgehalt 2700 M. Bew.
an den Oberbürgerraeiser. — Liegnitz: Assistenztierarzt zum
1. April 1908. Anfangsgehalt 2400 M. nebst freier Wohnung. Privat¬
praxis nicht gestattet. Bewerb, bis 20. Januar a. d. Magistrat. —
Osnabrück: II. Assistenztierarzt zum 1. April 1908 Gehalt2100bis
3000 M., möbl. Wohnung usw. Bew. bis 10. Januar 1908 a. d. Mag.
b) Nach Ablaut der Meldefrist noch unbesetzt:
| Bitburg: Tierarzt. 1600 M. — Freienwalde: Tierarzt. —
| Hannover: I. Tierarzt u. Stellvertreter des Direktors der städt.
Fleischbeschau. 3600 M. — Harburg (Elbe): Assistenztierarzt.
| 2000 M bis 2600 M. — Husum: Trichinenschauer. 1300 M. und 200 M.
Wohnungsgeld.— Landsberg a. W.: Assistenztierarzt. 2400 M. —
Lippstadt: Verwalter. 2500M. bis 4000M. — Prüm (Rhld.): Ver-
' walter (Tierarzt). 1200 M. bis 1500 M., freie Wohnung usw. —
j Pyritz: Schlachthofdirektor. 1800 M. bis 2400 M. — Schwiebus
(Bez. Frankfurt a. 0.): Schlachthofleiter. 2400 M. — Stettin:
III. Tierarzt bei der Allslandfleischbeschaustelle. 2400 M.
j Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis: a)Neu
ausgeschrieben: Steinau (O.-S. Bez. Oppeln): Tierarzt Aus-
| kunft erteilt der Magistrat.
J b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Brilon
I (Westfalen). — Kemberg (Kr. Wittenberg). — Kirchberg-Huns-
rück. — Langelsheim (Herzogt. Braunschweig).
Allen befreundeten Kollegen und wohlgeneigten Lesern der
; B. T. W. bitte ich auf diesem Wege meinen besten Glückwunsch
‘ zum neuen Jahre aussprechen zu dürfen. Schmaltz.
— Verlag and Eigentum der Verlagsbuchhandlung toh Richard Schoets in Berlin. —
Elftxeiuteln, Berlin.
Die „Berliner TleriLntliehe Wochenachrift“ eraehelnl
wSchenÜlch im Verlege von Rteberd Seboeis In
Berlin SW. 48, Wilbelmetr. 10. Dareb Jedes deaUebe
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Preisliste Nr. 674. Ungerisebe Nr. 66.)
Berliner
Original b eitrige werden mit M Hk., In PeÜtaata mb
00 Mb. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
an senden an Prof. Dr. Schmal?/., Berlin, Tierirst*
liebe Hochschule, NW., Lulsonatrafie 66. Korrekturen,
Resenslons-Exemplare und Annoncen dagegen an die
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Tierärztliche Wochenschrift
Bedaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
De Brile
Blage
Dr. JeB
Vetcrinärrat Dr. Lothes
Prof. Dr. Peter
Veterinärrat Peters
Veterlnärrat PreoBe
Profeaaor
Professor
Kreist!'irarst
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Kreistierarzt
Departementstierarzt
Departementstierarzt
Utreeht
Hamburg.
Charlotteuburg.
Cöln.
Angermünde.
Bromberg.
Dansig.
Dr. Richter
Med.-Rat Dr. Roeder
Dr. Sohlegel
Dr. J. Schmidt
Reg.-Rat Dr. Vogel
Zündel
Profeaaor
Profeaaor
Profeaaor
Profeaaor
Landestierarst r. Bayern
Kreiatierarat
Dresden.
Dresden.
Freiburg L Br.
Dresden.
München.
Mülhausen i. R.
Jahrgang 1908. J|£ 2 . Ausgegeben am 9. Januar.
Inhalt: Mayr: Moderne Antiseptica. — Hotterbaeh: Das Lezithin und die Form, in welcher man es verordnen soll. —
Berndt: Mykotische Magen-Darmentzündung infolge Verftitterung von „Haferwert* 4 . — Referate: Frick: Über
Kastration und Kastrationsmethoden der männlichen Haustiere. — Roux: Über die Behandlung der Koliken beim Pferd. •—
Zschokke: Klinische Notizen. — Ostertag und Stadie: Weitere Untersuchungen über die Ätiologie der Schweineseuche
und Schweinepest. — Kantorowicz: Über Pseudo-Maul- und Klauenseuche. — Barabäs: Die Behandlung der Maul- und
Klauenseuche mit Collargol. — Angelici: Blutfilarien bei den Spatzen. — Eine interessante Ursache der traumatischen
Perikarditis. — Tagetgeechlohte: Dr. phil. Paul Brücher +• — Zur Frage der Mitwirkung der Tierärzte in den Körungskommissionen.
— Verband der Privattierärzte in Preußen. — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen: Verhandlungen des Deutschen Landwirl-
schaftsrats. — Jahresbericht über die Verbreitung von Tierseuchen im Deutschen Reiche. — Verschiedenes. — Fleischbeschau,
Flei 80 h- und Viehhandel: Die Milchwirtschaft und die Bekämpfung der Rindertuberkulose. — Das Gutachten Proskauers über
die dänische Milch. — Meier: Über die Mitwirkung der Tierärzte in den Ortsgesundheits-Kommissionen. — Borchmann:
Über die Notwendigkeit der Ausdehnung der Untersuchung (Fleischbeschau) auf aas Wildbret. — Verschiedenes — Bücher¬
anzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen.
Moderne Antiseptica.
h.
Von Ludwig Mayr, Distriktstierarzt, Rosenfeld.
In Nr. 37 dieser Zeitschrift habe ich meine praktischen
Bofahrungen über die in der onSs tan denen chemischen
Präparate oder Arzneikörper, so weit es sich um pharmazeutische
Produkte handelt, die in Pulverform den Zweck der Antisepsis
erfüllen sollen, niedergelegt. Es erübrigt mir nun in folgendem
über die modernen flüssigen Antiseptica, oder solche, die zu
ihrer wirksamen Anwendung in flüssige Form übergeführt
werden müssen, zn berichten. Des öftern wurden nun sehen in
kritischer Beleuchtung diese Medikamente charakterisiert und
ihre Brauchbarkeit ln geeigneten Fällen als erwiesen befanden.
Die hauptsächlichsten Vertreter dieser Kategorie von modernen
Desinfizientien sind in erster Linie das Septoform, dann
das Snblamin, das Phenolin, Formaldehyd, saponat.
Ben gen-, Therapogen, Bacillol und Parisol.
Das Sepfceform ist hm Gegensatz zn den gnten alten
Desinfektionsmitteln wie Lysol und (Jreolin ein Naphtholab-
kömmüng bzw. eine eigenartige Naphthol-Formaldehydverbin-
dong, die als wirksamen Bestandteil das Dioxydinaphth yl-
methan enthält. Das Septoform stellt eine gelbrötliche, klare
und durchsichtige nach Formalin riechende Flüssigkeit dar, die
in destilliertem Wasser vollkommen klar löslich ist, dagegen in
Brunnenwasser entsprechend dem Kalkgehalt desselben, eine
milchweiße Lösung gibt.
Was die baktericiden Eigenschaften des Septoforma anlangt,
so wurden diese bereits durch eingehende Untersuchungen von
Nissen, Engels und Wede dahin festgelegt, so zwar, daß
diese Antoren konstatierten, daß Septoform selbst der Vegetation
von Äeinkulturen der variabelsten Bakterienflora äußerst
wfitsam entgegentritt.
Wie namentlich ans den Untersuchungen Wecdas hervor¬
geht, kam er zu folgendem Resultat:
Es sind in:
3%
5%
10% Sept. Lös.
Spirillum Cholerae asiaticae . .
5 Min.
2 Min
2 Min.
Bacillus typhi abdominalis . .
00 „
30 „
15 „
Staphylococcus pyogenes aureus
120 „
CA) „
20 „
Bacillus pyogenes.
120 „
40 „
15 „
Bacillus antliracis.
vollständig abgetötet.
:u;o „
150 „
30 „
Die größte Rolle als Desinfiziens spielt das Septoform, wie
wohl alle Antiseptica in der Chirurgie und in der Geburtshilfe.
Als Antiseptikum in der Wundbehandlung kommt es nun darauf
an, ob es in tierischen Flüssigkeiten, Blut, Serum und Eiter
nicht zersetzt wird oder Niederschläge bildet. Diese üblen
Eigenschaften konnte ich bei Septoform niemals konstatieren,
ganz im Gegenteil. Sehr angenehm empfand ich die desodo-
visierende Kraft bei übelriehenden Eiterherden, wo das äußerst
unangenehm riechende Parfüm, namentlich des Rindereiters voll¬
ständig vertuscht wird, eine Eigenschaft, die nicht hoch genug
eingeschätzt werden kann. In jedem Falle, wo ich Septoform
in mäßigen Konzentrationen gebrauchte, habe ich niemals Reiz¬
erscheinungen der kranken Gewebe gesehen, im Gegenteil, eine
gute granulationsbefördernde Wirkung gefunden. Von den zahl¬
reichen Fällen, in denen ich Septoform in Anwendung brachte,
mögen einige hier kurz Erwähnung finden.
1. ßallenabszeß bei einem Ochsen. Das Tier zeigte links
hinten am medialen Ballen hochgradige Schmerzen infolge der
entzündlichen Anschwellung; nach Inzision entleert sich übel¬
riechender Eiter nnd nekrotische Ge websfetzen. Die Behandlung
bestand nnn in dreimaligem Durchspritzen pro die mit 3 proz.
Septoformlösung (2 Eßlöffel auf 1 l Wasser) worauf der
eitrige Prozeß nach drei Tagen Stillstand.
2. Druseabszesse beim Pferd, abszedierte Lymphdriisen
(parotideale und Kehlgangslymphdrüsen) behandelte ich zumeist
mit 2 proz. Septoformlösung. Erfolg immer gut.
26
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
3. Funiculitis vom Pferd. Das vor kurzem kastrierte
Pferd zeigte bei der Untersuchung einen mannsfaustgroßen
Samenstrangvorfall, der, mit schmierigem Sekret belegt, durch
seine champignonähnliche Wucherung charakterisiert war. Das
Pferd wurde niedergelegt und operiert. Der Operation ging
eine äußerst gründliche Desinfektion des Operationsfeldes mit
5 proz. Septoformalösung voraus. Nach gründlicher Entfernung
der gewucherten Massen mittels Ecraseurs wurde die Wunde
mit Septoformlösung berieselt, und ein Tampon, durch Nähte
befestigt, eingelegt. Heilung erfolgte nach Herausnahme des
Tampons (drei Tage) und mehrmaliges Durchspritzen mit
Septoformalösung per primam.
4. Fall, betreffend einen dreijährigen kolossal entwickelten
Simmentaler Zuchtstier. Das Tier zeigte an der linken hintern
Extremität sehr starke gleichmäßig verlaufende Schwellung
vom Sprunggelenkshöcker bis zum Fessel, die sich heiß anfühlte
und sehr schmerzhaft war. Der Fuß wird nur mäßig belastet.
Das Tier hatte sich auf unaufgeklärte Weise (Verletzung nicht
nachweisbar) eine akute Tendinitis zugezogen. Die Therapie
bestand in der Applikation feuchtwarmer Septoformaverbände,
die sehr gut vertragen wurden und relativ schnell zum Ziele
führten. Mit derselben Behandlung heilte ich auch beim Pferd
ziemlich schnell Tendinitis acuta, namentlich dann, wenn die
Ursache der Sehnenentzündung ein Trauma war, also Infektion
bestand.
5. Ein Arbeitspferd wurde mir zugeführt mit der Anamnese,
daß es sich seit einem Tage nicht mehr niederlege und das
Futter vollständig versage. Patient war zwei Tage vorher
beim Beschlag mit dem linken Hinterfuß in die nebenstehende
mit Hufnägeln gefüllte Nagelkiste getreten. Der ca. 3 1 / 2 cm
lange Stichkanal verlief in der Richtung gegen das Strahlbein
den Horn- und Fleischstrahl perforierend. Nach entsprechender
operativer Behandlung spritzte ich den künstlich erweiterten
Stichkanal mit 5 proz. Septoformlösung durch, bis keine Spur
von Eiterung mehr nach gewiesen werden konnte. Obwohl die
Prognose wegen der bereits bestandenen Infektion sehr schlecht
zu stellen war, hauptsächlich auch wegen des Faktors, daß der
Fremdkörper bei Verletzung der Weichteile bis zum Strahlbein
vorgedrungen war, ließ ich den kranken Fuß sehr oft in Septoform¬
lösung baden. Trotz der peinlichsten Behandlung verendete das
Tier an Sepsis. Bei der Sektion des Hufes dokumentierte sich
jedoch ganz eklatant, daß das Septoform unstreitbar seine
Pflicht getan hatte. Im Innern des Hufes war nicht die
geringste Eiterung mehr aufzuweisen, der Stichkanal zeigte
sogar Neigung zur Regeneration des erkrankten Gewebes.
Fall G betrifft ein Jungrind, bei dem, wie die Anamnese
lautete, schon seit ein Vierteljahr Eiterung in der Nabelgegend
besteht. Die Untersuchung des äußerst widerspenstigen Tieres
ergab durch Sondierung der Fistelöffnung eine ca. 1V 2 cm lange
ganz kleine Öffnung, die sich senkrecht zur Bauchmuskulatur
hinzog. Therapie: Ich ließ das Tier niederschnüren, ging
mit dem Messer dem Eiterherd auf den Grund und kratzte mit
dem scharfen Löffel den Fistelkanal gründlich aus. Dem Besitzer
erteilte ich die Weisung täglich 4—5 mal mit 3 proz. Septoforma¬
lösung die Öffnung durchznspritzen, wonach nach 8 Tagen
völlige Heilung eintrat.
7. Eine Kuh zeigte am Unterbauch, an den seitlichen Bauch¬
wänden und dicht vor dem Euter Abszesse von Taubenei- bis
Kindskopfgröße unaufgeklärter Herkunft. Nach Eröffnen der¬
selben, ließ ich dieselben täglich öfter durchspritzen, einige Tage
lang, worauf sehr bald Heilung eintrat.
8. Bei schwerer Druse der Pferde mit den bekannten
Komplikationen, ließ ich die Patienten mit dem bekannten im¬
provisierten Inhalationsapparat (Sack über den Kopf usw.) Septo-
formdämpfe inhalieren. Durch diese Manipulation wurden die
purulenten Erscheinungen der Respirationsorgane, insbesondere
der Nasen- und Rachenschleimhaut wesentlich günstig beeinflußt.
9. Heurigen Jahres, endlich, wurde ich zu einem von
Pfuscherhand vorbehandelten Pferde mit Wundstarrkrampf
gerufen. Aus dem Vorberichte zu entnehmen, hatte sich Patient
vor genau drei Wochen schwere Wunden an der ovalen Seite
des Kötengelenkes am linken Hinterfüße und in der Lumbal¬
gegend zugezogen. Drei Wochen, nachdem diese Wunden infolge
fehlerhafter Behandlung in undefinierbarem Zustande sich be¬
fanden, brach Tetanus aus in intensivster Form, und zwar im
Bilde des absteigenden Tetanus. Es bestanden hochgradige
Krämpfe der Kopf-, Genick- und der Extremitätenmusknlatur.
Die Maseteren befanden sich im Zustande tonischer Kontraktion,
infolgedessen hochgradiger Trismus und vollständige Unfähigkeit
des Patienten, Futter aufzunehmen. Die Therapie bestand in
folgendem: Gründliches Ausbrennen der Wunden, alle 4 Stunden
(tag und nachts) ein 3 proz. Septoforma klysma (2 1) und
einmalige subkutane Injektion von 100 g Jodipin, 25 proz.
p. u. v. Merck. Die rektalen Infusionen wurden vom Besitzer
promptest ausgeführt, volle 17 Tage lang, wonach völlige
Genesung eintrat. Ich bin geneigt, die Heilung dieses schweren
Tetanus nicht sowohl auf Rechnung des Jodipins, sondern auch
auf Septoform zu setzen. Weitere Versuche würden sehr not¬
wendig sein, um den therapeutischem.,Wert dieser Septoform-
medikation zu eruieren.
Aus all dem Gesagten wird man nun wohl annehmen dürfen,
daß Septoform auch in der Geburtshilfe wohl zu verwenden
ist. Gerade hier habe ich es als ein unschätzbares Antiseptikum
kennen gelernt, zwar so, daß ich es in der Geburtshilfe beim
Rind vor allem nicht mehr vermissen möchte. Abgesehen davon, daß
die oft ganz außerordentliche lästige Erscheinung einer Epidermis-
reizung der Hand bei Ausspülungen der Gebärmutter mit Septoform
ganz wegfällt, desodorisiert es gleich die Hand des Behandelnden
und die oft außerordentlich übelriechenden' Sekrete der Metra.
Es ist ein Vorzug, den jeder Praktiker hoch zu würdigen
weiß. Was die Güte des Septoforma anlangt bei Verletzungen
der Geburtswege, retentio secundinarium und den verschiedenen
Metritiden, so kann ich auf Grund meiner Erfahrungen all das
bestätigen, was Kollege Dr. Cornelius-München diesbezüglich
sagt in seinen Untersuchungen über die therapeutischen und
toxikologischen Wirkungen des Septoforma. Endlich ist das
Septoforma noch als Antiparasitikum empfohlen bei Dermatokoptes-
räude der Schafe, als auch der verschiedenen Räudeformen der
Hunde. Insbesondere beachtenswert wäre in dieser Hinsicht
die Mitteilung des Kollegen Hepke in Weimar (nach Dr. Cor¬
nelius) der „50 proz. spirituöse Septoformalösungen mit bestem
Erfolge selbst bei den schwersten Formen von Akarusräude“
anwandte.
Nach meinen Erfahrungen habe ich nun Septoforma als ein
durchaus brauchbares Desinfektionsmittel bzw. Antiseptikum
kennen gelernt.
In einer Reihe von Versuchen erprobte ich ferner das Teer-
präparat Phenol in, ein Kresolkörper, der von der Teerprodukten-
9. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
27
fabrik Baese & Co. in Braunschweig hergestellt wird. Hin¬
sichtlich ihres Chemismus stehen sich Phenolin und Septoform
diametral gegenüber, obwohl beiden ein fast ganz gleicher Effekt
zukommt. Dieses Desinfiziens besitzt die Farbe des liq. Cresoli
saponutus, brennenden Geschmack und den charakteristischen
Geruch der Teerpräparate. Das Phenolin besitzt ebenfalls die
gute Eigenschaft sich in destilliertem Wasser klar zu lösen,
während es das Brunnenwasser dem Kalkgehalt entsprechend
milchig trübt. Die Darstellung dieses Körpers geschieht in der
Weise, daß „besonders gut gereinigtes in Natronlauge voll¬
kommen klar lösliches Creosol mit einer Kaliseifenlösung zu¬
sammen in geeignetem Verhältnisse so lange aufgekocht wird,
bis das Ganze klar löslich ist. Ganz entsprechend der chemischen
und pharmakologischen Verwandtschaft dieses Arzneimittels mit
den übrigen älteren Cresolpräparaten, deckt sich nun das Phenolin
fast ganz mit den Eigenschaften derselben; Therapeutisch kam
Phenolin nur in Form der externen Medikation in Betracht, als
Desinfektionsmittel von Instrumenten, Antiseptinum in der Wund¬
behandlung als Medikament in der Dermatologie und hauptsächlich
in der Geburtshilfe. Ich habe das Phenolin bei den verschiedensten
eitrigen Prozessen der verschiedenen Organe extern gebraucht
und war jeweils zufrieden mit den Erfolgen. Applikationsweise
1 * Proz. bis 5 Proz. Wie aus den Ausführungen von Baß
(„Tierärztl. Rundschau“ Nr. 24, Jhrg. 1904) hervorgeht, wurde
Phenolin auch als wirksames Antiparasitikum erprobt und fand
in dieser Richtung Anwendung bei Sarkoptes- und Akarusäude
der Hunde in Form von 2 proz. Phenolinbädern und nachherige
Behandlung der erkrankten Hautpartien mit Phenolinliniment
Phenolin
. - ; > kapern*Kalinwää-10^0
Spirit 100,0.
So weit ich mit diesem Mittel Erfahrungen gemacht habe,
kann ich es charakterisieren:
1. Das Phenolin ist ein ungiftiges Desinfektionsmittel von
hoher baktericider Kraft;
2. in der Wundbehandlung entspricht es wie in der Geburts¬
hilfe vollkommen den Anforderungen, die an ein modernes Anti¬
septikum gestellt werden in 2—5 proz. Lösungen. In dieser
Konzentration wirkt Phenolin auf Wundflächen sekretions¬
hemmend, nicht ätzend, trotz beträchtlicher Tiefenwirkung und
regt die Granulation an;
3. die desodorisierende Kraft ist bedeutend;
4. als Antiparasitikum steht es, wie aus den Versuchen von
Baß hervorgeht, den üblich gebrauchten Mitteln, wie Creolin,
liq. Cresoli saponat., Naphtbalpräparate, Testhyol, Septoform
ebenbürtig zur Seite;
5. beim sog. Einschuß der ^Pferde leistet es in 10 proz.
spirituöser Lösung ausgezeichnete Dienste (Baß).
6. der Preis ist sehr niedrig.
In ähnlicher Weise wirkt Bacillol als Antiseptikum.
In gewissem Gegensatz zu oben erwähntem Phenolin stehen
die neueren Produkte der chemischen Industrie, des Therapogens,
des Parisols und Formaldehyd, sap. Bengen. Sie alle zeichnen
sich in erster Linie durch ihren angenehmen aromatischen Geruch
aus, durch ihre Reizlosigkeit auf das lebende Gewebe, ein großer
Vorteil, der den Teerpräparaten völlig fehlt, wenigstens hin¬
sichtlich des Geruches. Die baktericide Kraft des Therapogens
ist ganz bedeutend. Nach dem Prüftingsergebnis von Dr. Auf¬
recht Berlin ergibt sich, daß Therapogen in 5 proz. Lösung,
Gonococcen, Diphtheriebazillen und Tuberkelbazillen nach
1—3 Minuten langer Einwirkung abtötet, in geringeren Kon¬
zentrationen aber deutliche Entwicklungshemmung gegenüber
den drei genannten Mikroorganismen bewirkt. Ich habe mit
Therapogen und Parisol verschiedenste Versuche gemacht, und
kann mich hinsichtlich der Bewertung dieser Antiseptica in
unserer Veterinärtherapie lediglich den Urteilen von Flatten-
Köln (Berl. Tierärztl. Wochenschrift Nr. 38, 1904 bzw. Luginger-
Seplars Nr. 40, 1904 ders. Zeitschrift) anschließen. In der
Geburtshilfe, überhaupt da, wo es gilt, die penetrantesten Gerüche
zu vertuschen oder zu beseitigen, leistet namentlich Therapogen
vorzügliche Dienste.
Das Formaldehydum saponatum ist ein von der Firma
Bengen in Hannover hergestelltes Desinfektionsmittel. Es stellt
eine hellgelbe, aromatisch riechende leicht fließende Flüssigkeit
dar, die sich in Brunnenwasser bläulich-weiß auflöst. Formal¬
dehydum saponatum Bengen besitzt die Eigenschaften eines
modernen Antiseptikums.
1. Es löst sich in Wasser fast ganz klar, leicht
opaleszierend auf.
2. Es besitzt schon in geringen Konzentrationen relativ
hohe baktericide Eigenschaften, d. h. es tötet eben die für den
tierischen Organismus am meisten in Betracht kommenden
Mikroorganismen ab.
3. Formaldehydum saponatum Bengen bildet in tierischen
Flüssigkeiten, Blut, Eiter und Serum keine Niederschläge und
wird nicht zersetzt.
4. Es wirkt weder allgemein toxisch, noch ruft es lokal
eine ätzende Wirkung hervor.
“ 5. S6in6 desodorisierende Kraft ist, was schon das Form¬
aldehyd verbürgt, eine sehr hohe.
Der Nahrungsmittelchemiker Dr. Aufrecht-Berlin hat
Formaldehydum saponatum Bengen eingehend auf seine Des¬
infektionskraft untersucht und einen Vergleich angestellt zwischen
dem Bengenschen Präparat und dem Septoform hinsichtlich
ihrer baktericiden Wirkung. Als Testobjekte benutzte er Mikro¬
organismen, die für die Praxis von Bedeutung sind, nämlich
Bacillus pyocyaneus, Proteus vulgaris und Staphylococcus pyogenes
aureus. Auf Grund seiner Untersuchung kam er zu dem Resultat,
daß „das Formaldehydum saponatum Bengen“ ein überaus wirk¬
sames Antiseptikum vorstellt, welches das zum Vergleich heran¬
gezogene „Septoform“ an desinfizierende Kraft erheblich übertrifft.
Es sind in
1 promill. Formaldehydum saponatum
B-Lösung:
Bacillus pyocyaneus in 60 Min.
Proteus vulgaris in 10 Min.
Streptococcen in 60 Min.
In lproz. Formaldehydum saponatum-
Lösung:
Bacillus pyocyaneus in 10 Min.
Proteus vulgaris in 2 Min.
Streptococcen in 80 Min.
In 3 proz. Formaldehydum saponatum-
Lösung:
Bacillus pyocyaneus in 2 Min.
Proteus vulgaris in 2 Min.
Streptococcus in 10 Min.
vollkommen abgetötet.
1 promill. Septoform-
Lösung:
in mehr als 60 Min.
in 60 Min. erst deutliche
Entwicklungshemmung,
in mehr als 60 Min.
In lproz. Septoforma-
Lösung:
in 60 Min.
in 5 Min.
Entwicklungshemmung in
60 Min.
In 3 proz. Septoforma-
Lösung:
in 30 Min.
in 5 Min.
in 30 Min.
28
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Auch ich habe dieses Präparat des öfteren in Geburtshilfe
und Chirurgie erprobt und äußerst zuverlässig gefunden in
1—5proz. Konzentration.
Unter den verschiedenen Arzneikörpem unserer modernen
Antiseptica spielt nur eines noch eine besondere Rolle, weil es
einen besseren Ersatz darstellen soll, als unser bestes Anti¬
septikum, das Sublimat. Dieses Arzneimittel ist nun seit einigen
Jahren im Verkehr und nennt sich Sublamin. Das Sublamin
ist Quecksilbersulfat-Äthylendiamin und besitzt einen Hg-Gehalt
von ca. 44 Proz. Es kommt in Tabletten ä 1 g in den Handel,
die sich in Wasser leicht lösen. Die Lösung ist vollkommen
klar. Es besitzt eine hohe baktericide Kraft und ist hinsichtlich
der Desinfektion der Haut und der Schleimhäute dem Sublimat
an desinfizierender Potenz nicht allein vollkommen gleichwertig,
sondern tibertrifft es infolge der fehlenden EiweißfUllung an
Tiefenwirkung. Das Sublamin ist ferner für Hände und Haut
reizlos. Es hat außerdem dem Sublimat gegenüber den Vorzug,
daß es Nickel-, Gummi- oder Kautschukinstrumente nicht an¬
greift und völlig geruchlos ist. Bezirkstierarzt Dorn-Markt-
erlbach hat zum erstenmal über seine praktischen Erfahrungen
berichtet mit diesem Mittel, namentlich in der Bujatrik. Ich
habe in dieser Hinsicht zahlreiche Versuche angestellt und niemals
Merkurialismus oder sonstige unangenehme Nebenwirkungen
toxischer Natur beobachten können; die pharmako-dynamische
Wirkung war in allen Fällen sehr zufriedenstellend. Haupt¬
sächlich bediente ich mich des Sublamins bei Erkrankungen des
Genitaltraktus und bei retentis secundinarum hier mit aus¬
gezeichnetem Erfolge. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil
des Sublamins ist der, daß man es bequem mit sich fuhren kann.
Von diesen modernen Antisepticis ist nun jedes mit be¬
stimmten Vorzügen ausgestattet, die sich in den Dienst der
Therapie stellen wollen. Sie verfolgen alle denselben Zweck,
möglichst ungiftig zu sein dem tierischen Organismus, Infektion
zu verhüten und vorhandene zu beseitigen.
Das Lezithin und die Form, in welcher man es
verordnen soll.
Von Tierarzt Holterbach-Offenburg.
Das Lezithin, aus dem Eigelb gewonnen (Lecithin ex ovo),
bildet bekanntlich den Hauptbestandteil der Nervensubstanz und
wird des besseren Eindrucks halber gern als „Nerven¬
substanz“ schlechtweg bezeichnet. Ohne mich auf seine Zu¬
sammensetzung, welche man in den Lehrbüchern nachlesen kann,
näher einzulassen, will ich die für den Praktiker wichtige
Frage: in welcher Form er dieses Mittel verordnen
8oll, kurz besprechen. Das ist um so notwendiger, als sich
das Präparat in der Tat bei verschiedenen Leiden ganz vor¬
züglich bewährt hat und voraussichtlich bald in steigendem
Maße Verwendung finden wird.
Es hat nebst dem Nachteil des unverschämt hohen Preises
(3 M. in der Apotheke, 1 M. beim Drogisten pro Gramm!) den
anderen, daß es sich nur in Öl löst und daß man obendrein
nach dem Merckschen Jahresbericht pro 1906 zu „Lezithin¬
lösungen nur ein mit Alkohol gewaschenes Olivenöl
verwenden kann“. Billiger wird die Lezithintherapie dadurch
aber entschieden nicht. Merck gibt als Vorschrift zur Lösung
an: 0,5 Lezithin und 0,5 Kampfer in 10 ccm (in Alkohol ge¬
waschenem) Olivenöl; zur subkutanen Injektion. Auch die sub¬
kutane Injektion hat ihre Nachteile; denn die Resorption
findet nur langsam statt und das Öldepot, das längere Zeit
an der Injektionsstelle sichtbar bleibt, dient auch nie zur Be¬
ruhigung der Eigentümer, besonders nicht bei der Behandlung
kleiner, wertvoller Hunde. Es ist endlich darauf hinzuweisen,
daß bei der subkutanen Injektion dieser Lösung, trotz genauester
Aseptik, Abszesse Vorkommen. Und kein Praktiker wird
ein solches Ereignis zu den Annehmlichkeiten seines Daseins
zählen.
Alles das kann leicht vermieden werden, wenn das Lezithin
in Pulverform dispensiert wird. Die mir ursprünglich empfohlene
Verreibung mit Saccharum lactis hat sich nicht bewährt; man
erhält eine feuchte klebrige, später klümperig werdende Masse
von unschönem Aussehen, die sich nur schwer handhaben läßt.
Dagegen gibt die Mischung mit Calcium phosphoricum und
Magnesia carbonica ein trockenes, feines, rein weißes,
haltbares Pulver, welches den Tieren mit Leichtigkeit
beizubringen ist und die charakteristische Lezithin¬
wirkung nicht verdeckt (eine Mischung mit Kampfer kann
nie einwandfrei sein, weil die Kampferwirkung auf das Herz
viel zu ausgesprochen ist! Sie sollte bei Versuchen schon
deshalb vermieden werden).
Ich verschreibe in letzter Zeit:
Rp.! Lecithin (ex ovo) 5,0
Calc. phosphoric. pur. 50,0
m. c.
Magnes. carbonic. q. s. f. pulv. subtilip.
Dispens, ad. scatul.
Davon gebe ieh Hunden 3 bis 5 mal täglich einen Kaffee¬
löffel voll in etwas Schleimsuppe.
Bei welchen Leiden ich das Lezithin in Anwendung bringe
und mit welchem Erfolg, darüber kann ich heute noch nichts
sagen. Denn ich beschäftige mich erst seit etwa einem Jahr
mit diesem neuen Mittel. Und da ist es klar, daß selbst vor¬
züglich erscheinende Erfolge noch der Bestätigung durch andere
Erfolge und durch Kollegen bedürfen, ehe sie Anspruch machen
können auf Wert.
Der Preis scheint übrigens in letzter Zeit erheblich ge¬
sunken zu sein, was im Interesse aller strebsamen, aber nicht
im Genuß des freien Selbstdispensierrechts befindlichen Kollegen
mit Genugtuung zu begrüßen ist. Man kann dann wenigstens
das Mittel versuchsweise anwenden, ohne befürchten
zu müssen, durch die gesalzene Apothekerrechnung
sich seine Praxis zu „verhunzen“.
Mykotische Magen-Darmentzündung
infolge Verfiitterung von „Haferwert“.
Von Tierarzt Carl Berndt-Chemaitz.
In der hiesigen Posthalterei, die einen Pferdebestand von
64 Pferden hat, war mir Gelegenheit gegeben, in einer Zeit
von zehn Tagen vier Fälle von mykotischer Magen-Darm¬
entzündung zu beobachten durch Verfütterung von Haferwert.
Am 9. August v. J. wurde ich zu einem Pferde gerufen
(Rappwallach, ca. 5 Jahre alt), das schon an Kolik erkrankt
war. Die Darmperistaltik war vollständig unterdrückt, der
Mastdarm leer, die Dickdärme dagegen reichlich gefüllt. Die
0. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
29
Verstopfung wurde nach einer Injektion von 0,1 Eserin sulf. und
Eingabe einer Pille von 25,0 Extract. Aloes nach acht Stunden
nicht behoben. Nach dieser Zeit war die Körpertemperatur auf
40,8° C angestiegen, die Zahl der Atemzüge war 80, Puls 100.
Trotz dieser beängstigenden Symptome führte eine zweimalige
Injektion von k 0,5 Bar. Chlorat. intravenös zu einer reichlichen
Defäkation. Der entleerte Kot war groß geballt, in ein
schleimiges Netz eingebüllt, mit Blut dnrchtränkt. Diagnose:
Enteritis. Nach Einfüllen von reichlichen Mengen Leinsamen¬
schleim und Desinfektion des Darmrohrs durch Calomel war
das Pferd am übernächsten Tage wieder arbeitsfähig!
Innerhalb acht Tagen erkrankten drei weitere Pferde unter
denselben Symptomen. Das Charakteristische bei allen Er¬
krankungen war das plötzliche Ansteigen der Temperatur bis
zu 41,0 und das Vorhandensein von Blut, das teils dem Kot
anhaftete, teils an dem in das Rektum eingeführten Arm nach¬
weisbar war.
Obgleich ich schon nach dem zweiten Falle die Ursache
der Erkrankungen auf den verfütterten Haferwert schob, konnte
sich der Besitzer, der auf seinem Gut bei Freiberg den Hafer¬
wert blank fütterte, und zwar mit gutem Erfolg, zu einer Ein¬
stellung der Verfütterung nicht entschließen. Erst nachdem von
den zuletzt erkrankten drei Pferden zwei umstanden, ließ er
auf meine Veranlassung eine chemische Untersuchung des Futter¬
mittels vornehmen.
Diese ergab eine äußerst starke Durchsetzung des Mittels
mit Schimmelpilzen.
Es ist also bei der Gleichartigkeit der Fälle und den
charakteristischen Symptomen die Ursache der Erkrankungen
der Verfütterrog des Haferwertea auzuschreibeo.
Zu bemerken bliebe noch, daß die Sendung knapp 14 Tage
geliefert war, daß die Probe zur Untersuchung einem ge¬
schlossenen Sack entnommen wurde. Der Futterboden der
Firma ist technisch ideal angelegt (Fußboden zementiert, im
zweiten Stock gelegen, luftig, sonnig), so daß also ein Quantum
von 400 Zentnern bereits verdorben geliefert worden war.
Wahrscheinlich ist der Gehalt an Rübenschnitzeln und
Kartoffeln die Ursache der Schimmelpilzbildung.
Es wäre mir von großem Interesse, auch von anderer Seite
zu erfahren, ob der oder jener Herr Kollege gleiche Beob¬
achtungen gemacht hat.
Referate.
Über Kastration and Kastrationsmethoden der
mfinnlichen Haustiere.
Von Professor Fr ick- Hannover.
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift, 1907, Nr. 47.)
Prof. Fr ick bespricht die gebräuchlichsten Kastrations¬
methoden in bezug auf die Nachblutungs- und Infektionsgefahr.
Als die idealste Kastrationsmethode männlicher Tiere ist stets
diejenige anzusehen, wobei die Hoden entfernt werden, ohne
einen Fremdkörper (Ligatur, totes Gewebe) in der Wunde zu
hinterlassen, und die gesetzten Wunden per primam intentionem
oder mindestens ohne Hinzutritt von Infektionen verheilen.
Bei der Kastration durch Abdrehen, Abquetschen und mit
dem Emaskulator ist zu beachten, daß erstens die Quetschung
eine genügend kräftige sein muß, damit die Gefäße auch wirk¬
lich derart zugequetscht werden, daß die Blutung steht. Zweitens
sind Verletzungen der Gefäße zentralwärts von der Quetschungs¬
stelle zu vermeiden. Drittens soll die Quetschung nicht hastig
und flüchtig, sondern bedächtig und langsam ausgeführt- werden
und viertens müssen auch alle Gefäße, welche für eine Blutung
in Frage kommen, also auch die Venen an der Außenseite der
gemeinschaftlichen Scheidenhaut, gequetscht werden.
Mit Rücksicht auf die Blutstillung soll die Kastration mit
bedecktem Hoden die Regel sein. Unter Beachtung der obigen
vier Punkte kann die Kastration dann sowohl durch Abdrehen,
Abquetschen, als auch namentlich mit dem Emaskulator aus¬
geführt werden, ohne wesentliche Blutungen befürchten zu
müssen. Kommen trotzdem Blutungen vor, so liegt dies meist
an der Technik und nicht an der Methode oder dem Instrumente.
In technischer Beziehung hält Fr ick die Kastration mit dem
Emaskulator für die einfachste Methode.
Um eine Primärinfektion der Kastrations wunden zu ver¬
meiden, sollen die Instrumente 10 Minuten lang gekocht oder
mindestens 15 Minuten lang in einer Desinfektionsflüssigkeit
gelegen haben. Die Desinfektion des Operationsfeldes (Vorhaut
und innere Schenkelflächen) erfolgt durch Abreiben mit Äther,
absolutem Alkohol oder 1 proz. Terpentinspiritus. Ferner muß
der Operateur großes Gewicht legen auf die mechanische Reini¬
gung der Hände mittels warmen Wassers, Seife und Bürste.
Dabei ist die gründlichste Reinigung des Nagelbettes und des
Unternagelraumes vorzunehmen.
Um aber die Primärinfektion der Wunde auch anderweit
zu vermeiden, ist es nötig, daß der Operationsakt möglichst
kurz dauert und die Berührung der Operationswunden mit den
Händen soweit als nur tunlich vermieden wird. Demgemäß hält
F.rick die vorhin erwähnte Kastration mit bedecktem Hoden und
mittels Emaskulators für die empfehlenswerteste Methode, weil
die Blutstillung genügend ist, weil die Operation schnell von
statten geht und die Hände kaum mit der Wunde in Berührung
kommen, und weil endlich die Innenfläche der Tunica vaginalis
comm. überhaupt nicht freigelegt und somit auch nicht primär
infiziert werden kann.
Weiter bespricht Fr ick noch kurz die Sekundärinfektion der
Kastrationswunden. Das viele Ausspülen mit Desinfektions¬
flüssigkeiten ist nicht empfehlenswert. Die Wunde wird dadurch
unnötig gereizt und die lädierten Gewebe werden in ihrer
Vitalität schwer geschädigt. Es genügt, wenn in die frische
Wunde etwas Jodoform eingepudert und die Nachbarschaft der
Wunde von Zeit zu Zeit mit einem Ätherbausch gereinigt wird.
Rdr.
Über die Behandlung der Koliken beim Pferd.
Von Tierarzt Roux.
(Reoaeil d’Alfort, 15. Oktober 1907.)
Vor allen Kolikmitteln spricht der Verfasser dem Chlor¬
barium das Lob, das ihn bei 1500 Injektionen nur selten im
Stiche gelassen hat, und dem er nur zwei plötzliche Todesfälle
zuschreibeu kann, die aber nur eingetreten sind, weil er es in
zu hoher Dosis, 0,75—1 g in 10 g Wasser, intravenös injiziert
hatte. Seitdem er aber in Lösungen von 1:20 zuerst ganz
langsam 0,50—0,75 g einspritzt und nachher alle halbe Stunden
0,25 g, hat er keinen Nachteil mehr gesehen. Man kann es
ganz gut auch in Lösungen von 1:30 subkutan, ohne den ge¬
ringsten Schaden zur Folge zu haben, injizieren.
Es ist sowohl bei Indigestionen als auch bei Kongestionen
des Darmes angezeigt. Letztere werden durch das Pilokarpin
30
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
nur verschlimmert, weil die Kongestion durch seine Einwirkung
auf die sekretorischen Zentren noch befördert wird, was hei
Anwendung von Chlorbarium, das vorzugsweise auf die glatten
Muskelfasern der Darmwand einwirkt, gleichwie das Eserin, dem
aber seinerseits Zerreißungen bei Indigestionen zugeschrieben
werden, nicht der Fall ist.
Die Koliken können folgendermaßen eingeteilt werden:
1. Koliken, die durch Überreizung des Nfervensystems und
Überspannung der physiologischen Reflexe entstanden sind
(Kongestionen).
2. Koliken, die in einer Dopression des Nervensystems und
einer Verringerung der Reflexe ihre Ursache haben (Indigestionen).
3. Auf mechanische Weise entstandene Koliken (Brüche,
Drehungen, Volvulus, Invaginationen).
Die gleiche Ursache kann je nach dem Nervensystem der
Pferde hei dem einen eine Kongestion, hei dem andern eine In¬
digestion hervorrufen, es hängt nur davon ah wie das Pferd auf
die Einwirkung von außen reagiert.
Eine kalmierende Behandlungsweise ist daher gut angewandt
bei Darmkongestionen; hei den akuten Darmindigestionen ist
sie schon weniger am Platze und da nur bei Gasentwicklung
oder gegen das Ende, wenn die Kongestion schon eingesetzt hat.
Bei den Überfütterungskoliken, in welchen die Sekretionen und
der Peristaltik den Dienst versagen, ist sie nicht nur unnütz
sondern geradezu schädlich, wenn auch heftige Schmerzen ob¬
walten, weil sie selbst noch diese beiden Funktionen unterbricht.
Hier übt der Kaffee, der Tee, das Koffein, der Alkohol in
mittleren Dosen eine gute Wirkung aus. Als kalmierende Mittel
gelten der Äther, das Antipyrin, die Bromsalze, alles Mittel, die
nach Ansicht des Verfassers, viel zu .wenig „angewandt,werden«
Der Äther ist ein Beruhigungsmittel ersten Ranges, das
als Einguß, Einspritzung oder Klistier seine Pflicht tut. Ver¬
möge seiner raschen Verflüchtigung durchzieht es den Darm in
kürzester Zeit, wirkt dabei aber nicht antisekretorisch wie das
Opium. Gleichzeitig ist er ein sehr aktiver Vasodilatator des
subkutanen Blutgefäßnetzes, der das Pferd leicht zum Schwitzen
bringt. Seine Wirkung wird durch die verschiedenen Methoden
der Ableitung, wie z. B. durch Synapismen, trockener Reihung
usw. noch erhöht. Besonders angezeigt ist er bei der Darm¬
kongestion, weil er vermöge seiner Flüchtigkeit sofort auf die
Muköse des Darmes einwirkt. Am besten wird er in fraktio¬
nierten Dosen gegeben, z. B. alle zwei Stunden 15 bis 20 g in
150 g Rizinusöl oder in Injektionen von 10 g alle halbe Stunde.
Das Antipyrin ist auch ein vorzüglichos Antikongestikum
und wird in Lösungen von 1:20 zu 5—10 g eingespritzt.
Gute Resultate hat der Verfasser auch mit intravenösen
Injektionen von Bromkalium zu 10—15 g in Lösungen von 1:10
erzielt.
Rolle der Zuckerfütterung in der Pathogenese der
Koliken.
Da die mechanische Arbeit das Produkt der intramuskulären
Verbrennung von Glykogen ist, ist es von Vorteil, dem Pferde
auch Zncker in seinen täglichen Rationen zu füttern, damit sich
immer genügend Glykogen in der Leber und im Blute befindet.
Fehlt das Glykogen, trotz intensiver Haferfütterung im Muskel,
so nimmt das Pferd, um die nötigen Kohlehydrate zu bekommen,
zu viel Stroh und anderes Futter zu sich und überlastet sich
so den Magen und Darm, was zu Koliken den Anlaß gibt. Ist
es infolge des Glykogenmangels zu einem überarbeiteten und
deprimierten Tiere geworden, so ist es den Koliken auch bei
weitem mehr ausgesetzt, als das gut und richtig genährte
Pferd. Eine zu reichliche Haferfütterung macht das Pferd zu
einem plethorischen und schließlich zu einem „exzitierten“, das
sehr leicht eine Entzündung des Darmes, der Hufe, der Lungen
oder des Rückenmarks aquiriert.
Wird dagegen Zucker gefüttert, so erlangt das Pferd die
größte Widerstandskraft gegen alle die Verdauung störenden
Ursachen. Anstatt der Melasse füttert man am besten dena¬
turierten Zucker, der 80—85 Proz. reinen Zucker enthält, mit
Salz oder Ölkuchen vermischt, da er rationeller ist wie jene
und ebenso billig. Helfer.
Klinische Notizen.
Von E. Zschokke, Zürich.
(Schweizer Archiv lflr Tierheilkunde, 49. Bd., 5. Heft)
Zschokke bespricht zunächst die Schluckbehinderungen
beim Pferd und bereichert deren Ätiologie durch zwei Krank¬
heitsfälle:
a) Schlundkopflähmung durch Fadenpilzinfektion
beim Pferd. Letzteres zeigte bei seiner Einstellung in das
Spital, nachdem es drei Wochen an Halsentzündung vergeblich
behandelt worden war, außer nebensächlichen Symptomen beider¬
seitigen weißen, stark fadenziehenden Nasenausfluß und wein¬
rote Verfärbung der Schleimhaut der Nase, der Zunge, des
Zahnfleisches und der Backen. Konjunktiva und Vaginal Schleim¬
haut ließen arterielle Rötung erkennen. Futter und Wasser
wurden bei Schluckversuchen durch die Nase wieder ausgeworfen.
Da natürliche Ernährung nicht möglich war und die künstliche
njcftt, aqsreicli^, jjo, verendetet Tier.der,,Xherap^utiÄchep,
Maßnahmen. Bei der Sektion fand sich in der Gegend des
Foramen hypoglossi und bis über das zerrissene Loch hinaus
ein croupähnlicher, weißgelber, zäh aufliegender Belag in der
Ausdehnung von 15—20 qcm, in dessen Umgebung das Binde¬
gewebe serös durchtränkt ist. Die im Foramen lacerum aus¬
tretenden Nerven sind vollständig bedeckt. Die mikroskopische
Untersuchung der Pseudomemhran ergibt einen Rasen eines
nicht ermittelten Hyphomyceten (Aspergillus?). Die Schlund¬
kopflähmung war die Folge der entzündlichen Gewehsreaktion.
b) Schlundruptur beim Pferde bildete ebenfalls die
Ursache einer Schluckbehinderung. Der Sektionsbefund des noch
vor der Operation verendeten Tieres ergab folgendes: Halsteil
des Schlundes normal, Brustteil bis zur Mageneinpflanzung arm¬
dick vergrößert, mit breiig gasigem Inhalt gefüllt. Schleimhaut
von der Muskularis strangartig abgehoben und inmitten der
Brust auf reichlich 10 cm zerrissen. Zwischen Mukosa und der
serös durchtränkten Muskularis ist stinkendes, dünnhreiiges
Futter enthalten. An der Schlundeinpflanzung im Magen findet
sich ein handtellergroßes rundes Geschwür mit wulstigen Rändern.
Dieser Defekt und die Zerreißung der Brustpartien sind gleich¬
altrig zu taxieren. In der linken Thoraxhälfte ist ein gelb¬
liches, übelriechendes Exsudat und eine frische Pleuritis vor¬
handen. Die beim Abschlucken von Futter entstehenden Reizungen
bewirkten reflektorisch antiperistaltische Bewegung und Wieder¬
aufsteigen des Bissens.
Weiterhin erwähnt Zschokke einen Fall von akuter
Myokarditis infolge Druse. Die mikroskopische Unter¬
suchung ließ an zahlreichen Stellen Schwund der Muskelfasern,
trübe Schwellung und mäßige kleinzellige Infiltration erkennen,
9. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
31
zuweilen waren außer dem intramuskulären Gewebe nur noch
Muskelkerne zu erblicken.
Herzklappendehnung beim Pferd: Den klinischen Be¬
fund des Zirkulationsapparates schildert Verfasser wie folgt:
Bei der Brustuntersuchung sind ganz eigentümliche Herz¬
geräusche wahrnehmbar. Im Ruhezustand glaubte man an
Stelle der beiden Herztöne lediglich ein lautes, gezogenes
Schwirren zu vernehmen. Der erste Herzton war undeutlich,
der zweite Ton wurde durch das Schwirren ersetzt. Infolge
Körperbewegung versehwand das Geräusch, man hörte normalen
Doppelton. Nach kürzerer Ruhepause stellte sich das Schwirren
aber wieder ein. Pulszahl betrug 40, Arterienwand fühlte sich
weich und schlaff an. Die Herzdämpfung war nach hinten um
ca. 5 cm verbreitert, in der Herzgegend war leises Schwirren
fühlbar. Stauungserscheinungen fehlten. Die Untersuchung nach
der Notschlachtnng ergibt außer bedeutender aktiver Hypertrophie
des linken Herzens starke Ausdehnung der mittleren halbmond¬
förmigen Klappe der Aorta. Der hierdurch entstandene sack¬
artige Klappenhohlraum faßt bei der Probe 62 ccm Wasser.
Die Ursache der Klappendehnung konnte nicht ermittelt werden,
sie bedingte klinisch das heftige Schwirren und die Hypertrophie
des linken Herzens.
Akute Nasenstenose veranlaßte bei einem Pferde er¬
hebliche nasale Dyspnoe und erhöhte Pulsfrequenz (120).
Tracheotomie verschaffte etwas Linderung, trotzdem trat sehr
bald Tod ein. In der Nase fand sich gewaltige venöse Hyper¬
ämie, die Nasengänge waren förmlich verschlossen. Die
kavernösen Körper der Scheidewand erschienen fingerdick ge¬
quollen. Embolien, Defekte, entzündliche Beläge fehlten. Ledig-
lR^Ötattüngshyperämie, deren Entstehung unbekannt blieb, hatte
den schweren Krankheitsfall und Erstickungstod bedingt.
J. Schmidt.
Weitere Untersuchungen über die Ätiologie der
Schweineseuche und Schweinepest.
Zweite Mitteilung von Prof. Dr. Oster tag und Dr. Stadie.
(Zeitschrift f. Infektionen, paras. Krankb. u. Hyg. d. Hauet. Bd. II. S. 425.)
Die Autoren gehen zunächst auf Hutyras Arbeit (Heft 5
derselben Zeitschrift) ein und halten vor allem nach dem vor¬
handenen Tatsachenmaterial dessen Deduktion für nicht be¬
gründet, daß auch die reine, unabhängig von der Schweinepest
auftretende Schweineseuche durch das filtrierbare Schweinepest¬
virus ergänzt werde. — Ferner dürfe die von Preisz auf¬
gestellte, von Hutyra vertretene Hypothese nicht verall¬
gemeinert werden, daß nämlich die „klassische Schweineseuche“
ohne Schweinepest als verheerende Seuche in großen Schweine¬
beständen gar nicht beobachtet werde. Die in Deutschland ge¬
machten Beobachtungen ergeben die Unzulässigkeit der Preisz-
schen Annahme. Es gibt ganze Bestände, ja ganze Bezirke, in
denen lediglich Schweineseuche ohne Schweinepest herrscht.
Daß die akute, verheerend auftretende „klassische Schweine¬
seuche“ im Sinne der Beschreibung von Schütz mit der jetzt
in Deutschland vorwiegend herrschenden chronischen Schweine-
seuche unmittelbar zusammenhängt, wird (außer durch die
bakteriologischen Befunde, durch die im Hygienischen Institut
in Berlin ausgefübrten Übertragungsversuche und das Akut¬
werden chronischer Schweineseuche unter dem Einfluß un¬
günstiger Verhältnisse) durch folgende epidemiologische Tat¬
sachen erwiesen:
1. Die akute Schweineseuche geht in chronische über.
2. Die chronische und die akute Schweineseuche können in
ein und demselben Bestand herrschen.
3. Nach der Einfuhr eines chronisch kranken Tieres in einen
bis dahin unverseuchten Bestand kann die akute, dezi¬
mierende Schweineseuche ausbrechen.
Des weiteren wird über Versuche über die Filtrierbarkeit
des Virus mit Material von schweineseuchekranken Tieren be¬
richtet. In sämtlichen 14 Versuchen hat es sich nur bei
den früher im hygienischen Institut vorgenommenen
Übertragungsversuchen gezeigt, daß durch die Ver¬
impfung keimfreien Materiales (Blutserum und Lungen¬
saft von schweineseuchekranken Schweinen die
Schweineseuche auf gesunde Tiere nicht übertragen
werden kann. Im Anschluß hieran teilen die Autoren noch
die Ergebnisse von Übertragungsversuchen mit filtriertem
Material von Schweinepest- und gleichzeitig schweineseuche¬
kranken Tieren mit. Es geht daraus erneut die Über¬
tragungsmöglichkeit der deutschen Schweinepest
durch filtriertes Material von erkrankten Tieren hervor.
Das Virus der die Schweinepest komplizierenden
Schweineseuche ist kein filtrierbares; denn durch die
intrapleurale Injektion filtrierten Lungenmaterials wurde keine
Schweineseuche, sondern Schweinepst hervorgerufen. Anderer¬
seits hatte die Übertragung nicht filtrierten, den Bacillus
suisepticus enthaltenden Lungenmaterials bei intrapleuraler Ein¬
verleibung stets zum Teil auch bei subkutaner Einverleibung,
eine Erkrankung an Schweineseuche zur Folge.
In einem Nachtrag wenden sich die Autoren gegen
Schreiber« Artikel „Zur Ätiologie der Schweinepest“.
Schreiber hält bekanntlich an der ätiologischen Bedeutung
des Bacillus suipestifer für die Schweinepest fest. Richter.
Über Pseudo-Maul- und Klauenseuche.
Von Dr. L. Kantorowicz-Mühlberg a. E.
(ZeitHchr. f. Infektionskrankh., paras. Krankh. u. Hyg. d. Haust. Bd. II, S. 550.)
Während sich die bisherigen Publikationen über Beuchen¬
hafte Erkrankungen der Haut am Maule und der Maulschleimhaut
bei Rindern, die zur Verwechslung mit Aphthenseuche führen
können, lediglich auf Pseudo maul seuche beziehen, hatte K.
Gelegenheit, bei drei Kühen ein seuchenhaftes Exanthem
am Maule und den unteren Teilen der Gliedmaßen zu
beobachten. Die drei Kühe zeigten fast übereinstimmend in der
Hauptsache folgende Erscheinungen: Neben fieberhaftem All¬
gemeinbefinden Exanthem am Euter. Auf der Haut des Euters
finden sich zahlreiche gelblich-graue Knötchen mit einer Delle
im Zentrum und rötlichem Hof, daneben sieht man aber auch,
besonders an den Zitzen, einige perlmuttergraue, dünn¬
wandige, kleine Bläschen; anscheinend sind letztere teil¬
weise geplatzt, ihr mit Blut untermischter Inhalt ist zu Krusten
eingetrocknet. Nach zwei Tagen ist das Exanthem auf die
Innenseite der Hinterschenkel übergegangen. Ferner macht sich
eine in der Fesselbeuge beginnende Dermatitis bemerkbar, die
später bis über die Sprunggelenke reicht, Bläschen sind nicht
zu bemerken. Die Haut im Klauenspalt (wegen Lahmheit
geprüft) ist vermehrt warm gerötet, schmerzhaft und geschwollen
(bei Kuh Nr. 1 machte sich später Klauenamputation nötig). —
Am nächsten Tage waren Erscheinungen der Maulschleimhaut
vorhanden: „Schmatzen“, ferner Zahnfleisch des Unterkiefers
32
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
und Unterlippenschleimhaut gerötet und geschwollen; an Flotz-
maul, Oberlippe und um die Nase linsengroße Knötchen. Weiter¬
hin erscheint Zahnfleisch des Unterkiefers rein gelb, teils grünlich¬
braun, in kleinen, dichten Fältelten liegend; im weiteren Ver¬
laufe lösen sich diese Fältchen fetzenartig ab, die Knötchen an
der Außenseite verschwinden.
Schlempemauke, Quecksilbervergiftung, Kalkverätzung und
dergl. waren mit Sicherheit auszuschließen. — Der Verdacht
auf Maul- und Klauenseuche wurde zerstreut: An den Klauen
wurden keine Bläschen gesehen; das ausgedehnte mauke- bzw.
raspeähnliche Exanthem gehört nicht zu den Symptomen der
eGhten Seuche; die Zunge war nicht ergriffen; zwölf im Stalle
befindliche Schweine waren und blieben gesund; vier gleichfalls
im Stalle stehende, gesunde bayrische Ochsen erkrankten auch
nach einem Infektionsversuch durch Speichelübertragung nicht.
Richter.
Die Behandlung der Maul- und Klauenseuche mit
Collargol.
Von Emerich Bar abäs, kün. ung. Tierarzt in lionyhäd.
(Allatorvosi hapok. 1907, Nr. 48.)
Bei der Maul- und Klauenseuche hat man schon mit ver¬
schiedenen baktericiden Mitteln Versuche angestellt, aber keines
war imstande, die Krankheit zu coupieren. Vor einigen Jahren
hat Baccelli das Sublimat intravenös angewendet, anfangs
hörte man ausgezeichnete Erfolge rühmen, aber bald nachher
trat tiefes Schweigen auf. Winkler (Gießen) hat mit der
intravenösen Injektion der 1 proz. Collargollösung bei Maul- und
Klauenseuche auch gute Erfolge erzielt. Bar ab «äs hat ebenfalls
das Credösehe Silberpräparat in 1 proz. Lösung in die Jugular-
vene injiziert, und zwar dem Jungvieh 0,25, dem Erwachsenen
1 g. Seine Versuche erstreckten sich auch auf kranke Tiere,
bei welchen schon die typischen Erscheinungen der Maul- und
Klauenseuche zu beobachten waren, und dann auf künstlich in¬
fizierte Tiere, die bei der Injektion noch keine Erscheinungen
der Maul- und Klauenseuche zeigten.
Die Versuche ergaben, daß bei einzelnen Fällen nach der
Anwendung des Collargols die Heilung etwas schneller ein¬
getreten ist, wie bei den Tieren, die keine Collargol-Injektion
bekommen haben. Bei anderen Fällen aber zeigte der Verlauf
der Krankheit, daß das Collargol kaum einen Einfluß auf die
Dauer der Seuche ausüben mag, sogar nach wiederholter An¬
wendung konnte man keinen wesentlichen Effekt wahrnehmen.
Auch unmittelbar nach der Infektion war das Collargol nicht im¬
stande den Ausbruch der Seuche zu hindern. Die Versuche
wiesen weiter nach, daß das Collargol auf die Körpertemperatur
auch keine Wirkung hat. Endlich konnten die CoUargol-In-
jektionen dem Entstehen der Ulzerationen bei der Maul- und
Klauenseuche nicht entgegen treten. Die Anwendung des
Collargols beeinflußt also den Verlauf der Maul- und Klauenseuche
in keiner Hinsicht nicht. Dr. Z.
ßlatfilarien bei den Spatzen.
Von Dr. Gaetano Angelici.
(Clin. vet. 1906, Nr. 23.)
Zum Zweck bakteriologischer Untersuchungen kaufte sich
Verfasser vier Sperlinge von einem Händler in der Nachbarschaft
von Rom. Am Tage des Kaufes verendete einer davon ohne er¬
kennbare Ursache. Wie im Laboratorium üblich wurde die Autopsie
an dem toten Spatz ausgeführt. An den Organen waren Ver¬
änderungen nicht nachzuweisen. Dagegen fanden sich bei der
mikroskopischen Untersuchung des Herzblutes zahlreiche (in
jedem Gesichtsfeld- drei bis vier) Embryonen von Blutfilarien,
die sich lebhaft zwischen den Blutzellen bewegten. Die Para¬
siten, die auch im Lungenblut nachgewiesen wurden, batten
eine Länge von 112-144 und eine Breite von 3—3*/ t ft; ihre
feinen Enden waren wenig verschieden. Die Vermutung, daß
sich die ausgewachsenen Formen in den Eingeweiden des Sperlings
vorfinden würden, bestätigte sich nicht. Ebenso ergab die
Untersuchung des aus dem peripherischen Blutstrom entnommenen
Blutes der andern lebenden Spatzen von gleicher Herkunft ein
negatives Resultat.
In den frischen Blutpräparaten hielt die Bewegung der
Embryonen V, bis 1 Stunde an, im Thermostaten lebten sie im
Blut, das mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt war und
bei einer Temperatur von 37,5° C nicht länger als 12 Stunden.
Peter.
Eine interessante Ursache der traumatischen
Perikarditis.
Als Ursache der zahlreichen Notschlachtungen, welche wegen
Aufnahme von Fremdkörpern bei Rindern nötig werden, sieht
der landwirtschaftliche Kreisverein in Schmalkalden die Sitte an,
das Reisig mit Draht zu binden. Die Drahtstücke gelangen
beim Verbrennen des Holzes in die Asche, von dort auf die
Wiesen und Felder und bei der Ernte in das Futter und Stroh,
so daß eine Aufnahme durch das Rindvieh leicht möglich ist.
Der Verein hat daher bei der Landwirtschaftskammer angeregt,
den Landwirtscliaftsminlster um den Erlaß einer Verordnung zu
ersuchen, nach welcher die Verwendung yop Draht zum Binnen
von Reisig in den Forsten verboten wird. Glage.
Tagesgeschichte.
Dr. phil. Pani Bröcher t-
Der Tierärztliche Generalverein für die Provinz Hannover
hat durch den in der Weihnachtswoche erfolgten Tod seines
Ehrenpräsidenten einen herben Verlust erlitten. Paul Richard
Brücher wurde am 23. November 1826 zu Glandorf im Amte
Iburg als Sohn des Rechtsanwalts und Notars Ignatz Brücher
geboren. Nachdem er auf der heimatlichen Schule den Elementar¬
unterricht genossen hatte, besuchte er das Gymnasium Carolinum
in Osnabrück. Er widmete sich darauf dem Studium der Tier¬
heilkunde an der hannoverschen Tierarzneischule, die er während
der Jahre 1845—48 besuchte. Nach Ablegung des Staats¬
examens n«ahm er teil an der Expedition nach Schleswig-Hol¬
stein in den Jahren 1848—50. Darauf ließ er sich, nachdem
er mit Fräulein Eleonore Schmidt aus Hannover den Bund
fürs Leben geschlossen hatte, in Neustadt a. R. nieder, um sich
dort der tierärztlichen Praxis zu widmen. Er wandte sich
indes bald der militärtierärztlichen Laufbahn zu und trat als
Assistenz-Pferdearzt bei der Reitenden Artillerie in Wunstorf
ein; 1862 wurde er nach Hannover versetzt, um beim Fu߬
artillerieregiment Dienst zu tun. Bald darauf bestand Brücher
das Examen als Regimentspferdearzt und wurde als solcher dem
Regiment Garde du Corps überwiesen. Nach Auflösung der
Hannoverschen Armee nach der Schlacht von Langensalza ver¬
zichtete er auf die weitere Fortsetzung der militärischen
Karriere, da zu jener Zeit eine adäquate Stellung in der
9. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
83
preußischen Armee noch nicht vorhanden war. Brüeher konnte
sich jetzt ganz der Privatpraxis widmen, acht Jahre war er
auch als Lehrer an der Tierarzneischule in Hannover tätig.
Nebenbei fand er auch Gelegenheit, literarisch sich in reichem
Maß zn betätigen.
Der Verstorbene erfreute sich in Hannover einer großen
Beliebtheit und einer umfangreichen Praxis, die schon vor
längeren Jahren sein Sohn Dr. phil. Carl Brüeher übernommen
hatte, nachdem der Senior nach Hildesheim verzogen war, um
im Hanse seines Schwiegersohnes des Kreistierarztes Ernst,
den Lebensabend zn genießen.
Bekannt ist Brüchers Interesse für das Vereinsleben der
Tierärzte. Er fehlte fast nie in den Versammlungen des Tier¬
ärztlichen Generalvereins, lange Jahre hat er Ehrenämter im
Verein bekleidet und häufig hat er in fesselnden Vorträgen oder
durch reges Eingreifen in die Diskussion ans dem Schatze seiner
reichen Erfahrungen gespendet. Als ihn die Last der Jahre
zwang, sich vom Vereinsleben zurückzuziehen, ernannte ihn der
Verein in dankbarer Anerkennung seiner Verdienste zum Ehren¬
präsidenten. Sein Hauptinteresse war auf den Ausbau der
kurativen Praxis gerichtet. Seine Liebe zum Beruf, seine
glänzenden Charaktereigenschaften und seine wahrhaft vornehme
Gesinnung, lassen ihn uns Tierärzten als leuchtendes Vorbild
erscheinen. Ein beredtes Zeugnis der Wertschätzung, deren
sich der Verstorbene zu erfreuen gehabt, war die grosse Be¬
teiligung bei der Beisetzung; man bemerkte u. a. auch den
Bischof der Diözese Hildesheim im Gefolge. Die studentischen
Korporationen Gothia (akademischer Verein der Technischen
Hochschule in Hannover) und Saxo-Silesia (katholische Studenten¬
verbindung an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover) be¬
gleiteten den Trauerkondukt.
Göttingen, im Januar 1908.
Dr. Heine, Schriftführer Dr. Esser, Präsident
des Tierärztlichen Generalvereins für die Provinz Hannover.
Zar Frage der Mitwirkung der Tierärzte in den
Kömngskommissionen.
In ähnlicher Weise wie der Vorsitzende der Landwirtschafts¬
kammer von Schleswig-Holstein, Graf Rantzau, in der letzten
Sitzung der Landespferdezucht-Kommission, den Tierärzten all¬
gemein die Befähigung als stimmberechtigte Mitglieder in den
Hengstkörungskommissionen zu fungieren absprach, hat kürzlich
das Kreistagsmitglied Graf Görtz-Wrisberg zu Wrisbergholzen
in dem Kreistage des Kreises Alfeld eine gleiche Erklärung
bezüglich einer eventuellen Beteiligung der Tierärzte bei den
Stierkörungskommissionen abgegeben. Zum besseren Verständ¬
nisse mögen die betreffenden Referate beider in Alfeld er¬
scheinenden Zeitungen hier ungekürzt folgen:
Die Alfelder Zeitung vom 21. Dezember 1907 berichtet:
8. Wahl von drei Mitgliedern zur Stierkörungskommission
für die Jahre 1908 und 1909. Es scheiden infolge Ablaufens
ihrer Wahlzeit aus: Hofbesitzer LÖhr-Adenstedt, Rentner
H. Sander-Kl. Freden, Vollmeier H. Steins-Höyershausen.
Der Vorsitzende verliest eine Verfügung des Herrn Regierungs¬
präsidenten, wonach in die Stierkörungskommission möglichst
auch die Tierärzte gewählt werden sollen. Graf Wrisberg-
Wrisbergholzen hält das nicht für erforderlich. Die Tierärzte
möchten in ihrem Fache noch so tüchtig sein, von der Viehzucht
verständen sie doch nichts. Da es sich auf Befragen des
Vorsitzenden ergibt, daß die Vertreter des Kreistages
gleicher Ansicht sind, wird davon abgesehen, Tierärzte in
die Kommission zu wählen. Es erfolgt Wiederwahl der bis¬
herigen Mitglieder.
Die Niedersächsische Volkszeitung vom 22. Dezember 1907
äußert sich folgendermaßen:
Bei Erörterung des Punktes: Wahl von Mitgliedern der
Stierkörungskommission trägt Vorsitzender eine Verfügung des
Regierungspräsidenten vor, nach der in diesen Kommissionen,
Tierärzte, die mit der Viehzucht vertraut sind, zu wählen seien,
worauf Graf Goertz-Wrisberg unter allgemeiner Zu¬
stimmung und Heiterkeit erklärt, daß er zwar sehr
tüchtige Tierärzte kennen gelernt habe, „aber von der Viehzucht
verstehen die Leute den Deubel was“.
Also genau wie in der Sitzung der Landespferdezuclit-
komraission, geben auch im Alfelder Kreistage die Mitglieder
allgemein ihre Zustimmung zu der Stellung der Referenten
kund und nehmen eine die Tierärzte von der Körungskommission
ausschließende Resolution an. Das Betrübende bei den in beiden
amtlichen Körperschaften gefaßten Beschlüsse liegt meines
Erachtens viel weniger darin, daß die Landwirte uns Tierärzte
von den Körungskommissionen überhaupt ausgeschlossen wissen
wollen, wodurch wir allerdings gehindert werden bei der Vieh¬
zucht, die doch einen nicht unwesentlichen Zweig unserer
Wissenschaft darstellt, mitzuwirken und uns darin praktisch zu
vervollkommnen, sondern der Schwerpunkt ruht für uns Tier¬
ärzte vielmehr in der vorgeschobenen Ursache des Ausschlusses,
nämlich in der angeblich mangelnden Befähigung der Beurteilung
von Zuchttieren. Mit Recht sind derartige nicht begründende
Ansichten der Landwirte über unsere tierzüchtlerischen Kennt¬
nisse geeignet, eine tiefgehende Verstimmung zwischen Land¬
wirtschaft und Tierheilkunde hervorzurufen, wie schon in der
Versammlung der beamteten Tierärzte des Regierungsbezirks
Schleswig am 15. Dezember 1907 vom Vorsitzenden Veterinär¬
rat Dr. Foth treffend hervorgehoben ist. Mit Herrn Foth bin
auch ich der Ansicht, daß wir Tierärzte es uns schuldig sind,
zu der durch diese Vorgänge geschaffene Sachlage Stellung zu
nehmen und daß dieser Gegenstand, sowohl in der Fachpresse,
wie in den tierärztlichen Vereinen, und in der nächsten Sitzung
der Zentralvertretung preußischer Tierärzte zur eingehenden
Besprechung gelangen muß. Man kann es begreiflich finden,
wenn die Landwirte ein Interesse daran haben, in ihren Körungs¬
kommissionen unter sich zu sein, da ihnen die Mitwirknng der
Tierärzte vielleicht unbequem sein könnte; wenn sie aber die
Ausschließung der Tierärzte dadurch zu erwirken suchen, daß
sie uns Tierärzten ganz allgemein jedes Verständnis von der
Viehzucht absprechen, das verpflichtet den ganzen tierärztlichen
Stand zu energischer Abwehr. F.
Verband der Privattierärzte in Preußen.
(Vergl. hierzu B. T. W. Nr. 1, S. 8.)
Am Sonntag, den 8. Dezember 1907, vormittags 11 Uhr, fand
im Anatomischen Institut der Berliner Tierärztlichen Hochschule
eine Delegiertenversammlung des Verbandes der Privattierärzte
statt, an der außer etwa 60 Delegierten als Gäste teilnahinen: Herr
Professor Eberlein, der sein lebhaftes Interesse an den Be
Strebungen der Privattierärzte auch durch wiederholtes erfolgreiches
Eingreifen in die Debatte betätigte; der Vorsitzende des Vereins
beamteter Tierärzte Herr Professor Peter, der auch wiederholt das
Wort nahm; ferner von der Vereinigung der sächsischen Privat¬
tierärzte die Kollegen Schmidt-Königswartha und Bierig*Bautzen;
*♦*
34
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
sowie schließlich als Vertreter der Gruppe der Privattierärzte
der Provinz Ostpreußen die Kollegen Kalcher-Lasdehnen und
Zwirner-Barton. Ihr Erscheinen hatten ferner zugesagt die Herren
Veterinärräte I>r. Arndt und Nevermann, die jedoch im letzten
Augenblick behindert waren. Von den als Gäste Geladenen hatten
ihr Fernbleiben entschuldigt die Herren Professor Schmaltz und
Dr. BrUcher-Hildesheim.
Der Vorsitzende, Tierarzt Arnous, begrüßt die Erschienenen
und verliest die eingelaufenen Schreiben.
1. Versicherungsgesetz. Der Vorsitzende legt dar, daß
die §§ 120, 123 und 124 dieses Gesetzes, das zurzeit in der
Kommission des Reichstages beraten wurde, geeignet seien, der
Kurpfuscherei erheblich Vorschub zu leisten. Hier tue schleuniges
Eingreifen not, und es würde sich deshalb empfehlen, dem Reichs¬
tage so schleunigst als möglich eine Petition einzureichen und um
Berücksichtigung der Interessen der Tierärzte zu bitten. Die Ver¬
sammlung beschließt, an den Reichstag folgende Eingabe zu richten:
Der Verband der Privattierärzte in Preußen erklärt, daß er
als sachkundig zur Beurteilung kranker Tiere nur approbierte
Tierärzte erblicken kann und erlaubt sich, auf die schweren Ein¬
bußen hinzuweisen, die sowohl den Tierbesitzern als auch den
Versicherungsgesellschaften durch die Zuziehung sogenannter
Sachverständiger erwachsen dürften.
2. Kassenbericht. Aus dem vom Kassierer Kollegen Naumann
(Halberstadt) erstatteten Bericht geht hervor, daß der Barbestand
sich nur noch auf 787 M. beläuft. Da größere Ausgaben bevor-
stehen, müsse eine neue Umlage erhoben werden. Die Versammlung
beschließt nach dem Anträge des Kassierers, im Januar 1908 für
jedes Mitglied eine Umlage von 5 M. zu erheben; davon sollen
2 M. in die Gruppenkasse und 3 M. in die Generalkasse fließen.
Die Einziehung dieser Beiträge soll, entsprechend einem Anträge
der Gruppe Brandenburg, nicht mehr wie bisher durch den General¬
kassierer, sondern durch die einzelnen Gruppen erfolgen.
3. Jährliche Generalversammlungen. Die Gruppe Branden¬
burg stellt den Antrag, daß jährlich Generalversammlungen statt¬
finden Bollen. Gegen diesen Antrag werden von verschiedenen
Seiten Bedenken erhoben; insbesondere wird der Ansicht Ausdruck
gegeben, daß das Interesse der Kollegen größer sein werde, wenn
die Generalversammlungen nur dann stattflnden, wenn wichtige
Fragen zu erörtern seien; es sei besonders zu fürchten, daß das
Interesse der Auswärtigen erlahmen werde, wenn sie häufiger hach
Berlin kommen müßten, was für einen Privattierarzt sich nicht
immer ermöglichen lasse. Demgegenüber wird von Herrn Professor
Eberlein und Kollegen Loewner geltend gemacht, daß gerade
die jährliche Zusammenkunft der Kollegen die Teilnahme an den
Bestrebungen des Verbandes eine immer engere werden würde;
es sei auch mit Sicherheit anzunehmen, daß es an aktuellen StofFen
für die nächsten Jahre nicht fehlen werde (z. B. Promotion, Seuchen¬
gesetz, Milchkontrolle). Auf Grund dieser Darlegungen beschließt
die Versammlung einstimmig, daß jährlich mindestens eine
Generalversammlung stattfinden solle. Kollege Beust regt
an, ein für allemal einen bestimmten Termin festzusetzen. Es wird
beschlossen, diesem Wunsche zu entsprechen und auf der nächsten
Generalversammlung, die am 26. April 1908 in Berlin statt¬
finden soll, einen festen Termin für die Generalversammlungen zu
bestimmen; die Gruppen sollen sich bis dahin schlüssig machen,
welchen Zeitpunkt sie für den besten halten.
4. Statutenänderung. Auf Wunsch des Vorsitzenden wird
beschlossen, der nächsten Generalversammlung den Antrag zu unter¬
breiten, daß der Vorstand nicht auf jeder Generalversammlung
neu gewählt werden muß, da es zweckmäßig sei, daß er auf
längere Zeit im Amte bleibe. Ein Antrag dos Kollegen Maak,
auf der nächsten Generalversammlung eine generelle Umarbeitung
der Statuten vorzunchmen, wird abgelehnt.
T>. Vorgehen der ostpreußischen Gruppe. Kollege
Kalcher berichtet, daß die ostpreußischen Privattierärzte dem
Herrn Landwirtschaftsminister eine ausführliche Denkschrift über
die Lage der Privattierärzte cingereicht hätten und bittet, der Ver¬
band möge sich den in dieser Denkschrift aufgestellten Forderungen
anschließen. Die Teile der Denkschrift, die sich auf die folgenden
Punkte der Tagesordnung beziehen, werden verlesen und finden auf
allen Seiten lebhafteste Zustimmung. Den Wunsch der ostprenßischen
Kollegen, sich mit allen Ausführungen der Denkschrift solidarisch
zu erklären, glaubt die Versammlung jedoch nicht erfüllen zu
können. Denn es handelt sich in der Denkschrift zum Teil um rein
lokale Angelegenheiten, zum anderen Teil um Fragen, die noch
nicht genügend geklärt sind; und so weit es sich um die Fleisch¬
beschau und die Seuchentilgung handelt, erübrigt sich eine Stellung¬
nahme durch die zu diesen Punkten in der Versammlung gefaßten
Beschlüsse.
6. Fleischbeschau. Es ergreift zunächst Kollege Meier-
Ketzin das Wort zu seinem Referat Über die Frage: Wodurch
läßt sich das Ansehen der Tierärzte in der Fleisch¬
beschau hebend Der ausgezeichnete Vortrag, der von der Ver¬
sammlung mit lebhaftestem Beifall aufgenommen wird und der
in Nr. I der B. T. W. 1908 bereits veröffentlicht ist, gipfelt in der
Forderung: Das Ansehen der Tierärzte in der Fleischbeschau zu
verbessern und die Stellung derart zu gestalten, daß die Tierärzte
dem Laien gegenüber eine andere Stelle einnehmen als bisher.
Statt des am Erscheinen verhinderten Kollegen Steinmeyer-
Weißenfels referiert sodann Kollege Nauman über das Thema:
Beaufsichtigung der Fleischbeschauer durch die Er¬
gänzungsbeschautierärzte. Zum Beweise, wie notwendig eine
Beaufsichtigung der Laienfleischbeschauer sei, verweist der Referent
auf den in Nr. 23 der „Rundschau auf dem Gebiete der gesamten
Fleischbeschau und Trichinenschau“ veröffentlichten Bericht über
die erste Versammlung der beamteten Tierärzte des Regierungs¬
bezirks Königsberg. Die hier zur Sprache gebrachten Mißständc
ließen wohl den Schluß zu, daß die Kontrolle der Beschaubücher
und die alle zwei Jahre stattfindenden Revisionen nicht genügten,
sondern es müsse erstrebt werden, daß die Beschauer bei ihrer
Arbeit einer häufigeren Kontrolle durch den Ergänzungsbeschauer,
der in diesem Falle amtliche Funktionen ausüben würde, unterworfen
werden; und es müßten außerdem die Fälle erweitert werden, die
der Entscheidung der tierärztlichen Beschauer Vorbehalten sind,
auf Rotlauf, Schweineseuche, Schweinepest und eventuell auf alle
NölscYdachtungen. Es werde sich' vielleicht empfehlen, ** in diesem
Sinne bei dem Herrn Landwirtschaftsminister vorstellig zu werden.
Kollege Dr. Zchl referiert darauf über das Thema: Auf
welche Weise kann es erreicht werden, daß bei Beur¬
laubungen von längerer, einige Tage überschreitender
Dauer eines in der Fleischbeschau tätigen Tierarztes
nicht der Laien Vertreter, sondern der von dem Tierarzt
vorgeschlagene tierärztliche Vertreter ohne weiteres
auch als Vertreter in der Fleischbeschau bestallt wird?
Der Referent legt dar, daß es für den Bescbautierarzt nicht nur
von moralischem, sondern auch von erheblichem pekuniären Nach¬
teil sei, wenn bei Beurlaubungen nicht der Praxisvertreter, sondern
ein Laie mit der Stellvertretung in der Fleischbeschau betraut
würde. Während nun bisher im Regierungsbezirk Potsdam dem
Laienbeschauer grundsätzlich die Vertretung übertragen wurde, sei
hierin eine Modifikation eingetreten, nachdem im Aufträge des Tier¬
ärztlichen Vereins für die Provinz Brandenburg Herr Veterinärrat
Arndt bei der Regierung in Potsdam vorstellig geworden sei. Es
sei gleichsam ein Kompromiß zustande gekommen, da fortan dem
Praxis Vertreter auch die Vertretung in der Fleischbeschau über¬
tragen werden solle in Orten, in denen Schlächter wohnen, die
Fleisch exportieren. Da dies durchweg in der Nähe größerer
Städte der Fall sein würde, werde man bei diesem Punkt einsetzen
können. Ehe man daher beim Herrn Landwirtschaftsminister vor¬
stellig werde, solle man abwarten, ob man auf diesem Wege nicht
zum Ziele komme, und er empfehle daher, eine Eingabe bis zur
nächsten Generalversammlung zu vertagen.
Kollege Schill in g-Osterwieck bespricht dann die Frage: An
wen werden am besten die Beschaubücher ausgehändigt?
Der Referent spricht sich gegen die neuerliche Verfügung aus, daß
die Beschaubücher der Tierärzte an den Krcisticrarzt eingeschickt
werden müssen, der unter den heutigen Verhältnissen als nicht voll
besoldeter Beamter doch immer ein Konkurrent des Tierarztes sei.
Es würde sich daher empfehlen, anzuordnen, daß die Beschaubücher
der tierärztlichen Fleischbeschauer der zuständigen Polizeibehörde
eingehändigt werden müssen.
9. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
35
Kollege Dr. Zehl referierte dann über das Thema: Den in
der Fleischbeschau tätigen Tierärzten soll auf ihren
Antrag hin ohne Einschränkung freigegeben werden:
die Begutachtung außerhalb ihres Beschaubezirkes not¬
geschlachteter Tiere, die vorher von denselben behandelt
worden sind, wie es bis vor dem Inkrafttreten der Ver¬
fügung vom 19. Oktober 1906 gewesen ist. Der Referent
führt aus, daß der § 7 der Ausführungsbestimmungen zura Reichs-
fleischbeschaugesetz den Tierärzten die Möglichkeit einräume, auch
außerhalb ihres Beschaubezirks die Beschau bei notgeschlachteten
Tieren auszuüben, wenn dieselben in ihrer Behandlung gewesen
seien. Dieses Recht werde sehr erheblich eingeschränkt durch die
Verfügung des Herrn Landwirtschaftsministers vom 19. Oktober 1906,
wonach die Beschau nur dann ausgeübt werden dürfe, wenn der
behandelnde Tierarzt bei der Notschlachtung selbst zugegen sei;
es sei aber auf dem Lande fast unmöglich, daß der die Not¬
schlachtung anordnende Tierarzt die Schlachtung abwarte. Wenn
aber nicht der behandelnde, sondern der später zugezogene Er-
gänzungsbeschauticrarzt das Fleisch zu begutachten habe, sei für
den Besitzer die Gefahr sehr groß, daß das Fleisch verworfen
wird, zumal z. B. der Regierungspräsident von Potsdam durch eine
Verfügung vom Juni d. J. die besonders peinliche Untersuchung
notgeschlachteten Fleisches ohne voraufgegangene Lebendbeschau
gefordert habe. Im Interesse der Tierbesitzer und um die Praxis
eines Beschautierarztes außerhalb seines Beschaubezirks nicht zu
gefährden, müsse hier eine Änderung angestrebt werden. Der
Referent beantragt daher, dem Herrn Landwirtschaftsminister die
folgende Resolution zur Kenntnis zu geben:
Der Verband der Privattierärzte erklärt es im Interesse einer
gedeihlichen Weiterentwicklung des privattierärztlichen Standes,
der in seiner Mehrzahl mit der Fleischbeschau befaßt ist, für un¬
bedingt erforderlich, daß es jedem Tierarzt auf seinen Antrag und
zwar ohne jede einschränkende Klausel gestattet sein soll, not¬
geschlachtete, vorher von ihm behandelte Tiere auch außerhalb
seines Beschaubezirks begutachten zu dürfen.
In der Diskusßion über diese vier Vorträge schlägt zunächst
Kollege Loewner vor, den ersten Referenten mit der Ausarbeitung
einer Denkschrift zu beauftragen, die sobald als möglich dem
Landwirtschaftsministerium überreicht werden soll. Die Herren
Dr. Kantorowicz und Professor Dr. Eberl ein bitten, von der
im Anträge Zehl vorgesehenen zweijährigen Karenzzeit Abstand
zu nehmen, um den jungen Anfängern das Emporkommen nicht zu
sehr zu erschweren. Dr. Zehl erklärt, auf diese Forderung persön¬
lich keinen Wert zu legen; er habe sie nur gestellt in der Annahme,
daß man an maßgebender Stelle nicht geneigt sein würde, auch
solchen Kollegen, die noch keine praktischen Erfahrungen besitzen,
grundsätzlich die Beschau der auf ihre Anordnung notgeschlachteten
Tiere zu übertragen. Herr Professor Peter legt dar, daß die
Laienbeschauer durch die Kreistierärzte beaufsichtigt werden müßten;
er halte aber persönlich auch die Forderung für durchaus berechtigt
und durchführbar, daneben auch die Ergänzungsbeschautierärzte mit
der Beaufsichtigung der Laienbeschauer zu betrauen. Die Ein¬
sammlung der Beschaubacher erfolge nicht zum Zweck der Kon¬
trolle, zu der es den Kreistierärzten auch an der nötigen Zeit fehle,
sondern lediglich zwecks Aufstellung der Statistik. Den von den
Referenten erhobenen Forderungen wohne fast durchweg ein berech¬
tigter Kern inne, und es sei auch kaum zu bezweifeln, daß im
Laufe der Jahre ein großer Teil derselben in Erfüllung gehen werde.
Mit einer weitherzigeren Auslegung des § 7 seien auch die be¬
amteten Tierärzte durchaus einverstanden, die ja in dieser Be¬
ziehung denselben Beschränkungen unterworfen seien wie die
Privattierärzte. Kollege SiemBBen teilt mit, daß im Regierungs-
Bezirk Frankfurt a. 0. die Beschaubücher an die Polizeibehörden
abzuliefern sind. Diesen Zustand erklärt auch der Referent Schil¬
ling für wünschenswert. Demgegenüber macht Herr Professor
Peter erneut geltend, daß die Bücher unbedingt den Kreistierärzten
übergeben werden müßten zur Aufstellung der vom Statistischen
Landesamt geforderten statistischen Ermittlungen. Der kollegiale
Takt der Kreistierärzte würde es verhindern, daß daraus etwa einem
Privattierarzt ein Schaden entstünde. Kollege Mank hebt hervor,
daß die Anstellungsbedingungen für die Beschautierärzte durchweg
sehr ungünstig seien; insbesondere müsse gefordert werden, daß
ihre Entlassung nicht, wie es vielfach geschehen sei, erfolge, ohne
daß ihnen überhaupt nur mitgeteilt würde, aus welchen Gründen
man auf ihre Dienste verzichte. Auch Kollege Meßler erklärt es
für unbedingt erforderlich, daß der jetzige Zustand, bei dem die
Beschautierärzte völlig rechtlos seien, geändert werde; es müsse
eine Instanz geschaffen werden, bei der sich im Falle von Diffe¬
renzen die Tierärzte ihr Recht holen könnten.
Die Diskussion wird darauf geschlossen, und die Versamm¬
lung beschließt einstimmig nach dem Anträge Loewner, dem
Ministerium eine Denkschrift einzureichen, in der die
Wünsche der Privattierärzte bezüglich der Fleisch¬
beschau dargelegt werden. Der Vorsitzende weist darauf
hin, daß es nötig sein werde, über die Durchführung des § 7, die
in den einzelnen Regierungsbezirken sehr verschieden sei. noch
genauere Ermittlungen anzustellen. Es sei auch wohl zu erwägen,
ob nicht allen Tierärzten, ohne Rücksicht darauf, ob sie Beschau¬
tierärzte sind oder nicht, die Beschau bei den von ihnen behandelten
notgeschlachteten Tieren übertragen werden sollte. Es dürfte sich
empfehlen, über diese Frage bis zur Generalversammlung im April
Material zu sammeln, und erst dann mit einer Denkschrift an das
Ministerium heranzutreten. Der Referent Meier (Ketzin) erklärt
sich damit einverstanden, daß über die Stellungnahme zu § 7 erst
später ein Beschluß gefaßt würde. Im übrigen aber handele es sich
hier hauptsächlich um die Laienbeschauer, und es wäre höchste
Zeit, die maßgebenden Stellen endlich einmal über die auf
diesem Gebiete bestehenden Mißständc aufzuklären. Auch Kollege
Loewner hält die sofortige Einreichung der Denkschrift für ge¬
boten. Dr. Kantorowicz erklärt es für angemessener, die Denk¬
schrift durch eine Kommission ausarbeiten zu lassen und der
nächsten Generalversammlung vorzulegen. Gegen diesen Vorschlag
wird von mehreren Seiten Widerspruch erhoben, und die Versamm¬
lung beschließt einstimmig, die Denkschrift sobald als möglich
dem Ministerium einzureichen. Mit der Ausarbeitung wird Kollege
Meier unter Mitwirkung des Vorsitzenden betraut.
Darauf tritt eine eiustündige Frühstückspause ein.
7. Sodann nimmt Kollege Beust das Wort zu seinem Vortrage
über die Mitwirkung der Privattierärzte bei der Seuchen¬
tilgung. Der Referent führt aus: Nicht minder als das Damokles¬
schwert der Fleischbeschau bedrückt den tierärztlichen Stand die
Sorge um die kurative Praxis. Die Privattierärzte haben allen An¬
laß, sich energisch dagegen zu wehren, daß die freie Praxis in
Fesseln gelegt wird. Es darf nicht dahin kommen, daß es nicht
mehr einen einheitlichen tierärztlichen Stand, sondern nur noch eine
tierärztliche Staatskarriere mit höheren und niederen Graden gibt.
Wenn auch die große Mehrzahl der Kreistierärzte mit dem gleichen
Takt, den Herr Professor Peter an den Tag legte, Kollegialitäts¬
gefühl besitzen, so muß doch leider festgestellt werden, daß be¬
amtete Tierärzte in einzelnen Fällen bestrebt sind, die Kollegen
herabzudrücken. Ist es doch so weit gekommen, daß mit Privat¬
tierärzten gewissermaßen Nachprüfungen in Gegenwart von Fleischer-
meistern abgehalten worden sind, und es ist zu befürchten, daß
derartige Erfahrungen, wie sie bei der Fleischbeschau gemacht
worden sind, sich bei weiterer Einengung der kurativen Praxis noch
vermehren werden. Ich bin weit entfernt, den beamteten Tierärzten
das nehmen zu wollen, was sie besitzen; aber wir müssen uns da¬
gegen wehren, daß jetzt fast sämtliche Tierkrankheiten als Seuchen
behandelt werden sollen. Wenn, wie es in Ostpreußen Beit 1898
und in Sachsen seit 1904 geschieht, die Anzeigepflicht auch noch
auf Druse und Influenza ausgedehnt wird, dann wird eigentlich den
Privattierärzten jede Möglichkeit des Erwerbes genommen und sie
geraten in ein Hörigkeitsverhältnis zu den beamteten Tierärzten.
Die Influenza z. B. unter das Seuchengesetz zu stellen, geht auch
deswegen nicht, weil selbst unter den Koryphäen der Wissenschaft
über diese Krankheit noch keine Klarheit herrscht; man könnte
hier also nur tappend und versuchend Vorgehen, und dabei er¬
scheint die Besorgnis einer Blamage für den tierärztlichen Stand
nicht unberechtigt. Ferner kann die Tuberkulose bei ihrer großen
Verbreitung mit Erfolg gar nicht ohne die Mitwirkung der Privat¬
tierärzte bekämpft werden. Es muß auch dagegen Einspruch er¬
hoben werden, daß die Landwirtschaftskammern sich durch An-
36
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Stellung von sogen. Vertrauenstierärzten das Privilegium der Tuber-
kIllosetilgung anmaßen. Wenn die Privattierärzte nicht erdrosselt
werden wollen, dann müssen sie jetzt schnell und energisch Vor¬
gehen. Es muß vor allen Dingen darauf hingewirkt werden, daß
von der Möglichkeit, die der § 2 des Seuchengesetzes vorsieht, in
besonderen Fällen auch nicht beamtete Tierärzte zur Seuchentilgung
zuzuziehen, ein möglichst weitgehender Gebrauch gemacht wird.
Bisher ist von dieser Befugnis lediglich zugunsten der Assistenten
der Kreistierärzte Gebrauch gemacht worden, während alte er¬
fahrene Praktiker diesen meist sehr jungen Herren haben nach¬
stehen müssen. Ich bitte deshalb, folgende Resolution anzunehmen:
Es möge der § 2 des Seuchengesetzes in dem Sinne
abgeändert werden, daß eine geordnete und allgemeine
Mitwirkung der nicht beamteten Tierärzte, die für all¬
gemeine und viel verbreitete Seuchen nicht zu umgehen
ist, vorgesehen und ermöglicht wrird. Ich wiederhole, daß
ich die Domäne der Kreistierärzte nicht einschränken will, sondern
ich will lediglich erreichen, daß bei einer Erweiterung des Seuchen¬
gesetzes auch die Privattierärzte zugezogen werden. Wird so eine
gemeinsame Tätigkeit der beamteten und der Privattierärzte in der
Seuchentilgung erreicht, dann wird auch die Spaltung, die das
Fleischbeschaugesetz in unsere Reihen getragen hat, wieder be¬
seitigt werden.
Der Vorsitzende dankt dem Referenten für seine Aus¬
führungen und eröffnet die Diskussion.
Der Antrag der Gruppe Anhalt Sachsen, die Anzeigepflicht bei
Seuchen für die Tierärzte aufzuheben, wird unter dem Beifall der
Versammlung von Herrn Naumann fallen gelassen.
Herr Kal eher legt dar, daß die ostpreußischen Tierärzte in
ihrer Eingabe an den Minister genau denselben Standpunkt ein¬
genommen haben. Daß die Bekämpfung der acht Seuchen, die
1880 in das Gesetz aufgenommen wurden, den Kreistierärzten Vor¬
behalten blieb, war schonyum deswillen berechtigt, weil es auf dem
Lande damals überhaupt kaum Privattierärzte gab; nachdem aber
durch die Fleischbeschau die Zahl der Privattierärzte sich erheblich
vermehrt habe, sei cs nur gerechtfertigt, sic bei einer weiteren
Ausdehnung des Gesetzes zur Mitwirkung heranzuziehen, sonst
würden z. B. in Ostpreußen 50 Proz. der Privattierärzte brotlos
werden.
Dr. Flatten erinnert daran, daß der Veterinärrat sich bereits
in München dagegen ausgesprochen hat, daß die Influenza unter
das Seuchengesetz gestellt wird. Diesen Standpunkt müßte die
tierärztliche Gesamtheit noch heute einnehmen, da es nicht zweifel¬
haft sein könne, daß eine Tilgung dieser Krankheit mit den Mitteln,
die bisher bei der Seuchenbekämpfung angewandt wurden, aus¬
geschlossen sei, und daß derselbe Mißerfolg zu erwarten sei, der
sich bei Bekämpfung der Schw r einesouche gezeigt habe. Die gesetz¬
gebenden Körperschaften und die maßgebenden Berater der Regie¬
rung müßten gerade auf diesen Umstand hingewiesen w f erden. Es
würde sich überhaupt empfehlen, von bestimmt formulierten An¬
trägen abzusehen und sich damit zu begnügen, für die Privattier¬
ärzte eine ihrer Vorbildung und ihrer praktischen Erfahrung ent¬
sprechende Beteiligung an der Seuchentilgung anzustreben; die
veterinärpolizeilichen Maßnahmen müßten natürlich den beamteten
Tierärzten Vorbehalten bleiben.
Herr Professor Peter bittet zunächst, in seinem heutigen
Gegenbesuch nicht einen Akt der Höflichkeit, sondern einen Beweis
dafür zu sehen, daß auch die beamteten Tierärzte den Wunsch
haben, sich mit den Privattierärzten zu verständigen, was am besten
durch den gegenseitigen Verkehr der beiden Gruppen untereinander
geschehen könne. Für die Privattierärzte w^erde sich zweifellos
vieles erreichen lassen und erreicht werden müssen, wenn auch
nicht in dem Galopptempo, das gerade hinsichtlich der Beteiligung
an der Seuchenbekämpfung eingeschlagen werden solle. Er würde
z. B. gegen eine weitergehende Beteiligung der Privattierärzte bei
der Feststellung des Seuchenfalls und gegen ihre Zuziehung bei der
Obduktion nichts einzuwenden haben. Fälle, in denen ein Kreis¬
tierarzt gelegentlich seines Eingreifens bei einer Seuche die Praxis
an sich zu reißen suche, seien ihm noch nicht zu Ohren gekommen:
er würde cs sogar für richtig halten, wenn der Kreistierarzt ein
Anerbieten auf Übernahme der Praxis in einem solchen Falle ab¬
lehnen würde. Dem Assistentenwesen würde eine viel zu große
Bedeutung beigelegt; einmal gebe es nur wenige Kreistierärzte, die
sich einen Assistenten halten, und zudem w'ürde nur in besonderen
Fällen auf Anordnung der Vorgesetzten Behörde dem Assistenten
eine Mitwirkung bei der Seuchcntilgung übertragen. Das Arbeiten
mit Schlagworten, die doch fast immer unzutreffend seien, sollte
man möglichst vermeiden. Von einem HörigkeitsVerhältnis könne
doch gewiß nicht gesprochen werden, und auch von einer Ver¬
staatlichung der Tierheilkunde könne zum Glück gar nicht die Rede
sein. Daß einige w r enigc Seuchen neu unter das Gesetz gestellt
w r erden sollten, habe nicht viel zu bedeuten; es handle sich ja auch
gar nicht um die Influenza, sondern um die Brustseuche, deren
Krankheitserscheinungen durchaus feststehen und die überdies
sehr selten sei. In dem lebhaften Widerstande der Privattierärzte
gegen das neue Seuchengesetz liege daher ein guter Teil Schwarz¬
seherei; so schlimm, wie man es vielfach hinstelle, könne und werde
es niemals kommen.
Der Vorsitzende spricht dem Redner für die Objektivität
und Ruhe, mit der er die Streitfrage behandelt hat, den Dank der
Versammlung aus.
Dr. Kantorowricz führt aus, daß leider nicht alle beamteten
Tierärzte so dächten wie Herr Peter; sonst wäre die Erregung in
den Reihen der Privattierärzte ja gar nicht zu erklären. Die Privat¬
tierärzte dürften nicht völlig in den Hintergrund gedrängt werden,
| sonst könne der ganze tierärztliche Stand nicht gedeihen. Herrn
Dr. Flatten müsse entschieden darin beigestimmt werden, daß auf
die Dauer eine wirkungsvolle Bekämpfung der Seuchen ohne Mit¬
wirkung der Privattierärzte undenkbar sei. Das lehre auch die
Erfahrung in der Humanmedizin, wo die Privatärzte nicht entfernt
in dem Maße gegenüber den beamteten zurückstehen müßten. Daß
die Praxis infolge der veterinärpolizeilichen Maßnahmen häufig auf
die beamteten Tierärzte überginge, könne nicht w^ohl geleugnet
werden; er kenne viele Großgrundbesitzer, die den Kreistierarzt
lediglich deshalb vorziehen, w'eil sie sich davon Vorteile versprechen,
und nicht etwa, weil er der tüchtigere Praktiker ist.
Inv Gegensatz zu Professor Peter hält der Referent* die Aus¬
dehnung der Anzeigepflicht auf die Brustseuche für sehr bedenklich,
einmal w r eil deren veterinärpolizeiliche Bekämpfung kaum einen
Erfolg verspreche, und dann auch, weil die Diagnose sehr schwierig
sei und ein Tierarzt leicht in Verdacht komme, etwas verheimlichen
zu wollen, wenn er in Zweifelsfällen nicht sofort Anzeige erstatte.
Dadurch würden sich die Differenzen zwischen privaten und be¬
amteten Tierärzten, die schon heute nicht selten seien, vermehren,
und in noch weit höherem Maße als heute schon würden einzelne
Kreistierärzte ihre Stellung gegenüber dem Privattierarzt auszuspielen
suchen.
Tierarzt Fetting bringt zur Sprache, daß sich das Publikum
zur Einholung von Attesten meist an die beamteten Tierärzte wende,
obw ohl die Privattierärzte zur Ausstellung solcher ebenfalls berechtigt
seien. Dieser Neigung werde vielfach noch amtlich Vorschub
geleistet; so habe die Regierung in Stralsund vorgeschrieben, daß
Bescheinigungen über Seuchenfreiheit des zur Ausfuhr bestimmten
Viehs nur von beamteten Tierärzten ausgestellt w erden dürften, und
es sei erst nach langen Kämpfen gelungen, den Privattierärzten ihr
Recht zu wahren.
Die Beschwerden lokaler Natur, die der Redner weiter vor¬
trägt, geben Herrn Professor Peter den Anlaß, die Bildung von
Kreisvereinen anzuregen, in denen sich derartige Dinge am besten
erörtern und aus der Welt schaffen lassen. Diesen Weg hält
Kollege Maak für empfehlenswert, doch müßte nicht der beamtete
Tierarzt an der Spitze stehen, w r eil sich die Privattierärzte sonst
beengt fühlen w r ürden.
Kollege Zwirner legt unter Hinweis auf die Erfahrungen in
Ostpreußen, wo jetzt bereits Druse, Staupe und Influenza der An¬
zeigepflicht unterliegen, dar, daß die Privattierärzte jetzt sehr auf
der Hut sein müßten, um sich die Praxis nicht noch weiter ein¬
engen zu lassen. Dahin gehe bedauerlicherweise auch das Streben
des Vereins beamteter Tierärzte, der vor kurzem an die Serum¬
institute das Ansinnen gestellt hätte, Entschädigungen bei Rotlauf¬
impfungen nur auf Grund der Diagnose eines Kreistierarztes zu
gewähren.
9. Januar 19^8.
BERLINER TIERÄRZ TLICHE WOCHENSC HRIF T.
37
Herr Professer Peter entgegnet, daß er für diesen Beschluß
nicht verantwortlich gemacht werden könne, da derselbe vor seiner
Tätigkeit als Vorsitzender dieses Vereins gefaßt sei. Im übrigen
hätten sämtliche Seruminstitute die Aufforderung at)gelehnt, und
es sei doch auch nichts dagegen einzuwenden, wenn die beamteten
Tierärzte ihren Wirkungskreis zu erweitern trachteten; dahin müsse
ihr Streben ebenso gehen, wie das der Privattierärzte dahin gehe.
Der Vorsitzende hebt noch hervor, daß der Grund zu dem
energischen Vorgehen der Privattierärzte nicht so sehr in der Angst
vor einer Verringerung ihrer Einnahmen liege wie häufig angeführt
worden sei, als vielmehr in der Sorge, daß das Ansehen des nicht¬
beamteten Tierarztes schwinden könnte, jemehr der Wirkungskreis
der beamteten Tierärzte ausgedehnt würde.
Auf Antrag des Vorsitzenden beschließt die Versammlung,
die Resolution des Referenten mit näherer Begründung
als Petition dem Reichstage zu unterbreiten.
Mit Rücksicht auf die vorgerückte Stunde wird die Erörterung
der folgenden Punkte bis zur Generalversammlung am 26. April
vertagt. Auf die Tagesordnung dieser Versammlung sind demnach
folgende Gegenstände zu setzen: a) Statutenänderung betreffs Amts¬
dauer der Vorstandsmitglieder, b) Stellungnahme zur Denkschrift
der ostpreußischen Privattierärzte (mit Ausnahme der Punkte
Fleischbeschau und Seuchengesetz), c) Überwachung der Milch-
gewinnung und des Milchverkehrs, Referent: Tierarzt Masch-
Wilster. d) Abänderung der tierärztlichen Taxe, Referent: Tierarzt
Kindler- Breslau, e) Fortbildungskurse an den Tierärztlichen
Hochschulen, Referent: Tierarzt Roth-Breslau, f) Stellungnahme
zu dem Vorschlag der Vereinigung der sächsischen Privattierärzte,
betreffend das praktische Jahr.
8. Vorschläge zur Delegiertenwahl für die zu grün¬
denden Ticrärztekamraern. Der Vorsitzende spricht die Bitte
aus, die einzelnen Gruppen möchten sich darüber schlüssig machen,
wen sie in die Tierärztekammern, deren Errichtung scheinbar in
naher Aussicht stehe, wählen wollen.
9. Vorstandswahlen. Herr Kollege Platten bittet, von seiner
Wiederwahl Abstand* zu<• nehmenv A.» seiner Stelle wird* Kollege
Loewner gewählt. Die übrigen Vorstandsmitglieder werden
sämtlich w r iedergewählt, so daß sich der Vorstand nunmehr folgender¬
maßen zusammensetzt: Vorsitzender Amous, stellvertretender Vor¬
sitzender Wigge, Kassierer Naumann, ferner Meier (Ketzin),
Pauli und Loewner.
Schluß der Sitzung um 5 Uhr.
Nach der langen und anstrengenden Verhandlung fanden sich
die Teilnehmer mit ihren Damen zu einem gemeinsamen Essen im
Kaiserkeller zusammen. Der Vorsitzende: Am ous.
Ein Alter in Ehren.
Am 11. Januar er. begeht das älteste Mitglied imd Ehren¬
mitglied des tierärztlichen Vereins der Provinz Westfalen, Herr
Tierarzt Wulfhorst in körperlicher und geistiger Frische seinen
80. Geburtstag. Auf die Verdienste um den tierärztlichen Verein
und den tierärztlichen Stand ist anläßlich des 50jährigen Jubiläums
des Herrn Kollegen Wulfhorst, im Dezember 1906 in der B. T. W.
bingewiesen worden. Eines wie großen Ansehens und welcher
Beliebtheit sich der Herr Kollege in seiner Vaterstadt erfreut, das
beweisen die vielen Ehrungen, die ihm von allen Seiten in den
letzten Jahren zuteil geworden sind:
Bei seinem vor einigen Tagen erfolgten Scheiden aus dem
Magistrat der Stadt Gütersloh, widmet ihm die „Gütersloher Zeitung“
vom 31. Dezember folgende warme Anerkennung:
Mit dem heutigen Tage scheidet Herr Stadtrat Wulf hör st freiwillig
aus dem Magistrate der hiesigen Stadt aus , nachdem er seines hohen
Alters wegen auf eine Wiedertvahl verzichtet hatte. Die Verdienste
des Herrn Wulfhorst um unsere Stadt und um unsere evangelische
kirchliche Gemeinde , sowie seine sonstigen Verdienste haben wir bei
seinem vorlängst gefeierten 50jährigen Amtsjubiläum hervorgehoben.
Heute möchten wir nur ganz kurz noch einmal auf die Verdienste
des Herrn Wulf hörst, welche derselbe sich um unsere Stadt erworben
hat , xurückkommcn, nachdem er über 50 Jahre lang dem Magistrate
unserer Stadt angehört hat. 50 Jahre lang Mitglied eines unbesoldeten
städtischen Ehrenamtes xu sein , welches viel Zeit und Arbeit erfordert,
auch mancherlei Unannehmlichkeiten mit sich bringt, das kommt gewiß
in den städtischen Annalen nicht oft vor. Herr Wulf hörst hat mit
großer Treue und Hingabe dies Amt verwaltet. Besonders viel Arbeit
und Mühe hat er gehabt , als Ende der 70er Jahre unsere Stadt mit
Energie an dinBau der drei Chausseen Gütersloh — Marienfeld, Gütersloh —
Brockhagen und Gütersloh — Verl—Neuenkirchen, eine Gesamtstrecke von
26 Kilometern , heranging , eine Aufgabe, welche eigentlich dem Kreise
obgelegen hätte. Daß der Bau diessr drei Chausseen besonders viel
Schwierigkeiten verursacht hat in einer Zeit, als unsere Bürger und
die Landbewohner von den Vorteilen der Chausseen noch nicht so sehr
überzeugt waren wie heute, das wissen nur diejenigen , welche die da¬
malige Zeit in unserer Stadt verlebt haben. Neben dem Herrn Bürger¬
meister war hauptsächlich Herr Wulf hörst, im Magistrat der Dezernent
für Wegebauten, icelcher die meiste Arbeit und Mühe gehabt hat.
Deshalb besonders und auch für seine sonstige lange Tätigkeit zum
Wohle der Stadt ist diese ihm zu großem Danke verpflichtet, in der
Bürgerschaft wird man dies nicht vergessen. — Herrn Wulf hörst aber
wünschen wir noch einen langen ungetrübten THwnsahend im Kreise
seiner Famüie.
Dies ist auch unser Wunsch.
Im Namen der Tierärzte des Kreises Wiedenbrück:
Hahn,
Kreistierarzt.
IX. Internationaler Tierärztlicher Kongreß im Haag 1909.
Das Exekutivkomitee des IX. Internationalen Kongresses hat
unter dem 27. Dezember 1907 ein Rundschreiben an die Delegierten
des Ständigen Ausschusses erlassen, und darin mitgeteilt, daß die
Absicht besteht, in dem kommenden Kongresse fünf Sektionen zu
bilden:
I. Staatsveterinärwesen (Seuchenlehre, Veterinärpolizei, Viehver¬
sicherung).
II. Anatomie Physiologie, pathologische Anatomie und Nahrungs¬
mittelkunde.
III. Praktische Tiermedizin (innere Medizin, Chirurgie, Augenheil¬
kunde, Geburtshilfe).
IV. Tierzucht und Hygiene.
V. Tropenhygiene und -Krankheiten.
Mit Bezug auf diese Mitteilung frägt das Komitee an, welche
Fragen seitens der Deutschen Tierärzte und insbesondere der
Spezialisten zur Einschreibung auf die Tagesordnung der genannten
Sektionen gewünscht werden.
Weil das Exekutivkomitee beabsichtigt, im Hinblick auf die
in der zweiten Hälfte des April d. J. nach Baden-Baden anbe¬
raumten Versammlung des Ständigen Ausschusses vor dem 1. Mai 1908
den Vorentwurf des wissenschaftlichen Programmes des Kongresses
im Haag festzusetzen, wird es nur denjenigen Antworten Rechnung
tragen können, die vor dem 1. Februar 1908 bei dem Präsidenten
des Exekutivkomitees Herrn Professor S c h i m m e 1-Utrecht oder zweck¬
mäßiger bei dem Generalsekretär Herrn Dr. De Jong-Leiden
(Holland) eintreffen.
Der Unterzeichnete ist gleichfalls erbötig, Antworten der Herren
Kollegen auf die von dem Exekutivkomitee gestellten Fragen zu
übermitteln.
Dr. Lydtin, Geheimer Oberregierungsrat,
Delegierter des Ständigen Ausschusses des Internationalen Tier¬
ärztlichen Kongresses für Deutschland.
Staatsveterinärwesen. 1 auch das Thema „Maßnahmen zur weiteren Steigerung der
Redigiert von Veterinärrat Preuße. ! deutschen Vieh- und Fleischproduktion und zur Verbilligung
terhandlnngen des Deutschen Landwirtschaftsrats. j der städtischen Fleischversorgung“.
Unter den Verhandlungsgegenständen der diesjährigen Früh- j Dasselbe war in vier Teile geteilt worden: 1. Die volkswirt-
jahrssitzung des Deutschen Landwirtschaftsrates befand sich j schaftliche Lage der deutschen Fleisch Versorgung; 2. die tech-
38
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. <2.
nischen Mittel zur Steigerung der deutschen Vieh- und Fleisch¬
produktion; 3. Maßnahmen zur Verbilligung der städtischen
Fleisch Versorgung; 4. die veterinären Maßnahmen zur Sicherung
und Vermehrung des deutschen Viehstandes. Das Thema zu 4
hatte zum Referenten den Geh.-Rat Prof. Dr. Ostertag. Hier¬
auf und auf die von diesem eingebrachte Resolution ist bereits
in Nr. 14 B. T. W. hingewieseri worden. Das Referat selbst
bot vieles für uns interessantes, wie dies sich wohl nach der
Person des Referenten erwarten ließ. Seuchenbekämpfung und
Vieh- und Fleischproduktion stehen im engen Zusammenhänge.
Wenn die Wertverluste durch Seuchen nicht wären, so würde
die Steigerung der Vieh- und Fleischproduktion eine leichte
Aufgabe sein. Daher müsse alles geschehen, um die Aufzucht
und die Mast von Schlachttieren möglichst seuchenfrei zu ge¬
stalten. Zur Erreichung dieses Zieles führen zwei Wege, die
nebeneinander begangen werden müssen: Die staatlichen Maßregeln
der Veterinärpolizei und die privaten Vorkehrungen der Hygiene.
Referent bespricht nun eingehend die seitens des Staates
zum Zwecke der Seuchenbekämpfung erlassenen gesetzlichen
Vorschriften und die bisher hiermit erzielten Erfolge. In Betreff
der gesetzlich zu bekämpfenden Tierseuchen zeigen die zurzeit
gültigen Gesetzes Vorschriften eine Lücke. Unter den der Anzeige¬
pflicht unterliegenden Seuchen fehlte die Tuberkulose. Im Jahre
1904 seien 17,8 Proz. aller geschlachteten Rinder und 2,4 Proz.
aller geschlachteten Schweine als tuberkulös ermittelt worden.
Es sei daher nicht zu viel behauptet, wenn man sage, die Tuber¬
kulose fresse an dem Marke der deutschen Viehzucht. Von den
tuberkulösen seien nur diejenigen Tiere gefährlich, welche
Tuberkelbazillen aussclieiden, dies sei nur ein kleiner Teil, diese
müßten daher ausgemerzt werden. Die Novelle zum Reichs¬
viehseuchengesetz sehe eine Bekämpfung der gefährlichen Tuber¬
kuloseformen vor, desgleichen eine Bekämpfung der Schweine¬
seuchen, die bis jetzt auf Grund landespolizeilicher Anordnungen
geregelt sei.
Doch können die anzeigepflichtigen Seuchen nicht allein durch
die Veterinärpolizeigesetzgebung bekämpft werden. Viel müsse
auch der privaten Initiative überlassen bleiben, hierzu gehören
vor allen die Impfungen bei bestimmten Seuchen und die Be¬
kämpfung aller nicht anzeigepflichtigen Seuchen’ Von letzteren
sei zu nennen das seuchenhafte Verwerfen, der ansteckende
Scheiden- und Gebärmutterkatarrh, die Kälberruhr, die Kälber¬
lähme, die Kälberdiphtherie, die Kälberpneumonie, die Schaf- und
Ziegenpneumonie, das seuchenhaft auftretende Klauenpanaritium
und das bösartige Katarrhalfieber. Von größter Wichtigkeit
seien die seuchenhaften Kälberkrankheiten, welche die Aufzucht
von Kälbern in weitem Umfange erschweren und selbst unmöglich
machen. Auf das verheerende Auftreten der Kälberruhr sei der
in früheren Jahren in einigen Teilen Deutschlands herrschende
Brauch zurückzuführen, daß jährlich Tausende von Kälbern
mußten geschlachtet werden.
Der Referent erörtert sodann die Frage, inwieweit von
seiten des Reiches, abgesehen von dem weiteren Ausbau der
Veterinärpolizeigesetzgebung, die Seuchenforschung und Seuchen¬
tilgung zwecks weiterer Steigerung der Vieh- und Fleisch¬
produktion, insbesondere auch durch die Errichtung eines Reichs¬
instituts für systematische Seuchenforschung und Seuchentilgung
sowie eines Reichsinstituts für die Herstellung der zur Tier¬
seuchenbekämpfung bestimmten Impfstoffe gefördert werden
könnte.
Grundsätzlich sei jede Vermehrung der Stätten wissen¬
schaftlicher Arbeit erwünscht. Ob ein Reichsinstitut für die
systematische Seuchenforschung und Senchentilgung den für die
Steigerung der deutschen Vieh- und Fleischproduktion erhofften
Gewinn haben könne, sei fraglich. Ein solches Institut muß in
unmittelbarster Fühlung mit der Praxis der Tierseuchentilgung
stehen. Mit der Heranzüchtung eines Bazillus aus dem Körper
eines an einer Seuche erkrankten Tieres sei es jetzt nicht
mehr getan. Gute Beispiele liefern hierzu die Schweinepest
und die Kälberruhr. Bei ersterer habe sich die bisherige, auf
Laboratoriumsversuche gestützte Annahme, daß der Schweine¬
pestbazillus der Erreger der Krankheit sei, nunmehr als
irrtümlich herausgestellt; bei der Kälberruhr habe es sich ge¬
zeigt, daß bei dieser unter einem einheitlichen Krankheitsbilde
auftretenden Krankheit verschiedene Erreger beteiligt sind.
Diese Feststellungen waren nur möglich durch die Untersuchung
sehr zahlreicher Tierkörper erkrankter Tiere in den bakterio¬
logischen Laboratorien der Landwirtschaftskammern (natürlich
nur der wirklichen, nicht der sog. bakteriologischen Laboratorien.
D. R.), welche in unmittelbarer Fühlung mit den Seuchenherden
I stehen und Material aus ihnen in untersuchungsfähigem Zustande
leicht erhalten. Die systematische Seuchenforschung müsse
daher in den Bundesstaaten betrieben werden. In diesen
müßten jährlich bestimmte, nicht zu geringe Beträge für den
genannten Zweck in die Etats eingesetzt werden. In Preußen
seien jährlich 80 000 M. für die Seuchenforschung ausgeworfen.
Würden in den übrigen Bundesstaaten ähnliche Aufwendungen
hierfür gemacht werden, so wären am schnellsten für die
Seuchenforschung verwendbare Ergebnisse zu erwarten.
Referent erwähnt hier nochmals die Leistungen der
bakteriologischen Laboratorien verschiedener Landwirtschafts¬
kammern, insbesondere auf dem Gebiete der Bekämpfung der
Tuberkulose und der Kälberruhr. Wenn sich diese Institute
auch nur auf das letztere Gebiet beschränken würden, so hätten
sie den Beweis ihrer Existenzberechtigung voll erbracht.
Hiermit will nun Referent keineswegs gesagt haben, daß
von seiten des Reichs nichts geschehen soll. Auch von Reichs
wegen müsse durch Nachprüfung der Forschungsergebnisse, die
aus den Instituten der Bundesstaaten berichtet werden, mit¬
gearbeitet werden. Hierdurch würde am besten dazu beigetragen,
daß die Landwirtschaft vor der Anwendung untauglicher Mittel
bewahrt werde und daß taugliche Mittel möglichst bald zum
Gemeingut der Seuchenbekämpfung gemacht werden. Referent
empfiehlt hierzu die Schaffung einer besonderen Abteilung für
Tierseuchenforschung unter der Leitung eines bakteriologisch
und hygienisch geschulten und mit dem Wesen und dem Ver¬
laufe der Tierseuchen voll vertrauten Tierarztes*).
Durch die Errichtung eines Reichsinstituts zur Herstellung
der Seren zur Tierseuchentilgung würden die Kosten der Her¬
stellung der Impfstoffe voraussichtlich verbilligt werden, doch
sei dem auch entgegenzuhalten, daß Staatsanstalten im all¬
gemeinen teurer wirtschaften als Privatbetriebe, auch bildet
die Konkurrenz einen ausgezeichneten, den Preis regulierenden
Faktor. Dies habe sich bei den Rotlaufimpfstoffen gezeigt. Bei
Errichtung eines Reichsinstituts würde auch die Gewährung
von Entschädigungen bei Impfverlusten durch Rotlauf in Fortfall
kommen müssen. Ein anderes sehr wichtiges technisches Be-
*) Ist inzwischen erfolgt. I). R.
9. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
39
denken liege in der Notwendigkeit der Haltung mehrerer
hundert Pferde um dem Serumbedürfnis zu genügen, die bei
Abgang dauernd durch Zukauf zu ergänzen wären. Im Falle
nun unter diesem so großen Pferdebestande eine Seuche aus-
briclit, würde der ganze Betrieb unterbrochen werden müssen.
Bei der heutigen Vielzahl an derartigen Betrieben hätten solche
Unterbrechungen im einzelnen nicht viel auf sich. Die Er¬
richtung eines Reichsinstitutes zur Herstellung von Impfstoffen
sei daher nicht zu empfehlen. Anders wäre es mit der Er¬
richtung von Landesinstituten. Für sämtliche Serumfabriken
müsse auch ein Zwang zur Prüfung ihrer Impfstoffe auf ihre
Reinheit und ihren Wirkungswert in geeigneten Instituten vor¬
geschrieben werden.
Des weiteren sucht Referent nachzuweisen, von wie hohem
Werte hygienische Maßnahmen für die Hebung der Fleisch¬
produktion wären. Als Beispiel hierfür führt er die Schweine¬
tuberkulose an und stellte er die Behauptung auf, daß der
durch die Schweinetuberkulose hervorgerufene Verlust verhütbar
sei durch die Unterlassung der Verfütterung des Zentrifugen¬
schlammes, die in Preußen angeordnet sei.*)
Auch die Finnenkrankheit der Rinder lasse sich durch
hygienische Maßnahmen bekämpfen und zwar durch Verwendung
des Fäkaldüngers lediglich für das Ackerland, nicht aber für
das Weideland. Diese Maßregel habe eich in Schleswig-Holstein
wirksam gezeigt.
Veterinärpolizei, Veterinärhygiene, die allgemeine Förderung
der Seuchenforschung und gemeinverständliche Belehrung müssen
Zusammenwirken, um eine Steigerung der Vieh- und Fleisch-
itzt aus
im In¬
lande selbst erzeugt werden können.
Über die Leitsätze des Referenten und über die hierzu
vom Landwirtschaftsrat gefaßten Beschlüsse ist bereits in Nr. 14
der B. T. W. berichtet worden.
Jahresbericht Aber die Verbreitung von Tierseuchen
im Deutschen Reiche.
Bearbeitet im Kaiserlichen Gesundheitsamt zu Berlin.
21. Jahrgang. Das Jahr 1906.
Allgemeines.
Von anzeigepflichtigen Krankheiten sind im Jahre 1906
aufgetreten: Milzbrand, Rauschbrand, Tollwut, Rotz, Maul- und
Klauenseuche, Lungenseuche des Rindviehs, Schafpocken, Bläschen¬
ausschlag der Pferde und des Rindviehs, Pferde- und Schaf¬
räude, ferner Rotlauf, Schweineseuche (Schweinepest), Geflügel¬
cholera und Hühnerpest.
Im Reichsgebiete nicht aufgetreten sind Rinderpest und
Beschälseuche.
Abgesehen von Maul- und Kleuenseuche, Schafpocken und
Schafräude, bei denen die Zahl der erkrankten Tiere nicht be¬
kannt ist, waren an vorgenannten Seuchen erkrankt: 1559 Pferde
(1564 im Jahre 1905), 13 720 Rinder (14 400), 549 Schafe
(542), 16 Ziegen (15), 181592 Schweine (153 954) und
75 358 Geflügel (56 501), ferner 510 Hunde (742) und 5 Katzen
(3) an Tollwut. Aus einigen Bundesstaaten sind auch Zahlen
raitgeteilt über Erkrankungen an Wild- und Rinderseuche, Gehirn-,
*) Das Verbot des Verfütterns des Zentrifugenschlammes besteht
bereits seit 1898, die Tuberkulose hat jedoch seitdem unter den
Schweinen noch nicht wesentlich abgenommen. D. R.
Produktion zu erzielen. Der geringe Bruchteil, der je
Hem Äuslanäe gedeckt werden müsse,’ wercte clänn aucii
Rückenmarksentzündung (Bornasche Krankheit), Gehirn¬
entzündung, Influenza, Druse und ansteckender Scheidenkatarrh.
Die Zahl der Tiere in den durch Maul- und Klauenseuche,
Schafpocken und Schafräude betroffenen Gehöften betrug
9428 Rinder (9303 im Jahre 1905), 62 596 Schafe (65 639),
254 Ziegen (182) und 7550 Schweine (3131).
Von den erkrankten Tieren sind gefallen oder getötet mit
Ausschluß der durch Maul- und Klauenseuche, Bläschenausschlag
und Räude verursachten Verluste: 595 Pferde (704), 7325 Rinder
(6949), 651 Schafe (1246), 16 Ziegen (15), 134 322 Schweine
(116 363) und 75 358 Geflügel (56 508).
Bezüglich der wegen Tollwut, Tollwutverdacht, Rotz- und
Lungenseucheverdacht getöteten Tiere werden die erforderlichen
Angaben bei den betreffenden Seuchen gemacht werden.
Auf je 10 000 nach der Zählung vom 1. Dezember 1904
vorhandene Tiere der betreffenden Art entfallen 1906 auf
Pferde
3.65 (1905
3,66)
erkrankte,
1,39 (1905
1,65) gefallene
Rinder
7,10 ( „
7,45)
„
3,79 ( *
3,59)
Schafe
0,69 ( „
0.69)
0,82 ( „
1,58)
Ziegen
0,05 ( „
0,05)
„
0,05 ( ,
0,05)
Schweine 95,98 ( „
81,37)
„
70,99 ( „
61,50)
Geflügel
11,67 ( „
8,75)
„
11,65 ( „
8,75)
Von je 10000 vorhandene Tiere entfallen auf die durch
Maul- und Klauenseuche, Pockenseuche und Schafräude neu be¬
troffenen Gehöfte 4,88 (4,81) Rinder, 7916 (8304) Schafe,
0,76 (0,55) Ziegen und 3,99 (1,65) Schweine.
Der Wert der gefallenen und getöteten Tiere (ausgenommen
Geflügel) betrug nach dem durchschnittlichen Verkaufswert
eines Tieres mittlerer Qualität berechnet 9 218 841 M. gegen
342., m Vorjahre.
Hiervon entfallen auf Pferde 333 336 M., Rinder 1 618 825 M.,
Schafe 13 020 M., Ziegen 272 M. und Schweine 7 253 388 M.
Die größten Verluste entfallen auf die Schweineseuche
(4 202 820 M.), sodann Rotlauf (3 013 818 M.), Milzbrand
(1290 639 M.), Rauschbrand (440 602 M.), Rotz (222 819 M.).
Die Tollwut verursachte einen Verlust von 16 103 M. und die
Schafpocken einen solchen von 2040 M. (gegen 31 421 M. bzw.
14 080 M. im Vorjahre.) Der durch die Lungenseuche im Vor¬
jahre hervorgerufene Verlust betrug 1547 M., im Berichtsjahr
ist kein Verlust hierdurch entstanden.
An Entschädigungen wurden im Jahre 1906 in Ausführung
des Reichsgesetzes insgesamt gezahlt 212 051,37 M. (1905:
223 171,70 M.) für 511 (644) auf polizeiliche Anordnung ge¬
tötete bzw\ gefallene Tiere, auf Grund landesgesetzlicher Be¬
stimmungen 1864 586,88 M. (1905: 1635 074,60 M.)
Milzbrand Im Jahre 1906.
Es sind 1906 an Milzbrand 6226 Tiere erkrankt und zwar
183 Pferde, 5390 Rinder, 502 Schafe, 14 Ziegen und
137 Schweine. Die Zahl der zur Anzeige gekommenen Fälle
war im Jahre 1906 um 1,52 Proz. höher wie im Jahre vorher.
Von den erkrankten Tieren sind 98,4 Proz. gefallen oder ge¬
tötet worden.
Milzbrandfälle sind vorgekommen in 25 Staaten, ferner in
4202 Gemeinden und Gutsbezirken und 5055 Gehöften. Von
den Gemeinden sind 3,12 Proz., von Gehöften 3,40 Proz. mehr
betroffen worden.
Die meisten Erkrankungsfälle entfallen auf die ersten beiden
Vierteljahre, in welcher sie auch die größte räumliche Aus¬
breitung hatte. Gänzlich von Milzbrand verschont blieb nur
40
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Lübeck. Von je 100 Kreisen im Reiche blieben rund 29,9
seuchefrei.
Eine sehr große räumliche Verbreitung hatte der Milzbrand
in dem Reg.-Bez. Schleswig (304 Gemeinden und 439 Gehöfte),
Posen (211 und 249), Breslau (184 und 205), Düsseldorf (173
und 235) und Wiesbaden (169 und 217), sowie in den Kreisen
Hohensalza (42 und 43), Pinneberg (38 und 53), Steinburg (36
und 60), Mors (32 und 56) und Rendsburg (31 und 37).
In 18,3 Proz. aller betroffenen Kreise wurde nur in je
einem Gehöft Milzbrand festgestellt. Die höchsten Erkrankungs-
ziffern wiesen daher ebenfalls auf die Reg.-Bez. Schleswig (492),
Posen (411), Düsseldorf (254) und Wiesbaden (225), sowie die
Kreise Deutsch-Krone (123), Steinburg (72), Husum (69),
Wirsitz (66), Mörs (63) und Pinneberg (62). In 15,3 Proz.
aller betreffenden Kreise kam nur je ein Erkrankungsfall vor,
desgleichen in 88,3 Proz. aller betroffenen Gehöfte. Die meisten
Milzbranderkrankungen unter den Pferden kamen in den Reg.-
Bez. Arnsberg (17), Posen (16) und Düsseldorf (15) vor; unter
den Rindern in den Reg.-Bez. Schleswig (453), Posen (339),
Düsseldorf (235) und Wiesbaden (209); unter den Schafen in
den Reg.-Bez. Marienwerder (156), Bromberg (73) und Posen (72).
Auf je 10000 nach der Zählung vom 1. Dezember 1904
vorhandene Tiere ergaben sich 1906 als erkrankt: 0,43 Pferde,
2,79 Rinder, 0,63 Schafe, 0,04 Ziegen und 0,07 Schweine.
Die Verbreitung des Milzbrandes im Auslande war ein sehr
verschiedene. In Österreich ereigneten sich die meisten Milzbrand¬
erkrankungen (24 Orte und 87 Gehöfte) in der 3. Augustwoche,
die wenigsten (1 und 1) in der 4. Januarwoche, in Ungarn die
meisten Fälle (155 Orte und 176 Gehöfte) in der 2. August¬
woche. Die wenigsten in der (;11 und 11) in der 2'.'Januar-
und 2. Februarwoche. Aus Rußland wurden aus 9707 betroffenen
Gemeinden 53413 Erkrankungen gemeldet, davon entfallen auf das
europäische Rußland allein 49956 Erkrankungen. In Bosnien
und Herzegowina erkrankten 50 Pferde, 260 Rinder, 17 Schafe
und 10 Ziegen; in Serbien 4 Pferde, 98 Rinder und ein Schaf.
In Bulgarien wurden 44 Orte durch Milzbrand betroffen. In
Italien erkrankten 97 Pferde, 1444 Rinder, 3357 Schafe und
Ziegen und 141 Schweine. Aus der Schweiz wurden 293 Ge¬
meinden als verseucht angegeben, in denen 441 Tiere dem Milz¬
brand zum Opfer fielen. In Frankreich war der Milzbrand
während des ganzen Jahres ziemlich verbreitet. Die stärkste
Verseuchung trat im Juli (23 Departements und 65 Ställe) und
im November (24 und 64) auf. In Großbritannien ereigneten
sich 955 Milzbrandausbrüche und erkrankten hierbei 1340 Tiere.
In Belgien erkrankten 658 Rinder und 2 Pferde, in den Nieder¬
landen 474 Tiere. In Dänemark wurden 160 Tierbestände neu
betroffen, in Schweden 266. In Norwegen erkrankten bei 595 Aus¬
brüchen 644 Tiere an Milzbrand.
Anlässe zu den Seuchenausbrüchen.
Eine Einschleppung des Milzbrandes aus dem Auslande fand
nur in einem Falle, aus Kroatien in den Stadtdirektionsbezirk
Stuttgart statt. Ebenso wurde die Seuche aus einem Bundes¬
staat in den andern auch nur einmal und zwar nach Sachsen
durch einen aus Preußen stammenden Schlachtochsen übertragen.
Sehr viel häufiger geschah die Einschleppung des Milzbrandes
durch ausländische Futtermittel, mehrfach wieder durch russische
Kleie. So ereigneten sich in 2 Gemeinden des Bezirks Anna-
berg (Sachsen) 15 Milzbrandfälle bei Rindern, die mit großer
Wahrscheinlichkeit auf durch Milzbrandsporen verunreinigte
russische Roggenkleie zurückzuführen waren. In Württemberg
ließ sich das gesteigerte Auftreten des Milzbrandes in einer
Gemeinde mit großer Wahrscheinlichkeit auf Mohnkuchen zurück¬
führen, welche viel erdige Bestandteile enthielten, namentlich
aber auch mit Tierhaaren durchsetzt war, beim Pressen des
Mohnes werden in der betreffenden Ölfabrik Roßhaareinlagen be¬
nutzt, welche aus einem Gemisch von Pferde- und Rinderhaaren,
sowie von Schweinsborsten bestehen. Die Roßhaare stammen
aus Argentinien. Wenn sich auch durch bakteriologische Unter¬
suchung in dem Mohnkuchen Milzbrand nicht nachweisen ließ,
so war doch der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, daß
sie Milzbrandkeime enthielten. Vermutlich durch Verfütterung
russischer Gerste kamen in Oldenburg 5 Milzbrandfälle zum
Ausbruch. In Württemberg waren 5 Milzbrandfälle auf die Ver¬
arbeitung von überseeischen Tierhäuten zurückzuführen, ein Fall
konnte hier mit dem Einstreuen von wahrscheinlich infizierter
Gerberlohe in Zusammenhang gebracht werden. Im Kreise
Pleß O.-S. wurden durch eine Überflutung des Grenzflusses
Kadaverteile auf eine Wiese geschwemmt. Als später das Heu
dieser Wiese verfüttert wurde erkrankte 1 Stück Vieh an Milz¬
brand.
In 12 Fällen waren Tiere bestimmt oder doch wahrschein¬
lich schon infiziert, als sie in den Besitz der betr. Eigentümer
gelangten.
In zahlreichen Fällen geschah die Ausbreitung des Milz¬
brandes bei vorschriftsmäßiger Ausführung der Sperrmaßregeln,
so in Württemberg durch Heu überschwemmt gewesener Wiesen,
auch in Meiningen, Anhalt und Elsaß-Lothringen wurde dies be¬
obachtet. Unterlassene oder mangelhaft ausgefdhrte Desinfektion
wttfde ebenfalls als Ursache von Milzbrandausbrüchen angegebene
Durch Abhäuten eines milzbrandkranken Rindes in einem Schafstall
wurde im Kreise Pr.-Stargard in einem Falle Milzbrand unter den
Schafen hervorgerufen. In je einem Gehöft zweier ostpreußischen
Kreise waren die ersten Milzbrandfälle nicht erkannt worden, es
wurden daher auch Maßregeln nicht angeordet, infolgedessen fand
hier die Milzbrandseuche Ausbreitung. Durch Verleihung eines
Transportgefäßes zum Transport eines Milzbrandkadavers wurde
der Milzbrand auf eine Kuh des Verleihers übertragen. Durch
infizierte Streu, ferner durch infizierte, nicht genügend gereinigte
Stände wurden weitere Milzbrandfälle in den Reg.-Bez. Lüneburg,
Kassel, Düsseldorf veranlaßt. Durch Auslaufen von Milzbrand¬
blut auf die Wiese eines Nachbars wurde im Bez. Meißen
(Sachsen) eine Kuh des letzteren infiziert. Ebenso verbreitete
in einer Gemeinde in Hessen milzbrandiges Blut, welches in
einer Rinne das Dorf entlang geflossen war, die Seuche auf
zwei weitere Gehöfte.
Zahlreich waren die Fälle,* in denen eine unzweckmäßige
Beseitigung von Milzbrandkadavem weitere Seuchenfälle ver-
anlaßte. Es wurden hierüber Mitteilungen gemacht aus den
Reg.-Bez. Königsberg, Danzig, Frankfurt, Köslin, Posen, Liegnitz,
Erfurt, Hannover, Kassel, hier allein in 11 Fällen, Köln, Merseburg,
ferner im Bezirk Dresden, Oldenburg, Lippe. In einer Ge¬
meinde des Kreises Schmalkalden (Kassel) erkrankten kurz
hintereinander 1 Bulle und 2 Kühe an Milzbrand, welche Er¬
krankungen auf Verunreinigungen des Ortsbaches mit Teilen
von Milzbrandkadavern zurückzuführen waren, in den aufgefischten
Kadaverteilen konnten Milzbrandbazillen nachgewiesen werden.
In Euskirchen (Köln) erkrankte ein Rind an Milzbrand nach der
Düngerabfuhr. Der betr. Dünger war % Jahr vorher durch Blut
9. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
41
und Abgängen eines milzbrandkranken Rindes verunreinigt worden.
Auf dem zur Düngerabfuhr benutzten Fuhrwerk wurden nachher
Futterrüben für das Rindvieh angefahren. Hierdurch ist dann
die Infektion veranlaßt worden. In Wolffenbüttel (Braunschweig)
kamen innerhalb 4 Tagen 5 Milzbrandfälle vor, nachdem Rüben¬
blätter aus einer Miete verfüttert worden waren, an deren Stelle
vor vielen Jahren Milzbrandkadaver verscharrt worden sind.
Ähnliches wurde beobachtet im Kreise Köthen (Anhalt). Hier
lag die Zeit, bis welcher an dem von dem infizierten Rüben¬
kraut bewachsenen Platze Milzbrandkadaver verscharrt worden
sind, 20 Jahre zurück.
Die meisten Milzbrandfälle gelangten durch die Tierbesitzer
zur Anzeige.
In 132 Fällen wurde Milzbrand bei der tierärzlichen Beauf¬
sichtigung der Schlachthäuser, der regelmäßigen und der Er¬
gänzungsfleischbeschau festgestellt, in 49 Fällen in Abdeckereien.
Als Inkubationsfrist wurde beobachtet in je 1 Fall 2, 5 und
5—6 Tage.
Schutzimpfungen nach der Pasteurschen Methode wurden
in größerem Umfange in drei Oberamtsbezirken in Württemberg
ausgeführt. Es wurden 2111 Rinder geimpft. Abgesehen von
einem schmerzhaften Impfödem bei einer Kuh sind weitere
Impferkrankungen nicht vorgekommen. Von den geimpften
Tieren sind bis zum Schlüsse des Berichtsjahres sechs an Milz¬
brand gefallen, ein Tier zwischen der ersten und zweiten Impfung
und ein Tier neun Tage nach der zweiten Impfung. In diesen
letzten beiden Fällen handelte es sich sehr wahrscheinlich um
Fütterung8milzbrand, doch ist Impfungsmilzbrand nicht aus¬
geschlossen, die vier anderen Tiere sind zweifellos an
Fütterungsmilabrand ««gegangen, bei diesem war ■ demnach der
Impfschutz ein ungenügender. Von den nicht geimpften Tieren
in den Impforten sind bis zum Schlüsse des Berichtsjahres 28
an Milzbrand verendet.
In Elsaß-Lothringen sind in vier Kreisen 82 Rinder und
7 Pferde nach Pasteur gegen Milzbrand geimpft worden. Ver¬
luste sind infolge der Impfung nicht eingetreten, auch kamen
weitere Seuchenfälle in den geimpften Beständen bis zum Ablauf
der Berichtszeit nicht vor.
Milzbrandübertragungen auf Menschen wurden in 133 Fällen I
bekannt, von denen 18 mit dem Tode endigten. Unter den
Infizierten befanden sich 44 Schlächter, 5 Abdecker und 5 Schäfer,
außerdem mehrere Arbeiter, Schmiede, Händler, Landwirte, auch
einige Frauen. Auf Preußen entfallen 74 Erkrankungen, auf
Bayern 9, Sachsen 33, Württemberg 7, der Rest auf Baden,
Oldenburg, Braunschweig und Bremen. In Bremen infizierte
sich eine Person beim Ausladen ausländischer Tierhäute.
Der Rau 80 hbrand im Jahre 1906.
An Rauschbrand erkrankten 8 Pferde, 1973 Rinder, 42 Schafe,
1 Ziege und 2 Schweine, zusammen 2026 Tiere, 19,8 Proz. mehr
wie 1905. Betroffen wurden in 12 Staaten 1093 Gemeinden und
1853 Gehöfte, 11,6 Proz. mehr Gemeinden und 19,3 Proz. mehr
Gehöfte wie 1905. Von den erkrankten Tieren sind nur 4 ge¬
nesen. Die Mortalität betrüg demnach 99,8 Proz. Die meisten
Erkrankungen entfielen auf das dritte Vierteljahr (809), die
wenigsten auf das erste Vierteljahr (230).
Die meisten Erkrankungen ereigneten sich in den Reg.-Bez.
Schleswig (873), Münster (145) und Schwaben (96). Im Reg.-
Bez. Schleswig war die Seuche auch räumlich am stärksten
verbreitet.
Aus dem Auslande wurden Rauschbrandfälle bekannt aus
Österreich, Bosnien und Herzegowina, Belgien, Italien (276 er¬
krankte Tiere), Schweiz (872 erkrankte Rinder), Frankreich,
wo die Seuche in den drei Monaten September, Oktober,
November am stärksten auftrat, Belgien, Schweden und Norwegen.
Über Anlässe zu den Seuchenausbrüchen ist nur wenig
mitgeteilt. In den Kreisen Elbing und Marienburg (Reg.-Bez.
Danzig) wird das vermehrte Auftreten des Rauschbrands auf
die frühere oberflächliche Verscharrung der Kadaver am Fallort
zurückgeführt, wodurch der Weideboden mit Rauschbrandkeimen
durchsetzt worden ist. In einem bayerischen Bezirk wurde
Fleisch der rauschbrandkranken Jungrinder teils verkauft, teils
verschenkt. Hierauf ist sehr wahrscheinlich die Verschleppung
auf vier weitere Gehöfte zurückzuführen.
In Euskirchen (Köln) war ein seuchekrankes Rind wahr¬
scheinlich schon infiziert gewesen, als es in den Besitz des
betreffenden Eigentümers gelangte. In 12 Fällen wurde die
Seuche gelegentlich der Ausübung der Fleischbeschau ermittelt.
In vier Fällen wurde sie in Abdeckereien festgestellt. In Bayern
wurden in 102 Gemeinden mit einem Bestände von 15985 Stück
gefährdeten Jungviehs 11052 Jungrinder geimpft. Von den
geimpften Tieren sind zwei an Impfrauschbrand, 16 an natür¬
lichem Rauschbrand erkrankt. Von den nicht geimpften Tieren
erlagen 96 dieser Seuche.
In Baden wurden 674 Rinder geimpft, die sämtlich von der
Seuche verschont blieben. In Elsaß Lothringen wurden 147
Tiere mit gutem Erfolg geimpft.
Entschädigungen.
Für Milz- und Rauschbrand zusammen wurden in Preußen,
Bayern,' Württemberg, Sachseh-Weimar, Braunschweig, Sachsen-
Altenburg, Anhalt und Elsaß-Lothringen, für Milzbrand allein
in Sachsen, Baden, Hessen, Sachsen-Meiningen, Waldeck, Reuß
. L., Reuß ä L. und Lippe 1680810 M. gezahlt. Für Rausch¬
brand allein in Baden, Sachsen, Hessen, Sachsen-Meiningen
24845 M.
Maul- und Klauenseuche.
Es scheint gelungen, die Invasion der Maul- und Klauen¬
seuche in der Provinz Preußen einzudämmen; nur in Marienwerder
ist die Lage noch nicht unbedenklich. Ebenso wie die Ostgrenze
und noch mehr ist aber die ganze deutsche Westgrenze ge¬
fährdet, denn die Seuche herrscht intensiv in Holland, Belgien,
Frankreich und der Schweiz. Bayern hat wegen der Zunahme
der Verseuchung in der Schweiz besondere Schutzmaßregeln
getroffen (27. Dezember 1907).
Übertragung des Milzbrandes.
An Milzbrand erkrankten nach der Sektion eines Ochsen
der Schlachthofinspektor Thurmann in Altena i. W. und ein
Arbeiter, der bei der Obduktion behilflich gewesen war.
Seuchenstatistik des Auslandes.
II. Quartal 1907.
(Vergl. B. T. W. 1907 Nr. 52, S. 974.)
Großbritannien.
An Milzbrand erkrankten bei 613 Ausbrüchen 844 Tiere, wovon
512 auf England, 30 auf Wales und 302 auf Schottland kamen. An
Rotz erkrankten in England 1108, in Schottland 145 Pferde. (In
Wales ist im Berichtssemester keine Rotzkrankheit vorgekommen.)
Die Zahl der wegen Schweinefieber getöteten, erkrankten und
ansteckungsverdächtigen Tiere betrug 6245, wovon 5780 auf Eng¬
land, 252 auf Wales und 213 auf Schottland kamen. Von Schaf-
42
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
räude~wurden 407 Ausbrüche konstatiert, wovon 113 auf England,
236 auf Wales und 58 auf Schottland kamen. Tollwut, Lungen¬
seuche und Maul- und Klauenseuche sind nicht beobachtet worden
Schweiz.
Die Zahl der gefallenen oder getöteten Tiere betrug 188, Milz¬
brand 242. Die Zahl der verseuchten und verdächtigten Tiere betrug
bei Maul- und Klauenseuche 6863 in 142 Gemeinden (570 Aus¬
brüchen). Von Stäbchenrotlauf und Schweineseuche wurden 204
Gemeinden bei 266 Ausbrüchen betrotfen, die Zahl der gefallenen
oder getöteten Tiere betrug 472, der verseuchten und verdächtigten
1984. Außerdem Wut bei 3 Hunden in S Gemeinden und 1 Hund
wutverdächtigt, Räude bei 37 Schafen bei 4 Gemeinden in 5 Herden.
Fleischbeschau, Fleisch- und Viehverkehr.
Redigiert von Glage.
Die Milchwirtschaft und die Bekämpfung der
Bindertnberknlose.
Vortrag, gehalten in der Eröffnungssitzung des III. Internationalen
Milchwirtschaftlichen Kongresses im Haag, am 16. September 1907,
von Geh. Regierungsrat Professor Dr. Ostertag, Leiter der
Veterinärabteilung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes zu Berlin.
Verlagsbuchhandlung von Richard Schoctz, Berlin, Wilhelmstraße 10.
Preis 0,80 M.
Der Vortrag, der zunächst in der „Zeitschrift für Fleisch-
und Milchhygiene“, 18. Jahrgang, Seite 41, erschienen ist und
jetzt als Sonderabdruck herausgegeben wird, behandelt die
brennende Frage, die Milchwirtschaftler, Tierärzte und Ärzte
gleichermaßen interessiert, die Bekämpfung der Rindertuberkulose
und die Methoden und Ergebnisse der Tilgung derselben. Nach
den im Kaiserlichen Gesundheitsamt bearbeiteten Resultaten der
Fleischbeschau waren 1907 in Deutschland mit Tuberkulose
behaftet 5,3 Proz. der Jungrinder, 13,9 Proz. der Bullen,
18,3 Proz. der Ochsen und 25,3 Proz. der Kühe. Jede vierte
Kuh ist also tuberkulös. Dabei wurde sowohl die Tuberkulose
mit hochgradiger Abmagerung vornehmlich bei Kühen festgestellt,
als auch stark ausgedehnte Tuberkulose wiesen Kühe öVaiual
so oft auf als die übrigen erwachsenen Rinder. Bei der Tuber-
kulinimpfung erhält man noch beträchtlich höhere Zahlen, und
der Schaden, den die Tuberkulose, dieser unheimliche Begleiter
blühender Viehproduktion, anrichtet, läßt sich heute wirtschaftlich
nicht berechnen. Die Tuberkulose hat von Jahr zu Jahr um sich
gegriffen. Nach den statistischen Aufzeichnungen in den öffent¬
lichen Schlachthöft n Preußens waren 1895 11,4 Proz., 1900
15,0 Proz. und 1902 bereits 16,4 Proz. der Rinder tuberkulös.
Über die Notwendigkeit energischer Bekämpfung sind alle
beteiligten Kreise einig. Zur Anwendung stehen drei Verfahren:
das Verfahren nach Bang, die Tilgung nach Ostertag und
die von Behring begründete Schutzimpfung; von dem Wege,
alle auf Tuberkulin reagierenden Rinder der Schlachtbank zu
überweisen, ist man bekanntlich wegen der enormen Verluste
nach Versuchen in Massachusetts und in Belgien abgegangen.
Das Tuberkulin hat nur als Diagnostikum Bedeutung behalten.
Nach dem Verfahren von Bang werden die auf Tuberkulin
reagierenden Tiere von den niclitreagierenden getrennt, und es
wird eine tuberkulosefreie Aufzucht des gesamten Nachwuchses
angestrebt. Das Verfahren ist in Preußen von Ostertag auf
Veranlassung des Landwirtschafts-Ministeriums eingehend ge¬
prüft, aber keiner der angestellten Versuche hatte ein befrie¬
digendes Ergebnis. Das wesentlichste Hindernis war die nicht
vollkommene Zuverlässigkeit der Tuberkulinprobe. Das Tuber¬
kulin ist ein zu feines Reagens, es verdächtigt zahlreiche Tiere
mit belanglosen Veränderungen, während etwa 10 Proz. der
nicht reagierenden Rinder trotzdem tuberkulös sind und Neu¬
infektionen bedingen. In Dänemark, Schweden, Norwegen und
Ungarn hat man mit dem Bangschen Verfahren vielfach gute
Erfolge erzielt und dasselbe kann für Bestände, in welchen die
Verhältnisse günstig liegen, empfohlen werden, zur allgemeinen
Durchführung in den von der Tuberkulose stärker heimgesuchten
Ländern, wie in Deutschland, eignet es sich aber nicht.
Das Verfahren nach Ost er tag basiert auf der klinischen Unter¬
suchung der Bestände und dem Ausmerzen der gefährlich tuber¬
kulösen Tiere, die den Ansteckungsstoff ausscheiden. Dazu ge¬
hören die Tiere mit offener Lungen-, Darm-, Gebärmutter-, Euter-
und Hodentuberkulose. Zwischen den periodischen klinischen
und bakteriologischen Untersuchungen der einzelnen Tiere und
verdächtigen Milchproben werden Gesamtmilchproben auf ihren
Gehalt an Tuberkelbazillen geprüft. Das Ausmerzen läßt sich,
da es sich nur um wenige Prozent handelt, ohne wirtschaftliche
Schwierigkeit durchführen. Hand in Hand mit der Beseitigung
der gefährlich tuberkulösen Tiere erfolgt eine tuberkulosefreie
Aufzucht der Kälber. Das Verfahren ist bereits von mehreren
Landwirtschaftskammern und Herdbuchgesellschaften eingeführt.
Der offensichtliche Erfolg ist erkennbar an dem beträchtlichen
Rückgang der mit offener Tuberkulose behafteten Tiere. In
Ostpreußen wurden von diesen 1900 ermittelt 2,7 Proz. und 1904
1,3 Proz., in Pommern 1902 2,93 Proz. und 1906 0,60 Proz.,
in Brandenburg 1903 3,46 Proz., 1907 1,50 Proz., in Schleswig-
Holstein 1903 2,80 Proz., 1905,06 1,93 Proz. und in der Provinz
Sachsen 1903 3,60 Proz. und 1906 07 2,41 Proz. Parallel mit
dieser Abnalme läuft ein Zurückgehen der Schweinetuberkulose,
und die Resultate der Tuberkulinimpfungen deuten auch ein
starkes Herabgehen der Tuberkulose bei den Kälbern an. Die
zweite Etappe in dem Tilgungsplan ist die allgemein durchgeführte
tuberkulosefreie Aufzucht und die Tuberkulinimpfung der Kälber,
zur endgültigen Tilgung gelangt der Besitzer dadurch, daß er
früher oder später die tuberkulosefreie Nachzucht in einem Stall
unterbringt, in dem sich tuberkulöse Rinder noch nicht befunden
haben. Das Verfahren wird langsam aber sicher zum Ziele
führen, da dem Besitzer Enttäuschungen erspart bleiben.
Die Schutzimpfung nach v. Behring mit dem Bovovakzin
und die nach gleichen Prinzipien arbeitende Impfung mit
Tauruman sind eingehender von Rossignol und Vallüe, von
Hutyra und von Eber geprüft worden. Nach Rossignol
und Vallüe nimmt die anfangs ziemlich bedeutende Resistenz
gegenüber der intravenösen Infektion rasch ab und verschwindet
bereits bei manchen Tieren gegen das Ende des ersten Jahres,
die Widerstandsfähigkeit gegenüber der natürlichen Ansteckung
ist wenig ausgesprochen und erstreckt sich nicht auf mehr als
wenige Monate. Nach Hutyra ist die Widerstandskraft gegen¬
über künstlicher Infektion zwar zunächst bedeutend erhöht,
nimmt aber bereits gegen Ende des ersten Jahres erheblich ab
und ist nach 1 l /a Jahren vollends erloschen. Die einmalige
subkutane Infektion menschlicher Tuberkelbazillen, wie sie von v.
Baumgarten, Ligni^res und Klimmer empfehlen, beurteilt
Hutyra hinsichtlich der Schutzwirkung wie die zweimalige
intravenöse Impfung. Die einmalige intravenöse Impfung mit
Tauruman dürfte noch geringere Schutzkraft verleihen. Auch
nach Eber zeigen die schutzgeimpften Tiere erhöhte Wider¬
standskraft, auch gegen natürliche Ansteckung, sie ist aber nicht
9. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
43
ausreichend, um die Impflinge vor wiederholten natürlichen In¬
fektionen zu bewahren. Das Turuman ist wie das Bovovaccin
zu beurteilen.
Diese Resultate müssen sehr ernüchternd wirken, und in
der heutigen Form ist die Schutzimpfung jedenfalls nicht zu
empfehlen. Einer wiederholten Verimpfung menschlicher Tuberkel¬
bazillen steht außerdem entgegen, daß diese sich lange, nach
LigniereB bei subkutaner Infektion bis zu zwei Jahren, im
Körper lebensfähig halten. Dadurch wird die Verwendung des
Fleisches der Impflinge beeinträchtigt, und die Ausscheidung
der Bazillen durch die Milch bei vielfach anscheinend intaktem
Euter muß eine ernste Warnung sein, mit der Impfung nicht
zu weit zu gehen.
Die Tilgung der Tuberkulose nach den Verfahren von
Bang und Ostertag kann gefördert werden durch Einfüh¬
rung der Anzeigepflicht für die gefährlichen Formen der Tuber¬
kulose und eine Entschädigung für die nach der amtstierärtlichen
Bestätigung zwangsweise abzuschlachtenden Tiere. In Deutsch¬
land werden demnächst durch die Novelle zum Reichsvieh¬
seuchengesetz derartige Maßnahmen zur Einführung gelangen.
Das Gutachten Proskaners über die dänische Milch.
Geheimer Regierungsrat Proskauer hat im Aufträge des
Kultusministeriums in dem Institut für Infektionskrankheiten
Untersuchungen über die Beschaffenheit der in Berlin eingeführten
dänischen Milch, der sogenannten „Kampfmilch“, angestellt und
die Ergebnisse derselben in der „Zeitschrift für Hygiene“, Bd. 57,
Seite 173—247 publiziert. Sein Gutachten wird, wie bereits in
der B. T. W. 1907, Seite 844 kurz mitgeteilt wurde, seitens
läffdfairf&fch&ftlicheW 1 'Kreist ‘lebhaft”' angfegfifröh*
und als nicht zutreffend hingestellt. Das Landesökonomie-
koUegium hat gegen die Schlußfolgerungen protestiert.
Die dänische Milch gelangte über Holby, Aarhus oder
Horsens zunächst in Kannen, später in Tankwagen nach Deutsch¬
land, wobei die Dauer des Transports bis Berlin mindestens 11,
oft 18 und wiederholt auch bis zur Abgabe an die Milchhändler
36 Stunden betrug. Die in Tanks eingeführte Milch war noch
beträchtlich länger unterwegs, und weil eine Kontrolle nicht
möglich ist, wie lange nach der Gewinnung die Verladung statt¬
fand, fehlt auch eine genaue Übersicht über das tatsächliche
Alter der Milch, doch dürfte es sich des Transports und der
Verladung wegen meist um ziemlich alte Milch handeln. Da
es ferner bis 24 Stunden dauerte, bis die Milch in die Hände
der Konsumenten gelangte, lagen Verhältnisse vor, die unver¬
kennbar hygienische Nachteile hinsichtlich des Vertriebs der
Milch bedeuten.
Die Tankwagen enthalten zwei voneinander durch einen
Gang getrennte Behälter, die je 6000 1 fassen. Die Einfüll¬
öffnung befindet sich an der Decke der Wagen, der Ausfluß
erfolgt durch einen Stutzen an der Außenwand, nach welchem
hin der Boden so geneigt ist, daß die Milch vollständig entleert
werden kann. Die Milch wird vor dem Transport auf 80—84°
Celsius erhitzt und soll nach den Lieferungsbedingungen 2,9 Proz.
Fett aufweisen.
Der Transport in den Tanks ist hygienisch nicht einwand¬
frei, da eine gründliche Reinigung der Behälter nicht erfolgen
kann und durch die gärenden Überreste jede neue Ladung sofort
infiziert wird. Der Bericht schildert auch beträchtliche Mi߬
stände bei der Entnahme der Milch. Die Schläuche, welche
zum Überfüllen aus dem Tank in die Kannen benutzt wurden,
waren oft schmutzig, da sie auf die Erde geworfen wurden.
Die Verschraubungen schlossen vielfach nicht, so daß sich an
den Verschlüssen Milch entleerte. Die Undichtheiten wurden
von den Wärtern mit den Händen zu dichten gesucht, über
deren schmutzige Hände dann Milch in die Kannen floß. Die
Schläuche enthielten Milchreste von früheren Abfüllungen und
die Kannen und Schöpfgefäße ließen an Reinlichkeit zu wünschen
übrig. Proskauer betont daher in seinem Bericht, daß die
Dauer des Transports und die Art der Verteilung der Tank¬
milch geeignet seien, die dänische Milch nach ihrem Abgang
aus Dänemark zu verschlechtern.
Die Untersuchungen erfolgten, um ein Urteil über die Frage
zu gewinnen, ob die dänische Milch sich für die Versorgung
Berlins eigne, außer durch die Analyse in erster Linie durch
Bestimmung des Keimgehalts. Geprüft wurden 13 direkt aus
den Tankwagen geschöpfte Proben und zum Vergleich 5 aus
Kuhställen und 9 aus Milchgeschäften in Berlin entnommene.
Als im Sommer 1906 der Versand in Tanks eingestellt wurde
und die Milch wieder in Kannen ankam, wurden die Prüfungen
mit dieser fortgesetzt und zum Vergleich die Berliner Handels¬
milch und die Milch aus pommerschen Sammelmolkereien unter¬
sucht. Die pommersche Milch war im Gegensatz zu der
dänischen nicht erhitzt.
Der Fettgehalt der dänischen Milch betrug 2,8 bis 3,3 Proz.
im Sommer und 2,9 bis 3,7 Proz. im Winter, der pommerschen
Milch 3,3 bis 3,7 Proz., das spezifische Gewicht der dänischen
Milch war im Sommer 1,027 bis 1,034, im Winter 1,033 bis
1,035, der pommerschen durchschnittlich 1,031.
' Der Iteimgehalt ‘ der ' dKnisctien Milch betrug im Sommer
in Kubikzentimenter 5 Mill. bis unzählbar, im Winter durch¬
schnittlich 2,1 Mill., der Berliner Handelsmilch im Sommer
3,5 Mill., im Winter 567000, der pommerschen Milch im Durch¬
schnitt zirka 600 000.
Der Säuerungsgrad der dänischen Milch erwies sich bei der
Ankunft als ebenso niedrig wie bei der pommerschen, die Ge¬
rinnung beim Kochen und bei der Alkoholprobe trat bei der
dänischen Milch im allgemeinen früher ein, als bei den Proben
deutscher Herkunft. Die dänische Milch war schmutzreicher
als die deutsche.
Der Vergleich ergab also nach Proskauer, daß der Keim¬
gehalt der dänischen Sommer- und Wintermilch ein höherer war,
als der Berliner Handelsmilch und die dänische Milch neigte
etwas mehr zur Säuerung. Die pommersche Milch war keim¬
ärmer und in vielen Fällen haltbarer als die dänische und die
Berliner Handelsmilch. Zusammenfassend ist zu sagen, daß
unter Berücksichtigung der Transportverhältnisse die dänische
Sommermilch der Berliner Milch in biologischer Beziehung im
allgemeinen nur wenig nachsteht, sie in chemischer Hinsicht
sogar übertrifft. Vom hygienischen Standpunkt aus ist die
dänische Milch also für den Handel als zulässig zu erklären.
Dagegen ist sie zur Ernährung von Säuglingen in der
festgestellten Beschaffenheit ebensowenig geeignet, wie die
Wintermilch.
Gegenüber dem Gutachten wird von landwirtschaftlicher
Seite darauf hingewiesen, daß die dänische Milch, weil sie er¬
hitzt sei, anders zu beurteilen wäre, als die deutsche und eine
geringere Qualität darstelle, weil erfahrungsgemäß erhitzte
Milch keine Neigung zur Säuerung, sondern leicht faulige Zer
44
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Setzung zeige, welch letztere erfahrungsgemäß oft Gesundheits-
Schädlichkeit bedinge. Bemängelt wird des weiteren, daß die
Berliner Proben aus den Milchgeschäften, die dänischen dagegen
sofort bei der Ankunft entnommen seien, demnach gar nicht in
Vergleich gestellt werden konnten. Bis auch die dänische Milch
in den Geschäften für den Kleinhandel bereitgestellt sei, wäre
sie ohne Zweifel beträchtlich keimreicher geworden und über¬
haupt in ihrer Qualität verschlechtert. Demnach sei das Gut¬
achten für die dänische Milch zu günstig ausgefallen.
Über die Mitwirkung der Tierärzte in den
Ortsgesnndheits-Kommissionen.
Von Bezirkstierarzt A. Meier-Konstanz.
(Zeitschrift für Fleisch- and Milchhygiene XVIII. Jahrg. 1907, S. 82.)
Die allgemeine Wertschätzung, die man heute der Ent¬
wicklung der Hygiene zuwendet, wird nicht zum wenigsten be¬
wiesen durch die zunehmende Einrichtung von Ortsgesundheits-
Kommissionen oder Ortsgesundheitsräten. Diese dürften wohl in
keiner namhaften Stadt gegenwärtig fehlen. Sie haben die
Aufgabe, die Gemeinden auf dem Gebiete der öffentlichen Ge¬
sundheitspflege zu belehren und zu beraten z. B. hinsichtlich
der Wasserversorgung, Wohnungshygiene, des Abfuhrwesens,
Krankenhauswesens, Begräbnis wesens, der Nahrungsmittel¬
hygiene usw. Die Zusammensetzung der Kommissionen pflegt
den Aufgaben entsprechend vorgesehen zu sein, doch vermißt
man unter den Mitgliedern, besonders in den norddeutschen
Städten, vielfach die Tierärzte, trotzdem zwei wichtige Gebiete,
welche die Tierärzte zu vertreten haben, die Fleisch- und
Milchhygiene, bei den Beratungen naturgemäß eine besondere
Wichtigkeit besitzen. Es muß daher die Zuziehung der Tier¬
ärzte zu den Ortsgesundheitskommissionen mehr als bisher an¬
geregt werden, und letztere dürften die Mitarbeit des Tierarztes
sicherlich im Interesse der Bevölkerung gern annehmen.
Über die Notwendigkeit der Ausdehnung der Unter¬
suchung (Fleischbeschau) auf das Wildbret.
Von Polizeitierarzt Borchmann -Berlin.
(Sonderabdruck aui dem Archiv für wiasensch. und praktische Tierheilkunde, Bd. 33.)
In einer außerordentlich fleißigen und eingehenden Arbeit
bespricht Verfasser die Notwendigkeit und Durchführung der
Wildbretbeschau. Die Darlegungen erstrecken sich sowohl auf
das Haarwild, wie auf das Flugwild. Die Notwendigkeit der
Beschau ergibt sich aus der großen Menge des jährlich auf den
Markt gelangenden Wildes und den häufig anzutreffenden sanitäts¬
polizeilich wichtigen Erkrankungen. Im Jahre 1885—86 um¬
faßte der Abschuß in Preußen unter anderem 14 986 Stück
Rotwild, 8586 Stück Damwild, 109 702 Stück Rehwild, 9391 Stück
Schwarzwild, 2,3 Mill. Hasen und 2,5 Mill. Rebhühner, zusammen
in einem Werte von etwa 11,8 Mill. Mark. Der Wert des Wild¬
bestandes in Preußen dürfte 50 Mill. Mark betragen. An
tierischen Parasiten kommen in Betracht die Schweinefinnen
die Trichinen, die Echinococcen, die Larven von Pentastomum
taenioides, mehrere Strongylidenarten im Respirations- und Ver¬
dauungsapparat, Leberegel, dünnhalsige und erbsenförmige
Finnen, Quesenwürmer und verschiedene Protozoen. An
wichtigen Erkrankungen und Seuchen sind weiterhin zu nennen
Pyämie, Septikämie, Milzbrand, Aphthenseuche, Tuberkulose,
Pseudotuberkulose, Aktinomykose, Wildseuche, Rauschbrand,
Schweineseuche, Geflügelcholera und -diphtherie. Außerdem be¬
obachtet man pathologische Produkte verschiedener Art, z. B. Ge¬
schwülste, Vergiftungen, Geruchs- und Geschmacksabweichungen
und Abmagerung. Von postmortalen Veränderungen nennt B.
das Reifen, Hautgout, das Verhitztsein und die Fäulnis, ferner
im Anschluß daran einige Verfälschungen. Verfasser bespricht
endlich die veterinärpolizeilichen und veterinärhygienischen, die
wirtschaftlichen und jagdpolizeilichen Gründe, welche die Wild¬
bretbeschau erforderlich machen und die praktische Durch¬
führung. Die Untersuchung darf nur durch einen Tierarzt ge¬
schehen. Die Regelung der Materie erfolgt am besten durch
Polizeiverordnung, wobei B. ein Muster nebst Anweisungen für
die Untersuchung und das Verfahren nach der Untersuchung
aufstellt.
Borchmann gelangt zu nachstehenden Schlußfolgerungen:
1. Das Wildbret ist ein wichtiges menschliches Nahrungs¬
und Genußmittel.
2. In Großstädten besonders kommt häufig verdorbenes und
gesundheitsschädliches (verhitztes, faules, krankes, erdrosseltes,
krepiertes) Wild in den freien Verkehr.
3. Die derzeitige Kontrolle des Marktverkehrs mit Wildbret
ermöglicht es nicht, erfolgreich hiergegen einzuschreiten.
4. Die Erkennung solchen Wildbrets setzt besondere Sach¬
kenntnis voraus, so daß der Konsument hierzu nicht imstande ist.
5. Die Gefahren, die letzterem durch den Genuß ver¬
dorbenen oder gesundheitsschädlichen Wildbrets drohen, sind
erhebliche.
6. Von Infektions- und Invasionskrankheiten befallenes Wild
bildet für den Menschen zum Teil dieselbe Gefahr und ermöglicht
die Übertragung dieser Krankheiten ebenso, wie das an solchen
erkrankte Vieh.
7. Die Schutzmaßregeln, die eine Verbreitung ' von' Tier¬
seuchen verhüten sollen, auf deren Durchführung die Veterinär¬
polizei beim Vieh strengstens achtet, werden durch den Verkehr
mit ununtersuchtem Wildfleisch teilweise illusorisch gemacht.
8. Durch die Beschau des Wildbrets werden die Seuchen
unter dem Wilde, die jetzt erst sehr spät zur Kenntnis ge¬
langen, rechtzeitig entdeckt, ihre Weiterverbreitung sowie die
Übertragung auf das Vieh verhindert, ferner wird der recht¬
zeitige Abschuß seuchekranken Wildes ermöglicht, hierdurch
einer unnötigen Dezimierung desselben vorgebeugt und dem
Nationalvermögen erhebliches Kapital erhalten.
9. Das Streben der Veterinärhygiene, der Weiterverbreitung
tierischer Schmarotzer und dem Umsichgreifen von Infektions¬
krankheiten beim Vieh und Wild vorzubeugen, kann erst von
dem erwarteten Erfolge gekrönt sein, wenn die bestehende
Fleischbeschau durch die Wildbretbeschau verbunden mit Selbst¬
hilfe sowie entsprechender öffentlicher Belehrung ergänzt und
unterstützt wird. Mit der Entwurmung der Wild- und Viehbestände
wird außerdem die Entwurmung des Menschen gefördert.
10. Der Konsument bekommt häufig minderwertiges Wild¬
bret zu den Preisen des vollwertigen berechnet, ohne es zu
wissen und ohne sich dagegen selbst schützen zu können.
11. Der durch die Wildbretbeschau gegebenenfalls ermittelte
Minderwert kommt nicht nur dem Konsumenten, sondern auch
dem Verkäufer (Jäger) und Wiederverkäufer (Händler) zugute.
12. Die Wildbretbeschau trägt zur Verbesserung des Handels
mit Wild bei.
13. Die Überwachung des Wildschon- und Vogelschutz¬
gesetzes, die heute den damit betrauten Polizeibeamten z. T.
unüberwindliche Schwierigkeiten verursacht, kann bei der Wild-
9. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
45
bretbeschau von diesen unter dem sachverständigen Beistand
des Tierarztes in vollem Umfange leicht und erfolgreich ans-
gefnhrt werden und bildet hierdurch das wirksamste Mittel
gegen die Wilddieberei.
14. Unsere Kenntnisse auf dem Gebiete der Wildkrankheiten
werden bereichert, wodurch wieder die Lösung praktischer Fragen
gefordert wird.
Die durch die Maßnahmen der Wildbretbeschau bedingten
Ergebnisse kommen somit ebensosehr der menschlichen Gesund¬
heit wie auch dem Nationalvermögen zugute.
Fleischbeschau beim Wildbret.
Die eingehende Arbeit Borchmanns Aber die Beschau des
Wildbrets hat nicht nur bei (len Tierärzten die verdiente Beachtung
und Anerkennung gefunden, sondern ist nicht minder in Inter¬
essentenkreisen gewürdigt worden, nach den Preßstimmen in der
Tagespresse und Fachpresse der Fleischer im allgemeinen zustimmend.
Ablehnend verhält sich die „Deutsche Tageszeitung“, welche über die
Ausdehnung der Fleischbeschau auf das Wildbret sich folgendermaßen
ausläßt: „Im allgemeinen ist man der Meinung, daß die Markt¬
kontrolle, wie sie jetzt eingeführt ist, genüge. Eine neue Polizei¬
verordnung würde nur das Geschäft erschweren und im Kleinhandel
eine Verteuerung des Wildes herbeiführen. Auch in Jägerkreisen
scheint man dem Borchmann sehen Vorschläge nicht gerade sym¬
pathisch gegenüber zu stehen. Man befürchtet hier mit Recht den
Schematismus, bei dem der unumgängliche Formelkram größeren
Schaden stiftet, als die Sache an und für sich Nutzen verspricht.
Verdorbenes Wildbret wird auch heute schon von Tierärzten, welche
die Kontrolle in der Markthalle ausüben, erkannt und herausgefunden,
um vernichtet zu werden, ohne daß weiter viel Aufhebens davon
gemacht wird. Die Einführung der obligatorischen Wildbretbeschau
analog der Fleischbeschau würde auch notwendigerweise die Ver¬
mehrung der veterinärpolizeilichen Beamten zur Folge haben; trotz¬
dem würde das Wildbret bedeutend länger als heute lagern müssen,
bevor es in die Hände des Konsumenten kommt. Und eine Wild¬
bretbeschau für Berlin allein? Da würde verdorbenes Wild nach
irgendeinem anderen Platze geschickt und in den Handel gebracht
werden. Dadurch würde aber die Sache vom hygienischen Stand¬
punkte nur verschlimmert werden, weil hier das Wildfleisch gar
keiner Kontrolle unterworfen wäre, während die Berliner Kontrolle
leidlich ihren Zweck erfüllt hat.“
Deutsch-dänischer Handelsvertrag.
Die „Volkwirtschaftliche Korrespondenz“ bemerkt bei der
Besprechung der schwebenden Handelsvertragsverhandlungen,
daß lediglich wirtschaftliche Beziehungen hierbei in Betracht
zu kommen hätten. Dänemark habe mindestens das gleiche
Interesse hieran, wie das Deutsche Reich. Die dänische Volks¬
vertretung hätte Gelegenheit den Vertrag abzulehnen, wenn sie
glaubte, er sei für Dänemark nachteilig. Jedenfalls werde man
sich von den wirtschaftlichen Vorteilen überzeugen, die er
zweifellos der Landwirtschaft und anderen Erwerbszweigen
Dänemarks bringen werde. Vorläufig hänge der Vertrags¬
abschluß davon ab, ob der neue dänische Zolltarif vom Parla¬
ment angenommen werde. — Dänemark hat es verstanden,
seine Hochflut landwirtschaftlicher Erzeugnisse allmählich nach
Deutschland abzuwälzen. Fleisch, Milch, Rahm, Butter, Fische,
Eier machen der deutschen Landwirtschaft und Fischerei schwere
Konkurrenz. Allgemach ladet man die Gegenstände, für die
der sonst so befreundete John Bull keine Verwendung hat, weil
er zu wählerisch ist, nach Deutschland ab. Umsomehr muß es
Sache des Deutschen Reiches sein, auch sein Interesse zu
wahren und nur solche Waren, z. B. Vieh, einzulassen, das
tadellos ist. Man hat so viel über die Quarantäne geschimpft.
Es scheint aber, wie auch Herr Geheimrat Professor Schütz
in einem Vortrag in der Landwirtschaftsgesellschaft seinerzeit
beklagte, nicht möglich bis jetzt gewesen zu sein, auch das
anderweitige minderwertige dänische Vieh von den deutschen
Landen fernzuhalten. Man lege deshalb vor allem eine Alters¬
grenze für den Viehimport, ähnlich wie bei Militärlieferungen
fest. Nicht allein tuberkulös verdächtiges, sondern alles ab¬
gemagerte Vieh mögen die Danskes selber essen, damit das
Deutsche Reich nicht Zufluchtstätte von alten 15—20jährigen
Kühen wird, oder das dänische Vieh gar noch besser verwertet
wird, als das einheimische deutsche. Bringt es Holland fertig,
größtenteils Vieh guter Qualität zu liefern, so müßte es doch
auch, sollte man meinen, der deutschen Regierung möglich sein,
zweifelhafte Qualitäten vom Lande des Danebrog an den
schwarz-weiß-roten Pfählen zurückzuhalten, einerlei ob die
Danskes es vorher geimpft haben, damit die deutsche Prüfung
illusorisch wird oder nicht. Dr. G.
Öffentliche Nahrungsmittel-Untersuchungsanstalt in Köln.
Nach der Kölnischen Zeitung ist neuerdings eine öffentliche
städtische Nahrungsmittel-Untersuchungsanstalt an Stelle der
bisher vorhandenen Kontrolle der Lebensmittel (an der auch
Tierärzte unentgeltlich teilnehmen) eingerichtet worden. Es ist
nun beabsichtigt, gefordert vom Minister, einen städtischen
Chemiker anzustellen, ebenso zwei Assistenten, samt Hülfs-
personal. Zum Leiter der neuen Anstalt ist ein Dr. Große-
Bohle, bisher Assistent am städtischen bakteriologischen Labo¬
ratorium, ernannt worden. Der bisherige langjährige Chemiker
der Stadt, Stadtverordnete Kyll wird somit abtreten, vorläufig,
aber noch bis die Genehmigung des Ministeriums für das neue
Institut eingeholt ist, fungieren. Wie gemeldet wird, hat sich
die Stadt zuerst gewehrt, dann aber in Erwartung der kommenden
finanziellen Ergebnisses nachgegeben. Überblickt man alle diese
Nenerrichtungen von Nahrungsmittel-Untersuchungsanstalten, so
haben die Tierärzte samt und sonders schlecht abgeschnitten.
Es scheint demnach, daß es ihnen „nach oben'* bei der Be¬
setzung der Stellen am rechten Einfluß gefehlt hat, mindestens
aber der Wert der Untersuchung animalischer Lebensmittel
durch Tierärzte nicht genügend anerkannt wurde.*) In der
Errichtung derlei Anstalten war bisher ein bestimmtes System
zu erblicken, in der Tierärzte bis jetzt nicht eingefügt wurden.
Möglicherweise wird die kommende Wilduntersuchung auch
chemisch „gemacht'*, wenn sich die Tierärzte nicht bald wehren.
Dr. G.
Gewichtsverlust des Schlachtviehs auf dem Transport.
Um den ungünstigen Einfluß längerer Eisenbahntransporte auf
das Befinden der Tiere, besonders bei Ausstellungen, auszuschalten,
hat z. B. die Leitung der Pariser Mastviehausstellungen die Ein¬
richtung getroffen, daß die Tiere bereits drei Tage vor der Schau
in ihrem Stande in der Ausstellung aufzustellen sind. Sie können
sich dann genügend von der Reise erholen. Wie nachteilig letztere
das Gewicht beeinflussen kann, darauf wird in der „Allgemeinen
Fleischer Zeitung“ hingewiesen. Die Tiere waren 48 Stunden
unterwegs gewesen, aber vor dem Wiegen bereits 24 Stunden
ausgeruht und ordentlich gefüttert. Trotzdem hatten an Gewicht
verloren: alte Ochsen im Durchschnittsgewicht von 900 kg das
Stück 15—32 kg, durchschnittlich 21 kg oder 2,33 Proz. zwei- bis
zweieinhalbjährige Jungochsen im Durchschnittsgewicht von 751,2 kg
durchschnittlich 21,7 kg oder 2,89 Proz.; Kühe im Durchschnitts¬
gewicht von 804 kg 0—30 kg, durchschnittlich 14 kg oder 1,74 Proz.
*) Hierzu ist ergänzend zu bemerken, daß in Köln die animali¬
schen Nahrungsmittel von der Untersuchungsanstalt zur tierärztlichen
I Begutachtung an das Schlachthoflaboratorium abgegeben werden.
46
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
Schlachtvieh- und Fleischbeschau in Deutschland im III. Quartal 1907.
(Zusammcngestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt)
Zahl der Tiere, an denen dio Schlachtvieh- und Fleischbeschau vorgenommen wurde
Staaten
und
Landesteile
Pferde
und
andere
Einhufer
Ochsen
Bullen
Kühe
Jung¬
rinder
über
3 Mon
Kälber
bis
ate alt
Schweine
Schafe
Ziegen
Hunde
Provinz Ostpreußen.
350
1 176
1 959
8 226
8 560
14 946
78 478
61 765
875
,, Westpreußen ....
205
730
2 721
7 02»i
4 543
14 402
77 487
20 810
1 034
—
Stadt Berlin.
2 500
17 934
9 905
3 671
5 539
43 286
267 064
129 997
40
—
Provinz Brandenburg ....
2 125
3 740
9 788
24 491
11 460
49 536
221 274
45 779
1 021
3
„ Pommern
313
300
3 202
8 642
3 237
21 313
78 002
10 753
317
—
„ Posen .
98
580
1 631
7 179
5 417
25 322
109 424
18 532
7 356
1
„ Schlesien.
2 577
3 552
15 225
31 823
23 761
99 543
330 243
27 8S2
8 969
237
,, Sachsen.
1 996
2 829
G 726
17 583
8 777
37 416
189 234
37 426
1 488
47
„ Schleswig-HoU teiu . .
808
4 952
2 193
11 092
»; 738
15 674
71 343
18 596
166
8
„ Hannover.
1 024
4 001
6 240
11 974
8 149
31 185
124 677
55 734
564
—i
Westfalen ......
2 08-1
2 678
6 000
39 825
9 497
41 548
164 421
7 772
1 973
—
„ Hessen-Nassau ....
498
9 372
1 902
16 296
13 701
50 264
129 710
14 628
1 272
—
„ Rheinland.
3 427
20 690
9 073
02 978
24 466
102 072
396 301
28 325
4 420
19
Holienzollern ... ....
111
24
301
649
980
1 417
50
16
Königreich Preußen .
18 664
73 205
77 021
250 010
134 494
547 487
2 239 075
507 549
24 506
315
Königreich Bayern .
2 239
30 796
14 202
i:; 154
45 281
194 768
468 496
36 835
3 616
95
Königreich Sachsen .
2 063
8 722
10 377
36 802
5 880
111 804
295 549
52 412
3 979
484
Württemberg .
168
4 970
3 769
9711
26 432
49 439
116 491
6 356
1 140
13
Baden .
333
7 668
3 081
9 322
22 894
47 877
119 646
7112
1341
4
Hessen.
206
4 674
593
8 648
10 842
20 282
90 094
2 901
2102
—
Mecklenburg-Schwerin ....
235
208
1968
4 657
1 710
11 806
27 923
14 065
221
—
Sachsen-Weimar.
92
437
268
1 903
1951
7 120
22 418
4 495
403
3
Mecklenburg-Strelitz.
54
27
94
478
218
1539
5 024
2 038
21
—
Oldenburg .
76
460
174
1747
1517
3115
12 553
3 678
59
—
Braunschweig.
90
238
2 098
1 134
2 607
6 548
39 664
7 782
103
1
Sachsen-Meiningen.
52
400
194
1248
1 669
3 960
14 885
2 494
133
—
Sachsen-Altenburg.
47
67
318
1 749
696
3 815
12197
1 249
138
1
Sachsen-Koburg-Gotha ....
72 |
363
148
1 641
1444
4 237
18 559
4 516
386
5
Anhalt.
328
287
737
1319
674
3 409
22 641
4 264
133
29
Schwarzburg-Sondershausen . .
4
42
57
879
374
1463
5 854
1 125
53
—
Schwarzburg-Rudolstadt . . .
7
60
80
507
585
1754
5 843
1079
5
—
Waldeck .
—
80
97
196
641
2159
1 554
823
53
—
Reuß ältere Linie .
18
119
123
397
314
1 195
4 852
856
33
2
Reuß jüngere Linie .
52
183
263
1 142
784
2 340
11220
1994
84
—
Schaumburg-Lippe .
3
2
31
250
95
492
1327
126
46
—
Lippe .
29
12
314
665
308
1 714
3 852
* 523
141
—
Lübeck .
126
72
429
1963
332
2 849
8 368
2 229
85
—
Bremen.
435
2 047
1212
763
836
4125
1 26 714
5 575
7
—
Hamburg.
1077
6 906
1 571
2 073
6 537
14 371
91 012
25 259
39
—
Elsaß-Lothringen.
735
5 069
1 828
20 014
s 312
41 310
83 849
10 530
505
—
Deutsches Reich ....
27 205
147 114
121 047
402 372
277 457
1 090 978
3 749 660
707 865
39 332
952
Dagegen im 2. Vierteljahr 1907 .
25 366
134 278
106 983
! 369 207
203 918
1 187 195
3 711 571
434 742
178 918
943
» . 1. „ 1907 .
37 402
141 078
96 968
, 392 623
183 989
1 053 585
4 076 384
440 346
131 699
2 278
Zur Freizügigkeit des Fleisches.
Fleisch, welches innerhalb des Deutschen Reiches der amtlichen
Untersuchung unterlegen hat, darf einer abermaligen amtlichen
Untersuchung bekanntlich nur zu dem Zwecke unterworfen werden,
um festzustellen, ob es inzwischen verdorben oder sonst eine ge¬
sundheitsschädliche Veränderung seiner Beschaffenheit erlitten hat.
Diese Bestimmung des Fleischbeschaugesetzes griff in die Interessen
der Städte ein, welche für das eingeführte Fleisch die Unter¬
suchungspflicht vorgeschrieben hatten, und sie ist entsprechend be¬
kämpft worden. Immerhin ist jetzt der Vorschrift wohl überall
Rechnung getragen worden durch Abänderung der Regulative.
Neuerdings hat sich das Kammergericht mit der Frage der Frei¬
zügigkeit des Fleisches zu beschäftigen gehabt und eine bemerkens¬
werte Entscheidung darüber gefällt, in welcher Form die zulässige
amtliche Untersuchung auf die Verderbnis nach der Schlachtung
vorgeschrieben werden darf. Die Polizeiverwaltung in Husum hatte
für die Stadt eine Verordnung erlassen, nach welcher alles ein¬
geführte Fleisch der erwähnten Kontrolle durch die Fleischbeschau
in Husum unterliegen soll. Ein Metzger hatte nun eine Kalbsleber
eingeführt, ohne sie untersuchen zu lassen. Das Schöffengericht
und die Strafkammer verurteilten ihn dieserhalb, das Kammergericht
erklärte indessen die Polizeiverordnung für ungültig und sprach den
Angeklagten frei. Die Ungültigkeit ergibt sich aus den Bestimmungen
des Reichsgesetzes über die Schlachtvieh- und Fleischbeschau. Eine
Untersuchung zur Feststellung, ob das Fleisch seit der Beschau
verdorben ist oder sonst eine gesundheitsschädliche Veränderung
der Beschaffenheit erlitten hat, darf nicht ganz allgemein durch
Polizeiverordnungen vorgeschrieben werden, sondern ist nur
ausnahmsweise im einzelnen Falle anzuordnen, wenn
wirklich Grund zu der Annahme besteht, daß das untersuchte
Fleisch wegen der Länge der Zeit seit der Untersuchung oder aus
anderen Gründen tatsächlich verdorben oder sonstwie gesundheits¬
schädlich verändert ist. Würde, so betont das Kammergericht, die
i Nachuntersuchung allgemein vorgeschrieben werden dürfen, so
würde der von dem Reichsgesetz verfolgte Zweck, die Freizügig¬
keit des einmal im Reiche vor und nach der Schlachtung amtlich
| untersuchten Fleisches zu sichern, vereitelt werden.
Atteste bei der Flelscheinfuhr nach den Städten.
Besondere Maßnahmen gegen die Einfuhr von Fleisch in
! die Stadt hat nach der ,,Deutschen Fleischerzeitung“ der Magistrat
von Nürnberg beschlossen. Alle in die Stadt von außerhalb ge¬
langenden Fleischstücke sollen nur mit einem Attest eines beamteten
Tierarztes oder Fleischbeschauers über die erfolgte Lebend- und
Fleischbeschau zur Einfuhr zugelassen werden. Die Attestierung
der Beschau durch den auf dem Fleische befindlichen Stempel will
der Magistrat nicht als genügend anerkennen. — Derartige Vor¬
schriften mögen wohl geplant werden, da sie aber gegen das
| Prinzip der Freizügigkeit des Fleisches verstoßen, würde ihre Un¬
gültigkeit außer Zweifel stehen.
Schlachthofzwang für Schlachtungen gewisser Kategorien
Gewerbetreibender.
Die Gemeinde Bocholt bei Recklinghausen hatte durch Ge¬
meindeverordnung bestimmt, daß außer den Metzgern auch die
Wirte in dem Schlachthause zu schlachten hätten. Ein Wirt, der
dagegen verstieß, wurde zunächst vom Schöffengericht freigesprochen,
9. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
47
auf die eingelegte Berufung indessen von der Strafkammer des
Landgerichts in Bochum zu 2 M. Geldstrafe verurteilt unter der 1
Begründung, daß die in Frage stehende Bestimmung auf Grund i
des Schlachthausgesetzes vom 18.März 1868 rechtsgültig erlassen sei. ;
Betäubung der Schlachttiere.
Der Verband der Tierschutzvereine des Deutschen Reiches hat
in Ausführung eines Beschlusses des letzten Verbandstages in
Nürnberg Eingaben um Erlaß einer Vorschrift an die Deutschen
Regierungen gerichtet, daß bei allen Schlachtungen eine Betäubung
vor der Blutentziehung stattfinden soll.
Abgelehntes Schfichtverbot.
Auf eine Beschwerde des Vorstandes der Synagogengemeindc
über das in Schweidnitz in Aussicht genommene Schächtverbot hat
der Regierungspräsident den Bescheid ergehen lassen, daß der
Erlaß eines Schächtverbotes unzulässig sei. Bekanntlich liegt ;
bereits eine ministerielle Entscheidung in gleichem Sinne vor, die j
anläßlich des Schächtverbotes für die Stadt ßunzlau gefällt wurde. ;
Gültigkeit allgemeiner Anordnungen des Schlachthofdirektors.
Nach der städtischen Schlachthofordnung müssen in Halberstadt
die Inhaber von Kühlhauszellen dieselben jederzeit nach dem Er¬
messen des Schlachthofdirektors, jedoch mindestens wöchentlich
einmal, reinigen. Nach § 24 der örtlichen Polizeiverordnung vom
1. Mai 1901 sind die von dem Aufsichtsbeamten des Schlachthofes
erlassenen Anordnungen ferner unbedingt zu befolgen und Verstöße
mit Geldstrafe bedroht. Zwei Fleischer, die diese Vorschriften nicht |
beachteten und Polizeistrafen erhielten, legten Berufung ein und j
erzielten vor dem Schöffengericht Freisprechung, während die von ;
der Staatsanwaltschaft angerufene höhere Instanz, die Straf- |
kämm er, zu einer Verurteilung gelangte. Das Kammergericht hat 1
nun die Revison der Fleischer zurückgewiesen und ausgesprochen, !
daß allgemeine Anordnungen des Schlachthofdirektors befolgt werden |
müssen* wobei es gleichgültig sei, ob mündliche Befehle erteilt oder
gedruckte Anschläge ausgehängt würden. I
Ein tob der Deutschen Fleischbeschau. j
Auf dem vorjährigen Fleischer-Kongreß der Vereinigten Staaten,
der in Chicago abgehalten wurde, erklärte der Direktor der Fleisch- j
beschau in Cincinnati Dr. J. Good, daß Deutschland die beste j
Fleischbeschau besitze, die es in der Welt gebe. Besonders seien i
die Berliner Einrichtungen musterhaft und als Vorbild zu empfehlen.
Zur Durchführung des Fleischbeschaugesetzes.
Nach Nr. V der Aufzeichnungen über das Resultat der Be¬
sprechungen in der ständigen Kommission für Fleischbeschau- j
angelegenheiten vom 12. und 17. Dezember 1906 und 16. Januar 1907 |
sind gepökelte Schweineschwarten auf Grund der Bestimmungen j
in § 12 des Fleischbeschaugesetzes von der Einfuhr aus dem Aus- j
lande auszuschließen, ebenso gekochte Schweineschwarten. Die j
Beschaustellen für ausländisches Fleisch haben entsprechende J
Weisungen erhalten. Bei beiden Präparaten ist die Unschädlichkeit j
bei dem Genüsse durch Menschen bei der Einfuhr in zuverlässiger
Weise nicht festzustellen. !
Fleischpreise der säohslseben Schlaohtviehversloherung.
Gemäß § 14 des Gesetzes, die staatliche Schlachtviehversicherung
_ J 2. Juni 1898 . J „ ,
betreffend, vom ——-—- - —sind vom Verwaltnngsausschusse der ]
91 A nril 1 Qi iß
Unterzeichneten Anstalt hinsichtlich der in der Zeit vom 1. Januar
bis 31. März 1907 stattfindenden Schlachtungen die der Er¬
mittlung der Entschädigungen nach § 2 des angeführten Gesetzes zu¬
grunde zu legenden Durchschnittspreise für die einzelnen Fleisch¬
gattungen für je 50 kg Schlachtgewicht wie folgt festgesetzt
worden:
A. Ochsen: (I kg demnach)
1. vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlacht-
wertes bis zu 6 Jahren.81,— 1,62
2. junge fleischige — ältere ausgemästete. . . . 77,— 1,54
3. mäßig genährte junge — gut genährte ältere . 71,— 1,42
4. gering genährte jeden Alters.64,— 1,28
5. a) magere.61,— 1,02
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziff. lb
des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.35,— —,70
B. Kalben und Kühe:
1. vollfleischige, ausgemästete Kalben höchsten
Schlachtwertes*). 77,50 1,55
2. vollfleischige, ausgemästete Kühe höchsten
Schlachtwertes bis zu 7 Jahren**).75,— 1,50
3. ältere ausgemästete Kühe und gut entwickelte
jüngere Kühe und Kalben.70,— 1,40
4. gut genährte Kühe und mäßig genährte Kalben 62,— 1,24
5. gering bzw. mäßig genährte Kühe und gering
genährte Kalben. 53,50 1,07
6. a) magere dergl.42,— —,84
b) abgemagerte dergl., soweit sie nicht nach § 1
Ziff. lb des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.30,— —,60
C. Bullen:
1. vollfleischige höchsten Schlachtwertes .... 74,50 1,49
2. mäßig genährte jüngere und gut genährte ältere 70,50 1,41
3. gering genährte. 65,50 1,31
4. a) magere.48,— —,96
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziff. lb
des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.40,— — ,80
D. Schweine:
1. vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlacht¬
wertes und zwar der feineren Rassen und deren
Kreuzungen im Alter bis zu 1 1 / 4 , Jahrenf ) . . 62,— 1,24
2. flelschigef). 59,50 1,19
3. gering entwickelte Mastschweine, sowie aus¬
gemästete Schnitteber (Altschneider) und aus¬
gemästete Sauenff).55,- 1,10
4. nicht ausgemästete Sauen, Schnitteber (Alt¬
schneider), Zuchtsauen und Zuchteber .... 43,— --,86
5. a) magere, bzw. im Ernährungszustände zurück¬
gebliebene Tiere.32,— —,64
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziff. lb
des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.30,— —,60
*) Zu B 1. Unter Kalben sind weibliche Kinder zu verstehen,
welche noch nicht geboren haben. Länger als 5 Monate trächtige
Kalben gehören nicht zu Gruppe B 1.
**) Zn B 2. Länger als 5 Monate trächtige Kühe, sowie Kühe,
welche kurze Zeit nach dem Kalben, oder wegen einer im Anschlüsse
an das Kalben eingetretenen Krankheit geschlachtet werden, gehören
nicht zu Gruppe B 2.
f) Zn D 1 und 2. Zu diesen Gruppen gehören nur Schweine,
welche noch nicht zur Zucht verwendet worden sind.
ff) Zu D 3. Hochträchtige, sowie solche Sauen, welche erst ge¬
ferkelt haben, bzw. noch ihre Jungen ernähren, gehören nur ausnahms¬
weise zu Gruppe D 3, in der Regel aber zu D 4.
Dresden, den 21. Dezember 1907.
Anstalt für staatliche Schlachtviehvcrsichcrung.
Bücheranzeigen und Kritiken.
Vorschriften für das Veterinärwesen In Bayern. Band I, heraus¬
gegeben von Dr. Vogel, Landestierarzt im Königlich Bayerischen
.Staatsministerium des Innern in München.
Unter obigem Titel ist eine neue Zeitschrift entstanden, welche
dazu bestimmt ist, alle in das Gebiet des bayerischen Veterinär-
Verwaltungsdienstes und der tierärztlichen Tätigkeit einschlägigen
Gesetze, Verordnungen, Bekanntmachungen, wichtigeren Ent¬
schließungen, Urteile usw. in übersichtlicher Zusammenstellung und
unter Beifügung entsprechender Erläuterungen fortlaufend zu ver¬
öffentlichen. Sie soll ein flir den regelmäßigen Gebrauch be¬
stimmtes Nachschlagewerk bildeu, welches sich für den bayerischen
I Veterinärbeamten, wie auch für jeden bayerischen Tierarzt
bald als ein unentbehrliches Handbuch erweisen dürfte. Der erste
Band enthält natürlich auch eine Reihe älterer, noch in Kraft be¬
findlicher Bekanntmachungen usw., welche in den nächstfolgenden
Bänden durch die neu hinzukonunenden ergänzt werden sollen. Der
erste Band besteht aus 12 Heften. Heft 1 des zweiten Bandes wird
im Januar 1908 erscheinen. Pr.
Neue Eingänge.
(Besprechung Vorbehalten.)
! Prof. Hermann Dexler, Ärztliche Sachverständigentätig-
I keit auf dem Gebiete der Veterinärmedizin. Mit 28 Ab-
i bildungen im Texte. Wilhelm Braumüller. Wien 1907. Preis 12 M
48
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2.
van Velzen, Das Vorkommen pathogener Mikroorga¬
nismen bei gesunden Schweinen. Haag 1907.
Felix Train, Veterinär-Taschenbuch 1908. 2 Teile. Keinhoid
Kühn. Berlin 1908.
Wandkalender der Spratts Patent Akt.-Ges. Rummelsburg 1908.
Praktischer Ratgeber bei Steuereinschätzung und Steuer¬
reklamation nebst preußischem Einkommensteuergesetz
sowie Ausführungsbestimmungen und Formularen.
L. Schwarz & Co. Berlin.
Zeitschrift für wissenschaftliche und praktische Veteri¬
närmedizin. Herausgegeben von dem Veterinärinstitut zu Jurjew
(Dorpat). Bd. # I, Lfg. 2. 1907.
lnaugural-Dls8ertationen.
Ljubomir Mladenowitsch, Kreistierarzt aus Kruschowatz (Serbien).
Vergleichende anatomische und histologische Unter¬
suchungen über die Regio analis und das Rectum der
Haussäugetiere. (Medizin. Fakultät Leipzig.) Mit 23 Abbildungen.
Dresden 1907.
Richard Helm, Vergleichende anatomische und histo¬
logische Untersuchungen über den Ösophagus der Haus¬
säugetiere. (Veterinärmedizin. Fakultät Zürich) Mit 16 Ab¬
bildungen. Zürich 1907.
Paul Krage, Vergleichende histologische Untersuchungen
über das Präputium der Haussäugetiere. (Veterinär medizin.
Fakultät Zürich.) Mit 4 Tafeln. Zürich 1907.
Paul Massig, Schlachthofdirektor, Über die Verbreitung des
Muskel- und elastischen Gewebes und speziell über den
Verlauf der Muskelfasern in der Wand der Wiederkäuer¬
mägen. (Medizin. Fakultät Gießen.)
Stephan Angeloff, Die grauen durchscheinenden Knötchen
in den Lungen des Pferdes und ihre Beziehung zu der
Rotzkrankheit. (Medizin. Fakultät Gießen.) Mit 3 Tafeln.
L. Schumacher, Berlin 1907.
Sonderabdrücke.
Prof. H. Dexler, Zur Anatomie des Zentralnervensystems
von Elephas indicus. Mit 39 Textfiguren und 2 Tafeln.
(Arbeiten aus dem Neurologischen Institute an der Wiener Univer¬
sität.) Franz Deuticke, Leipzig 1907.
Dr. Karl Gütig, Ein Beitrag zur Morphologie des
Schweineblutes. Mit 2 Tafeln und 4 Textfiguren. (Archiv für
mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Band 70.)
Friedrich Cohen, Bonn 1907.
Dr. Friedrich Karl Pick, Zur feineren Anatomie der Lunge
von Halicore Dugong. (Aus dem tierärztlichen Institute der
K. K. deutschen Universität in Prag.) [Archiv für Naturgeschichte,
herausgegeben von Prof. Dr. W. Weltner.) Nicolaische Verlags¬
buchhandlung R. Stricker, Berlin 1907.
L. Freund, Anomalien des Fisch-Skeletts. (Ergebnisse der
allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie des Menschen
und der Tiere.) I. F. Bergmann, Wiesbaden 1907.
Ellenberger, Über die Beeinflussung der Verdauung und
der Ausnutzung der vegetabilischen Nahrungsmittel
durch die in den Pflanzen vorkommenden Enzyme.
Skandinavisches Archiv für Physiologie, XVIII. Band, 1906.
Prof. E. Levy, Dr. F. Blumenthal und Dr. A. Marxer, Über
Immunisierung gegen die Rotzkrankheit (Zeitschrift für
Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der
Haustiere.) III. Band. 3.-4. Heft. Verlagsbuchhandlung von
Richard Schoetz.
Lydia Rabinowltsch, Über spontane Affentuberkulose, ein
Beitrag zur Tuberkulosefrage. (Virchows Archiv für patho¬
logische Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin.
190. Band. Beiheft.) Georg Reimer, Berlin.
Lydia Rabinowltsch, Geschichte der Immnnisierungsver-
suche gegen Tuberkulose mit Kaltblütertuberkelbazillen
und säurefesten tuberkelbazillenähnlichen Bakterien.
(Aus demselben Heft derselben Zeitschrift.) Georg Reimer, Berlin.
Professor Dr. Koch und Dr. Lydia Rabinowltsch, Die Tuber¬
kulose der Vögel und ihre Beziehungen zur Säugetier¬
tuberkulose. (Aus demselben Heft derselben Zeitschrift) Georg
Reimer, Berlin.
Bericht über die sechste allgemeine Vereinsversamm¬
lung des Vereins preußischer Schlachthoftierärztc zu
Berlin am 15. und 16. Juni 1907. (Deutsche Schlacht- und Vieh¬
hofzeitung.)
Personalien.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Schlacbthof-
assistenztierarzt Hans Streibel- Kottbus zum Assistenten am Hygien.
Institut der Tierärztlichen Hochschule Berlin. — Schlachthof¬
verwaltung: Schlachthofinspektor lind. Schmidt- Lünen zum
Schlachthofdirektor daselbst. Tierarzt Dr. phil. fl 7 . Preller zum
Schlachthoftierarzt in Hannover. — Versetzt: Die Bezirkstierärzte
Uok-Nördlingen und Heinrich Kroner- St. Blasien in gleicher Eigen¬
schaft nach Nürnberg bzw. Schopfheim (Baden).
In den Ruhestand getreten: Staatstierarzt Völlers- Hamburg.
Verzogen: Die Tierärzte Friedrich Kreiner - Sulzbach, Johann
Aräwcr-Obergünzburg, Kurt AcwmaHM-Landsberg a. W. als Assistenten
nach Obergünzburg bzw. Immenstadt bzw. Johannisburg (Ostpr.),
Xaver Ge/Wer-Oberostendorf nach Neuburg [Kammei] (Schwaben).
Promoviert: Die Tierärzte August Walther , Assistent an der
med. Veterinärklinik in Gießen, Berthold Dcnxler , Hilfsarbeiter im
Kgl. Medizinalkollegium in Stuttgart, Stephan An^/o/f-Bulgarien,
Ludwig Z7er»mnn$-Walbeck, August äc/ru/r-Hildesheim zum Doktor
med. vet. in Gießen.
In der Armee: Preußen: Be fördert: Die Unten* eterinäre Witte
im Kttr.-Regt. Nr. 6, Mogwitz im Ulan.-Regt. Nr. 2, Süßenbach im
Drag.-Regt. Nr. 18 unter gleichzeitiger Versetzung zum Regt. Königs-
Jäger zu Pferde Nr. 1. zum Ober veterinär. — Versetzt: Die Ober-
veterinäre Qerth im Drag -Regt. Nr. 21 unter Rücktritt von seinem
Kommando zur Militär-Veterinärakademie zum Train-Bat. Nr. 8,
Matthiesen im Drag.-Regt. Nr. 13 zum Feldart.-Regt Nr. 9, Laabs im
Ktir.-Regt. Nr. 8 zum Kttr.-Regt. Nr. 4, Tschctichog im Hus.-Regt.
Nr. 4 zum Jäger-Regt. zn Pferde Nr. 4, Dr. Ilobstetter im Regt.
Königs-Jäger zu Pferde Nr. 1 zum 2. Garde-Drag.-Regt.; Unter--
veterinär Nauckc im Drag.-Regt. Nr. 23 unter Belassung in seinem
Kommando zur Lehrschmiede in Berlin zum Drag.-Regt. Nr. 14. —
Mit Wirkung vom 1. April 1908: Stabsveterinär Dietrich im Feldart. -
Regt. Nr. 53 unter Rücktritt von dem Kommando zum pliathologischen
Institut der Tierärztlichen Hochschule in Berlin zum Feldartillerie-
Rcgiracnt Nr. 60, die Oberveterinäre Kränncr im Ulancn-Regiment
Nr. 9 zum Dragoner-Regiment Nr. 13, Gärtner im Dragoner-Regiment
Nr. 16 und Schmidt im Ulancn-Regimcnt Nr. 17 gegenseitig. —
Kommandiert: Stabsveterinär Kühn im Feldart.-Regt. Nr. 60 mit
Wirkung vom 1. April 1908 zum Pathologischen Institut der Tier¬
ärztlichen Hochschule in Berlin, Oberveterinär Gerdtll im Kttr.-Regt
Nr. 4 als Hilfsinspizient zur Militär-Veterinär-Akademie; die Ober-
veterinäre Volland im Feldart.-Regt. Nr. 19 und Keren im Hus.-Regt
Nr. 16 zu einem sechswöchigen Kursus zur Lehrschmiede Berlin
vom 15. Januar 1908 ab. — Im Beurlaubtenstande: Befördert:
Die Oborveterinäre Kramer , Huber , Pfanx-Sponagel, sämtlich vom
Bez.-Kdo. Donaueschingen, Völkel vom Bcz -Kdo. Wehlau, Mclchcrl
vom Bez.-Kdo. Stargard zum Stabsveterinär; die Unterveterinäre
Tigges vom Bez.-Kdo. Recklinghausen, Dr. Blau vom Bez.-Kdo.
Magdeburg, Dr. Vahlkampf vom Bez.-Kdo. II Hamburg zum Ober-
veterinär. — Abgang: Dem Oberveterinär der Landwehr II. Auf¬
gebots lrtibenger der Abschied bewilligt — In der Schutztruppe
für Dcutsch-Südwestafrika: Mit dem 31. Dezember 1907 aus
der Schutztruppe ausgeschieden und mit dem 1. Januar 1908 in der
Armee wiederangestellt: Oberveterinär llcnnig im Feldart.-Regt.Nr. 20.
Todesfall: Polizeitierarzt Schlicphake-Hamburg.
Vakanzen. (Vgi.Nr. i >
Schlachthofstellen: Bochum: I. und II. Schlachthoftierarzt
möglichst bald. Anfangsgehalt 3000 M. bzw. 2400 M., freie möbl.
Wohnung usw. Bewerbungen umgehend an den Magistrat. —
Landsberg a. W.: Assistenztierarzt zum 1. April 1908. Gehalt
2400 M. Privatpraxis nicht gestattet. Bewerb, baldigst a. d. Magistrat.
Verantwortlich für den Inhalt (ezkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält/, in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz in Berlin. —
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
Dt« „Berliner Tiertrstlfrfae Wochenschrift" erseheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoeiz in
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Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 6,— vierteljähr-
lieh 'M. 4.88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei Ina Haus geliefert. (Österreichische Post-Zeitungs-
Preisliate Nr. 074. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Original beitrage werden mit M Hk., In Pethn&ts ml«
00 Hk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
an acnden an Prof. Dr. Schmalta, Berlin, Tlerirst-
liehe Hochschule. NW., Luiaenatraue 66. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
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Tierärztliche Wochenschrift
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Professor Dr. Schmal tz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Oe Bruin *
Glage
Dr. Jeß
Veterinärrat Dr. Lothes
Prof. Dr. Peter
Veterinärrat Peters
Veterinärrat Preuße
Professor
Professor
Kretstl-rarzt
Dep&rt am en tstierarzt
Kreiatierarzt
Dep&rt tunen tstierarzt
Dep&rtementatierarzt
Utrecht.
Hamburg.
Charlotteuburg.
Cöln.
Angermünde.
Bromberg.
Danzig.
Dr. Richter
Med.-Rat Dr. Roeder
Dr. Schlegel
Dr. J. Schmidt
Reg.-Rat Dr. Vogel
Zündel
Professor
Professor
Professor
Professor
T«&ndeatierarzt y. Bayern
Kreistierarzt
Dresden.
Dresden.
Freibarg i. Br.
Dresden.
München.
Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908.
JYi. 3 . Ausgegeben am 16. Januar.
Inhalt: Walther: Anschauungen über die Bekämpfung der Influenza der Pferde. — Wladimiroff: Über die Ophthalmo¬
reaktion bei Rotz. — Jackschath: Bericht aber Impfungen mit «Suptol. — Oppel: IIarnröhrenstein beim Pferde. —
Tantoa: Scheinzwitter bei einem Pferde. — Loewenthal: Mastdarmzerreißung beim Pferd infolge Vorfalls mit
Invagination. — Fleischhauer: Über einen Fall von Hirnhaut-Tuberkulose beim Rind. — Referate: Balfour:
A spirillosis and a haematozoal disease of domestic fowls in the anglo egyptian Soudan. — Küthe: Albumosurie bei Tieren.
— Kt-ller; Ein Fall von Torsio uteri ante cervicem. — Szabö: Sarin, ein neues Mittel gegen Scliweineseuche. — Eden-
huizen: Über den Zusammenhang zwischen Schlachttierkrankheiten und Fleischvergiftungen durch Bakterien der Typhus-
Ooli-Gruppe. — Das Gebiß des neugeborenen Kalbes. — Fehsenmeier: Die Impfungen gegen den Rotlauf der Schweine in
Baden 11)05 und 1906. — Tagesgeschichte: Aus dem Etat für 1908. — Das Reiten der Veterinäre. — Tierarzt und Körkom¬
mission. — Viehsenchengesetz. — Versammlung der beamteten Tierärzte des Regierungsbezirks Stettin. — Plath: Die
größeren deutschen Vieh-Versicherungs-Gesellschaften am Schlüsse des Jahres 1906. — Verschiedenes. — Personalien. —
Vakanzen.
Anschauungen über die Bekämpfung der Influenza
der Pferde.
Von Korpsstabsveterinär Walther in Leipzig
Praktische Gesichtspunkte lassen es im allgemeinen als
notwendig erscheinen, alle die Erfahrungen und Mittel nachzu¬
prüfen, welche anscheinend zur Bekämpfnng bzw. Abwehrmaß-
regel gegen die Influenza der Pferde beitragen könnten. Im
besonderen aber wäre es für die Armee von großer Bedeutung,
ein Mittel zu haben, mit welchem diese Seuche wirksam bekämpft
oder auch nur eingeschränkt werden könnte. Es liegt daher
für jeden Veterinär der Gedanke sehr nahe, jeden Hinweis nach
dieser Richtung zu beachten und, wenn es ohne Gefahr für die
Gesundheit der Pferde geschehen kann und keine unverhältnis¬
mäßig hohen Kosten verursacht, ihn auch praktisch zu erproben.
Im vorliegenden Falle handelt es sich um eine Bekanntgabe des
Kommandanten des Kaiser Franz-Dragoner-Regiments Nr. 1,
Herrn Oberst Fischer, in Wien. Schon der Verfasser der
Abhandlung bietet durch seine Persönlichkeit die Gewähr dafür,
daß er von der Wirksamkeit des von ihm empfohlenen Mittels
überzeugt ist. Er hat die Tatsachen und Erfolge bekannt ge¬
geben, die nicht ohne weiteres zurückzuweisen sind. Die
Bekanntgabe befindet sich in der Kavalleristischen Monatsschrift
Nr. 5, Seite 424, 425 und lautet:
„Ein Mittel gegen Influenza.“
Meine langjährige Erfahrung in der erfolgreichen Anwendung
eines Mittels zur Hintanhaltung und Bekämpfung der Influenza
bei Pferden veranlaßt mich, es auf das wärmste zu empfehlen.
Zu Beginn der neunziger Jahre war ich mit meiner Eskadron
in der Roßauer Kaserne in Wien einquartiert. Bei der in dem¬
selben Hofe befindlichen Eskadron trat die Brustseuche in
ziemlich heftiger Weise auf. Durch einen Zufall erfuhr ich von
einem alten, sehr erfahrenen Pferdehändler, daß Räucherungen
mit Wachholderbeeren das beste Mittel gegen Influenza seien.
Ich begann sofort bei meiner Eskadron damit und es erkrankte
kein Pferd.
Seitdem habe ich dieses Mittel als Präservativ bei meiner
Eskadron in der Teresianischen Militärakademie, wo ich durch
vier Jahre als Lehrer der kavalleristisehen Fächer tätig war,
und bei allen Eskadronen meines Regiments, das icli auch fast vier
Jahre kommandiere, angeweudet, und alle diese Abteilungen
blieben von der Influenza verschont, obwohl in ihren Unter¬
künften diese Krankheit in früheren Jahren aufgetreten war.
Bei einem Nachbarregiment in Galizien war Influenza aus¬
gebrochen. Ich empfahl einem Eskadronkommandanten mein Mittel
und es trat sofort ein Stillstand in dem Krankenzuwachs ein.
Der Vorgang bei diesen Räucherungen ist folgender: In
eine Bleclischale, die mit einem Riemen aufgehängt ist, werden
glühende Kohlen gegeben und darauf Wachholderbeeren gestreut.
Der Träger der Schale geht, sie schwingend, im Stallgang auf
und ab, bis der Stall in eine dichte Rauchwolke gehüllt ist.
Die Türen und Fenster des Stalles sind fest verschlossen
und werden nach einer Viertelstunde geöffnet, bis sich der
Rauch verzogen hat. Die Pferde bleiben im Stall und atmen
die ganz angenehm riechenden Dämpfe ein.
Diese Prozedur wird im Tag zwei- bis dreimal wiederholt.
Gedeckte Reitschulen, in denen viel geritten wird, sind ebenfalls
täglich auszuräuchern. Der Rauch erzeugt weder bei Menschen
noch bei Pferden einen Hustenreiz und hinterläßt noch nach
dem Lüften einen angenehmen Geruch.
Es empfiehlt sieb, die Wachholderbeeren aus den Karpathen
oder ans Nordböhmen im großen zu beziehen, wodurch die
Kosten dieses Mittels sich sehr geringfügig stellen.
Würde die Veröffentlichung dieses von mir so oft erprobten
Mittels, wenn auch nur hie und da, das Schreckgespenst der
Influenza von unseren braven Eskadronen fernhalten, so würde
es mir zur größten Genugtuung gereichen.
gez. Oberst Eduard Fischer,
Kommandant der Kaiser Franz-Dragoner.“
Die Wacholder (auch Wachholder genannt) sind schon im
Mittelalter ein vielbenutztes Arzneimittel gewesen. Im 13. Jahr¬
hundert werden sie schon in dem Arzneibuch von Wales ge¬
nannt. Es sind kugelige, beerenartige Früchte (Fructus Juniperi)
von einem immergrünen, dichten Koniferenstrauch (Juniperus
communis), der über fast ganz Europa und Asien verbreitet ist.
Die Beeren reifen erst im Herbst des zweiten Jahres, haben
eine schwarzbraune glänzende Oberfläche, die bläulich bereift
erscheint und einen würzigen angenehmen Geruch und Ge¬
schmack. Die Wacholderbeeren sowie die aus den Nadeln,
50
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
Holz und Wurzeln durch Destillation gewonnenen Produkte
haben, wie schon gesagt, von alters her in der Behandlung von
Menschen- und Tierkrankheiten einen bewährten Ruf auch zur
Verbesserung der Luft in Klöstern, Kirchen, Krankenstuben,
Ställen und anderen Räumen wurden sie in Form von Räucherungen
angewandt. Ganz besonders aber wurden diese Räucherungen
beim Auftreten von Menschen- und Tierseuchen energisch durch-
gefrihrt. Auch heute noch werden sie in manchen Gegenden
öfters vorgenommen.
Die Wacholderbeeren enthalten außer Zucker, Harz, Farb¬
stoff usw. ätherische Öle, die in vielen Likören, Küchenwürzen j
den schmackhaften Bestandteil mit bilden. Ihre Anwendung in
der Medizin und ihre Wirkung auf den tierischen Organismus |
ist allgemein bekannt, es sei nur erwähnt, daß besonders die
ätherischen Öle den wirksamen Bestandteil bilden. Sie gehören
zu der Gruppe der Terpenen, welche die Eigenschaft hat, die
Krankheit erzeugenden niederen tierischen und pflanzlichen
Organismen unschädlich zu machen. Demzufolge sind die Be¬
obachtungen des Herrn Kommandanten auch wissenschaftlich als !
begründet anzusehen. |
Zur besseren Anschauung über den wirklich praktischen j
Wert der Räucherungen möchte ich ein Beispiel einschalten:
ein Tropfen flüssiger, chinesischer Tusche trifft einen Teil der
Hand, und nun folgt die mechanische Reinigung mit Seife,
Bürste und Wasser. Man ist erstaunt, wie lange Zeit es
braucht, ehe die Tusche ganz entfernt ist. Und wenn wir mit
der Lupe nachsehen, sehen wir immer noch Reste in den Falten
der Haut liegen. Die Krankheitserreger, an dieser Stelle
gedacht, verhalten sich in ähnlicher Weise. Ohne weiteres kann
doch nicht angenommen werden, daß sie durch Räucherungen
auf so einfache und leicht ausführbare Weise beseitigt werden
können. Und wie kompliziert ist das Verhalten einzelner
Krankheitserreger, sie haften nicht allein an den Auswurf¬
stoffen, Haaren, Putzstaub der Patienten, sondern auch an den
Kleidern, Wänden, Ritzen, Fugen, Streu, Utensilien der Umgebung.
Diese Räucherungen wurden in drei mit Influenza ver¬
seuchten Regimentern einwandfrei durchgefuhrt. Die Ausführung
geschah im Sinne der trockenen Destillation. An die mit Draht¬
bügel versehenen leeren Konservenbüchsen wurden seitlich bis
zur halben Höhe Luftlöcher eingeschlagen, um das Glimmen
der in das Gefäß hineingelegten Holzkohlen zu unterhalten.
Über die Kohlen kam eine Blechscheibe, auf die Wacholder¬
beeren in dünner Schicht aufgestreut wurden. Hierdurch ent¬
standen beim Auf- und Abgehen in der Stallgasse, besonders
durch leichtes Hin- und Herschwenken der Gefäße, angenehm
riechende Dämpfe, die von gesunden und kranken Pferden,
sowie von den Rekonvaleszenten einwandfrei vertragen wurden.
Nach der Räucherung blieben Fenster und Türen noch 30 Minuten
geschlossen. Anfangs wurden täglich drei, später eine Räucherung
vorgenommen und neun bzw. elf Wochen durchgeführt. Das
2. Ulanen-Regiment Nr. 18 z. B. verbrauchte während der Zeit
vier Zentner Wacholderbeeren.
Nach den Erfahrungen des Berichterstatters gedacht, sollen
die Krankheitserreger durch die Wacholderdämpfe unschädlich
gemacht, bzw. die Weiterverbreitung der Seuche verhütet werden.
Das gilt theoretisch auch für alle Desinfektionen mit den ver¬
schiedensten chemischen und physikalischen Mitteln. In Wirk¬
lichkeit aber ist jede Desinfizierung, außer Feuer, nur als eine
Reinigung zu bezeichnen. Das Verhalten der Influenza ist so
heimtückisch, daß sie durch Desinfektionen in ihrem Verlauf
nicht beeinträchtigt wird.
Das Gesamturteil ergibt, daß die Versuche mit Wacholder¬
beerräucherungen zur Bekämpfung der Influenza ermutigende
Ergebnisse nicht gezeigt haben. Die Dämpfe sind nicht im¬
stande, die in Frage kommenden Räume keimfrei bzw. steril
zu machen. Wohl aber können sie als Reinigungsmittel der
Luft in dumpfigen moderigen Räumen Verwendung finden. Mit
absoluter Sicherheit und in kürzester Zeit beseitigen sie selbst
fauligen, penetranten Geruch und hinterlassen eine wohlriechende
für die Atmungsorgane angenehme milde Luft. Die Dämpfe
werden von allen Pferden tadellos vertragen und bringen keinerlei
Schaden.
[Aus dem Kaiserlichen Institut für experimentelle Medizin zu
St. Petersburg.]
Über die Ophthalmoreaktion bei Rotz.
Von A. Wladimiroff.
Das von Calmette unter dem Namen Ophthalmoreaktion
zur Diagnostizierung von Tuberkulose vorgeschlagene Verfahren
gründet sich bekanntlich darauf, daß das Tuberkulin nach Ein¬
führung in den Conjunctivalsack bei Gesunden keinerlei Ver¬
änderungen hervorruft, während es bei tuberkulösen Individuen
eine mehr oder weniger intensive, aber schnell vorübergehende
Conjunctivitis verursacht. Schon a priori lag die Annahme
nahe, daß auch die Einträuflung von Mallein in die Augen
gesunder resp. rotzkranker Pferde analoge Resultate er¬
geben müsse.
K. Choromansky*) war der erste, der an die Prüfung
dieser Analogie herantrat. Hierbei gelangte er zu Resultaten,
welche ihn zu dem Schlüsse berechtigten, „daß Pferde, die
auf eine subkutane Injektion von Mallein reagieren,
auch auf die Einführung von Mallein in den Conjunc-
tivalsack Reaktion geben.“ Bezüglich der praktischen
Bedeutung der Ophthalmoreaktion auf Mallein äußert er sich
mit großer Vorsicht; er sieht in ihr nur ein Ergänzungsverfahren
zu der üblichen Anwendungsweise des Malleins, läßt dabei aber
die Möglichkeit offen, daß sie auch eine selbständige Bedeutung
erlangen kann, und zwar in denjenigen Fällen, in denen eine
subkutane Anwendung des Malleins nicht möglich ist.
Zu den Beobachtungen Choromanskys, betreffend 15 rotz¬
kranke und 37 rotzfreie Pferde, bin ich gegenwärtig in der
Lage, noch 39 Beobachtungen hinzuzufügen, welche ich in
Gemeinschaft mit meinem Assistenten, Herrn W. N. Matwei'eff,
ausgeführt habe.
Wir bedienten uns bei dieser Arbeit unseres gewöhnlichen
Malleins,**) wovon wir nach dem Vorgänge Choromanskys je
0,1 ccm unverdünnt in das rechte Auge der zu untersuchenden
Pferde einträufelten. Wie ich sofort vorausbemerken will,
stimmen auch die von uns erhaltenen Resultate im allgemeinen
mit denen von Choroman sky überein, und ich hätte von ihrer
Mitteilung bis zur Ansammlung eines umfangreicheren Materials
Abstand nehmen können, wenn ich nicht auf gewisse Dinge ge-
*) K. Choromansky, Wirkling des MalleYns auf die Conjunctiva
des Auges. Archiv für Veterinärwissenscbaft., 1907 Nr. 9 [russisch].
**) Für ein erwachsenes Pferd beträgt die subkutane diagnostische
Dosis unseres MalleYns 1 ccm. Über die Darstellung des Präparates
cf. A. Wladimiroff „Immunität bei Rotz“ im Handbuch der pathog.
Mikroorganismen von Rolle und Wassermann, Bd. IV.
IG. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
51
stoßen wäre, welche mich veranlassen, mit einer Warnung vor
übertriebenen Erwartungen gegenüber dieser verlockend ein¬
fachen, schnellen und leicht ausführbaren diagnostischen Methode
hervorzutreten.
Die erste Serie unserer Beobachtungen haben wir im
Institut für experimentelle Medizin ausgeführt. Sie betrifft
18 Pferde. Von diesen dienen 14 in der Abteilung des Herrn
S. K. Dzierzgowski zur Gewinnung von Heilseris, und zwar
werden 7 gegen Diphtherie, 0 gegen Scarlatina und 1 gegen
Streptococcen immunisiert; alle diese Tiere haben vor dem
Beginn der Immunisation die vorschriftsmäßige subkutane
Mallei'neinspritzung ohne jegliche Reaktion überstanden. Weitere
2 Pferde (trächtige Stuten) w r aren noch nicht mallei'nisiert
worden, weil sie von der Epizootologischen Abteilung zu einem
besonderen Versuche erworben sind, welcher uns zwingt, eine
subkutane Einführung von Maliern vorderhand noch zu unter¬
lassen. Endlich gehören in diese Serie noch 2 Pferde, w’elche
vor 2V a respektive 6 Jahren ohne klinische Symptome von Rotz
in die Epizootologische Abteilung eingeliefert worden sind, aber
anfänglich auf subkutane Malleininjektion mit typischer
Temperatursteigerung und lokaler Geschwulst reagierten; als
sie darauf in der Folge jedes Jahr mehreremal mallei'nisiert
wurden, fiel bei ihnen die Temperaturreaktion allmählich immer
geringer aus, bis sie zuletzt ganz fortblieb, während die Lokal¬
reaktion noch bis jetzt prompt auf jede Malleineinspritzung
erfolgt.
Mit Ausnahme dieser beiden letzten Tiere haben alle bei
der Ophthalmoreaktion einen negativen Befund aufgewiesen:
Bei der Besichtigung, 18—20 Stunden nach der Mallei'n-
einträuflung in das rechte Auge, ließen 15 von ihnen auch
nicht den geringsten Unterschied im Zustande der Bindehaut
der beiden Augen erkennen, und nur ein Pferd (7 jährige Stute
der Serumgruppe) zeigte eine unbedeutende Schwellung der
rechten Eonjunktiva, jedoch ohne Rötung und ohne vermehrte
Tränensekretion. Was dagegen die beiden „malleösen“ Pferde
anbetrifft, so war ihnen, wie Choromansky treffend beschrieben
hat, schon von weitem der positive Ausfall der Ophthalmo¬
reaktion anzusehen. Das linke Auge bietet keine Abweichungen
von der Norm dar. Am rechten Auge fällt eine leichte Ver¬
engerung des Lidspaltes auf; bei einem der beiden Tiere er¬
scheint sogar das untere Lid äußerlich sackartig gedunsen; aus
dem vorderen Augenwinkel quillt eine trübe, eiterähnliche
Flüssigkeit, die im Herabfließen an den Haaren antrocknet; diq
ganze Bindehaut ist grellrosa und ödematös, besonders am
unteren Lide; es besteht Injektion der feinsten Gefäße; hier
und da befinden sich kleine graue Auflagerungen, anscheinend
eitrig-fibrinösen Charakters; das Kammerwasser macht einen
leicht opalisierenden Eindruck, jedoch wage ich es nicht, zu
entscheiden, ob diese Erscheinung auf Veränderungen im Kammer¬
wasser selbst oder aber in der Hornhaut zurückzuführen ist,
jedenfalls besteht kein Hypopion.
Die zweite Serie von Beobachtungen hatten wir — dank
der Liebenswürdigkeit des Herrn Militärveterinärs M. 0. La-
wrinowitsch — Gelegenheit an 21 Kavalleriepferden aus-
zuführen. Es standen zu unserer Verfügung: 10 Pferde, welche
auf eine 7 Tage zuvor erfolgte Malleininjektion positiv reagiert
hatten; ein Pferd, dem am Tage zuvor Mallein eingespritzt
worden war, und da8 während unseres Versuches fieberte;
5 Pferde, welche vor 7 Tagen eine subkutane Malleinisation
I reaktionslos bestanden hatten; endlich 5 Pferde, zwar noch
I nicht mit Mallein geprüft, aber zu einem Bestände gehörig,
welcher von rotzverdächtigen Tieren frei ist.
Auch in dieser Serie hat sich die Ophthalmoreaktion voll¬
kommen bewährt. Bei allen zehn „gesunden“ Pferden — d. h.
bei denjenigen, die zum rotzfreien Bestände gehörten, und denen,
die auf subkutane Malleinisation nicht reagiert hatten — rief
die Mallei'n-Instillation keinerlei Veränderungen an der Binde¬
haut hervor. Dagegen fiel bei allen zehn „malleösen“ Pferden
die Ophthalmoreaktion deutlich positiv aus; wobei jedoch zu
bemerken ist, daß die Intensität der Konjunktivitis bei den ver¬
schiedenen Individuen innerhalb gewisser Grenzen schwankte.
Hier waren alle Übergänge von leichter Schwellung und Rosa¬
färbung der Konjunktiva mit einfachem Tränenträufeln bis zu
bedeutendem Ödem der Schleimhaut mit starker Injektion der
Gefäße und Absonderung von dicken eiterähnlichen Massen. In
allen Fällen aber war der Unterschied zwischen dem Zustande
des rechten Auges und dem des linken ein so großer, daß
bezüglich der Beurteilung der Reaktion überhaupt kein Zweifel
aufkommen konnte. Am zweiten Tage erreichte die Ophthal¬
moreaktion ihren Höhepunkt, um am dritten, spätestens am
vierten Tage wieder zu verschwinden.
Eine einzige Ausnahme schien auf den ersten Blick bei
demjenigen Pferde eingetreten zu sein, welches am Vorabend
des Versuches mallei'nisiert worden war und während unserer
Einträuflung fieberte. Gerade am rechten Auge, daß ja Mallei'n
eingeführt erhalten hatte, stellten sich keinerlei Veränderungen
ein, während am linken Auge schon nach 18 Stunden Rötung
der Konjunktiva zu erkennen war, und diese Konjunktivitis
bedeutend länger andauerte als die Ophthalmoreaktion bei den
„malleösen“ Pferden. Wir haben es, jedoch in diesem Falle
nicht mit einer Abweichung von der allgemeinen Regel zu tun.
Es hat sich nämlich erwiesen, daß erstens dieses Pferd schon
mehrfach an einer Entzündung am linken Auge gelitten hat,
und daß zweitens das Fieber im Momente unserer Einträuflung
seinem Verlaufe nach nicht der typischen Temperaturkurve
rotzkranker Pferde nach Malleinisation entsprach und auch nicht
von einer typischen Geschwulst an der Injektionsstelle begleitet
war. Als bei diesem Tiere nach weiteren zwei Wochen die
Malleinisation wiederholt wurde, so verlief sie völlig reaktionslos.
Mithin müssen wir es der Kategorie der rotzfreien Pferde
zuzählen.
Hiermit schließen zunächst unsere Beobachtungen ab. So¬
lange wir noch über keine Sektionen von Pferden mit positiver
Ophthalmoreaktion verfügen, müssen wir uns darauf beschränken,
die Ansicht Chororaanskys über die Kongruenz der beiden
Reaktionen — nach subkutaner Einspritzung von Mallein und
nach Einführung desselben in den Konjunktivalsack — zu be¬
bestätigen. Neu ist in unseren Beobachtungen nur der Umstand,
daß wir eine positive Ophthalmoreaktion auch bei solchen Pferden
erhalten, welche bereits aufgehört haben, auf die übliche Mallei'ni-
sation in typischer Weise zu reagieren. Aber gerade dieser
Umstand verdient, meiner Ansicht nach, die ernsteste Beachtung
und ist dazu angetan, als Warnung vor einer Überschätzung
des neuen diagnostischen Verfahrens zu dienen.
Es bandelt sich nämlich darum, daß die Pferde, welche
schon seit Jahren in meiner Abteilung unter Beobachtung stehen
und eine positive Ophthalmoreaktion anfgewdesen haben, aller
Wahrscheinlichkeit nach vom Rotze geheilt sind. Wenn
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
ich mich in diesem Sinne mit Vorbehalt ausspreche, so tue ich
es auf Grund folgender Erfahrung. Zwar verlieren die Tiere
beim Rotz (und auch bei der Tuberkulose) in der Mehrzahl der
Fälle erst dann die Fähigkeit, durch Temperatursteigerung auf
eine subkutane diagnostische Injektion zu reagieren, wenn in
ihrem Organismus die rotzigen (respektive trtberkiilösen) Herde
der regressiven Metamorphose anheimgefallen und durch Narben¬
gewebe ersetzt sind; es kann jedoch diese Fähigkeit zu ther¬
mischer Reaktion bisweilen auch schon früher schwinden, und
zwar zu einer Zeit, da die derben Narbengewebsmassen (resp.
Kalkablagerungen) noch Reste von lebensfähigen und virulenten
Bakterien enthalten, welche aber auf diese Weise, gleichsam
wie durch eine Mauer, vom übrigen Organismus isoliert und
nicht mehr imstande sind, mit ihren Toxinen irgendwelchen
Einfluß auf ihn auszuüben. Die thermische Reaktion auf
Maliern (respektive Tuberkulin) kann aber offenbar nur unter der
Bedingung zustande kommen, daß in dem Organismus gewisse
Antigene zirkulieren, welche in ihm selbst von den entsprechenden
— noch nicht eingekapselten — Bakterien produziert werden.
Ganz anders steht es um die lokale Reaktion an der
Applikationsstelle. Diese gehört zweifellos in die Kategorie
derjenigen Erscheinungen, welche auf spezifischen biochemischen
Funktionsänderungen der Zellen begründet sind und daher den
bakteriellen Prozeß, dem sie ihre Entstehung verdanken, um
eine mehr oder weniger lange Frist überdauern. Um nur ein
Beispiel anzuführen, werden bekanntlich die spezifischen Typlms-
agglutinine (das Produkt biochemisch veränderter Zellen) auch
nach beendigter Erkrankung weiter geliefert und lassen sich in
dem Blutserum längst genesener Individuen noch nachweisen.
Auch die Pirquet sehe Cutireaktion macht keine Ansprüche
darauf, als sicheres Merkmal für die Anwesenheit virulenter
Tuberkelbazillen im Organismus zu gelten.
Angesichts der mitgeteilten Tatsachen und Ergänzungen
haben wir kein Recht, den positiven Ausfall einer Ophthalmo¬
reaktion nach Mallei'neinträuflung ohne weiteres als Anzeichen
für noch vorhandenen Rotz zu deuten. Ihm kommt, gleichwie
der Agglutinationsprobe, nur der Wert eines bestätigenden
Arguments zu, wenn die subkutane Malleinisation bei demselben
Individuum von typischer thermischer und lokaler Reaktion
gefolgt ist.
• Wenn wir somit der positiven Ophthalmoreaktion eine
selbständige praktische Bedeutung absprechen, so sind wir
andererseits doch geneigt, eine solche der negativ verlaufenden
Reaktion zuzuerkennen.
Handelt es sich um die Untersuchung eines größeren rotz¬
verdächtigen Bestandes, so hat man die Möglichkeit, mit Hilfe
der Ophthalmoreaktion zunächst einmal schnell diejenigen Pferde
auszusondern, welche nicht reagieren. Diese Pferde brauchen
vor der Hand nicht subkutan malle'inisiert zu werden, wodurch
Besitzer und Veterinär eine Menge Unbequemlichkeiten, Kosten
und unproduktiver Arbeit erspart bleibt. Man darf dabei aber
nicht aus den Augen verlieren, daß im Beginn der Inkubations¬
periode jede biologische Reaktion im Stiche lassen kann. Daher
ist es nicht statthaft, sich mit einem einmaligen negativen
Resultat der Malleineinträuflung in den Konjunktivalsack zu
begnügen, sondern muß unbedingt das Verfahren nach einiger
Zeit (etwa nach zwei Wochen) wiederholt werden, bevor man
die Tiere vom Rotz verdachte freispricht.
Bericht über Impfungen mit Suptol.
Von Veterinärarzt E. Jaekschath-Stößen.
Am 3. August wurde ich von dem Molkereibesitzer R. nach
R. gerufen, mit dem Vorberichte, daß fast alle Schweine krank
wären. Bei meiner Ankunft sezierte ich ein kurz vorher ver¬
endetes Schwein im Gewichte von ungefähr 100 kg und stellte
als Todesursache akute Schweineseuche in Form einer
katarrhalischen Pneumonie fest. Diese Seuche wurde wahr¬
scheinlich 14 Tage vorher in den Bestand durch Ankauf kranker
Ferkel eingeschleppt, und hatte sich dieselbe sehr schnell in
dem Bestände von ungefähr 70 Schweinen verbreitet. Besonders
erkrankten die älteren zirka 100 kg schweren Schweine, von
denen 4 starben und 12 nach einem Schlachthofe geschafft
wurden; hier wurde bei sämtlichen 12 Schweinen akute Schweine¬
seuche festgestellt.
Vom 3. bis 13. August wurden die Schweine symptomatisch
mit Einreibungen und innerlichen Mitteln behandelt. Am
13. August impfte ich dann zum ersten Male mit Suptol in der
von Dr. Burow vorgeschriebenen Dosis, und konnte schon am
15. August feststellen, daß die Temperatur, die bei einigen
Schweinen 41 0 C betrug, gefallen war; der Husten ließ nach
und mit diesem die durch Auskultation und Perkussion der
Lunge festgestellten Krankheitserscheinungen, Appetit und
Munterkeit stellten sich wieder ein. Am 2. September habe ich
dann nochmals 26 Schweine geimpft, weil in diesem Bestände
5 Schweine Abmagerung zeigten und husteten. Seit dem
13. August ist nur ein Schwein verendet, dessen Impfung aus¬
sichtslos sein mußte, da allgemeine Hinfälligkeit, große Atemnot
und vollständiges Versagen der Futteraufnahme einen baldigen
Tod voraussagten.
Ich habe bei Schweineseuche sämtliche Impfstoffe versucht,
jedoch muß ich dem Suptol in seiner schnellen und sicheren
Wirkung den Vorrang geben, wenn es auch an die großartige
Wirksamkeit des Rotlaufserums nicht heranreicht.
Zum Schlüsse möge mir der Hinweis gestattet sein, daß
Sera nur gegen solche Krankheiten wirksam sein können, bei
denen als Träger und Verbreiter des Infektionsstoffes das Blut
des befallenen Tieres in Frage kommt, wie es beim Rotlauf des
Schweines der Fall ist; nicht aber kann ein Blutserum bei
Krankheiten wirksam sein, bei denen das Blut nur in geringem
Maße als Transportmittel in Frage kommt und mithin auch
gar nicht als Geburtsstätte des Schutzstoffes anzusehen ist.
Harnröhrenstein beim Pferde.
Von Oppel-Arnstadt
Am 12. Juni 1892 wurde mir abends 10 Uhr ein 22 jähriger
Rappwallach mit der Anamnese zugeführt, daß derselbe seit
3 Tagen erkrankt sei. Ein zugezogener Kurpfuscher habe das
Pferd für nierenkrank erklärt und Aufschläge von heißem Hafer
in der Nierengegend angeordnet. Da sich der Zustand von Tag
zu Tag verschlimmerte und der Leibesumfang mehr und mehr
zunahm, so suchte man nunmehr tierärztliche Hilfe nach.
Auf den ersten Blick mußte die Diagnose auf Blasen- oder
Harnröhrenstein gestellt werden. Das Tier verriet große Angst,
der Hinterleib war wie bei Tympanitis sehr stark aufgetrieben,
der Penis hing schlapp und weit aus dem Schlauche heraus,
und träufelte vereinzelt ein Tropfen Urin ab. Eine sofort vor¬
genommene Untersuchung der prall mit Urin gefüllten Harnröhre
16. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
53
vom Gesäßbeinausschnitt nach abwärts ergab dicht oberhalb der
Kastrationsnarben einen sich taubeneigroß anfühlenden Stein.
Eine Exploration durch den Mastdarm war nicht möglich, da
die Harnblase derart gefüllt war, daß sie die ganze Becken¬
höhle ausfüllte, so daß kaum die Hand durch den After eingeführt
werden konnte.
Da in der Nacht an eine operative Entfernung des Steines
nicht zu denken war, ließ ich den Patienten einstellen und
beauftragte den Besitzer, mich früh 2 Uhr zu wecken, was auch
geschah. Ich versuchte nun zunächst im Stehen zu operieren;
allein wegen zu starker Unruhe des Tieres war dies nicht
möglich. Im Einverständnis mit dem Besitzer wurde es deshalb
in einem Schafstall, in welchem eine hohe Schichte Mist und
sehr reichliche Einstreu sich befand vorsichtig auf die linke
Seite abgeworfen und wurde nunmehr der Stein mittelst etlicher
kräftiger genau in der Medianlinie angelegter Schnitte entfernt.
Es entleerte sich sofort aus der Operationswunde eine große
Menge Urin und stellte sich das Pferd nach dem Aufstehen zum
Stallen an, wobei nochmals ein ganz beträchtliches Quantum
Harn im mächtigen Strahle gleichzeitig aus dem Schnitte und
der Ausmündungsstelle der Harnröhre abfloß. Es dürfte nicht
zu hoch gegriffen sein, wenn ich die Gesamtmenge des entleerten
Urins auf mindestens 3 Pferdeeimer voll einschätze.
Die Wunde wurde nicht genäht, sondern lediglicli 3 mal
täglich mit Sublimatlösung 1:1000 gereinigt.
Der runde Stein ist von hellgelber Farbe, zeigt auf seiner
Oberfläche eine warzige Beschaffenheit und wiegt 5,5 g; doch
fehlt zirka V 4 , da der Stein bei der Operation angeschnitten wurde.
Am 4. Tage nach der Operation wurde das Pferd wieder
zu seiner gewöhnlichen Dienstleistung herangezogen. Anfangs
ergoß sich noch etwas Urin aus der Wunde, doch heilte diese
sehr schnell. Ein Rezidiv ist nicht eingetreten und erst im
Sommer 1900 wurde das Pferd 30 Jahre alt, dem Pferdeschlächter
übergeben.
Am 12. Mai 1894 wurde mir abends ein brauner Wallach
mit der gleichen Anamnese vorgeführt. Das Pferd war seit
drei Tagen erkrankt und hatte ein Pfuscher dasselbe ebenfalls
für nierenkrank erklärt und homöopathisch behandelt.
Das Tier zeigte leichte Kolikerscheinungen, scharrte mit
den Vorderfüßen oder schlug mit den Hinterfüßen nach dem
Leibe. Der Penis hing weit aus dem Schlauche heraus und
träufelte ununterbrochen etwas Urin ab. Die sofort vor¬
genommene Untersuchung der Harnröhre stellte wiederum einen
Stein dicht oberhalb der Kastrationsnarben fest. Die Exploration
durch den Mastdarm ergab, daß die Blase zwar ziemlich gefüllt
war, doch bestand keine Gefahr, daß dieselbe bersten würde,
zumal ununterbrochen Urin abträufelte.
Da wegen vorgerückter Tageszeit die Operation nicht mehr
vorzunehmen war, schickte ich den Patienten mit der Weisung
nach Hause, daß ich bei Tagesgrauen den Stein operativ ent¬
fernen würde. Dies geschah auch, nachdem am nächsten Morgen
das Pferd abgeworfen war. Der Verlauf war ein ebenso
günstiger als wie im ersten Falle, es entleerte sich anfangs
noch etwas Urin aus der nicht genähten Operationswunde; allein
dieselbe schloß sich sehr bald und konnte das Tier bereits am
vierten Tage wieder zur Arbeit benutzt werden.
Der Stein hat die Form einer Pyramide mit abgestumpfter
Spitze und ist auf seiner Oberfläche geperlt, ähnlich wie ein
gutgeperltes Rehgehöm. Es erklärt sich hieraus auch das un¬
unterbrochene Abträufeln des Urins. Das Gewicht beträgt 6 g.
Am 19. Juni 1896 wartete mich derselbe Besitzer mit eben
demselben Pferde in einer Ortschaft ab, da er wußte, daß ich
dahin kommen würde.
Die Anamnese lautete, daß das Pferd seit etlichen Stunden
dieselben Erscheinungen wie das erste Mal zeige und vermutet
man deshalb, daß wiederum ein Stein vorhanden sei.
Bei der Untersuchung fand ich leichte Kolikerscheinungen
vor, der Penis war jedoch zurückgezogen, Harn träufelte ebenfalls
nicht ab. Ich untersuchte nunmehr die Harnröhre und fand
diesmal vor den Kastrationsnarben, zirka 20 cm von der Aus¬
mündungsstelle der Harnröhre entfernt, einen Stein vor.
Wurfzeug hatte ich nicht bei mir, Zeit stand mir ebenfalls
nicht viel zur Verfügung, ich ließ deshalb den Patienten in die
Dorfschmiede bringen, stellte ihn an eine Wand und legte Bremse
nebst Spannseile an. Der Stein wurde nunmehr im Stehen mit
etlichen kräftigen Schnitten leicht entfernt.
Auch diesmal heilte die nicht genähte Wunde sehr schnell,
doch wurde das Pferd wegen hohen Alters im nächsten Frühjahre
dem Pferdeschlächter übergeben, und soll sich beim Schlachten
noch ein weiterer Stein in der Harnblase vorgefunden haben.
Der das zweite Mal entfernte Stein ist oval von hellgelber
Farbe und warziger Oberfläche. Sein Gewicht beträgt 4,5 g.
Ich möchte zum Schluß noch bemerken, daß in allen drei
Fällen der Wundverlauf ein ganz tadelloser war und daß nicht
die geringste Schwellung eintrat. Ein Nähen der Wunden
hatte ich absichtlich vermieden, da ich die nach Ausführung
des Harnröhrenschnittes beobachteten Ödeme mit Nekrose der
Haut lediglich auf das Nähen und hierdurch bedingte Hara-
infiltration zurückführe.
Scheinzwitter bei einem Pferde.
Von Militär-Untertierarzt Josef Tantos, 20. Divis. Artill.-Regt.
Temesvär (Ungarn).
Vor einigen Monaten wnrde ich auf ein Pferd aufmerksam
gemacht, welches ein Zwitter sein sollte. Die Gelegenheit
benutzend, ging ich zu dem Besitzer, welcher auf mein Ersuchen
die Besichtigung und Untersuchung des Pferdes gestattete.
Kastanienbraun (kleiner Bergschlag), ca. 16 Jahre alt,
145 cm hoch.
Die äußeren Geschlechtsorgane gestalten sich nach der
Besichtigung folgend: Unter dem After ist das Perinum etwas
stärker vortretend, welches sich in einer Entfernung von 6 cm
vom After spaltet, und als deutliche Schamlippen, mit der
wulstigen untereren Kommissur, das Ende des nicht vollständig
entwickelten Penis umschließt, dessen Glans und vorspringende
Harnröhre, über die Schamlippen (etwa 5—6 cm lang) frei
hervortritt. In der linken Schamgegend ist ein vollständig ent¬
wickelter Hoden im Hodensack zu fühlen, der rechte Hoden
fehlt (Kastrationsnarbe keine vorhanden). Vor dem Hoden sind
zwei Zitzen als Hautanhängsel, ohne die Hautfalten, wie beim
Euter der Stute. Hackenzähne sind stark entwickelt.
Durch die innerliche Untersuchung konnte weder ein Ovarium,
noch der rechte Hoden gefunden werden.
Ein Eingang in einen Scheidenvorhof konnte mit den Fingern
nicht gefunden werden und wegen der Unruhe und großen
Empfindlichkeit des Pferdes mußte ich die weitere Untersuchung
aufgeben.
54
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
Auf mein Befragen, wie das Pferd sich zn Stuten und
Hengsten verhält, bekam ich folgende Aufklärung: Hengsten
gegenüber schlägt und beißt es, während es in der Nähe von
Stuten wiehert und geschlechtliche Erregungen zeigt. Der
nur aus der Eichel und dem sehr kurzen Schwellkörper be¬
stehende Penis krümmt sich bei der Erregung in einen Viertel¬
kreis nach oben und erreicht eine Länge von ca. 20 bis 25 cm
Länge mit ziemlicher Schwellung der Eichel. Ob hierbei eine
Samenentleerung eintritt, konnte mir nicht berichtet werden.
Der Besitzer benutzt das Pferd seit acht Jahren als Ein¬
spänner (Milchwagenpferd) ohne Anstand, nur darf das Pferd
nicht in der Nähe anderer Pferde stehen gelassen werden, sonst
wird es für die Umgebung nicht ungefährlich.
Da Fälle von Scheinzwitter beim Pferde in der Literatur
nicht so häufig Vorkommen, und dieser Fall mir die Gelegenheit
bot, ihn zu beschreiben, benutze ich sie, um diese Unregel¬
mäßigkeit in der Entwicklung der Geschlechtsorgane beim
Pferde zu veröffentlichen.
Einen wissenschaftlichen Wert hätte es, die inneren Ge¬
schlechtsorgane durch die Sektion näher zu untersuchen, jedoch
verlangt der Eigentümer einen solchen Preis für das Pferd, daß |
keine Aussicht vorhanden ist, durch einen Pferdefleischbeschauer
in den Besitz dieser Organe zu gelangen.
Mastdarmzerreißung beim Pferd infolge Vorfalls mit
Invagination.
Von Tierarzt Loewenthal-Fraustadt.
Am 25. Juli d. J. wurde ich nachmittags zwischen vier
und fünf Uhp telephonisch auf ein Dominium hiesigen Kreises ge¬
rufen, wo sich ein Arbeitspferd den Mastdarm herausgedrängt
haben sollte. Bereits mittags soll dasselbe schlecht gefressen
und Unruheerscheinungen gezeigt haben. Trotzdem wurde es
zum Sandfahren benutzt, wobei es plötzlich stark zu schwitzen
anfing, zitterte, hinfiel und den Mastdarm herausdrängte. Nur
schwer konnte es wieder aufgetrieben und nach dem Gehöft
geführt werden.
Bei meiner Ankunft ließ ich das Pferd, das über den
ganzen Körper mit kaltem Schweiß bedeckt war und langsam
im Hofe herumgeführt wurde, sofort in den Stall bringen. Da¬
selbst stand es teilnahmslos da und versuchte sich hin und
wieder niederzuwerfen, was ich mit der Peitsche verhindern
ließ. Die Konjunktiven waren schmutzigrot verfärbt, der Puls
klein und fadenförmig, die Atmung oberflächlich und ebenso wie
der Pul8 stark beschleunigt. Ab und zu drängte das Pferd
stark, wobei es laut stöhnte. Vor dem After befand sich eine
ca. 30 cm lange, wurstähnliche Geschwulst, deren Ende nach
oben gekrümmt war. Die Oberfläche derselben war ödematös
geschwollen, glatt, glänzend und blaurot gefärbt.
Nach einer Morphiumeinspritzung und Reinigung des vor¬
gefallenen Mastdarms mit einer 2 proz. Alaunlösung, konnte
ich denselben wieder zurückbringen. Noch hatte ich den Arm
aus dem Mostdarm nicht heraus, als das Tier kopfüber gegen
die Krippe stürzte und den Mastdarm wieder herauBdrängte,
und zwar in einer Länge von ca. 60 cm. Durch verstärktes Drängen
füllte sich der vorgefallene Darm prall mit Luft und platzte
mit dumpfem Knall, wobei die Luft zischend entwich. Innerhalb
einer halben Minute hatte sich dieser Vorgang abgespielt. Das
Tier zuckte noch einigemal und war nach einer weiteren halben
Minute verendet. Leider hatte ich keine Gelegenheit, die
Sektion vorzunehmen.
Bemerken möchte ich noch, daß ich vor ca. zwei Monaten
bei dem Reitpferde eines Gutsbesitzers im hiesigen Kreise einen
einfachen Mastdarmvorfall reponierte, der sich durch Behandlung
mit Ölklistieren und Kokainsalbe nach 24 Stunden vollkommen
gegeben hatte.
Über einen Fall von Hirnhaut-Tuberkulose beim Rind.
Von Tierarzt Fleischhauer, Schlachthof-Inspektor, Crossen a. 0.
Dem hiesigen Schlachthof wurde von einem Fieischermeister
ein Rind zur Schlachtung überwiesen. Das betreffende Tier,
ein Bulle, Ostfriese, ca. 2 1 /* Jahre alt, war mit dem Wagen
geholt worden. Die von mir sofort vorgenommene Lebend¬
beschau ergab folgendes: Der Bulle lag mit krampfhaft ge¬
streckten Beinen und stierem Blick auf dem Wagen, völlig
teilnahmslos gegen seine Umgebung. Es wurde wiederholt
versucht, das Tier aufzutreiben, um es in die Halle zu bringen,
doch war alle Mühe vergeblich. Der Bulle mußte direkt vom
Wagen in die Halle gezogen werden, was er sich auch wider¬
standslos gefallen ließ. Das Tier war nicht im besten Ernährungs¬
zustand; die von mir aufgenommene Temperatur zeigte keine
Erhöhung, sondern war völlig normal. Nach der Schlachtung
zeigten sich nachstehende Veränderungen: Tuberkulose der Lunge,
außerdem Serosen-Tuberkulose. Körperlymphdrüsen, Milz, Leber
und Nieren waren frei von tuberkulösen Erscheinungen. Hierauf
nahm ich, soweit dies möglich war, eine Untersuchung des Gehirns
vor und fand da in der Dura mater vom Kleinhirn nach dem
Großhirn sich ausbreitend massenhafte tuberkulöse Einlagerungen
in Stecknadelkopfgröße. Zwischen diesen größeren Herden
waren noch eine Menge kleine Herde punktartig eingestreut.
Auf dem Durchschnitt zeigten sich dieselben verkäst, die Hirn¬
substanz wies keine krankhaften Veränderungen auf.
Der Besitzer gab mir auf mein Befragen folgenden Vor¬
bericht: Der Bulle stammt von einem Dominium und war dort
mit den übrigen Tieren zur Weide gegangen. Vor ungefähr
fünf Tagen bekam das Tier einen Tobsuchtsanfall, drehte sich
im Kreise und griff die anderen auf der Weide befindlichen
Rinder mit seinen Hörnern an. Am nächsten Tag war der
Bulle wieder ruhig, stand mit gespreizten Beinen da und ließ
sich, ohne sich zur Wehr zu setzen von den übrigen Tieren
stoßen und bespringen. Jedoch am drauffolgenden Tag hatte
der Bulle wieder einen so heftigen Anfall von Raserei, daß der
betreffende Fleischermeister vom Besitzer telephonisch gebeten
wurde das Rind baldmöglichst zur Schlachtung abzuholen, da
es sonst zu viel Schaden mache.
Es handelte sich demnach in diesem Falle um eine tuber¬
kulöse Gehirnhautentzündung, wodurch die Krampf- und
Tobsuchtsanfälle bei dem Rind hervorgerufen worden waren.
Referate.
A spiritlosis and a haematozoal disease of domestic
fowls in the anglo-egyptian Sondan.
(Eine Spirillosis und eine Blutkrankheit des Hausgeflügels im
englisch-ägyptischen Sudan.)
Von Andrew Balfour.
(The veterinary Record, Nr. 982.)
Der Direktor des Gesundheitsamtes zu Chartum berichtet
von zwei Geflügelkrankheiten, die er dort beobachtet und auf
IG. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
55
ihre Ursachen hin zum erstenmal genauer erforscht hat. Es
handelt sich in beiden Fällen um Infektionskrankheiten, die
wahrscheinlich durch Zecken übertragen werden.
Der eine Krankheitserreger ist ein Spirillum, das allem
Anschein nach mit dem Spirillum septicaemiae, den Marchoux
und Salimbeni und andere Forscher in Brasilien beschrieben
haben, identisch ist. Sein Vorkommen im Sudangebiet ist von be¬
sonderem Interesse, weil er hier noch nicht beobachtet worden ist,
sondern bisher nur in Brasilien und Argentinien. — Ein anderer
ähnlicher Krankheitserreger der Spirillose der Gänse ist noch
in Transkaukasien durch Sakkaroff 1891 gefunden worden.
Anfänglich wurden die Spirillen nur im Geflügel, das aus
Italien über Genua und Port Sudan eingeführt wurde, an¬
getroffen. Möglicherweise sind die Tiere während des Trans¬
ports von Zecken infiziert worden, die in südamerikanischen
Häfen zufällig an Bord des Schiffes gelangt sind. Es ist ja
bekannt, daß Geflügelzecken den Ansteckungsstoff mindestens
fünf Monate in sich bergen, wenn sie ihn durch Blutsaugen an
infizierten Vögeln in sich aufgenommen haben. Andererseits
kanD aber auch dieses Spirillum in Chartum, wo Angas-Zecken
außerordentlich häufig sind, endemisch sein. Eine Beobachtung
begünstigt diese Annahme, da eine sudanesische Henne, die
durch Versehen in das Geflügelhaus hineingekoramen war, zwei
Tage später die Spirillen aufwies, während das Inkubations¬
stadium nach March oux und anderen Forschern fünf oder sechs
Tage nach dem Zeckenbiß betragen soll. Die Studien über diesen
Parasiten haben ziemlich einwandfrei ergeben, daß der frag¬
liche Organismus das Spirillum gallinarum (Laveran) ist und
die Krankheit dieselbe, die allgemein Brasilianische Septikämie
genannt wird.
In der zweiten Krankheit vermutet der Verfasser eine
richtige Piroplasmose, die ziemlich häufig unter dem sudanesi¬
schen Geflügel sein soll und häufig tödlich verläuft.
In den roten Blutkörperchen sind ganz deutlich Piroplasmen
nachzuweisen, am besten mit der Färbung einer Mischung von
Borellblau und Eosin, welche die rubinrote Farbe des Chromatins
viel besser herausbringt, als die Leishman- oder Giemsa-
Methode. — Im ganzen sind die Symptome dieser Krankheit
denen der Spirillosis ähnlich. Dasselbe matte Aussehen der
Tiere, rauhe Federn, häufig Diarrhöe, Zittern, Schwäche und
Anämie. Die Temperaturkurve ist jedoch ganz verschieden. Der
Sektionsbefnnd ergibt keine Vergrößerung der Leber und Milz.
Die Larven der Angas-Zecken sind an infiziertem Geflügel ge¬
funden worden und handelt es sich nach der Überzeugung des
Autors fraglos um eine richtige Piroplasmose, die erste bei
Vögeln beobachtete.
Nähere Angaben über die Morphologie des Parasiten, die
Blutbeschaffenlieit und die Krankheitssymptome stellt Verfasser
ffir später in Aussicht. Tr.
Albumosurie bei Tieren.
Von Dr. med. Heinrich Küthe, Oberveterinär.
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 1907. Nr. 4<i.)
Nach Munk ist das Wesen der Eiweiß Verdauung die Um¬
wandlung von geronnenem oder in unlöslicher Modifikation
befindlichem Eiweiß in eine wasserlösliche Form. Es verwandeln
sich bei der Verdauung die koagulablen Eiweißstoffe in die in
Wasser lösliche Albumose oder Propepton, schließlich in Pepton.
Verfasser hat nun Untersuchungen darüber angestellt, ob und unter
welchen Verhältnissen bei Tieren Albumose im Urin auftritt.
Seine Versuchsergebnisse gipfeln in folgenden Sätzen:
1. Bei gesunden Pferden und Rindern treten keine Albumosen
im Harn auf.
2. Bei verschiedenen akuten Krankheiten der Pferde besteht
Albumosurie. Ihr Erscheinen ist aber gebunden an das
Vorhandensein von Fieber; der Grad der Albumosurie läuft
nicht nur parallel zur Höhe der Temperatursteigerung, ist
vielmehr auch abhängig von den Störungen im Allgemein¬
zustand des Körpers.
3. Für die Diagnose bestimmter Leiden ist die Albumosurie
nicht zu verwerten.
4. Die Albumosurie ist bei der Brustseuche unabhängig von
der Resorption der Exsudate aus dem Körper.
5. Während bei lokal beschränkter Tuberkulose ohne All¬
gemeinstörungen der Harn von Albumose frei ist, scheint
erhebliche Tuberkulose mit ständiger Albumosurie ver¬
bunden zu sein.
6. Die Menge der ausgeschiedenen Albumose läßt einen Schluß
zu auf den Grad der Allgemeinstörung im kranken Körper,
kann deshalb neben anderen Symptomen klinisch für die
Prognose in Betracht gezogen werden. Rdr.
Ein Fall von Torsio ntori ante cervicem.
(Aus der geburtshilfl. Klinik der k. u. k. Tierärztl. Hochschule in Wien.)
Mitgeteilt von Tierarzt Karl Keller, Assistent der Klinik.
(Tierärztl. Zentralblatt 1907, Nr. 19.)
K. beschreibt einen jener sowohl nach de Bruin, wie
nach Harms und Franck seltenen Fälle, in welchem nur eine
Drehung des Uterus besteht, ohne daß die Scheide der Kuh
daran teilnimmt. Die torquierte Stelle lag vor der Cervix.
Trotz aller Bemühungen gelang es nicht, den Uterus in die
normale Lage zu bringen. Schließlich wurde die Laparotomie
vorgenommen. Es zeigte sich, daß hochgradige Stauungs¬
erscheinungen am Uterus und eine schwere Peritonitis vor¬
handen waren. Die Uteruswand war total ödematös. In Rück¬
sicht auf die gänzliche Aussichtslosigkeit des Falles wurde die
Kuh getötet. Der Sektionsbefund lautete: Drehung des trächtigen
Uterus, in dessen linkem Horn ein normal entwickeltes reifes
Kalb vorhanden, um 360 Grad, zirka 10 cm nach vorn vom
Abgang der beiden Hörner von links über oben nach rechts;
hochgradige Stauungserscheinungen an den gedrehten Partien,
fibrinös-hämorrhagische jauchige Peritonitis. Interessant ist der
Fall auch dadurch, daß das Allgemeinbefinden der Kuh in
gar keinem Verhältnis stand zu den hochgradigen Stauungs¬
erscheinungen am Uterus und zu der schweren Peritonitis.
Rdr.
Sarin, ein neues Mittel gegen Schweineseuche.
Von J. Szabö, kön. ung. Tierarzt.
(Allatorvozi hapok, 1907. Nr. 42.)
Ein Apotheker bringt in Ungarn ein neues Mittel gegen
Schweineseuche unter den Namen „Sarin“ in Verkehr. Das
Mittel ist nach der Beschreibung seines Erfinders Alylum halio-
manganato-camphoratum. Szabö wendete es in vielen Fällen
bei zwölf Schweinezuchten an, aber das Resultat war gar nicht
befriedigend, die Erkrankung schritt weiter und die Zahl der
Todesfälle verminderte sich auch nicht. Dr. Z.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
56
Über den Zusammenhang zwischen Schlachttierkrank¬
heiten und Fleischvergiftungen durch Bakterien der
Typhus-Coli-Gruppe.
Von Bernhard Edenhuizen.
(IiKiiigiiral-Dissertatinn. Göttingen 1907.)
Verfasser hat in einer außerordentlich interessanten Arbeit
die Frage geprüft, ob die häufigsten Fleischvergifter unter den
Bakterien, die verschiedenen Stämme des Bacillus paratyphosus,
nach dem Tode als Saprophyten auf Fleisch vegetieren oder
bereits zu Lebzeiten der Schlachttiere als Krankheitserreger in
Frage kommen. Zu den Untersuchungen dienten Fleischteile
und Organe von Tieren, die mit solchen Krankheiten behaftet
waren, welche nach allgemeiner Annahme das Fleisch gesund¬
heitsschädlich machen können. Das Material wurde von ver¬
schiedenen großen Schlachthöfen geliefert. Es befanden sich
darunter 10 Tiere mit Gebärmutterentzündungen, mit Nabel¬
infektionen 12, Darmentzündungen 6, Peritonitiden 3, Lungen-
und Pleuralaffektionen 4, ferner 6 mit Gelenkentzündungen be¬
haftete, 8 septikämische und ein an einer Phlegmone erkranktes.
Mit völliger Sicherheit ließen sich Fleischvergifter vom Typus
Gärtner und Paratyphus B nicht nachweisen. Dagegen wurden
in 5—8 Proz. der Fälle Bakterien ermittelt, welche in bezug
auf ihre Virulenz für Mäuse und ihr kulturelles Verhalten mit
den früher beschriebenen Fleischvergiftungsbakterien überein¬
stimmen und wahrscheinlich auch für den Menschen gefährlich
werden können. Die Resultate ergänzen die Erfahrung aus der
Praxis, nach welchen sich der Paratyphusbazillus nachweisbar
postmortal angesiedelt hatte. Die aufgefundenen, hinsichtlich
der Gesundheitsschädlichkeit suspekten Bakterien wurden ge¬
züchtet aus dem Fleische eines wegen eitriger Hufgelenks¬
entzündung nofgesclilacliteten Pferdes und aus zwei mit Septi-
kämie behafteten Kälbern.
Das Gehiß des nengebornen Kalbes.
Im Bericht über das Veterinärwesen in Sachsen für 1905
hat Professor Kusch Mitteilung gemacht über eine an 95 Kälbern
vorgenommene Feststellung der bei der Geburt vorhandenen
Zähne. Daraus ergibt sich die klare Regel, daß das Kalb
alle acht Schneidezähne mit auf die Welt bringt; dies war bei
60 Kälbern, also bei zwei Drittel der untersuchten, der Fall.
Nur sechs Schneidezähne waren durchgebrochen bei 31 Kälbern;
die Eckzähne waren bei diesen noch vom Zahnfleisch überdeckt
und brachen in zwei bis sechs Tagen durch. Diese Kälber
stammten aber durchweg von Fersen oder waren Zwillingskälber
oder etwas früh geboren. Nur bei vier Kälbern fehlten auch
noch die äußeren Mittelzähne. Von diesen vier Kälbern stammten
zwei aus Zwillingsgeburten, das dritte war 24 Tage zu früh
geboren, das vierte mißbildet.
Die Impfungen gegen den Rotlauf der Schweine in
Baden 1905 und 1906.
Von Veterinärassessor Fehsenmeier in Karlsruhe.
(Mitteilungen des Vereins badischer Tierärzte, 7. .Tahig., Nr. 9 und 10.i
Die Schutz- und Heilimpfungen gegen den Rotlauf sind in
den Jahren 1905 und 1906 wiederum in großem Umfange zur
Anwendung gelangt. Es werden in 42 (38) — die Angaben in
Klammern betreffen das Jahr 1905 Amtsbezirken, und zwar
in 355 (363) Gemeinden mit 7720 (6598) einzelnen Gehöften
Impfungen vorgenommen. Als Impfstoff benutzte man Susserin.
Von den der Impfung unterworfenen Schweinen wurden 1675
(1444) mit Serum allein und 22 621 (19 982) mit Serum und
Rotlaufbazillenkultur zugleich behandelt.
Die Schutzimpfung gelangte bei 23 753 (20 963)
Schweinen zur Anwendung; von diesen erkrankten innerhalb
drei Tagen nach der Impfung 10 (15), von denen 4 (4) ver¬
endeten und 6 (11) genasen. Von den nicht geimpften Tieren
jener Bestände, in denen nicht sämtliche Schweine der Impfung
unterworfen worden waren, erkrankten späterhin 27 (20) an
Rotlauf.
Die Heilimpfung wurde bei 543 (463) rotlaufkranken
Schweinen angewendet, von denen 506 (423) geheilt wurden
und 37 (40) verendeten oder notgeschlachtet wurden.
Der bisherige Umfang der Susserin-Impfung in Baden ist
aus nachstehendem ersichtlich:
Impfungen
wurden vor-
genomraen
in
Zahl der
geimpften
Schweine
ilb 3 Tagen nach
rankten (und ver-
Schweine)
Zahl der
weiteren Er-
krankungs-
(und Todes¬
fälle) an Rot¬
lauf bis zum
Jahresschluß
unter
Bei
Anwendung
des Serums
als Heilmittel
wurden
geimpft
Jahr
Amtsbezirken
Gemeinden
Gehöften
Serum ohne
Kultur
Serum mit
Kultur
•S - a
g *£
2 *
.5 p'S
ö ß
i*«S o
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^ a
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S! rz
den geimpften
Tieren
den nicht ge¬
impften Tieren
erkrankte
Schweine
davon sind
genesen
1899
10
40
*)
1290
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67
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1900
19
119
1732
4809
539
20 (4)
24(5)
22
213
177
1901
20
119
1 621
2 676
3 234
3(1)
3
6
177
153
1902
24
169
3 015
1928
8127
8(5)
5(2)
13
387
838
1903
32
321 7 583
5 780
20 643
39(14)
16 (1)
8
726
626
1904
40
365 9380
1864
27 302
9(7)
32 (2)
63
497
442
1905
38
363 6 598
1444
19 982
15 (4)
16(3)
20
463
428
1906
42
355 7 720
1675
22 621
10 (4)
12 (2)
27
548
506
Sa.
—
—
21466102 448
116(41)
108 (15)
159
8078
2 715
123 914
=0,08%
=88,»%
J. Schmidt.
Tagesgeschichte.
Aas dem Etat für 1908.
I.
Der preußische Staatshaushaltsetat für 1908 bringt keinerlei
Veränderungen des Einkommens der Staatsbeamten zum Aus¬
druck, enthält vielmehr hierin überall dieselben Sätze wie im
vorigen Jahre. Das war auch nicht anders zu erwarten, da
bekanntlich die Aufbesserung der Beamtengehälter ganz allgemein
sein und durch eine besondere Vorlage ausgeführt werden soll.
Unter den allgemeinen Aufwendungen, die der Etat vorsieht,
sind auch bereits 77 Millionen für diese große Maßregel ent¬
halten. Die fehlenden Millionen, etwa 40, sollen, wie der Herr
Finanzminister in seiner Etatsrede ausgeführt hat, durch eine
mäßige Erhöhung der Einkommensteuer aufgebracht werden.
Ob freilich das Abgeordnetenhaus, namentlich jetzt im letzten
*) Nicht ermittelt.
16. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
57
Jahre der Legislaturperiode, dafür zu haben sein wird, ist
fraglich, und so ist es immerhin noch nicht ganz sicher, ob das
Etatsjahr die Verwirklichung dieser Reform bringt. Jedenfalls
bringt unter diesen Umständen selbstverständlich auch der Etat
der Landwirtschaftlichen Verwaltung keinerlei Veränderungen
in den Personalbezügen. Davon sind auch die Assistenten an
den tierärztlichen Hochschulen betroffen, für die eine Erhöhung
ihrer geringen Remuneration unbedingt erforderlich und auch
in sicherer Aussicht ist.
Was die Begründung neuer Stellen anlangt, so ist in erster
Linie bemerkenswert die Hebung der Stellung des bisherigen
veterinärtechnischen Hilfsarbeiters im Ministerium. Die Er¬
läuterungen des Etats bemerken dazu: „Dienstliche Rücksichten,
die sich nach Einführung der allgemeinen Fleischbeschau noch
gesteigert haben, heischen es, daß im Ministerium ständig eine
mit allen Vorgängen vertraute veterinärtechnische Hilfskraft
vorhanden ist. Es ist deshalb notwendig, den jetzt seit drei
Jahren in seiner Stellung befindlichen veterinärtechnischen Hilfs¬
arbeiter dauernd in das Ministerium zu übernehmen und
ihn in seinen Rang- und Gehaltsverhältnissen den ständigen
landwirtschaftlichtechnischen Hilfsarbeitern gleichzustellen.“
Außerdem werden zwei neue Kreistierarztstellen ge¬
schaffen, und zwar eine in Berlin und eine für Stettin-Stadt unter
Zulegung eines Teiles des Kreises Randow. Bezüglich der
Berliner Stelle bemerkt der Etat, daß die Aufgabe des neuen
Kreistierarztes hauptsächlich in einer zuverlässigen Beauf¬
sichtigung der Fleischbeschauer in der Umgebung von Berlin
werde bestehen müssen. Die Remuneration für die Ausübung
der Grenzkontrolle wird um 16 000 M. erhöht.
Bei den tierärztlichen Hochschulen tritt eine wesent¬
liche Änderung in dem Verhältnis der Assistenten ein, die von
diesen freudig begrüßt werden dürfte. Die Assistenten waren
bisher in der Stellung von Stipendiaten. Sie sollen von jetzt ab
ihre Remunerationen aus demselben Titel erhalten wie die Hilfs¬
lehrer und werden dadurch diesen näher gerückt und in ihrer
dienstlichen Stellung gehoben. Es gelangt dies dadurch zum
Ausdruck, daß die betreffende Etatsposition „zur Remunerierung
von Hilfslehrern usw.“ mit 75 950 M., d. h. um 29 850 M. höher
als bisher angesetzt ist. Dementsprechend sind aber bei dem |
Fonds für Stipendien die dort bisher verrechneten Remunerationen
der Assistenten im Betrage von 18 600 M. abgesetzt. Für seine
eigentlichen Zwecke ist der Stipendienfonds, obwohl die Gesamt¬
summe dadurch um 15 600 M. geringer angesetzt ist, gleichwohl
um 3000 M. erhöht worden. Eine Vermehrung der Bezüge der
Assistenten ist, wie schon oben gesagt, damit nicht verbunden,
vielmehr in der Vorlage über die Aufbesserung der Beamten¬
gehälter zu erwarten.
Auch die Zahl der wissenschaftlichen Hilfskräfte
ist vermehrt worden, und zwar in Hannover um einen Repetitor
bei der Hundeklinik, in Berlin um einen Assistenten bei der
Poliklinik, einen Repetitor im Pathologischen Institut und um
einen Abteilungsvorsteher beim Hygienischen Institut.
Die Schaffung der letzteren Stelle ist bemerkenswert. Es ergibt
sich unzweifelhaft immer mehr die Notwendigkeit, dieses Institut,
das erste seiner Art, zu zerlegen in seine beiden tatsächlich
voneinander verschiedenen Bestandteile, nämlich in ein Institut
fär Seuchenlehre und ein Institut für Nahrungsmittelkunde.
Auch an anderen tierärztlichen Hochschulen ist ja übrigens,
weil sich dort die Verhältnisse von vornherein anders entwickelt
haben, der Unterricht in der Fleischbeschau mit dem Hygienischen
Institut nicht verbunden. Es ist auch gar nicht anzunehmen,
daß man in Zukunft einen Ordinarius findet, der auf beiden ge¬
trennten Gebieten gleich zuhause wäre. Diese Teilung des
Hygienischen Instituts, von deren sofortiger Durchführung nach
Lage der Umstände jedenfalls abgesehen werden mußte, ist
offenbar durch die Einstellung eines Abteilungvorstehers, dem
speziell die Vertetung des Ordinarius auf dem Gebiet der
Nahrungsmittelkunde zufallen soll, angebahnt. Die der Tierärzt¬
lichen Hochschule für den Betrieb und den Unterricht überwiesenen
Mittel haben in Berlin eine Erhöhung von 9600 M. erfahren.
Im Extraordinarium sind für Hannover 44 000 M. eingestellt,
wesentlich zur Ergänzung der elektrischen Anlage, die sich als
unzureichend erwiesen hat, für Berlin 35 000 M. im wesentlichen
für häusliche Verbesserungen.
Allgemeines Interesse hat auch eine Position aus dem Etat
der Gestütsverwaltung, durch welche eine pensionsfähige
persönliche Zulage für den Gestütsdirigenten in Celle zur Gleich¬
stellung desselben mit den Dirigenten der Hauptgestüte aus¬
geworfen wird. Hierzu bemerkt der Etat: „Der jetzige Land¬
gestütsdirigent (bekanntlich Herr Landstallmeister Dr. Graben¬
see) war im Jahre 1896 bei der Neubesetzung der Dirigenten¬
stelle des Hauptgestüts Beberbeck in erster Linie für diesen
Posten vorgesehen, mußte aber, ebenso wie bei Neuschaffung
der Hauptgestütsdirigentenstellen in Georgenburg und Neustadt,
im dienstlichen Interesse in Celle belassen werden. Durch
Allerhöchsten Erlaß vom 20. März 1905 ist bestimmt, daß er
nach dem Datum seines Patentes vom 6. März 1893, durch
welches ihm der Charakter eines Landstallmeisters verliehen
wurde, mit den Landstallmeistern der Hauptgesttite zu rangieren
habe.“ Demgemäß soll er durch die erwähnte Position auch in
seinem pensionsfähigen Einkommen den Landstallmeistern gleich¬
gestellt werden. Durch den im Etat erwähnten Erlaß vom
20. März 1905 ist Herr Dr. Grabensee übrigens zugleich wohl
der Rangälteste unter den Landstallmeistem geworden.
II.
Der Etat des Reichsheeres bringt für das Veterinärwesen
ebenfalls noch keine große Neuerung, aber folgende Einzel¬
heiten : drei neue Stellen, darunter die eines Regimentsveterinärs
wegen der Errichtung eines neuen Kavallerieregiments, für
Bayern einen Veterinär in gleicher Stellung für die Militär¬
lehrschmiede. Bei der Veterinärakademie eine Erhöhung der
sachlichen Ausgaben um 16 086 M., darunter 7600 M. allein für
die Unterbringung von Studierenden in Privatquartieren, da man
die Notwendigkeit erkennt und ihr auch bereits in erheblichem
Umfange Rechnung getragen hat, die jetzigen Studierenden in
bezug auf ihre Wohnung besser zu stellen als früher die Eleven.
Ein alter und berechtigter Wunsch wird erfüllt, indem 24 000 M.
zur Beschaffung von Veterinärtaschen für die Regimenter aus¬
geworfen sind. .
Das Reiten der Veterinäre.
ln mehreren Zuschriften an die B. T. W. ist bereits auf
die Notwendigkeit einer besseren Reitausbildung der Veterinäre
hingewiesen worden. Tatsächlich ist es auch an der Zeit, daß
hier, wie auch in so mancher anderen Beziehung, anläßlich der
Neuorganisation einmal gründlich Wandel geschaffen wird, denn
die Reitfertigkeit eines Teiles der Veterinäre ist ohne Zweifel
eine zu geringe. Wird es doch zuweilen noch von Offizieren
58
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
und selbst von Veterinären für ausreichend erachtet, wenn die
ganze Reitkunst des Veterinärs sich darauf beschränkt, daß er
seiner Truppe auf einem zuverlässigen Pferd so folgen kann, daß
er sie nicht aus dem Auge verliert.
Ganz abgesehen davon, daß naturgemäß das militärische
Ansehen einer Persönlichkeit leiden muß, die, ständig bei einer
berittenen Truppe stehend, dieser öfters das Schauspiel reiter-
licher Unsicherheit und Unbeholfenheit bietet, daß eine solche
Persönlichkeit, die aus Mangel an Reitfertigkeit jedem kleinen
Hindernis ausweicht und deren vorsichtiges Reiten nur zu gern
als Mangel an Schneid ausgelegt wird, die Spottlust der Mann¬
schaften geradezu herausfordert, ganz abgesehen von alledem
ist es schon aus sehr praktischen Gründen ein Gebot der Not¬
wendigkeit, daß der Veterinär so reiten kann und auch wirklich
so reitet, wie es von jedem vollausgebildeten Kavalleristen ver¬
langt wird.
Sowohl bei Übungen wie im Ernstfall kommt der Veterinär
in die Lage, womöglich allein schnell einen entfernteren Punkt
erreichen zu sollen. Wieviel Zeitverlust entsteht nun, wenn er,
statt flott querfeldein zu reiten, erst lange den besten Weg
heraussucht, wie schlecht sieht es aus, wenn er hilflos vor einem
Graben steht, der übersprungen werden könnte und wenn er
nun vielleicht gar wieder umkehrt. Oder ein anderes Bild:
Wie unangenehm fällt es auf, wenn ein Arzt oder Veterinär die
Exerzierbewegungen stört, weil sich sein Pferd anhängt oder
weil dieses in eine Abteilung hinein abschiebt oder wenn ein
solcher Reitersmann auf schwierigem Gelände nicht mitkommt
und dann im Bedarfsfälle nicht zur Stelle ist oder wenn er
durch zu vorsichtiges Bergabreiten die nachfolgenden Truppen
aufhält, alles Fälle, die aus dem Leben gegriffen sind. Im
Ernstfall sind Leute der geschilderten Art eine große Last für
die Truppe, da man sie doch nach Möglichkeit mitschleppen muß,
auch wenn es durch dick und dünn gellt. Daß sie durch das
für sie anstrengende und aufregende Reiten stark mitgenommen
werden, wird auch ihre berufliche Leistungsfähigkeit be¬
einträchtigen. Es ist soweit ebenso im Interesse der Truppe,
wie des Veterinärs selbst gelegen, daß er ein zum mindesten
„anständiger“ Reiter ist.
Im Ernstfall kann ihm die Fähigkeit flotten Reitens auch
noch in anderer Hinsicht zustatten kommen. Bei kleineren
Detachements kann sehr wohl der Fall eintreten und der
Veterinär wird es dann als eine ersehnte Ehre betrachten,
Patrouillenritte übernehmen zu dürfen; hierzu gehört aber in
erster Linie ein im Gelände flottes und schneidiges Reiten.
Gewandtheit zu Pferd ist ferner fürs Einzelgefecht notwendig;
ein schlechter Reiter ist hier ja schon von vornherein verloren.
Von ganz erheblicher Bedeutung endlich — und dieser Punkt
wird vielfach unterschätzt — ist ein gutes Reiten und eine gute
Reitausbildung für die Kenntnis der Pferdebeurteilung.
Ein Reiter, der mit Verständnis reitet, wird auch fast stets ein
guter Pferdekenner sein. Erst beim Reiten wird man auf viele
Einzelheiten aufmerksam, an denen man bei ausschließlicher
Betrachtung des Pferdes vom Boden aus achtlos vortibergehen
würde. Wie viele Offiziere haben sich nicht durch überlegtes
Reiten außerordentlich hohe Pferdekenntnisse erworben; um wie
viel mehr muß dies dem in Anatomie und Ph} r siologie des
Pferdekörpers ungleich tiefer eingedrungenen Veterinär gelingen.
Die mehr reiterliche Seite der Pferdekenntnis ist bisher von
den Veterinären im allgemeinen nicht so gepflegt, wie sie es
verdiente und wie es nötig wäre, damit der Veterinär den
Pferdemann comme il faut darstellen würde, der er eigentlich
sein sollte.
Gerade zur Erwerbung der feineren Kenntnis des
Pferdes beim Reiten bedarf es aber einer sachgemäßen
Anleitung; damit komme ich zur Reitausbildung. Die Haupt¬
ursache des schlechten Reitens der Veterinäre liegt darin, daß
sie — wenigstens in Bayern — weiter keine Reitausbildung
genossen haben als die halbjährige RekrutenreitBchule während
des Einjährigenjahres. Wenn sie zur Reserve entlassen und dann
vielleicht erst nach zwei und mehr Jahren wieder in den aktiven
Militärdienst eingetreten sind, kümmert sich dann niemand mehr
um ihr reiterliches Wohl und Wehe. Bei der Artillerie kann der
Veterinär während des größten Teil des Jahres überhaupt nicht
reiten. Besser ist es bei der Kavallerie. Hier hat er in der
Regel während des ganzen Jahres ein Pferd zur Verfügung,
doch werden häufig — die Eskadrons können dies zuweilen beim
besten Willen nicht anders — schonungsbedürftige oder aus
anderen Gründen in der Truppe nicht recht verwendbare Pferde
abgestellt, so daß die Reitgelegenheit gerade keine besonders
ideale und ein flottes Reiten oft nicht möglich ist.
Aus all diesen Gründen wäre dringend zu wünschen, daß
die Neuorganisation den Veterinären eine intensivere Reitaus-
bildüng und eine bessere Berittenmachung bringt. Die
erstere hätte vor allem in der Teilnahme sämtlicher Veterinäre
und Oberveterinäre an der Offiziersreitschule zu bestehen, die des
Lehrreichen in Fülle bietet. Ebenso müßte auch die Beteiligung
an den Jagden zur Pflicht gemacht werden. Beides ist übrigens
in einigen Regimentern bisher schon gestattet.
Die Forderungen der Teilnahme an der Offiziersreitschule
und an den Jagden setzen schon an und für sich eine bessere
Berittenmachung voraus. Am erstrebenswertesten wäre es wohl,
daß die Veterinäre Pferdegelder und Rationen empfangen würden,
um eigene Pferde halten zu können oder daß ihnen besonders
einzustellende Pferde analog den Offiziers-Dienstpferden der
Artillerie zugewiesen würden. Es wäre damit auch der letzteren
Waffengattung etwas gedient, die ohnehin unter einem zu ge¬
ringen Pferdestand zu leiden hat, so daß es oft großen Schwierig¬
keiten begegnet, den Veterinär beritten zu machen.
Es möge schließlich noch erwähnt sein, daß es in anderen
Armeen mit den reiterlichen Verhältnissen der Veterinäre, die
meist auch auf eigenen Pferden beritten sind, entschieden besser
bestellt ist als bei uns. Vielfach haben die Veterinäre neben
anderen Kursen auch noch eine besondere Ausbildung im Reiten
auf den Kavallerieschulen durchzumachen und in der französischen
und belgischen Armee ist die endgültige Anstellung als Veterinär
von dem Bestehen eines Examens abhängig, daß sich u. a. auch
auf Schul- und Geländereiten erstreckt. L.
Tierarzt und Körkommisgion.
Nach dem Bericht in Nr. 2 der tierärzlichen Wochenschrift
über den Fall in dem Kreistage des Kreisvereins Alfeld und der
liebenswürdigen Äußerung des Herrn Grafen Wrisberg-
Wrisbergholzen zur Wahl eines Tierarztes in die Körkommission:
„daß er zwar sehr tüchtige Tierärzte kennen gelernt habe, daß
sie aber von der Viehzucht den Teufel nichts verständen“ —
muß es als hocherfreulich bekannt gegeben werden, daß im
Herzogtum Gotha bei der Besprechung des § 2 des Körgesetzes
vom 1. Juli 1880 — (welcher heißt:
16. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
59
„Für jeden Landratsamtsbezirk, einschließlich der Städte,
besteht eine Körkommission und zwar ans dem betreffenden
Bezirkstierarzt und zwei aus dem Bezirk zu wählenden
Landwirten, und deren Stellvertretern.“)
allgemein von der Regierung und sämtlichen, hauptsächlich den
landwirtschaftlichen Landtagsabgeordneten als durchaus not¬
wendig anerkannt wurde, daß in den Körkommissionen je ein
Tierarzt notwendig sei, da ein normaler, fehlerfreier Gesundheits¬
zustand ein Haupterfordernis eines brauchbaren Zuchtbullen sei,
und der Gesundheitszustand desselben am Zuverlässigsten nur
von einem Tierarzt beurteilt werden könne, etc. etc.
Mit Inkrafttreten des Körgesetzes verstand es sich, wie
von selbst, — daß der Bezirkstierarzt zum Vorsitzenden der
Körkommission gewählt wurde und durch seine wissenschaftliche
Bildung und Kenntnis in der Viehzucht, die Leitung der Geschäfte
übernahmt
So ist in steter gegenseitigen Anpassung, ohne jeden
Zwischenfall, die Hengst- Bullen- und Eberkörung zum Segen
der Viehzucht und zur höchsten Zufriedenheit aller Interessenten
vor sich gegangen und hat gerade der Tierarzt am meisten zu
dem schönen Ziele mit beigetragen.
Glücklicherweise sind Ansichten wie die der Grafen Rantzau
und Görtz-Wrisberg doch wohl immer seltener und ver¬
einzelter und nur in solchen Kreisen zu hören, und müssen aller¬
dings in energischer Weise zurückgewiesen werden. Es wird
jetzt keinem verständigen Landwirt, der sich mit dem Wissen¬
schaftsgang unseres Berufes bekannt gemacht hat, — einfallen,
dem Tierarzt das Verständnis für ein gutes, brauchbares Zucht¬
tier allzustreiten.
Soviel mir übrigens bekannt ist, sind in Thüringen und
Sachsen und sämtlichen süddeutschen Staaten, auch in einer
Beihe preußischer Regierungsbezirke von allem Anfang an die
Tierärzte zu den Körkommissionen als vollberechtigte Mitglieder
zugezogen worden und haben sich überall, vorzüglich in Baden
und Bayern der höchsten Anerkennung in landwirtschaftlichen
und Regierungskreisen wert gemacht, und nirgends hat man
derartige Äußerungen wie die eingangs dieses gerügten des
Herrn Grafen etc. gehört. Vet.-Assessor Georges. j
Y iehseuchengesetz.
Dem Reichstag ist der Entwurf der Novelle zum Viehseuchen¬
gesetz zugegangen und mit besonderer Schnelligkeit ist dem
auch schon die erste Lesung gefolgt, die mit der Verweisung
an eine Kommission endet. Wenn in tierärztlichen Kreisen
bezüglich dieses Gesetzes noch besondere Wünsche bestehen,
so wird es jetzt an derZeit sein, dieselben der Kommission zur
Kenntnis zu bringen, welche zweifellos eine lange und eingehende
Beratung dieses wichtigen Gesetzentwurfes vornehmen wird.
Der Deutsche Veterinärrat wird die Bitte aussprechen, die Be¬
zeichnung Vieh seuchengesetz in Tierseuchengesetz umzuwandeln.
Die Einwendungen, welche Preuße (B.T.W. 1907, Nr. 52, S. 967)
dagegen erhebt, können als hinderlich nicht betrachtet werden.
Jedenfalls hat der tierärztliche Stand ein Interesse daran, alles
zu beseitigen, was ihm auch nur äußerlich nachteilig werden
kann. Daß dazu vulgäre Ausdrücke, wie Viehdoktor, Vieharznei¬
kunde und dergleichen beitragen, kann nicht bezweifelt werden,
und daß die Neigung zu solchen Ausdrücken durch die amtliche
Anwendung des Wortes Vieh in Verbindung mit veterinären
Maßnahmen befördert wird, ist auch nicht zu bezweifeln. Mit
Recht hat Johne auch den amtlichen Gebrauch des Ausdrucks
Rindvieh statt Rinder getadelt. Noch merkwürdiger ist die
Bezeichnung „Schafvieh“ statt Schafe, wie sie sich in der
monatlichen Reichsstatistik findet. Es muß endlich einmal mit
diesen Gebräuchen gebrochen werden; man hat ja jetzt auch in
anderer Hinsicht mehr Gefühl als früher für Sprachreinigung.
Pferde, Hunde und Geflügel sind kein Vieh; jedenfalls paßt der
Ausdruck Tiere unbedingt auf alles. Auch andere Gesetze
tragen dem Rechnung. Das Bürgerliche Gesetzbuch spricht
z. B. nicht vom „Viehhalter“, sondern vom Tierhalter. Ebenso
würde man besser „Tierzählung“ statt Viehzählung sagen.
Amtliche Bekanntmachungen dürfen keine „Sprachdummheiten“
enthalten. Was aber soll man dazu sagen, wenn in einer
solchen Bekanntmachung steht: „Folgende Viehgattungen
werden gezählt: 1. Pferde usw., 9. die Bienenstöcke.“ (!)
Haftpflicht des Tierhalters.
Der Reichstag verhandelte am 11. er. über die Novelle zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, durch welche die gegenwärtige Haft¬
pflicht des Tierhalters eingeschränkt werden soll. Daß die
Haftpflicht in ihrem heutigen Umfange, welche den Tierhalter
nicht bloß vor Schäden ohne sein Verschulden, sondern sogar
für Schäden durch Verschulden des Beschädigten haftbar macht,
nicht mehr und nicht weniger als eine Ungerechtigkeit ist,
darüber war man sich längst allgemein einig, und das haben
im Reichstage auch die Parteien, mit einziger Ausnahme der
Sozialdemokratie, anerkannt. Die vom Bundesrat vorgelegte und
vom Staatssekretär des Reichsjustizamts warm befürwortete
Vorlage wurde daher mit großer Majorität angenommen.
Zu dem Gesetzentwulrf über den Versicherungsvertrag.
Wie bereits in dieser Zeitschrift erwähnt wurde, ist der
Gesetzentwurf über den Versicherungsvertrag nunmehr einer
Kommission zur Beratung übergeben worden. Die von uns Tier¬
ärzten mit Recht bekämpften §§ 120, 123 und 124 desselben
bestehen noch in der gleichen Weise, nur sind aus ihnen die
§§ 122, 125 und 126 geworden. Des Interesses wegen seien
sie hier nochmals angeführt.
§ 122 lautet:
Erkrankt das versicherte Tier oder erleidet es einen Unfall,
so hat der Versicherungsnehmer, sofern nicht die Erkrankung
oder der Unfall unerheblich ist, unverzüglich einen Tierarzt
oder, wenn dies untunlich ist, einen Sachkundigen zuzuziehen.
§ 125.
Hat der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder aus grober
Fahrlässigkeit das Tier schwer mißhandelt oder schwer ver¬
nachlässigt, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur
Leistung frei, es sei denn, daß der Schaden nicht durch die
Mißhandlung oder die Vernachlässigung entstanden ist. Als
schwere Vernachlässigung gilt &b insbesondere, wenn bei einer
Erkrankung oder einem Unfälle die Zuziehung eines Tierarztes
oder eines Sachkundigen der Vorschrift des § 122 zuwider
unterlassen worden ist.
§ 126.
Der Versicherungsnehmer darf eine Nottötung nur mit Ein¬
willigung des Versicherers vornehmen, es sei denn, daß die Er¬
klärung des Versicherers nicht abgewartet werden kann. Ist
durch das Gutachten des Tierarztes oder, falls die Zuziehung
eines Tierarztes untunlich ist, zweier Sachkundigen vor der
60
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
Tötung festgestellt, daß die Tötung notwendig ist und die Er«
klärnng des Versicherers nicht abgewartet werden kann, so muß
der Versicherer die Feststellung gegen sich gelten lassen.
Ist der Vorschrift des Abs. 1 Satz 1 zuwider eine Not¬
tötung erfolgt, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur
Leistung frei.
Der Vollständigkeit wegen soll hier noch die Beratung über
§ 120 (jetzt § 122) folgen, wie sie in Anlage 2 zu Nr. 364,
dem Gesetzentwurf, dargestellt ist.
Danach wurde beantragt, in § 120 (122) die Worte „wenn
dies untunlich“ ist zu streichen und vor Sachkundigen zu setzen
„sonstigen“.
Der Antragsteller führte aus: Der § 120 (122) sei mit
schwankenden Begriffen überladen. Wenn die Erkrankung oder
der Unfall unerheblich sei, dann brauche der Versicherungs¬
nehmer keinen Tierarzt oder Sachverständigen zuzuziehen. Was
unerheblich sei, darüber würden im einzelnen Falle die
Meinungen sehr auseinandergehen. Nun aber sei auch noch die
Wahl eines Sachkundigen an Stelle eines Tierarztes davon ab¬
hängig gemacht, daß die Zuziehung des Tierarztes untunlieh
sei. Wann sei sie das? Etwa, wenn der Tierbesitzer kein
Geld habe, den Tierarzt zu bezahlen ? Man solle deshalb wenig¬
stens dies untunlich streichen und die Wahl, ob Tierarzt oder
sonstiger Sachkundiger gerufen werden solle, ganz freigeben.
Von einer Seite wurde der Vorschlag unterstützt. Dieser
Abgeordnete fand überhaupt die Vorschriften der §§ 119 bis 123
äußerst rigoros.
Andere Kommissionsmitglieder traten für den Entwurf ein.
Die Viehversichernng sei ein eigentümliches Geschäft. Ohne
sehr harte Bestimmungen komme man da nicht aus. Werde
man zu lax, so müssen die Prämien ins Unendliche steigen und
das sei für die Viehbesitzer noch ungünstiger als harte Kontroll-
maßregeln.
Die Kommission lehnte den gestellten Abänderungsantrag
ab und nahm § 120 (122) unverändert an.
Die §§ 123 (125) und 124 (126) wurden unverändert an¬
genommen.
Wenn man die Beratung über den § 120 (122) liest, muß
man unwillkürlich sagen: „Spottet seiner selbst und weiß nicht
wie.“ Auf der einen Seite verlangt man harte Bestimmungen,
um nicht die Prämien ins Unerschwingliche steigen zu lassen.
Auf der andern Seite gibt man dem „Sachkundigen“ vulgo Kur¬
pfuscher das Recht des Eingreifens, wenn die Zuziehung eines
Tierarztes untunlich ist. Was heißt im Zeitalter des Tele¬
graphen, des Telephons oder des Automobils untunlich? Wann
ist die Zuziehung eines Tierarztes untunlich? Wann ist diejenige
eines Sachkundigen tunlich? Wer entscheidet darüber? Der
Versicherungsnehmer oder der Versicherer?
Für mich liegt das Deprimierende dieser Bestimmungen
darin, daß hier der „Sachkundige“ vulgo Kurpfuscher gleichsam
amtlich anerkannt ist. Wo sind die großen Fortschritte der
Tiermedizin in den vergangenen zwei Jahrzehnten? Anscheinend
sind sie in den amtlichen oder wenigstens gesetzgeberischen
Kreisen unseres lieben deutschen Vaterlandes w r enig oder gar
nicht bemerkt w'orden.
Der Schreiber dieser Zeilen hat einem ihm bekannten
Reichstagsabgeordneten unter Beifügung der über dasselbe
Thema bereits vorhandenen Literatur vor einigen Tagen mit¬
geteilt, daß die fraglichen Bestimmungen eine vollständige Un¬
kenntnis der großen Fortschritte und der wirtschaftlichen Be¬
deutung unserer Wissenschaft verraten. Außerdem hat er ihm
die Mitwirkung des „Sachkundigen“ in Anbetracht der großen
Zahl von Tierärzten als überflüssig erklärt. Endlich habe ich
ihn darauf aufmerksam gemacht, daß, wie auch bereits Kollege
Dr. Eberle früher in dieser Zeitschrift erwähnt, die Ver¬
sicherungsgesellschaften im allgemeinen dankend auf die Mit¬
wirkung des Sachkundigen verzichten. Sie sind in der Regel
bei dessen Eingreifen bekanntlich die Leidtragenden.
Da, wie bereits mitgeteilt, der Entwurf einer Kommission
überwiesen ist, die Beratung im Plenum des Reichstages also
in Bälde vor sich gehen dürfte, so tut Eile not. Neben einer
entsprechenden Eingabe, wie sie auch schon von dem Verbände
der preußischen Privattierärzte beschlossen worden ist, wäre
ein persönliches Vorgehen, und zwar am besten von seiten des
Präsidiums des Deutschen Veterinärrats am Platze.
(Dieser Fall zeigt uns wiederum, wie ersprießlich für den
Stand auch die Wahl eines Tierarztes als Reichstagsabgeordneter
wäre.) Bezirkstierarzt Maier-Konstanz.
Versammlung der beamteten Tierärzte des Regierungs¬
bezirks Stettin
am 12. Dezember 1907.
Die Versammlung fand im Sitzungssaale der Königlichen Re¬
gierung zu Stettin statt. An der Sitzung nahmen teil: Herr Re¬
gierungspräsident Guenther, Herr Oberregierungsrat von Seebach,
die Herren Regierungsrat Ramm und Regierungs- und Geheimer
Medizinalrat Dr. Vanselow. Ferner die Herren Kreisärzte der
Kreise Stettin und Randow, der Vorsteher des chemischen Labo¬
ratoriums der Auslandsfleischbeschaustelle Herr Dr. Kühn, der
Direktor des bakteriologischen Instituts der Landwirtschaftskammer
Herr Dr. Schmitt, die Herren Direktoren der städtischen Schlacht¬
höfe in Stettin, Stargard, Pasewalk und Demmin und der praktische
Tierarzt, Herr Dr. Isert aus Gartz a 0. Von den beamteten Tier¬
ärzten des Bezirks war der Herr Kreistierarzt in Demmin durch
Krankheit an der Teilnahme verhindert.
Nach der Vorstellung der Teilnehmer eröffncte der Herr Re¬
gierungspräsident die Sitzung und wies darauf hin, daß der Herr
Landwirtschaftsminister diese Versammlungen angeordnet habe und
damit der bisherigen Tätigkeit der beamteten Tierärzte eine An¬
erkennung habe zollen wollen. Der erstrebte Nutzen liege in der
praktischen und wissenschaftlichen Weiterbildung der Veterinär¬
beamten und in der Hebung ihres Standesbewußtseins, das an
erster Stelle auf treuer Pflichterfüllung beruhen müsse.
Zur Erledigung kommt zunächst Punkt 3 der Tagesordnung:
Die Regelung des Abdeckereiwesens.
Der erste Referent, Veterinärrat Schultze-Labes, schilderte
ausführlich die durch die im Regierungsbezirk noch fast allgemein
bestehenden privilegierten Abdeckereien verursachten Unzuträglich¬
keiten und Mißstände auf veterinär- und sanitätspolizeilichem Ge¬
biete, so namentlich den unzweckmäßigen Betrieb vieler Ab¬
deckereien, das Verfahren der Abdecker, die Kadaver an Ort und
Stelle zu öffnen, Haut und wertvolle Teile an sich zu nehmen und
die Eingeweide dem Tierbesitzer zum Verscharren zurückzulassen,
die Weigerung der Abdecker zur Abholung kleiner Tierkadaver,
den Schmuggel mit konfisziertem Fleisch aus Abdeckereien, die Ab¬
gabe von Hundefutter, die unzulänglichen Transportmittel und
anderes. Referent forderte schließlich die Regelung durch:
Ablösung der Abdeckerei-Privilegien, Betrieb der Abdeckereien
durch Beamte mit festem Gehalt unter polizeilicher und amtstier¬
ärztlicher Aufsicht,
Beibehaltung des Ansage- und Ablieferungszwanges,
Einführung der Buchkontrolle und endlich zweckmäßige Ein¬
richtung der Abdeckereien und ihrer Betriebsmittel. Referent hält
es auch für zweckmäßig, die Ablösung der Privilegien nicht den
einzelnen Kreisen oder Kommunen zu überlassen, sondern sie durch
Gesetz zu bewirken.
16 Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
61
Der Korreferent, Kreistierarzt Dr. Schimmelpfenning-Greifen¬
berg, begründete zunächst die Forderung nach Regelung des Ab¬
deckereiwesens mit der Tatsache, daß tierische Kadaver in manchen
Erdarten sich ausgezeichnet erhalten, daher absichtlich oder bei
gelegentlichen Erdbewegungen ausgegraben und in den Verkehr
gebracht werden können, und daß viele Krankheitslceime, so be¬
sonders die des Milzbrandes, im Erdboden sehr lange Zeit wirksam
bleiben, sich vermehren und durch die Pflanzen, durch Wasserläufe,
Grundwasser oder andere äußere Ursachen an die Oberfläche ge¬
langen und von neuem infizieren können.
Korreferent war ebenfalls für Beibehaltung des Ablieferungs¬
zwanges und hielt für zweckmäßig die Einrichtung von Kreis¬
abdeckereien in der Nähe der Kreisstädte, weil dann leicht eine
ständige amtstierärztliche Kontrolle ausgeübt werden könne. Er
gab dann weiter ein anschauliches Bild von der Einrichtung
moderner Abdeckereianlagen, der Apparate für Kadaververarbeitung,
der Abdeckereiprodukte, deren Ausnutzung und Bedeutung in volks¬
wirtschaftlicher Hinsicht. Er hielt namentlich das Kadavermehl für
dazu geeignet, der gewaltigen Einfuhr von Fleischmehl aus Amerika
in Zukunft erfolgreich Konkurrenz zu bieten.
Darauf nahm der Herr Regierungspräsident das Wort, betonte,
daß sich die beiden Referate gut ergänzten und übereinstimmten in
der Forderung, die bestehenden privaten Abdeckereien zu beseitigen
nnd an deren Stelle Anstalten unter staatlicher oder kommunaler
Leitung — Kreisabdeckereien — zu errichten mit Ablieferungszwang
und Entschädigungspflicht, und stellte diese Forderungen zur
Diskussion.
In dieser gab Veterinärrat Pauli einen kurzen Überblick über
die Entwicklung und den derzeitigen Stand der Abdeckereifrage
im Regierungsbezirk Stettin, über die bestehenden polizeilichen
Bestimmungen sowie über die bisher gemachten Erfahrungen bei
Ablösungsversuchen. Die Ablösung wäre trotz des Gesetzes vom
17. Dezember 1872 nur durchführbar durch ein Gesetz, welches
ähnlich dem Gesetz über Schlachthauszwang zu erlassen sei. Dazu
wären finanzielle Mittel erforderlich, weil bei der Ablösung auch
die landwirtschaftlichen Nebenbetriebe der Abdeckereien mit in
Anrechnung gebracht werden müßten, die wegen der Ausnützung
des Abdeckereidunges hoch bewertet würden. Zur Übernahme der
abgelösten Privatabdeckereien wären die Kommunen, wenn nötig
unter Beihilfe, berufen. Nach Möglichkeit wären größere Ab¬
deckereien, deren Rentabilität gesicherter wäre, einzurichten, an
welche die Kadaver von Sammelstellen aus abgeführt werden
könnten.
Kreistierarzt Groul-Altdamm führt aus, daß die Landwirtscbafts-
kammer der Provinz Brandenburg durch eine Reihe von Prozessen,
die auf ihre Veranlassung von Landwirten gegen die zuständigen
Abdeckereibesitzer geführt wurden, für die Klarstellung der Ab¬
deckereigerechtsame wichtige Kammergerichtsentscheidungen her-
beigeführt habe. Danach erlösche ein Privileg nicht, auch wenn
es jahrelang geruht habe, ferner könne der Abdecker bei Hinter¬
ziehungen von Kadavern eine Schadloshaltung nach dem heutigen
Werte der Kadaver von den betreffenden Besitzern fordern. Der
Ausfall dieser Prozesse würde die Forderungen der Abdeckerei¬
besitzer voraussichtlich noch weiter steigern. Die Rentabilität
öffentlicher Anstalten würde ferner durch die Anstellung zu :
verlässigen Personals, insbesondere geeigneter Leiter, in Frage ge¬
stellt werden. Er schlug vor, vorläufig auf dem Wege polizeilicher
Verordnungen die gröbsten Schäden zu beseitigen und durch den da¬
bei ausgeübten Druck die Abdeckerei esitzer für die Ablösung ge¬
neigter zu machen.
Kreistierarzt Melchert-Stargard hat seit drei Jahren sich
bemüht, eine Ablösung der im Kreise bestehenden Privilegien her-
beizuftthren, alle seine Bemühungen seien gescheitert. Die Gründe
dafür seien: das Fehlen sicherer Rentabilitätsnachweise, die
Besitzer führten angeblich keine Bücher, ferner die eigenartige
Begrenzung der Bannbezirke, die sich über verschiedene Kreise, ja
sogar in eine andere Provinz (Brandenburg) hinein erstreckten;
endlich die außerordentliche Wertsteigerung, so sei die Abdeckerei
in Stargard in den letzten drei Jahren dreimal verkauft worden
und zwar für KO 000 M., 175 000 M. und 182000 M. Der jetzige
Besitzer fordere sogar 250 000 M. Er wäre daher zu der Ansicht
gekommen, daß nur eine allgemeine, gesetzliche Ablösung möglich sei.
Direktor Dr. Schmitt erklärte, daß auch die Landwirtschafts¬
kammer für die Provinz Pommern auf dem Standpunkt der gesetz¬
lichen Ablösung stehe Dafür und für Anlage öffentlicher Ab¬
deckereien stimmten auch die weiteren Redner.
Der Herr Regierungspräsident schloß alsdann die Diskussion
und stellte als ihr 'Ergebnis fest, daß erstens ganz allgemein die
bestehenden Zustände im Abdeckerei wesen als unhaltbar angesehen
würden und zweitens die Majorität der Versammlung sich auf die
Seite der beiden Referenten stelle, d. h. Ablösung der privaten und
Einrichtung von Abdeckereien in der Hand öffentlich-rechtlicher
Korporationen unter amtlicher Leitung wünsche. Die Ablösung
würde sich freilich teuer stellen und vom Standpunkte der Renta¬
bilität nicht als ein gutes Geschäft zu betrachten sein, jedoch im
Hinblick auf den Endzweck müßten die Lasten soweit erforderlich
aus öffentlichen Mitteln getragen werden. Als Gegenleistung sei
freilich der Ablieferungszwang zu fordern. In der Frage der Kreis¬
abdeckereien nehme die Mehrzahl der Redner an, daß eine solche
Anlage in der Regel für jeden Kreis genügen würde und sich große
Abdeckereien besser rentieren würden als kleine.
Danach folgte Punkt 2 der Tagesordnung. Der Vorsteher der
Auslandsfleischbeschaustelle, Schüller, hielt ein Referat über die
Bestimmung der Herkunft eines tierischen Eiweißes- mittelst der
Präzipitatreaktion nach Uhlenhuth und Wassermann und der
Komplementablenkungsmethode nach Neißer und Sachs.
Mit jeder der beiden Methoden seien wir imstande, die Herkunft
irgendeines ungekochten Eiweißes oder Eiweißgemenges zu be¬
stimmen. Die Präzipitatmethode finde bereits in der forensischen
Chemie allgemeine Anwendung. In der Nahrungsmittelchemie habe
man von ihr bisher noch wenig Gebrauch gemacht, obschon sie zur
Aufdeckung von Verfälschungen ausgezeichnete Dienste leisten
könnte. Das Abienkungsverfahren sei zwar bedeutend schärfer als
die Präzipitatmethode; man könnte mit ihm die geringste Spur von
Eiweiß in irgendwelchen Gemengen nachweisen, z. B. menschlichen
Schw r eiß in Kleidungsstücken. Doch gerade seine außerordentliche
Schärfe schließe seine Verwendbarkeit in der forensischen und
Nahrungsmittel-Chemie aus, da die Reaktion bei ihrer Schärfe zu
vethängni8vollen lrrtümem führen könnte. Man würde deshalb
diese Methode nur bei positivem Ausfälle der Präzipitatreaktion zur
Unterstützung dieser benutzen können. Bei negativem Ausfälle der
Präzipitatmethode dürfe das Ablenkungsverfahren jedoch nicht
entscheidend sein. Referent demonstrierte die Ausführung der
Präz i pitatreakti on.
Da sich an diesen Vortrag keine Diskussion knüpfte, so folgte
unmittelbar Punkt 4 der Tagesordnung: Die polizeiliche Regelung
und technische Kontrolle des Veikehrs mit Milch, besonders mit
Vorzugsmilch. Der Referent, Kreistierarzt Hoffheinz - Swinemünde,
führte zunächst die Gründe für die Notwendigkeit einer Überwachung
des Milchverkehrs an, so die Gefahr der Übertragung der Tuber¬
kulose von Tier auf Mensch, die Verbreitung ansteckender Krank¬
heiten wie Typhus durch Milchgenuß, weiter die große Zunahme
der Säuglingssterblichkeit in Deutschland und endlich die häufigen
Verfälschungen der Marktmilch. Da eine allgemeine gesetzliche
Regelung des Milchverkehrs in ähnlicher Weise wie des Fleisch¬
verkehrs noch nicht zu erwarten sei, so sei vorläufig eine Regelung
und Überwachung des Milchverkehrs durch Polizeiverordnungen an¬
zustreben. Eine zeitgemäße Polizei Verordnung hätte zu enthalten:
Bestimmungen über die Gewinnung, Transport und Verkauf der
Mi ch, die Anzeigepflicht für d »s Gewerbe, ferner Maßgaben dafür,
was als Voll-, als Mager- und was als Vorzugsmilch anzusehen sei.
Dazu kämen Vorschriften für die Reinlichkeit der Ställe, Reinlich¬
keit und Gesundheit der Kühe und des Melkpersonals, Sauberkeit
der Milchgefäße, Zweckmäßigkeit der Aufbewahrungs- und Verkaufs¬
räume. Für den Verkehr mit Vorzugsmilch müßte weiter noch ge¬
fordert werden, tierärztliche Kontrolle und gesonderte Aufstellung
der Milchkühe, Beschränkungen in der Wahl der Futtermittel.
Referent machte weiter ausführliche Mitteilungen über das Verderben
der Milch, über die üblichen Verfälschungen wie Entnahmen, Zusatz
von Wasser und Konservierungsmitteln und erwähnte die Methoden
zu deren Feststellung.
62
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
In der sich hier anschließenden Diskussion weist'der Departe¬
mentstierarzt darauf hin, daß für den Polizeibezirk Stettin der
Milchverkehr durch eine Polizeiverordnung vom Jahre 1904 geregelt
ist. Danach müsse die Milch unverfälscht sein und einen Mindest¬
fettgehalt von 2,8 Proz. aufweisen. Im chemischen Laboratorium
der Auslandsfleischbeschaustelle könne jederzeit eine kostenlose
Prüfung von Milchproben veranlaßt werden. Die Polizei Verordnung
sehe ferner eine Reinhaltung am Orte der Gewinnung und des Yer- j
kaufes vor. Darüber würde die Kontrolle durch ein besonderes
Gewerbekommissariat ausgeübt. Es würden außerdem die Milch¬
viehstülle durch den Kreistierarzt und die Verkaufsstellen durch
den Kreisarzt kontrolliert. Besondere Aufmerksamkeit sei der
sogen. Vorzugsmilch gewidmet. Daß Erfolge mit dieser Polizei¬
verordnung erzielt worden seien, gehe daraus hervor, daß die Zahl
der Verkaufsstellen von Vorzugsmilch von (»0 vor Erlaß der Ver¬
ordnung auf 10 herabgegangen sei.
Ähnliche Erfahrungen konnte Kreistierarzt Hoffheinz für den ;
Kreis Swinemttnde mitteilen. j
Der Kreisarzt des Kreises Randow, Geheimer Medizinalrat j
Dr. Frey er, hat häufig im Kreise Mißstände beim Milchverkehr I
gesehen. So habe er Brunnen und Spülvorrichtungen in unmittel- j
barer Nähe der Dunggruben getroffen und beseitigen oder verlegen !
lassen. Durch den Milchpächter eines Gutes in der Nähe von Alt- i
dämm sei der Typhus durch die in den Wohnräumen aufbewahrte j
Milch nach Stettin eingeschleppt worden.
Veterinärrat Pauli bemerkte hierzu, daß die Milchverhältnisse j
bei den bäuerlichen Besitzern meist viel ärger seien als auf den
größeren Gütern und in den Viehhaltungen der größeren Städte. Er
erwähnte noch, daß der Stettiner Magistrat die Abgabe von sog.
Fürsorgemilch in die Hand genommen habe. Hierbei würden nach
dem Steuerzensus Marken von verschiedenem Werte an Bedürftige
verteilt, die zur Entnahme von Milch aus Molkereien berechtigten.
Die tierärztliche Kontrolle dieser Molkereien sei noch nicht ein¬
geführt, anscheinend könne man nicht diese Ftirsorgemilch als
Vorzugsmilch ansehen, obwohl es sich dabei in erster Reihe um
Säuglingsmilch handele.
Der Kreistierarzt in Altdamm machte darauf aufmerksam, daß
zuweilen lokale Verhältnisse einer sauberen Milchgewinnnng im
Wege ständen. So würde in den Niederungen der Oder und des Alt-
dammer Sees wegen des Cberwiegens der Wiesenwirtschaft zwar viel
Heu, aber wenig Stroh gew onnen. Infolgedessen litten die Besitzer
an Streumangel und Ställe und Vieh seien meist sehr schmutzig.
Hier müßte durch Beihilfen und Prämien für Musterställe, für Ein¬
führung einer sauberen Stallhaltung die Bevölkerung gewonnen
werden.
Noch mehrere Redner machten über bedenkliche Zustände bei j
der Milchgewinnung Mitteilungen.
Zum Schlüsse der Debatte betont der Herr Regierungspräsident,
daß die zutage getretenen Mängel zum Teil eng mit den Gewohn¬
heiten der Landbevölkerung verbunden zu sein scheinen. Daher
wäre es noch nicht an der Zeit, schärfere polizeiliche Maßnahmen
zu versuchen, weil diese zu sehr in die Lebensgew r ohnheiten ein¬
schneiden und auch finanzielle Anforderungen stellen, die zu bringen
die Leute nicht in der Lage wären. Die Kreistierärzte müßten als
Freunde der Bevölkerung helfen und aufklären, so daß man allmählich
zu Fortschritten und Besserungen komme.
Damit übergab der Herr Regierungspräsident den Vorsitz an
den Departementstierarzt und es wurden nunmehr noch zu Punkt 1
der Tagesordnung — geschäftliche Mitteilungen — verschiedene
geschäftliche Fragen erledigt. Über die Frage der Einrichtung von
Freibänken erhob sich noch eine lebhafte Diskussion, doch wurde j
die Sache schließlich vertagt, weil erst die Wirkung des Ministerial¬
erlasses vom 17. August v. J. betreffend Freibänke abgewartet
w r erden muß.
Nach der Sitzung fand im Hotel Preußenhof ein gemeinsames
Mittagsmahl statt, an dem der Herr Regierungspräsident, der Herr
Oberregierungsrat von See hach und auch die Mehrzahl der
geladenen Gäste teilnahmen.
Der Vorsitzende: Der Schriftführer:
gez. Pauli. gez. Graul. i
Zum Bericht über die Delegiertenversammlung des Verbandes der Privat¬
tierärzte am 8. Dezember 1907 In Berlin.
(B. T. W. 1908, Nr. 2.)
Die Darstellung der Verhandlungen ist an einem Punkte nicht
zutreffend und bedarf daher der Richtigstellung. In dem fraglichen
Bericht S. 36 heißt es, der Verein beamteter Tierärzte habe „an
die Seruminstitute das Ansinnen gestellt, Entschädigungen bei Rot¬
lauf nur auf Grund der Diagnose eines Kreistierarztes zu
gewähren“. Ich konstatiere, daß ein solcher Beschluß im Verein
beamteter Tierärzte niemals gefaßt worden ist. Dagegen wurde in
der VI. Plenarversammlung dieses Vereins nachstehender Antrag
angenommen: „Der Verein beamteter Tierärzte erklärt es als ein
berechtigtes Verlangen, daß die von den Kreistierärzten amtlich
festgestellten Fälle von Rotlauf bei geimpften Schweinen seitens
der Seruminstitute hinsichtlich der Entschädigung ohne weiteres
anerkannt werden.“
Bei einer von Herrn Zw irner direkt an mich gerichteten An¬
frage habe ich überhaupt nicht angenommen, daß es sich um etwas
anderes handeln könnte, als um den Inhalt des vorstehenden Be¬
schlusses, sonst würde ich der im Bericht wuedergegebenen Auf¬
fassung sofort begegnet sein.
Um etwaigen weiteren Mißdeutungen von seiten der Mitglieder
des V. b. T. in dieser Sache vorzubeugen, bemerke ich ferner, daß
auch meine Entgegnung auf die Zwirn ersehe Anfrage nach Form
und Sinn eine andere w r ar, als im Bericht steht. Danach soll ich
erwidert haben, „daß ich für diesen Beschluß nicht verantwortlich
gemacht werden könne, d a derselbe vor meiner Tätigkeit als Vor¬
sitzender des Vereins gefaßt werden sei“. Den Vorsitzenden für
die Beschlüsse seines Vereins verantwortlich machen zu wollen,
ist ein Unding, selbst wenn er die Beschlußfassung in irgendeiner
Weise beeinflußt hätte. Denn durch die Votierung der Anträge
wird eben die Verantwortung von der Versammlung übernommen.
Dieser Meinung habe ich Herrn Zw'irner gegenüber mit Bezug auf
das zur Besprechung stehende Thema durch die mir noch deutlich
in Erinnerung befindlichen Worte Ausdruck gegeben: „Sie können
mich doch unmöglich für alle Beschlüsse verantwortlich machen
wollen, die jemals im V. b. T. gefaßt worden sind; übrigens liegt
die Entstehung des Beschlusses vor meiner Tätigkeit als Vor¬
sitzender“.
So lautete meine Äußerung und hatte eine wesentlich andere
Bedeutung, als ihr durch die Fassung des vorliegenden Referates
gegeben worden ist.
Peter, Vorsitzender d. V. b. T. Pr.
Fortbildungskursus für Tierärzte In Bromberg.
An dem ersten Fortbildungskursus für Tierärzte in der tier¬
hygienischen Abteilung des Kaiser Wilhelm-Instituts zu Bromberg,
welcher unter Leitung seines Vorstehers, des Herrn Dr. Mießner,
vom 12. bis 21. Dezember 1907 stattfand, nahmen folgende Herren teil:
Tierarzt Anders-Labischin, Kreistierarzt Brädel-Stubm, Ober¬
veterinär Borowsky-Berlin, Kreistierarzt Deppe-Schubin, Kreis¬
tierarzt Elschner - Wreschen, Tierarzt Fortmann - Schokken,
Schlachthoftierarzt Fritze-Bromberg, Tierarzt Groeger-Strelno,
Tierarzt Henkel-Kletzko, Kreisticrarzt Huramel-Nakel, Kreis-
ticrarzt Kays er-Pr. Stargard, Tierarzt Loewentai-Tapiau, städt.
Tierarzt Lottermoser -Bromberg, Stabsveterinär Richte r-Bromberg,
Schlachthofinspektor Rosenfeld-Sch wetz a. W., Stabsveterinär
Schulz-Bromberg und Tierarzt Zbiransky-Tremessen.
Der Gang des Fortbildungskursus fand nach dem in der B. T. W.
und der D. T. W. bekanntgegebenen Lehrplan statt und wurden die
Teilnehmer in der verhältnismäßig kurzen Zeit mit den neuesten
Errungenschaften der w issenschaftlichen Forschung auf dem Gebiete
der Seuchen und Tierkrankheiten und den wichtigsten Unter-
suchungsraethoden in diagnostischer und differential-diagnostischer
Beziehung bekannt und praktisch vertraut gemacht. Insbesondere
wurde es begrüßt, daß das für das tierärztliche Wirken so un-
gemein bedeutungsvolle Gebiet der Milchkunde auf das eingehendste
vorgetragen w'urde und sich an diese Vorträge praktische Unter¬
suchungsübungen anschlossen, so daß jeder Teilnehmer auch darin
eine firme Fertigkeit erlangt hat.
16. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
f>3
Durch in Form präzise und klare, ihrem Inhalt nach überaus
lehr- und erfahrungsreiche Vorträge und durch niemals versagende
freundliche Unterweisung in den vielseitigen praktischen Übungen
haben die Vortragenden Herren Veterinärrat Peters, Dr. Mießner,
Dr. Trapp, Dr. Schern und Dr. Rintelen ihr bestes Wissen und
Können in einer Weise geboten, daß sämtliche Teilnehmer davon
überrascht waren und nur eine Stimme des Lobes und Dankes
herrschte.
Am Abend des letzten Kursustages fand im Hotel „Adler“ noch
ein Abschiedsmahl statt und gingen dann die Kollegen mit auf¬
richtigstem Danke und mit dem Wunsche auseinander, daß Herrn
Dr. Mießner noch recht viele in ihrem wissenschaftlichen Erfolge
gleich bedeutende, in ihrem kollegialen Einvernehmen gleich schöne
Fortbildungskurse künftig gelingen möchten.
Genossenschaftliches.
Die Geschäftsentwicklung der W T irtscbaftsgenossenschaft deut¬
scher Tierärzte e. G. m. b. H. zu Posen hat im verflossenen
Vierteljahr wiederum eine Steigerung der Entwicklung gegenüber
den gleichen Monaten der Vorjahre gezeigt. Es betrug die Zahl
der eingetragenen Mitglieder:
* 1905
1906
1907
Im Oktober . .
224
303
411
„ November. .
246
305
421
„ Dezember. .
264
332
433
Zahl der ausgeschickten Sendungen betrug:
1905
1906
1907
Im Oktober . .
45
403
430
„ November. .
90
302
441
„ Dezember. .
112
336
454
Im ganzen: . .
247
1041
1325
Der Wert dieser Warensendungen betrug:
1905 1906 1907
Im Oktober . . 1247,10 M. 8 874,31 M. 11509,15 M.
„ November . 1804,85 „ 7 290,13 „ 12 446,69 „
Dezember . .3745,57 „ 9 682,99 „ 11 595,61 „
Im ganzen: . . 6797,52 M. 25 847,43 M. 35 551,45 M.
Für diese Waren, welche zu Vorzugspreisen an die Mitglieder
geliefert wurden, sind diesen noch an Rabatten gutgeschrieben
worden:
Im Oktober
November
„ Dezember
1905
49,10 M.
78.40 „
159,80 „
1906
288,31 M.
283,12 „
513,70 „
1907
713,75 M.
619,50 „
592,34 „
Im ganzen: . . 287,30 M. 1085,13 M. 1925,59 M.
Marks-Posen.
Tierärztliche Gesellschaft zu Berlin (E. V.)
Einladung zur Sitzung am Montag, den 20. Januar 1908,
abends 8 Uhr präzis, im Restaurant „Zum Spaten“, Friedrichstr. 172.
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten:
a) Aufnahmemeldung des Herrn Dr. Titze,
b) Erstattung des Jahresberichts,
c) Rechnungslegung,
d) Bericht der Kommission über das zu veranstaltende Winterfest,
e) Verschiedenes.
2. Vortrag des Herrn Prof Dr. Kaernbach: „Einiges über
Nasentumoren beim Pferd.“
3. Beschlußfassung über den Antrag des Tierärztlichen Provinzial-
Vereins für Schleswig-Holstein, betr. die tierärztliche Milch¬
kontrolle.
4. Mitteilungen aus der Praxis.
Kollegen und Gäste willkommen.
Der Vorstand.
I. A.: Dr. Goldstein, Schriftführer.
Winterfest der Tierärztlichen Gesellschaft zu Berlin.
Den Herren Mitgliedern die vorläufige Mitteilung, daß das
Winterfest, bestehend aus einem Ball, nebst Souper und Kunst¬
genüssen, am 17. Februar in den Räumen der „Gesellschaft der
Freunde“, Potsdamerstraße, stattfindet.
Verein der ostpreuftischen Tierärzte.
Die wegen Auftretens der Maul- und Klauenseuche in Ost¬
preußen hinausgeschobene XXVIII. Sitzung des Vereins findet am
Sonntag den 19. Januar 1908, vormittags 11 Uhr, im Sitzungs¬
saale der Landwirtschaftskammer für die Provinz Ostpreußen, hier,
Mittelhufen, Beethovenstraße 14, statt.
Das Thema des Vortrages des Herrn Direktor Dr. Müller
lautet: „Die biologische Diagnostik der Infektionskrankheiten“.
Die Anmeldungen zu dem um 3 ‘/a Uhr in den oberen Räumen
des Theater-Restaurants stattfindenden gemeinsamen Mittagsmahle
und dem darauf folgenden Tanz-Kränzchen nimmt Herr Kreistierarzt
Dr. Fischoeder hier, Schnürlingstraße 22, bis zum 17. Januar d. J.
entgegen Um die hierzu erforderlichen Vorbereitungen treffen zu
können, wird dringend gebeten, die Teilnahme möglichst rechtzeitig
anzumelden.
Der Vorstand. I. A.: Dr. Mehrdorf.
„Universität'* Hamburg.
Der diesjährige Vorlesungsplan der Hamburger Oberschulbehörde,
Wintersemester 1907/08, kündigt wieder, wie in früheren Semestern
unter Abteilung „Medizin“ tierärztliche Vorlesungen der Dozenten
Prof. Glage (Fleischbeschau, Untersuchungsmethoden usw.) und
Dr. Sieber (Seuchenlehre) an.
Die Vorlesungen und Übungen finden im Institut für Schiffs¬
und Tropenhygiene statt.
Maul- und Klauenseuche.
Das Erlöschen der Maul- und Klauenseuche ist gemeldet vom
Schlachtviehhofe zu München am 8. Januar 1908.
Die größeren deutschen Yieh-Versicherungs-
Gesellschaften am Schluß des Jahres 1906.
Von Tierarzt Dr. Plath-Köln.
Auf den in Nr. 51, 1907 dieser Zeitschrift enthaltenen Artikel
des Herrn Tierarzt Klingner-Berlin, General-Agent der Vater¬
ländischen Vieh-Versicherungs- Gesellschaft, Dresden, habe ich zu¬
nächst zu erwidern, daß diesem Herrn mein Rundschreiben an die
Tierärzte vom 1. Oktober v. J. überhaupt nicht zugegangen ist.
In zweiter Linie hat die Vaterländische Vieh-Versicherungs-Gesell-
schaft unterm 15. Oktober 1907 eine sich inhaltlich mit diesem
Artikel vollständig deckende Eingabe an das Kaiserliche Aufsichts¬
amt für Privatversicherung gemacht, in welcher sie sich über die
fragliche Tabelle beschwert. Da in dritter Linie ein viel be¬
schäftigter Tierarzt nicht in der Lage ist, sich so eingehend, w r ie
in dem Artikel geschehen, mit der Versicherungstechnik zu be¬
schäftigen, so muß ich zu dem Schluß kommen, daß nicht Herr
Tierarzt Klingner, sondern die Vaterländische Vieh-Versicherungs-
Gesellschaft in Dresden die Urheberin des Artikels ist.
Herr Professor Dr. Schmaltz hat mich gebeten, meine Er¬
widerung möglichst kurz zu fassen. Ich werde mich daher nach
Möglichkeit darauf beschränken, die auf die vorstehend beregte
Eingabe der Vaterländischen Vieh-Versicherungs-Gesellschaft in¬
zwischen ergangene Entscheidung des Kaiserlichen Aufsichtsamtes
für Privatversicherung anzuführen.
Der Artikel der Vaterländischen behauptet, die Allgemeine
Deutsche Vieh-Versicherungs-Gesellschaft Berlin habe 70 Proz.
Nachschuß erhoben, aber nicht 48 Proz. Mir liegt ein Original-
Dokument vor, nach welchem die Gesellschaft 48 Proz. Nachschuß
eingefordert hat. Wenn in der Tabelle angegeben ist, daß die
Veritas 90,4 Proz. Nachschuß erhoben hat, so ist dieser Prozentsatz
von mir errechnet, da es schwer ist, von der Veritas einen Original¬
abschluß zu erlangen, ich auch trotz aller Mühe bis zur Ver¬
öffentlichung der Tabelle keinen erlangt hatte. Tatsächlich hat die
Gesellschaft, wde die Vaterländische richtig behauptet, 170 Proz.
erhoben.
Im dritten, vierten, fünften und sechsten Absatz des Artikels
moniert die Vaterländische, daß ich bei der Berechnung der Ver¬
waltungskosten der Vorprämie die Nachschußprämie zugerechnet
die abgegebene Rückversicherungsprämie nicht abgesetzt, und das
Eintrittsgeld nicht mit gerechnet, auch die Zinserträge außer Be¬
rücksichtigung gelassen habe. Zu diesen Punkten gebe ich nach-
64
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.
stehend die Entscheidung des Kaiserlichen Aufsichtsamtes für
Privatversicherung wieder, welches der Vaterländischen folgendes
mitgeteilt hat:
„1. Ihren Ausführungen darüber, daß die Nachschußprämie
bei Berechnung der Verwaltungskosten in Prozent der Prämien¬
einnahme der letzteren nicht zugerechnet werden dürfe, kann
das Kaiserliche Aufsichtsamt nicht beitreten; es ist selbst¬
verständlich, daß hierbei Vor- und Nachprämie als Gesamt-
Prämienleistung den Prämien derjenigen Unternehmungen j
gegenttbergestellt werden können, welche lediglich mit Bei- |
trägen im voraus und unter Ausschluß von Nachschüssen j
versichern. Unzutreffend ist es auch, daß in analoger Weise
die letzteren Unternehmungen die satzungsgemäßen Schaden¬
kürzungen als Prämieneinnahme betrachten könnten. Der¬
artige Kürzungen können niemals als Leistungen der Ver¬
sicherten betrachtet werden.
2. Bezüglich der aus Anlaß übernommener Rück¬
versicherungen vereinnahmten Ruckversicherungsprämien wird
es bei der Viehversicherung keinem Bedenken unterliegen,
wenn diese Rückversicherungsprämien bei dem Vergleiche
zwischen Prämien und Unkosten der Prämieneinnahme zu¬
gerechnet werden usw.
3 Ihrer Forderung, daß bei dem in Rede stehenden Ver¬
gleich auch die Eintrittsgelder zugezählt werden müßten,
wird dann zuzustimmen sein, wenn allgemein Leistungen
und Gegenleistungen gegenübergestellt werden. In der vor¬
liegenden Tabelle ist dies aber nicht der Fall. In dem
Kopf der Tabelle ist unter Rubrik „Verwaltungskosten“ aus¬
drücklich angegeben, daß die Verwaltungskosten in Prozent
der Prämieneinnahme berechnet sind. Eine Irrtums¬
erregung ist hier also ausgeschlossen.
4. Die weitere Forderung, daß auch die Zinserträge bei
der Vergleichung Berücksichtigung finden müßten, erledigt
sich in gleicher Weise, wie unter 3 ausgeführt.
Nur in einem Punkt, der auch hier nicht verschwiegen werden
soll, ist der Vaterländischen recht gegeben worden, und zwar hin¬
sichtlich der in Einnahme gestellten Nachschußrückversicherungs¬
prämie. Dieselbe soll nach der Verfügung des Aufsichtsamtes in
Zukunft an der Prämien-Einnahme abgezogen werden. Ich betone
aber ausdrücklich, daß bereits unter dem 25. November v. J., also
lange bevor der Artikel der Vaterländischen hier erschien, die
Rheinische Gesellschaft dem Kaiserlichen Aufsichtsamt gegenüber
einen ähnlichen Standpunkt, wie ihn jetzt das Amt vertreten hat,
eingenommen und offen zugestanden hat, daß hier eine Änderung
der Berecbnungsw r eise angezcigt sei, der aber bislang noch eine
Verfügung der Aufsichtsbehörde entgegenstehe. Nach dem der
Spruch der Behörde nunmehr erfolgt ist, wird in Zukunft von
meiner Seite bei der Veröffentlichung der Übersichten hiernach
verfahren werden. Selbstredend wird dadurch der Unkostensatz
bei einzelnen Gesellschaften recht bedeutend höher. Bei der
Rheinischen stellt er sich z. B. statt auf 17 Proz., auf 18,6 Proz.
Trotzdem ist und bleibt die Rheinische von den aufgeführten
Gesellschaften die billigst verwaltete und die Vaterländische auf
ihrem Prozentsätze von 21,4 stehen. Daß einzelne Gesellschaften
in der Tabelle nicht aufgeführt sind, hat seinen Grund darin, daß
dieselben einen vollständig begrenzten Wirkungskreis haben, daher
auch des allgemeinen Interesses entbehren.
Ich kann aber nicht umhin, auf einen Punkt, den die Vater¬
ländische besonders erwähnt, etwas näher einzugehen. Es sind die
Zinserträge, über die die einzelnen Gesellschaften verfügen. Wenn
die Braunschw eigische und die Badische nennensw erte Zinseinnahmen
haben, so ist dies nicht zu verwundern, denn beide Gesellschaften
bestehen 55 bzw 28 Jahre und letztere hat noch den Vorzug, ein
recht umfangreiches Geschäft zu haben. Wenn aber die Vater¬
ländische, die erst 19 Jahre tätig ist, von allen Gesellschaften
die größten Zinserträge, dabei aber ein nur mittelgroßes und zudem
wcchselvolles Geschäft hat, so muß diese Gesellschaft Gelegenheit
haben, die Kapitalien aufzusparen; und hier möchte ich auf eine
Verantwortlich für den Inhalt (exul. Inseratenteil): l’rof. Dr. Sehinn'U in Berlin. -
Entscheidung des Kaiserlichen Aufsichtsamtes hinweisen, welche
im Heft 4 der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Aufsichtsamtes
für Privatversicherungen Jahrgang 1904 abgedruckt ist. In derselben
ist in zwei Instanzen klipp und klar festgestellt worden, daß der
Vaterländischen eine nachgesuchte Konzession nicht erteilt werden
konnte, w'eil in einzelnen Bestimmungen ihrer Versicherungs-
bedingungen die Interessen der Versicherten nicht hinreichend ge¬
wahrt, ja sogar gefährdet seien. Bemerken möchte ich noch, daß
diese Bestimmungen heute noch zu Recht bestehen.
Wenn die Vaterländische laut des Schlußpassus bei der
Rheinischen eine Kampfstimmung bemerkt haben will, so sei hier¬
auf kurz erw idert, daß die Direktion der letzteren nach w'ie vor
bestrebt ist, nach Kräften auf Hebhng der ganzen Vieh-Versicherungs¬
branche hinzuwirken.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Kreistierarzt Veterinär¬
rat /fosA-owsfo-Fraustadt der Königl. Kronenorden III. Klasse, dem
Direktor der Zentrallehrschmiede, Tierarzt Ge//?-Hannover, der Rote
Adlerorden IV. Klasse, den Medizinalräten DDr. Joest und Kämmer,
Professoren an der Tierärztlichen Hochschule in Dresden, das
Ritterkreuz I. Klasse, dem Stabsveterinär Bretsclncider das
Ritterkreuz II. Klasse des Königl. Sächsischen Albrechtsordens
und dem Unterveterinär Emsfof das Ehrenkreuz (diesen vier
in Anerkennung der Verdienste bei Unterdrückung der Rotz¬
krankheit im Husaren-Regiment in Großenhain), dem ordentlichen
Professor an der Tierärztlichen Hochschule in München, Dr.
E. Voit und dem Kreistierarzt Karl Uohenlcitncr der Michaelsorden
IV. Klasse und dem Bezirkstierarzt Franz J/ar/fVPassau das Ver¬
dienstkreuz desselben Ordens. — Den Stabsveterinären Eckel im
6. Fcldart.-Regt. und Schtcarx im Remontedepot Ftirstenfeld ist der
Charakter als Oberstabsveterinär verliehen worden.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Tierarzt Zchetcr
aus Oberpfaffenhofen zum II. Assistenten an der chirurgischen
Klinik der Tierärztlichen Hochschule in München. — Voterinär-
beamte: Dr. Bfrmann Afanwer-Stockach mit Vorsehung der Stelle
eines veterinärtechnischen Hilfsarbeiters beim Großh. Ministerium
des Innern, Tierarzt Oswald ZMer-Pakosch mit den kreis tierärzt¬
lichen Geschäften in Guhrau, Kreistierarzt a. D. Stiphan -Görlitz mit
der Verwaltung der Grenztierarzt-Assistentenstelle in Langszargen im
Landkreise Tilsit, Veterinär-Assessor Otto TM-Karlsruhe mit Ver¬
seilung der Stelle des Zuchtinspektors für Unterbaden, Grenztierarzt
Alfred S/io^-Schopfheim mit Vorsehung der Bezirkstierarztstelle in
St. Blasien, Ignax NeAorr-Bayreuth mit den bezirkstierärztlichen
Geschäften in Stadtamhof (Oberpfalz) betraut. — Schlachthof-
verwaltung: Stabsveterinär a. D. Richard Seidcrholm zum Schlacht¬
hofdirektor in Straßburg. — Versetzt: Kreistierarzt Hocke- Guhrau
ist in die Kreistierarztstelle in Schwerin a. W. versetzt worden.
Ruhestandsversetzung: Bezirkstierarzt Martin S/wrTw-Schopfheim bis
zur Wiederherstellung seiner Gesundheit in den Ruhestand versetzt.
Verzogen: Die Tierärzte Ulrich Brinkmann von Buer nach
Coesfeld, Otto Qcßler von Stuttgart als Assistent des Grh. Bezirks¬
tierarztes nach Villingen.
Approbiert: Die Herren Eugen Bosch aus Wesel, Karl Rochtffs
aus Hönnepel, Qustar Schneider aus Dorteweil und Georg Schn marin r
aus Elsheim in Gießen.
In der Armee: Versetzt: Die Stabsveterinäre Böhland im
Ulan.-Regt. Nr. 7 zum Drag.-Regt. Nr. 9, Lnahs im Drag.-Regt. Nr. 9
zum Feldart.-Regt. Nr. 66, Krid im Feldart.-Regt. Nr. 66 als tech¬
nischer Vorstand zur Militärlehrschiniede in Königsberg i. Pr.,
Oberveterinär Marks irn Drag.-Regt. Nr. 20 zum Ulan.-Regt. Nr. 7. —
Im Beurlaubtenstande: Den Oberveterinären des Beurlaubten¬
standes Ndhe (Deutsch-Eylau), Friedrich (2 Darmstadt), Kltvg (Mann¬
heim) der erbetene Abschied bewilligt.
Vakanzen. (v g i. Nr. i.)
Wrlj( K und E ^eutum der Verlagsbuchhandlung von ltiehard Schont* in Berlin. —
Druck von W. Büxonstcin, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage ton Richard Schoets in
Berlin SW. 48. Wilhelmstr. 10. Durch jedea deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5, — vierteljähr¬
lich (H. 4.88 Ar die Wochenschrift, 18 Pf. für Bestellgeld)
frei Ina Haus geliefert (Österreichische Post-Zeitunga-
Preisliate Nr. 674. Ung«r^|$be Nr. 86.)
Berliner -
Originalbeitrlge werden mit 60 fflu t ln Petiuatz ml,
00 Mit. Ar den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe min
zu senden an Prof. Dr. Scbtnaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., LuisenstraUe 66. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
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Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Oe Brufn
Glage
Dr. JeB
Veterinärrat Dr. Lothes
Prof. Dr. Peter
Veterinärrat Peters
Veterinärrat PreuQe
ProftiMSor
Professor
Kreistierarzt
Departeiuentstlerarzt
Kreistierarzt
Departementstierarzt
Departementstierarzt
Utrecht.
Ham bürg.
Charlotten bürg.
Cöln.
Angermünde.
Bromberg.
Danzig.
Dr. Richter Med.-Rat Dr. Roeder Dr. Sohlegel Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel Zflndel
Profi.»»"r Professor Professor Professor Kandestierarzt v. Bayern Kreistierarzt
Dresden. Dresden. Freibnrg i. Br. Dresden. München. Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908.
JVg. 4 . Ausgegeben am 23. Januar.
Inhalt: Warringsholz: Beitrag zur Rauschbranddiagnose. — Jaeger: Zur Kritik des Geschwulstproblems. — Referate:
Ostertag: Untersuchungen über das Auftreten und die Bekämpfung der infektiösen Anämie des Pferdes. — (’ad^ac: Über
die Ätiologie der Enteriten der Neugeborenen überhaupt und speziell des Kalbes. — Rickmann: Impfung von Maultieren
gegen Sterbe. Immelmann: Die Hornsäule des Pferdes. — Tagesgeschichte: Krueger: Reichstierseuchengesetz und Kreis¬
tierarzt. — Kleine Mitteilungen. — Militaria. — Verschiedenes. — Bttcheranzeigen und Kritiken. — Personalien. —
Vakanzen.
Beitrag zur Rauschbranddiagnose.
Von Kreistierarzt Dr. Warrlngeholz-Heide i. H.
Im Kreise Norderdithmarschen kommt Rauschbrand prozen¬
tual am häufigsten in Schleswig-Holstein vor. Im Jahre 1906
wurde von mir bei 140 Rindern Rauschbrand als Todesursache
festgestellt. Es ist natürlich, daß ich bei der Fülle des Materials
Gelegenheit hatte, Beobachtungen zu machen, die allgemeineres
Interesse haben.
Zunächst habe ich gefunden, worauf auch Herr Veterinär¬
rat Dr. Foth auf einer Versammlung der Kreistierärzte des
Regierungsbezirks Schleswig hinwies, daß in einzelnen Fällen
besonders bei jungen Kälbern die Diagnose Schwierigkeiten
macht. Ich fand z. B. bei einem 11 Wochen alten Kalbe so
geringgradige Krankheitserscheinungen, — die Muskulatur zeigte
stellenweise etwas dunklere Färbung, im Unterhautbindegewebe
waren keine Veränderungen — daß es unmöglich gewesen wäre,
durch die Sektion eine Diagnose zu stellen. Vereinzelt fand ich
auch bei älteren Rindern so geringgradige Veränderungen, daß
sie zur Stellung einer Diagnose nicht genügten. Es geht hier¬
aus hervor, daß zur Vermeidung von Fleischdiagnosen in einzelnen
Fällen von Rauschbrand sogar bei frischen Kadavern die
bakterioskopische Untersuchung und Impfung unentbehrlich ist.
Bei einigen Kälbern konnte ich nur in den Kaumuskeln
typische Veränderungen der Muskulatur nachweisen, während
der sonstige Befund vollständig negativ war. In Zweifelsfällen
darf man daher nicht versäumen, die Masseter anznschneiden.
Als ein wertvolles Hilfsmittel für die Rauschbranddiagnose
wurde von mir eine Leberveränderung beobachtet, die patho-
gnomonisch ist. Die Leber ist kurz nach dem Tode etwas ver¬
größert, braunrot, blutreich und von weicherer Konsistenz als
normal. Findet die Sektion einige Stunden nach dem Tode
statt, so ist die Leber trockener, von gelbbrauner Farbe und
enthält graue, trockene bis erbsengroße, poröse Herde. In der
Regel schon 21 Stunden nach dem Tode sind die Herde walnuß-
bis apfelgroß, lehmfarben und zeigen auf dem Durchschnitt eine
schwammartige, poröse Struktur, die Poren enthalten Gase.
Bei älteren Kadavern sind dann die einzelnen Herde zusammen-
geflossen, so daß der größte Teil der Leber eine solche Be¬
schaffenheit hat. Es handelt sich hier um eine postmortale Ver¬
änderung, verursacht durch die nach dem Tode auch in den
inneren Organen in großer Zahl vorhandenen gasbildenden Rausch¬
brandbazillen, sie sind besonders schön in der wärmeren Jahres¬
zeit, im Winter dagegen entwickeln sie sich langsamer. In
einzelnen Fällen kann sie fehlen, besonders bei sehr jungen
Kälbern vermutlich deswegen, weil diese Tiere sehr schnell schon
nach einigen Stunden verenden, so daß die Rauschbrandbazillen
Zeit haben, sich stark zu vermehren. Man kann demnach nicht
mit absoluter Sicherheit sagen, es liegt kein Rauschbrand vor,
wenn die Leberveränderungen fehlen, aber umgekehrt ist Rausch¬
brand sicher die Todesursache, wenn sie vorhanden sind; man
wird dann immer bei genauer Untersuchung der Muskulatur
vielleicht nur in den Kanmnskeln oder im muskulösen Teil des
Zwerchfells oder in den Psoasmuskeln die Rauschbrandver¬
änderungen nachweisen können. Herr Veterinärrat Dr. Foth,
dem ich seinerzeit meine Beobachtungen mitteilte, hat mir später
den Leberbefund bei Rauschbrandkadavern bestätigt. Ähnliche
Veränderungen sind anch von Kasselmann*) und Scheibel**)
beschrieben worden.
Auch in den Nieren fand ich bei frischen Kadavern eine
typische postmortale Veränderung. In der Rindenschicht kann
man kleine, trockene etwa hirsekorngroße graue Herde erkennen,
die im Zentrum eine etwa stecknadelkopfgroße Gasblase enthalten.
Diese Herde können vereinzelt so zahlreich auftreten, daß die
ganzen Nieren das von Scheibel**) beschriebene graubraune,
poröse schwammige Aussehen annehmen. Diese Erscheinungen
*) Hutyra und Marek. Spezielle Pathologie und Therapie.
**) Deutsche Tierärztliche Wochenschrift Nr. 5 und 6, Jahr¬
gang 1907.
66
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
sind gewöhnlich nur bei frischen Kadavern wahrnehmbar, da die
Nieren besonders bei warmen Wetter sehr bald eine schwarz¬
grüne Farbe annehmen.
Eine weitere fast regelmäßig bei Rauschbrandsektionen zu
beobachtende Erscheinung ist, daß das im Dilatationszustande
befindliche Herz ausgefüllt ist von großen, derben Blutgerinnseln;
die Herzkammern sind förmlich mit festen Blutgerinnseln aus¬
gegossen.
So leicht die Diagnose in den typischen Fällen von Rausch¬
brand ist, so schwierig kann sie werden, wenn nur ganz gering¬
gradige Veränderungen nachweisbar sind und bei vorgeschrittener
Fäulnis der Kadaver. Ich hoffe, daß in diesen Fällen meine
Beobachtungen die Diagnose erleichtern können. In einer
späteren Arbeit werde ich noch wieder auf diese Befunde und
bakterioskopischen Untersuchungen zurückkommen.
(Aus dem Dr. Senckenbergschen Pathologischen Institut zu
Frankfurt a. M. Direktor: Professor Dr. Eugen Al brecht.)
Zur Kritik des Geschwulstproblems.
Von Dr. Alfred Jaeger, Tierarzt, Frankfurt a. M.
Im Vordergrund der modernen pathologischen Forschung
steht seit Jahren die Ätiologie der Geschwülste, ohne daß es
gelungen wäre, einen befriedigenden Einblick in ihren Ursachen¬
komplex zu gewinnen. Ja, ihre Lehre schien mit der Cohnheim -
Ribbertsehen Theorie sogar auf totem Gleise angekommen zu
sein, als hier eine fötale bzw. postembryonale Ausschaltung
von Zellen aus ihrem physiologischen Zusammenhang als das
wesentliche Moment jeglicher Tumorbildung angesehen wurde.
Es zeigte sich sehr bald, daß dieses einheitliche Erklärungs¬
prinzip für die Genese einer Reihe von. Geschwülsten nicht
dienen konnte, und daß es sich für die Mehrzahl der Frage¬
stellungen, die die mehr und mehr erwachende Geschwulst¬
biologie zeigte, als gänzlich unfruchtbar erwies.
Wenn wir eine genaue Analyse der Aufgaben vornehmen,
' die uns aus einer umsichtigen Behandlung der Geschwulstfrage
erwachsen, so ergibt sich eine Doppelung der Probleme: Es sind
scharf zu trennen formale und kausale Genese.
Wenn Ribbert die Tumoren aus einer einzigen Vorstellung,
aus einer Verlagerung bzw. Ausschaltung von Keim- und Organ¬
zellen, die sämtlich an sich unbegrenzt wachstumsfähig sein
sollten, erschöpfend abzuleiten suchte, so erblickte E. Schwalbe*)
hierin eine Aussage über die formale Genese, — ein Irrtum,
wie sich zeigen wird.
Nichtsdestoweniger reichte die Theorie auch hier schon
nicht aus. Es gibt zweifellose Beispiele, wo das aus dem
organischen Zusammenhang getrennte Gewebsmaterial bei seiner
weiteren Existenz keinerlei WucherungsVorgänge eingeht. Bei
Chorionepithelinvasionen in Uterus- und Tubenwänden werden
Epithelien vom Muttergewebe völlig abgetrennt, ohne daß hier¬
aus eine Neubildung entsteht. Bei der perforativen Appendizitis
gelangen schleimproduzierende Epithelien auf die Außenfläche
des Wurmfortsatzes und fahren hier in ihrer Schleimproduktion
fort, ohne eine wesentliche Vermehrung zu erfahren.
Und schon das Beispiel der Teratome, die wir doch hin¬
sichtlich des formalen Entwicklungsprinzips viel genauer kennen
als die übrigen Geschwülste, offenbart, daß die Ribbert sehen
Direktiven für Klarlegung der kausalen Genese nichts leisten.
*) Verhandlungen der pathol. Gesellschaft, 10. Tagung.
Warum entsteht gegebenenfalls aus dem verlagerten Material
gerade ein Tumor mit der Architektur eines Teratoms? Auch
sonst haben wir doch Wucherungs Vorgänge der verschiedensten
Art im Organismus, ohne daß ein Blastom sich daraus entwickelte.
Selbst wenn wir uns mit der Ribbertschen Vorstellung
als zutreffend abfinden wollten, daß die Proliferation der
isolierten Zellen durch das Freiwerden ihrer Wachstumspotenzen
bzw. durch eine Spannungsverringerung im umgebenden Gewebe
ausgelöst würde, so müssen wir uns darüber klar werden, daß
dieses durch die Ausschaltung bedingte Wachstum gar nicht den
Kernpunkt des Problems trifft. Unsere Anschauung wäre
ebenso verfehlt, wie wenn wir das prinzipiell Eigenartige des Ent¬
wicklungslaufes einer Niere in dem Wachstum eines aus dem
Wolffsehen Gange hervorgehenden isolierten Keimes erblicken
würden.
Wir müssen uns also vor allem von der Vorstellung frei
machen, als ob die Isolierung von Zellkeimen an sich schon
genügend Grund für eine weitere, in jeweilig ganz charakte¬
ristischer Richtung verlaufende Tumorbildung abgeben könnte.
Wir haben nach den Ursachen dieser spezifischen Zell-
I Wucherung, die eine Proliferation sui generis ist, zu
forschen: Gegenwärtig sicher das wichtigere Problem in der
Geschwulstlehre.
Von dieser kausalen Genese war schon seit längerem die
Frage der exzessiven Wucherungsfähigkeit bei bösartigen Ge¬
schwülsten Gegenstand der Erörterung gewesen: mit wenig
befriedigendem Ergebnis. Die Vorstellungen dieser zellularen
Theorie, die sich eben nur von der Betrachtung der malignen
Tumoren herleitete, büßten schon aus dem Grunde sehr viel an
Wahrscheinlichkeit ein, als sie den doch im Prinzip wesens¬
gleichen, sonst nur der Intensität ermangelnden Wachstums¬
vorgängen der gutartigen Geschwülste keinerlei Rechnung
trugen, im übrigen für deren auslösende Vorgänge auch kein
Verständnis bringen konnten. Es ist aber bei den so vielfach
fließenden Übergängen zwischen gut- und bösartigen Tumoren
Voraussetzung für eine Theorie, die hier Klarheit bringen will,
daß sie für beide Geschwulstarten aufzukommen vermag. In
Rücksicht auf die benignen Blastome haben wir daher von diesem
im engeren Sinne zellularen Problem der bösartigen Geschwülste
die Frage zu trennen nach den Ursachen dieser charakte¬
ristischen Wucherungsfähigkeit überhaupt, die immer
wieder, wie wir uns noch des näheren überzeugen werden, zu
ganz bestimmten Bildungen führt. Das ist das Haupt¬
problem der kausalen Genese für alle Tumoren.
Wenn wir einen Blick auf das mikroskopische Gesamtbild
der Geschwulstbildungen werfen, so erkennen wir überall ein
gesetzmäßiges Zusammenwirken aller beteiligten Zellarten in
jeweils ganz charakteristischer Weise zur Entstehung organ -
artiger Bildungen. Schilddrüsen —, Nebennieren — Adenome
sind offensichtliche Belege dafür, wie die Geschwülste häufig in
annähernd normaler Weise den Typus ihres Ausgangsorgans
wiederholen. Multilokulare Ovarialkystome zeigen, bis zu welchem
Grade von Kompliziertheit die Tumoren sich aufbauen können.
Und nehmen wir die histioi'den Geschwülste, wie Chondrome,
Fibrome, so sind auch diese weit davon entfernt, reine Re¬
präsentanten einer Gewebsart zu sein. Auch sie sind Organoide,
denn sie sind abgeschlossene Gebilde und führen Bindegewebe,
Gefäße, Knorpelelemente usw., gleichwie jeder Knochen, jede
Bindegewebsformation, die dem Organismus eine Funktion leisten
33. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
67
und damit zum Organ werden. „Als Organ ist jede abgegrenzte
Bildung zu betrachten, welche aus dem Zusammenschluß ver¬
schiedener Zellarten zu einem für den Gesamtkörper funktionie¬
renden Ganzen hervorgeht.“ Von dieser Begriffsbestimmung aus
ist daher die allgemeine Trennung der Tumoren in histioide und
organoide theoretisch unhaltbar. AlleTuraorensindorganoid,
eine Eigenschaft, die sich mit besonderer Deutlichkeit auch bei
der Metastasierung geltend macht. Immer wieder gruppieren
sich hier die verschiedenen Zellformen bei ihrer Vermehrung in
bestimmter, streng gesetzmäßiger Weise zu dem Bautypus der
Ansgängsgebilde.
Fürs erste könnte bei den Tumoren der Mangel eines
physiologischen Endzweckes, einer Leistung fürs organische
Ganze, ihrer Auffassung als organartige Bildungen zuwider-
lanfen. Aber wir wollen berücksichtigen, daß einmal eine be¬
trächtliche Anzahl von Geschwulsttypen deutliche Merkmale
einer funktionellen Gestaltung aufweist. Ich erinnere nur an
die Adenome der Mamma, der Thyreoidea, «an die Sekrete und
Hornsubstanzen der Carcinome. Es macht hier keine Schwierig¬
keiten sich vorzustellen, daß ihre Funktion Irrwege einschlug
infolge der mangelhaften Ausgestaltung des Organbaues — z. B.
Fehlen der Ausfnhrnngsgänge bei Adenomen. Aber es kommen
in der Tat auch Adenomyome mit Ausführungsgängen vor, die
dann folgerichtig an die zugehörige Oberfläche ausmünden und
diese Tumoren gewissermaßen als accessorische Organe er¬
scheinen lassen, gleichwie sie die Nebenmilzen usw. vorstellen.
Andererseits mußte eine fehlerhafte Einfügung der Ge¬
schwulstkeime in den Körper ihnen überhaupt jegliche Leistung
unterbinden. Chondrome, Fibrome usw. sind eben Gewebs-
formationen, die an Stellen zur Entwicklung kamen, wo der
Organismus für sie keinerlei physiologische Verwendung hatte.
Alle diese Gesichtspunkte über den physiologischen
Charakter der Tumoren erweitern das Verständnis
ihrer Organartigkeit.
Die Erkenntnis der organoiden Entwicklungsprinzipien in
der Onkologie gewährt uns zugleich die Möglichkeit einer Ein¬
teilung der Geschwülste nach den natürlichen Merk¬
malen ihrer Entstehung, die Voraussetzung einer rationellen
Geschwulstforschung. Nur durch Anwendung solcher Betrach¬
tungsweise auf sämtliche Geschwulstbildungen ist es überhaupt
denkbar, ein Verständnis der Tumoren in ihrer Gesamtheit an¬
zubahnen. Des anderen werden wir der Betrachtung der Tumoren
als Organoide auch jene geschwulstartigen Hemmungs- und
Fehlbildungen zwanglos anreihen können, deren offensichtlicher
organoider Typus schon seit langem erkannt worden ist, und
die so mannigfache Beziehungen zu den Tumoren s. str. er¬
kennen lassen, daß sie geradezu als Grenzfälle zwischen Organ-
und Tumorbildung anzusehen sind. Ich meine die Teratome
und Teratoide. Wir wissen, daß die Verschiedenheit ihrer
morphologischen Beschaffenheit lediglich die Folge einer früheren
oder späteren Keimmaterialausscheidung ist. Diese gesicherte
Kenntnis ihrer formalen Genese wird uns zweifellos auch das
Verständnis der anderen Geschwülste erleichtern müssen, wenn
wir sie in die gleiche Kategorie biologischer Bildungen auf¬
zunehmen haben. — Wir werden noch andere solche, für
unseren Gedankengang so bedeutsame Geschwulstbildungen
kennen lernen.
Mit der Realisierung eines ausgesprochenen Organi¬
sationsplanes bei allen Geschwülsten können wir die
Tumorzellen nicht mehr als wachstumsfähige Elemente an sich
betrachten, die nach den bisherigen Theorien infolge Ver¬
änderung ihres Charakters oder ihrer Umgebung sich vermehivn
sollen. Wir würden hier die gleichen Gesichtspunkte entwickeln,
wie etwa bei Erörterungen über die Proliferation von Epithelien,
die einen Substanzdefekt schließen. Es erwächst uns vielmehr
die Aufgabe, ihre Eigenschaften zu diskutieren, die sie befähigen,
bei ihrer Wucherung zu ganz spezifisch organartigem Bau
zusammenzutreten. Wir haben daher unser Augenmerk auf die
eigenartigen Wechselbeziehungen zu richten, die zwischen
Epithelwucherung und jener von Bindegewebe, Gefäßsprossen,
Muskulatur usw. hier zum Ausdruck kommen. Wir begegnen
den analogen Erscheinungen in der normalen Ontogenese bei
der Vereinigung embryonaler Zellkomplexe zu funktionsfähigen
Organen. Von dieser Erkenntnis aus ist es die notwendige
Konsequenz, wenn wir für die Genese der Geschwulstbildungcn
die gleichen ursächlichen Momente und Gesetzmäßigkeiten zu
Rate ziehen, wie für die Entstehung der normalen Organe. Da
nun die ätiologischen Fragen der Organogenie entwicklungs¬
mechanische Probleme sind, so werden wir die gleiche Be¬
trachtungsweise für die Onkologie in Anspruch zu nehmen
haben, mit anderen Worten: Die Frage der Entstehung
eines Tumors ist ein entwicklungsmechanisches
Problem von der grundsätzlich gleichen Art wie der
Werdegang irgend eines Organs.
Es ist überraschend, wie die gemeinsame Wesenseigenart
aller Geschwülste: das Organartige ihres Baues, bisher auf der
ganzen Linie der Forschung vernachlässigt worden ist. Erst
neuerdings ist die von Johannes Müller vor vielen Jahr¬
zehnten vertretene Anschauung von der organoiden Natur der
Tumoren, die man aber sehr bald wieder fallen ließ, von
Eugen Albrecht*) neu begründet und nach den verschiedensten
Richtungen hin vertreten worden. Nach ihm stellen die Ge¬
schwülste in ihrer Anlage teils während der embryo¬
nalen Entwicklung, teils postembryonal entstandene
Schwesterbildungen der Organe dar. Auch Albrecht
sieht die Ausschaltung von Zellkomplexen aus ihrem physio¬
logischen Zusammenhänge als einen für bestimmte Fälle von
Tumorbildung wirksamen Faktor an, gleichwie die Cohnheim-
Ribbertsche Theorie. Aber er geht in seinen Untersuchungen
weit über das Ergebnis dieser hinaus, indem er die verschiedenen
Modifikationen einer atypischen Gewebsanordnung und deren
Folgen für den Tumorbau — die organoide Frage — an
der Hand seines Beweismaterials eingehend analysiert. Die
Möglichkeiten, die sich für die Schaffung einer Geschwulst¬
anlage ergeben, charakterisiert er in folgenden Hauptrichtungen:
1. Aus abgetrennten Organkeimen entstandene
Geschwulstbildungen: Choristome, Choristoblastome.
Es sind Geschwultbildungen, die aus Gewebskeimen
hervorgehen, die infolgeAbtrennung aus ihrem organischen
Zusammenhänge an abnormer Stelle gelagert sind.
Albrecht bezeichnet sie demgemäß als Choristome (Xogiceiv,
trennen) bzw. als Choristoblastome, wenn die Wachstums¬
vorgänge der abgesprengten Embryonalkeime zu größeren, fort¬
schreitenden Bildungen geführt haben. Diese Geschwulstformen
bieten eine große Mannigfaltigkeit dar, je nachdem an
den Ausschaltungsstellen die Komponenten einer oder
*) Frankfurter Zeitschrift für Pathologie, Bd. 1.
68
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
mehrerer Organe abgetrennt werden können. So herrscht
unter den originären Choristomen der Niere eine exquisite Ein¬
förmigkeit, da als Material für ihre Konstituierung hauptsächlich
abgesprengte Nebennierenkeime in Betracht kommen: Die
Grawitzschen Tumoren der Nierenrinde, das klassische
Beispiel für die Choristome, die das ausgeprägte Parenchymbild
der Nebenniere aufweisen. Von der einfachen Ausschaltung eines
solchen Organstückchens, das fast unabgegrenzt ohne jede
Wucherungserscheinung sich dem Nierengewebe einfügt, ttndet
sich eine kontinuierliche Reihe in der Entwicklung solcher normal
beschaffenen Keime zu ausgesprochenen Tumoren, die aber immer
noch eine deutliche Nebennierenstruktur erkennen lassen. Von
diesen bieten sich uns dann direkte Übergänge zu adeno¬
matöser und careinomatö{8er Entartung dieser Nieren¬
geschwülste.
Unter die gleiche Rubrik Tumoren fallen z. B. auch die
Enchondrome des Knochens, die Adenome der Thyreoidea und
alle jene Zystenbildungen, welche durch Versprengung von Haut¬
keimen entstanden sind. Namentlich bei den letzteren finden wir
wieder ein ausgeprägtes Bild des Übergangs von den einfachsten
gutartigen Formationen zu ausgeprägten malignen Neubildungen:
Von dem einfachen Epidermoid, das nur einige Reihen von
Epithelzellen als Begrenzung aufweist, über die Zysten, die
Haare, Zähne usw. enthalten, zu jenen „Embryomen“, in denen
Teile aller drei Keimblätter vorhanden sind, und die bisweilen
carcinomatöse und sarkomatöse Formationen aus sich hervor¬
gehen lassen.
Ein ebenso mannigfaltiges Bild der Entwicklungsmöglich¬
keiten bieten uns die teilweise gleichfalls genetisch zu den
Choristomen gehörenden Geschwülste an der Bifurkation der
Trachea und an den Prädilektionsstellen des Digestionstraktus.
Im Gegensatz zu dem embryologisch einförmigen Entwicklungs¬
gebiet der Niere, können hier die Komponenten der ver¬
schiedensten Organe der embryonalen Ausschaltung unterliegen,
die sich dann za Myomen, Papillomen, Adenomyomen, Carcinomen
entwickeln. Welch’ weittragende Bedeutung hier besonders dem
Abschnürungsprozeß zwischen Ösophagus und Trachea zukommt,
zeigt uns die Tatsache, daß Carcinome des Ösophagus wie der
Trachea fast Btets von der Bifurkation, der letzten Trennungs¬
stelle zwischen diesen beiden Organen, ihren Ausgang nehmen.
Eine gleich ausgeprägte lokale Disposition für Tumorbildung,
speziell CarcinomentWicklung kommt den Schleimhautgrenzen
im Digestionstraktus zu (Grenzen zwischen Platten- und Cylinder-
epithel), wo ja auch Organzellen bei der Ontogenese sehr leicht
aus den gewöhnlichen Verhältnissen der Gewebsspannung und
Funktion gebracht werden können.
2. Durch fehlerhafte Gewebsmischung entstandene
Tumoren (Hamartome, Hamartoblastome).
Es ist ein umgrenztes Zuviel an Organkomponenten
— gewöhnlich Mesenchymzellen — in die Entwicklung ein¬
gestellt worden; damit ist eine abnorme Zusammenordnung
der im Gewebsverband verbliebenen normalen Bildungsbestand¬
teile zustande gekommen, sowohl nach Menge, wie nach An¬
ordnung. Der Typus des Organbaues ist hierbei in den
Grundzügen bewahrt geblieben. Albrecht bezeichnet
solche Gewebsformationen als Hamartome. Es sind geschwulst¬
artige Fehlbildungen, die sich in ihrer Entstehung von Fehlern,
Hamartien (a^uap zaveiv, fehlen) in der Anlage des betreffenden
Organs herleiten, indem ein Gewebskonstituens in abnormer
Menge vorhanden ist, die anderen sich aber in normaler
Quantität und Anordnung befinden. Die Drüsenkanälchen usw.,
die Funktionsträger des Organs, sind in das vermehrte Binde¬
gewebe regelmäßig eingefügt. Auch sind sie bedeutsamerweise
funktionell ihrer Umgebung völlig angeschlossen. Diese Merk¬
male und der Mangel einer scharfen Absonderung der Gebilde
gegen die Nachbarschaft erlauben es nicht, sie als Geschwülste
sensu strenuo hinzunehmen, die bei Gegenwart von drüsigen
Elementen gerade durch ein wirres Durcheinando 1 derselben
gekennzeichnet wären.
Charakteristische Beispiele sind neben den Kavernomen der
Leber und Milz — das Hainartoma fibrocananiculare renis und
mammae, die Neurofibrome.
Die histologische Analyse des Nierenhamartoms zeigt einen
Überschuß an Bindegewebe in typischer Anordnung:
Es bildet mehr oder weniger dicke Scheiden um die normal
gelagerten Harnkanälchen. Vereinzelt begegnen wir aber
auch Fibrohamartomen des Nierenmarks, wo die Bindegewebs¬
vermehrung unter Zugrundegehen des Parenchyms eine exzessive
Entwicklung nimmt und schließlich im Tumor eine abgeschlossene
Masse bildet. In solchen Fällen resultieren Bildungen, die aus¬
gesprochene Fibrome darstellen. Da solche Tumoren ge¬
wöhnlich an den Grenzen der Renkuli gelagert sind, so dürfen wir
zwanglos daraus folgern, daß bei dem Aufbau der Renkular-
septa ein Plus an Bindegewebe sich erübrigte und so ein
Hamartofibrom aus sich hervorgehen ließ.
Bei dem fibrokananikulären Hamartom der Mamma finden
wir das analoge charakteristische Bild: Abnorm starke Binde-
gewebsentwicklung in Form von Scheiden um die Drüsenkanälchen
unter Beibehaltung des der Mamma entsprechenden, architek¬
tonischen Verbandes, also bei normalem Modus der Drüsen¬
verbreitung.
Die Neurofibrome repräsentieren sich als bindegewebige,
gleichförmig verlaufende Verdickungen der Nervenscheiden, bei
normalem Durchgang der Nerven.
Prinzipiell in die gleiche Rubrik: „Hamartome“ gehören
Geschwülste, die dadurch entstehen, daß eine Organkompo¬
nente bei der Ontogenese auf einer embryonalen Ent¬
wicklungsstufe zurückbleibt, woraus dann schließlich eine
abnorme Zusammenfftgung des Organs resultiert. So
persistieren im Hamartoma haematoplasticum hepatis die Blut
bildenden Zellen der embryonalen Leber in umschriebenem
Bezirk und bilden unter nur geringfügiger Störung der Leber¬
architektur einen Tumor. Die analogen Betrachtungen gelten
für gewisse als Hamartome anzusehende Myxome und Myxo-
fibrome, bei denen die vermehrt eingefügten bindegewebigen
Elemente den Charakter des Schleimgewebes, also ihre embryo¬
nale Beschaffenheit, bewahrt haben.
Bedeutsamerweise können wir auch bei den Hamartomen
einen Zusammenhang mit malignen Bildungen statuieren.
So begegnen uns unter multiplen Neurofibromen gelegentlich
Sarkome, — perikananikuläre Fibrome der Mamma sehen wir
bisweilen eine Entwicklung zum Adenosarkom nehmen.
3. Durch Liegenbleiben unverbrauchter Zellen
entstandene Tumoren.
Ein weiterer Weg der Entstehung von Tumoren wäre der,
daß unverbrauchte Zellen vom Aufbau des Organismus her liegen
bleiben, ohne daß dabei eine Verlagerung im eigent¬
lichen Sinne erfolgt. Es ergeben sich hierbei drei Ent-
23. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
69
Wicklungsmöglichkeiten: Entweder handelt es sich nur nm
ein einfaches Unverwendetbleiben von Zellen, die dann
später ihre Entwicklung nachholen. Die Zellen bewahren dabei
durchaus ihren räumlichen Zusammenhang mit ihrem Organ. Es
liegt also keine Ausschaltung vor, wie sie die Gruppe 1 charak¬
terisiert.
Eine andere Quelle für Tumoren dieser Art ergibt sich aus
der Nichtrückbildung solcher embryonalen Organe, die
normalerweise zu einer späteren Embryonal-Epoche wieder ver¬
schwinden. Solche liegengebliebene Ge webskomplexe fangen
dann an zu wuchern und bilden Tumoren, wie z. B. die Kiemen¬
spaltengeschwülste zeigen. Sicher ist auch ein Teil der
Adenomyome des Uterus in diesem Sinne zu deuten, also die,
deren epitheliale und fibromuskuläre Bestandteile sich aus einem
kongenitalen, komplexen Muttergewebe entwickelt haben. In
sehr vielen Fällen sind sie nicht als autonome Neubildungen
anzusprechen, sondern gehören in das Gebiet der entzündlichen
Hyperplasie, verbunden mit heterotoper Epithelwucherung.
Schließlich kann ein Liegenbleiben von Zellen infolge einer
mangelnden normalen Wanderung von embryonalen Zell¬
keimen erfolgen, die sonst bestimmte Ortsveränderungen im
Verlaufe der Entwicklung ausführen. So begegnen wir Tumoren,
die sich aus dem vom Mundhöhlenboden gelieferten Teile der
Schilddrüse am Zungengrund entwickeln.
4. Postembryonale Organentwicklung 'als Ausgang
für Tumorbildungen.
In den Fällen, wo die die Geschwulstbildung auslösenden
Störungen postembryonal zu denken sind, finden wir bedeut¬
samerweise die pathologischen, den Tumor bewirkenden
organbildenden Tendenzen in Geweben, die ins spätere Leben
eine physiologische Fähigkeit der Organbildung mit hinüber
genommen haben. Ich erinnere nur an die im Bereiche der
Genitalsphäre sich abspielenden, zum Teil sogar periodisch ver¬
laufenden Entwicklungsvorgänge. Mamma, Ovarien, Uterus gehen
hier in großem Umfange physiologische Organneubildungen ein.
Damit erklärt sich uns sofort zwanglos die Tatsache, daß
gerade der gesamte Genitalapparat eine Prädilektionsstätte für
Tumorbildung bietet. In ihm tritt schon normaliter zur Zeit
der Pubertät, der Gravidität eine weit reichende Organbildungs¬
tendenz der einzelnen Organe in Wirksamkeit, oder es stellen
umgekehrt in ihm, z. B. mit Beginn der Menopause, diese aus¬
lösenden Faktoren ihre Tätigkeit ein.
Die Vermutung liegt da sehr nahe, daß Gewebsverbände,
die schon normaliter eine organbildende Tätigkeit postembryonal
entfalten, auch zur Entwicklung pathologischer, organoider
Bildungen prädisponiert sind, besonders zu den mit tiefen
organischen Veränderungen einhergehenden Epochen
der Pubertät und Involution, wo bei der Durchführung der
Neuformation sich sehr leicht Fehler in der Anlage einstellen
können. Wir sehen, daß wir hier bei den Tumoren auf Momente
stoßen, die in die Kategorie des genius loci gehören. Die
gleichen Vorgänge können sich an den embryonalen Adnex¬
organen abspielen, wie die Angiome der Plazenta und die
Chlorionepitheliome zeigen.
Ebenfalls werden wir in diese Gruppe von Tumorbildungen
jene Fälle aufzunehmen haben, in denen eine einfache
Hypertrophie als geschwulstbildender Faktor auftritt: Die
Lipome des Mesenteriums und in der Subkutis, die Hyperplasie
der Karotisdrüsen, ein Teil der einfachen Strumen u. a. m. Es
handelt sich hier um postembryonale Organbildungstendenzen,
die wohl in typischer Richtung verlaufen, die aber normaler¬
weise unterbleiben und deswegen als pathologisch zu betrachten
sind, um so mehr, als sie oft beträchtliche Tumoren entstehen
lassen. Wir wollen aber nicht übersehen, daß hier im Gegen¬
satz zu den vorhergehenden Tumoren dieser Rubrik keine Ge¬
schwulstkeime vorliegen, also keine Bildungen, die dem be¬
troffenen Organ gleichsam aufgepfropft sind.
5. Aus Störungen physiologischer Regeneration
entstandene Tumoren.
Die analogen Anschauungen wie für die in der vorigen
Rubrik aufgeführten Geschwülste ergeben sich uns bei der
kritischen Betrachtung der sich dauernd physiologisch
regenerierenden Zellarten. Es sind dies die tiefen
Epidermisschichten, die Schleimhautepithelien, das Periost. Auch
hier finden wir einen gleichsam mit embryonalen Fähig¬
keiten ausgestatteten Mutterboden vor. Es kann uns da
nicht wundernehmen, daß unter gewissen Umständen zellige
Elemente namentlich da, wo eine chronische Regeneration auf
entzündlicher Basis vor sich geht, eine vermehrte Organbildungs¬
tätigkeit entfalten, wie wir sie z. B. bei dem Tiefenwachstum
der Epithelien in Fällen von Haut- und Schleimhautkarzinom
zu sehen bekommen. Auch die Entstehung von Plattenepithel¬
karzinomen auf alten Geschwüren, von Sarkomen aus Narben
usw. haben wir von denselben Gesichtspunkten aus zu betrachten.
6. Geschwulstbildung aus embryonalem Spalten-
Füllgewebe.
Eine weitere Ursache für die Geschwulstbildung besteht in
dem abnormen Verschluß embryonaler Spalten, die
infolge von Entwicklungsstörungen nicht vollständig geschlossen
wurden oder die durch Zerrung zuwege kamen. Es liegen also
keine abgeschnürten Keime vor, sondern die Tumoren entwickeln
sich aus dem atypischen, relativ undifferenzierten Füll¬
material der embryonalen Spalten. So sehen wir an solchen
Orten Lipome, Hygrome (am Halse) sich entwickeln, oder ab¬
norme, Gefäßanlagen, die in Form von Teleangiektasien den
Defekt schließen, oder Tumoren, die vom Mesenchymgewebe oder
Nervenstützgewebe z. B. Gliome infolge unvollkommenen Ver¬
schlusses des Medullarrohres ihren Ausgang nehmen.
Auch bieten sicherlich viele von den Tumoren der Trachea
und des Ösophagus typische Beispiele für den hier gedachten
Werdegang von Geschwülsten. So bildet einen regelmäßigen
Ausgangsort für die Sarkome der Trachea deren hintere Wand,
wo sich die Luftröhre durch die Bildung einer Querfalte vom
Ösophagus abschnürt. Gleich charakteristisch entwickeln sich
die Sarkome des Ösophagus aus der von der Bifurkationsstelle
nach abwärts bis zum Magen reichenden Partie der Vorderwand.
(Schluß folgt.)
Referate.
Untersuchungen über das Auftreten und die Bekämpfung
der infektiösen Anämie des Pferdes.
Von Prof. R. Oster tag.
(Zeitachr. f. Infektionakrankb., paras. Krankb. u. Hyjj. der Haust., Bd. III, S. 1.)
Nachdem Oster tag geschichtliche Daten usw. über das Auf¬
treten der infektiösen Anämie im Regierungsbezirk Trier mitgeteilt
hat, berichtet er über eigene im November 1906 in Gemein¬
schaft mit dem Departementstierarzt zu Trier und den zu
70
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
ständigen Kreistierärzten in den Kreisen Bitburg und Wittlich
gemachten Beobachtungen. Die angestellten Erhebungen haben
ergeben, daß die ansteckende Blutarmut in sieben Gehöften in
sechs verschiedenen Ortschaften aufgetreten ist. In fünf Krank¬
heitsfällen ist durch Blutübertragung auf gesunde Pferde mit
absoluter Sicherheit dargetan worden, daß es sich um die
ansteckende Blutarmut gehandelt hat. Die Krankheit kann
außer durch Blut auch durch Harn von Tier auf Tier künstlich
übertragen werden. Die Übertragung gelingt nicht nur durch
Einspritzung unter die Haut oder in die Blutbahn, sondern auch
durch Verfütterung von Blut und Harn erkrankter Tiere.
Bereits die subkutane Einverleibung von 5 ccm Blut oder Blut¬
serum vermag die Krankheit zu erzeugen, bei Verfütterung sind
größere Mengen (mindestens 150 ccm) Harn und Blut hierzu
erforderlich. Aus den Übertragungsversuchen geht hervor, daß
eine bestimmte Menge infektiösen Materials — ins¬
besondere wenn es von anscheinend durchgeseuchten, in Wirklich¬
keit aber chronisch krank gebliebenen Tieren stammt — dazu
gehört, um eine Ansteckung herbeizuführen, und daß
die gelegentliche Aufnahme eines Wisches verunreinigten Heus
oder Strohs noch keine Infektion bedingt.
Für die natürliche Übertragung kommt unter
gewöhnlichen Umständen nur der Harn in Betracht,
indem gesunde Tiere damit verunreinigtes Heu, Stroh
oder Tränkwasser (aus in der Nähe von Ställen oder Jauche¬
gruben liegenden Kesselbrunnen) aufneliriien. Es ergibt sich
hieraus zur Vorbeuge gegen die Einschleppung der Krankheit
neben erhöhter Sorgfalt beim Ankauf von frischen Pferden deren
gesonderte Aufstallung in einem besonderen Stall (Kuhstall).
Diese getrennte Aufstallung, Fütterung und Tränkung neu-
angekaufter Pferde ist mit Rücksicht auf die schleichende Form
der Krankheit für die Dauer eines Vierteljahres angezeigt. —
Bei Ausbruch der Krankheit ist das kranke Tier sofort zu
isolieren und der Stall gründlich zu scheuern (2proz. Sodalösung)
und zu desinfizieren (Kalkmilch). Der Dünger ist durch eine
einen Monat dauernde Packung in etwa 1 cbm großen Haufen
zu desinfizieren.
Im Interesse einer raschen Seuchentilgung würde es liegen,
alle Tiere, bei denen der Verdacht der Krankheit ausreichend
begründet ist, unverzüglich zu töten. Empfehlenswert wäre
ferner, durch eine Bekanntmachung die Pferdebesitzer auf die
neue Pferdekrankheit hinzuweisen.
Die Merkmale für die Feststellung der Krankheit und des
Krankheitsverdachtes sind folgende:
Der Verdacht der Krankheit besteht, wenn bei einem
Pferde nachgewiesen sind: Mattigkeit, schlechter Ernährungs-
zustanl, bleiche oder nur schwach gerötete Kopfschleimhäute,
ev. Verringerung des Gehaltes des Blutes an roten Blut¬
körperchen bei der Reagenzglasprobe, Steigerung der Puls¬
frequenz erheblich nach kurzer Bewegung; alle diese Merkmale
ohne äußere oder innere Erkrankung.
Zu den angeführten Merkmalen können noch hinzutreten:
Fieber, Ödeme unter der Haut und Ausscheidung von Eiweiß
mit dem Harn.
Die Diagnose ist als gesichert anzusehen, wenn bei
einem Pferd mit den angeführten Merkmalen durch die Sektion
nur die Begleiterscheinungen der Septikämie, ferner Ödeme unter
der Haut, dagegen keine selbständige Organerkrankung er¬
mittelt worden.
Der Ausgang ist gewöhnlich der Tod. Es kann aber auch
nach langer Rekonvaleszenz Genesung eintreten.
In verseuchten Beständen kann die Krankheit ausnahms¬
weise auch lediglich in Form eines intermittierenden, durch eine
nachweisbare Organerkrankung nicht verursachten Fiebers
auftreten.
In einem Nachtrag finden noch die Untersuchungen von
Carre und Vallee gebührende Würdigung. Richter.
Über die Ätiologie der Enteriten der Neugeborenen
überhaupt und speziell des Kelbcs.
Von Prof. Cadüac.
(Journal de Lyon, SO. November 1907.)
Die Darmentzündungen der Neugeborenen sind Infektions¬
krankheiten, welche Kälber, Fohlen, Lämmer, junge Hunde und
Katzen befallen und deren Hauptsymptom eine heftige Diarrhöe
oder Ruhr ist, auf welche eine sehr rasch verlaufende Intoxi¬
kation, die den Tod der meisten davon befallenen Tiere zur
Folge hat, einsetzt. Ihre Erreger sind, gleich wie die Erreger
der Enteriten der erwachsenen Tiere, die Kolibazillen, die
Pa8teurella, die Strepto- und Staphylococcen, nur daß der an
Keimen jungfräuliche Boden des Verdauungsschlauches der Neu¬
geborenen ihnen eine größere Permeabilität gewährt als bei
jenen. Obschon sich auf dem sehr günstigen Nährboden des
Darmes neben den Koli- und Parakolibazillen, diesen allgemein
verbreiteten Saprophyten, noch viele andere Bakterienarten an¬
siedeln, so nehmen jene doch die Oberhand unter allen, ver¬
ursachen zusammen eine Darminfektion und suchen vom Dann
aus den ganzen Organismus zu erobern.
Bald bleiben diese Streptococcen, Kolibazillen, ovoide
Bakterien, Staphylococcen, saccharolytischen und amylolytischen
Bakterien wie z. B. der Bacillus acidi laetis aerpgenes auf den
Darm beschränkt und sezernieren da ihre Toxine, durch welche
sie eine einfache diarrhöische Enteritis hervorrufen, bald dringen
sie ins Blut ein und rufen eine rasch tödlich verlaufende gene¬
relle Infektion, die Septikämie der Neugeborenen hervor, welche
sich auf das Blut beschränken oder sekundäre Lokalisationen in
der Lunge oder in den Gelenken bilden kann. Die diarrhöische
oder ruhrartige Enteritis, welche gewöhnlich die Folge der
generellen Infektion ist, bildet in diesem Falle das Vorspiel
zu derselben.
Die pathogene Aktion dieser Bakterien erreicht ihren Höhe¬
punkt im Augenblick ber Geburt und nimmt von da an immer
mehr ab. Es tritt dabei der erste Streit zwischen dem noch
nie von einer Infektion berührten Organismus und der Bakterien¬
welt auf, welcher auch der gefährlichste ist. Die Angewöhnung,
die täglichen Vaccinationen, die Ausbildung aller Verteidigungs¬
mittel und die vitale Konkurrenz schaffen nach und nach einen
Gleichgewichtszustand, der das normale Leben darstellt.
Die Bakterien, welche mit dem ersten Schluck Milch in dem
Darm eingedrungen sind, verlassen ihn nun nicht mehr, Bie sind
aber nicht schon durch ihr Vorhandensein für den Organismus
gefährlich, sondern einzig und allein durch ihre zu große Zahl
und durch die Steigerung ihrer Virulenz. Gelangen die Bakterien
nur in geringer Zahl in den Verdauungsschlauch, so bildet
der Organismus seine Verteidigungsmittel gegen sie aus, so daß
er sich nach und nach auch an größere Mengen gewöhnen kann,
wird aber der Organismus auf einmal nun plötzlich von einer
stärkeren Invasion überfallen, so ist er nicht dazu vorbereitet,
23. Januar 1908.
BERLINER TIERÄl.'/.TLICHE WOCHENSCHRIFT.
71
ihnen den nötigen Widerstand zu leisten. Die Steigerung der
Virulenz der Bakterien hat ihren Grund in Bedingungen, die
innerhalb und außerhalb des Organismus liegen und welche die
ganze Ätiologie der Krankheit ausmachen.
Ein schwach geborenes Kalb, das keine Kolostrummilch
erhalten hat, ist für die Infektion prädisponiert, auch erhöht das
Verabreichen von gekochter Milch in den ersten Lebenstagen
die Aktivität der Bakterien, weil sie nicht wie die rohe die¬
jenigen Toxine enthält, welche gegen die pathogene Einwirkung
des Kolibazillus schützen, dagegen enthielt die gekochte Milch
solche Taxine, welche nicht für erwachsene Tiere, aber für
Säuglinge gefährlich sind. Eine infolge Änderung der Fütterungs¬
weise veränderte Milch, beispielsweise beim Übergang der
Trockenfütterung zur Grünfütterung oder beim Füttern von zu
viel Runkelrüben, Ölkuchen oder Schnitzel kann bei Rindern
wie auch bei Kälbern schwere Intoxikationserscheinungen hervor-
rufen, welche das Vorspiel zur Infektion abgeben. Zu häufige,
zu kopiöse oder unregelmäßige Mahlzeiten, das zu frühe Ver¬
abreichen von mit Mehl versetzter Milch, zu deren Verdauung
die Magensäfte noch nicht hinreichen, sind alles Quellen von
Indigestionen, und das was bei einer Indigestion schlecht oder
gar nicht verdaut ist, gibt eine Beute für die Bakterien ab.
Eine solche Auto-Intoxikation durch den Darm hindurch, kann
auch durch die Verabreichung von gärender, verdorbener Milch,
die noch obendrein aus infizierten Eimern gegeben wird, ent¬
stehen, und auch von solcher, in welche die Toxine bei einer
überarbeiteten oder kranken Mutter gelangt sind.
Die Bakterien vermehren sich unter den angeführten Um¬
ständen sehr schnell, und die Auswanderung der Kolibazillen
mit ihrem Gefolge wird durch eine Auto-Intoxikation, welche
den Phagozytismus lahmlegt, sicher gestellt. Da die durch das
erste kranke Tier ausgeschiedenen diarrhöischen Stoffe für die
in seiner Nähe stehenden gesunden Subjekte infektiös sind, so
infizieren sich auch diese, ohne daß sie dafür von vornherein
prädisponiert gewesen zu sein brauchen und so wird die
Infektionskrankheit endemisch und epizootisch.
Sind die kranken Tiere entweder lebend oder tot aus dem
StaUe herausgeschafft, so fallen die infektiösen Keime entweder
in den Saprophytismus zurück oder sie bleiben virulent und I
warten im Dünger oder im Boden darauf bis wieder junge
Tiere in ihren Bereich kommen. Eine Stallung, in welcher die
diarrhöisclie Enteritis geherrscht hat, ist infiziert und daher
für Neugeborene immer gefährlich.
Das gleichzeitige Auftreten des epizootischen Verkalbens
und der .Ruhr in einer und derselben Stallung, die beide von
den gleichen Erregern erzeugt werden und das Befallensein von
schwächlich zur Welt gekommenen Kälbern mit Ruhr, schon
bevor sie angefangen haben zu saugen, dürfte ein Beweis dafür
sein, daß die Ansteckung der Neugeborenen nicht erst durch
den Darm, sondern schon im Uterus oder in der Scheide durch
den Nabel hindurch erfolgen kann. Eine intrauterine Infektion,
wie sie von Kitt experimentell erwiesen ist, kann nur statt¬
finden, wenn die Keime im Verdauungsschlauch der mit diarrhöi-
scher Enteritis behafteten Muttertiere einen ungewöhnlich hohen
Virulenzgrad erreicht haben, so daß sie genügend infektiös sind,
um den Plazentarweg zu durchwandern und den Fötus anzu¬
stecken. Gerade so gut kann die Infektion von der Nabelwunde
aus ihren Weg nehmen, denn die Bakterien mit gesteigerter
Virulenz sind auf allen Wegen ansteckend, und es finden sogar
die Saprophytismus zurückgekehrten Keime im Darme eines
dafür prädisponierten Neugeborenen den günstigen Nährboden
zu ihrer Hypervirulenz. Helfer.
Impfung von Maultieren gegen Sterbe.
Von Veterinärrat Rickmann-Windhuk (Deutsch-Südwestafrika).
(Archiv für Wissenschaft!, und praktische Tierheilkunde, 1907, Heft 4 und 5.)
In vorliegender, kaum zu einem gedrängten Auszug ge¬
eigneten Arbeit beschreibt R. seine Versuche, ein zur Bekämpfung
der „Sterbe“ dienendes Impfverfahren ausfindig zu machen. Mit
der genannten Bezeichnung belegt man bekanntlich eine durch
einen ultravisiblen Mikroorganismus hervorgerufene akute
Infektionskrankheit der Pferde und Maultiere in Südwestafrika.
Nach Überstehen der Krankheit hinterbleibt eine bedingte
natürliche Immunität in der Weise, daß bei Neuinfektionen die
Tiere gar nicht oder nur gering erkranken; ist die Infektion
aber eine sehr intensive, so kann das eigentlich immun gewordene
Individuum doch noch an Sterbe eingehen. Daraus läßt sich
folgern, daß auch die Impfung nur eine beschränkte Immunität
erzeugen kann. Im allgemeinen verhalten sich die Maultiere
resistenter gegen die Infektion als die Pferde.
R. benutzte zu seinen Versuchen Sterbevirus, welchem
behufs Abschwächung 1 proz. Karbolsäure und zur Verdünnung
0,85 proz. physiologische Kochsalzlösung zugesetzt wurde. Bei
weiteren Versuchen an ein und demselben Tier wurde sodann
unabgemilderte8 Virus verwendet. Die Impfung geschah meist
subkutan. Dem Verfasser gelang es, eine größere Anzahl von
Maultieren durch fortgesetzte Infektion immun zu machen.
Derartig seuchenfeste Tiere dienten dann zur Gewinnung von
Immunserum, nachdem sie noch eine besondere Präparation
überstanden hatten. Letztere ist nach R. als beendet anzusehen,
wenn dem Serumtier im Verlauf von höchstens acht Wochen
mit ca. 14 tägigen Zwischenräumen mindestens 8 bis 10 Liter
virulenten Sterbeblutes intravenös injiziert worden sind. Das
Serum so behandelter Tiere hat seinen höchsten Immunwert
ca. 12 bis 14 Tage nach der letzten Blutinjektion; es muß
jedoch vor seiner endgültigen Verwendung noch auf das Vor¬
handensein hämolytischer Eigenschaften geprüft werden. Fehlen
letztere, dann ist das Serum unbedenklich zu gebrauchen. Seine
Konservierung erfolgt nach dem Ehrl ich sehen Verfahren. Auch
für das Virus, welches neben dem Serum mit zur aktiven
Immunisierung benötigt wird, ist eine Konservierung erforderlich,
welche folgendermaßen geschieht: Einem schwerkranken Sterbe¬
tier werden ca. 2 Liter Blut aus der Vena jugularis entnommen
und durch Schütteln mit Glasperlen defibriniert. Nach Filtration
durch angefeuchtete sterile Gaze wird unter anhaltendem
Schütteln 1 Teil Blut mit 2 Teilen Konservierungsflüssigkeit
(1 Teil Regen- oder destilliertes Wasser, 1 Teil Glyzerin,
1 %o Acid. carbolic.) gemischt. Nach mehreren Wochen
Filtration und Abfüllung in kleinere Fläschchen (20—100 ccm).
Nach der eigentlichen Impfung, welche also in der Ein¬
verleibung von Virus und Serum besteht, tritt Fieber auf, zu
welchem sich oft Konjunktivitis und Rhinitis hinzugesellen.
Ungefähr 12—14 Tage nach der ersten Impfung wird eine
zweite, und zwar nur mit Virus vorgenommen. Dieselbe dient
ate Prüfung auf vorhandene Immunität und erhöht den Grad
und die Dauer der Seuchenhaftigkeit.
Auf Grund seiner Forschungen kommt R. zu der Auffassung,
daß mit seinem Verfahren sehr wohl die Immunisierung von
72
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
Maultieren und später auch nach entsprechender Modifikation
diejenige von Pferden' möglich und praktisch durchführbar ist.
J. Schmidt.
Die Hornsänle des Pferdes.
Von Dr. R. Immelmann in Simmern i. d. Rheinprovinz.
(Aus der Chirurg. Klinik der König 1 , tierürztl. Hochschule zu Berlin.)
(Monatshefte für prakt. Tierheilkunde. XIX. Rd., 1. Heft.)
Immelmann kommt in der vorliegenden Dissertation zu
folgenden Ergebnissen:
Die Hornsäule ist das Produkt einer Huflederhautentzündung.
Reine Keratome hat Immelmann nicht beoachtet. Die Erkran¬
kung beginnt mit einer Pododermatitis, welche je nach dem
Charakter eine aseptische oder eine suppurative sein kann. Hieran
schließt sich die Bildung der Hornsäule, welche je nach dem Ur¬
sprung und Alter entweder aus Narben- oder Röhrchen- und Binde¬
horn zusammengesetzt ist. Auch in den Hornsäulen, welche ur¬
sprünglich aus Narbenhorn bestehen, tritt bei längerer Dauer
Röhrchenhorn auf infolge der am freien Rande der Fleischblätt¬
chen im weiteren Verlaufe auftretenden Fleischzotten.
Die Hornsäule hat stets die Bildung einer rinnenförmigen
Vertiefung der Huflederliaut und Degeneration der Fleischwand
zur Folge. An Stelle der untergegangenen Sekundärblättchen
tritt die Neubildung von Zotten, welche dann das in den Horn¬
säulen auftretende Röhrchenhorn liefern.
Am Hufbein ist stets eine rinnenförmige Vertiefung —
Usur — zugegen.
Die häufigste Ursache war in den zur Untersuchung ge¬
langten Fällen eine Hornspalte.
Die Hornsäule läßt sich immer mit Hilfe der Röntgen¬
strahlen nachweiaen.
Von den Symptomen ist das wichtigste die Ausbuchtung der
w r eißen Linie.
Homsäule ohne Lahmheit erfordert in der Regel keine
Behandlung.
Besteht ein Wandgeschwür und zugleich Lahmheit, so ist
eine Radikaloperation notwendig. Heilung tritt in zwei bis
sechs Wochen ein.
Im Durchschnitt sind ein Prozent aller hufkranken Pferde
mit Hornsäule behaftet. Rdr.
Tagesgeschichte.
Reichstierseuchengesetz und Kreistierarzt.
Von Krueger-Posen.
Diese erste Beratung des neuen Reichstierseuchengesetzes
im Reichstage ist vor einigen Tagen vor sich gegangen. Es
sprachen Vertreter des Zentrums, der Konservativen und der
Nationalliberalen. Der Wortlaut ihrer Reden steht mir nicht
zur Verfügung. Den Tageszeitungen entnehme ich, daß die
Redner das Gesetz begrüßten, wenn auch die Vertreter der
Konservativen und des Zentrums Plackereien und schwere
Lasten befürchten, und dem konservativen Abgeordneten
Siebenbürger das Gesetz in einzelnen Punkten überhaupt zu
weit geht.
Welche Punkte der Herr Abgeordnete meint, ergibt sich
nicht aus den Zeitungen; er scheint aber an die Bekämpfüng
der Maul- und Klauenseuche gedacht zu haben, da kurz zuvor
folgender Satz dem Gehege seiner Zähne entfloh: „Die Maul¬
und Klauenseuche heilt man als praktischer Landwirt am besten,
indem man dem kranken Tier einen Strohwisch durchs Maul
zieht (Heiterkeit).“
Heiterkeit wirkt ansteckend. Wodurch nur mag der erste
Herr Abgeordnete sich angeheitert gefühlt haben? Freute er
sich über seinen Kollegen Siebenbürger; oder gefiel ihm so
ausnehmend dessen Verbindung von Tier — Maul, praktischer
Landwirt — Strohwisch?
Die Konservativen vertreten weite Kreise der Land¬
wirtschaft, die vornehmlich durch das in Frage stehende Gesetz
berührt wird. Man hätte erwarten sollen, daß sie als ersten
Redner zu dem Gesetz einen mit den Verhältnissen vertrauteren
Abgeordneten bestimmt hätten.
In den Worten des Abgeordneten Siebenbürger liegt
außer Unkenntnis etwas Geringschätziges und Feindseliges gegen
den Stand, der sich mit der Heilung nnd Bekämpfung von Tier¬
krankheiten berufsmäßig befaßt, und aus dessen Kreisen in
letzter Zeit öfters Klagen über Feindseligkeit der Landwirte
vorgebracht sind (Körordnungen, Überwachung des Milchverkehrs).
Es ist zeitgemäß, daß wir uns mit den Landwirten gründ¬
lich aussprechen. Die Faust in der Tasche zu ballen oder gar
im Kollegenkreise über die „Agrarier“ herzuziehen, ist völlig
zwecklos und widersinnig. Wir sind auf die Landwirte an¬
gewiesen und sie auf uns und so wird es immer bleiben. Wir
wollen aber weder Herren noch Knechte der Landwirte sein,
sondern hilfreiche Freunde.
Woher rührt nur der feindselige Ton? Haben ihn die
praktischen Tierärzte verschuldet?
Wie in jedem Stand so auch in unserem trinkt mancher
manchmal ein Glas zu viel, mancher könnte früher aufstehen,
mancher gibt zu wenig auf sein Äußeres und andere geben an¬
geblich zu viel auf dasselbe; im allgemeinen herrscht bei den
Landwirten aber Anerkennung, wenn nicht Bewunderung des
Wirkens der praktischen Tierärzte: sie staunen über die
schwierigen Operationen, die heute vorgenommen werden, über
die glatte und schnelle Heilung umfangreicher Wunden und
gefährlicher Verletzungen, über die verblüffende, exakte, bis
auf die Minute vorausgesagte Wirkung der angewendeten Arznei¬
mittel, über die Erfolge der Serumtherapie, über das brillante
Instrumentarium, über die Eleganz des Operierenden usw.
Die praktischen Tierärzte geben sicherlich den Landwirten
keine Veranlassung, uns feindselig zu sein.
Die Schlachthoftierärzte kommen mit den Landwirten nur
wenig in Berührung.
Es bleiben von den großen Berufsgruppen nur die Kreis¬
tierärzte. Ja, bei denen liegen die Verhältnisse höchst schlimm.
Heutzutage ist der Kreistierarzt fast ein völliger Polizeimensch;
er soll die Durchführung von Gesetzen und Verordnungen über¬
wachen.
In Preußen ist die Betätigung auf anderen Gebieten ganz
ausgeschaltet. Das Gebiet der Tierzucht z. B., wo der Kreis¬
tierarzt segensreich auch für jeden einzelnen Landwirt
wirken könnte, ist ihm verschlossen; als Knecht wird er an die
Grenzen desselben herangerufen.
Kann ein Kreistierarzt, der es ernst meint mit den ihm zu¬
gewiesenen Aufgaben, durch die Ausübung seines Amtes sich
irgendwie Freunde erwerben? Diese Frage ist glatt zu ver¬
neinen.
Stellt der Kreistierarzt bei den Pferden eines Landwirtes
Rotz fest, so muß er eine Anzahl Tiere töten lassen, andere
23. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
73
monatelangen, höchst lästigen Verkehrsbeschränkungen unter¬
werfen, die von unheilvollem Einfluß auf den Wirtschaftsbetrieb
des Betroffenen sind. Selbst objektiv Denkende können durch
dieses Wirken nicht erfreut werden.
Wird Tollwut oder gar nur Tollwutverdacht festgestellt
und müssen die Hunde, die treuen Freunde vieler Menschen, in
einem weiten Bezirk festgelegt werden, gleich erheben sich alle
möglichen Bedenken und Einwendungen über die Richtigkeit der
Diagnose, über das Fehlerhafte des Festlegens von Hunden zu
heißer Sommerzeit.
So ähnlich ist es auch bei allen anderen anzeigepflichtigen
Seuchen.
Bricht gar Maul- und Klauenseuche aus, wird Tierhandel
und Wandel in einem weiten Gebiet auf ungewisse Zeit unter¬
bunden, dürfen seuchenempfängliclie Tiere auf den Straßen nicht
getrieben werden, muß der Weidebetrieb in einzelnen Ortschaften
aufhören, dürfen Ochsen nicht zur Feldbestellung verwandt werden,
besteht für ganze Ortschaften Stallsperre, so bricht allemal ein
Sturm der Entrüstung los. Dann sind immer die Vorsichts¬
maßregeln nach Ansicht der Betroffenen falsch, zwecklos, zu
weitgehend, zu schroff. |
Früher, als noch die Kreistierärzte eine umfangreiche Praxis
betrieben und sich durch deren Ausübung viele persönliche und
einflußreiche Freunde erwarben, erhoben sich nicht derartige
Angriffe in dieser Zahl und in dieser Schärfe. Heute ist der
Kreistierarzt von der Praxis fast ganz losgelöst, und wird er in
Zukunft, wie die Verhältnisse liegen, immer weniger Praxis
ausüben, bis er ein reiner Beamter geworden ist. Dieser Zu¬
stand wäre an sich unbedenklich, da heutzutage die neuernannten
Kreistierärzte in einem Alter von 35—40 Jahren stehen, so daß
sie etwa 10—15 Jahre Praxis ausgeübt und sich genügende
praktische Erfahrungen erworben haben.
Vom Staatsanwalt abgesehen, kann fast jeder Beamter
direkten Segen den Angehörigen des Bezirkes, für den er bestellt
ist, bringen. Der Kreistierarzt muß, wenn er seinen Aufgaben
nachkommen will, den Bezirk, in dem er wirkt, bedrücken, um
Gebiete des Staates, die ihm völlig fremd sind, vor Schaden zu
bewahren. In seinem Bezirk kann er nur suaviter in modo sein.
Das sollten sich doch alle Landwirte klarmachen und danach
ihr Verhalten einrichten. Dann können nicht solche Resolutionen
gefaßt werden, wie folgende, die anfangs des Jahres 1907 in
der Generalversammlung der der Landwirtschaftskammer an¬
geschlossenen Vereine in Posen von dem Gutsbesitzer Ponzet
eingebracht und im Sinne des Majors a. D. Endell beschlossen
ist: Wenn die Versammlung einerseits der Regierung für ihr
energisches Vorgehen gegen die Maul- und Klauenseuche,
namentlich für die sofortigen durchgreifenden Maßnahmen, an
dem Ausbruchsorte nur ihren vollen Dank aussprechen kann,
so ist sie doch andererseits der Ansicht, daß vielfach seitens
der Veterinärorgane Anordnungen getroffen worden,
welche einzelnen namentlich vom Ausbruchsorte weiter
abliegenden Landwirten schwere Schäden zufügen, ja
dieselben unter Umständen in ihrer Existenz bedrohen
können. Die Versammlung bittet deshalb die Landwirtschafts¬
kammer, die Regierung zu bitten, daß bei Seuchenausbrüchen
landwirtschaftliche Sachverständige regelmäßig zur
Begutachtung der zu treffenden Maßnahmen heran¬
gezogen werden. Da ein schnelles Eingreifen seitens der
Veterinär-Organisation dringend erwünscht erscheint, und die
von ihnen zu treffenden Maßnahmen einen Aufschub nicht
erleiden dürfen, so würde jedenfalls eine nachherige Begut¬
achtung durch landwirtschaftliche Sachverständige
dringend erwünscht sein.“
Diese Resolution wurde angenommen, wiewohl der Vor¬
sitzende der Landwirtschaftskammer, Kammerherr
v. Born-Fallois bemerkt hatte, daß sich die getroffenen
Sperrmaßregeln zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche
bisher glänzend bewährt haben.
Was soll man von jener Resolution sagen: ist sie töricht
oder verschmitzt? Ich glaube, beides, feindselig auf alle Fälle.
Man will den Segen der Anordnungen über sich ergehen lassen,
und dann soll nachträglich ein Scherbengericht von Privatpersonen
über Staatsbeamte abgehalten werden. Den Ausgang kann man
sich denken: Die Veterinärorgane würden mit Scherben völlig
bedeckt werden.
Wer sind diese bedrohten Veterinärorgane? Die Kreis¬
tierärzte treffen keine Anordnungen, sondern die Polizeibehörden;
bei der Maul- und Klauenseuche sind das Landrat oder Regierung.
Der Regierung, zu der doch die Landräte gehören, ist aber
j voller Dank ausgesprochen. Demnach können nur die beamteten
Tierärzte gemeint sein. Die Landräte wälzen ohnehin das
Odium von sich ab. Wie die Begriffe nach der Seite hin sich
verwirrt haben, ergibt sich z. B. aus der Tatsache, daß im
Juli 1906 zwei Landräte in einem landwirtschaftlichen Verein
sich in eine Kommission zur Bearbeitung einer Eingabe an den
Herrn Landwirtschaftsminister wählen ließen, die ihre Spitze
richtete gegen die Handhabung der Schutzmaßregeln gegen die
Maul- und Klauenseuche und gegen die Anordnungen, die die
Landräte selbst erlassen und mit ihrem Namen gedeckt hatten.
Daß die Veterinärpolizei die Maul- und Klauenseuche unter¬
drücken kann, wenn ihr ausreichende Befugnisse zu Gebote
stehen, das hat sie gezeigt und das ist heute sonnenklar. Der
Herr Landwirtschaftsminister von Arnim-Crieven erklärte in
der vierten Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom
7. Februar 1907: „In der Bekämpfung der Maul- und Klauen¬
seuche haben wir gute Erfolge zu verzeichnen. Wir können
das als einen großen Erfolg unserer veterinären Maßregeln be¬
trachten.“
Die Landwirtschaft hat nun dafür zu sorgen, das der
Veterinärpolizei ausreichende Befugnisse zur Verfügung gestellt
werden. Will sie das nicht, dann können wir ihr auch nicht
helfen. Sie muß sich jedenfalls entscheiden. Von „Plackereien“
darf sie aber in keinem Fall reden.
Wir werden das ausführen, was beschlossen ist. Der
Bundesrat hat nur dafür zu sorgen, daß im Rahmen des be¬
schlossenen Gesetzes alles das, was wissenschaftlich einwandfrei
feststeht, was notwendig und was praktisch gangbar ist, in die
Instruktion hineinkommt und alles Fakultative aus ihr möglichst
verschwindet; vor allem aber, daß ein Zurückgreifenmüssen auf
die allgemeinen Gesetzesbestimmungen (§ 19—30) für einzelne
Fälle vermieden wird. Das ist immer mißlich. Das sind dann
Ausnahmebestimmungen, die als solche empfunden werden. Ich
glaube nicht, daß die Kreistierärzte gewillt sind, ihre, wie oben
gezeigt, ohnehin gefährdete Stellung weiter zu exponieren.
Über die Notwendigkeit der Anordnung fakultativer Be¬
stimmungen gehen die Ansichten immer auseinander, mitunter
selbst unter Sachverständigen recht weit. Wenn bei den
fakultativen Bestimmungen der Maul- und Klauenseuche der
74
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
Departementstierarzt seuchenkranke Tiere, für die der Kreis¬
tierarzt absolute Stallsperre vorgesehen hat, aus dem Stall
herausläßt; wenn der Departementstierarzt Ochsen aus einem
Seuchenstall zur Arbeit verwenden läßt, während der Kreis¬
tierarzt sich dagegen ausgesprochen hat; wenn der Departements¬
tierarzt während des Herrschens der Seuche Seuchendünger über
öffentliche Wege abfahren läßt, trotzdem der Kreistierarzt auf
das Gefährliche eines solchen Beginnens dringend hingewiesen
hat; wenn der Departementstierarzt einen kranken Bestand ab¬
schlachten läßt, trotzdem der Kreistierarzt dagegen ist, weil
Tiere aus dem bereits verseuchten Bestand an unbekannte
Personen verkauft sind und auch sonst schon eine stattgefundene
Verschleppung wahrscheinlich ist, so bieten sich den Landwirten
fürwahr genug Angriffspunkte, den Kreistierarzt zu geringen
Entgegenkommens gegen die Wünsche der Kreisinsassen zu be¬
schuldigen, so daß sie dann erklären: Solch einen Kreistierarzt,
der für seinen Kreis so wenig sorgt, können wir nicht brauchen.
Den können wir uns nicht gefallen lassen und den werden wir
uns nicht gefallen lassen. Wir wollen einen andern.
Ob sie die Macht haben, das durchzusetzen, diese Frage
will ich nicht erörtern. In der B. T. W. 1907, S. 796, sclireibt
Prof. Schmaltz, daß allgemeinen Unwillen unter den Tier¬
ärzten die Art und Weise erregt hat, wie die Landwirtschafts¬
kammer der Provinz Posen sich des einigen führenden Persönlich¬
keiten wohl nicht genehmen Zuchtdirektors Marks zu entledigen
versucht hat.
Im Reiche sind nach dem Sturze des Zentrums mannigfache
Behauptungen aufgetaucht, wonach Zentrumsabgeordnete die
politische Macht zum Nutzen bzw. Schaden einzelner Personen
verwendet haben sollen.
Jedenfalls ist die politische Macht der Landwirte (zumal in
Preußen) eine sehr große. In dieser Fachzeitschrift will ich
mich nicht auf das politische Gebiet begeben, und es daher nur
so wenig, als unbedingt erforderlich, berühren. Ich wünsche
den Landwirten, daß sie wirtschaftlich so stark als möglich
dastehen; ihre Bestrebungen, die wirtschaftliche Stellung zu
verbessern, suchte ich, soweit es in meiner Macht stand, zu
unterstützen, was schon vor langen Jahren darin seinen Aus¬
druck gefünden hat, daß ich als einer der ersten Mitglied des
Bundes der Landwirte wurde. Für ihre politische Übermacht
schwärme ich nicht und zwar, abgesehen von der Politik, schon
aus der praktischen Erwägung heraus, daß in Preußen der
politische Beamte des Kreises, der Landrat, mit den Haupt¬
repräsentanten des Dreiklassenwahlrechts Fühlung haben muß.
Im übrigen stehe ieh auf Bülowschem Boden.
Jedenfalls muß es Aufgabe der Staatsregierungen sein,
auch den allergeringsten Anschein nicht aufkommen zu lassen,
daß eine politische Partei imstande wäre, einen Beamten, der
seine Pflicht erfüllt, zu schädigen. In unserem Berufe z. B.
wäre es vorbei mit einer rationellen Bekämpfung der Seuchen;
dann hätten die Slaatsregierungen vielleicht allzuschnell Beamte,
denen man es wirklich Zutrauen kann, daß sie dem Rotlauf den
Namen Schweineseuche geben, weil es ihnen Vorteile bringt.
Dann können die Staatsregierungen mit Recht höhere Veterinär¬
beamte beauftragen, nachzusehen, ob dieser oder jener be¬
amtete Tierarzt die Seuche auch richtig benannt hat.
Wenn eine Staatsregierung aber wirklich meint, daß solche
Leute in ihrem Beamtenkörper sich befinden, dann hinaus mit
ihnen. Dann tut schnelle Säuberung not; dann soll man auch
die Ursachen der Verirrung beheben und soll den Stand durch
zweckdienliche Maßnahmen heben. Dann muß man das Pflicht-
und Verantwortlichkeitsgefühl und das Selbstbewußt sein des
einzelnen steigern; dann muß jedes Standesmitglied von dem
Gedanken fest durchdrungen werden, daß ihm kein Haar ge¬
krümmt werden kann, wenn er sich innerhalb des Rahmens
seiner Befugnisse hält. Dieses Gefühl ist noch nicht vorhanden;
an dessen Stelle herrscht hier und da ein gewisses Utilitätsprinzip
vor, das immer Anlaß zu Auswüchsen geben kann. Das zum Leben
Notwendige muß der Staat uns in ausreichendem Maße gewähren.
Güter, die die Motten fressen, sind für einen auskömmlich ge¬
stellten Beamten nicht unbedingt nötig. Bei der ganzen Ent¬
wicklung unseres Standes werden wir bald reine Beamte sein,
und deshalb müssen wir uns allmählich daran gewöhnen, auf
manche Besonderheiten unserer jetzigen Stellung zu verzichten.
Unsere Stellung wird schon bald eine Änderung erfahren
müssen. Das neue Tierseuchengesetz bringt neue Aufgaben.
Die Handhabung der Bestimmungen wird immer schwieriger
werden. Das Personal bei den Landratsämtem ist diesen Auf¬
gaben schon heute nicht recht gewachsen. Das erklärt sich aus
j dem wechselnden Seuchenstand. Veterinärpolizei und Fleisch¬
beschau werden für gewöhnlich von den jüngsten Kräften be¬
arbeitet. Bricht dann etwas Außergewöhnliches los, so genügen
diese Kräfte bei weitem nicht; andere übernehmen die Aufgaben,
müssen sich langsam hineinarbeiten und es werden naturgemäß
inzwischen Fehler und Dummheiten gemacht. So wurde beispiels¬
weise letzthin ein Trichinenschauer ohne jede Prüfung angestellt.
Bei dem wachsenden Umfang und der Wichtigkeit der
Geschäfte wird nichts anderes übrig bleiben, als uns einen
größeren Einfluß auf ihre Abwicklung einzuräumen und uns eine
größere Selbständigkeit und Verantwortlichkeit in der Führung
der gesamten Veterinärpolizei zu übertragen.
Die Form wird sich finden.
Als das Einfachste wird es vielleicht manchem scheinen,
die Einrichtung der Regierung auf die Landratsämter zu über¬
tragen: wie dort der Departementstierarzt Dezernent des
Regierungspräsidenten, so hier der Kreistierarzt Dezernent des
Landrats. Das Verhältnis ist aber doch ein verschiedenes. Der
Departementstierarzt ist dem Regierungspräsidenten subordiniert,
der Kreistierarzt dem Landrat mehr oder weniger koordiniert.
Das Arbeiten auf den Landratsämtern ist auch dadurch erschwert,
daß der Kreistierarzt wegen seiner Fahrten auf das Land viel¬
fach darauf angewiesen ist, seine schriftlichen Arbeiten abends
zu erledigen, wo die Landratsämter geschlossen sind. Die
größere Bequemlichkeit des Arbeitens im Hause hätte an und
für sich keine Rolle bei Entscheidung dieser Frage zu spielen.
Schon heute könnte man uns die vollständig selbständige Be¬
arbeitung sämtlicher Fleischbeschauangelegenheiten einschließlich
der Personalien übertragen, und wir könnten dann sehr wohl
einen Tag in der Woche die laufenden Fleischbeschaugeschäfte
auf dem Landratsamte bearbeiten; ein geeigneter Raum wird in
vielen der umfangreichen Kreisständehäusern wohl zur Verfügung
gestellt werden können.
Die Frage wird vielleicht bald bei der in Aussicht ge¬
nommenen Dezentralisation der Behörden gelöst werden. Manche
Landratsämter stellen schon heute kleine Regierungen dar, bei
allen hat sich der Geschäftsumfang bedeutend vermehrt. Wieso
nicht Landratsämter mit Dezernenten für Gesundheitswesen,
Veterinärpolizei, Schule, Bauwesen? Die Departementstierärzte
23. Januar 3908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
75
sind bei manchen Regierungen heute nicht mehr in der Lage,
aUe ihnen obliegenden Geschäfte zu erledigen. Im hiesigen
Bezirk z. B. hat der Regierungspräsident wegen Überlastung
des Departementstierarztes mit anderen Geschäften die Kontrolle
der Fleischbeschau ausübenden Tierärzte den Kreistierärzten
übertragen müssen. Sela.
Kleine Mitteilungen.
Viehseuchengesetznovelle.
Die erste Lesung der Viehseuchengesetznovelle im Reichstag
hat manche interessante Äußerung ergeben. Ein ausführlicher
Bericht wird in der nächsten Nummer der B. T. W. erscheinen,
da die Stenogramme noch nicht vollständig zu erhalten waren.
Der deutsche Veterinärrat petitioniert um Abänderung der
Bezeichnung des Gesetzes in Tierseuchengesetz mit sinngemäßen
Änderungen im Text.
Der Verband der Privattierärzte in Preußen beabsichtigt,
eine Petition an den Reichstag zu richten, den § 2 des Gesetzes
so zu fassen, daß eine allgemeine Mitwirkung der praktischen
Tierärzte bei einzelnen durch das Gesetz bedingten Maßnahmen
nicht ausgeschlossen bleibe.
Entwurf eines Versicherungsgesetzes.
In letzter Nummer der B. T. W. hatte Herr Bezirkstierarzt
Mai er-Konstanz nochmals zum Einschreiten gegen die auf
tierärztliche Tätigkeit bezüglichen Paragraphen des Gesetzes
über den Versicherungsvertrag aufgefordert. Hierzu kann
folgendes mitgeteilt werden:
Die Angelegenheit ist erledigt und alle Versuche, noch eine
Änderung herbeizuführen, sind aussichtslos. Die Entscheidung
ist bereits im Vorjahre gefallen, ,wo die damit befaßte Kommission
den Entwurf in 46 Sitzungen festgestellt hatte. Diese ge¬
räuschlose Arbeit hat die Aufmerksamkeit der Tierärzte zu spät
auf' sich gelenkt. Die diesjährige Kommission hat sich, was
erklärlich ist, auf den Standpunkt gestellt, an der von ihrer
Vorgängerin geleisteten Arbeit einfach festzuhalten und hat
alle Versuche zu Änderungen rundweg abgeschlagen. Unter
diesen Umständen besteht nicht der geringste Zweifel, daß das
Plenum die Kommissionsvorlage unverändert annimmt. Diese
Information ist von Mitgliedern der Kommission gegeben. Unter
diesen Umständen wird auch die vom Veterinärrat beabsichtigte
and auch abgefaßte Petition gar nicht abgegeben werden.
Schmaltz.
Preußisches Abgeordnetenhaus.
Eine Petition der Polizeitierärzte Höpfner und Genossen
zu Berlin um etatsmäßige Anstellung, sowie Anstellung der
Hilfs-Polizeitierärzte nach einer bestimmten Probezeit, Ver¬
mehrung der Stellen und Erhöhung der Dienstbezüge ist der
Bugdet-Kommission überwiesen worden.
Bei der Beratung des landwirtschaftlichen Etats hat der
Herr Minister eine Erklärung dahin abgegeben, daß an eine
Vereinigung der tierärztlichen Hochschulen mit land¬
wirtschaftlichen nicht gedacht werde.
Abgeordneter Dr. Müller-Sagan, in dessen jetzigem Berliner
Wahlkreise die tierärztliche Hochschule gelegen ist, hat in einer
Rede ebenfalls die Organisation der tierärztlichen Hochschulen,
insbesondere die Einrichtungen an der Berliner Hochschule, be¬
sprochen und dann die Notwendigkeit des Promotionsrechtes
betont. Geheimer Oberregierungsrat Schröter hat darauf er¬
widert. Auch einige andere Redner haben zu diesem Gegen¬
stand das Wort ergriffen.
Die nächste Nummer wird darauf zurückkommen, da die Be¬
richte noch nicht vollständig vorliegen.
Pauschale.
Im Etat des preußischen Kultusministeriums ist eine Summe
von 865 000 M. ausgeworfen für Tagegelder und Reisekosten
der Kreismedizinalbeamten. Es wird dazu bemerkt, daß beab¬
sichtigt ist, entsprechend dem Vorgang bei anderen Beamten¬
klassen auch für die Dienstreisen dieser Beamten gemäß
Artikel IH des Gesetzes vom 21. Juni 1897 Pauschvergütungen
festzusetzen. Die Tagegelder und Reisekosten der Kreis¬
veterinärbeamten werden nach wie vor aus einem Fonds des
Finanzministeriums bestritten. Aber durch die für die Kreis¬
ärzte getroffene Regelung ist natürlich die Pauschalierung auch
für die Kreistierärzte näher gerückt. Falls sie sich verwirklichen
sollte, werden hoffentlich ausgleichende Verbesserungen erzielt
und wird namentlich der von Krüger vorgeschlagenen Modus
angenommen, die Tagegelder nicht in die Pauschalierung ein¬
zubegreifen.
Das Berliner Tageblatt.
Das Berliner Tageblatt hatte kürzlich unter der Spitzmarke
„Falsche Sparsamkeit“ die Nachricht gebracht, das preußische
Kultusministerium beabsichtige, aus Ersparnisrücksichten die
tierärztlichen und landwirtschaftlichen Hochschulen aufzuheben
bzw. mit den Universitäten zu vereinen.
Diese Nachricht ist so offenbar unrichtig, daß hier darüber
nichts weiter gesagt zu werden braucht. Sie beweist nur, daß
man sich allenthalben mit der Frage der künftigen Organisation
der „Fachhochschulen“ zu beschäftigen beginnt.*)
Daneben behauptete das Berliner Tageblatt aber, daß man
aus falscher Sparsamkeit die Berufung Durigs nach Berlin
habe scheitern lassen. Diese Behauptung muß zurückgewiesen
werden. Man war hier durchaus bereit, Herrn Durig recht
gute Zugeständnisse zu machen. Das österreichische Unterrichts¬
ministerium war aber entschlossen, Durig unbedingt in Wien
zu halten und jedes fremde Angebot zu tibertreffen. Der daraus
sich ergebende Wettstreit mußte natürlich an einer Grenze
angelangen.
Militaria.
Die Veröffentlichungen über verschiedene Punkte der künf¬
tigen Organisation und Uniformierung des Militärveterinärkorps,
welche Ausgang des Vorjahres in der B. T. W. erschienen sind,
haben noch eine weitere Reihe von Zuschriften zur Folge gehabt,
aus denen noch einiges nachtragsweise mitgeteilt werden soll.
Ebenso einmütig als nachdrücklich wird der Wunsch aus¬
gesprochen, daß die Reitfähigkeit der Veterinäre gesteigert
werde. Der hierzu in Nr. 4 d. J. veröffentlichte Artikel entspricht
der Ansicht vieler. Überhaupt sollte, so wird betont, der
Veterinär mehr Soldat sein. Der Aspirant sollte daher auch
nicht bloß ein halbes, sondern ein ganzes Jahr bei der Truppe
dienen und damit eine volle militärische Ausbildung erhalten.
Seine Einberufung zur Akademie sollte dann abhängig gemacht
werden von seiner Qualifikation zur militärischen Beförderung.
Um diesen größeren Zeitaufwand für die soldatische Schulung
auszugleichen (wenn dies erforderlich erscheint), wird eine
*) Ich habe meine Ansicht darüber ausführlicher in den „Hoch-
schulnachrichten“ ausgesprochen. Schmaltz.
76
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4.
Einschränkung des halbjährigen Kursus auf der Lehrschmiede
oder eine Zerlegung und Verlegung desselben in die Studien¬
zeit, etwa in das dritte und fünfte Semester, vorgeschlagen.
(Es ist doch zweifelhaft, ob hierzu die Zeit bleiben würde.)
Jedenfalls sollte der Lehrschmiedekursus möglichst im Winter
stattlinden, weil im Sommer die jungen Veterinäre nötiger ge¬
braucht werden. Die Ansprüche an die Felddienstfähigkeit
sollten allgemein gesteigert werden. Der Oberstabsveterinär
dürfte nicht den Dienst bei einer Eskadron versehen, könnte
dagegen speziell die Leitung des durchaus erforderlichen Pferde¬
lazaretts haben.
Daß der Wunsch allgemein ist, möglichst bald Klarheit
über die bevorstehende Bildung des Veterinäroffizierkorps zu
erhalten, versteht sich von selbst. Die Annahme hat wohl
etwas für sich, daß die zu erwartende Vorlage über die all¬
gemeine Aufbesserung des Diensteinkommens der Reichs¬
beamten auch die Militärveterinärreform herbeiführen oder doch
ihr Wesen erkennbar machen müsse, da man wissen will, daß
die derzeitigen Veterinärbeamten auf der Liste derjenigen Be¬
amten, deren Bezüge aufgebessert werden sollen, fehlen, was
doch nicht wohl der Fall sein könnte, wenn sie noch Beamte bleiben
sollen. Die Aussicht auf die große Reform hat natürlich
eine Folge, welche sich empfindlich bemerkbar zu machen be¬
ginnt, das ist die Stockung im Avancement, weil alle, die sich
etwa mit Abschiedsgedanken tragen, die Reorganisation erklär¬
licherweise abwarten wollen. In Bayern soll seit drei Jahren
kein Abgang zu verzeichnen gewesen sein, und die Ober¬
veterinäre haben zum Teil ein Alter von mehreren 40 Jahren
erreicht.
Auch zur Uniform sind noch einige Hinweise nachzntragen.
Zunächst bestreitet ein Oberstabsveterinär unter Hinweis auf
die Militärveterinärordnung die Richtigkeit der in Nr. 40, 1907,
der B. T. W. mitgeteilten Ansicht, daß zum Dienstanzug des
Veterinärs die lange Hose gehöre. Denn § 7 c. 10 Abs. 2 der
M. V. 0. besagt: „Betreffs der Trage weise der Bekleidungs- und
Ausrüstungsstücke findet die Bekleidungsvorschrift für Offiziere
sinngemäße Anwendung.“ Hieraus wird geschlossen, daß ‘bei
allen Gelegenheiten, wo die berittenen Offiziere hohe Stiefel
tragen, der Veterinär solche ebenfalls zu tragen hat. In dem
betreffenden Regiment ist seitdem auch dienstlich so verfahren
worden.
Auch wenn dies zntrifft, sollte aber der Anzug des Veterinärs
noch durch ein andres Abzeichen kavalleristischer gestaltet
werden, nämlich durch die Form des Helmes mit dem eckigen
Vorderschirm. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß diese
Helmform dem Veterinär mehr zukomme als dem Apotheker,
der sie trägt. Mit der Einführung der bayerischen Uniform, die
in Nr. 40 1907, der B. T. W. empfohlen wurde, würde ja übrigens
diesem Wunsche genügt werden. Ferner wird eine Abschaffung
des schwarzen Lederzeuges am Säbelkoppel und ein Ersatz, etwa
durch die für Infanterieoffiziere vorgeschriebenen Trageriemen
gewünscht. S.
Denkmal fiir den verstorbenen Professor Thomassen- Utrecht.
Die holländischen Kollegen beabsichtigen, dem jüngst ver¬
storbenen Professor an der tierärztlichen Hochschule in Utrecht
Thomassen an der Stätte seiner langjährigen Wirksamkeit als
Lehrer und Forscher ein würdiges Denkmal zu errichten. Es
ist der Wunsch des ausführenden Komitees, von diesem Vorhaben
auch den nicht holländischen Kollegen Kenntnis zu geben. Ich
tue dieses mit der Bitte, daß sich recht viele deutsche Kollegen
an der geplanten Ehrung für den namentlich durch seine aus¬
gezeichneten Tuberkulose-Arbeiten rühmlichst bekannten, viel
zu früh der Wissenschaft entrissenen Forscher beteiligen
mögen, Beiträge nimmt entgegen: Professor van Esveld,
Utrecht, Reichtierarzneischule.
A. Eber. M. Klimmer.
Büeheranzeigen und Kritiken.
Dr. Franz Stuhlmann, Geb.Regiertmgsrat, Beiträge zur Kenntnis
der Tsetsefliege (Glossina fusca und Gl. tachinoides). Mit
4 Tafeln und 28 Textabbildungen. (Sonderabdruck aus „Arbeiten
aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte“, Bd. XXVI, Heft 3.) Julius
Springer, Berlin 1907. Preis 10 M.
Professor Dr. Neufeld und Stabsarzt Dr. Haendel, Beitrag zur
Beurteilung der El Tor-Vibrionen. (Sonderabdruck aus
„Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte“, Bd. XXVI, Heft 3.)
Julius Springer, Berlin 1907.
Personalien.
Ordensverleihungen: Se. Majestät der König von Preußen hat
anläßlich des Ordensfestes verliehen: Den Roten Adlerorden
IV. Klasse dem Professor Regenbogen an der Tierärztlichen Hoch¬
schule in Berlin, dem Departementstierarzt, Veterinärrat Waßmann-
Liegnitz, den Kreistierärzten, Veterinärräten J/#fA<r*7/-Hirschberg
(Schles.) und Dr. ScAu/x-Nimptscb, dem Korpsstabsveterinär Koeivy
beim Generalkommando des I. Armeekorps und den Oberstabs¬
veterinären C'.ere im Hus.-Rgt. Nr. 14. Den König 1. Kronenorden
IV. Klasse dem Kreistierarzt J/c«^CÄ-Saargemünd, den Oberstabs¬
veterinären Hubrich beim Dragoner-Rgt. Nr. 22 und Rumn.el beim
Feldart.-Rgt. Nr. 51, den Stabsveterinären Dahlenburg beim Feldart.-
Rgt. Nr. 74, Erber beim Feldart.-Rgt. Nr. 57, HiscJ/er beim Drag.-
Rgt. Nr. 21, Letcin beim Drag.-Rgt. Nr. 13, Rottsckalk beim Feldart.-
Rgt. Nr. 33. — Dem Professor Dr. Rietet, Dirigent des Patho¬
logischen Instituts der Tierärztlichen Hochschule in Hannover ist
vom Großherzog von Oldenburg das Ritterkreuz 1. Klasse* des
Haus- und Verdienstordens des Herzogs Peter Friedrich Ludwig
verliehen worden.
Ernennungen: Die Tierärzte Linus Vogt , bisher Assistenztierarzt,
zum Schlachthofdirektor in Weißenfels, II. Tc$c//a«cr-Frankfnrt a. M.
zum Schlachthofverwalter in Bad Orb, Albert Auerbach aus (’ocli-
stedt zum Assistenztierarzt am Schlachthof in Weißenfels.
Niederlassungen: Die Tierärzte Eugen Moriix in Sulmierzyce
(Reg.-Boz. Posen), Dr. Hans Luchs , bisher Assistent an der Chirurg.
Klinik der Tierärztlichen Hochschule in Berlin, in Schudereiten bei
Schakubnen (Ostpr.), J. C. Schroeder in Hainzell, Kr. Fulda.
Approbiert: Die Herren Anton Oarrelts aus Völlen, Cornelius
Knoblauch aus Essen, Andreas Mächens aus Gr. Algermissen,
Johannes Rouold aus Sorsum in Hannover.
Vakanzen. (Vgi.Nr. 1.)
Schlaohthofstellen: Bremen: IV. Tierarzt zum 1. April. Geholt
2400 M. bis 3900 M. Bewerb, an den I. Tierarzt für den Schlaclit-
hof. - Görlitz: II. Tierarzt zum 1. April. Gehalt 2400-3800 M.
Bewerbungen bis 15. Februar an den Magistrat. — Kattowitz:
Schlachthofdirektor. Gehalt 3600 M. bis 4800 M., freie Dienst¬
wohnung usw. Privatpraxis ausgeschlossen. Bewerbungen bis
15. Februar an den Magistrat. — Königsberg i. Pr.: Zwei Tier¬
ärzte sofort. Gehalt 2800 M., nach Anstellung steigend bis 4400 M.
Bewerb, bis 1. Februar an die Direktion des städtischen Schlaeht-
und Viehhofes.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Innera««!nufilj: Prof. Dr. Schmält* ln l'.erlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz in Berlin. —
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
Die „Berliner Tlerftrxtllehe Wochenschrift" erscheint
wöchentlich lm Verlege Ton Rleherd Sehoeta la
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. Dareh jedes deatsehe
Postamt wird dieselbe lum Preise von M. 6,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 Pt für Bestellgeld)
frei ins Haas geliefert (österreichische Post-Zeitungs*
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Orlgfnalbeitrfge werden mit 10 Hu ( la Petitsau seN
ü Hk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
so senden an Prof. Dr. Schmaltr., Berlin, Tierirst-
liehe Hoobschnle, NW., Luisenstraße 66. Korrekturen,
Resensions-Kzemplare nnd Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Bedaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
m Verantwortlicher Redakteur.
Qlago Dr. Je6 Yeterinärrat Dr. Lothe« Prof. Dr. Peter Veterinärrat Petere Veterinärrat Preuße
Professor Kreist i«» rar* t Departementstierarst Kreistierarzt Departementstierant Departementstierarzt
Hamburg. Charlotteubnrg. Cöln, Angermünde. Bromberg. Dansig.
Dr. Richter
Med.-Rat Dr. Roeder
Dr. Schlegel
Dr. J. Schmidt
Reg.-Rat Dr. Vogel
ZOndel
ProfeMor
Professor
Professor
Professor
J«ande Stierarzt ▼. Bayern
Krelstierarmt
Dresden.
Dresden.
Freibarg i. Br.
Dresden.
München.
Mülhansen i. E,
Oe Braln
Professor
Utrecht.
Jahrgang 1908. JV°. 5 . Ausgegeben am 30. Januar.
I d h al t: Jaeger: Zur Kritik des Geschwulstproblems. (Schluß.) — Hoiterbach: Aus der Praxis. — Referate: Hutyra: Unter¬
suchungen über die Pathogenese der Kotzkrankheit. — Wyßmann: über Milzbrand beim Schwein. — Ostertag: Kommt
Rauschbrand beim Pferde vor? — Sticker: Die Ergebnisse der modernen Krebsforschung. — Gmeiner: Klinische Unter¬
suchungen über das Filmaron, als wirksamen Bestandteil der Wunnfarnwurzel. — Korreng: Giftigkeit des Lysols. —
Schimmel: Mitteilungen aus der chirurgischen Klinik der Reichstierarzneischule in Utrecht. — Tageageschlchte: Die erste
Lesung des Viehseuchengesetzes. — Bericht über die Sitzung der,„Tierärztlichen Gesellschaft zu Berlin“. — Protest! — Ver¬
schiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
(Aus dem Dr. Senckenbergsehen Pathologischen Institut zu
Frankfurt a. M. Direktor: Professor Dr. Eugen Al brecht.)
Zur Kritik des Geschwulstproblems.
Von Dr. Alfred Jaeger, Tierarzt, Frankfurt a. M.
(Schluß).
Auf der Basis der in diesen sechs Gruppen erörterten
Möglichkeiten haben wir uns die entwicklnngsmechanischen Vor¬
gänge bei der Schaffung einer Geschwulstanlage vorzustellen.
Wir wollen aber dabei nicht vergessen, daß für die Ge¬
staltung der embryonal angelegten Tumoren auch der
Zeitpunkt der Entwicklungsdetermination von ent¬
scheidender Tragweite ist. Ihre zelluläre, aber auch oftmals
ihre architektonische Beschaffenheit steht im Abhängigkeits-
Verhältnis von jenem Stadium der erfolgten embryonalen Zell¬
differenzierung, auf dem die die erste Anlage der Geschwulst¬
bildung auslösende Störung eingetreten ist. Anf frühen Stadien
der Entwicklung wird natürlich die Differenzierangsmöglichkeit
der Zellen viel mannigfaltiger sein, als wenn die isolierten
Elemente in ihrer Ansbildnng im Rahmen des definitiven
Elementarorgans mehr nnd mehr vorgeschritten sind. So z. B.
vermag der Darm der Seesternlarve, wenn er vor der Ent¬
wicklung der Coelomsäcke zerschnitten wird, diese zu re¬
generieren, nachher, nicht mehr. Demzufolge beobachten wir
auch die verschiedensten Reifegrade der für die Geschwulst
typischen Zellen.
Ein besonders instruktives Bild von der zeitlichen Bedeutung
der Entwicklangsstörnng bei den Furchnngs-, Keimblatt- bzw.
Organbildungsvorgängen für die Tumorformation geben uns die
TeratoYde. In den Fällen, wo die sogenannten Epidermoide nur
einfache Zellreihen aufweisen, muß die Ausschaltung ans dem
organischen Zusammenhang zu einer Zeit stattgefunden haben,
wo die Bildungsmöglichkeiten für Haare nsw. den Exodermzellen
bereits entschwunden war. Treffen wir in den Dermoiden Haare,
Talgdrüsen nsw., so müssen wir daraus folgern, daß die Ver¬
lagerung zu einer früheren Epoche vor sich ging: als die
Exodermzellen insgesamt die genannten Spezialbildungen noch
nicht differenziert hatten. Und kommen in der Embryonal¬
entwicklung ganz frühzeitige Zellabtrennungen zustande, so be¬
gegnen wir folgerichtig in den Dermatoidzysten Zähnen, Speichel-
drüsenformationen nsw. nnd schließlich den schon erwähnten
Embryomen, die aus allen drei Keimblättern zusammengesetzt
sind. Auch die Unterschiede in der Differenzierungsmöglichkeit
der einzelnen embryonalen Zelltypen zeigen ein mannigfaches
Bild in der Tumorenentwicklung: den Adenosarkomen der Niere,
die im wesentlichen eine endlose Repetition der Bautätigkeit
bestimmter embryonaler Stadien der Nierenbildung darstellen
(Trappe*), treten wie im Sarkom die einförmigen Produktionen
eines Keimblattes gegenüber.
Für die entwicklungsmechanische Auffassung der Tumoren
ist es dann weiter von großem Interesse, daß an den gleichen
Prädilektionsstellen embryonaler Komplikationen
neben Geschwülsten auch Defektbildungen zustande
kommen. So stellt der Teil des Ösophagus in der Höhe der
Bifurkation den frequentiertesten Ort für alle Tumoren dar, gut¬
artige wie bösartige. Zugleich bilden sich bedeutsamerweise
gerade an dieser Stelle auch Divertikel als Ausdruck von Mnskel-
wanddefekten, so daß Mißbildung nnd Tumorbildung in geneti¬
schem Zusammenhänge hier erscheinen. Gleiche Vorgänge zeigen
sich im Darm am Vaterschen Divertikel.
Nicht minder bedeutsam sind in dieser Richtung die Hin-
wefeei die uns bei der kritischen Betrachtung systematischer
Geschwulstentwicklung werden, also von multiplen Tumoren
im gleichen Organsystera. So beobachten wir oft neben Tumoren
in Dubdennm und Coecum — Kavernome in der Leber. Zu¬
nächst erscheint uns ein innerer Kausalzusammenhang zwischen
diesen ganz disparaten Bildungen nicht gegeben. Er wird uns
*) Zeitschrift für Pathologie, Bd, 1.
78
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
aber sofort verständlich, wenn wir daran denken, daß Duodenum
und Coecalgegend zur Zeit der Leberaussprossung örtlich fest¬
gelegt sind, und daß daher in diesen drei Gewebsverbänden bei
der Leberentwicklung besonders leicht embryonale Entwicklungs¬
störungen vor sich gehen können. Es sind Tumoren, die gemein¬
sam aus der ursprünglichen Darmanlage hervorgegangen sind.
*
Mit der Kenntnis der organoiden Struktureigentümlichkeil,
der Tumoren ist nun aber noch nichts über die besondere Art
ihrer Entstehungsursachen gesagt. Sehen wir vorerst von allen
sekundären Fragen ab, so erfordert das Bedürfnis nach Über¬
sicht eine Zweiteilung der Fragestellung. Es handelt
sich einmal um die Faktoren, welche zunächst den Geschwulst¬
keim, die Störungen in der embryonalen bzw. postembryonalen
Entwicklung (also auch Gruppe 4 uud 5) veranlassen. Die
andere Frage betrifft die Art der Kräfte, die in der Fähigkeit
der Tumorzellen, speziell in organartigem Bau bei ihrer Wuche¬
rung sich zusammen zu finden, zum Ausdruck kommt. Oben
hatte ich dargetan, daß diese organbildenden, hier abnorm
gestalteten Momente in ihrem Wesen in analoger Richtung
gedacht werden müssen, wie die wirksamen Faktoren der
Organogenese bei der Abtrennung und Weiterentwicklung or-
ganogener Bildungszellen des normalen Entwicklungsganges.
Wir werden daher mit Vorteil von den Vorstellungen Gebrauch
machen, die die Entwjcklungsmeclianik für die gleichlaufenden
Fragen der Organologie bereits geliefert hat.
Um die Deutlichkeit der Analyse des Problems zu erhöhen,
bediene ich mich der Ausdrucksweise der Entwicklungsmechanik.
In dieser spielt die Lehre von der prospektiven Potenz und
prospektiven Bedeutung eine sehr gewichtige Rolle. Ich
werde diese beiden Begriffe am besten präzisieren, wenn ich
ihre Differenz an der Hand zweier Beispiele darlege: Die
prospektive Bedeutung ist die Eigenschaft einer Zelle, einen
bestimmten, im voraus festgelegten Entwicklungsgang zu gehen.
Den Anlagen der bleibenden Zähne z. B. kommt die prospektive
Bedeutung, die Bestimmung zu, nach einer Reihe von Jahren
das Zahnfleisch zu durchbrechen und zu bleibenden Zähnen
heranzuwachsen. Für prospektive Potenz führe ich die Fähig¬
keit der ersten Halbblastomere des Froscheies an, unter ge¬
wissen Bedingungen eine Ganzbildung aus sich hervorgehen
zu lassen, während sie unter normalen Verhältnissen nur eine
Körperhälfte erzeugt.
Wenn wir unter Zugrundelegung dieser Begriffsbestimmungen
die sich hierbei für die Geschwulstgenese ergebenden Möglichkeiten
erwägen, so können wir uns einmal vorstellen, daß die den
Tumorkeim bildenden Zellen nicht nur die prospektive Potenz
der Tumorbildung besitzen, sondern auch über eine prospektive
Bedeutung verfügen. Mit anderen Worten: Die Beschaffenheit
der Tumoren wäre schon in den Zelleigenschaften der Geschwust-
anlage festgelegt, die Art des Wachstums also von vornherein in
dem Material bedingt. Es ist ersichtlich, daß wir mit dieser
Auffassung einer weiteren Nutzanwendung der Organologie für
die Fragestellung der Gesehwnlstlehre entraten müßten. Es
würde uns jedes Verständnis dafür fehlen, wie derartig prä¬
destinierte Zellen in ihrer Abstammung aus der normalen
Ontogenese hergeleitet werden könnten.
Eine andere Möglichkeit ist die, daß den Zellen des Ge¬
schwulstkeimes lediglich die Potenz der Tumorbildung zukommt,
die unter gewissen Umständen aktiviert wird.
Die Frage wird sich dann im Lichte der organoiden Auf¬
fassung der Tumoren so stellen: Welche sind die Ursachen, die
die allen Elementen des Organismus zukommenden normalen
Bildungspotenzen in abnorme Richtung leiten, und die dann,
eventuell erst nach langer Zeit, diese Aktivierung, den spezifisch
organbildenden Prozeß des Tumoren Wachstums auslösen? Auch
hier eröffnen uns die Erkenntnisse der Organologie neue Gesichts¬
punkte für die Genese der Tumoren.
Als logisches Postulat für die Vorgänge der normalen
Organogenese hat sich aus den verschiedensten Untersuchungen
die Existenz spezifischer organbildender Stoffe er¬
geben. So konnte Loeb*) in seinen Arbeiten über Heteromorphose
und künstliche Parthenogenese, Fischei**) inseinen Experimenten
über die Anordnung des Rippenmaterials bei den Ctenophoren,
Sach8***) für die Bildung der Organe bei Pflanzen diesen be¬
deutsamen Nachweis erbringen.
Als Substrat dieser organbildenden Kräfte können
wir uns ersichtlicherweise nur chemische Stoffe denken, und
dies um so mehr, als die Ergebnisse der angedeuteten Versuche
gleichfalls auf eine chemische Lösung des Problems hinausführen.
Ich wüßte wenigstens nicht, welcher anderen Vorstellung man
hier Raum geben könnte. Im übrigen können wir auch schon
in gewissen Kohlenwasserstoffen — Anilin, Paraffin — chemische
Körper, die einen direkten Wachstumsreiz auf Epithel und
Bindegewebe ausüben.
Wenn wir dieses Wirken organogener Stoffe in der
normalen Entwicklungsgeschichte auf die Geschwulstgenese über¬
tragen — und nur solche Betrachtungsweise kann dem organoiden
Wesen der Tumoren gerecht werden — so ergeben sich uns
direkte biologische Zusammenhänge beider Bildungs-
Vorgänge. Ich hatte oben dargelegt, wie die Geschwülste alle
in ihrer Anlage gerade zu den Zeiten normal ablaufender
Organentwicklung entstehen, embryonal wie postembryonal
(also auch Gruppe 4 und 5). Wir werden uns daher vorzu¬
stellen haben, daß in der durch die organogenen Stoffe bewirkten
Differenzierung der in der Bildung begriffenen Organverbände —
in gewissen Zellkomplexen Störungen unterlaufen, die zunächst
mal deren Isolierung veranlassen und so den Geschwulstkeim
schaffen. Diese organogenetischen Störungen können oft sehr
weitreichend sein und ganze Organsysteme treffen, nicht nur
einzelne Organe, wie die multiplen Geschwulstbildungen zeigen:
Multiple Neurofibrome, Exostosen usw.
Vorher hatten wir gesehen, daß wir diesen Keimzellen als
solchen eine prospektive Bedeutung der Tumorbildung nicht zu¬
sprechen können. Es müssen also äußere Einwirkungen
sein, die in weiterer Folge die Wachstumstätigkeit und die An¬
ordnung der Zellen, die ja nur eine prospektive Wachstums¬
potenz besitzen, dirigieren und so die Architektur der Tumoren
bestimmen, also Erscheinungen, die der normalen Organogenese
parallel laufen, nur daß sie hier in abnormer pathologischer
Richtung sich abspielen. Die organologische Betrachtung der
Tumoren zwingt uns daher, für die Onkologie atypische
organogene Stoffe in Anspruch zu nehmen, die als solche
auf Zellen, die dem Einfluß des physiologischen Chemismus der
Organbildung entzogen sind, nun ihrerseits organbildend wirken
und zum Tumor führen.
*) Archiv für Entwicklungsmechanik, Bd. 13.
**) Archiv für Entwicklungsmechanik, Bd. 15.
***) Flora, Jahrgang 1892, 1893.
30. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE' WOCHENSCHRIFT.
79
Aber vielleicht brauchen wir, meine ich, gar nicht einmal
so weit zu gehen, daß wir besondere, speziell tumorbildende
Stoffe annehmen. Es würde auch keinen Schwierigkeiten be¬
gegnen sich vorzustellen, daß in den immer doch „embryonalen“
Zellen des Geschwulstkeimes sich auf äußere Einflüsse hin wieder
normale organbildende Differenzierungskräfte geltend machen,
die sich nur nicht vollwertig durchsetzen können, sei es unter
dem Einfluß ihrer Auslösungsursache, sei es, daß die Tumor¬
zellen nicht mehr die volle Organbildungspotenz besitzen. Auf
diese Weise würden wir sofort einen näheren Einblick in die
Tatsache gewinnen, daß Leber-, Schilddrüsen-Adenome usw.
beinahe den ausgeprägten Typus ihres Ausgangsorgans von
neuem entwickeln. Und in Teratomen sehen wir überhaupt
organogenetische Kräfte platzgreifen. Aber wie dem auch sei:
Sicher ist, daß es der Produktion organogener stofflicher
Elemente bedarf, normaler bzw. atypischer, um den
organoiden Prozeß der Tumorbildung auszulösen.
Die Erfahrung zeigt, daß die in den ausgeschalteten Zellen
einmal inkorporierten Wachstumspotenzen zunächst latent bleiben,
um dann, eventuell erst nach vielen Jahren, durch das Auftreten i
der eben formulierten chemischen Kräfte im Sinne der Geschwulst¬
entwicklung realisiert zu werden. Es handelt sich also um ab¬
norme Auslösungen von bisher unverwertet gebliebenen Bildungs¬
fähigkeiten. Für erneutes Auftreten organogener Bildungsvor¬
gänge hat Ribbert experimentell einen bedeutsamen Beweis
erbracht. Er setzte die Haut des Kaninchenohrs wiederholten
intensiven Reizen aus und fand danach, daß das Epithel umfang¬
reiche Talgdrüsenentwicklung eingegangen war.
Diese chemischen Relationen werden uns um so verständ¬
licher, als gerade zu Epochen, wo gewisse Organe einen
besonderen Chemismus eingehen, auch eine Wechsel¬
wirkung auf die Biologie von Tumoren stattfindet. So
sehen wir zur Zeit des Klimakteriums in Myomen eine partielle
regressive Metamorphose eintreten, umgekehrt wachsen Myome
zur Zeit der Gravidität. Und dann wollen wir berücksichtigen,
daß die Mehrzahl der Geschwülste wie die Organe ein recht
begrenztes Wachstum haben. Daraus ersehen wir, daß auch
die tumorbildenden Substanzen einer zeitlichen Limitierung
unterliegen, gleichwie die organogenen Stoffe.
Bedingung für solche Vorstellung ist natürlich eine Vielheit
der typischen bzw. atypischen organogenen Substanzen. Aber
hieraus können uns keine Schwierigkeiten erwachsen, da die
oben angeführten Experimente in der normalen Entwicklungs¬
physiologie gleichfalls zur Annahme solcher für die einzelnen
Organe bzw. Organsysteme spezifisch differenzierten Stoffe
zwingen. Wir können uns um so freier in diesem Gedankengang
bewegen, als die Serumforschung gezeigt hat, daß die Zahl
spezifischer Substanzen unendlich groß ist. Obendrein ist es
Ehrlich gelungen, gegen bestimmte Geschwulstzellen zu
immunisieren.
Unter der Wirkung dieser spezifischen geschwulstbildenden
Stoffe können selbstverständlich immer nur die für den Tumor
typischen Zellen, die führende Zellart, stehen. Damit ergibt
sich die weitere Frage, welche morphogenetische Beziehungen
in den fibroepithelialen Geschwülsten das Stützgewebe zu
den wuchernden EpithelBträngen hält, wie weit das Binde¬
gewebe in das Wesen solcher Tumoren einzureihen
ist. Fibroepitheliale Tumoren mit exquisit bindegewebigem
Charakter, wie Papillome, scheiden bei dieser Betrachtung aus,
da in ihnen das Epithelwachstum gegenüber den wuchernden
Bindegewebselementen zurücktritt.
Für unsere Frage sind Driesch’s*) klassische Versuche
überaus bedeutungsvoll. Er schüttelte die Mesenchymzellen der
Seeigelblastula durcheinander und konnte später konstatieren,
daß sie sich wieder in normaler Anordnung zum Urdarm ein¬
gefunden hatten und die Skelettbildungen in gewöhnlicher Weise
aus sich hervorgehen ließen. Wir sehen hier also eine aus¬
gesprochene Fähigkeit des Epithels, Bindegewebe zu geordneten
Entwicklungen anzuregen.
Die gleichen Vorgänge spielen sich offenbar bei der Pro¬
liferation des Bindegewebes in den fibroepithelialen Tumoren ab.
Dieselbe wurde bisher als eine durch die Epithelvermehrung
bedingte reaktive Reiz Wucherung aufgefaßt. Dieser Vorstellung
müssen wir uns nach dem von Driesch geführten Nachweis be¬
geben. Die Bindegewebswucherung befindet sich auch bei
den genannten Tumoren im vollen Abhängigkeitsverhältnis
von den Forderungen des Epithels, indem es von ihm
seine Formation erhält. Die kleinzellige Infiltration des
Bindegewebes kann also nicht als entzündliche Reaktion
desselben in gewöhnlichem Sinne aufgefaßt werden, sondern sie
stellt den Ausdruck des von dem proliferierenden Epithel aus¬
geübten Wachstumsreizes dar. Demnach sind Epithelwucherung
und Bindegewebsproliferation in den fibroepithelialen Geschwülsten
keine koordinierten Vorgänge, nicht abhängig von derselben Ur¬
sache. Vielmehr gestalten sich die Vorgänge analog den bei
allen Drüsenbildungen in Schleimhäuten in so ausgiebigem Maße
embryonal stattfindenden Einwirkungen des Epithels auf die
Formation des mesenchymatischen Keimgewebes.
Ein besonders instruktives Bild davon, wie die Anregung
des Bindegewebes zur Wucherung ebenso wie die Be¬
stimmung seiner Anordnung von den Epithelien aus¬
geht, zeigen die Carcinommetastasen. Wir begegnen hierbei
ausnahmslos der Erscheinung, daß die Tumoren immer wieder
ihren spezifischen Bau repetieren. Dünndarmcarcinome von
scirrhösem Bau z. B. reproduzieren auch in den Lebermetastasen
getreu den Scirrhus. Generell können wir nur annehmen, daß
bei der Vermehrung der verschleppten Carcinomepithelien das
Bindegewebe des sekundär befallenen Organs zur Ergänzung des
Tumorauf baues heran gezogen wird, nicht etwa mit den epithelialen
Elementen verschleppte Fibroblasten das Bindegewebsgeriist des
Ausgangstumors wiederholen. Es müssen also auch hier spezifische
Wachstumsreize und ein richtender Einfluß von den Carcinom-
zellen auf das Bindegewebe des sekundären Ansiedlungsortes
ausgeübt werden, von deren Intensität die Differenzen in der
Mächtigkeit der Stromabildung bei den einzelnen Krebsarten
abhängen werden.
Wenn wir nun unseren ätiologischen Verpflichtungen gegen¬
über den bösartigen Tumoren nachkommen, so werden wir
uns zunächst darüber klar werden müssen, was die Auffassung
der Gesamtheit der Tumoren als Organoide für das Verständnis
der Malignität einzelner Gruppen unter ihnen leistet. Die
Kenntnis von der Entstehung eines Tumorkeimes, von den Ur¬
sachen des weiteren organartigen Wachstums einer Geschwulst,
bietet uns ja noch keine Aussage über die Ursachen des
schrankenlosen Wachstums.
*) Archiv für Entwieklungsinechanik, Band 9.
80
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. o
Damit haben wir schon vorausgesetzt, und nach den ge¬
wonnenen Kenntnissen dürfen wir keine Zweifel daran hegen,
daß das krebsartige Wachstum von vornherein von
atypischen Epithelien, von embryonalen Keimen (dazu ge¬
hört auch natürlich Gruppe 4 und 5) aus geht. Allerdings be¬
stehen bisweilen zwischen den Krebszellen und den noch ge¬
sunden Epithelien so innige nachbarliche Beziehungen, daß es
scheint, als wenn die Krebsentstehung aus vorher völlig normalen
Epithelverbänden heraus, also im Sinne einer krebsigen Um¬
wandlung der einzelnen Epithelien, erfolge. Dies ist besonders
der Fall, wenn das Carcinomwachstum, wie häufig in Epidermis-
oder Schleimhautkrebsen, eine fiächenhafte, diffuse Verbreitung
längs des Deckepithels nimmt. Bei näherer Prüfung zeigt sich
aber, daß die Veränderungen in den Epithelverbänden in Form
eines interepithelialen Carcinom wachst ums und nicht einer
primären carcinomatösen Metamorphose ablaufen. Derartige
Bilder der Carcinomausbreitung sind also als Wachstums¬
erscheinung, nicht als Entwicklungsvorgänge zu deuten. Eben
so wenig kommen den so häufigen heterotopen Epithel¬
wucherungen bei entzündlichen Vorgängen im Genitalapparat
genetische Beziehungen zum Carcinom zu. Beide Prozesse
finden sich bisweilen nebeneinander in chronisch-entzündlichen
veränderten Organen ohne jeden nachweisbaren Zusammenhang.
Wir hatten vorher als Substrat der das Tumorwachstum
generell bewirkenden Kräfte spezifische chemische Stoffe kennen
gelernt. Da die organoide Natur des Geschwulstbaues bei gut¬
artigen wie bösartigen Tumoren ausgeprägt ist, was sogar so
weit geht, daß Übergänge in der Struktur beider Bildungen
auftreten und ein genetischer Zusammenhang zwischen ihnen oft
nachzuweisen ist, so sind wir zunächst berechtigt, diese ge¬
schwulstbildenden Faktoren auch speziell für die Entwicklung
der malignen Tumoren in Anspruch zu nehmen. Gewöhnlich
offenbaren aber bösartige Geschwülste im Bilde schon von An¬
fang an die Eigenschaften der Malignität. Wir werden uns
daher vorzustellen haben, daß besondere chemische Stoffe
von malignem Charakter ihre Wirksamkeit als auslösendes
Moment ausüben, die sowohl organoide Wuchsstoffe an
sich sind, als auch zugleich schrankenloses Wachstum
auslösen. Daß dieser stoffliche Reiz als äußerer Einfluß
auf das Zellleben einwirkt, nicht etwa den Tumorzellen zu
eigen ist als Ausdruck einer primären Anlage, müssen wir
daraus folgern, daß auch benigne Tumoren plötzlich eine
ausgesprochene Malignität annehmen. Die Fälle sind
gar nicht so selten, wo ein kaum wachsendes Adenom eine
völlige Entgleisung seines Wachstums zeigt und zum destruieren-
den Krebs wird oder ein Fibrom sarkomatöse Eigenschaften
entwickelt. Und wir finden fast bei allen Tumoren solche
gleitende Übergänge. Hier ist es ausgeschlossen, für die
Tumorzellen eine prospektive Bedeutung malignen Wachstums,
also innere Ursachen, in Anspruch zu nehmen. Hier kann die
Auslösung der Malignität nur auf äußere chemische
Reize zurückgeführt werden.
Einer besonderen Erörterung bedarf noch die Frage nach
dem Wesen der Malignität. Es ist ersichtlich, daß für die
excessive Proliferationsfähigkeit, die in dem Eindringen in
normales Gewebe und in der Metastasenbildung ihren Ausdruck
findet, Bedingung — ein gesteigertes Assimilationsvermögen der
Zellen für gewisse Stoffe des umgebenden Nährmediums sein
muß. Sie müssen «speziell, um dies den malignen Tumor¬
zellen eigenartig Gemeinsame ätiologisch auszudrücken, eine
unbegrenzte Avidität für Substanzen besitzen, die für
ihre formativen Bestrebungen verwertbar sind. Denn
dadurch ist die gesteigerte Assimilation scharf charakterisiert,
daß sie lediglich der Zellvermehrung dient, während sie unter
physiologischen Verhältnissen, z. B. im hypertrophierenden
Muskel, den Anforderungen der zugleich gesteigerten Organ¬
funktion Genüge leistet.
Das Wesen der Malignität ist daher in dem Sinne zu
definieren, daß die Zellen der bösartigen Tumoren Bau und
Nährmaterial in unbegrenztem Umfange aus der Säftezirkulation
des Organismus an sich reizen, um es nach ihrer Assimilation
morphologisch festzulegen. Wir wollen uns dabei vergegen¬
wärtigen, daß solch’ exquisit chemischer Prozeß, wie ihn die
erörterte Avidität darstellt, selbstverständlich zu seiner Aus¬
lösung einer anderen chemischen Komponente bedarf. Es
müssen hierzu ganz spezielle Körper in den Chemismus der
Zelle eintreten, die wir in den schon oben für die bösartigen
Geschwülste formulierten stofflichen Reizen zu suchen hätten.
Wir kommen also auch in diesem Gedankengang wieder
auf eine chemische Lösung des zellulären Geschwulst¬
problems.
Es scheint, daß der Organismus für die Bildung dieser
malignen stofflichen Substanzen unter gewissen Verhält¬
nissen eine ausgesprochene Disposition zeigt, und zwar
dann, wenn seine Elemente, bzw. Teile von ihnen auf abnorme
Stoffwechselvorgänge gestellt sind. So sehen wir, daß
gelegentlich von alten Geschwüren aus, bei Entzündung z. B.
infolge eines Traumas, bösartige Geschwulstformationen (Sarkome
oder Carcinome) entstehen. Ebenso hat die Erfahrung gelehrt,
daß sehr häufig mit Darmkrebs behaftete Individuen vor ihrer
Erkrankung an chronischen Verdauungsstörungen im Darm gelitten
hatten. Und schließlich begegnen wir einer ähnlichen Erscheinung
bei der ausgesprochenen Krebsdisposition des vorgerückten Alters,
wo die seneszenten Zellen gleichfalls einem geänderten Chemismus
unterliegen, indem sie ihre Ansprüche an die zirkulierenden
Nährstoffe mehr und mehr herabsetzen. Jedenfalls können alle
diese Wandlungen des Stoffwechsels nur als begünsti¬
gende Faktoren für die Entstehung bösartiger Ge¬
schwülste in Betracht kommen, nicht als direkte Auslösungs¬
ursache. In ihrer Bewertung können wir nur so weit gehen,
daß sie lediglich, wenn sie liegengebliebene Zellen einer
embryonalen oder späteren Organbildungsperiode (im Sinne von
Gruppe 4 und 5) — denn auch bei Geschwüren, Entzündungen
haben wir es mit sich regenerierenden Zellen zu tun — treffen,
deren Reaktionsvermögen auf maligne organoide Bildungsstoffe
fördern.
Einer gewissen und zwar individuellen Disposition
begegnen wir auch bei der Frage der Carcinomheredität. Es
sind nicht allzu seltene Beispiele, wo in Familien sich gehäuftes
Vorkommen von Krebserkrankung geltend macht. Wir müssen
hier mit einer stofflich festgelegten Disposition, mit einem ver¬
erbten abnormen Reaktionsmodus des Organismus rechnen, aus
zellulär geformten Keimanlagen maligne Tumoren im Sinne der
oben erörterten Genese hervorgehen zu lassen.
Ich glaube gezeigt zu haben, welch verhältnismäßig einfache
Vorstellungen für ein restloses Verstehen der Tumorbildung
ausreichen, wenn wir uns auf den Boden der von Albrecht
30. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
81
gegebenen ätiologischen Gruppierung der Geschwülste
stellen. Wir sahen dort, daß das Problem der Tumorgenese
nicht mehr auf ein einzelnes Prinzip gebracht werden darf,
eben das einer einfachen Ausschaltung, sondern wir lernten
eine ganze Reihe von Entwicklungsfehlern als Ausgangspunkte
einer weiteren Geschwulstbildung kennen. Von der Erkenntnis
der organoiden Auffassung der Tumoren aus leuchtet
die Analogie in den Grundfragen der Onkologie und
Organologie ohne weiteres ein, und es wurden uns so
leitende Gesichtspunkte für die letzten Ursachen der Ent¬
stehung und des Wachstums von Geschwülsten. Es ergab sich
als einfacher Analogieschluß, daß wir der Betrachtung der
Tnmorgenese unsere Vorstellungen von dem Werdegang der
normalen Organe zugrunde legten. Die letzte Frage in der
Geschwulstlehre war nicht eine Frage nach der Zellwucherung,
sondern nach den Abnormitäten der Organbildung, sowohl der
embryonalen wie postembryonalen Entwicklung. Wie die im
Lanfe der normalen Ontogenese vorgesehenen Bildungsfaktoren
dem Chemismus des Körpers angehören, so erkannten wir auch
das zelluläre Problem der Onkologie als ein rein chemisches.
Um es kurz zu rekapitulieren: Infolge von Störungen in
der Wirkung physiologischer organogener Stoffe
kommt es zunächst zur Bildung des Geschwulstkeimes.
Es müssen sich dann, früher oder später, atypische,
also pathologische, organogene chemische Substanzen
entwickeln, die in den Zellen der Tumoranlage eine
Organbildungstätigkeit in atypischer Form auslösen,
und die bedeutsamerweise bei einem Teil der Tumoren
nachweislich mit physiologischen Änderungen im Che¬
mismus des befallenen Organs bzw. des ganzen Orga¬
nismus im Kausalzusammenhang stehen. Bei den bös¬
artigen Tumoren müssen die stofflichen, organartiges
Wachstum auslösenden Elemente, die prinzipiell
gleichartig gedacht werden müssen wie bei den
benignen Geschwülsten, in besonderer Intensität pro¬
duziert werden, sei es nun der Menge oder der Wir¬
kungskraft nach. Nur so lassen sich die bei der Erforschung
der Tumoren als Organoide gewonnenen Kenntnisse einem lücken¬
losen Gedankengange einfügen.
Ich brauche nicht besonders zu betonen, daß mit der Auf-
fassung aller Tumoren als Organoide und mit den hieraus
für ihre Entstehung zu ziehenden Konsequenzen eine para¬
sitäre Geschwulsttheorie unvereinbar ist.*) Ganz ab¬
gesehen davon, daß sie für die benignen Tumoren nichts leisten
— und an deren gleichen Wesenseigenart mit den bösartigen
Blastomen wird wohl niemand mehr zweifeln —, wäre bei der
Annahme eines Parasiten niemals das organoide Wachstum ’der
Geschwülste zu erklären. Es erübrigt sich jede Erörterung
über ein parasitäres Agens der Tumorgenese, speziell der
Krebsbildung.
*) Die von Sticker neuerdings (diese Zeitschrift, 1907, Nr. 51)
veröffentlichte erfolgreiche Übertragung eines Spindelzellensarkoms
bei Hunden befindet sich keineswegs im Gegensatz zu diesen Aus¬
führungen. Sie erfährt sehr wohl eine Erklärung im Rahmen der
chemischen Entwicklungtheorie der Geschwülste, worauf ich in
einer weiteren Arbeit Gelegenheit haben werde, des Näheren ein¬
zugehen.
Aus der Praxis.
Von Heinrich Holterbach-Offenburg i. B.
1. Proctitis haemorrhagica bei Jungrindern.
Seit drei Monaten kamen mir 21 Fälle von hämorrhagischer
Proctitis zur Behandlung. Das Vorkommnis ist auffallend. Denn
a) das Leiden befiel nur Jungrinder im Alter von vier
Monaten bis zu einem Jahr;
b) eine Ursache konnte nicht ermittelt werden;
c) die Heilung erfolgte trotz bedrohlichen und beängstigenden
Symptomen auf eine ganz einfache Medikation in ganz kurzer
Zeit, und war vollständig und anhaltend;
d) es kam in der Ebene und im Gebirg, in armen Stallungen
mit dürftiger Fütterung und schlechter Pflege ebenso vor, wie
in reichen Stallungen mit geordneter Wartung und vorzüglicher
Fütterung.
In fast allen Fällen (18) fand ich bei meiner ersten Unter¬
suchung einen Patienten, der den Eindruck eines schwer kranken
Tieres machte, und die Anamnese lautete durchweg, das Rind
sei plötzlich erkrankt und man habe sofort reichlichen Abgang
blutigen Kotes bemerkt. Diese Anamnese stimmt nun, wie häufig,
nicht; denn ich konnte in allen Fällen durch genaues Befragen
feststellen, daß die Tiere einen oder höchstens zwei Tage zuvor
schon „getrauert“ hatten, d. h. weniger Appetit zeigten und
unregelmäßig wiederkauten; auch eine gewisse Mattigkeit fehlte
nie. Der Abgang von Blut jedoch scheint in der Tat
plötzlich und sofort in auffallender Menge erfolgt
zu sein.
Das erste Untersuchungsergebnis lieferte in allen Fällen
folgenden schematischen Befund:
Leichtes Fieber bis zu 40,2; Herztätigkeit normal, des¬
gleichen die Atmung. Blasse Schleimhäute. Ganz oder teil¬
weise aufgehobener Appetit; vielfach vermehrter Durst. Wieder¬
kauen sistiert. Darmbewegungen entweder träg oder auch
kollernd. Umgebung des Afters und Schweif stark mit Blut
besudelt. Die Tiere liegen viel; werden sie aufgetrieben, dann
stellt sich bald unter heftigem Drängen Kotabsatz ein. Dieser
besteht entweder aus fladigen, stark mit Blut gemischten Massen
oder (in sechs Fällen) aus reinem Blut. Die Farbe des Blutes
ist hellrot; es ist nicht schaumig und gerinnt, wenn es auf-
gefangen wird, noch in zwei Stunden nicht. Geruch ist nicht
faulig, eher süßlich. Der Kotabsatz verursacht den Patienten
sichtlich Schmerz, und sie stehen noch lange mit gekrümmtem
Rücken, gestrecktem Schweif, gestrecktem Hals und glotzendem
ängstlichen Blick da. Die mikroskopische Untersuchung der
Fäzes auf Parasiten verlief negativ.
Der Urin wird in normaler Weise abgesetzt. Die Be¬
wegung ist matt, vielfach vorsichtig, als ob sie schmerzhaft sei.
Der Hinterleib ist in neun Fällen von normalem Umfang
und normaler Spannung; die Perkussion der Hängergrnbe ergibt
einen vollen Schall in allen Fällen; bei 12 Rindern besteht
leichte bis hochgradige (2) Tympanitis; bei den letzteren ist
der ganze Bauchumfang, auch rechterseits vermehrt und die
Spannung der Bauchdecken stark.
Die Fütterung konnte in keinem Falle mit Sicherheit für
die Entstehung verantwortlich gemacht werden. 14 Rinder
wurden mit Malz gefüttert; es war nicht einwandfrei, da es
säuerlich roch; allein andere Jungtiere im gleichen Alter
blieben bei der gleichen Fütterung verschont. Das gleiche gilt
von der Fütterung mit jungem Heu.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. r>.
Der schlimmste Fall wurde beiSofrinKugler im Dorf
Bühl bei Offenburg beobachtet: Am 29. Juni erkrankte sein
sieben Monate altes Jungrind „plötzlich“. Ich fand am
gleichen Tag in der Frühe das Tier in einem solchen Zustand,
daß ich den Kasus für hoffoungslos hielt und nur den Bitten
des Besitzers nachgab, als ich die Kur einleitete. Schon in der
Nacht hatte das am Abend nach Futteraufnahme und Munterkeit
ganz gesund erscheinende Kalb flüssiges Blut verloren; und
am Morgen wiederholte sich zum Entsetzen des Besitzers der
gleiche Vorgang. Als ich um 8 Uhr bei ihm eintraf, lag das
Kalb somnolent auf der Seite. Mühsam in die Höhe gebracht,
war es so unsicher in seinem gespreizten, tappenden Gang und
in seiner Tympanitis so auffallend, daß ich kaum wagte, es aus
dem Stall führen zu lassen. Vor der Stalltüre stellte sich bei
ihm ein heftiges Drängen ein, auf welches hin etwa zwei
Liter hellroten Blutes wie auf einen Druck entleert
wurden.
Die Therapie bestand in allen Fällen aus:
Ferr. sulferir. sicc. pulverat 150,0
Sal. Carol. factic pulv. 300,0
Pepsin Witte germanic 30,0
M. f. pulv.
D. S. Alle zwei Stunden ein Eßlöffel voll in einer Flasche
dicken Leinsamenschleims zu geben.
Das oben erwähnte, schwer kranke Kalb stand schon am
30. Juni morgens munter und anscheinend gesund im Stalle.
Die Blutung hatte ganz aufgehört. Der abgesetzte Kot war
dickfladig, dunkel (Eisen wifkung!), frei von Schleim und Blut.
(Am Abend war die letzte Blutung in Form geronnenen Blutes
bemerkt worden.) Appetit gut, Bewegung frei, Tympanitis ver¬
schwunden.
Bei den anderen Patienten verlief die Heilung ebenfalls
rasch, in längstens fünf Tagen war der Restitutio ad integrum
erzielt.
Eigentümlich ist noch bei dieser Anhäufung der Fälle von
Proctitis bei Jungrindern die Tatsache, daß hier seit zirka
sechs Monaten auch bei Hunden zahlreiche Fälle von
Darmblutungen Vorkommen, die den Eigentümer durch Ab¬
gang von Blut und blutigem Kot ängstigten. Inwiefern zwischen
den beiden Erscheinungen ein Zusammenhang besteht, das ist
zurzeit noch Gegenstand der Beobachtung.
2. Vergiftung durch verschimmeltes Brot.
Den nachstehenden Fall zitiere ich als Beweis dafür, daß
eine einmalige Verfütterung einer verhältnismäßig
geringen Menge verschimmelten Brotes schon zu einer
heftigen Vergiftung führen kann; man nimmt im all¬
gemeinen an, daß beunruhigende Erscheinungen erst nach
längerer Verfütterung oder nach Verabreichung einer größeren
Menge des pilzbefallenen Brotes eintreten könne.
Der Landwirt P. J. von Hofweier hatte am 29. Juli,
nachmittags, seinem Pferd, einem vier Jahre alten, schwer
arbeitenden Schimmel, den vierten Teil eines Laibes Brot
gegeben, das etwa 14 Tage alt und stark verschimmelt
war. Er hatte wohl anfänglich Bedenken, dieses Futter zu
verabreichen, beschwichtigte sie aber mit der philosophischen
Erwägung, daß ein Pferd ja alles vertragen könne, und machte
am Nachmittage noch einige Fahrten. Abends fraß das Pferd
fast gar nichts, was auf die drückende Hitze und die Ermüdung
zurückgeführt wurde. In der Nacht begann aber das schimmelige
Brot zu wirken. Unter heftigen, abundanten Schweißausbrüchen
und mäßiger Unruhe begann das Tier zu Btöhnen. Die üblichen
Volksmittel, Pfeffermünz, Wein, schwarzer Kaffee brachten
keine Linderung. Der Kopf „schwoll an“, d. h. die Lippen
wurden durch eine ödematöse Schwellung verunstaltet;
es trat dann eine profuse Diarrhöe ein, die schließlich zu
wässerigen, stinkenden Entleerungen führte; der Patient wurde
matt und hinfällig, so daß man ihn verloren gab und nun —
schleunigst zum Tierarzt schickte. Was man jedoch bald
wieder bereute! Denn da ich wegen anderweitiger Inan¬
spruchnahme nicht sofort, wie gewünscht, eintreffen konnte,
begannen die gefährlichsten Symptome, Schweißausbrüche und
Sopor, zu schwinden. Und das ist genug für einen echten
Homo rasticus, um den Tierarzt entbehren zu können. Ich
fand den Patienten noch sehr matt, zählte 80 Pulse von kleiner,
sehr ungleichmäßiger Beschaffenheit und 30 Atemzüge; Fieber
war nicht vorhanden (39,3 0 C). Die Peristaltik ist beiderseits
kollernd hörbar. Entleerungen zwar geballt, aber sofort zer¬
fallend und schleimüberzogen, Geruch säuerlich. Durst vermehrt.
Schwellung der Lippen besteht nur in geringem Grade; die
! Conjunctivae sind aber durch pralle Füllung der Blutgefäße rot,
die Nasen- und Maulschleimhaut höher gerötet. Appetit zu
meiner Überraschung sehr gut. Ich verordnete Ruhe, schleimige
Eingüsse und knappe Rationen. Am nächsten Tage arbeitete
das Pferd im schweren Zuge wie gewöhnlich, und der Besitzer
ist überzeugt, daß — das verschimmelte Brot nicht als Ursache
der Symptome in Betracht kommen kann, welche ihm eine so
unruhige Nacht bereitet hatten.
Referate.
Untersnehuugen Aber die Pathogenese der
Rotzkrankheit.
Von Prof. Dr. F. Hutyra-Budapest
(Zeitschrift f. Tiermedizin XI. Bd., 1. Heft.)
Auf Grund von eingehend beschriebenen Inhalations- und
Fütterungsversuchen, die mit Rotzvirus an Pferden und Eseln
vorgenommen wurden, sowie auf Grund der im Anschluß daran
vorgenommenen pathologisch - histologischen Untersuchungen
kommt Prof. Hutyra zu folgenden Schlußfolgerungen:
Die Rotzkrankheit läßt sich durch Verfütterung von Rotz¬
virus leicht erzeugen. Die intestinale Infektion mit geringen
Virusmengen hat unmittelbar eine allgemeine Blutinfektion und
im Anschluß an dieselbe eine Lokalisation des Prozesses auf die
Lunge, als das hierzu besonders disponierte Organ, bzw. primären
Lungenrotz zur Folge. Das mit dem Lymphstrom in den Blut¬
kreislauf der Lungen gelangte Virus regt hier zunächst eine
kleinzellige Infiltration der Gefäßwände und des perivaskulären
Bindegewebes an, als deren Folge im peribronchialen Binde¬
gewebe tuberkelähnliche grau durchscheinende Granulations¬
knötchen, im alveolaren Lungengewebe aber Hepatisations¬
knötchen entstehen. Im späteren Verlauf tritt der katarrhalisch¬
pneumonische Charakter des Prozesses immer mehr in den
Vordergrund, während in den Blutgefäßen mit gallig infiltrierten
Wandungen gleichzeitig Thrombenbildung stattfindet.
Inhalation von mit Rotzbazillen geschwängerter Luft hat
für gewöhnlich zunächst nur eine akute Erkrankung'der untersten
Teile der Nasenhöhlen zur Folge, wozu sich später im meta-
statischen Wege eine Erkrankung der Lungen hinzngesellen
kann. Infektion von der Trachea aus erzeugt in den Lungen
30. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
83
disseminierte Rotzherde von katarrhalisch-pneumonischem Cha¬
rakter.
Die natürliche Infektion erfolgt für gewöhnlich von den
Verdauungswegen aus, während der Ansteckung von den Luft¬
wegen aus, mittelst Inhalation des Virus unter natürlichen Ver¬
hältnissen kaum eine nennenswerte Rolle zukommt.
Der Nasenrotz pflegt sich, ebenso wie der Hautrotz, als
sekundärer Prozeß der primären Erkrankung innerer Organe
und insbesondere der Lungen anzuschließen.
Allgemeine akute Erkrankung mit remittierendem bzw. inter¬
mittierendem Fieber erregt unter Umständen, wo die Möglichkeit
einer Rotzinfektion besteht, begründeten Verdacht auf eine statt¬
gefundene Ansteckung, insbesondere wenn inzwischen auch
temporärer seröser Nasenausflnß mit leichter Schwellung der
Kehlgangslymphdrüsen beobachtet wird. Rdr.
Über Milzbrand beim Schwein.
Von Dr. E. Wyßmann - Neuenegg (Bern).
(Schweizer Archiv für Tierheilkunde, 49. Bd., 5. Heft.)
Unter genauer Beachtung der bisherigen Literatur beschreibt
Wyßmann ausführlich zwei Fälle von Milzbrand beim Schwein,
die sich in einem Gehöft im Anschluß an eine unter den Kühen
und Pferden desselbigen Besitzers herrschende Milzbrandenzootie
ereignet hatten.
Fall I.: Erscheinungen im Leben: Inappetenz, Verstopfung,
vieles Liegen, Atembeschwerde, geringe Halsschwellung, Rektal¬
temperatur 39,5, blaurote Verfärbung an den Ohren, Nase, Bauch,
Rücken und Hinterschenkel, Konjuntivitis, Rüsselscheibe trocken
und kalt, schaumig-eitriger Nasenausfluß, starkes Speicheln.
Sektionserscheinungen nach der Notschlachtung: Glottisödem, an
beiden Zungenseitenflächen vereinzelte, submuköse, kleine hämor¬
rhagische Herde, Kehlgangslymphdrüsen und Umgebung sulzig-
blutig infiltriert, Lungenödem, subendokardiale Blutungen, Leber
blauviolett und sehr blutreich, Milz ein wenig vergrößert mit
schwach runzlicher Kapsel und braunroter Pulpa, Magendarm-
lymphdrüsen hämorrhagisch infiltriert, Serosa des Dünndarmes
diffus und teilweise ramiform gerötet. Im Blute und in der
Milz können Milzbrandbazillen nicht nachgewiesen
werden, wohl aber in geringer Anzahl in den Kehl¬
gangslymphdrüsen. Tierimpfversuch positiv.
Fall II.: Klinische Erscheinungen: Inappetenz, Verstopfung,
Liegen, Husten, hohes Fieber, große Apathie, linsen- bis erbsen¬
große, blaurote, rundliche Flecken in der Haut des Rückens
und des Bauches, späterhin diffuse heiße Halsschwellung, Blau¬
färbung der Haut an Nase, Ohren und Hals, Tod nach ca.
sieben Tagen trotz dreimaliger Einverleibung von Milzbrand¬
serum. Der Sektionsbefund ergab außer den Erscheinungen
der Septikämie akute Herzbeutelentzündung, hämorrhagisch-
nekrotisierende Pneumonie, sero-fibrinöse Pleuritis, Lebertumor,
Milz ein wenig vergrößert, Nieren blaß und mit zahlreichen
kleinen Infarkten versehen. Bakteriologische Blut- und Milz-
nntersuchung negativ, Niereninfarkte und Lunge, sowie Bronchial¬
drüsen enthalten Milzbrandbazillen in mäßiger Anzahl. Tier¬
impfversuche fielen negativ aus.
In den beiden beschriebenen Fällen handelte es sich um
Entstehung des Milzbrandes durch Inhalation sporenhaltigen
Staubes, welcher mit Blut infiziertem Stroh entstammte. Der
Verfasser spricht sich für Ausdehnung des schweizerischen Tier-
senchengesetzes und der Entschädigung auf den Milzbrand des
Schweines aus. J. Schmidt.
Kommt Ranschbrand beim Pferde vor?
Von Professor R. Ost er tag.
(Zeitschrift f. Infektionskr., paras. Krankh. u. Hyg. d. Hautkr., Bd. III, S. 95.)
Ein Spezialfall gab Ostertag Gelegenheit, zu der vor¬
liegenden Frage Stellung zu nehmen; es handelte sich um den Ent¬
schädigungsanspruch eines Landwirts für ein angeblich an Rausch¬
brand zugrunde gegangenes Pferd. Der Obduktionsbefund gab
im Zusammenhalt mit den Erscheinungen des Tieres vor deiu
I Tode keinen Grund zu der Annahme, daß dasselbe rauschbrand¬
krank gewesen ist. An und für sich sprechen dagegen noch
manche andere Umstände: Das Alter des Tieres (7 Jahre),
das Verhalten der Pferde in dem am stärksten durch Rausch¬
brand heimgesuchten Landesteilen und die Ergebnisse der Ver¬
suche künstlicher Übertragung von Rauschbrand auf das Pferd,
durch die bis jetzt noch nicht gelungen ist, Pferde rauschbrand¬
krank zu machen. Die mit Rauschbrandmaterial subkutan ge¬
impften Pferde bekamen nur örtliche, nach wenigen Tagen wieder
verschwindende Anschwellungen.
Auch die weiteren Versuche mit dem eingesandten Material
und einer Reinkultur bestätigen, daß das zur Prüfung mit über¬
sandte Material im vorliegenden Falle keine Rauschbrandbazillen
sondern Pseudorauschbrandbazillen enthielt. Es hat sich somit
kein Anhalt dafür gewinnen lassen, daß Pferde spontan
an Rauschbrand erkranken können. Richter.
Die Ergebnisse der modernen Krebsforschung.
Von Dr. med. et chir. Anton Sticker, Assistent der Chirurg.
Universitätsklinik zu Berlin.
(Zeitschrift für Veterinärkunde 1907, S. 427.)
Die letzten Jahre haben so manche bemerkenswerte Tat¬
sache auf dem Gebiet der Krebsforschung zutage gefördert, daß
es möglich ist, an der Hand derselben zu grundlegenden An¬
schauungen über das Wesen und die Entstehung der Krebs¬
krankheit zu gelangen. Sticker berührt zunächst kurz die
Resultate der klinischen und der pathologisch-anatomischen
Forschung, verbreitet sich dann aber eingehender über die Er¬
gebnisse der experimentellen Forschung und schließt seinen
Artikel mit folgenden Sätzen:
Das wichtigste Ergebnis der modernen Krebsforschung ist,
j daß Histologen, Kliniker und Experimentatoren in Überein¬
stimmung das Wesen des Krebses in einer Wucherung
parasitär gewordener Körperzellen suchen, welche
ebenso wie sie durch Metastasierung von einer Primärgeschwulst
nach den verschiedensten Stellen des Körpers, so auch von
außen in einen bis dahin geschwulstfreien Körper gelangen
können. Wie eine Körperzelle parasitär wird, ist bis jetzt
weder durch das Experiment festgestellt, noch durch irgendeine
theoretische Vorstellung genügend erklärt worden. Die An¬
nahme (Stickers), daß es sich in jedem Fall von Geschwulst¬
bildung um eine Implantation arteigener, aber körperfremder
Zellen handele, in Verbindung mit der Anschauung (v. Leyden-
Bergell), daß das unbegrenzte Wachstum dieser Zellen durch
das Fehlen ferment-hydrolytischer Kräfte bedingt wird, läßt die
Krebsentstehung am besten verstehen. Richter.
Klinische Untersuchungen über das Filmaron, als
wirksamen Bestandteil der Wurmfarnwurzel.
Von Prof. Dr. Gmeiner.
(Deatuche Tierä Etliche Wochenschrift 1907. Nr. 37 und 33.)
Die wurmtreibende Substanz im Filixextrakt ist eine von
Kraft entdeckte amorphe Säure, der die wissenschaftliche Be-
84
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
Zeichnung Aspidinolfilicin zukommt und die den Handelsnamen
Filmaron erhalten hat.
In der Tiermedizin ist das Filmaron noch unbekannt und
Prof. Gm einer hat nun toxikologische und klinische Versuche
mit dieser Substanz an Haustieren vorgenommen und hat die
Dosis für Tiere bestimmt.
In toxikologischer Beziehung stehen die entzündlichen Reiz¬
erscheinungen im Magen und Darmtraktus im Vordergrund. In
toxischen Gaben äußert das Filmaron auch lähmende Wirkungen
auf den Bewegungsapparat, auf das Gehirn und das Atmungs¬
zentrum. Bei langsam wirkenden Gaben tritt eine parenchy¬
matöse Nephritis ein. In der Art und Weise der Giftwirkung
ist also das Filmaron mit dem Filixextrakt so gut wie identisch.
Bei der praktischen Anwendung des Filmaron hält Gm einer
eine vor der Wurmkur angeordnete Hungerkur für bedenklich,
weil die Gefahr der Gift Wirkung groß ist. Er empfiehlt deshalb,
das Tier am Tage vorher wie gewöhnlich zu füttern und am
nächsten Morgen dem nüchternen Tier das Filmaron zu geben,
entweder in Kapseln oder als Filmaronöl. Das Filmaron kommt
wegen seiner unangenehmen physikalischen Eigenschaften (leicht
zersetzlich), die eine Dispensation in trockener Form schwierig
gestalten, in lOproz. Rizinusöl-Lösung als „Filmaronöl“ in den
Handel.
Ganz kleine Hunde erhalten 0,2 g Filmaron, kleine 0,4 g,
mittelgroße 0,7 g, große 1,0 g Filmaron in Gelatinekapseln oder
man gibt es als Filmaronöl und zwar je nach Größe 2—10 ccm.
Eine Stunde darnach ist unbedingt ein Laxans zu geben, damit
die Resorption durch die Darmschleimhaut vermieden und das
Filmaron rasch durch den Darmtraktus geführt wird. Man ver¬
schafft ihm somit die Möglichkeit, die Würmer zu erreichen und
zugleich die gelähmten Parasiten schnell zu entfernen. Zu
diesem Zwecke empfiehlt Gm ein er das Rizinusöl, für ganz
kleine Hunde 15 g, für kleine 30 g, mittelgroße 50 g, große
70—80 g. Zwei Tage hintereinander soll das Filraaron nicht
gegeben werden, auch ist zu beachten, daß ganz junge lieran-
wachsende Hunde außerordentlich empfindlich sind, bei denen
ja überhaupt am besten jegliches Antitaenicum zu unterlassen ist.
Rdr.
Giftigkeit des Lysols.
Von Tierarzt G. Korreng-Burg i. Spreewald.
(Deutsche Tlerärztl. Wochenschrift 1907, Nr. 60.)
Korr eng sah nach Einreibung der Beine und der Ohren
eines an Sarkoptesräude leidenden, kräftig entwickelten Hundes
mit 8proz. Lysolspiritus alsbald hochgradige Vergiftungs¬
erscheinungen auftreten, nämlich Zusammenstürzen, Schwei߬
ausbruch, allgemeine Lähmung, Herzschwäche, Muskelzittern,
klonisch-tonische Krämpfe. Durch größere Dosen Glaubersalz
per 08 und subkutane Injektionen von Spiritus camphoratus trat
Heilung ein. Rdr.
Mitteilangen ans der chirurgischen Klinik der Reichs-
tierarzneischnle in Utrecht.
Von Prof. W. C. Schimmel.
(Üsterr. Monatsschr. t. Tierh. 1907, 8. 304 und 463 )
1. Fractura comminuta des rechten Augenbogens
mit Zerreißung des Nervus opticus beobachtete S. bei
einem Pferde, dessen Kopf zwischen die Türpfosten eingeklemmt
worden war, wobei ein spitzer Riegel hinter dem Augenbogen¬
fortsatz eingedrungen war. Vom Processus cygomaticus war ein
3 cm langes Stück, vom Orbitalrand des Stirnbeins ein 3,5 cm
langes Stück abgesprengt. Zwischen den unverletzten Lidern
ragte der Bulbus und ein Teil des orbitalen Gewebes hervor;
der Augapfel hing nur noch an der Conjunctiva Palysebrae
superioris. Der Optikus war hoch oben abgequetscht. — Bulbus,
Fett usw. wurden entfernt, die Hautwunde genäht, die Orbita
tamponiert und die Augengegend vier Tage mit einem Eisbeutel
bedeckt. Später wurde die kranke Stelle mit einer Augenmaske
geschützt, mit der das Pferd frei in der Box herumlaufen
konnte. — Membrana nictitans und Conjunctiva verwuchsen so,
daß kein Raum für ein künstliches Auge blieb. Heilung trat
nach ca. fünf Wochen ein.
2. Ruptur des Fesselbeinbeugers an beiden Hinter¬
füßen bei einem Wagenpferde. Eine temperamentvolle
fünfjährige Stute war mit einem trägen Pferde zusammen ein¬
gespannt worden und hatte sich infolge des Antreibens des
letzteren sehr angestrengt. Plötzlich konnte sie nur mit größter
Mühe vorwärts gehen. Es zeigte sich folgendes: Im Sprung¬
gelenk standen Tibia und Metatarsus senkrecht übereinander,
in den Fesselgelenken fand sehr starkes Durchtreten statt. Das
Tier trippelte mit den Hinterfüßen und ging nur mit kurzen
Schritten vorwärts. Für Ruptur von Krön- oder Hufbeinbeuger
mangelten die Symptome. Es wurde Zerreißung der Fesselbein¬
beuge angenommen; das Fehlen deutlicher Erscheinungen (An¬
schwellung, Wärme, Schmerz bei Druck) wurde durch die tiefe
Lage erklärt. Am getöteten Tier zeigte sich, daß die Fessel¬
beinbeuge an den Schenkeln fast keine Abweichungen erkennen
ließen, daß aber nach oben zu die Sehnenfasern auseinander¬
gezogen und zerrissen waren.
3. Ein 14 jähriger Wallach zeigte, von der linken Seite
der Glans Penis ausgehend, einen gestielten Tumor von Faust¬
große. Weiter befand sich links auf der inneren Fläche der
inneren Präputialfalte eine diffuse Wucherung etwa handbreit.
Der Tumor wurde mit dem Ekraseur, die Wucherungen am
Praeputium mit der Schere entfernt, die Wunden mit 20proz.
Chlorzinklösung bepinselt. Die histologische Untersuchung ergab,
daß es sich um ein Kondylom am PeniB und eine diffuse
papillomatö8e Wucherung auf dem inneren Präputial-
blatt handelte.
4. Ein zwei Monate altes Hengstfohlen litt an einem
Tumor, welcher sich in den letzten Wochen am rechten Rande
des Unterkiefers entwickelt hatte, sich vom rechten Mittelzahn
nach hinten zu ausdehnte und die rechte Hälfte der Unterlippe
nach außen drängte. Der kranke Knochen wurde nach Entfernen
der Schleimhaut weggesägt. Es handelte sich um ein Osteo¬
fibrom. Nach zehn Wochen war kein Rezidiv eingetreten.
Richter. .
Tagesgeschichte.
Die erste Lesang des Viehseachengesetzes.
(13. und 20. Januar 1908.)
Als Kommissare sind anwesend: Der Präsident des Kaiserlichen
Gesundheitsamtes Dr. Bumm mit den Direktoren Dr. Uhlenhuth
und Dr. Ostertag, Geheimrat Scharmer vom Reichsamt des
Innern, Geheimrat Oegg vom Reichsjustizamt, Major v. Ho ver¬
beck vom Kriegsministerium. Von Preußen: Ministerialdirektor
Küster, Geheimer Oberregierungsrat Schröter, Geheimer
Regierungsrat Dr. Hesse, Veterinärrat Nevermann vom
30. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
85
Landwirtschaftsministerium, Freiherr von Tzschammer vom
Finanzministerium, Geh. Ober-Med.-Rat Dr. Kirchner vom
Kultusministerium und Reg.-Rat Dr. Huber vom Ministerium
für Handel und Gewerbe.
Die Reden der Herren Abgeordneten wörtlich zu ver¬
öffentlichen, würde des Raumes wegen untunlich und auch
zwecklos sein, da natürlich ihre Ausführungen teils sich wieder¬
holen, teils auch für die Tierärzte kein Interesse haben. Die
Reden werden daher im Auszug veröffentlicht, jedoch so, daß
die hierunter folgenden Angaben dem Wortlaut entsprechen oder
doch den Sinn genau wiedergeben und alles unmittelbar auf die
Beurteilung des Gesetzes bezügliche enthalten.
Freiherr von Pfetten (Württemberg, Zentrum) eröffnet die
Reihe mit einer Rede, welche von einer eingehenden Kenntnis
des vorliegenden Entwurfes, wie der ganzen Materie zeugt und
eine vorzügliche Durcharbeitung des ganzen Stoffes erkennen
läßt, deshalb eine ausführlichere Wiedergabe verdient. Der
Redner führte folgendes aus:
Der vorliegende Gesetzentwurf stellt einen sehr bedeutsamen
Fortschritt dar für einen hoffentlich umfassenden Schutz der
deutschen Viehbestände und dadurch zugleich für die allgemeine
Volkswohlfahrt, namentlich auch die menschliche Gesundheit. Der
leitende Gedanke in dieser Vorlage ist das präventive
Prinzip: man will durch Vorbeugungsmaßregeln hindern, daß
es überhaupt zum Seuchenausbruch kommt. Daß so ausgiebige
Vorbeugungsmaßregeln gegenüber den Viehseuchen möglich
sind, verdanken wir namentlich auch der Wissenschaft, und es
ist mit Genugtuung zu begrüßen, daß gerade deutsche Gelehrte
epochemachende wissenschaftliche Ergebnisse erzielt haben, von
großer Bedeutung für die großen Werte, die in der deutschen
Viehzucht niedergelegt sind. Möge das Reichsgesundheitsamt
auch in Zukunft die Frage der Entstehung und Bekämpfung der
Tierseuchen eifrig weiter pflegen, namentlich bezüglich der Maul¬
und Klauenseuche. Alle Mittel, die hierfür im Etat gefordert
werden, werden wenigstens vom Zentrum ohne weiteres ge¬
nehmigt werden. Nicht minder wichtig ist es, die indirekte
Schädigung der Landwirtschaft zu mildern. Die Vorlage bringt
wesentliche Verschärfungen eigentlich nach allen Richtungen,
die sich sehr fühlbar machen werden für den Landwirt, wie für
die Viehhändler; der Handel wird sogar noch schwerer betroffen
wie die Landwirtschaft. Sicher wird eine große Anzahl „lästiger
Plackereien und Polizeimaßregeln“ entstehen, und mancher wird den
beamteten Tierarzt wochenlang nicht von seinem Hofe wegbringen.
Der Gesetzentwurf vermehrt die Zahl der anzeigepflichtigen
Seuchen. Bedauerlich bleibt, daß unter diese nicht auch die
sehr kontagiöse Faulbrut der Bienen aufgenommen ist. Be¬
deutsam ist die erhebliche Verstärkung der Anzeigepflicht. Es
bestehen Bedenken, ob aus der Anzeigepflicht für alle die an¬
geführten Personen nicht erhebliche Schikanen für den Vieh¬
besitzer erwachsen bei der Kalamität, die jetzt schon mit Dienst¬
boten und Arbeitern besteht. Die Schutzmaßregeln sind sehr
verschärft; zum Einschreiten genügt künftig schon der Verdacht.
Die Beschränkung des Personenverkehrs wird unter Umständen
schwer durchzuführen sein, z. B. zurzeit der Feldbestellung. Auch
die Lederindustrie, die bis in die allemeueste Zeit geradezu
notleidend war, kann erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden.
Trotz aller dieser Unannehmlichkeiten und Schattenseiten, die
sowohl die Landwirtschaft, als die Industrie treffen werden?
kann eben nur die strengste Handhabung seitens der
Polizei im Sinne des Gesetzentwurfs die Verhinderung
und Unterdrückung der Seuchen garantieren. Die Er¬
fahrungen des letzten Jahrzehnts liefern uns den Beweis dafür;
nur eine ganz strenge, ja drakonische Durchführung der Polizei¬
maßregeln kann und wird uns den vollen Erfolg bringen. Die
deutsche Landwirtschaft, die im Laufe der letzten Jahre so viel
auf sich genommen hat, wird auch in diesem Falle nicht ver¬
sagen und bereit sein, auch die lästigsten Maßregeln zu er¬
tragen. Was die Entschädigungspflicht anlangt, so ist frag¬
lich, ob die Entschädigung nicht in der vollen Höhe des gemeinen
Wertes zu gewähren wäre. Mit dem Versicherungswesen ist
der Gesetzentwurf nicht ohne weiteres zu vergleichen, weil es
sich' hier um das öffentliche Wohl handelt. Die Entschädigung
sollte auch eingeführt werden für Tiere, die an Maul- und Klauen¬
seuche gefallen oder deswegen getötet sind. In einer Versamm¬
lung des Bayerischen Bauernvereins ist der sehr beachtenswerte
Gedanke angeregt worden, daß dem Besitzer, der in einem Ort
den Ausbruch der Seuche in seinem Stall zuerst anzeigt, eine
besondere Entschädigung zuzubilligen sei. Zu bedenken ist auch
die Schädigung der Molkereien, wobei es nötig sein wird, den
Begriff der Molkerei, der wirtschaftlich noch nicht feststeht,
genauer zu bestimmen. Auch für die wegen Tollwut getöteten
Hunde muß eine Entschädigung gewährt werden mit Rücksicht
auf die aufgeblühte Hundezucht und den Wert z. B. der Jagd¬
hunde. Volle Entschädigung ist auch für Geflügelcholera und
Hühnerpest zu fordern; es entspricht das der Bedeutung der
Geflügelzucht in Deutschland. Die Entschädigungsfrage muß
liberal geregelt werden. Die Übernahme der Kosten für tier¬
ärztliche Untersuchungen, Impfung, Desinfektion und Tötung
auf die Staatskasse ist unbedingt erforderlich. Der Tierarzt
wird in Zukunft auf dem landwirtschaftlichen Gehöft ein sehr
häufiger Gast sein. Es wird daher auch Aufgabe der Landes¬
regierungen sein, für eine entsprechende Anzahl der
beamteten Tierärzte und der Tierärzte überhaupt zu
sorgen. Es ist unbedingt nötig, daß die Tierärzte nicht
allzuweit für jeden Landwirt zu erreichen sind. Der Tierarzt,
der 20 km fahren muß, hat selbstverständlich ein höheres
Honorar zu fordern, als wenn er nur 5 km weit entfernt ist.
Auch Vermehrung und Verbilligung von Telephon und Telegraph
auf dem Lande ist zur schnellen Requisition notwendig. Die
Kompetenz der kommunalen Tierärzte in den Schlachthöfen
muß aufrecht erhalten werden dergestalt, daß sie für die Vornahme
von Schlachtungsuntersuchungen zuständig sind. Im allgemeinen
stimmt das Zentrum den Grundgedanken und der Tendenz des
Gesetzes vollständig zu unter dem Vorbehalt, daß eine Reihe
von Einzelheiten näher geprüft wird, weshalb die Vorlage an
eine Kommission von 28 Mitgliedern zu verweisen ist.
Siebenbürger (konservativ): (Der Herr Abgeordnete be¬
tonte vor allen Dingen die Belästigungen, welche der neue
Entwurf der Landwirtschaft auferlegen werde, und beurteilte
die Anwendung und den Nutzen des Entwurfs weniger von
weiten Gesichtspunkten aus, als vielmehr nach persönlicher
landwirtschaftlicher Erfahrung. Dagegen gab er eine energische
und durchaus zutreffende, auf gründliche Kenntnisse sich stützende
Anregung zur endlichen Regelung des Abdeckereiwesens. Diese
Frage hängt zwar mit dem vorliegenden Gesetz zusammen,
bildet aber doch einen Gegenstand für sich; dieser Teil der
Rede soll daher an anderer Stelle ausführlicher wiedergegeben
werden, während die übrigen Ausführungen des Redners zum
Gesetz kürzer znsammengefaßt werden können.)
Obwohl der Entwurf dem Tierhalter sehr schwere
Lasten auferlegt, kann Redner namens der konservativen
86
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
Partei erklären, daß sie ganz auf dem Boden des Entwurfs
steht. Mögen die Bestimmungen uns noch so schwer
treffen, wir wissen, daß wir dem Vaterlande schuldig
sind, den Viehstand und die Bevölkerung gesund zu erhalten;
deshalb müssen die Opfer, die das Gesetz verlangt, gebracht
werden. Das schließt Änderungen nicht aus, weil uns ein Teil
übertrieben, ein kleiner Teil sogar absolut unmöglich erscheint.
Sehr lobenswert’ist die neue Fassung des Gesetzes, die Ver¬
einfachung des Namens, die beigegebene Begründung und Denk¬
schrift. Der Redner verbreitet sich über die Erfolge des
Gesetzes bei den verschiedenen Seuchen. Von der veterinär¬
polizeilichen Behandlung der Maul- und Klauenseuche denkt er
anscheinend gering. Er sieht das beste Mittel in der sofortigen
Infizierung des ganzen Bestandes beim Auftreten der ersten
Erkrankung; in seinem Bestände war danach die Seuche in
14 Tagen erloschen. (Da hat der Herr Abgeordnete viel Glück
gehabt!) Kein Erfolg ist bei den Schweineseuchen und ebenso
bei der Tuberkulose zu verzeichnen; auch bei der Tollwut hat
die Wissenschaft versagt. Dem Hunde soll man keinen Schutz an¬
gedeihen lassen; er ist ein großer Feind des Menschen. „Um den
Hunden mehr auf die Finger zu sehen u , sollen sie in Zukunft Hals¬
bänder tragen; das ist das mindeste, was man verlangen kann.
Die Anzeigepflicht ist auf eine große Zahl anderer Krankheiten
ausgedehnt worden. Das ist berechtigt, doch mögen Schweine¬
seuche und Schweinepest gestrichen werden, weil die Wissen¬
schaft noch nicht imstande ist, festzustellen, was Schweineseuche
und was Pest ist. Die Beschränkung des Personenverkehrs soll
hoffentlich nur für fremdes auswärtiges Personal gelten; den
Besitzern kann doch nicht wohl der Verkehr in ihrem Stall ver¬
boten werden. Wie die Reinigung und Desinfektion von Wegen
und von Tieren durchgeführt werden soll, ist nicht klar. Die
Strafen scheinen durch den neuen Entwurf sehr verschärft;
statt 10 bis 150 M. oder Haft wird jetzt Gefängnis bis zu zwei
Jahren angedroht. Aber die Sache ist nicht so schlimm, wie
sie aussieht, und strenge Strafen sind nötig, um die rechtzeitige
Erstattung der Anzeige herbeizuführen. Die strengsten Be¬
stimmungen im Inlande werden aber nichts nutzen, wenn nicht
noch zwei Forderungen erfüllt werden: das ist die Abwehr
gegen das Ausland und die gesetzliche Ablösung der gesetzlichen
Abdeckereiprivilegien. (Siehe Bemerkung am Anfang der Rede).
Lehmann- Jena (nationalliberal): Wir billigen die Ver¬
weisung an eine Kommission. Wir begrüßen die Tendenz des
Gesetzes wegen der Wichtigkeit unseres deutschen Viehbestandes,
der sich in der Zeit von 1883 bis 1904 bei den Rindern von
15 3 / 4 auf 1974, bei den Schweinen von 974 auf 19 Millionen
gehoben hat, was eine Steigerung von 22 Proz. beim Rind und
105 Proz. beim Schwein bedeutet. Die deutsche Landwirtschaft
ist nach diesem Zuwachs wohl in der Lage, das Inland mit
Fleisch zu versorgen. Bei der Bedeutung des Viehbestandes
für die Volksernährung wird man strenge Maßregeln bei solchen
Gefahren in Kauf nehmen müssen, woran das vorliegende Gesetz
reich ist. Andererseits „scheint aber doch das Gesetz etwas stark
nach Tinte und grünem Tisch, nach der bazillengeschwängerten
Luft der Studierstube zu riechen“. Da ist zunächst die Stellung
des beamteten Tierarztes. Derselbe hat heut schon eine so
große Machtbefugnis, wie das schwache Naturen nicht vertragen
können, ohne daß ihr Selbstbewußtsein über das normale Maß
hinaus gesteigert wird. Die Stellung des Bezirkstierarztes
ist ja eine ganz eigenartige; gegen seine Entscheidung kann
keinerlei Berufung stattfinden. Es muß eine Berufungs¬
instanz gefordert werden, in der neben den Ver¬
waltungsbeamten vor allem auch praktische Land¬
wirte sitzen. (!) Schrecklich ist das Wort „Seuchenverdacht“,
womit grober Unfug getrieben wird. Heraus muß aus dem
Gesetz die Meldepflicht des landwirtschaftlichen Gesindes; das
würde ein Denunziationssystem sondergleichen. Der Landwirt
ist heute schon der Sklave seiner Leute. Oh man heute schon
die Tuberkulose in das Gesetz aufnehmen kann, ist zweifelhaft.
Mit Recht verschärft sind die Maßnahmen gegen das Ausland;
doch können auch hierin große Härten liegen, z. B. für unsere
Gerberindustrie. Der Punkt 2 des § 17a (Verbot oder
Beschränkung des Treibens von Vieh im Besitz von Vieh¬
händlern) ist nicht verständlich. Die Anordnung von Impfungen
kann unbedenklich für die Schweinekrankheiten konzediert
werden, nicht jedoch für die Tuberkulose. Noch nicjit weit
genug geht das Gesetz in der Bestimmung über Beseitigung
von Milzbrandkadavern; die Regelung des Abdeckereiwesens ist
dafür erforderlich. Bei der Maul- und Klauenseuche sind die
j strengen Bestimmungen über den Personenverkehr nur zu
| begrüßen. Das Wesen der Schweinekrankheiten erscheint noch
recht wenig erforscht. Das gilt auch für die Tuberkulose.
Wenn in gewissen Fällen Erhitzung von Milch gefordert wird,
so fragt sich, wie in kleinen Betrieben eine derartige Erhitzung
stattfinden soll. Wenn auf der einen Seite fortgesetzt
strenge Maßregeln erlassen werden, so wird man sich
nicht wundern dürfen, wenn die Preise der be¬
treffenden Produkte in die Höhe gehen. Zweifellos ist,
daß die Tuberkulose sogar Fortschritte macht, denn sie
ist eben eine Kulturkrankheit. Mögen die Regierungen mit
aller Macht darauf hinwirken, daß die Aufzucht des Jung¬
viehes wieder naturgemäßer betrieben wird. Angesichts
der Erfahrungen, die in Dänemark mit der Tuberkulose¬
bekämpfung gemacht sind, wird es nicht leicht sein, den
richtigen Weg zu finden. Die Entschädigung für an Tuber¬
kulose gefallene Tiere kann unter keinen Umständen, wie die
Vorlage verlangt, von den Tierbesitzern aufgebracht werden.
Sie muß von der Allgemeinheit übernommen werden; denn an
der Bekämpfung der Tuberkulose ist diese interessiert.
Entschädigung ist auch für Geflügelcholera am Platze. Wenn,
wie die Vorlage sagt, der Wert des Objekts gering sei, so
spricht das ebensowohl für als gegen die Entschädigung. Eben¬
so viele kleine Leute, wie andererseits die Geflügelzucht ist
daran interessiert. Man hat auf der einen Seite zwei Jahre
Gefängnis angedroht und auf der anderen Seite keine Ent¬
schädigung wegen Geringfügigkeit geben wollen. Auch Hunde
müssen entschädigt werden, worum der Verband südwest-deutscher
Vereine für Hundezucht und Jagd petitioniert. Das dreimonat¬
liche Einsperren bei Tollwut führt zu den größten Härten.
Auch bei Todesfällen durch Maul- oder Klauenseuche ist
Entschädigung zu gewähren. Unbedingt werden hier — ich
erkläre das namens meiner sämtlichen Parteifreunde — daran
festhalten müssen, daß alles getan wird, um der Einschleppung
von Seuchen aus dem Auslande vorzubeugen, und wir werden
nie und niemals auch nur das Tüpfelchen über dem i
nachgeben in den veterinärpolizeilichen Schutz¬
bestimmungen an den Grenzen. Wenn es heißt: ein
schlechtes Gesetz gut ausgeführt, ist besser, als ein gutes
Gesetz schlecht ausgeführt, dann trifft das besonders für das
30. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
87
vorliegende Gesetz zu. Von der Ausführung wird es abhängen,
ob das Gesetz eine große und schwere Belastung darstellen,
oder ob es zum Segen nicht nur der Landwirtschaft, sondern
auch der Allgemeinheit wirken wird. Hoffen wir das letztere.
(Zweiter Verhandlungstag.)
Scheldemann (Sozialdemokrat): (Der Abgeordnete behandelt
das Gesetz vom Standpunkt seiner Partei, nennt es ein
agrarisches Gesetz, spricht von Liebesgaben für die Agrarier
und so fort. Jm übrigen aber ist auch er bestrebt, der Be¬
deutung des Gesetzes gerecht zu werden, wobei er das Interesse
der Volksernährung in den Vordergrund rückt and vielfach
bemerkenswerte Hinweise über die Wirkungen des Gesetzes auf
den kleineren Landwirt einflicht.)
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß es von
der größten Wichtigkeit ist, unseren Viehstapel vor Ver¬
seuchung zu schützen. Es kommt dabei nicht einmal in
erster Linie der Wert des Viehstapels, der auf 7 bis
77a Milliarden geschätzt wird, in Betracht, sondern es handelt sich
um die Ernährungsfrage. Ohne gesundes Vieh kein gesundes
Fleisch, und ohne gesundes Fleisch auch keine Ernährung, wie
wir sie im Interesse unseres Volkes wünschen müssen. Das
Gesetz sollte die Ernährungsfrage in den Mittelpunkt stellen. |
Wenn der Paragraph über die Anzeigepflicht Gesetz wird, so
werden die Viehbesitzer unter Umständen ihres Lebens nicht
mehr froh. Es ist leider Tatsache, daß in den meisten Dörfern
Streitigkeiten unter den Bauern bestehen; da gibt es
Schikanen durch Anzeigen. Hier muß eine andere Fassung
gefunden werden, vielleicht so, daß die Anmeldung bei
der Behörde innerhalb 24 Stunden erfolgen muß; alle ver¬
pflichteten Personen sollen innerhalb 12 Stunden dem Besitzer
Anzeige machen und nur, wenn sie ihn in dieser Zeit nicht
erreichen, direkte Anmeldung geben. Eine Fülle einschneidender
Maßnahmen trifft der § 17 a. Außerordentlich beachtenswert ist
dazu die Eingabe, welche der Zentralverband der deutschen
Viehhändler gemacht hat. Die §§ 17a und 18 werden dort
als Allerweltsparagraphen bezeichnet; als Resultat der Be¬
stimmungen wird dargestellt, daß in der Hauptsache eine Be¬
schränkung, teilweise ein vollständiges Verbot des Viehhandels
angestrebt werde, dem Kardinalpunkt aller notwendigen Ma߬
nahmen, der Aufdeckung des Seuchenherdes und der Beschrän¬
kung auf ihren Herd, dagegen aus dem Wege gegangen
werde. (??) Sehr sympathisch in diesem Paragraphen berührt
jedoch die Bestimmung über Beseitigung oder Reinigung von
Abwässern und Abfällen in Gerbereien, Fell- und Häutehand¬
lungen. Wiederholt ist auf die ungeheuren Schädigungen hin¬
gewiesen worden, die namentlich der Landwirtschaft entstehen
durch die Ableitung der Fabrikwässer in die Bäche. Wenn die
Reinigung solcher Abwässer für die Gerbereien bestimmt wird,
dürfte man auch in anderen Gesetzen weitergehen oder ein
besonderes Gesetz über die Reinigung der Abwässer aus den
chemischen Fabriken usw. erlassen. Die Beschränkung des
Personenverkehrs läßt befürchten, daß politische Versammlungen
verboten werden. Die Entschädigungsfrage ist sehr wichtig.
Nach den Bestimmungen über die Entschädigung müssen unge¬
heure Summen herauskommen. Eine obligatorische Zwangs-
Vieh Versicherung scheint die Voraussetzung. Die Bestimmungen
über die Einfuhr sind zum Teil undurchführbar. Was könnte
nicht alles zu den giftfangenden Gegenständen gerechnet werden
deren Einfuhr dann unter Umständen verboten werden
kann. Die Machtvollkommenheit, welche den Tierärzten gegeben ,
werden soll, vor denen man übrigens die größte Hochachtung
haben kann, geht zu weit; eine solche Machtvollkommenheit
kann man nur Halbgöttern übertragen, nicht Menschen. Es
wird Sache der Kommission sein, auf alle Einzelheiten ein¬
zugehen, die zum Teil gewiß außerordentlich wertvoll sind.
Wir werden bemüht sein, das Gesetz in der Kommission zu¬
stande zu bringen, unter der Voraussetzung, daß alles, was
notwendig ist zum Schutze gegenüber den verheerenden Vieh¬
seuchen, Gesetz wird ohne unnötige Schikanierung der Land¬
wirte. (Den Schluß machen die üblichen Ausfälle gegen die
preußischen Junker und das preußische Wahlrecht.)
Dr. Hoeffel (Reichspartei): W T enn man die 25 Jahre über¬
blickt, seit wir das Viehseuchengesetz haben, so kann man sagen,
daß es dem Lande tatsächlich Dienste geleistet hat. Bei
manchen Seuchen scheint allerdings ein Erfolg nicht vorhanden,
so z. B. bei Maul- und Klauenseuche. Das liegt allerdings daran,
daß einmal in 25 Jahren eine große Vermehrung des Vieh¬
bestandes eingetreten und heute der Verkehr ein ganz anderer
geworden ist. Bei der Abfassung der Vorlage sind alle In¬
stanzen gehört werden, auch der Landwirtschaftsrat und der
Veterinärrat. Man kann nicht sagen, daß die Frage vom
grünen Tisch aus behandelt worden ist; das Gesetz beruht auf
den praktischen und wissenschaftlichen Erfahrungen der letzten
Jahre. Die Maßnahmen betreffs des Auslandes, die nicht allein
kranke Tiere, sondern auch ansteckungsverdächtige Gegenstände
betreffen, müssen genauer formuliert werden; namentlich wird auch
das berechtigte Interesse der Lederindustrie wahrzunehmen
sein. Gegen die Anzeigepflicht aller mit der Viehwartung be¬
schäftigten Personen haben auch wir Bedenken. Wenn Meinungs¬
verschiedenheiten zwischen dem beamteten Tierarzt und dem
Tierhalter obwalten, so wäre es vielleicht von Wert, die be¬
treffenden Stücke dem nächsten bakteriologischen Institut zu
überweisen; dadurch würde eine vollständig objektive und vor¬
urteilslose Prüfung herbeigeführt. (?) Bei der Entschädigung ist
eine enorme Höhe der Gesamtsumme zu befürchten. Der
wichtigste Punkt ist die Einbeziehung der Tuberkulose in das
Viehseuchengesetz, und zwar ist darin der größte Vorteil des
Gesetzes zu erblicken. Die Perlsucht schadet der Landwirtschaft in
ganz unberechenbarer Weise durch Verminderung des Tier wertes
und Verschlechterung der Produkte, Fleisch und Milch. Die
Krankheit ist außerordentlich verbreitet; 25 Proz. aller Kühe
sind tuberkulös. In Sachsen hat die staatliche Schlachtvieh-
Versicherung 1903 und 1904 über 43 Proz. der gesamten Ent¬
schädigungen für Tuberkulose ausgeben müssen. Zur Bekämpfung
ist die Impfung zurzeit noch nicht anwendbar, da sie sich noch
im Versuchsstadium befindet. Die Trennung und die Ausmerzung
der kranken Tiere, Tötung und Entschädigung werden die
einzig praktischen Wege sein. Die Bekämpfung der Tuber¬
kulose der Tiere wird zweifellos eine große Bedeutung für die
menschliche Gesundheit haben. Von diesem Standpunkt aus
haben wir die Vorlage zu betrachten, nicht vom Parteistandpunkt
aus. Wenn von dem Vorredner das Interesse der Großgrund¬
besitzer hervorgehoben worden ist, so ist zu bemerken, daß bei
Rinder- und Schweinezucht 90 Proz. in den Händen der Klein¬
bauern liegen. Was die Fleischteuerung anbetrifft, so hat die¬
selbe nicht allein in Deutschland, sondern auch in Freihandels¬
ländern wie England in demselben Maße bestanden. Die
Behauptung ist daher vollständig unrichtig, daß man in Deutsch¬
land auf künstliche Erhöhung der Fleischpreise hinstrebe.
88
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
Dr. Mugd&n (freisinnige Volkspartei): Wir schließen uns
dem Anträge auf Verweisung an eine Kommission von 28 Mit¬
gliedern an. Die Behauptung, daß der Entwurf nur als
argrarisches Produkt erscheine unter dem Deckmantel hygienischer
Bestrebungen, halte ich für außerordentlich übertrieben; er
stellt vielmehr eine gute Grundlage zur Bekämpfung der Tier¬
seuchen dar, wenn er auch im einzelnen zu weit geht. Über
die Wichtigkeit der Tierseuchenbekämpfung braucht man ja
eigentlich kaum ein Wort zu verlieren. Ich hätte es übrigens
lieber gesehen, wenn man statt des Wortes „Viehseuchen“
das W T ort „Tierseuchen“ gewählt hätte; denn man kann in
einem Gesetz, in dem man auch von Krankheiten des Wildes und
des Geflügels spricht, nicht gut von Viehseuchen reden. Die Be¬
kämpfung der Tierseuchen hat zwei Gesichtspunkte: Ein¬
mal geht eine große Anzahl dieser Seuchen auch auf den
Menschen über und andrerseits ist ein so enormes Kapital in
den Viehbeständen niedergelegt, daß ein großes Interesse an
der Verhinderung der Erkrankung dieser Bestände vorliegt. Die
Freisinnigen haben ja oft den Vorwurf erhoben, daß Regierung
und Reichstag bei ihren Gesetzentwürfen allzusehr auf den
Großgrundbesitz Rücksicht nehmen. Wir glauben, daß das
Blühen der Landwirtschaft auf einem Blühen des mittleren
und kleinen Besitzes beruht. Wir würden deswegen
inkonsequent bandeln, wenn wir nicht alle Bestrebungen
unterstützten, die beabsichtigen, den Viehbestand der Land¬
wirtschaft zu sichern, denn der kleinere und mittlere
ländliche Besitzer ist ja auf die Viehzucht angewiesen.
Die Hauptsache ist, das Objekt der Infektion, das Tier
selbst, zu fassen. Ob leblose Gegenstände die Infektion weiter
verbreiten können, wird neuerdings heftig bestritten (Unter¬
suchungen von Tjaden in Bremen). Der Gesetzentwurf nimmt
darauf keine Rücksicht und behandelt lebende und tote Gegen¬
stände gleich. Mit Sicherheit läßt sich aber das Objekt der In¬
fektion nur bei der Abwehr der Einschleppung aus dem Aus¬
lande fassen; da ist es möglich, das erkrankte Tier zu isolieren.
Viele Vorwürfe, die man in dieser Beziehung unseren Ab¬
wehrungsmaßregeln gemacht hat, sind unbegründet, und ich
glaube, die Bevölkerung würde beruhigter sein, wenn in der
ausgezeichneten Denkschrift, die das Reichsgesundheitsamt gerade
diesem Gesetzentwurf beigegeben hat, etwas ausführlicher der
Begriff der Inkubation bei Infektionskrankheiten abgehandelt
worden wäre. Wenn man den dabei obwaltenden Verhältnissen
Rechnung trägt, so führen natürlich die Abwehrmaßregeln zu
außerordentlich schweren Folgen; denn in dem Augenblick, wo
im Auslande eine solche Seuche herrscht, kann man eigentlich
nichts anderes tun, als nach Möglichkeit alle Tiere dieser
Gattung zu verhindern, über die Grenze zu kommen. Es
ist möglich, daß dadurch manchmal das Fleisch verteuert wird,
daß manchmal dabei der heimische Viehzüchter einen Vorteil
hat; aber das alles kann nicht hindern, in bezug auf Abwehr¬
maßregeln gegen die Einschleppung aus dem Auslande die
allergrößte Vorsicht zu fordern und es zu billigen, daß man
Tiere, die auch nur seuchenverdächtig sind, aus¬
schließt. Aber wenn ich diese sehr scharfen Abwehrmaßregeln
billige, so verlange ich auf der anderen Seite, daß man alle
diejenigen Maßregeln fallen läßt, die sich wissenschaftlich nicht
mehr begründen lassen, wie z. B. die (diagnostische) Tuberkulin¬
impfung. Auch die Bestimmungen über die Einfuhr russischer
und österreichischer Schweine lassen sich mit der Hygiene nicht ver¬
teidigen; denn niemand wird einsehen, warum die über die Grenze
gelassenen russischen Schweine nur unschädlich sind, wenn sie die
Grenze des oberschlesischen Bezirks nicht überschreiten. Zu den
Dingen, die die Bevölkerung mit Recht erbittert haben, gehört die
Erschwerung der Einfuhr frischen Fleisches aus dem Auslande;
das hat eine Verteuerung herbeigeführt. Wenn sich die aus¬
ländischen Fleischverkäufer bereit erklären, ihr Fleisch durch
einen deutschen approbierten Tierarzt untersuchen zu lassen, so
sollte man die Einfuhr von Fleisch nicht weiter erschweren. Die
schweren Bestimmungen über die Einfuhr tierischer Erzeugnisse
scheinen wissenschaftlich auch nicht begründet. Die Interessen
der Lederindustrie müssen berücksichtigt werden. Im zweiten
Teil des Gesetzentwurfes, wo es sich um Bekämpfung von Tier¬
seuchen im Inlande handelt, wird mit wissenschaftlichen Theorien,
nicht bloß mit wissenschaftlich absolut feststehenden Tatsachen
gearbeitet. Die Erfassung des Objektes wird allerdings im In¬
lande vielfach unmöglich sein. Das von den Viehhändlern
vorgeschlagene allgemeine Viehregister führt zu undurchführ¬
baren Maßregeln. Auch die Stallkontrolle auf dem Lande
wird außerordentlich schwer durchzuführen sein, auch deshalb,
weil wir bisher einen Mangel an Tierärzten haben. Zum Teil
ist daran das alte Reichsviehseuchengesetz schuld, und dieselbe
Schuld scheint auch der neue Entwurf mit übernehmen zu wollen.
Denn auch in dem neuen Entwurf befindet sich eine ungeheure
Bevorzugung der staatlich angestellten Tierärzte und
eine große Zurücksetzung der approbierten Tierärzte.
Das ist einmal falsch, weil ja die Bekämpfung der Viehseuchen,
genau wie die Bekämpfung der Menschenseuchen, nur erfolgreich
sein kann mit Unterstützung aller, nicht allein der beamteten
Tierärzte. Das Fortkommen der Tierärzte zu erschweren hat
die weitere Folge, daß der Landwirt dadurch, daß er immer
auf den staatlich angestellten Tierarzt verwiesen wird, den
vielleicht in seiner Nähe wohnenden nichtbeamteten approbierten
Tierarzt gar nicht zu Rate ziehen darf, und daß er. in vielen
Fällen dann versucht wird, auch weil ihm der staatliche Tier¬
arzt zu teuer kommt, überhaupt keinen Tierarzt zu Rate zu
ziehen. (?) Wir müssen, wenn wir ein erfolgreiches Tier¬
seuchengesetz machen wollen, die Stellung der Tierärzte nach
Möglichkeit erleichtern und es dahin bringen, daß das Studium
künftig von mehr Personen ergriffen wird. Aus diesem Grunde
werden meine politischen Freunde in der Kommission bemüht
sein, nach Möglichkeit für die nichtbeamteten appro¬
bierten Tierärzte das Terrain wiederzugewinnen.
Wenn wir an allen Bestimmungen des Entwurfs nichts ändern,
so werden die Belästigungen der Landbewohner ins ungeheure
wachsen. Die Entschädigungsfrage ist nicht vollkommen erledigt.
Die Hygiene verlangt gewiß polizeiliche Beschränkungen,
aber es dürfen nicht zu viele polizeiliche Verordnungen
entstehen. Die Bestimmungen über die Anzeigepflicht von
Knechten und Mägden könnten mißbraucht werden. Den Landes¬
regierungen oder den Verordnungen der Regierungspräsidenten
muß nicht zuviel überlassen werden. Wir sind gern bereit,
mitzuarbeiten, daß durch Verbesserung des Vieseuchengesetzes der
Kampf gegen die Tierseuchen erfolgreich geführt werde, wollen
aber auch verhindern, daß unter einseitiger Berücksichtigung
hygienischer Theorien die Polizei eine zu große Gewalt bekommt.
Dr. v. Bethmann-Hollweg, Staatsminister, Staatssekretär des
Innern [wörtlich nach dem Stenogramm]: Meine Herren, vor
acht Tagen beklagte sich der Herr Vertreter der Zentrums-
30. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
89
partei darüber, daß ich das Gesetz ohne ein Geleitwort dem
Reichstag vorgelegt hätte. Dieses Unterlassen einer Ein¬
führung beruht nicht etwa auf einem mangelnden Interesse der
verbündeten Regierungen an dem Gesetz; ich habe mir vielmehr
gesagt, daß die gedruckte Begründung des Gesetzes ziemlich
reichhaltige Auskunft über den Inhalt des Gesetzes gäbe, daß
es sich bei dem neuen Gesetz nicht um die Aufstellung neuer
Prinzipien handele, sondern daß das neue Gesetz grundsätzlich
durchaus m den Bahnen des alten Gesetzes wandele, und daß
es sich schließlich um eine große Fülle von Einzelbestimmungen
handele, die der Erörterung im Plenum kaum zugänglich sind,
vielmehr der Kommissionsberatung Vorbehalten werden müssen.
Aus diesen Erwägungen habe ich geglaubt von einer Einleitung
absehen zu dürfen.
Nun scheint mir aus den Ausführungen derjenigen Herren,
welche bisher das Wort ergriffen haben, hervorzugehen, daß
sämtliche Parteien bereit sind, an der Schaffung dieses neuen
Gesetzes mitzuarbeiten, und ich erstrecke diese meine Annahme
auch auf den Herrn Abgeordneten Scheidemann. Denn indem
er den Grundsatz aufgestellt hat, daß es die Aufgabe sei, jede
Seuche möglichst schnell zu konstatieren und dann zu loka¬
lisieren, hat er sich doch den Grundsatz zu eigen gemacht, auf
dem das ganze Gesetz beruht. Wenn der Herr Abgeordnete
Scheidemann im übrigen bei dieser Gelegenheit polemisiert
hat gegen die Junker, gegen das preußische Landtagswahlrecht,
wenn er auf der anderen Seite die bäuerlichen Besitzer seines
Wohlwollens versichert hat und in dem gleichen Sinne auch
gegenüber den Tierärzten gesprochen hat, so, glaube ich, sind
das Ranken gewesen, die seine Zustimmung zu dem Gesetz —
nicht zu seinen einzelnen Bestimmungen — verdecken sollen.
Die Ein wände, welche gegen das Gesetz erhoben worden
sind, beruhen im wesentlichen darauf, daß seine Bestimmungen
zu scharf seien und die Bevölkerung, nicht nur den Tierhalter,
sondern auch Handel und Verkehr unbeteiligter Menschen, über¬
mäßig belästigen würden. Meine Herren, was sollten die ver¬
bündeten Regierungen machen? Wir haben ein Viehseuchen¬
gesetz, das unzweifelhaft Gutes gewirkt hat; denn wir sind
Gott sei Dank in den letzten Jahren weniger von Seuchen heim¬
gesucht worden, als es früher wohl der Fall gewesen ist, und j
man kann diesen Zustand zum Teil auf die Wirkungen des be¬
stehenden Gesetzes zurückführen. Nun hat sich aber gezeigt,
daß das bestehende Gesetz mit dem gegenwärtigen Stande der
biologischen und veterinären Forschung, mit den Erfahrungen,
die bei der praktischen Handhabung der Gesetzes gemacht
worden sind, nicht mehr voll im Einklang steht. Große
Organisationen und Körperschaften der Landwirtschaft selbst
haben wiederholt angeregt, daß das Gesetz einer Revision
unterzogen werde. Alle diese Momente haben die verbündeten
Regierungen gewürdigt, als sie an die Revision des Gesetzes
herangetreten sind, und sie haben bei der Ausarbeitung der
Einzelbestimmungen des Gesetzes kein anderes Ziel im Auge
gehabt, als das Gesetz in Einklang zu bringen mit dem Stande
der Forschung und mit den Anforderungen der Praxis.
Der Herr Abgeordnete Mugdan kritisierte allerdings soeben
bezüglich der Bekämpfung der Seuchen im Inlande, daß das
Gesetz auf Theorien aufgebaut sei, deren absolute Richtigkeit
noch nicht verbürgt sei. Das mag im einzelnen zutreffen, aber
wir sind auch bei der Bekämpfung mancher menschlichen
Krankheiten noch heute auf Theorien angewiesen, deren Richtig¬
keit noch nicht konstatiert ist, und wir werden doch nichts
anderes tun können, als entweder jede Seuchenbekämpfung auf¬
zugeben — davon katfn keine Rede sein —, oder die Ma߬
regeln zur Bekämpfung der Seuche anzupassen dem gegen¬
wärtigen Stande der Wissenschaft, ob dieser Stand nun Theorie
oder bereits vollkommen begründete Wahrheit ist.
Auch ich beklage es, daß die Folge eines solchen Gesetzes
allerdings eine weitgehende Belästigung des Tierhalters sein
kann; mit anderen Worten: auch ich beklage die Schärfe
mancher Bestimmungen. Ich halte aber dafür, daß nichtener¬
gische schwache Bestimmungen viel unangenehmer für den
Tierhalter und für die Bevölkerung sind als scharfe; denn die
nicht scharf eingreifenden und infolgedessen auch nicht scharf
wirkenden Maßregeln belästigen den Tierhalter genau in der
gleichen Weise wie die schärferen Maßregeln und eigentlich
noch viel schlimmer, w r eil sie einen Erfolg nicht erzielen und
infolgedessen die Quarantänezeit, der der Tierhalter ausgesetzt
ist, in der Regel weit verlängern. Wir haben bei der Be¬
kämpfung aller Seuchen bisher die Erfahrung gemacht, daß,
wenn es nicht gleich im ersten Moment glückt, die
Seuche zu erfassen, zu lokalisieren und mit scharfen
Maßregeln zu bekämpfen, sie dann eine Ausbreitung
gewinnt, deren man schließlich nicht mehr Herr
werden kann. Insofern soll man vor den Maßregeln von einer
gewissen Schärfe nicht zurückweichen.
Vor acht Tagen hat einer der Herren Redner bereits be¬
mängelt, daß man der Hygiene zu sehr nachgäbe. Es mag ein
Felder sein, nicht nur bei der Bekämpfung tierischer, sondern
auch menschlicher Krankheiten, daß man die hygienischen Ma߬
regeln vielleicht hier und da etwas übertreibt, und es ist schon
darauf hingewiesen worden, daß wir in der Bekämpfung der
Tierseuchen einen wesentlichen Fortschritt erzielen würden,
wenn man bei der Haltung der Tiere wieder zu etwas natür¬
licheren Verhältnissen zurückkehren würde, und wenn wir von
solchen Maßnahmen, welche auf einen möglichst großen Ertrag
z. B. an Milch usw. berechnet sind, wieder abkommen und zu
natürlicheren Verhältnissen zurückkehren würden.
Manche Bestimmungen des Gesetzes sind in ihrer Be¬
deutung übertrieben worden. Es sind namentlich die §§ 6 und
6 a von verschiedenen Seiten scharf kritisiert worden. Aller¬
dings hat der Herr Abgeordnete Dr. Mugdan meines Erachtens
sehr zutreffend ausgefuhrt, daß man eigentlich nur bei dem
Übertritt der Tiere über die Grenze die Möglichkeit habe, die
Objekte der Ansteckung zu erfassen und zu isolieren, und daß
deshalb gerade die Abwehr von Seuchen vom Ausland her
mit besonderer Energie betrieben werden müsse. Ich möchte aber
doch darauf hinweisen, daß, wenn nach § 6 die Tiere und
Gegenstände, welche mit den Tieren Zusammenhängen, schon
im Verdachtsfalle vom Ausland ferngehalten werden sollen, ja
nicht beabsichtigt ist, ganze Kategorien von Tieren ohne
weiteres auf unbegründeten Verdacht hin abzusperren — diese
Besorgnis hatte namentlich Herr Abgeordneter Scheide mann —,
sondern daß Tatsachen vorhanden sein müssen, welche den
Verdacht der Ansteckung absolut rechtfertigen. Nun gebe ich
gern zu, daß ja auch gerade der Handel — der Lederhandel
ist vor acht Tagen erwähnt worden — belästigt werden kann.
Wenn Herr Dr. Mugdan gesagt hat, es sei bisher noch
niemals erwiesen worden, daß Leder einen Ansteckungsstoff
bilden könnte, so bin ich von meinen Herren Sachverständigen
90
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5
doch dahin belehrt worden, daß allerdings bei der Übertragung
von Milzbrand Fälle konstatiert worden sind, wo gerade durch
die zu Leder zu verarbeitenden Häute ein derartiger Stoff
weitergetragen" worden ist. Aber auch das sind alles Spezial-
fragen, die nur in der Kommission erörtert werden können, und
deren Besprechung im Plenum kaum von Nutzen sein würde.
(Sehr richtig!)
Ich will deshalb auch bei meinen eigenen Ausführungen
nur auf einige allgemeine Gesichtspunkte aufmerksam machen.
Über die Entschädigungsfrage ist heute und vor acht Tagen
gesprochen worden. Ich möchte bitten, die Entschädigungsfrage
außerordentlich vorsichtig zu behandeln. Nach dem bisherigen
Rechtszustande liegt die Sache so, daß im Reichsgesetz Ver¬
fügungen darüber getroffen werden, wann und wie hoch Ent¬
schädigung zu bewilligen ist, daß es aber der landesgesetzlichen
Regelung überlassen ist, zu bestimmen, wer die Entschädigung
aufzubringen hat, und in welcher Weise sie festzustellen ist.
Das entspricht den allgemeinen staatsrechtlichen Grundsätzen,
und es sind diese Grundsätze auch in der Konstruktioij des
Fleischbeschaugesetzes, sowie bei dem Gesetz zur Bekämpfung
der gemeingefährlichen Krankheiten beachtet worden. Diesen
Grundsatz gegenwärtig nicht zu verlassen, ist es um sö not¬
wendiger, weil wir durch die Ausdehnung der Entschädigung
auf die Fälle der Schweinekrankheiten, von Tuberkulose xusw.
der ganzen Frage der Entschädigung eine sehr viel größere
finanzielle Bedeutung gegeben haben, als sie bisher besitzt.
Ich möchte daher dringend bitten, an der grundsätzlichen Kon¬
struktion nichts zu ändern, und ich hoffe, wir werden uns in
der Kommission auch darüber verständigen können, daß die
Höhe der Entschädigung, wie sie für verschiedene Krankheiten
mit vier Fünfteln des Wertes usw. festgesetzt worden ist, die
zutreffende ist, und die gebührende Rücksicht einmal auf die
Entschädigungsberechtigten, andererseits auf die Entschädigungs¬
pflichtigen nimmt, deren beiderseitige Interessen von dem Ojesetz
wahrgenommen werden müssen.
Der Herr Abgeordnete Mugdan hat einen allerdings sehr
wichtigen Punkt noch aus dem Gesetz herausgegriffen, nkmlich
die Stellung der Tierärzte. Er hat beklagt, daß zu viel
Funktionen des Gesetzes dem beamteten Tierarzt zugewiesen
seien, während der frei praktizierende Tierarzt nicht heran¬
gezogen, infolgedessen in seinem Fortkommen eingeschränkt
werde, und die schließliche Folge sei die, daß der bisher be¬
stehende und beklagte Mangel an Tierärzten überhaupt durch
das Gesetz eher verschärft als gemildert werde. In gewisser
Beziehung gebe ich dem Herrn Abgeordneten Mugdan recht;
aber ich möchte bitten, zu bedenken, meine Herren, daß dem
Tierarzt — darauf hat bereits einer der Herren vor acht Tagen
hingewiesen — in dem bestehenden Gesetz eine Reihe sehr ein¬
greifender, für den Tierhalter unbequemer und lästiger Funktionen
zugewiesen worden ist, daß diese Eingriffe des Tierarztes, wenn
sie Erfolg haben sollen, schnell durchgeführt werden müssen.
Lag es da nicht für die verbündeten Regierungen nahe, solche
Funktionen demjenigen Tierarzt zu überweisen, den sie als
ihren Vertrauenstierarzt in den betreffenden Bezirken schon
jetzt haben und zu beschäftigen haben? Ich glaube nicht, daß
man es gut hätte anders machen können. Ich verweise auf die
Parallele, die wir auch bei den Menschenärzten, bei den
beamteten Kreisärzten haben. (Zuruf links.) Ich weiß, meine
Herren, auch in der Beziehung werden Klagen laut; aber, wenn
Sie sich auf die Seite der Bevölkerung stellen, die sich diese
Eingriffe von Ärzten, sei es von Menschen-, sei es von Tier¬
ärzten, gefallen lassen muß, so werden Sie begreifen, daß auch
die Bevölkerung den Wunsch hat: ja, wenn uns da mit so ein¬
greifenden Maßregeln gegenübergetreten wird, so wollen wir
eine Persönlichkeit haben, die kraft ihrer Amtsfunktion auch
eine höhere Verantwortung uns gegenüber zu tragen hat, als
der freie Arzt.
Es ist schließlich — ich glaube, es war der Herr Redner
der konservativen Fraktion — noch auf die Frage des Ab¬
deckereiwesens ein gegangen worden, die ja mit diesem Gesetz
nicht unmittelbar zusammenhängt, über die ich aber doch einige
ganz kurze Bemerkungen bei dieser Gelegenheit machen möchte.
Es wird namentlich in Preußen über den Zustand geklagt,
der sich an die bestehenden Abdeckereiprivilegien angeknüpft
hat, und es ist wiederholt gefordert worden, daß durch ein
Reichsgesetz diese Privilegien abgelöst werden müßten. Meine
Herren, ich bin der Meinung, daß ein Reichsgesetz dies schwer
tun könnte; das wird Sache der Landesgesetzgebung sein.
Dagegen glaube ich allerdings, daß in anderer Beziehung die
Reichsgesetzgebung Veranlassung hat, sich mit dem Abdeckerei¬
wesen zu beschäftigen.
Im vorigen Frühjahr hat der Herr Abgeordnete Fischbeck
diese Frage angeregt. Ich halte dafür, daß ein Reichsgesetz
Bestimmungen aufzustellen hätte, welche für die unschädliche
Beseitigung der Kadaver gefallener Tiere gewisse Mindest¬
forderungen sanitäts- und veterinärpolizeilicher Art für das
ganze Reich festsetzen, und in bezug auf die Abdeckerei¬
privilegien würde dieses Reichsgesetz die Möglichkeit schaffen
müssen, daß ähnlich, wie wir es bei den Schornsteinfegerkehr¬
bezirken, wie wir es bei dem Scblachthausbetriebe haben, unter
Einschränkung der Bestimmungen der Gewerbeordnung gewisse
Bezirke für die einheitliche Ausübung des Abdeckereigewerbes
in denjenigen Fällen festgelegt werden, wo Kommunalverbände
das Abdeckereiwesen in einer sanitär- und veterinärpolizeilich
absolut einwandfreien Weise in die Hand nehmen.
Ein Reichsgesetz, daß in diesen beiden Beziehungen ent¬
sprechende Vorschriften enthält, ist ausgearbeitet, es ist vom
Reichsgesundheitsamt begutachtet worden, und ich denke, ich
werde in kürzester Zeit in der Lage sein, wegen dieses Gesetzes
mit den übrigen Bundesregierungen in Verbindung zu treten.
Ich bitte, aus dieser meiner Mitteilung nur ersehen zu wollen,
daß diese Frage auch von mir weiter im Auge behalten wird.
Meine Herren, ich kann zum Schluß nur die Hoffnung aus¬
sprechen, daß es uns in der Kommission gelingen möge, Be¬
denken, wie sie bei der großen Zahl von Spezialbestimmungen
dieses Gesetzes naturgemäß hervortreten müssen, zu beseitigen,
und ich möchte daran die Bitte knüpfen, daß wir in der weiteren
Diskussion vielleicht auf diese Einzelheiten hier im hohen
Hause nicht eingehen. (Sehr richtig! rechts.) Aus dieser Bitte
entnehme ich für mich die Rechtfertigung, daß ich in den
wenigen Worten, die ich gesagt habe, nicht auf die Spezialien
eingegangen bin, die zum Teil von den Herren Vorrednern er¬
örtert worden sind. (Bravo!) (Schlußbericht folgt.)
Erklärung des preußischen Herrn Ministers für Landwirtschaft über die
Promotionsfrage.
Im preußischen Abgeordnetenhause ist am 20. Januar 1908
die Verleihung des Promotionsrechts an die tierärztlichen Hoch-
30. Januar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
91
schulen von den Abg. DDr. Heisig und Müller berührt worden,
wobei der erstere (in einer für unsere Ziele übrigens nicht ganz
erwünschten Weise) auf die in Sachsen getroffene Einrichtung
hingewiesen hat.
Daraufhin hat der Herr Landwirtschaftsminister nach dem
Stenogramm folgendes erwidert:
„Die Frage des Promotionsrechte.8 ist in erster
Linie Sache des Herrn Kultusministers. Die Vor¬
gänge in Sachsen aber werden mich veranlassen —
ich beabsichtigte dies schon sowieso zu tun — mit
dem Kultusminister mich in Verbindung zu setzen, und
ich muß abwarten, welches Resultat die Verhand¬
lungen haben werden. Eine Erklärung kann ich vor¬
läufig nicht abgeben.“
Zur Verhütung einer mißverständlichen Auffassung des
durch den Abgeordneten Dr. Heisig provozierten Hinweises
auf Sachsen kann aus zuverlässiger Quelle mitgeteilt werden,
daß das in Sachsen vollzogene Kompromiß zwischen Tierärzt¬
licher Hochschule und Universität nicht das Ziel für die in
Preußen seitens des Landwirtschaftsministeriums anzuknüpfenden
Verhandlungen bilden wird.
Königs-Geburtstags-Feier.
Die Tierärztliche Hochschule zu Berlin feierte den Geburts¬
tag Seiner Majestät des Kaisers und Königs durch einen Fest¬
akt in der Aula, an dem teilnahmen vom Ministerium für
Landwirtschaft Unterstaatssekretär Conrad, Ministerialdirektor
Küster, Geheimer Oberregierungsrat Schröter, Geheimer
Regierung8rat Dr. Hesse, Regierungsrat Heilig, Veterinärrat
Nevermann, Assessor Dr. v. Wagenhof, der Präsident des
Kaiserlichen Gesundheitsamtes Dr. Bumm mit dem Direktor
Geheimrat Dr. Ostertag und dem Regierungsrat Wehrle,
Korpsstabsveterinär Prof. Schwarznecker für die Inspektion
des Militär-Veterinärwesens. Auch der frühere Unterstaats¬
sekretär Exzellenz Sterneberg und Professor Munk, sowie
eine größere Zahl von Gästen beehrten die Hochschule mit
ihrer Teilnahme. Die Festrede hielt Professor Dr. Eberlein
über die Entwicklung und Aufgaben des chirurgischen Unter¬
richts. Daran schloß sich die Mitteilung, daß den Studierenden
Walter und Schulze je ein Preis von 150 M. für die von
ihnen verfaßten Bearbeitungen der im Jahre 1907 gestellten
Preisaufgaben zugesprochen worden ist, sowie die Verkündung
der neuen Aufgaben. Ein Doppelquartett des Königlichen Dom¬
chores begann und schloß die Feier mit Gesängen.
Der Kaiser-Geburtstags-Kommers der Studentenschaft hatte
am 21. Januar stattgefunden.
Militaria.
Der Inspekteur des Militärveterinärwesens, Herr Oberst¬
leutnant Dreher, ist am Geburtstag Seiner Majestät zum
Obersten befördert worden.
Oatertag-Feler.
Anläßlich der in Nr. 52, Jahrg. 1907 der B. T. W. ver-
öffentHchten Aufforderung zur Teilnahme an einer für den •
Professor Dr. Ostertag zu veranstaltenden Abschiedsfeier sind
einzelnen Komiteemitgliedern mehrfach Anfragen zugegangen,
warum so frühzeitige bindende Erklärung mit Einsendung des
Betrages verlangt werde, da man so lange vorher die Möglichkeit
der Teilnahme Bchwer feststellen könne.
Hierzu ist zu bemerken, daß die Anzahl der Teilnehmer
sich auch nicht annähernd abschätzen ließ, daß aber davon
namentlich die Auswahl des Festraumes abhängig ist, und daß
dem Wirt auch bestimmte Zusicherungen über die Teilnehmer¬
zahl gemacht werden müssen. Inzwischen hat sich die Saal¬
frage soweit lösen lassen, daß die Anmeldefrist noch bis
zum 15. Februar (dies jedoch als äußerste Zeit) verlängert
werden kann. Doch wird nochmals gebeten, daß die Herren,
welche die Teilnahme beabsichtigen, diese doch baldmöglichst
an Herrn Obertierarzt Henschel-Berlin (s. B. T. W. 1907,
S. 962) mitteilen. Herren, welche nachträglich verhindert sind,
wird der von dem einzusendenden Betrag nach Berechnung der
allgemeinen Kosten verbleibende Rest zurückerstattet werden.
Schmaltz.
Bericht über die Sitzung der „Tierärztlichen Gesell¬
schaft zu Berlin“
am Montag, den 20. Januar 1908, abends 8 Uhr, im „Spaten“.
Der stellvertretende Vorsitzende, Prof. Kärnbach, eröffnet die
Sitzung um 9 Uhr mit Begrüßung der Anwesenden. Zu Punkt 1
der Tagesordnung „Vereinsangelcgenheiten“ wird zunächst Herr
Dr. Titze in geheimer Abstimmung als Mitglied aufgenommen.
Darauf erstattet der stellvertretende Vorsitzende den Jahresbericht.
Hiernach zählte die Gesellschaft am Ende des Jahres 1907 im
ganzen 131 Mitglieder, und zwar 116 ordentliche, 12 Ehrenmitglieder
sowie 3 korrespondierende. Im Laufe des Jahres 1907 verlor der
Verein durch den Tod Herrn Stabsveterinär a. D. Luch hau;
infolge Übernahme einer Kreistierarztstelle schied ferner Herr
Nitzschke aus. Es fanden sechs Vereinssitzungen statt, die
hauptsächlich durch wissenschaftliche Vorträge nebst daran an¬
schließenden Diskussionen und durch „Mitteilungen aus der Praxis“
ausgefüllt wurden. Die Vereinskasse weist einen Bestand von
218 M. auf. Nach Prüfung der Beläge durch die zwei Revisoren
wird dem Kassenwart Entlastung erteilt. Darauf berichtet Herr
Lehnig im Aufträge der Vergnügungskommission über das am
17. Februar zu veranstaltende Winterfest, das in einem Ball mit
Souper bestehen soll. Sodann spricht Polizeitierarzt Borch-
mann Uber „Die animalische Nahrungsmittelkunde und
außerordentliche Fleischbeschau als besonderer Lehr¬
gegenstand der Tierärztlichen Hochschulen“. Auf Grund
dieses Vortrages, der mit großem Beifall aufgenommen wird und
eine angeregte längere Diskussion auslöst, faßt die Gesellschaft
einstimmig folgenden Beschluß:
1. Die Tierärztliche Gesellschaft zu Berlin erblickt in der Über¬
wachung des Marktverkehrs mit animalischen Nahrungsmitteln
einschließlich der außerordentlichen Fleischbeschau eine
dringende Aufgabe der öffentlichen Gesundheitspflege.
2. Zu ihrer technischen Ausführung sind mit Rücksicht auf den
Ursprung dieser Nahrungsmittel an erster Stelle Tierärzte
berufen.
3. Zwecks einheitlicher und wirksamer Durchführung‘hält
die Gesellschaft die Einführung der gesamten animalischen
Nahrungsmittelkunde einschließlich der außerordentlichen
Fleischbeschau, sowie der Auslandsfleischbeschau als be¬
sonderen Lehrgegenstand der tierärztlichen Hochschulen
für ein zeitgemäßes und dringendes Bedürfnis.
4. Die Gesellschaft beschließt, diese Anregung sämtlichen tier¬
ärztlichen Vereinen zu unterbreiten.
Der Vortrag selbst wird in dem Februarheft der Zeitschrift für
Fleisch- und Milchhygiene veröffentlicht werden.
Im Anschluß hieran referiert Herr Borchmann über den in
Nummer 36 der B. T. W. vom 5. September 1907 veröffentlichten
Beschluß des tierärztlichen Provinzial-Vereins für Schleswig-Holstein
betreffend die tierärztliche Milchkontrollo. Die Gesellschaft
schließt sich nach den Ausführungen des Herrn Borchmann ein¬
stimmig diesem Beschlüsse an, mit der Ergänzung, daß ein be-
92
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5.
sonderer Lehrstuhl für Milchhygiene an den tierärzt¬
lichen Hochschulen eingerichtet werden möge.
Zu Punkt 2 der Tagesordnung ergreift nun das Wort Herr
Prof. Dr. Kärnbach zu seinem Vorträge: „Einiges über
Nasentumoren beim Pferd“. Da der Vortrag in der Fach¬
presse veröffentlicht werden wird, erübrigt sich ein Referat des¬
selben an dieser Stelle. An den mit großem Beifall aufgenommenen
Vortrag schließt sich eine Diskussion an. Darauf folgen Mit¬
teilungen aus der Praxis. Schluß der Sitzung ID/a Uhr.
I. A.: Dr. Goldstein, Schriftführer.
Protest!
Der in der Nr. 37 der I^T. W. zur Veröffentlichung gelangte
Bericht der Frühjahrsversamiulung Rheinpreußischer Tierärzte ent¬
hält eine Resolution, welche das Verhalten des Korps Holsatia
einer unseres Erachtens nicht gerechtfertigten Kritik unterzieht.
Das Unterzeichnete Korps vertritt den Standpunkt, daß derartig
interne Angelegenheiten nicht in die Öffentlichkeit gehören. , Ein
öffentlicher Angriff verlangt jedoch öffentliche Zurückweisung. Die
Gründe ihrer Verspätung sind in Nr. 52 der B. T. W. dargelegt
worden.
Vorerst müssen wir dem Verein Rheinpreußischer Tierärzte
bezüglich seiner Resolution entgegenhalten, daß für einen Ehren¬
mann nicht der Charakter einer Angelegenheit — sei diese nun
persönlicher oder geschäftlicher Natur—, sondern nur die Art der
Behandlung dieser Angelegenheit durch die Beteiligten
maßgebend sein darf. .
Das Korps Holsatia vertritt die seinerzeit in dem Ehrenhandel
Wigge contra Sehe 1 Ibase getroffene Entscheidung auch heute
noch mit aller Entschiedenheit, als das Resultat eingehender Infor¬
mationen und Beratungen, bei denen vor allem das Urteil mehrerer
in der Praxis stehender A. H. A. H. hinzugezogen wurde. Wir
vermögen dem Herrn Referenten des Vereins Rheinpreußischer
Tierärzte, der die von Herrn Wigge gewählte Art der Kündigung
als „geradezu vornehm“ bezeichnet, nicht zuzustimmen. *
Wir halten den Inhalt des die Kündigung übermittelnden Briefes
vielmehr für beleidigend und stellen dies durch seine Veröffentlichung
dem Urteil der Leser anheim. Der Brief lautet: \
Düsseldorf, den 18 Juni 1906. Werter Herr Kollege! t
Kurz nach Ihrer Ankunft vor einem Vierteljahr sprach ich mit
Ihnen, wie Sie sich erinnern werden, des näheren über Ihre Ver¬
tretung bzw. Assistenz und über unser Verhältnis zueinander. Ich
bat Sie damals, bis zum 1. Oktober d. J. zu bleiben und betonte
dabei ausdrücklich, daß ich die persönliche Freiheit eines jeden
von uns für selbstverständlich betrachtete.
Von dieser ausbedungenen Freiheit mache ich nun insofern
Gebrauch, als ich Sie mit dem heutigen Tage von allen Ver¬
pflichtungen entbinde und unsere Abmachung von Stunde an löse.
Ich habe deshalb für den heutigen Tag bereits Herrn Kollegen
Bath mit meiner Vertretung beauftragt.
Ohne hier näher auf die Gründe meines allmählich zwingend
notwendig gewordenen Schrittes einzugehen, möchte ich im- all¬
gemeinen jedoch bemerken, daß meine Kunden bei den Bestellungen
Ihre Vertretung durchweg vollständig ablehnten und zwar in
letzter Zeit noch weit mehr als zu Anfang. Schon aus diesem
Grunde ist ja schließlich jede Vertretung, jede Assistenz illusorisch!
Sonstige Ursachen meines jähen Abbruchs unserer Beziehungen
anzuführen, möchte ich unterlassen, es würde kaum opportun sein.
Aber anführen möchte ich doch, daß für die Praxis, vielmehr für
den wirklichen Praktiker es großer Energie bedarf, auch gegen sich
selbst, daß intensiver, rücksichtsloser Fleiß und großes Interesse
für den Beruf notwendig ist, sonst-wird Ihnen die Zukunft
eine Antwort geben, die ich heute unterlassen möchte.
Um Ihnen nun für die allernächste Zeit den Weg zu ebnen,
überlasse ich Ihnen das bis zum 1. Juli vorausbezahlte Honorar
(zirka 80 M.) bedingungslos. Dabei erwarte ich allerdings sofortige
Räumung meines Hauses und vielleicht auch unauffälligen Abschied
bei Pfäifle. Eine Aussprache mit mir bitte ich zu unterlassen,
sie würde doch kein Resultat ergeben.
Ich versichere Ihnen übrigens zum Schluß, daß ich es herzlich
gut mit Ihnen gemeint habe und lebhaft bedaure, daß mir nur
dieser Weg übrig blieb. Aber leider gab es keinen anderen Ausweg,
ohne daß ich mein eigenes Interesse gänzlich geopfert hätte.
Ehr ^r ferneres Leben wünsche ich Ihnen alles Gute und hoffe,
daß Sie trotz meines Vorgehens noch oft und gern an Düsseldorf
zurückdenken werden. Leben Sie wohl! Ihr C. Wigge.
Verantwortlich für den Inhalt (uxkl. Inseratenteil): I'rof. Dr. Scl.maltz in Berlin.
Druck von W. 1
Da Herrn Schellhase durch die brüske Ablehnung jeder
mündlichen Aussprache die Möglichkeit einer friedlichen Recht¬
fertigung genommen war, glaubte er sich zur Forderung berechtigt.
Ob wir das Vorgehen des Herrn Schellhase billigen oder nicht,
Ist für die vorliegenden Erörterungen völlig gleichgültig. Jedenfalls
ergibt sich keine Berechtigung, die Auffassung des Herrn Schell¬
hase ohne weiteres mit der unseren zu identifizieren, wir weisen
deshalb die in der Resolution enthaltene Unterstellung, daß das
Korps Holsatia das Verhalten des Herrn Schellhase „gutgeheißen“
habe, zurück.
Für Rechtfertigung uöseres Standpunktes ist in erster Linie
die Tatsache maßgebend, daß Herr Wigge die ihm tiberschickte,
durchaus nicht jeder Begründung entbehrende Forderung abgelehnt
hatte. Nach unserer akademischen Auffassung hätte nicht eine
Ablehnung erfolgen dürfen, sondern ein Ehrengericht darüber zu
entscheiden gehabt. Uns blieb daher nach studentischen Grund¬
sätzen nur die peinliche Schlußfolgerung zu ziehen.
Späterhin haben wir uns überdies auf dem hiesigen S. C. bereit
gefunden, unsere Herrn Wigge gesandte Erklärung zurückzunehmen,
im Hinblick darauf, daß dieser vermutlich als älterer, dem couleur¬
studentischem Leben fernstehender Praktiker sich nicht absichtlich
in Gegensatz zu unserer Auffassung gestellt habe. Eine Änderung
unserer prinzipiellen Auffassung ist — das betonen wir ausdrücklich
— mit jener Zurücknahme nicht verbunden gewesen.
Die unter der Signatur „besonders interessant“ stehende Mit¬
teilung des Herrn Referenten, daß nämlich einem unserer A H. A. II.
wegen seiner Verwendung für Herrn Wigge das Band entzogen
worden sei, ist unrichtig. Den wahren Grund der Entlassung zu
nennen, lehnen wir selbstverständlich ab.
Zum Schluß müssen wir der Auffassung Ausdruck geben, daß
wir auch einen tierärztlichen Verein nicht für berechtigt halten, die
Stellung einer studentischen Korporation in dieserWeise zu kritisieren.
Korps Holsatia, Berlin.
Personalien.
Ernennungen: Tierarzt Dr. lilxe zum Kaiserlichen Regierungsrat
und Mitglied des Gesundheitsamts; Tierarzt Hugo Rosenkranx-
Teisendorf (Bayern) zum Distriktstierarzt; Piltx, Assistent am Ana¬
tomischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin, zum
Prosektor.
Examlnia: Promoviert: Die Tierärzte Albert Sonncnbrodt, Pro¬
sektor am Anatomischen Institut der Tierärztlichen Hochschule in
Berlin und Alexander Wolff aus Dransfeld zum Dr. med. vet. in
Gießen. — Die kreistierärztliche Prüfung haben bestanden:
Die Tierärzte Jacobi aus Tostedt, Möllmann aus Hannover, Dr. Horn
aus Leipzig, Dr. Behrens aus Berlin, Osterburg aus Dresden, Jffland
aus Lankwitz. — Approbiert: Die Herren Arthur Bernert aus
Grottkau, Wilhelm Lindt aus Nortorf, Adolf Zeniecki aus Dirschen,
Johann Zniniewicx aus Posen in Berlin.
Todesfall: Kreistierarzt Dr. Paul Jeß- Charlottenburg.
Vakanzen, (vgi. Nr. 1.)
Krelstlerarztstelle : Reg.-Bez. Potsdam: Jüterbog-Lucken¬
walde: mit Wohnsitz in Jüterbog. Bewerb, bis 22. Februar a. d.
Regierungspräsidenten.
Bezirkstierarztstelle: Gotha: Stadt- und Landratsamtsbezirk
Ohrdruf: Bewerb, bis 5. Februar a. d. Herzoglich Sächsische
Staatsministerium.
Schlachthofstellen: Essen: Tierarzt zum 1. April. Gehalt
2900—4700 M. Bewerb, bis 10. Februar a. d. Oberbürgermeister. —
Frankfurt a. M.: Tierarzt alsbald. Gehalt 2500 M. Bewerb, bis
1. Februar a. d. Direktion des städt. Schlacht- und Viehhofes. —
Bad Kreuznach: Assistenztiorarzt zum 1. April. Gehalt 2400 M.
Bewerb, a. d. Direktion des städt. Schlachthofes.
Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz in Berlin,
xensti in, Herlin.
Di« „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlege von Richard Schoetz in
Berlin ßW. 48. Wilhelmstr. 10. Durch jeden deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich <M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. ffir Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (Österreichische Post-Zeitunga-
Preialiste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Originalbuiträge werden mit 60 Mk., in Petitsatz mit
00 Mk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Scbmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., Luisenstrafle 60. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
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Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion-
Professor Pr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Oe Bruln
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Utrecht.
Glage
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Hamburg.
Veterinftrrat Dr. Lothes
Departementstierarzt
Cöln.
Dr. Richter
Professor
Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder
Professor
Dresden.
Dr. Schlegel
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Freiburg i. Br.
Prof. Dr. Peter
Kreistierarzt
Angermünde.
Dr. J. Schmidt
Professor
Dresden.
Veterinärrat Peters
Departementstierarzt
Bromberg.
Reg.-Rat Dr. Vogel
Landestierarzt ▼. Bayern
München.
Veterinärrat Preuße
Departementstierarzt
Danzig.
Zündel
Kreistierarzt
Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908. _ J\fg. 6. _ Ausgegeben am 6. Februar.
Inhalt: Warringsholz: Die Bekämpfung des Milz- und Rauschbrandes durch Schutzimpfungen. — Bugge: Schutzimpfung
gegen die Hämoglobinurie des Rindes. — Referate: Marek: Die akute Magenerweiterung der Pferde und ihre Be¬
handlung. — Breton: Intraperitoneale Chloralhydratinjektionen in der Behandlung von schweren Koliken beim Pferd. —
Rörik: Berechnung der Oberfläche der Uteruskarunkeln (Semiplacenta materna) beim Rind. — Dörrwächter: Zur Bekämpfung
des Rotlaufs der Schweine. — Pekaf: Impfung gegen Schweineseuehe mit Suptol nach Dr. Burow. — Erdös und Koppänyi:
Über die Tcnazität des Bacillus suisepticus und des Bacillus suipestifer. — Grabert: Zur Herkunft des Bacillus suipestifer.
Berger: Vergleichende Untersuchungen über den Bacillus pyogenes bovis und den Bacillus pyogenes suis. — Sziläscyi:
Toxische Hämoglobinämie, hervorgerufen durch Rostpilze. —* Geßner: Blutungen in der Hornkapsel. — Seyfert: Abnorme
Lage des Herzens bei einem Kalbe. — Habacher: Chronische Urämie infolge primären Carcinoma der linken Niere bei einem
Hunde. — Tagesgeschichte: Die erste Lesung des Vieseuchengesetzes. (Schluß.) — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen : Vieh¬
seuchengesetznovelle im Reichstag. — Hohmann: Der Viehhandel in seinen verschiedenen Formen als Quelle der Seuchen-
verbreituirg und die Vorbeugungsmaßnahmen. — NahrungsmittelkuiKle, Fleischbeschau und Viehhandel: Vorstands-Sitzung des Vereins
preußischer Schlachthoftierärzte. — Personalien. — Vakanzen.
Die Bekämpfung des Milz- und Rauschbrandes durch
Schutzimpfungen.
Vortrag, gehalten auf der Versammlung der beamteten Tierärzte des
Regierungsbezirks Schleswig am 8. Januar 1908
von "Kreistieraret Dr. Warrlngsholz-Hei(fe i. if.
Die Bekämpfung des Milz- und Rauschbrandes ist für den
Regierungsbezirk Schleswig von besonderer Wichtigkeit, da er
von allen preußischen Regierungsbezirken am stärksten von
diesen Seuchen betroffen ist. Der jährliche Verlust, berechnet
nach den vom Provinzialverband gezahlten Entschädigungen, be¬
trug im Jahre 1906 mindestens 250 000 M., etwa a / 5 der Ver :
luste wurden durch Milzbrand, 3 /s durch Rauschbrand verursacht.
Es ist daher naheliegend, die Schutzimpfung, die sich gegen
andere Seuchen, besonders gegen Rotlauf, so vorzüglich bewährt
hat, auch gegen Milzbrand und Rauschbrand zu versuchen. Ihre
Einführung stößt jedoch auf Schwierigkeiten, die bedingt sind
durch das sporadische Auftreten der Seuchen, so werden z. B.
bei Milzbrand in mehr als 80 Proz. der überhaupt betroffenen
Gehöfte nur je ein Krankheitsfall konstatiert. Es ergibt sich
hieraus, daß eine allgemeinere Einführung der Schutzimpfung
wegen der dadurch entstehenden zu hohen Kosten nicht rationell
wäre. Die Kosten der Impfung würden in keinem Verhältnis
zu dem durch die Seuchen verursachten Schaden stehen.
Daher kann die Milzbrandschutzimpfung nur bei
denjenigen Tierbesitzern eingeführt werden, die regel¬
mäßig Verluste durch diese Seuche erleiden, oder in
solchen Fällen, wenn die Gefahr der Ansteckung be¬
steht, z. B. infolge einer Notschlachtung eines milz¬
brandkranken Tieres. Als Impfmethoden kamen in Betracht
die Pasteursehe Schutzimpfung mit abgeschwächtem Virus
und die Schutzimpfung mit Immunserum und Kulturen nach
Sobernheim. Ich selbst hatte wegen des seltenen Vorkommens
des Milzbrandes im Kreise Norderdithmarschen noch keine Ge¬
legenheit, die Milzbrandschutzimpfung zu versuchen.
Rauschbrand tritt dagegen besonders stark in einigen Kreisen,
und in ihnen wiederum hauptsächlich in einigen Gemeinden auf.
So wurden im Jahre 1906
in den Kreisen Norderdithmarsclien 140
71
Schleswig
133
r v
„
Husum
95
r v
V
Tondern
88
„ r
r
Hadersleben
82
?? i?
71
Rendsburg
68
w n
*
Apenrade
55
v> r
n
Süderdithmarschen
und Flensburg 48 Fälle
von Rauschbrand entschädigt. Bei diesem in der Hauptsache auf
bestimmte Distrikte beschränkten Vorkommen des Ranschbrandes
besteht von vornherein für die Schutzimpfung mehr Aussicht auf
Erfolg. Eine allgemeine Einführung der Rauschbrandschutz¬
impfung wäre aber auch in den am stärksten betroffenen Kreisen
zu kostspielig, sie würde z. B. für den Kreis Norderdithmarschen
in den ersten Jahren 25—30000 M. kosten, sie dürfte daher
nnr in denjenigen Gemeinden, die besonders stark durch
Rauschbrand zn leiden haben, bei sämtlichen Rindern
im Alter von V*—3 Jahren vorgenommen werden, in
allen anderen Gemeinden nur bei denjenigen Besitzern,
die regelmäßig Verluste durch diese Seuche erleiden.
Ich werde nachher durch die im Kreise Norderdithmarschen
vorgenommenen Impfungen zeigen, daß es möglich ist, auf diese
Weise den Rauschbrand zn bekämpfen. Von den verschiedenen
Impfmethoden hat nur diejenige von Arloing, Cornevin und
Thomas mit abgeschwächtem Virus entweder als zweimalige
Impfung (Lyoner Methode) oder als einmalige (Kittsehe Me¬
thode) eine größere Verbreitung erlangt. In neuerer Zeit ge¬
winnt die Impfung nach Thomas mit Blacklegine an Bedeutung.
Sie besteht darin, daß mit abgeschwächtem Virus durchsetzte
Seidenfäden mit einer besonders konstruierten Impfnadel in die
94
Unterbaut des Schwanzes eingeführt werden. Auf diese Me¬
thoden werde ich noch weiter unten eingehen.
Rauschbrandschutzimpfungen im Kreise Norderditli-
marschen.
Mein Impfplan war folgender: In den Gemeinden Wedding¬
stedt und Feddringen, in denen die meisten Rauschbrandfälle
Vorkommen — im Jahre 1906 0,57 Proz. bzw. 0,58 Proz. der
gesamten Rindviehbestandes — sollten alle Rinder von V a bis
3 Jahren unentgeltlich geimpft werden, deren Besitzer sich zur
Impfung bereit erklärten, in allen anderen Gemeinden nur die
Jungrinder derjenigen Besitzer, die regelmäßig Verluste durch
Rauschbrand erleiden, und zwar war beabsichtigt, in der Ge¬
meinde Weddingstedt die Impfung mit Blacklegine nach Thomas,
in der Gemeinde Feddringen die Impfung mit Berner Impfstoff
nach der Methode Arloing, Cornevin und Thomas für zwei¬
malige Impfung (Lyoner Methode), in den übrigen Gemeinden
denselben Impfstoff aber für einmalige Impfung (Kittsehe Me¬
thode) zu verwenden. Da erst Ende April die Mittel zur
Impfung zur Verfügung gestellt wurden, mußte von der zwei¬
maligen abgesehen werden, weil die Besitzer die Rinder zur
Weide bringen mußten und dadurch eine zweimalige Impfung [
sehr erschwert wurde. Überhaupt kann in Zukunft von der
zweimaligen Impfung abgesehen werden, da mir Herr Professor
Dr. Guillebeau, in dessen Institut der Schweizer Impfstoff
hergestellt wird, mitgeteilt hat, daß sich in der Schweiz die
einmalige Impfung so gut bewährt, daß er bis zum 24. April
v. J. 28 000 Dosen für einmalige und nur 4000 Dosen für zwei¬
malige Impfung ausgegeben hat.
Zahl der Impfungen.
Die Zahl der Impfungen ist verhältnismäßig gering und
zwar aus dem Grunde, weil erst am 30. April damit begonnen
werden konnte und anfangs Mai in unserer Gegend die Jung¬
rinder zur Weide gebracht werden. Der Unbequemlichkeit der
Impfung auf der Weide wollten sich die meisten Besitzer nicht
unterziehen.
Es wurden 482 Rinder geimpft, 317 Vs—2 jährige, 165 über
2 Jahre alte. Mit Blacklegine wurden 406 Rinder geimpft, mit
Schweizer Impfstoff für einmalige Impung 76. In Feddringen
betrug die Zahl der geimpften Tiere 8,8 Proz. des gesamten
Rindviehbestandes, in Weddingstedt 6,5 Proz., in den übrigen
Gemeinden schwankte die Zahl der Impfungen zwischen 0,1
bis 0,9 Proz.
Ergebnis der Impfungen.
Während im Jahre 1906 von mir 140 Fälle von Rausch¬
brand festgestellt wurden, ging im Jahre 1907 die Zahl der
RauBchbrandfälle auf 72, also nahezu auf die Hälfte zurück.
Der Kreis Norderdithmarschen hatte im Jahre 1906 die höchste
Ranschbrandzahl unter allen Kreisen unserer Provinz, jetzt steht
er an vierter Stelle. Im Jahre 1906 wurden 17369 M. Ent¬
schädigung vom Provinzialverband gezahlt, im Jahre 1907 noch
nicht ganz die Hälfte, nämlich 8567 M. Am stärksten fiel die
Mortalität in den beiden Gemeinden Feddringen und Wedding¬
stedt, in denen am meisten geimpft worden ist. In der ersteren
Gemeinde fiel die Zahl der Rauschbrandfälle von sechs oder
0,58 Proz. des Rindviehbestandes, nach der Impfung auf zwei
oder 0,19 Proz., in der letzteren von 20 oder 0,57 Proz. auf
sechs Fälle oder 0,17 Proz. Es ist allerdings infolge des kalten
Sommers in einigen Gemeinden, in denen wenig oder gar nicht
geimpft worden war, eine Abnahme des Rauschbrandes zu kon¬
No. 6.
statieren gewesen, ebenso haben wegen der für die Entwicklung
des Rauschbrandes ungünstigen Witterung in den meisten
Kreisen des Regierungsbezirks die Rauschbrandfälle im Jahre 1907
abgenommen, aber daraus, daß in keinem Kreise diese
Abnahme die Höhe erreicht hat, wie im Kreise Norder¬
dithmarschen, ferner daraus, daß in diesem Kreise
in den Gemeinden, in denen am meisten geimpft
worden war, der Rauschbrand am stärksten zürück-
gegangen ist, läßt sich schließen, daß die Abnahme
der Rauschbrandfälle im Kreise Norderdithmarschen
hauptsächlich auf die vorgenommenen Schutzimpfungen
zurückzuführen ist.
Ergebnisse betreffend die Impfmethoden.
Bei beiden Methoden kam kein Fall von Impf- oder Spontan¬
rauschbrand vor, ebensowenig sind nachteilige Folgen beob¬
achtet worden, abgesehen von einem Kalbe, bei dem einige
Wochen nach der Impfung mit Blacklegine ein trockenes Ekzem
am Rücken auftrat, das sich nach vorn bis zum Kopf fortpflanzte
und zur Nekrose der Ohrenspitzen führte. Das Kalb blieb aber
nicht in der Entwicklung zurück. Ob diese Hautkrankheit, die
ich zum ersten Male sah, eine Folge der Impfung ist, ist wohl
fraglich.
Über die Dauer des Impfschutzes läßt sich noch kein ab
schließendes Urteil abgeben, bisher haben beide Methoden in
dieser Beziehung dasselbe geleistet. Nach den Angaben des
Tierarztes Thomas, des Erfinders der Impfung mit Blacklegine,
ist sein Verfahren dadurch wirksamer, daß sich um die unter
der Haut belassenen Impffäden eine Rauschbrandkultur ent¬
wickelt, die lange Zeit hindurch eine fortdauernd immunisierende
Wirkung aUf^das geimpfte Tier'nn&ttbt; er 'konnte in ethem Falle
noch 328 Tage nach der Impfung virulente Sporen und Bazillen
zwischen den Seidenfäden nach weisen. Wenn diese Angaben
sich in der Praxis als zutreffend erweisen werden, so ist die
Impfung mit Blacklegine den anderen Methoden vorzuziehen.
Ihre Vorzüge sind: Einfachheit und Sauberkeit der Impfung,
das Impfmaterial, die mit sporenhaltigera Impfstoff durchsetzten
Seidenfäden, sind fertig, es ist nur nötig, sie in der Impfnadel
zu befestigen, was nach einiger Übung sehr leicht ist, und den
Metallknopf, der die Fäden zusammenhält, abzuschneiden. Dann
werden die Fäden mit der Impfnadel in das subkutane Binde¬
gewebe des Schwanzes etwa 20 cm von der Spitze eingeführt.
Der einzige Nachteil ist der verhältnismäßig hohe Preis von
50 Pf. pro Dosis. Demgegenüber hat die Impfung mit Schweizer
Impfstoff, das ist abgescbwächter Impfstoff nach der Methode
Arloing, Cornevin und Thomas, sowohl die zweimalige
(Lyoner Methode) als auch die einmalige (Kittsehe Methode)
folgende Nachteile: Der Impfstoff muß jedesmal für zehn Rinder
zubereitet werden; dadurch ist man gezwungen, wenn man ohne
Assistenz impft, die Impfung zu unterbrechen. Es besteht auch
die Gefahr, daß beim Verreiben des Impfstoffes mit Wasser,
das sehr gründlich geschehen muß, virulentes Impfmaterial ver¬
spritzt wird. Ferner besteht die Möglichkeit, daß etwas Impf¬
material trotz gründlichen Massierens aus der Impfwunde her¬
ausfließt. Ein weiterer Nachteil ist die Notwendigkeit des Vor¬
stechens mit einem Troikart, hierdurch werden die Tiere sehr
unruhig und wollen dann bei der nachfolgenden Injektion des
Impfmaterials nicht stehen. Die nach dem Vorstechen nicht
seltenen Blutungen, durch die man gezwungen wird, die Impfung
des betreffenden Tieres aufzuschieben, verzögern das Impf-
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
6. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
95
geschäft. Unbequem ist auch, daß die Impfspritze fortwährend
geschüttelt werden muß, um ein Absetzen des Impfmaterials zu
verhindern. Die Thomas sehe Impfung mit Blacklegine be¬
steht nur aus einem Impfakt, der wenig schmerzhaft ist und
bei einiger Übung so schnell vor sich geht, daß die Tiere nur
geringen Widerstand leisten.
Kennzeichnung der Tiere.
Die Kennzeichnung der Impftiere geschah bei der Impfung
mit Blacklegine am rechten Ohr, bei der Impfung mit Schweizer
Impfstoff am linken, und zwar anfangs durch Einschnitte, später
mit einer besonders konstruierten Lochzange, mit der Löcher in
Form eines lateinischen I in das Ohr eingeschnitten wurden.
Diese Kennzeichnung erwies sich als sehr zweckmäßig, und es
wäre wünschenswert, wenn sie für alle in unserer Provinz gegen
Rauschbrand geimpften Rinder eingeführt würde, damit geimpfte
Tiere, die aus einem Kreis in den anderen kommen, überall als
solche erkannt werden können.
Bei den bisherigen günstigen Erfolgen der Rauschbrand¬
schutzimpfungen ist die Hoffnung berechtigt, daß es möglich ist,
auf diese Weise die Seuche ohne übermäßige Kosten zu be¬
kämpfen, besonders wenn mit der Schutzimpfung die Vernichtung
der Rauschbrandkadaver in einwandfreien Abdeckereien Hand
in Hand geht. Diese Abdeckereien müßten von den einzelnen
Kreisen betrieben werden, da die Privatunternehmer andere
Interessen als die der Seuchentilgung haben.
Es wäre wünschenswert, daß von weiterer Einführung der
Rauschbrandschutzimpfnng im Regierungsbezirk Schleswig die
Impfver8uclie im Kreise Norderdithmarschen mit staatlicher
Unterstützung fortgesetzt würden.
Schutzimpfung gegen die Hämoglobinurie des Rindes.
Von Dr. Bugge, Vorsteher des Tierseucheninstituts der Landwirt¬
schaftskammer zu Kiel.
Smith und Kilborne hatten durch ihre Untersuchung über
das Texasfieber in Amerika sowohl die Ursache dieser Krankheit
als auch bald darauf eine Immunisierungsmethode gegen diese
Krankheit gefunden. Es war ihnen gelungen, gesunden Tieren
durch die Übertragung von Blut der Rinder, die das Texasfieber
überstanden hatten, einen gewissen Schutz zu verleihen. Diese
Befunde wurden in den folgenden Jahren von Schröder,
Hellens, Koch, Tidswell und Pound bestätigt. Letzterer
hielt besonders Blut von kranken und genesenen Kälbern nach
einer gewissen Frist für den geeignetsten Impfstoff. Er spritzte
defibriniertes Blut von Kälbern in Mengen von 5 ccm den Impf¬
tieren unter die Haut. Es trat meist eine leichte, schnell
vorübergehende Erkrankung ein, der nur ein geringer Prozent¬
satz der geimpften Rinder erlag. Während des Weideganges
überstanden in der Regel die geimpften Tiere die natürliche
Infektion.
Von Kossel, Schütz, Weber, Mießner wurde diese
Immunisierungsmethode bei ihren Arbeiten über die Hämoglobinurie
der Rinder in Deutschland aufgenommen und auf ihre praktische
Brauchbarkeit für die hiesigen Verhältnisse geprüft. Als
Ergebnis der Untersuchungen empfehlen sie, für die Schutz¬
impfungen steriles, defibriniertes Blut von Kälbern zu benutzen,
die vor 50 und mehr Tagen an der Krankheit gelitten hatten.
Die Schutzimpfung sollte vier bis sechs Wochen vor Beginn
des Weideganges vorgenommen werden. Die Tiere sollten nach
der Impfung mit leicht verdaulichem Futter ernährt werden.
Fieberhaft kranke und hoch trächtige Tiere sollten von der
Impfung ausgeschlossen werden.
Auf diese Ermittlung wies das Landwirtschaftsministerium
im Frühjahre 1904 hin und gab gleichzeitig den Bericht über
die Impfergebnisse im Jahre 1903 bekannt. Danach waren
unter der Leitung von Geheimrat Schütz im Januar 1903
20 Kühe mit Blut eines Rindes geimpft worden, das vor 65 Tagen
die Hämoglobinurie überstanden hatte. Infolge der Impfung
ging eine geimpfte Kuh ein. Im Februar 1903 wurde von
einem Kalbe, das auf die Injektion mit infektiösem Blut erkrankt
war und die ^Krankheit vor 62 Tagen durchgemacht hatte, Blut
entnommen und 43 Rindern in einer Menge von 5 ccm subkutan
injiziert. Hiernach trat keine Erkrankung ein. Demselben
Kalbe wurde drei Wochen später, am 83. Tage nach dem
Überstehen der Krankheit, wiederum Blut entzogen. Es wurden
38 Rindern nur je 3 ccm dieses defibrinierten Blutes unter
gleichen Bedingungen eingespritzt. Einige ältere Kühe zeigten
mehrere Tage leichte Krankheitserscheintmgen und eine schlecht
genährte Kuh im Alter von acht Jahren etwas schwerere
Symptome; sämtliche Impflinge wurden indessen bald gesund.
Während des Weideganges stellte sich bei drei Tieren leichte
Hämoglobinurie ein.
Nach der Gebrauchsanweisung des Impfstoffes, der vom
pathologischen Institut der tierärztlichen Hochschule zu Berlin
und vom tierhygienischen Institut des Kaiser Wilhelms-Institutes
zu Bromberg hergestellt wird, ist die Impfung gegen die
Hämoglobinurie der Rinder von Tierärzten und vor Beginn des
Weidenganges, etwa im März auszuführen. Hochträchtige und
kranke Tiere sind von-der Impfung ausznschließen. Der Impf¬
stoff (defibriniertes Blut) ist acht Tage haltbar und muß an
einem kühlen dunklen Ort aufbewahrt werden. Vor dem
Gebrauch ist der Impfstoff vorsichtig umzuschütteln. Geöffnete
Flaschen sind an einem Tage zu verbrauchen. Zur Impfung
wird eine handtellergroße Stelle am Halse geschoren, gereinigt
und getrocknet. Impfspritzen sind vor jeder Impfung auszu¬
kochen. Desinfizierende Mittel sind mit den Spritzen und dem
Impfstoff nicht in Berührung zu bringen.
Auf eine Bekanntmachung der Ergebnisse der Schutzimpfung
im hiesigen landwirtschaftlichen Wochenblatt wandten sich zwei
Gutsbesitzer zu B. bei B. Mitte April an das Tierseucheninstitut
der Landwirtschaftskammer um Durchführung der Schutzimpfung
Bestand M.
Im Bestände M. befanden sich im Sommer 1906 90 Rinder,
hiervon waren während des Weideganges 20 Tiere an
Hämoglobinurie erkrankt und sieben eingegangen.
Am 25. April erhielt das Institut von Geheimrat W. Schütz-
Berlin, die gewünschte Menge Impfstoff für 140 Rinder. Am
26. April wurden im Bestände M. 45 Tiere unter peinlichster
Beachtung der Vorschriften der Gebrauchsanweisung geimpft.
Drei Tage später wurde die Impfung bei den übrigen Tieren
vorgenommen. In der Zwischenzeit konnten bei den geimpften
Rindern keine Krankseitserscheinungen, jedoch ein Rückgang der
Milchmenge wahrgenommen werden.
I. Fall. Am 7. Mai ging dem Institut die Nachricht zu,
daß eine Kuh des Bestandes große Mattigkeit zeige, das Futter
verweigere und blutigen Harn absetzt. Bei meiner Ankunft am
folgenden Tage war das Tier im Verenden und wurde sofort
notgeschlachtet.
96
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
Vorbericht. Die Kuh hatte 14 Tage vor der Impfung
gekalbt, die Nachgeburt war vollkommen abgegangen. Zurzeit
der Impfung, am 26. April, zeigte die Kuh keine Krankheits¬
erscheinungen. Sie befand sich in mäßigem Nährzustande.
Sektionsbefund. An der Impfstelle in der Unterhaut
waren keine Veränderungen vorhanden. In der Bauchhöhle
befand sich eine geringe Menge klarer seröser Flüssigkeit. Die
Magenabteilungen sind ohne Veränderungen, die Darmschleim¬
haut ist mit Schleim bedeckt, in Längs- und Querfalten gelegt
und graurot. Auf der Schleimhaut sind mehrere stecknadelkopf-
bis linsengroße, runde, scharf abgesetzte Blutungen vorhanden.
Die Milz hat abgerundete Ränder, ist vergrößert 4ind hat eine
stahlblaue Farbe. Die Pulpa ist braunrot und weich, das
Trabekelwerk ist nicht sichtbar. Die Leber ist vergrößert,
braunrot. Die Gallenblase ist gefüllt. Die Nieren lassen sich
leicht aus den Kupseln herausschälen. Sie haben eine dunkel¬
braunrote Farbe. Die Schnittfläche ist feucht, die Rindenschicht
ist braunrot, die Markschicht rot. Im Nierenbecken ist rot-
gefärbter klarer Harn vorhanden, der aus den Papillen auf
Druck hervortritt. Die Harnblase ist mit blutigrotem, klaren
Harn gefüllt. In den Lungen befinden sich mehrere hasel- bis I
walnußgroße verkäste, teilweise verkalkte, tuberkulöse Herde.
Die Herzmuskulatur ist leicht getrübt.
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Herzmuskulatur,
der Leber und der Nieren wurde eine leichte Körnung der
Zellen ermittelt.
2. Fall. Am 8. Mai erkrankte im Stalle eine junge 3 Jahre
alte Kuh, die 8 Wochen vorher regelmäßig gekalbt hatte. Das
Tier zeigte anfangs Durchfall und Mattigkeit, später Verstopfung
und setzte mehrere Tage lang blutigen Harn ab. Das Tier ist
nach achttägiger Krankheitsdauer genesen.
3., 4. und 5. Fall. Während des Weideganges sind im
Monat Juli noch 3 Rinder im Alter von 4 bis 7 Jahren erkrankt.
Tier 3 und 4 soll nur leicht an der Hämoglobinurie gelitten
haben. Das 5. Tier hat große Mattigkeit, schweren Durchfall
gezeigt und war nur schwer zum Aufstehen zu bewegen ge¬
wesen. Nachdem es in den Stall gebracht und mehrere Ein¬
spritzungen größerer Mengen von Damholid nach Evers er¬
halten hatte, ist es nach längerer Zeit genesen.
Bestand G.
Im Bestände G. waren im Sommer 1906 50 Rinder und
Kälber vorhanden, von denen 1906 keines an Hämoglobinurie
erkrankt ist.
Auch in diesem Bestände wurden am 26. und 29. April die
Tiere genau nach der Gebrauchsanweisung geimpft.
1. Fall. Am 9. Mai erkrankte in dem Stall eine zehn¬
jährige Kuh, die 21 Tage vor der Impfung verkalbt hatte. Bei
dem Tier waren dieselben Erscheinungen wie bei Kuh 1 im Be¬
stände M. vorhanden. Nach mehreren Injektionen von Damholid
hörte das Blutharnen auf. Die Allgemeinerscheinungen gingen
zurück, indessen trat eine hartnäckige Verstopfung auf, die nicht
zu heben war. Das Tier wurde 14 Tage später wegen Ver¬
stopfung not geschlachtet. Ein Sektionsbefund war nicht zu
erhalten.
2. Fall. Am 11. Mai traten bei einem 4 Jahre alten Tiere
ähnliche Erscheinungen im Stalle auf. Auch in diesem Falle
hielt die Verstopfung lange Zeit an. Das Tier wurde einmal
mit Damholid behandelt und erholte sich nach 14 Tagen; wurde
indessen nicht wieder tragend und mußte deshalb abgeschaflt
werden.
Zusammenfassung.
Nach Aussage der Besitzer soll im Jahre 1907 in der Um¬
gebung von B. das Blutharnen viel weniger aufgetreten sein
als in früheren Jahren, besonders 1906. Sie führen die geringere
Zahl der Krankheitsfälle auf das anhaltende naßkalte Wetter
zurück, das die Lebensbedingungen und die Vermehrungen der
Zecken ungünstig beeinflußt hat.
Nach der Impfung von 48 Rindern, 40 Jungrindern,
33 Starken und 17 Kälbern sind 7 Rinder an Hämoglobinurie
und deren Folgen erkrankt und 2 Rinder eingegangen; und zwar
sind im Stalle erkrankt 4 Tiere und auf der Weide 3 Tiere.
Von den im Stalle erkrankten Tieren sind im Bestände M. und
B. je ein Tier eingegangen. Die übrigen Rinder sind bei einer
8—14 tägigen Behandlung genesen.
Der Impfstoff ist daher immer noch zu virulent und bewahrt
die Impflinge nicht immer vor einer schweren Erkrankung bei
der natürlichen Infektion auf der Weide. Letztere Fälle fallen
nicht so schwer ins Gewicht bei dem Besitzer als die Krankheits-
| fälle in dem Stalle durch die Impfung. Diese Erkrankungs¬
und Todesfälle von wertvollen Tieren nach der Impfung in
dem Stalle, wo nach der langjährigen Erfahrung der Besitzer
die Hämoglobinurie nicht anftritt, schreckt die Landwirte von
einer Ausführung der Impfung ab, selbst wenn während des
späteren Weideganges eine Verminderung der Verluste fest¬
zustellen ist.
Durch eine weitere Herabsetzung der Virulenz des Impf¬
stoffes oder durch noch geringere Gaben dürften wahrschein¬
lich schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhüten «eiü.
Es sind daher weitere dahingehende Versuche sehr erwünscht,
zumal die Verluste in den hiesigen verseuchten Beständen, wie
aus obigen Angaben hervorgeht, recht einschneidend sind. Wir
haben erst durch diese Impfungen kennen gelernt, wie häufig
die Hämoglobinurie in der Provinz vorkommt und wie groß die
Zahl der Todesfälle ist.
Wenn nun auch die bisherigen Impfungen die gehegten Er¬
wartungen im ganzen Umfange nicht erfüllt haben; so steht
doch zu erwarten, daß die durch eine Modifikation des Impf¬
stoffes noch günstigere Resultate erzielt werden können.
Referate.
Die akute Magenerweiterung der Pferde und ihre
Behandlung.
Von Prof. Dr. J. Marek in Budapest.
(Mit 2 Figuren im Text.)
(Zeitschrift für Tiermedizin, XI. Band, 8. 282—800.)
Bei der akuten Magenerweiterung der Pferde (Magen¬
überfüllung, Überfütterungskolik) empfiehlt M. die Entleerung
des Magens mittelts Magenkatheters. In 77 Fällen genügte eine
einmalige Einführung des Katheters, bei fünf Patienten war
eine Wiederholung und bei einem Patienten eiije dreimalige
Vornahme des Eingriffes notwendig. Der nach außen beförderte
Mageninhalt bestand meistens nur aus Flüssigkeit von ver¬
schiedener Konsistenz. Die Menge des letzteren wechselte je
nach den einzelnen Patienten zwischen 5 und 30 Liter. Schon
nach einer einmaligen Entleerung trat bei 66 Patienten sofort
vollständige und dauernde Beruhigung ein.
6. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
97
Die Entleerung des Mageninhaltes durch den Magenkatheter
wurde auch in 13 Fällen von sekundärer akuter Magenerweiterung
im Verlauf von Dünndarm- und Grimmdarm Verlagerung und von
thrombotisch - embolischer Kolik vorgenommen. Dabei befand
sich auch ein Fall von Grimmdarmobstipation. Bei diesem Falle
wurden bei zweimaliger Entleerung innerhalb 19 Stunden ins¬
gesamt 52 Liter Mageninhalt entleert. Bei diesen 13 Fällen
war im Gegensatz zur primären akuten Magenerweiterung der
Mageninhalt seiner Konsistenz und seinem Geruch nach dem
Inhalt des Dünndarms ähnlich, ein Umstand, der auch in diffe¬
rential-diagnostischer Hinsicht von Belang sein kann.
Auf Grund seiner Erfahrungen glaubt Prof. Marek behaupten
zu dürfen, daß,
1. die allein rationelle Behandlung der akuten
Magenerweiterung der Pferde in der Entleerung des
Mageninhalts durch den Magenkatheter besteht, und daß
2. der Ausführung der Magenkatheterisierung beim
Pferd nicht nur an den Kliniken, sondern auch in der
Praxis keine nennenswerten Schwierigkeiten im Wege
stehen.
Die Einführung des Magenkatheters muß am stehenden
Pferde vorgenommen werden und es sind 3—4 Mann erforderlich.
Der an der Budapester Klinik im Gebrauch stehende Magen¬
katheter (von Hauptner in Berlin erhältlich) ist ein einfacher
2,75 m langer und 27 mm dicker Schlauch aus rotem Kautschuk
mit einem Innenraum von 16 mm Querdurchmesser. Die nötige
Festigkeit erlangt der Schlauch durch einen entsprechend dicken
und langen, an seinem distalen Ende mit einem konischen Knopf
versehenen Rohrstab, der in den Schlauch eingeschoben werden
kann. • * •
Über die Einführung des Magenkatheters gibt Prof. Marek
folgende Anweisung: Zwei oder im Notfall mehr Gehilfen ziehen
den Kopf des Pferdes abwärts. Es wird ein Bayer scher
Maulkeil oder ein Maulgatter eingesetzt. Jener Gehilfe, der
diese Instrumente hält, hebt nun den unteren Teil des Kopfes,
so daß der letztere in eine möglichst gerade Richtung mit dem
Halse gebracht wird. Nun wird die Zunge seitlich aus dem
Maule hervorgezogen, damit der Katheter mit beiden Händen
am harten Gaumen entlang zwar vorsichtig, doch ziemlich rasch
gegen den Schlundkopf vorgeschoben werden kann. Hat das
distale Ende des Katheters den Schlundkopf passiert, dann
erfolgt das Nachschieben langsam. Nach dem Einschieben des
Katheters in den Schlund tritt gewöhnlich mehr oder weniger
starkes Röcheln ein, dem aber keine Bedeutung beizumessen ist.
Selbstverständlich sind vor dem Einfuhren der Katheter und
der Rohrstab mit Öl, Fett, Vaseline oder Glyzerin gut schlüpfrig
zu machen. Der Rohrstab wird erst herausgezogen, wenn das
distale Ende des Katheters in den Magen gelangt ist. Übrigens
soll der Katheter tief in den Magen hineingeführt werden. Es
soU die Länge des eingeführten Teiles des Magenkatheters von
den Schneidezähnen ab etwa 116—125 Prozent der Körperhöhe
des Pferdes (Bandmaß) betragen. Falls sich beim Einführen
kurz vor dem Magen ein Hindernis bietet, was an und für sich
selten vorkommt, so wird der Rohrstab herausgezogen, auf den
Kautschukschlauch ein Trichter aufgesetzt und 1—2 Liter
warmes Wasser eingegossen, wodurch die Schlundwand oder die
Cardia zur Erschlaffung gebracht wird. Wenn darauf der Rohr¬
stab wieder eingeführt wird, gelingt die völlige Einführung des
Katheters leicht. Rdr.
Intraperitoneale Chlor&Ihydratiiyektionen
in der Behandlung Ton schweren Koliken beim Pferd
Von Breton.
(Recueil d’Alfort, 30. Oktober 1007.)
Bei der Kolikbehandlung gilt es verschiedene Indikationen
zu erfüllen, nämlich den hämorrhagischen Zufällen vorzubeugen,
die Atonie des Verdauungsschlauches zu bekämpfen und als
hauptsächlichste die Schmerzen zu lindem, denn mit der Linde¬
rung der Schmerzen hören die untergeordneten Bewegungen
und die abnormen Stellungen auf und werden manche Kompli¬
kationen, wie die Zerreißungen und Drehungen des Darmes,
vermieden.
Um Schmerzlosigkeit zu erreichen, verwendet Verfasser bei
schweren Koliken das Chloralhydrat in intraperitonealen In¬
jektionen. Der schnell sich einstellende Schlaf dauert 3 bis
4 Stunden, während welcher Zeit sich Puls und Respiration
wieder regeln, und ist die Injektion, wenn sie sauber gemacht
ist, absolut gefahrlos. Die Dosis ist 1 g auf 10 kg Körper¬
gewicht in 10 g sterilisiertem Wasser gelöst, und darf die
Lösung erst kurz vor dem Gebrauche hergestellt werden. Zur
Injektion benutzt man einen Seruminjektionsapparat (z. B. den
nach Casper).
In der linken Hungergrube wird der gewöhnliche Darm¬
trokar des Pferdes, nach vorhergehender Desinfektion der Haut
mit Alkohol, eingestochen, das Stilet herausgezogen und das
Chloralhydrat durch die Kanüle hindurch injiziert. Sind die
Gedärme durch Gasbildung zu stark aufgetrieben, so wird vor¬
erst den Gasen durch eine Punktion des Blinddarmes Abzug
gestattet und darauf erst das Trokar eingestochen, welchem
dann die Därme gern ausweichen.
Der Verfasser beschreibt fünf Fälle, in welchen er nach
einem Aderlaß und Injektion von 0,06 g Pelokarpin und 0,03 g
Eserin, 30—50 g Chloralhydrat intraperitoneal injizierte, die
alle in Heilung übergingen.
Das Chloralhydrat soll nach Angabe des Verfassers nicht
gerade systematisch bei allen Koliken Verwendung finden, nur
bei schweren Fällen, in welchen die Schmerzen sehr heftig sind
und als Hauptsymptom auftreten.
Die Wirkung des Chlorbariums und der öligen Abführmitte
wird durch das Chloralhydrat nicht beeinträchtigt. Werden die
die Speichel- und Darmdrüsen anregenden Alkaloide Pelokarpin
und das Arekolin vor der Chloralhydratinjektion gegeben, so
ist ihre Wirkung auf den Darm gleich Null, sie verkürzen
dadurch, daß sie das Anästhetikum rasch eliminieren, nur die
Dauer des Schlafes. Will man während der Narkose die Darm¬
bewegungen anregen, so gibt man daher an ihrer Stelle das
Chlorbarium. Helfer.
(Aus dem veterinär-pathologischen Institut der Universität Bern.)
Berechnung der Oberfläche der Uteruskarunkeln
(Semiplacenta materna) beim Rind.
Von Dr. Hermann Henrik Rörik-Batavia (Java).
(Archiv für wtasensohaftl. n. prakt. Tierheilkunde, 38. Band, 4. u. 5. Heft.)
Für die Ätiologie des Abortus bei unseren Haustieren ist
die bisher noch nicht ventilierte Frage: ob in konkretem
Falle die Mutter- und Fruchtkuchen eine genügende
Ausbildung erreicht hatten — sehr wichtig. Zur Beant¬
wortung dieser Frage sind aber Arbeiten über die normale
Plazenta-Oberfläche dringend nötig. R. hat nun die Uteri von
21 Kühen des näheren untersucht und das Verhalten der Ober-
98
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
fläche der Placenta materna zum Chorion fötale, sowie zur Größe
und Gewicht des Jungen geprüft. Ein Stück einer Karunkel
wurde auf ein bestimmtes Gewicht (1—3,0) gebracht, in lOproz.
Formalin fixiert, in Alkohol gehärtet und in Paraffin eingebettet.
Die davon gefertigten Schnitte wurden mikroskopisch untersucht,
wobei die Größenverhältnisse des Gewebes und der für die
Chorionzotten bestimmten Hohlräume einer genauen Berechnung
unterworfen wurden.
In vorliegender Arbeit hat sich Autor ferner der von
Strahl vorgeschlagenen Nomenklatur angeschlossen. Dieselbe
lautet folgendermaßen: „Die Erhebung der Uteruswand bezeichnet
man als Karunkel, das Feld der Zotten am Chorion heißt
Kotyledo. Je eine Karunkel bildet mit ihrem zugehörigen
Kotyledo ein Plazentom (besser noch Semipläzentom), die
Summe der Plazentome — mit etwa zwischen denselben
liegenden freien Zotten — die Semiplacenta multiplex, die
Summe der Karunkeln die Semiplacenta materna, die der
Kotyledonen die Semiplacenta foetalis.“
Nach des Verfassers Schlußfolgerungen kann man zur Be¬
urteilung der Leistungsfähigkeit der Semiplazenta folgende vier
Momente benutzen:
1. Die Anzahl der Plazentome, die normaliter 80 bis
120 beträgt;
2. das Verhältnis des Gewichtes des Fötus zu dem¬
jenigen der Semiplazenta, das in der ersten Hälfte der
Trächtigkeit 1:03 bis 1:09 beträgt und in der zweiten Hälfte
auf 1 : 0,2 bis 1 : 0,09 zurückgellt;
3. das Verhältnis des Gewichtes des Fötus zur
Oberfläche der Semiplazenta. Nach zwei Monaten besteht
das Verhältnis 1 g zu 0,11 bis 0,27 qcm, im zweiten und dritten
Viertel der Trächtigkeit 1 g zu 13 bis 17 qcm, im letzten
Viertel 1 g zu 7 bis 11 qcm;
4. das Vorkommen von akzessorischen Plazentomen,
das auf eine überwundene oder noch bestehende Insuffizienz der
Plazenta hinweist. J. Schmidt.
Zur Bekämpfung des Botlaufs der Schweine.
Von Bezirkstierarzt Dr. Dörrwächter, Waldkirch.
(Mitteilungen des Verein« badischer Tierärzte, 7. Jabrg., Nr. 12.)
Im Bezirk Waldkirch waren im laufenden Jahre insgesamt
18 Gemeinden mit 81 Beständen verseucht. An der Seuche
sind 94 Tiere erkrankt, wovon 33 verendeten. Die Seuche zeigte
gegen sonst einen erheblich veränderten Charakter, sowohl hin¬
sichtlich der klinischen Erscheinung, als auch ihres pathologisch-
anatomischen Befundes und ihres Verhaltens bei der Impftmg.
Hohes Fieber und Rotfärbung der Haut waren nur in wenigen
Fällen wahrnehmbar; Appetitlosigkeit und Schwäche waren immer
zugegen. Als pathologisch-anatomische Erscheinungen traten
in der Regel Milztumor, hämorrhagische Gastroenteritis, Nephritis
und Leberschwellung auf, während Veränderungen an der Haut
und am Herzen verhältnismäßig selten waren. Trächtige oder
Mutterschweine kurz nach der Geburt starben zumeist an der
Erkrankung, ihre Föten zeigten starke Rotfärbung der Haut,
der Uterus war hämorrhagisch entzündet. Die im Freiburger
Institut vorgenommene Untersuchung ergab Mischinfektion
von Schweineseuche und Rotlauf.
Seit Ausbruch der Seuche wurde mit Susserin geimpft. Von
den 55 verseuchten Beständen blieben 35 (= 64 Proz.) nach
der Notimpfung von weiteren Senchenfällen verschont, während
in 20 Beständen (= 36 Proz.) 3—20 Tage nach der Impfung
wieder 44 Schweine an Rotlauf erkrankten. 13 derselben ver¬
endeten, 4 wurden geschlachtet, die übrigen genasen. Der
Heilimpfung wurden 56 Tiere unterworfen, von welchen
36 (= 64 Proz.) genasen, während 20 (= 36 Proz.) ver¬
endeten oder geschlachtet werden mußten. Die Tiere mit aus¬
gesprochenem Rotlauf wurden zumeist gesund, diejenigen ohne
typische Erscheinungen blieben krank. J. Schmidt.
Impfang gegen Schweineseache mit Saptol nach
Dr. Burow.
Von Josef Pekar, k. k. Bezirkstierarzt in Boskowitz.
(Tierärztliches Zentralblatt 1907, Nr. 33.)
Pekaf* hat die Erfahrung gemacht, daß jene Zuchtsäue, die
in ihrem Frischlingsalter die Schweineseuche überstanden haben,
im ersten aber auch im zweiten, ja sogar im dritten Wurfe
seuchekranke Ferkel gebären, die sich schon in den ersten
Lebenstagen als Kümmerer kenntlich machen; einige Ferkel
desselben Wurfes bleiben auch in der Nachzeit immun, die
übrigen erkranken auch in der Isolation nach und nach.
Pekaf impfte nun in einem verseuchten Gehöfte 19 Frisch¬
linge und 11 kümmernde Ferkel. Der Erfolg war besonders bei
den Kümmerlingen überraschend. Sie erholten sich ungemein
schnell und der Husten war schon nach einigen Tagen ver¬
schwunden. Rdr.
Über die Tenazität des Bacillus suisepticus and des
Bacillus soipestifer.
Von D. Erdös und E. Koppänyi, em. Assistenten des Instituts
für Seuchenlehre in Budapest.
(Zeituchr. f. Tnfektionakr., p&ras. Krankh. u. Hygiene d. Haustiere, Bd. III, S. 226.)
Die Autoren prüften die entwicklungshemmende und die
keimabtötende Wirkung verschiedenster Desinfektionsmittel
(Alkohol,Formalin, gebräuchliche Säuren,Kreolin, Kalkmilch usw.)
gegenüber dem Bacillus suisepticus und suipestifer. Sie fanden,
daß der Bacillus suipestifer sowohl der entwicklungshemmenden
als auch der keimtötenden Wirkung der Desinfektionsmittel
gegenüber einen erheblich größeren Widerstand leistet. Be¬
sonders auffällig zeigte sich das bei chemischen Desinfizientien;
so übten z. B. Hydrogenium hyperoxydatum, Salzsäure, Salizyl¬
säure und Borsäure auf den Bacillus suipestifer erst in 2—5 fach
stärkerer Konzentration denselben entwicklungshemmenden Ein¬
fluß aus wie auf den Bacillus suisepticus. Von den unter¬
suchten Mitteln entfaltet nur die Kalilauge annähernd dieselbe
Wirkung auf beide Bazillen. Jedoch leisten beide
Bakterien den meisten Desinfektionsmitteln keinen
erheblichen Widerstand, und es hat sich ergeben, daß die¬
selben in verhältnismäßig dünneren Lösungen mancher gewöhn¬
lichen Mittel binnen kurzer Zeit zugrunde gehen, wie aus den
Tabellen näher hervorgeht. In der Reihe dieser Mittel
entfalten insbesondere das Cuprum sulfuricum, das
Allylsulfid, die Kalkmilch und das Kreolin auf beide
Bakterienarten eine auffallend energische abtötende
Wirkung. Richter.
Zar Herkunft des Bacillus suipestifer.
Von Dr. R. Grabert, Oberveterinär in Berlin.
(Zeitschr. f. Infektionskr, paras. Krankh. u. Hyg. d. Hautt., Bd. III, S. 218.)
Durch die in den letzten Jahren erfolgten Veröffentlichungen,
die dem Bacillus suipestifer seine früher allgemein anerkannte
6. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT»
99
Bedeutung als Erreger der Schweinepest absprechen, wird die
Frage nach dem Verhältnis dieses Bakteriums zur Schweinepest
und nach seiner Herkunft aufgerollt. G. hat nun den Inhalt
von 23 Schweinedärmen, die keine Schweinepestveränderungen
auf wiesen, speziell in Hinsicht auf das Vorkommen des Bac.
snipestifer untersucht. Zu diesem Zwecke bediente er sich des
Lackmus-Laktose-Agars, auf dem der B. snipestifer in blauen,
glasigen, in den nächsten Tagen sich trübenden, aber keine
Farben Veränderungen auf weisenden Kolonien wächst. Das zur
Aussaat auf den großen Plattenkulturen dienende Material
stammte aus der Gegend der Hüftblinddarmklappe als des
Lieblingssitzes der typischen Schweinepestläsionen. Die Ver¬
suche führten im allgemeinen zu dem Ergebnis, daß sich ver¬
hältnismäßig häufig, hier in 7 von 23 Fällen, im Darm
von Schweinen, die keine Veränderungen der Schweine¬
pest aufweisen, saprophytische Bakterien vorfinden,
die sich morphologisch, kulturell und biologisch nicht
vom B. snipestifer unterscheiden. Richter.
Vergleichende Untersuchungen über den Bacillus
pyogenes bovis und den Bacillus pyogenes suis.
Von Dr. F. Berger in Hock-van-Holland.
(Zettäckr. f. Infektionskr., paras. Krankb. u. Hygiene d. Haustiere, Bd. III, 8. 101.)
Anläßlich der Untersuchungen über die Ätiologie der nicht¬
tuberkulösen Lungenentzündungen beim Rind fiel Berger das
häufige Vorkommen eines sehr kleinen, schlanken Bazillus auf.
Dieser hatte große Ähnlichkeit mit dem Grips sehen Bacillus
pyogenes, der sich bei Eiterungen und gelegentlich auch bei
Lungenentzündungen des Schweines findet. Da dem Autor zu
gleicher Zeit Material von Schweinen zur Verfügung stand, trat
er Untersuchungen über den Bacillus pyogenes bovis und den
Bacillus pyogenes suis näher.
In der umfangreichen Abhandlung gibt Berger zuerst eine
historische Übersicht über die pyogenen Bazillen, dann folgen
seine eigenen Untersuchungen über Morphologie, Züchtung
(unter Heranziehung der verschiedensten Nährböden), biologische
Eigenschaften usw. des Bacillus pyogenes. Aus den Versuchen
über die Pathogenität des Bacillus pyogenes suis sei folgendes
hervorgehoben: Der Bacillus pyogenes ist imstande, bei Meer¬
schweinchen Pneumonie zu erzeugen. Hauptsächlich kenn¬
zeichnet sich diese experimentelle Pneumonie durch Absze߬
bildung, purulente Bronchitis und sekundäre Entzündung des
benachbarten Lungengewebes, wobei bald Abszeßbildung und
Pleuritis adhaesiva auftreten.
Die weiteren Ergebnisse sind, wie folgt, zusammengefaßt:
1. Der Po eis sehe Polyarthritisbazillus, der Bacillus pyogenes
suis (Grips) und der Bacilltis pyogenes bovis (Künnemann)
sind identisch. Zur Vereinfachung der Nomenklatur ist es
empfehlenswert, die Bezeichnung „Bacillus pyogenes“ zu ge¬
brauchen.
2. Der Bacillus pyogenes und der Abortusbazillus (Bang)
sind nicht verwandte Mikroorganismen.
3. Der Bacillus pyogenes ist für manche Versuchstiere ein
spezifischer Eitererreger, jedoch nicht für Hunde.
4. Es gelingt, kleine Versuchstiere, Hunde und Kälber,
gegen den Bacillus pyogenes zu immunisieren und von diesen
Tieren Immunserum zu gewinnen. Das Immunserum enthält
agglutinierende und bakterizide Substanzen. Richter.
Toxische Hämoglobinämie, hervorgerafen
durch Rostpilze.
Von Albert Sziläscyi, Tierarzt in Kisb6r.
(AlUtorvosi bapok 1907, Nr. ßä.)
In einem Halbblut-Gestüte von 100 Pferden trat Obstipation
mit Bluthamen auf. Unmittelbar vor der Erkrankung wurde
das Gestüt von der bisher benutzten Weide auf ein Kleefeld
getrieben; als aber die ersten Krankheitsfälle auftraten, ließ
man die Weide wieder wechseln, worauf der größte Teil der
Erkrankten bald wieder genesen ist. Auch die Kranken zeigten
zu dieser Zeit keine Störung mehr im Allgemeinbefinden. Die
Schleimhäute waren blaß und ein wenig ikterisch gefärbt, Puls
und Atmen normal, Temperatur 38—39,2° C, auf die Verstopfung
traf Diarrhöe ein. Der Kot ist braunrot mit Schleim und Blut
überzogen. Der Harn dunkelbraunrot; enthält viel Eiweiß und
Hämoglobin. Im Blute konnte man bei der mikroskopischen
Untersuchung Parasiten (Trypanosomen) nicht wahrnehmen.
Nach der Anamnese sollte der Klee die Krankheitserreger
in sich bergen und tatsächlich fand man beinahe an sämtlichen
Kleeblättern viele kleine rotbraune, staubartige Knötchen, die
man als Rostpilzsporen (Uromyces Trifolii hev.) erkannt hat. In
den kleinen Knötchen sah man bei der mikroskopischen Unter¬
suchung unzählige rundliche Usedosporen und wenigere bräun¬
liche, in dicke Hülle eingefaßte, einzellige Telentosporen. Die
mykotische Darmentzündung wurde also von diesen Rostpilzen
hervorgerufen, welche dann bei ihren Keimen in den Gedärmen
Toxine zeigten. Diese Toxine, in den Blutkreislauf gelangt,
führten zur Hämoglobinämie. Dr. Z.
Blutungen in der Hornkapsel.
Von Oberstabsveterinär Geßner.
(Zeitsckr. f. Veterinärk. 1907, S. 393.)
Ein Pferd war durchgegangen, hingestürzt und hatte mit
dem rechten Hinterhufe gegen einen Prellstein geschlagen, daß
es stark lahmte. Es wurde das Eisen abgenommen, da eine
akute Entzündung der Weichteile des Hufes festgestellt worden
war und kühlende Umschläge gemacht. Am siebenten Tag trat
Besserung der schweren Lahmheit ein, und nach weiteren zehn
Tagen sollte das Eisen wieder aufgeschlagen werden. Beim
Entfernen des toten Hornes löste sich plötzlich die ganze Horn¬
sohle ab, und eine vollständig neugebildete Sohle von sehr
weichem Horn wurde sichtbar. Die weiße Binde war in ihrer
ganzen Ausdehnung mit Blut durchtränkt. Die Sohle wurde
eingeteert, mit Werg ausgepolstert und ein Hufschuh angelegt.
Nach 14 Tagen konnte ein Eisen aufgeschlagen werden.
Richter.
Abnorme Lage des Herzens bei einem Kalbe.
Von Dr. Georg Seyfert, städtischer Tierarzt in Pirna a. E.
(Deutflcbe Tierärztliche Wochenschrift 1907, Nr. 38.)
Bei einem zur Schlachtung bestimmten Kalbe fand sich vor
dem Thorax rechts an der unteren Seite des Halses ein reichlich
apfelgroßer rhythmisch pulsierender Körper. An der dem Brust¬
eingang zugewendeten Seite war das Gebilde breit, während
es oralwärts sich zuspitzte. Bei der Auskultation waren deut¬
liche Herztöne an demselben wahrnehmbar. Das Gebilde mußte
also das Herz enthalten. Dies wurde dann nach der Schlachtung
bestätigt. Der Herzbeutel war im Unterhautbindegewebe ein¬
gebettet und mit diesem und der äußeren Haut mehr oder
weniger verwachsen. In dem tonnenförmig erweiterten und
nach vorn offenen Brustkorb lag nur die Lunge. RdL
100
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
Chronische Urämie infolge primären Carcinoms der
linken Niere bei einem Hunde.
(Aus der raed. Klinik der "Wiener Tierärztl. Hochschule.)
Von stud. Hab ach er.
(Tierärztliches Zentralblatt 1907 Nr. 20.)
Am lebenden Tier wurde hinter dem linken Rippenbogen
eine deutlich wahrnehmbare Hervorwölbung wahrgenommen, die
durch die Palpation als verschiebbare Geschwulst mit unebener
Oberfläche erkannt wurde. Es wurde wenig eiweißhaltiger Urin
abgesondert Und im Verlaufe von drei Wochen traten die Er¬
scheinungen der Urämie immer mehr in den Vordergrund. Der
Hund magerte stark ab und wurde schließlich getötet. Durch
die Sektion wurde ein primäres Carcinom der linken Niere, so¬
wie Metastasenbildung in der Lunge festgestellt. Der Fall ist
insofern interessant, als das primäre Carcinom der Niere eine
Seltenheit ist. Rdr.
Tagesgeschichte.
t
Am 23. Januar d. J. verschied an Gehirnschlag ein Veteran
unter den Tierärzten, der Tierarzt Max Schümm hierselbst.
Geboren am 11. Januar 1835 zu Berlin, besuchte er das
Joachimstlialsche Gymnasium daselbst und trat am 1. Oktober
1853 beim Garde-Husaren-Regiment in Potsdam als Roßarzt-
Aspirant ein, besuchte demnächst die Tierarzneischule zu Berlin
und wurde nach bestandenem Examen 1858 bei der 2. Reitenden
Batterie des 4. Artillerie-Regiments in Naumburg a. S. angestellt
und 1860 zum Roßarzt befördert. Als solcher machte er 1866
den Krieg gegen Österreich und 1870/71 den Krieg gegen
Frankreich mit und kehrte im Juli nach Friedensschluß wieder
nach Naumburg a. S. zurück. Am 1. April wurde er pensioniert
und setzte seinen Beruf in der Privatpraxis bis etwa vor Jahres¬
frist, als ein leichter Schlaganfall ihn ereilte, mit Rührigkeit
fort. Von da ab kränkelte er und konnte nur zu einem kleinen
Teil die Praxis, an der er mit ganzer Seele hing, fortsetzen.
Seine Tätigkeit als Ergänzungsbeschauer sagte ihm besonders
zu, und wenn sein Wirkungskreis in der Fleischbeschau auch
nur ein kleiner war, erfreute ihn diese Tätigkeit und die Teil¬
nahme an den Versammlungen der Beschauer außerordentlich.
Ebenso war es für ihn stets eine Freude, an den Versammlungen
des Tierärztlichen Vereins des diesseitigen Regierungsbezirks
teilzunehmen, zumal es sein Bestreben war, mit der Wissenschaft
möglichst in Connex zu bleiben.
Leider ist es Schümm nicht beschieden gewesen, auf eine
50jährige Tätigkeit, die im November d. J. ihren Abschluß ge¬
funden hätte, zurückblicken zu können. Diesen Zeitpunkt sehnte
er gern herbei, weil er wohl den Schluß seines fachmännischen
Wirkens bilden sollte.
Das Andenken an Max Schümm wird bei allen, die ihm
näher getreten, in Ehren gehalten werden; er aber möge aus¬
ruhen in dem dunkelen Hause, das ihn jetzt umfängt.
Griesor, Kreistierarzt.
Danksagung.
Allen Kollegen, welche beim Tode des Kreistierarztes
Dr. Jeß ihrer Teilnahme Ausdruck gegeben und dadurch der
Witwe wolilgetan haben, sage ich in deren Namen herzlichen
Dank. Schmaltz.
Die erste Lesung des Viehseuchengesetzes.
(Schlußbericht und Betrachtung.)
Bindewald (^Hessen, Antisemit): Die Landwirtschaft hat
diesem Gesetz mit Spannung entgegengesehen. Im ganzen Volke
ist das Verständnis für die volkswirtschaftliche Bedeutung eines
gesunden Viehstandes erheblich gewachsen, auch bei den Arbeitern.
Von einer agrarischen Tendenz des Gesetzes kann keine Rede
sein; die Landwirtschaft wird vielmehr dadurch hart betroffen.
Scharfe Bestimmungen in den Grenzgebieten sind zunächst er¬
forderlich. Auch die Maul- und Klauenseuche ist im Inlande
erst durch scharfe Maßregeln zum Erlöschen gebracht worden.
Aber wenn die Regierung sich von ihren Bestimmungen gegen¬
über dem Inlande nichts abstreichen lassen soll, so soll sie auch
nichtsNeues hinzunehmen ohne gewissenhafteste Prüfung. Dies
gilt z. B. bezüglich der Vorschläge, die in einer an die Mit¬
glieder des Reichstages verteilten Denkschrift des Verbandes
der Viehhändler: „Der Viehhandel in seiner Stellung zur Ab¬
änderung des ReichsViehseuchengesetzes“ sich befinden, wo z. B.
vorgeschlagen wird, als Grenzbezirke einen Grenzstreifen in
der Breite von einer Meile zu bezeichnen. Die Bestimmungen
über die Seuchenbekämpfung im Inlande sind zum Teil tief ein¬
schneidende und werden auch hier gründlich zu erörtern sein. Die
Anzeigepflicht des Gesindes muß verschwinden; sie entspricht
nicht der Stellung des Knechtes zu seinem Herrn. Dringend
wünschenswert wäre es, wenn die Faulbrut der Bienen in
dieses Gesetz aufgenommen würde. Die Biene gilt mit Recht
als wichtiges Haustier und kann nicht mehr als „wilder Wurm“
betrachtet werden. Das Gesetz erweitert den Machtbereich der
Tierärzte sehr erheblich. Die Tierarzneikunde kann auf
Grund ihrer Erfolge ein so weitgehendes Vertrauen
nicht ohne weiteres beanspruchen; sie mag doch erst
einmal zeigen, daß sie die Krankheiten auch wirklich heilen kann.
Denn eine Seuche durch Tötung der Tiere auszurotten, ist doch
schließlich eine Kur äla Eisenbart; und doch sind die Erfolge
der Seuchentilgung nur da vorhanden, wo die Tötung erfolgt.
Es ist eine höhere Aufgabe, die kranken Tiere zu retten. (?)
Die Impfung mag ja beim Schweinerotlauf ganz gut sein; aber
der Tierarzt darf nicht die Befugnis erhalten, wenn eine
Seuche ansgebrochen ist, die Impfung ganzer Bestände an¬
zuordnen. (?) Die Impfung ist sehr teuer; durch Anordnung von
Massenimpfungen können sich die Tierärzte kolossale Neben¬
einnahmen (?) schaffen. Vor allem wäre eine billige Taxe der
Tierimpfungen anzustreben von höchstens 50 Pf. Die Ent¬
schädigungsfrage wird in der Kommission zu behandeln sein;
jedenfalls muß Entschädigung auch Für Geflügel gewährt werden
Die Strafen erscheinen sehr hart. Ein Tierbesitzer kann doch
beim Seuchenausbruch den Kopf verlieren und darf dafür nicht
hart bestraft werden. Die Schafräude sollte aus dem Gesetz
herausgenommen und allenfalls unter ein besonderes Gesetz
gestellt werden. Der landwirtschaftliche Kreisverein in Fritzlar
hat eine darauf zielende Resolution im vorigen Jahre angenommen,
die der Anschauung im ganzen Hessenlande entspricht. Die
Schafzucht ist zurückgegangen, freilich nicht bloß der Räude¬
bekämpfung wegen, sondern weil der Pariser Hammelmarkt
gesperrt worden ist, weil man heute für einen Zentner Wolle
soviel Mark bekommt wie in den sechziger Jahren Taler, und
weil die Weideflächen, namentlich auch durch Aufforstung immer
mehr eingeschränkt werden.
6. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
101
v. Sa6~Jaworaki (Pole) erkennt die nationalökonomische
Bedeutung des vorliegenden Gesetzentwurfes an, stimmt mit
seinen politischen Freunden der Verweisung an die Kommission
zu, glaubt jedoch nicht, zu einer Annahme der Vorlage gelangen
zu können, w r eil die polnischen Landwirte unter dem Druck
des Enteignungsgesetzes nicht geneigt sein würden, Lasten auf
sieb zu nehmen.
Vogt - Crailsheim (Württemberg, Wirtschaftliche Ver¬
einigung): Wie man behaupten kann, daß dieses Gesetz* eine
agrarische Tendenz habe, ist unerfindlich. Es legt der Land¬
wirtschaft, allerdings in ihrem Interesse, große Lasten auf. Die
Machtvollkommenheit der Tierärzte wird allerdings er¬
weitert; deshalb ist es notwendig, daß dieselben eine immer mehr
verbesserte Ausbildung, namentlich in seuchentechnischer Hinsicht
erhalten. Man sollte die jungen Tierärzte zu einem
Probejahr bei einem beamteten Tierarzt verpflichten,
«he sie die Approbation bekommen. Kennzeichnungen der
Tiere in geeigneten Fällen durch Ohrmarken, Buchkontrolle
and Stallkontrolle kann notwendig sein. Mangel an Tier¬
ärzten kann diese Kontrolle nicht hindern. Die Privattierärzte
Laben sich ja beschwert, daß sie durch das neue Gesetz
beeinträchtigt würden. Jedenfalls ist das Gesetz eine ent¬
schiedene Verbesserung des bestehenden und wird die
Viehzüchter weit besser schützen. Das erneute Auftreten
der Maul- und Klauenseuche nach den großen Epidemien
in Posen ist durch das energische Vorgehen des preußi¬
schen Ministeriums unterdrückt worden. Es ist bemerkens¬
wert, daß sämtliche Neuausbrüche seit dem 15. Januar 1906
nur an der russischen Grenze vorgekommen sind. Die Be¬
stimmungeil de$ gegenwärtigen Gesetzes genügen zweifellos
nicht mehr zur. Seuchentilgung. Daraus ergibt sich die Not¬
wendigkeit, das bestehende Gesetz nach dem heutigen Stande
der Veterinärwissenschaft zu ändern. Hinsichtlich der Aus¬
dehnung der Einfuhrverbote auf tierische Teile ist das Interesse
der Lederindustrie zu berücksichtigen. Was die Bekämpfung
der Seuchen im Inlande betrifft, so unterwerfen wir uns gern
den strengen Vorschriften. Namentlich ist die Tuberkulose eine
noch schlimmere Krankheit als die Maul- und Klauenseuche.
Wünschenswert wäre es gewesen, auch den Scheidenkatarrh und
die Faulbrut der Bienen aufzunehmen. Jeder Besitzer muß die
Anzeige selber sobald wie möglich machen. Die Anzeige sollte
aber auch von den Gemeindeorganen angenommen werden können.
Das wirksamste Tilgungsmittel ist jedenfalls die Tötung, auch
bei der Maul- und Klauenseuche und bei Tuberkulose in geeig¬
neten Fällen. Wie es aber möglich sein wird, den Verkehr
z. B. der Hunde, Katzen und des Geflügels in bäuerlichen Ver¬
hältnissen zi) verhindern, ist fraglich. Bei der Entschädigung
sollte den meisten Krankheiten der gemeine Wert zugrunde
gelegt werden. Die Räude sollte nicht in das Gesetz auf¬
genommen werden. Die Strafen erscheinen zunächst sehr hart,
sind aber bei näherer Betrachtung nicht so schlimm, weil Fahr¬
lässigkeit nicht hart bestraft wird. Verwunderlich ist der
Titel „Viehseuchengesetz“. Man sagt doch auch nicht
Viehärzte, sondern Tierärzte, spricht nicht von Viehprodukteu,
sondern von Tierprodukten.
Gothein (Freisinnige Vereinigung): (Der Herr Abge¬
ordnete polemisiert besonders gegen den nach seiner Meinung
zu scharfen Grenzschutz, bestreitet die Behauptung, daß die
deutsche Landwirtschaft den Fleischbedarf {illein erzeugen könne,
und versucht das mit statistischen Angaben. zu belegen. Im
einzelnen sind aus seiner Rede folgende Punkte hervorzuheben:)
Die Anzeigepflicht für Schweineseuche und Schweinepest
begegnet Bedenken, weil die Krankheiten nicht auseinander¬
zukennen sind. Die Tuberkulinprobe ist wertlos. Bezüglich
der Maul- und Klauenseuche ist es dringend notwendig, jeden
denkbaren Schutz einzuführen. Die obligatorische Impfung
gegen den Rotlauf mag bei den ausgezeichneten Erfahrungen
zweckmäßig sein. Die tierärztliche Untersuchung von Vieh¬
transporten, namentlich beim Verkehr im Inlande, kann zu
großen Belästigungen führen. Gegen die Verwendung der
privaten Tierärzte hat der Herr Staatssekretär gesagt, daß
auch bei menschlichen Krankheiten der Kreisarzt die Feststellung
machen muß. Das ist leider so und ein unerhörtes und unbe¬
gründetes Mißtrauen gegen unsere deutschen Ärzte. Von dieser
überflüssigen Bestimmung sollte auch bezüglich der Kreis¬
physiker abgegangen werden, und es besteht alle Ursache, nicht
eine ähnliche überflüssige Bestimmung für die Tierseuchen ein¬
zuführen. Wir brauchen die volle Mitwirkung der Privattierärzte.
Daß jeder ein praktisches Jahr als Assistent eines beamteten
! Tierarztes durchmache, ist einwandfrei.
Dr. med. Ricklin (Elsässer, bei keiner Fraktion): Im Interesse
der deutschen Landwirtschaft müssen alle Maßregeln begrüßt
werden, die tatsächlich geeignet sind, den Viehbestand zu schützen.
Dies verlangt der Wert der Viehbestände ebenso gut wie der
allgemeine hygienische Standpunkt. Die deutsche Landwirt¬
schaft kann zweifellos das Volk genügend mit Fleisch
versorgen. Das beweist die enorme Vermehrung der Vieh¬
bestände in einem Dezennium. Die deutschen Landwirte werden
fortfahren, sich der Viehzucht zu widmen, wenn sie eine
genügende Sicherheit haben. Trotzdem kann man nicht alle
Bestimmungen der Regierungsvorlage anerkennen. Die Seuchen
ganz auszurotten, sind wir doch nicht imstande. Den veterinär¬
polizeilichen Maßregeln legt man zu viel Bedeutung
bei. (?) Das läßt sich namentlich bei der Maul- und Klauen¬
seuche feststellen. Wenn diese in manchen Jahren eruptiv in die
Höhe gestiegen ist, um dann wieder zu sinken, so liegt das
nicht an veterinärpolizeilichen Maßregeln, sondern daran, daß
der Charakter der Krankheit sich ändert, weniger bösartig wird
und die Empfänglichkeit der Tierbestände sinkt. Trotzdem ist
eine Verschärfung der veterinärpolizeilichen Maßregeln nach
gewissen Richtungen zu begrüßen. In Elsaß-Lothringen ist
man darin übrigens viel weiter vorgeschritten als in anderen
Bundesstaaten, mit Hilfe von Regierungsverordnungen. Im
einzelnen ist zu bemerken, daß die Anzeigepflicht nicht auf das
Gesinde ausgedehnt werden darf. Die Beschränkung des Vieh¬
handels ist vorsichtig zu begrenzen. Die ganze Sache darf
nicht den beamteten Tierärzten allein überlassen werden. Bei
allem Respekt vor denselben erscheinen sie nicht als die ge¬
eignete Instanz, um die Zeit für die Aufhebung der Be¬
schränkungsmaßregeln festzustellen; das muß eine Kom¬
mission tun, in welcher auch Bauern und Vieh¬
händler sitzen. Das Gesetz darf auch nicht zu sehr die
Gerberei bedrücken. Bei den Entschädigungskosten muß die
Allgemeinheit herangezogen werden; auch müssen die Kosten
für Impfung, Desinfektion und Tötung vom Staate übernommen
werden. Die Tötung bei Maul- und Klauenseuche in ge¬
eigneten Fällen ist sehr zu empfehlen. Den beamteten Tier¬
ärzten eine so prominente Stellung einzuräumen, ist nicht aif :
102
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
gängig; dem Zeugnis eines „gewöhnlichen“ Tierarztes muß
ebenso viel Wert beigemessen werden. Man sollte statt eines
beamteten Tierarztes deren mehrere in einen Kreis setzen;
dann wären die beamteten Tierärzte leichter erreichbar, und
es würden sich an vielen Orten Privattierärzte niederlassen,
die heute dort nicht leben können, weil die ganze Praxis vom
Kreistierarzt an sich gezogen wird. Bas Verbot des kleinen
Grenzverkehrs in geeigneten Fällen ist empfehlenswert. Eine
viel größere Aufmerksamkeit sollte man der Milch¬
einfuhr widmen. Die Milch unterliegt keinem Zoll, und sie
wird z. B. in Elsaß aus Frankreich, wo sie etwas billiger ist,
massenhaft eingeführt. Das hat aber keineswegs die
Wirkung, daß für die Konsumenten die Milch ver¬
billigt wird; die Milchhändler haben lediglich dadurch die
einheimischen Bauern gezwungen, auch ihre Milch billiger ab¬
zugeben, verkaufen sie im übrigen aber ebenso teuer an die
Konsumenten. So ist z. B. in Mülhausen, wo sehr viel fran¬
zösische Milch hinkommt, die Milch keineswegs billiger als in
Straßburg, wo nur einheimische verwendet wird. Gerade die
Milch, deren Beschaffenheit schwer festzustellen ist, erscheint
als gefährlicher Träger des Ansteckungsstoffes. Besondere
Aufmerksamkeit verdient auch der Schmuggel.
Wehl (nationalliberal): Der Abgeordnete tritt namens des
größten Teils seiner politischen Freunde den Ausführungen der
Abgeordneten Scheidemann und Gothein entgegen und widmet
seine Ausführungen im übrigen speziell den Interessen der Leder¬
industrie, worüber er folgende interessante Angaben macht:
Eine rigorose Handhabung gewisser gesetzlicher Be¬
stimmungen könnte eine schwere Schädigung der gesamten
Lederindustrie sowie der Schuh-, Handschuh-, Möbel-, Sattler-
und Bijouterie-Industrie bedeuten. Für die Deckung des im
Inlande benötigten Sohlen-, d. h. Unterleders vermag Deutsch¬
land nur 40 Proz. des Gebrauchsmaterials aufzubringen. Deutsch¬
land ist auf den überseeischen Import angewiesen. Aus Argen¬
tinien kamen 1906 über Bremen 100 000 gesalzene und 120 000
getrocknete Rindshäute. Die ausländische Gesamteinfuhr über
Bremen betrug 77* Millionen. Die Einfuhr über Hamburg, das
heute auf dem Weltmarkt die erste Stellung im Häutehandel
einnimmt, ergab 1906 1 320 000 gesalzene und 380 000 ge¬
trocknete Rindshäute aus Argentinien im Werte von 43 Millionen,
sowie über 200000 Pferdehäute. Die Gesamteinfuhr Hamburgs
stellte sich auf über 4 Millionen Häute und 42 000 Ballen, und
die Gesamteinfuhr an Häuten und Fellen in das Deutsche Reich
bezifferte sich auf 360 Millionen. Argentinien liefert Deutschland
das vorzüglichste und unentbehrlichste Hautmaterial für die Unter¬
ledersohlenfabrikation. Es ist doch sehr zu bezweifeln, ob diese
Häute überhaupt Ansteckungsstoffe beherbergen können. Die Ab¬
sperrung dieser Einfuhr könnte namentlich auch im Kriegsfälle
eine Kalamität herbeiführen, wie sie England im Burenkriege
und auch Frankreich erfahren hat; damals überschwemmten die An¬
käufer ganz Deutschland und mußten sich vielfach mit minder¬
wertiger Ware begnügen. Die Not war ganz überraschend gekommen,
da die Bestände der englischen Gerbereien nicht genügten. Auch
die kleinen eisernen Bestände unserer Bekleidungsämter würden
nicht genügen. Würde das in Buenos Aires und Montevideo
aufgestapelte Material nicht nach Deutschland verschifft werden
dürfen, so würden es Kaufleute aus Antwerpen oder Havre an¬
kaufen, und die deutschen Industriellen müßten dort ihren Be¬
darf decken. — Nock viel mehr vom Auslände abhängig ist
Deutschland mit dem Rohmaterial für die Fabrikation von feinerem
Schuhleder und Handschuhen. Deutschland produziert kaum
5 Proz. des Bedarfs an Lamm-, Ziegen- und Kalbfellen. Der
Orient und Rußland, neuerdings auch Afrika, müssen den Bedarf
decken. Deutschland hat heute den größten Export von Leder¬
handschuhen nach Amerika, und Schwierigkeiten beim Bezug von
Rohmaterial würden die Industrie vernichten. Zu den in den
Gerbereien verarbeiteten Rohstoffen gehört auch das Leimleder,
das vor Beginn des Gerbeprozesses aus den Häuten heraus¬
geschorene Fleisch, Fett und Sehnenmaterial. Dieses Produkt
wird hauptsächlich aus den Vereinigten Staaten, Argentinien und
Brasilien nach Deutschland importiert, wo es nicht nach Bedarf
gewonnen wird. Dieses Material ist vor der Verschiffung monate¬
lang gesammelt, in Kalkmilch behandelt, dadurch desinfiziert
und dann getrocknet. Was die Behandlung infektiöser Häute
im Inland betrifft, so wird der lichtscheue Handel niemals ganz
unterdrückt werden können. Aber kein Gerber nimmt eine solche
Haut gern in die Hand, und im heutigen Großbetrieb ist der Ver¬
kauf derartiger Häute nicht mehr so leicht wie früher. In das
Gesetz sollte eine Strafbestimmung hineinkommen sowohl für die,
welche solche Häute feilbieten, wie auch für die, welche sie er¬
werben. Die Erzeugung von Milzbrand durch die Abwässer der
Gerbereien spielt eine verhältnismäßig geringe Rolle. Denn
gerade in denjenigen Landesteilen, wo der Milzbrand besonders
verbreitet ist, spielt die Lederindustrie eine verhältnismäßig
geringe Rolle. Die Reinigung der Abwässer ist trotzdem be¬
rechtigt; aber es muß dafür gesorgt werden, daß bezüglich der
Kläranlagen nicht zu kostspielige und unpraktische Anforderungen
gestellt werden. Die Lederindustrie ist die drittgrößte in
Deutschland,' welche annähernd 200 000 Arbeiter beschäftigt und
volle Berücksichtigung beanspruchen kann.
Fazit.
Die bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes von Ver¬
tretern aller Parteien gehaltenen, zum Teil gehaltreichen Reden
lassen vor allen Dingen erkennen, daß die Bedeutung des Ge¬
setzes von keiner Seite unterschätzt wird, und daß seiner Tendenz:
von allen Parteien, selbst auch von dem Vertreter der Sozial¬
demokratie Verständnis entgegengebracht wird, wenn auch die
Frage des Grenzschutzes von der Sozialdemokratie und einem
Teile der linksstehenden Abgeordneten, als deren Vertreter Herr
Gothein anzusehen ist, einseitig betrachtet und nicht richtig
beurteilt wird. Erfreulich ist die überwiegende Anerkennung,
daß schon das bisherige Gesetz segensreich gewirkt habe,
sowie, daß der neue Entwurf trotz anfechtbarer Einzelheiten eine
wesentliche Verbesserung bedinge und geeignet sei, den Schutz
der Viehzucht zu vervollkommnen. Auch bezüglich der M a u 1 - u n d
Klauenseuche wird die Wirksamkeit des Gesetzes überwiegend
anerkannt, hier macht nur der Abgeordnete Dr. Hoeffel eine
Ausnahme, die aber wohl auf einen Irrtum zurückzuführen ist,
und auch Dr. Ricklin ist geneigt, die tatsächliche Wirkung der
Veterinärpolizei gegenüber dieser Seuche zu unterschätzen.
Gewiß spielt die Veränderung des Krankheitscharakters und der
Empfänglichkeit der Bestände eine gewisse Rolle; es kann aber
unmöglich bestritten werden, daß die Dämpfung der beiden
großen Epidemien der veterinärpolizeilichen Bekämpfung zuge¬
schrieben werden muß, wenn auch natürlich jener allgemeinen
Verbreitung der Seuchen gegenüber die Maßregeln leider lange
Zeit bedurften, um ihre Wirkung zu äußern. Ihre Wirksamkeit
hat sich aber besondere klar erwiesen bei der vorzüglich
6. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
gelungenen Unterdrückung begrenzter Ausbrüche, nachdem die
allgemeine Herrschaft der Seuche gebrochen war, wie dies
auch von dem württembergischen Abgeordneten Vogt anerkannt
worden ist. Im übrigen beRteht eine ganz überwiegende Über¬
einstimmung darüber, daß, um fortab diese einzelnen Seuchen¬
ausbrüche sicher zu kupieren, die strengsten Maßregeln am
Platze sind.
Mit Befriedigung ist Vermerk davon zu nehmen, daß mehrere
Abgeordnete (Mugdan, Gothein und Vogt), namentlich
drastisch und überzeugend der letztere, sich für das Wort
Tierseuchen statt Viehseuchen ausgesprochen haben. Unter
diesen Umständen darf erwartet werden, daß die nachträgliche
Bemühung des Deutschen Veterinärrats um Einführung dieser
Bezeichnung in der Kommission Erfolg haben werde.
Bezüglich der Maßnahmen gegen das Ausland sind alle
Redner mit Ausnahme der Herren Scheidemann und Gothein
darin einig gewesen, daß auf scharfen Grenzmaßregeln der
ganze Erfolg der Veterinärpolizei in erster Linie beruht. Mit
Recht ist dabei auch hervorgehoben worden, daß unter dieser
Voraussetzung auch scharfe Maßregeln im Inlande gern ertragen
werden würden. Daß gleichwohl die Vertreter der Landwirt-,
schaft durchaus bereit sind, die Interessen der Industrie wahr¬
zunehmen, haben verschiedene Redner betont, sowohl bezüglich
des Viehhandels, wie namentlich ganz übereinstimmend hin¬
sichtlich der Lederindustrie, über die der Abgeordnete Wehl
interessante und überzeugende Angaben gemacht hat.
Hinsichtlich der Maßregeln im Inlande haben die meisten
Redner mit Recht betont, daß dieselben der deutschen
Landwirtschaft schwere Opfer auferlegen, die allerdings in
ihrem eignen Interesse liegen, daher gebracht werden müssen
und, wie mehrere Redner betont haben, auch gern gebracht
werden. Daß unter diesen Umständen der Abgeordnete Scheide¬
mann und in gewissem Sinne auch Herr Gothein das Gesetz
agrarischer Tendenzen beschuldigte, ist mit Recht zurück¬
gewiesen worden; denn es handelt sich, wie Herr Scheide¬
mann ja selbst zutreffend anerkannte, auch um den Schutz der
gesunden Volksernährung.
Die Abgrenzung des Kreises der gesetzlich zu bekämpfenden
Seuchen hat erfreulicherweise wenig Widerspruch erfahren,
mit Ausnahme der Räude, welche die Herren Bindewald und
Vogt nicht aufgenommen oder unter ein besonderes Ge¬
setz gestellt wissen wollen. Herr Bindewald bemerkte, daß
diese Anschauung in ganz Hessen herrschte; — eben deshalb
herrscht in Hessen auch wohl die Räude. Bis zu einem ge¬
wissen Grade überraschend ist dagegen die (exkl. Lehmann) ganz
allgemeine Zustimmung zur gesetzlichen Bekämpfung der Tuber¬
kulose, die von mehreren Rednern sogar als ganz besonders
wichtig bezeichnet worden ist, während sich hier vielleicht eher
ein Widerspruch hätte erwarten lassen. Die Freilassung der
Schweineseuchen wurde von einigen Rednern (Lehmann,
Siebenbürger, Gothein) kaum mit besonderem Nachdruck
zur Erwägung gestellt. Daß man auch die Aufnahme einer
Bienenseuche in das Gesetz wünscht (v. Pfetten, Vogt und
Bindewald) kann eigentlich nur begrüßt werden.
Daß man die durch das Gesetz vorgesehenen allgemeinen
Vorbeugungsmaßregeln in einzelnen Punkten zu scharf findet
oder genauer zu begrenzen wünscht, ist nicht verwunderlich;
hier werden in der Kommission wohl noch Abänderungen zu
erwarten sein. Speziell die beiden freisinnigen Redner betonten
lo3
dabei ihren Widerwillen gegen viele administrative Vorschriften.
Wenn dabei Herr Gothein meinte, man könne der Behörde
gegenüber nicht mißtrauisch genug sein, so ist dieses Mi߬
trauen angesichts der 25jährigen Handhabung des Viehseuchen¬
gesetzes sicher nicht berechtigt. Immerhin wird der Tendenz
zuzustimmen sein, daß möglichst viele allgemeingültige Vor¬
schriften zur Geltung kommen und den Landesbehörden nicht zu
viel überlassen bleibt. Eine völlige Übereinstimmung hat sich
in der Verurteilung der Ausdehnung der Anzeigepflicht auf
das Gesinde ergeben. Die Beseitigung dieser Bestimmung ist
zweifellos, und die Ausführungen der Redner dagegen waren
auch überzeugend. Eingehend wurde meist auch die Ent¬
schädigungsfrage behandelt. Der Wunsch, daß ein Teil der
Kosten von der Allgemeinheit getragen werden möge, daß also
auch Staatsbeihilfen geleistet werden, wurde von verschiedenen
Rednern ausgesprochen. Im übrigen würde es vielleicht nützlich
sein, daß große Publikum darüber aufzuklären, daß die soge¬
nannten Entschädigungen eigentlich nur die Auszahlung von
durch Zwangs Versicherung der Tierbesitzer aufgebrachten Bei¬
trägen sind. Ganz allgemein wurde die Entschädigung auch
für Geflügelseuchen gefordert; wie die Beiträge umgelegt werden
sollen, bleibt allerdings die Frage. Ebenso wird Entschädigung
für Maul- und Klauenseuche und von einigen Seiten (v. Pfetten
und Lehmann) auch Entschädigung für Hunde verlangt; die
letztere könnte doch wohl nur in besonderen Fällen in Frage
kommen, etwa für wertvolle Gebrauchshunde, fÜrZuchtzwinger u.dgl.
Daß bei Neuausbrüchen von Maul- und Klauenseuche die
schärfsten Maßregeln, wie sie in den letzten Jahren in Preußen
mit so großem Erfolg angewandt worden sind, und namentlich
auch die Tötung von Beständen, allgemein befürwortet wurde, Ist
sehr erfreulich. Eine sonderbare Vorstellung scheint nur der
Abgeordnete Bindewald von den anzuordnenden Impfungen
zu haben, und die Unterstellung, daß die beamteten Tierärzte
durch Anordnung der Impfungen sich kolossale Nebeneinnahmen
verschaffen könnten, muß zurückgewiesen werden. Erfreulich
ist auch, daß die Strafbestimmungen Zustimmung fanden und
mehrere Redner hervorhoben (Siebenbürger und Vogt), daß
die Strafen zwar auf den ersten Blick erschrecken, in Wirklich¬
keit aber nicht so schlimm seien und jedenfalls bei groben
Vergehen durchaus am Platze wären. Beherzigenswert sind endlich
das Urteil Dr. Ricklins über die Milcheinfuhr und der Hinweis
Lehmanns auf die Folge der Preissteigerung.
Von besonderem Interesse sind natürlich auch die Äußerungen,
welche über die Tätigkeit der Tierärzte von den meisten
Rednern gemacht worden sind. Zunächst ist die Anerkennung
sehr erfreulich, welche namentlich der erste % Redner, Herr
v. Pfetten, der Veterinärwissenschaft zuteil werden ließ. Daß
Herr Dr. med. Ricklin die Wirksamkeit der Veterinärpolizei
weniger hoch anschlagen wollte, ist wohl auf eine einseitig
theoretisch-medizinische Beurteilung zurückzuführen. Auf einer
völligen Verkennung der Ziele und Möglichkeiten der Seuchen¬
tilgung beruht die sonderbare Auffassung des Herrn Binde¬
wald, welcher die Tierärzte auffordert, die seuchenkranken
Tiere zu heilen, statt sie zu töten. Der Vergleich mit der
Behandlung menschlicher Infektionskrankheiten ist nicht allein
hinfällig, sondern die den Medizinern erwachsenden Schwierigkeiten
beweisen ja gerade, welchen Vorteil die Veterinärmedizin dadurch
hat, daß sie radikalere Mittel anwenden kann, indem sie nicht
auf den einzelnen Kranken, sondern ausschließlich auf den Schutz
104
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
der Gesunden Bedacht zu nehmen hat. Im allgemeinen ist nicht
zu verkennen, daß eine gewisse Besorgnis vor allzu großer
Machtbefugnis der Veterinärbeamten sich geltend macht. Diese
Machtbefugnis wird offenbar überschätzt, und es wird den Re¬
gierungsvertretern gewiß gelingen, jene Besorgnis zu zer¬
streuen. Sie wird es auch an einer entschiedenen Zurückweisung
der Anschauungen, wie sie Hen* Lehmann und Dr. Ricklin
vertraten, nicht fehlen lassen, welche (Jen beamteten Tierarzt
unter eine aus Landwirten und sogar Viehhändlern gebildete
Oberinstanz stellen möchten. Das fehlte in der Tat gerade noch;
dann dürfte die Veterinärpolizei nur die Segel streichen. Man
sollte meinen, daß die Erfahrungen von 26 Jahren zur Genüge
gezeigt hätten, wie die Regierungen überall bestrebt sind, auf
die Interessen der Landwirte Rücksicht zu nehmen.
Mit Genugtuung muß es dagegen begrüßt werden, daß
offenbar die Neigung besteht, neben voller Würdigung der Tätig¬
keit des beamteten Tierarztes auch die Privattierärzte nicht zu
übersehen. Die Abgeordneten Mugdan, Gothein und Ricklin,
bezeichnenderweise also beide Ärzte unter den Rednern, haben
verlangt, daß den Privattierärzten gewisse Funktionen überlassen
werden. Auch andere Redner, wie Herr v. Pfetten, haben das
allgemeine Bedürfnis nach Tierärzten betont. Zwei Redner
(v. Pfetten) haben speziell auch die Mitwirkung der Schlacht¬
hoftierärzte als notwendig bezeichnet. Es ergibt sich daraus,
daß die Wünsche, welche die Privattierärzte hegen, und welche
sie selbstverständlich jetzt werden zum Ausdruck bringen müssen,
keineswegs aussichtslos sind. Möge es gelingen, auch in diesem
Punkte einen Weg zu finden, um den berechtigten Ansprüchen
der beiden großen Gruppen des tierärztlichen Standes nach
Möglichkeit entgegenzukommen. S chm altz.
Kommission des Reichstages zur Beratung des Viehseuchengesetzes.
v. Byern (Kreis Jerichow, kons.); Erzberger (Biberach,
Württemberg, Zentr.); Fritzen (Rees, Zentr.); Gäbel (Meißen,
Antisem.); Hebel, Schriftführer (Memmingen, Schwaben, Zentr.);
Dr. med. Höf fei (Zabern, Elsaß, Dtsch. Reichsp.); Kobelt
(Magdeburg, b. k. Fr., lib.); Lehmann (Jena, natl.); Dr. med.
Mugdan (Liegnitz, Freis. Volksp.); Götz v. Olenhusen, Stell¬
vertreter des Vorsitzenden (Göttingen, Welfe); Freiherr
v. Pfetten (Regensburg, Zentr.); Rann er (Rosenheim, Ober¬
bayern, Zentr.); Rimpau, Vorsitzender (Halberstadt, natl.);
Dr. jur. Roesicke (Vors, des Bundes der Landwirte); v. Saß-
Jaworski (Marienwerder, Pole); Scheidemahn (Düsseldorf,
Sozialdem.); Siebenbürger (Naugard - Regenwalde, kons.);
Stauffer (Homburg, Wirtsch. Ver.); Stolle (Zwickau, Sozial¬
demokrat); Df. med. Sfruve (Schleswig^ Freis. Ver.); Strzoda
(Neustadt, Oberschi., Zentr.); S t ü ckl e n, Schriftführer (Sachsen 15,
Sozialdem.): Dr. v. Trzeiiski; Vogt (Crailsheim, Württem¬
berg, Wirtsch. Ver.); Wach hörst de Wente, Schriftführer
(Melle-Diepholz, natl.); Wehl (Celle, natl.); Wilckens,
Schriftführer (Schlochau-Flatow, kons.); de Witt (Cöln, Zentr.).
Eine etwas bittere Bemerkung drängt sich bei Betrachtung
dieser Liste unwillkürlich auf: In der Kommission zur Beratung des
Viehseuchengesetzes sitzen drei Menschenärzte (Dr. Höffel-Elsaß,
Dr. Mugdan-Schlesien, Dr. Struve-Schleswig) und ein vierter
hat im Plenum gesprochen (Dr. Ricklin-Elsaß). Macht es sich da
nicht beschämend geltend, daß nicht ein einziger Tierarzt im
Reichstag sitzt, in dem fast kein Stand unvertreten ist? Auf diesen
Punkt sollten die Tierärzte im Lande etwas mehr ihr Augenmerk
richten, als bisher leider geschehen ist.
Überhandnahme des Kurpfuschertums.
Punkt 12 der Tagesordnung der VII. Generalversammlung des
Vereins der beamteten Tierärzte Preußens
am 30. November in Berlin.
Von Raebiger, Habelschwerdt.
Bekanntlich ist das Kurpfuschertum ebenso alt, wie die medi¬
zinischen Disziplinen. Eine nur einigermaßen wirksame Waffe zur
Bekämpfung des Übels geben die heutigen Gesetze und Verfügungen
nicht. Auszurotten dürfte daher der gemeingefährliche Stand des
Kurpfuschers vor der Hand nicht sein. Die beiden Beamten, denen
in erster Linie die Bekämpfung dieses Standes obliegt, sind der
Kreisarzt und der Kreistierarzt. In fast allen Schichten der Be¬
völkerung sucht sich der Pfuscher Eintritt zu verschaffen; daß es
nicht nur die unteren Klassen sind, die diesen Künstlern Lob und
Ehre singen, ist längst bekannt, die höchsten Kreise sind häufig ebenso
ihre Versuchskaninchen, wie die kleinen Leute — ich erinnere hier nur
an das sattsam bekannte Gesundbeten! Die Gläubigen werden nicht
alle! — Doch wie dem auch sei, der beamtete Tierarzt wird sich damit
abfinden müssen, daß das Kurpfuschertum nicht auszurotten ist, wohl
aber muß es seine Pflicht sein und bleiben, darauf bedacht zu sein,
krasse Auswüchse dieses ehrsamen Standes zu beschneiden und
zur Kenntnis zu bringen.
In meinem Kreise herrschen in dieser Beziehung seit Jahrzehnten
unglaubliche Zustände! So betreibt hier, mit dem Wohnsitz in der
Kreisstadt, ein gewisser Josef Ludwig die Kurpfuscherei in
größtem Maßstabe. Der Genannte war früher Sattler in einem Dorf
bei Habelschwerdt, und kam dann hierher, um sich als Tierheil¬
kundiger zu etablieren. Bei der im hiesigen Kreise vorwiegend
kleinbäuerlichen Bevölkerung fand er sofort großen Anklang, da
der Glaube Wurzel gefaßt hatte und noch heute besteht,
der p. Ludwig sei Tierarzt und von seinem Bruder, dem
hiesigen noch heute aktiven Kreisarzt, Herrn Medizinal¬
rat Ludwig, ausgebildet worden. Man mag dabei ira Volke
der Ansicht sein, ebensogut, wie ein Kreisarzt Trichinenbeschauer
ausbildete, könne er auch Tierärzte ausbilden. Wie sich der Glaube
in der hiesigen Bevölkerung festgesetzt hat und sich bis heute er¬
halten hat, bin ich nicht in der Lage, genau anzugeben; eines ist
jedoch gewiß: Der Glaube ist da! und dies werden mir sämtliche
Kreistierärzte und Tierärzte der Grafschaft Glatz bezeugen können.
Der sogenannte Tierheilkundige Ludwig erfreut sich großen
Zuspruchs in allen Kreisen der Grafschaft Eines seiner Elitekunst-
stückchen besteht im Heilen von Koliken, die durch Darm¬
verschlingung hervorgerufen sind. Diese Darmverschlingungen be¬
seitigt er — man höre und staune, durch — manuellen Eingriff
per anum. Er wurde dieserhalb einmal wegen unlauteren Wett¬
bewerbs unter Anklage gestellt, aber freigesprochen, weil man an¬
nahm, daß er in gutem Glauben gehandelt habe.
Trotzdem er damals für die Zukunft verwarnt wurde, leistete
er sich nicht lange Zeit darauf dasselbe Manöver bei einem Offiziers¬
pferd, das Herr Tierarzt Römer in Glatz behandelte, und im ver¬
gangenen Jahre an einem Pferde, welches ich behandelte. Außer¬
dem verschreibt dieser Ludwig Rezepte lege artis, und gerade
dieser Umstand mag die meisten Landwirte veranlassen zu glauben,
der Bruder, Kreisarzt Herr Medizinalrat Ludwig, habe seinen
Bruder ausgebildet, denn woher sonst — fragt sich der kleine
Bauer — soll der Sattler Ludwig das gelernt haben?
Ob diese Annahmen richtig sind, vermag ich nicht zu ent¬
scheiden, ich teile hier auch nur die Tatsache mit, daß jeder Kreis¬
tierarzt und Tierarzt der Grafschaft Glatz täglich Gelegenheit hat,
dieser Annahme unter der ländlichen Bevölkerung zu begegnen.
Nach Angaben des Herrn Kreistierarztes Wittlingcr-Hanau,
meines Vorgängers hier, ist es unbestrittene Tatsache, daß der
Kreisarzt Herr Medizinalrat Ludwig seinerzeit dem Kurpfuscher
an einem Kalb des Viehbestandes des hiesigen Krankenhauses den
Schlundschnitt gezeigt habe, wessen sich der Kurpfuscher einem
Gutsbesitzer gegenüber rühmte. Die Folge hiervon war, daß
dieser Landwirt sich verleiten ließ, an seinem Pferde den
Schlundschnitt durch den Pfuscher ausführen zu lassen. Das Tier
endete fast unmittelbar darauf beim Roßschlächter. Herr Witt-
linger hat vor einigen Jahren auf öffentlicher Sitzung der preußi-
6. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
105
sehen Zentralvertretung schon einmal diese tatsächlichen Ver¬
hältnisse geschildert und dabei auch rücksichtslos des Kreisarztes
und dessen Rolle gedacht. Hierauf beschwerte sich letzterer bei
dem Herrn Regierungspräsidenten und verlangte Bestrafung des
Herrn Wittlinger. Die Regierung gab dem Kreisarzt anheim, zu
klagen, der Staatsanwalt, bei dem der Kreisarzt Strafantrag wegen
Beleidigung gestellt batte, stellte das Verfahren ein, Privatklage
erfolgte nicht — Tableau! —
Es sind häutig Regierungs-Verfügungen an die Apotheker der
Kreise in der Grafschaft Glatz ergangen, in denen sie streng er¬
mahnt wurden, auf die Rezepte des Kurpfuschers Ludwig keine
Medikamente zu verabreichen, die der Tab. B. entstammen. Trotz¬
dem in den ErlassÄ den Apothekern der Josef Ludwig klar als
Pfuscher bezeichnet wurde, hat vor einiger Zeit der Apotheker
Herr Bittner-Habelscliwerdt in einer Mahnung zur Bezahlung von
Medikamenten an einen Landwirt im Kreise Münsterberg den
Ludwig als „Tierarzt“ bezeichnet. Ich gebe zu, daß besonders
die Herren Apotheker des Kreises sich hier in einer schwierigen
Lage befinden, weil der Kreisarzt der Bruder des Kurpfuschers ist.
Es ist leider nicht bekannt, ob Herr Medizinalrat Ludwig bei Beinen
Revisionen jemals ein Rezept* seines Bruders beschlagnahmt oder
gefunden hätte, auf das Medikamente der Tab. B. verbotenerweise
verabreicht worden sind? Daß aber auf solche Rezepte trotz
Regierungs-Verfügung Medikamente abgegeben wurden, liegt auf
der Hand. Eine dieses beweisende Erklärung des früheren
Apothekenbesitzers Herrn Bau sch-Ullersdorf hat vor etwa einem
Jahre Herr Kreistierarzt Wittlinger an Herrn Veterinärrat Gückel,
Kreistierarzt in Münsterberg, gesandt. Herr Gückel hat diese Er¬
klärung bei einer gegebenen Veranlassung als Beweismaterial an
die Regierung Breslau eingereicht. Diese Erklärung ist also noch
vorhanden.
Nach meinem Gewährsmann, Herrn Schlachthausdirektor M a c h n i g,
hier behandelt der Pfuscher Ludwig aber anch Menschen; sollte
auch hiervon Herr Medizinalrat Ludwig keine Ahnung haben?
Dies.sipd Tatsachen, von denen schon mein Vorgänger, Herr Kreis¬
tierarzt Wittlinger, wußte und die zu bezeugen er jederzeit bereit
sein wird. Andere Pfuscher des Kreises hat Herr Medizinalrat
Ludwig allerdings schon zur Anzeige gebracht.
Nun mag sich jeder der Herren selbst ein Urteil darüber bilden,
welche Faktoren die Schuld tragen, daß der Pfuscher Ludwig
in den Augen der Landbevölkerung als Tierarzt dasteht,
und ich frage: ist es für einen Kreistierarzt unter den hier geschilderten
Verhältnissen überhaupt möglich, diesem Pfuscher das Handwerk
zu legen? Ich frage aber weiter: Was sagen die Herren Mediziner
selbst dazu, daß ein aktiver Kreisarzt einem Pfuscher an einem Tier
eine Operation zeigt, also lehrt, und daß dieser selbe Herr einen
hier weit und breit als Pfuscher bekannnten Tierheilkundigen
derartig protegiert? Es ist doch in erster Linie und vor allem
der Rolle des Herrn Medizinalrates Ludwig zu verdanken, daß
sich dieser „Tierheilkundige“ in allen Kreisen als „Tierarzt“ ein¬
zuschmuggeln verstanden hat! Das werden mir ohne weiteres
sämtliche Herren Tierärzte der Grafschaft bezeugen. Der Mann
wird sogar in den gerichtlichen Streitfragen, die im ganzen übrigen
Deutschen Reich einzig und allein von approbierten Tierärzten be¬
gutachtet werden, als Sachverständiger gerichtsseitig geladen und
gehört.
Ich brauche nicht besonders darauf hinzuweisen, daß bei der
Fleischbeschau an den durch Ludwig behandelten Tieren doppelte
Vorsicht geboten ist, denn einmal behandelt er die Tiere, solange
sie noch atmen, und dann gibt er unter harmlosen oder bezüglich
der Bestandteile unverständlichen Bezeichnungen (Magistralformeln),
wie „pil. pulv. etc. Ludwig“, Medikamente, die oft der Tab. B.
entstammen und den Wert des Fleisches sehr fraglich beeinflussen.
Natürlich werden diese Geheimmittel vor. Ankunft des tierärztlichen
Ergänzungsbeschauers beseitigt. Hieraus folgt, daß naturgemäß
die meisten von dem Kurpfuscher Ludwig behandelten Tiere ver¬
worfen werden müssen. Dem Einfluß dieses Mannes ist es möglich,
hieraus Kapital zu schlagen, und die landwirtschaftliche Bevölkerung
glauben zu machen, daß die Tiere nur deshalb verworfen würden,
weil sie in der Behandlung des Josef Ludwig waren. Als Kuriosum
erwähne ich hier, daß der Vorsitzende der verbündeten landwirt¬
schaftlichen Vereine des Kreises Habelschwerdt, Herr Keißler, zu
diesen Verhetzungen der Bevölkerung seine Hand bietet, wofür ich
schriftliches Beweismaterial habe. Dieser selbe Vorsitzende brüstete
sich seinerzeit mir gegenüber damit, daß er aus demselben Grunde
im Verein dafür gesorgt habe, daß mein Vorgänger in der Praxis
boykottiert wurde. Als Kuriosum möchte ich ferner erwähnen, daß
der Landrat des Kreises sich bei Krankheitsfällen seiner Pferde
nicht der am Orte befindlichen Tierärzte, sondern der Hilfe des
Kurpfuschers bedient. Dasselbe gilt von einigen prinzlichen und
gräflichen Besitzern usw. Zu welchem Schaden der landwirtschaft¬
lichen Bevölkerung dieser Pfuscher sein Handwerk treibt, das zu
beurteilen sind am besten die tierärztlichen Ergänzungsbeschauer
in der Lage. Es wird nichts anderes übrig bleiben, als daß die
Tierärzte der Grafschaft beim Ministerium eine Beschwerde ein¬
reichen, die sich gegen den Kreistierarzt zu richten haben wird.
Die Firma Hauptner-Berlin liefert übrigens, trotzdem ich sie
seinerzeit darauf aufmerksam gemacht habe, daß Ludwig ein
Kurpfuscher ist und die Tierärzte erheblich schädigt, nach wie vor
Instrumente an den Pfuscher und verweist mich dabei auf ihren
schon einmal in der B. T. W. verfochtenen Standpunkt. Ich nehme
an, daß kein sachlich denkender Tierarzt es der Firma Hauptner
verdenken wird, w r enn sie den Landwirten den einen oder anderen
Gegenstand verkauft; daß aber die Firma selbst einem ihr als Kur¬
pfuscher bezeichneten Mann ihre Instrumente verkauft, hat mich
j dazu veranlaßt, mein Instrumentarium nach Möglichkeit bei anderen
Firmen zu decken. Es dürfte von Interesse sein, daß sich
die Firma Hauptner auch nicht scheut, Instrumente, speziell
„Milchfieber-Apparate“, in Eisen-, Futter- und Düngekalk-Handlungen
der Provinz verkaufen zu lassen. Ich glaube nicht, daß es viele
Tierärzte gibt, die diesen Standpunkt der Firma Hauptner gut¬
heißen werden. Wir Tierärzte können die billige Forderung stellen,
daß sich gerade diese Firma größerer Rücksichten auf tierärztliches
Empfinden befleißigt. Sollte die Firma Hauptner sich durch das
im Laufe der Jahre errungene Monopol berechtigt halten, diese
tierärztliche Forderung als unwichtig zu übergehen, so werden wir
in Erwägung ziehen müssen, ob es für uns Tierärzte nicht opportuner
ist, unser Wohlwollen anderen Firmen zuzuwenden.
Noch eine kleine Blüte, die das Pfuschertum getrieben: Im
Kreisblatt und Weihnachtsanzeiger des Kreises Münsterberg und
gewiß auch noch in anderen Amtsblättern befindet sich folgendos
Inserat: Die Herren Landwirte können von I. A. Trödels Buch¬
handlung in Münsterberg, Burgstraße 6, zum Ausnahmepreise von
4 Mark beziehen: „Unser Tierarzt, volkstümliche Anleitung,
wie der Landmann alle Krankheiten der Pferde, Rinder, Schafe,
Schweine, Ziegen, Hunde, Katzen und des Geflügels richtig er¬
kennen, Vorbeugen und heilen kann, nebst einem Anhang: Allerlei
praktische Ratschläge für die Haus- und Landwirtschaft mit einer
Tafel „Das Pferd“ und ca. 100 in den Text gedruckten, fast sämt¬
lich Originalabbildungen.“
Dieser Anpreisung liegt doch zweifellos der Tatbestand des
unlauteren Wettbewerbes zugrunde.
Meines Erachtens nach wäre hier die beste Selbsthilfe, wenn
verschiedene Tierärzte gegen derartige Büchereien strafrechtlich
vorgingen und so Massenprozesse veranlaßt würden.
Endlich möchte ich noch kurz die Frage der Ausbildung der
Laien-Geburtshelfer berühren. Wohl auf den meisten
großen Gütern versehen die Stallschweizer im allgemeinen
die Verrichtungen des Geburtshelfers. Ich meine nun, es
wäre politischer von den Tierärzten, sie nehmen
zu dieser Frage in irgendeiner Weise Stellung, und
zwar so, daß den Ansprüchen der Tierärzte und Landwirte
Rechnung getragen wird. Ich erinnere mich mit einigem Vergnügen
irgendeiner großen Versammlung in Breslau, auf der ein höherer
beamteter Tierarzt mit Pathos den bekannten Vertreter für die
Ausbildung von Laiengeburtshelfern in Acht und Bann erklärte; —
daß aber hier im Bezirk Herr Professor Dr. Casper (auch von
Haus aus Tierarzt) von Ort zu Ort reist und in den landwirtschaft¬
lichen Vereinen in Wort und Bild den Viehzüchtern Geburtshilfe
lehrt, darüber regt sich keiner der Tierärzte auf. Auf der einen
Seite wird der ideale Vertreter einer Idee in Acht und
Bann erklärt, auf der andern Seite der die Idee in die
106
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
Tat umsetzende Herr Professor unbehelligt gelassen.
Wer von beiden aber schädigt denn nun in der Tat tierärztliche
Interessen?
Alle diese Auswüchse können leider nur durch Selbsthilfe be¬
schnitten werden. Diese Selbsthilfe auf der ganzen tierärztlichen
Linie zu organisieren, dürfte im vitalsten Interesse der tierärztlichen
Vereine liegen.
Ich hoffe, durch meine Ausführungen hierzu eine kleine An¬
regung gegeben zu haben.
Eine beachtenswerte Bundesratsentscheidung.
Zur naturwissenschaftlichen Prüfung der Humanmediziner ist
nach der ärztlichen Prüfungsordnung die Erbringung des Nachweises
der auf einer Universität gemachten Studien erforderlich. Von
dieser Regel ist bisher meines Wissens noch niemals eine Ausnahme
gemacht worden.
Vor kurzem entschloß sich ein im dritten Semester stehender
Studierender, der Sohn eines unserer älteren bekannten Kollegen,
aus inneren Gründen, das Studium der Veterinärmedizin aufzugeben
und zur Humanmedizin überzutreten. Natürlich mußte ihm daran
liegen, die auf der Tierärztlichen Hochschule zugebrachten zwei
vollen Semester beim ärztlichen Studium angerechnet zu erhalten.
Nach anfänglich erheblichen Schwierigkeiten ist es dem jungen
Mann gelungen, vom Bundesrat, als der einzig für diese Frage zu¬
ständigen Instanz, die Genehmigung hierzu zu erlangen. Die An¬
gelegenheit wurde am 24. Januar im Plenum des Bundesrates
genehmigt.
Es ist mir noch nicht bekannt, ob es sich bei dieser Genehmigung
um eine grundsätzliche Entscheidung resp. Änderung (Erläuterung)
der ärztlichen Prüfungsbestimmungen oder, wie ich annebme, um
eine einmalige Erlaubnis handelt Von Wichtigkeit ist beides.
Man kann verschiedene Gedanken hegen bei der Nachricht
Zunächst bedeutet sie unbedingt eine Anerkennung des tierärztlichen
Studium, die zwar den Tatsachen nur entsprechend ist, die aber
doch erfreulich wirken muß. Dann bedeutet sie eine Erleichterung
des Übertritts vom tierärztlichen zum ärztlichen Studium. Ob dies
mit Freuden anzunehmen ist oder nicht — selbst wenn es sich nur
um Schaffung eines Präzedenzfalles handelt — steht auf einem
anderen Blatt. Daß es besser ist, wenn jemand, der nicht seiner
vollen Neigung nach am Veterinärstudium hängt, frühzeitig einen
Berufswechsel vornimrat, als wenn er nur durch die Furcht, sich
zu benachteiligen, in unserem Studium verbleibt, ist selbstredend.
Ob der dadurch zu erwartende Abgang erheblich oder gar umgekehrt
durch frischen Zugang aus der Humanmedizin übertroffen wird, kann
lediglich davon abhängen, wie sich die sozialen, pekuniären und
studentischen Verhältnisse der Veterinär- und im Vergleich zur
Humanmedizin — vom Standpunkte eines jungen Mannes aus —
gestalten. Stabsveterinär Dr. Goldbeck*Schwedt.
IX. Internationaler tierärztlicher Kongreß im Haag 1909.
Das Exekutivkomitee des IX. Internationalen Kongresses hat
unter dem 27. Dezember 1907 ein Rundschreiben an die Delegierten
des Ständigen Ausschusses erlassen und darin mitgeteilt, daß die
Absicht besteht, in dem kommenden Kongreß fünf Sektionen zu bilden:
I. Staatsveterinärwesen (Seuchenlehre, Veterinärpolizei, Vieh¬
versicherung) ;
II. Anatomie, Physiologie, pathologische Anatomie und
Nahrungsmittelkunde;
III. Praktische Tiermedizin (innere Medizin, Chirurgie, Augen¬
heilkunde, Geburtshilfe);
IV. Tierzucht und Hygiene;
V. Tropen-Hygiene und -Krankheiten.
Zugleich hat das Exekutivkomitee die Mitglieder des Ständigen
Ausschusses der Internationalen Tierärztlichen Kongresse ersucht,
in ihrem betreffenden Heimatlande ein Lokalkomitee zu bilden, um
Mitglieder für den künftigen Kongreß im Haag zu werben Als
Zeit für den Kongreß ist Ende August oder Anfang September 1909
in Aussicht genommen.
Der Unterzeichnete, welcher Delegierter des Ständigen Aus¬
schusses für Deutschland ist, richtet daher an das Bureau des
Deutschen Veterinärrates, dem offiziellen Vertreter der Deutschen
Tierärztlichen Vereine, die ergebenste Bitte, das Bureau des
Deutschen Veterinärrates wolle die Vorstände der sämtlichen im
Veterinärrate vertretenen tierärztlichen Vereine ersuchen, in den
nächsten Tagen und insbesondere bei der nächsten Versammlung
des Vereins ein Lokalkomitee zu bilden, welches zum Beitritt als
Mitglied des Kongresses auffordert und die Anmeldungen der Herren
Kollegen sammelt. Der Mitgliedsbeitrag ist noch nicht genau fest¬
gestellt, wird aber nicht das Maß der bisherigen Mitgliederbeiträge
(etwa 10 bis 15 M.) überschreiten.
Die Lokalkomitees würden dann veranlaßt werden, die von
ihnen aufgenommenen Anmeldungen einem Deutschen Zentral¬
komitee zu übermitteln, das sich mit dem Haager Exekutivkomitee
ins Benehmen setzt. Das Zentralkomitee dürftÄsicb aus dem Bureau
des Deutschen Veterinärrates zusammensetzen, dem der Direktor
der Veterinärabteilung bei dem Kaiserlichen Gesundheitsamte und
der Unterzeichnete Delegierte des Ständigen Ausschusses für die
Internationalen Tierärztlichen Kongresse beizutreten hätten.
Anmeldungen zur Mitgliedschaft bei dem kommenden Kongresse
sind deshalb zurzeit schon erwünscht und vorteilhaft, weil es sich
darum handelt, jetzt schon Vorsorge für bequeme und möglichst
billige Unterkunft für die Kongreßmitglieder in der verhältnismäßig
kleinen Kongreßstadt zu schaffen.
Der ergebenst Unterzeichnete bittet um gefl. Nachricht, ob das
Bureau seiner Bitte zu entsprechen geneigt ist. Dr. Ly dt in.
Internationaler Tuberkuloeekongreß In Amerika.
Von Washington aus wird eine vorläufige Anzeige über den
internationalen Tuberkulosekongreß veröffentlicht. Die vorläufigen
Anordnungen hat der „Nationalverband zur Erforschung und Ver¬
hütung der Tuberkulose“ übernommen. Präsident ist Dr. Frank
Billings zu Chikago; unter den drei Ehrenvizepräsidenten befindet
sich Theodore Roosevelt. Der Nationalverband hat einen Aus¬
schuß für den Kongreß geschaffen, dessen Vorsitzender Dr. Flick
in Philadelphia und dessen Sekretär Dr. Wal sh ebenda ist. Der
Kongreß der Vereinigten Staaten ist um die nötige Autorität und
die erforderlichen Mittel für den Kongreß- ersticht worden.*' Unter
den sieben Sektionen des Kongresses befindet sich auch eine, deren
Gebiet speziell die Tuberkulose bei Tieren und deren Beziehung
zum Menschen ist. Präsident dieser Sektion ist Dr. Leonhard
Pearson zu Philadelphia. Der Kongreß soll vom 21. September
bis 12. Oktober 1908 zu Washington stattfinden und soll mit einer
Ausstellung verbunden sein. Er wird aktive Mitglieder, die eine
Fünfdollargebühr bezahlen und assoziierte Mitglieder haben. Es
haben sich bereits in fast allen Kulturländern Nationalausschüsse
zur Vorbereitung des Kongresses gebildet, deren Mitgliederzahl sich
allerdings noch vervollständigen wird. Der deutsche Ausschuß be¬
steht vorläufig aus den Herren DDr. v. Leyden, Pannwitz und
Orth, sämtlich in Berlin Die Tierärzte sind vorläufig nur ver¬
treten durch Dr. Hutyra-Budapest. In allen Vereinigten Staaten
von Amerika haben sich Staatsausschüsse gebildet.
Fortbildungskurses für Tierärzte an der Kgl. Tierärztlichen Hochschule
zu Dresden.
An der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden wird in der Zeit
vom 6.-16. April 1908 ein Fortbildungskursus für Tierärzte statt¬
finden. Es werden von den nachbenannten Professoren folgende
Vorträge und Übungen bzw. Demonstrationen zur beliebigen Aus¬
wahl angeboten:
Medizinalrat Prof. Dr. Edelmann: Ausgewählte Kapitel aus
der Fleischhygiene und Veterinärpolizei einschließlich Abdeckerei¬
wesen. Mit Demonstrationen. 6 Stunden.
Medizinalrat Prof. Dr. Joest: Ausgewählte Kapitel aus der
pathologischen Anatomie unter besonderer Berücksichtigung der
praktisch wichtigen Infektionskrankheiten mit Demonstrationen und
Sektionen. 12 Stunden.
Prof. Dr. Kl immer: 1. Übungen in der bakteriologischen Dia¬
gnostik der Infektionskrankheiten. 12 Stunden. 2. Milchkontrolle
mit Demonstrationen und Übungen. 2 Stunden. 3. Ausgewählte
Kapitel aus der neueren Seuchenforschung. 2 Stunden.
Prof. Dr. Lungwitz: Der Beschlag bei fehlerhaften Gangarten
der Pferde. 2 Stunden.
6. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
10t
Medizi aalrat Prof. Dr. Pusch: 1. Die deutschen Rinderrassen
mit besonderer Berücksichtigung ihrer Heimatsverhältnisse, ihres
Äußern und ihrer* Nutzungseigenschaften. 2 Stunden. 2. Übungen
in der Beurteilung und Punktierung von Rindern. 3 Stunden.
Prof. Dr. Richter: Ausgewählte Kapitel aus der Rinderpraxis.
3 Stunden.
Medizinalrat Prof. Dr. Röder: 1. Demonstrationen in der
chirurgischen Klinik. 2 Stunden. 2. Übungen in der Diagnostik
der wichtigsten Augenkrankheiten. Nachmittags: Stundenzahl nach
Übereinkunft und je nach Zahl der Teilnehmer.
Prof. Dr. Schmidt: Ausgewählte Kapitel aus der speziellen
Pathologie und gerichtlichen Tierheilkunde. 4 Stunden.
Überdies bietet Dozent Dr. Naumann an: Die mitteleuropäische
Wiesenformation und die Beurteilung des geworbenen Heues. Mit
Demonstrationen. 6 Stunden.
Die Herren Kollegen, welche an dem Kursus teilnehmen wollen,
werden ersucht, möglichst bis zum 21. März d. J. die Anmeldung
unter Angabe der Fächer, welche sie zu belegen wünschen, bei der
Kanzlei der Kgl. Tierärztlichen Hochschule, Zirkusstr. 40, zu be¬
wirken. Hiernach wird es möglich sein, eine Stundenübersicht zu¬
sammenzustellen, die dann den Herren Teilnehmern zur Verfügung
stehen wird.
Das Honorar beträgt pro Stunde eine Mark.
Die Vorträge und Übungen finden in der Hauptsache zwischen
früh 8 Uhr bis mittags 1 Uhr statt. In Rücksicht auf die Kürze
der zur Verfügung stehenden Zeit werden jedoch auch einige Nach¬
mittage in Anspruch genommen werden müssen.
Könlgsgeburtstags-Feier in Hannover.
Die Feier fand in der Aula der Tierärztlichen Hochschule
am 27. Januar statt. Die Festrede hielt der Direktor, Geheimrat
Dr. Dam mann über die Beziehungen zwischen der Tuberkulose
des Menschen und der Tiere. „ Am 23. Januar hatte der
Studenten verband der Hochschule einen Festkommers ver-
atrefaltet,’ anwetchem neben den Professören lmd Assistenten der
Tierärztlichen Hochschule auch der Rektor der technischen Hoch¬
schule und andere Ehrengäste teilnahmen.
R. S. C. Denkmal.
Die Verbände alter Herren des Rudolstädter S. C. haben
beschlossen, in Rudolstadt ein Wahrzeichen zu errichten.
Dasselbe besteht aus der Bronze-Figur eines Studenten in Wichs,
modelliert von Norbert Pfretschner, dem Schöpfer des
Bismarck-Studenten-Denkmals. Se. Durchlaucht der Fürst hat
bereits die Genehmigung und die Stadt den geeigneten Platz
gegeben. Die Kosten belaufen sich auf 15 000 M., welche von
etwa 1000 Alten Herren aufzubringen sind*).
Es ist zu hoffen, daß das Denkmal unverweilt zustande
kommt. Es ist ein guter Gedanke es zu errichten und das
gerade jetzt. Das Schicksal der tierärztlichen Hochschulen
steht an einem Wendepunkt. Auch der R. S. C. kann nicht
unberührt bleiben. Was aber auch werden möge, das Denkmal
wird ihn dauernd verkörpern. Es ist zugleich vornehmlich ein
Erinnerungszeichen an die alten Landsmannschaften, denen
weitaus die meisten an der Stiftung beteiligten A. H. noch an¬
gehört haben und an die erste, schwere aber rühmliche Epoche
des Veterinärstudententums. So steht es als ein Grenzstein
zwischen der alten und der neuen Zeit. Schmaltz.
Kaiser Wilhelm-Akademie.
Nach dem Vorgang der Militär-Veterinär-Akademie wird
auch an der Kaiser Wilhelm-Akademie eine Gedenktafel für die
gefallenen Militär-Veterinäre errichtet.
Landes-Pferdezucht-Kommission.
Die Verhandlungen der Landes-Pferdezucht-Kommission sind
jetzt in einem 239 Seiten starken bei Paul Parey erschienenem
Bericht vollständig veröffentlicht. (Vgl. B. T. W. 1907, Nr. 49.)
*) Beiträge sind an Professor Eberlein oder den Tierarzt
Klingner-Berlin zu senden.
Staatsveterinärwesen.
Redigiert von Veterinärrat Preuße.
(Fortsetzung in Nr. 7.)
Viehseuchengesetznovelle Im Reichstag.
Die Novelle zum Viehseuchengesetz, welche in Nr. 52
B. T. W. näher besprochen worden ist, hat den Reichstag in
seiner Sitzung am 20. Januar eingehend beschäftigt. Die Be¬
ratungen, welche bereits vor 8 Tagen begonnen hatten, wurden
durch Besprechungen verschiedener Interpellationen zurück-
gedrängt. Ans den Verhandlungen ist ersichtlich, daß sich
sämtliche zum Worte gelangten Abgeordneten mit der Grund¬
tendenz des Entwurfs, verstärkter Abwehrmaßregeln gegen
Viehseuchen einverstanden zeigten. Selbst der sozialdemokratische
Redner, Abgeordneter Scheidemann, stand der Vorlage im
Prinzip wohlwollend gegenüber. Er konnte es in seiner Rede
aber nicht unterlassen, die Agrarier heftig anzugreifen und dem
Entwurf die Erfüllung agrarischer Wünsche, d. h. die Ver¬
mehrung der „Liebesgaben“ vorzuwerfen. Irgendwelche Beweise
konnte er natürlich für diese Behauptung nicht beibringen, diese
dürften wohl auch schwerlich zu erbringen sein. Der Herr
Abgeordnete bemängelt auch die Anzeigepflicht für Schweine¬
seuche und Schweinepest, da diese Krankheiten im Anfänge
schwer zu erkennen seien.
Der Herr Abgeordnete scheint in dieser Beziehnng doch
wohl sehr schlecht informiert worden zu sein. Daß er in bezug
auf die gegen das Ausland gerichteten Abwehrmaßregeln sehr
^viel auszusetzen hatte, nimmt bei der parteipolitischen Stellung
^dieses Herrn kein Wunder. Sehr viel Heiterkeit erzielte der
.Herr Abgeordnete mit der Behauptung, daß den agrarischen
Bestrebungen der Vorlage nur kräftig entgegengetreten werden
könne durch Einführung des allgemeinen gleichen geheimen
Wahlrechts in Preußen. In ruhiger, sachlicher Weise' ent-
gegnete dem sozialdemokratischen Abgeordneten der Reichs¬
parteiler Dr. Höf fei. Auch der freisinnige Abgeordnete
Dr. Mugdan trat den übertriebenen Ausführungen des Sozial¬
demokraten entgegen. Doch auch er bemängelte einige Be¬
stimmungen der Abwehrmaßregeln. Er tadelte ferner die Un¬
summen von polizeilichen Verordnungen, die schon jetzt neben
dem Seuchengesetz bestehen. Das Gesetz müsse so abgefaßt
sein, daß Polizei Verordnungen im wesentlichen überflüssig seien.
Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg gab seine Genugtuung
darüber Ausdruck, daß alle Parteien bereit seien, an dem Ge¬
setz mitzuarbeiten. Spezielle Ausführungen machte der Herr
Staatssekretär nicht. Er gab aber noch die Erklärung ab, daß
ein Reichsgesetz in Vorbereitung sei betreffend die Beseitigung
der Kadaver und Abgrenzung der Abdeckereibezirke unter be¬
stimmten Voraussetzungen. Von den übrigen Rednern ließ sich
der freisinnige Abgeordnete Gothein etwas eingehender über
die Vorlage aus. Er behauptete u. a., daß die Tuberkulinprobe
ganz wertlos und überflüssig sei. Professor v. Behring habe
ihr jede Beweiskraft abgesprochen. Offenbar hat Her Gothein
Herrn v. Behring gründlich mißverstanden, denn sonst könnte
108
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
er solche Behauptungen nicht aufstellen. Des weiteren kommt
der Herr Abgeordnete auf sein Steckenpferd, das sind die Ab¬
wehrmaßregeln gegen das Ausland und die Zuständigkeit der
Reichs- und Landesbehörden zur Anwendung solcher Maßnahmen.
Den Regierungspräsidenten werde durch das Gesetz zu viel
Blankovollmacht betr. der Einfuhrverbote gegeben.
Die Vorlage ging schließlich an eine besondere Kommission
von 28 Mitgliedern.
Nach dem, was in der ersten Lesung für und wider den
Entwurf vorgebracht worden ist, scheint es, daß er in der
Kommission noch so mancherlei Abänderungen erfahren dürfte.
Pr.
Der Yiehhandel in seinen verschiedenen Formen als
Quelle der Seuchen Verbreitung und die Vorbeugungs¬
maßnahmen.
Referat, erstattet auf der amtlichen Versammlung der Veterinär¬
beamten des Regierungsbezirks Schleswig-Holstein in Schleswig
am 8. Januar 1908
von Kreistierarzt Dr. II oh mann-Pinneberg.
Üie Viehzucht und -haltung haben sich seit einer Reihe von
Jahren als diejenigen Zweige des landwirtschaftlichen Betriebes
erwdesen, die vermöge ihrer Rentabilität die Lösung der an
unsere Landwirtschaft vielerorts vor nicht allzulanger Zeit
herangetretenen Existenzfrage in günstigster Weise vollzogen
haben. Sie zur Hauptsache waren es, die diesen Erwerbszweig
von neuem zu einem einträglichen gestalteten und der augen¬
blicklichen Blüte entgegenführten.
Der Viehhandel hat seit jeher seine Aufgaben darin gefunden,
als Bindeglied zwischen Viehzüchter und -halter, zwischen
Produzent und Konsument die Regelung von Angebot und Nach¬
frage vermitteln zu bewirken und durch Erschließung neuer
Absatzgebiete die Verkaufsmöglichkeit günstig zu beeinflussen.
Es ist mithin nicht zu verkennen, daß derselbe unserer
Landwirtschaft in vielen Fällen unzweifelhaft zum Nutzen
gereicht, ihr Werte gewonnen und erhalten hat und heute wohl
überhaupt nicht mehr entbehrt werden kann.
Andererseits ist es jedoch ebenfalls der Viehhandel gewesen,
der wo immer Viehseuchen auftraten, die Verschleppung und
Verbreitung dieser stets und ständig in erster Linie vollzogen
und dadurch so manchen Besitzer häufig genug vor den Ruin
gebracht hat.
Wenn nun auch das wirtschaftliche Interesse des Viehhandels
als eines integrierenden Teiles des gesamten Handels, eine
möglichst schrankenlose Entfaltung der Kräfte verlangt, so würde
doch eine derartige den Bestand eines unserer bedeutendsten
Erwerbszweige gefährdende bedingungslose Freiheit allen volks¬
wirtschaftlichen und demnach auch veterinärpolizeilichen Grund¬
sätzen Hohn sprechen.
Aufgabe der staatlichen Fürsorge ist es daher, Normen zu
schaffen, vermöge derer die angedeuteten, mit dem Überhand¬
nehmen der Seuchen stetig gewachsenen Gefahren für unsere
Landwirtschaft und damit für das gesamte Volk voll und ganz
paralysiert werden.
Am letzten Ende erfordern, wie von einsichtigen Vieh¬
händlern längst erkannt worden ist, die wirklichen Interessen
des Viehhandels genau dasselbe.
M. H.! Was zunächst die durch den Viehhandel gegebenen
Einschleppungen von Viehseuchen aus dem Anslande betrifft, so
sind, wenn auch hinsichtlich einzelner Seuchen ein Rückgang
in der Zahl der aufgedeckten Fälle eingetreten ist, die Gefahren
der Einschleppung mit dem Wachsen des Verkehrs und dem
Steigen der Einfuhr einzelner Tiergattungen doch ständig ge¬
stiegen. Nach Ausweis der jährlichen Viehseuchenberichte für
das Deutsche Reich sind der Rotz, die Maul- und Klauenseuche,
die Lungenseuche, die Schweine- und Geflügelseuchen, vereinzelt
auch die Schafpocken durch lebendes Handelsvieh und den mit
dem Viehhandel Hand in Hand gehenden Personenverkehr nicht
selten in das Reich eingeschleppt worden. Es haben also die
zu Gebote stehenden Maßregeln, nämlich die Grenzsperre, die
Quarantänen, die amtstierärztliche Beaufsichtigung der Vieh¬
einfuhr, die Ursprungs- und Gesundheitszeugnisse, sowie der
Viehseuchennachrichtendienst mit dem Auslande den gehegten
Erwartungen nicht immer entsprochen.
Einesteils ist dieser Übelstand in der Natur und dem Wesen
mancher Seuchen begründet die Inkubationszeit —, anderer
seits jedoch auch in der Unzulänglichkeit der gegenwärtigen
gesetzlichen Bestimmungen. Die Erfahrung beweist, daß nicht
nur seuchekranke, sondern auch der Seuche und der Ansteckung
verdächtige Tiere, sowie Personen und Gegenstände ver¬
schiedenster Art, die mit kranken Tieren in Berührung gekommen
sind, als Träger des Ansteckungsstoffes die Verschleppung der
Seuchen herbeizuführen vermögen.
Da durch den unausgesetzt stattflndenden kleinen Grenz¬
verkehr und den ja überall florierenden Viehschrauggel die
Grenzbezirke des Inlandes von der Einschleppungsgefahr ständig
bedroht sind und ihrerseits wiederum häufig die Quelle für die
Verseuchung des übrigen Inlandes bilden, genügen die nur in
Fällen bedrohlicher Seuchenausdehnung im Nachbarlande an¬
zuordnenden Revisionen der vorhandenen Viehbestände und
Kontrollen über Zu- und Abgang der gefährdeten Tiere im
Grenzbezirke nicht, es sind vielmehr dauernde Einrichtungen
erforderlich, die ohne Schädigung des reellen Viehhandels
imstande sind, der Weiterverbreitung eingeschleppter Vieh¬
seuchen vorzubeugen.
In Erkenntnis dieser Tatsachen und in Würdigung ihrer
Bedeutung sind denn auch in dem Entwürfe zum neuen Tier¬
seuchengesetze Vorschriften enthalten, die in Ergänzung der
jetzigen Bestimmungen eine Verstärkung des Schutzes gegen
die Seucheneinschleppung gewähren und andererseits dem
legitimen Viehhandel die größtmöglichste Bewegungsfreiheit
dennoch garantieren.
M. H.! Wenn ich im Nachfolgenden den Viehhandel im
Inlande und die mit ihm verbundenen Gefahren der Seuchen¬
verbreitung zum eigentlichen Gegenstand meines heutigen
Referats mache, so geschieht dies zur Hauptsache aus der Er¬
wägung heraus, w r eil dieses Thema auch in unserer Provinz
eine brennende Frage bildet, deren Erledigung von hochwichtiger
Bedeutung für die Seuchenbekämpfung ist.
Ich beginne mit den verschiedenen Formen des Viehhandels
und den dadurch bedingten Möglichkeiten der Seuchenverbreitung.
Was zunächst die Viehmärkte anlangt, so ist, mag es sich um
Pferde-, Rinder-, Schaf-, Schweine- oder Geflügelmärkte handeln,
die von ihnen ausgehende Gefahr der Seuchenverschleppung seit
jeher eine allseitig anerkannte Tatsache gewesen. Die Beob¬
achtung, daß vom Viehmarkte aus Seuchen rasch strahlenartig
eine weite Ausbreitung nehmen, tritt nicht selten in Erscheinung.
Nicht immer liegt die Ursache in der Gegenwart seuche¬
kranker Tiere. Die Möglichkeit ist zu viel gegeben, daß auch
6. Februar 11)08.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
109
von bereits durchgeseuchten Tieren, ferner durch Zwischen¬
träger, durch Besitzer, Begleiter oder Pfleger seuchekranker
Tiere der Infektionsstoff nach den Viehmärkten geschleppt und
dort auf gesunde Tiere und bei dem regen Verkehr wiederum
auf andere Zwischenträger, Personen oder Sachen, übertragen
wird, die ihrerseits das Virus bei unseren heutigen Verkehrs-
verhältnissen unschwer in die entlegensten Teile des Landes
zu tragen vermögen.
Diese Schleichwege der Seuchenverbreitung sind, um so
gefährlicher, als zu ihrer Unterbindung wirksame Mittel kaum
zur Verfügung stehen.
M. H.! Als Viehmärkte im gesetzlichen Sinne sind nur solche
zu verstehen, die gemäß § 127 des Gesetzes über die Zu¬
ständigkeit der Verwaltnngs- und Verwaltungsgerichtsbehörden
vom Provinzialrat beschlossen worden sind. Die Jahr- und
Wochenmärkte, auf denen Handelsvieh zum Auftrieb gelangt,
sind in der Beurteilung vom seuchenpolizeilichen Standpunkte
ans natürlich den eigentlichen Viehmärkten gleichzustellen.
In den meisten Orten mit größeren Viehmärkten wird
bereits vor dem eigentlichen Markttage seitens der Händler in
den Höfen und Stallungen der Gasthäuser und großen Aus¬
spannungen ein schwunghafter Handel mit aus den ver¬
schiedensten Gegenden zusammengebrachten Vieh getrieben, der
häufig sogar am Markttage selbst unter geflissentlicher
Ingnorierung des Marktplatzes fortgesetzt wird.
Diese sogenannten heimlichen Märkte oder Vormärkte
werden besonders von Händlern frequentiert, die ihr Vieh am
Markttage aus verschiedenen mehr oder weniger ehrlichen
Motiven vom öffentlichen Marktplatze fernzuhalten bestrebt sind.
Einmal geben sie vor, das Vieh den Unbilden der Witterung
auf offenem Markte nicht aussetzen zu wollen, was bei hoch-
trächtigen oder frischmilchenden Kühen begreiflich erscheint,
andererseits präsentieren sich die Tiere im Stalle jedoch vor¬
teilhafter, Fehler lassen sich leichter verdecken und der amts¬
tierärztlichen Untersuchung sind, falls eine solche überhaupt
stattfindet, enge Schranken gezogen.
Des ferneren haben sich in vielen Orten, ohne daß ein
Marktuntemehmer vorhanden ist, lediglich einem örtlichen Be¬
dürfnisse entsprechend, sogenannte wilde oder Privatmärkte ge¬
bildet, die fast nur von Händlern besucht werden. Zweifelsohne
involvieren derartige aus den verschiedensten Gegenden zusammen¬
gebrachten und von der Hand des einen in die des andern
Händlers übergehenden Viehbestände hinsichtlich der Verbreitung
von Seuchen eine ganz bedeutende Gefahr.
Dasselbe gilt von dem sich ständig ausbreitenden Handel
in Gast- und Handelsstallungen. Der häufige Wechsel dieses
Viehes erhöht die damit verbundene Gefahr der Verbreitung von
Seuchen um so mehr, als die gleichzeitig dem Verkaufe dienenden
Stallungen sehr leicht selbst zu Brutstätten bestimmter Seuchen
werden und sodann die Veranlassung zur Seuchenverschleppung
nicht allein durch die in ihnen aufgestellten Tiere, sondern auch
durch das Publikum geben.
Auch die in vielen Gegenden sehr gebräuchlichen Auktionen
sind, soweit es sich bei ihnen um zusammengebrachte Vieh¬
bestände handelt, in hohem Grade geeignet, der Seuchen¬
verbreitung Vorschub zu leisten.
Nicht weniger bilden die Schlachtviehhöfe mit ihrem
ständigen Wechsel der Tiere und ihrem bedeutenden Personen¬
verkehr eine ununterbrochene Gefahr der Seuchenverbreitung.
M. H.! Der Viehhandel im Umherziehen, als dessen Haupt¬
repräsentant der Hausierhandel anzusehen ist, hat ja, wie all¬
gemein bekannt, zu jeder Zeit einen der wichtigsten Faktoren
hinsichtlich der Seuchenbekämpfung gebildet. Auch hier liegt
die Gefahr nicht allein in der Verbreitung kranker Tiere, es
sind außerdem, und das ist der Schwerpunkt, die als Träger
leicht übertragbarer Kontagien figurierenden Händler und Be¬
gleiter der Transporte selbst, die die Seuchen von Ort zu Ort
und aus einem verseuchten Gehöft und Stall in viele andere zu
verschleppen imstande sind. Dazu kommt, daß das vielerorts
übliche Treiben des Viehes eine ständige Möglichkeit der Aus¬
streuung von Ansteckungsstoffen auf Straßen und Wege mit den
daraus resultierenden Konsequenzen in sich birgt.
Ohne Zweifel bietet der Hausierhandel den Händlern gegen¬
über den sonstigen Handelsformen im allgemeinen Vorteile, da
der Käufer sich nicht so leicht über den augenblicklichen Stand
der Preise informieren kann und die Konkurrenz mehr oder
weniger wegfällt.
Über die rechtliche Begriffsauslegung des „Handels im
Umherziehen“ ist folgendes zu sagen.
Unter Hausieren, das wohl in erster Linie in Frage kommt,
ist das Feilbieten mitgeführter Waren von Ort zu Ort und
Haus zu Haus zu verstehen.
Auch der Betrieb eines Wanderlagers ist nach der R. G. 0.
ein Gewerbebetrieb im Umherziehen.
Ferner fällt hierunter nach den Bestimmungen des § 55
R. G. 0. auch derjenige Handel, der seitens eines Händlers mit
stehendem Gewerbebetrieb an Orten ausgeübt wird, wo er keine
gewerbliche Niederlassung hat. Es liegt demnach gemäß einer
Reichsgerichts-Entscheidung Handel im Umherziehen auch dann
vor, wenn der Händler auf Viehmärkten außerhalb seines Nieder¬
lassungsortes Vieh ein- oder verkauft oder außerhalb der Ort¬
schaft seiner gewerblichen Niederlassung ohne vorherige Be¬
stellung Vieh zum Wiederverkauf auch nur ankauft.
Für die veterinärpolizeiliche Abschätzung der im Handel
im Umherziehen liegenden Seuchenverschleppungsgefahr ist es
natürlich völlig gleichgültig, ob der Handel außerhalb des Ortes
der gewerblichen Niederlassung stattfindet oder ob eine solche
Niederlassung überhaupt fehlt.
Der Handel auf vorherige Bestellung ist dem Handel im
Umherziehen rechtlich nicht beizuordnen. Jedoch ist das bloße
Inaussichtstellen der Möglichkeit der Abnahme einer Ware keine
Bestellung. Wer, nachdem sich die Kaufs Verhandlungen mit
dem Besteller einer Ware zerschlagen haben, die Ware einem
anderen feilbietet, handelt nicht auf „vorgängige Bestellung“.
Auch ist die Aufforderung, eine bestimmte Ware zu bringen,
die der Gewerbetreibende dadurch herbeiführt, daß er, ohne
dazu bestellt zu sein, einen andern aufsucht und ihn auffordert,
die an einem anderen Orte untergebrachte Ware zu besichtigen,
keine der Feilbietung vorgängige Bestellung.
M. H.! Auch das auf Bahnhöfen und Schiffsplätzen von
Händlern und Viehverwertungsgenossenschaften zusammen¬
gezogene Vieh wird heutzutage zu Handelsgeschäften benutzt,
die oft einen marktähnlichen Charakter annehmen und in manchen
Gegenden geradezu zur Kalamität geworden sind. Die hierdurch
ermöglichten Seuchenverschleppungen sind um so höher zu
bewerten, als auch diese Tiere nach der Verscbiedenartigkeit
ihres Herkunftsortes die Annahme ihrer suspekten Beschaffenheit
jederzeit rechtfertigen.
110
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
Neben den Beständen der Viehhändler sind erfahrungsgemäß
die gewerbsmäßigen Zuchtanstalten und Mästereien wahre Brut¬
stätten für die Erhaltung und Verbreitung der Kontagien und
mithin stetig wiederkehrende Ausgangspunkte für die Ver¬
schleppung von Seuchen, insonderheit der Schweine- und Geflügel-
seuchen. Häufig genug w r erden die Händler ja nur dazu benutzt,
die Verschleppung der in den Züchtereien gezüchteten Seuchen
zu vollziehen. Daß die Mästereien die sich nicht artenden, mit¬
hin in vielen Fällen verseuchten Tiere, die sogenannte Ramsch¬
ware, an den Mann zu bringen wissen, ist eine alte Erfahrungs¬
tatsache. Hier haben vor allen Dingen die Hebel einzusetzen,
wenn anders eine zielbewußte rationelle Seuchentilgung bleibenden
Erfolg zeitigen soll.
Schließlich bilden auch die mit dem Viehhandel eng ver¬
wandten Viehausstellungen und Tierschauen mit ihrem aus den
entferntesten und verschiedensten Gebieten erfolgenden Zu¬
sammenströmen von Vieh Stätten häufiger Ansteckung und
Ausgangspunkte unbegrenzter Seuchenausbreitungen.
M. H.! Die Möglichkeit der Verschleppung einer jeden Vieh¬
seuche durch den Viehhandel, mag diese der Anzeigepflicht
unterliegen oder nicht, ist evident. Das beweisen ja auch die
in den Veröffentlichungen aus den Jahres-Veterinärberichten
niedergelegten Erfahrungen der beamteten Tierärzte zur Genüge.
Natürlich ist der Grad der Verschleppbarkeit ein grundaus
verschiedener. Es kommt hierfür die Größe des Handels, die
Verschiedenheit der Verkehrsverhältnisse und vor allen Dingen
der Charakter der Seuche an sich, der Grad der Übertragbarkeit
ihres Erregers in Frage.
Für die Beweisführung der Notwendigkeit einer stetigen
unausgesetzten Beaufsichtigung sämtlicher Viehhandelsformen
bedarf es jedoch nur des erläuternden Eingehens auf diejenigen
Seuchenarten, die vermöge ihrer Gefährlichkeit hinsichtlich der
Übertragbarkeit auf Menschen, der Herbeiführung großer wirt¬
schaftlicher Verluste und ihrer außerordentlichen Ansteckungs¬
gefahr eine etwaige Kollision mit den Interessen des Viehhandels¬
gewerbes rechtfertigen.
Was zuerst den Rotz betrifft, so wird die Tatsache, daß
die Verbreitung dieser Seuche im Inlande in der Mehrzahl der
Fälle durch den Pferdehandel erfolgt, wohl am besten dadurch
argumentiert, daß ein großer Prozentsatz der Fälle seine Ent¬
deckung der amtstierärztlichen Beaufsichtigung der Pferdemärkte
und zusammengebrachfen Pferdebestände verdankt. Wenn die
Zahl der aufgedeckten Seuchenfälle innerhalb der Jahre 1886 bis
1905 um mehr als 58 Proz. zurückgegangen ist, so muß dieser
außerordentlich erfreuliche Erfolg nicht zuletzt auf die segens¬
reiche Wirkung der mit der Zeit strenger gehandhabten Kontrolle
des Pferdehandels zurückgeführt werden.
Auch der für den Menschen nicht viel weniger gefährliche
Milzbrand ist in zahlreichen Fällen unter dem Handelsvieh auf
Schlachtviehhöfen, seltener auf Viehmärkten entdeckt worden.
Über den Viehhandel als wichtigsten Faktor bei der Ver¬
breitung der Maul- und Klauenseuche sind die Akten geschlossen.
Es ist eine längst feststehende Tatsache, daß der Handels¬
verkehr mit Vieh, besonders an den Knotenpunkten und den
großen Schlachtviehhöfen mit stärkerer Ausfuhr, ferner die Vieh¬
märkte und sonstigen zu Handelszwecken zusammengebrachten
Viehbestände, der Hausierhandel mit Vieh, besonders die Treib¬
schweine, die Viehausstellungen, Gast- und Händlerställe, die
weitaus häufigsten Anlässe zur Verbreitung der Maul- und
Klauenseuche darstellen. Unsere Provinz Schleswig-Holstein
ist ja zurzeit, gottlob, von dieser verheerenden Seuche befreit.
Auch im Deutschen Reiche ist dieselbe, wie ja allen Herren
bekannt, verschiedene Male, wenn auch immer nur für kurze
Zeit, getilgt gewesen. Dazwischen hat sie freilich in einzelnen
Jahrgängen eine fest allgemeine Verbreitung gefunden und der
deutschen Landwirtschaft die größten Wunden geschlagen. Es
liegt einmal im Wesen dieser heimtückischen Seuche, daß sie
nach Zeiten des Niederganges oder Stillstandes plötzlich mit
erneuter Heftigkeit auftritt und mit ganz erstaunlicher Schnellig¬
keit sich verbreitet.
Auch augenblicklich dehnt sie sich schon wieder im Osten
des Reiches in gefahrdrohender Weise aus; mehrere große
Schlachthöfe sind ebenfalls bereits von ihr ergriffen — die
ersten Symptome einer drohenden Ausbreitung —, Westrußland
und Holland sind total verseucht, eine Einschleppung in unsere
Provinz kann bei den heutigen Verkehrs Verhältnissen und der
außerordentlich leichten Übertragbarkeit täglich erfolgen.
M. H.! Es ist hinlänglich bekannt, daß die im Vorder¬
gründe des wirtschaftlichen Interesses stehende Schweineseuche
und Schweinepest, diese Schmerzenskinder der Veterinärpolizei,
ihre derzeitige enorme Verbreitung in der Hauptsache dem
Schweinehandel in seinen verschiedenen Formen verdanken. Das
ist nun einmal erwiesen. Wenn durch die Skrupellosigkeit
eines einzigen Schweinehändlers die Schweinepest ihre Aus¬
dehnung über den größten Teil des Kreises zu erlangen vermag,
so ist hierdurch der beste Maßstab für die Gefährlichkeit des
Schweine-, speziell des Ferkelhandels gegeben. Es bedarf des
Ergreifens sehr bestimmter Schritte, wenn immer die Rentabilität
unserer Schweinezucht und damit diese selbst nicht ernstlich in
Frage gestellt werden soll.
Das Nachlassen dieser SeuGhe ist vielerorts in Wirklichkeit
nur ein Phantom, das auf der Basis der Verheimlichung und
Unkenntnis sich zuweilen, wenn auch nur für kurze Zeit, zu
erhalten vermag.
Auch die Geflügelseuchen sind in ihrem Auftreten und in
der Ausbreitung gegen früher unverhältnismäßig häufiger ge¬
worden. Die Erklärung ist auch hier vor allem in dem
gesteigerten Handel mit Federvieh zu suchen. Verkehr und
Handel mit Geflügel haben ja in der Jetztzeit wirtschaftlich
eine sehr hohe Bedeutung erlangt. Konform mit der ständig
wachsenden Zahl der eingeführten Tiere vergrößert sich natur¬
gemäß die Zahl der eingeschleppten und durch den Handel ver¬
möge des raschen Eisenbahntransportes im Inlande sehr schnell
weiterverbreiteten Seuchenfälle. Abgesehen von der Einschleppung
aus dem Auslande sind die Ursachen der Seuchenausbrüche im
Inlande ebenfalls wiederum durch den Handel sowie durch den
Marktverkehr und die Weiterverbreitung durch Geflügel-
ausstellungen und -mästereien gegeben.
Die gesetzliche Basis der Viehhandelskontrolle ist zurzeit
im § 17 des R. V. G. vom und § 56 b R. G. 0. in
3 1. Mai 1894 3
der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 1900 gegeben.
Nach diesen Bestimmungen ist die amtstierärztliche Beauf¬
sichtigung der Vieh- und Pferdemärkte, der öffentlichen Schlacht¬
häuser, den von Unternehmern behufs öffentlichen Verkaufs in
öffentlichen oder privaten Räumlichkeiten zusammengebrachten
Viehbestände, der zu Zuchtzwecken öffentlich aufgestellten
männlichen Zuchttiere, der öffentlichen Tierschauen, der Gast-
6. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
111
Ställe und Ställe von Viehhändlern ermöglicht. Ferner kann
der Handel mit Rindvieh, Schweinen, Schafen, Ziegen oder
Geflügel im Umherziehen Beschränkungen unterworfen oder auf
bestimmte Dauer untersagt werden.
Außerdem läßt § 28 R. V. G. die Einstellung der Vieh- und
Pferdemärkte, sowie der öffentlichen Tierschauen oder den
Ausschluß einzelner Viehgattungen von der Benutzung der
Märkte zu.
Schließlich stehen für sogenannte „Fälle der Seuchengefahr“
und für die Dauer derselben in den §§ 19 ff. des R. V. G. Ma߬
nahmen zur Verfügung, die jedoch bei der derzeitigen gericht¬
lichen Interpretierung des Begriffs „Seuchengefahr“ hinsichtlich
der Beaufsichtigung des Viehhandels nicht konstant Anwendung
finden können.
Die diesbezüglichen Entscheidungen des Kammergerichts
halten es für unzulässig, eine landespolizeiliche Verordnung
anstatt im Falle einer bestehenden für den Fall einer zu¬
künftigen Seuchengefahr zu erlassen, desgleichen seien polizei¬
liche Anordnungen ungültig, wenn in ihnen nicht die Angabe
einer konkreten, für einen bestimmten Bezirk z. Z. bestehenden
Seuchengefahr zum Ausdruck gebracht sei. Dauernde Be¬
schränkungen lediglich wegen der Möglichkeit des Entstehens
einer Seuchengefahr seien gesetzlich unhaltbar.
Nun verlangt indes die freie Bewegung und Entwicklung
der Veterinärpolizei sowie eine ersprießliche und wirksame
Seuchentilgung für die an einem bestimmten Punkte auftretende
oder von einer bestimmten Seite her drohende Seuchengefahr je
nach dem Charakter der Gefahr und der Seuche besondere
Schutzmaßregeln, Maßnahmen, die bei der starken Steigerung
des Viehhandels und der dadurch bedingten altgemeinen und
ständigen Gefahr der Seuchenverschleppung unbedingt auch
präventiver Natur sein müssen. Die Erfahrungen der letzten
Jahrzehnte haben es gezeitigt, daß wir das Auftauchen einer
bestimmten noch gar nicht nachweisbaren Seuchengefahr von
irgend einer Richtung her jeder Zeit erwarten können und
dagegen gewappnet sein müssen. Es hat sich daher die aus
den Entscheidungen des Kammergerichts resultierende Be¬
schränkung des Verordnungsrechtes immer mehr als ein uner¬
freuliches und die mit der Rechtslage nicht vertrauten Kreise
zu falschen Schlußfolgerungen veranlassendes Hemmnis fühlbar
gemacht.
Immerhin liegt auch nach der gerichtlichen Rechtssprechung
außer der amtlichen Konstatierung eines Seuchenfalles oder
des begründeten Verdachtes des Seuchenansbruches eine Seuchen¬
gefahr dann vor, wenn das Auftreten einer Seuche in einem
außerhalb des Bezirks liegenden Orte feststeht, oder wenn in
der Nachbarschaft oder in einem Bezirke, mit dem irgend ein
die Gefahr der Ansteckung begründeter Verkehr besteht, ein
oder mehrere Fälle derjenigen Seuche aufgetreten sind, gegen
welche die betreffende Anordnung gerichtet ist. Solange also
die Maul- und Klauenseuche, die Schweine- und Geflügelseuchen
in irgend nennenswerter Ausdehnung im Reiche herrschen,
müßten die zum Zwecke der Verhütung der Einschleppung
dieser Seuchen erlassenen landespolizeilichen Anordnungen stets
in solchen Bezirken rechtliche Zulassung besitzen, wo Viehhandel
und Verkehr auch nur in bescheidenem Maße florieren. Aber
auch hierin ist durch ein neueres Erkenntnis des obersten
preußischen Gerichtshofes wiederum eine Rechtsunsicherheit
geschaffen.
Nach den Bestimmungen des § 17 R. V. G. können, wie
bereits bemerkt, außer den Viehmärkten auch die von Unter¬
nehmern behnfs öffentlichen Verkaufs in öffentlichen oder
privaten Räumlichkeiten zusammengebrachten Viehbestände amts¬
tierärztlich beaufsichtigt werden. Von dieser Befügnis ist wohl
seitens aller Landespolizeibehörden Gebrauch gemacht worden.
Bildet sie doch die Voraussetzung zu einer der wichtigsten
Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Seuchenein-und -Verschleppung.
So klar diese Bestimmung nun anscheinend ist, so hat sie
doch zu verschiedenen rechtlichen Auslegungen geführt. Allein
dem Begriff „öffentlicher Verkauf“ ist gerichtlicherseits eine
verschiedene Deutung zuteil geworden. Während einerseits die
Erkenntnisse hierunter eine Versteigerung oder einen markt¬
ähnlichen Verkauf erblicken oder als Voraussetzung des „öffent¬
lichen“ Verkaufs eine Bekanntmachung des Ortes und der Zeit
des Verkaufs in der Presse für erforderlich hielten, hat das
Kammergericht eine Entscheidung bestätigt, nach der das
Kriterium des öffentlichen Verkaufs ohne weiteres gegeben ist,
wenn das in dem betreffenden Stalle zusammen gebrachte Vieh
jedermann zum Ankauf freisteht, wenn dies unter den Interessenten
bekannt ist, und auch regelmäßig Viehbestände vorhanden sind.
Desgleichen liegt ein öffentlicher Verkauf bereits dann vor,
wenn Händler Vieh in einem Gast stall zusammenbringen und
dort einen ständigen Vorrat davon zum Verkaufe stehen lassen.
Demnach unterliegt wohl sämtliches von Händlern fortgesetzt
in Privat- oder Gaststallungen zum Verkaufe aufgestellte Vieh
der amtstierärztlichen Beaufsichtigung.
Natürlich lassen die für eine solche Kontrolle wenig Sinn
zeigenden Händler kein Mittel unbenutzt, um sich dieser lästigen
und immerhin kostspieligen Maßnahme zu entziehen. Und dies
gelingt ihnen nur zu leicht, steht ihnen doch bei der Frei¬
zügigkeit des übrigen Viehhandels manche Hintertür offen. So
behauptet der eine, die in den Ställen untergebrachten Bestände
nur im Wege des ja im allgemeinen der amtstierärztlichen Be¬
aufsichtigung nicht unterstehenden Hausierhandels verkaufen zu
wollen, der andere habe das Vieh von Händlern gekauft, bei
denen die vorgeschriebene Untersuchung bereits stattgefunden
haben soll, ein dritter habe nur auf vorherige Bestellung ver¬
kauft, andere erledigen angeblich oder de facto den Verkauf
bereits beim Ausladen des Viehes und versichern im ersteren
Falle hoch und heilig, daß die in den Verkaufsställen nnter-
gebrachten Tiere nur noch nicht abgenommen seien.
Da außerdem die zur Ermöglichung der Dnrchfühmng dieser
Kontrolle seitens der Verwaltungsbehörden getroffenen Ver¬
ordnungen, nämlich die Verpflichtung der Händler zur An¬
meldung des gekauften Viehes bei der Polizeibehörde des
Bestimmungsortes, sowie der Anzeige der Verkaufstermine zu¬
sammengebrachter Viehbestände bei der Polizeibehörde oder dem
Kreistierarzt für ungültig erklärt worden sind, ist den Polizei¬
behörden die Feststellung von Zuwiderhandlungen recht schwer
gemacht und die Aufdeckung solcher wohl meist einem Zufalle
zu verdanken.
Wie schwierig es demnach auch für den Kreistierarzt ist,
eine allgemeine gründliche Durchführung dieser Beaufsichtigung
dauernd zu erwirken, vermag nur der in in der Materie praktisch
Erfahrene zu ermessen.
Für die übrigen Handelsformen ist, abgesehen von den
nach der R. G. 0. zulässigen Beschränkungen und Verboten für
112
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
den Handel im Umherziehen, die Anordnung von Präventiv¬
maßregeln, insonderheit die amtstierärztliche Beaufsichtigung,
nach der derzeitigen Rechtslage nur im Falle der vorhin zitierten
Seuchengefahr und für deren Dauer anwendbar.
Der Vollständigkeit halber sind noch die auf Grund des
Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883
sowie des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 11. März 1850 ver¬
schiedentlich erlassenen Verordnungen präventiven Charakters
zu erwähnen, deren Rechtsungültigkeit jedoch nach zahlreichen
Erkenntnissen der höheren gerichtlichen Instanzen feststeht.
Derartige, einer fruchtbringenden und segensreichen Ent¬
wicklung der veterinärpolizeilichen Tätigkeit hemmend im Wege
stehenden rechtlichen Beschränkungen, machten das Bedürfnis
nach Einrichtungen geltend, die eine veterinärpolizeiliche Über¬
wachung des gesamten Viehhandels allgemein und dauernd zu¬
lassen. Auch die Behörden konnten sich der Überzeugung von
der Notwendigkeit einer weiteren Ausgestaltung des R. V. G.
nicht verschließen und trugen diesem Bedürfnis durch Schaffung
eines Entwurfs Rechnung, der als Ergänzung des gegenwärtigen
Gesetzes in großzügiger und die Materie vollkommen be¬
handelnder Form die Mängel des derzeitigen Gesetzes aufhebt
und unter Berücksichtigung sämtlicher mit der Zeit erkannter
Übelstände, die veterinärpolizeilichen Befugnisse hinsichtlich der
Viehhandelskontrolle bedeutend erweitert, sowie die bisher häufig
vermißte Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit in der Anordnung
und Ausführung von Maßregeln nunmehr gewährleistet.
Dieser Entwurf ist den anwesenden Herren ja bereits
bekannt, ich kann es mir daher versagen, an dieser Stelle auf
eine eingehende Schilderung der hier in Betracht kommenden
Gesichtspunkte einzugehen.
M. H.! Als zweckmäßige Mittel für die Überwachung des
Viehhandels und -Verkehrs, sowie die Verhütung der Weiter¬
verbreitung ansteckender Krankheiten durch den Viehhandel
kommen eine Anzahl Einrichtungen in Betracht, als deren
wichtigste und erfolgreichste unzweifelhaft die amtstierärztliche
Beaufsichtigung gelten muß. Gibt diese allein doch die Gewähr,
daß die für den Handel bestimmten Viehbestände frei von
äußerlich erkennbaren Seuchenerscheinungen sind.
Über die Form dieser Beaufsichtigung bestehen in Preußen
generelle Vorschriften bisher nicht, die Handhabung ist vielmehr
dem Ermessen der Polizeibehörden und der beamteten Tierärzte
überlassen.
Darüber herrscht jedoch kein Zweifel, daß, wenn diese
Maßnahme ihren Zweck erfüllen soll, sie unbedingt an der Hand
einer Untersuchung der einzelnen der Beaufsichtigung unter¬
liegenden Tiere erfolgen muß.
Die Kontrolle der für das Vieh bestimmten Unterkunfts¬
und Handelsräumlichkeiten geben dem beamteten Tierarzte Ge¬
legenheit zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der baulichen Ein¬
richtungen, sowie des Handelsbetriebes und zur Herbeiführung
von die Abstellung vorhandener Mängel bezweckender Ma߬
nahmen.
Als weitere Maßregel zur Durchführung einer geregelten
Überwachung ist vor allem die Kontrollbuchführung durch die
Viehhändler zu nennen. Diese besonders gibt überhaupt erst
die dringend erforderliche Möglichkeit einer ununterbrochenen
Aufsicht über das im Besitze der Viehhändler befindliche Vieh.
Nur in Verbindung mit einer ordnungsmäßigen Buchführung
über Erwerb und Veräußerung des Viehes vermag die amts¬
tierärztliche Überwachung des Händlerviehes den zu stellenden
Anforderungen voll und ganz zu entsprechen.
Nach der jetzigen Rechtslage ist allerdings die Gültigkeit
einer diesbezüglichen allgemeinen Anordnung strittig. Wohl
kann auf Grund des § 56 R. G. 0. die Führung von Kontroll-
bücliem für den Handel im Umherziehen vorgeschrieben werden,
indes ist eine derartige eng begrenzte Maßnahme auch immer
nur von partieller Wirkung.
Diesem Bedürfnis trägt der neue Novellenentwurf Rechnung,
indem er die Anordnung der allgemeinen Führung von Kontroll-
büchern durch die Viehhändler und die Kennzeichnung von Vieh
für zulässig erklärt.
Letztere Bestimmung, die Kennzeichnung des Handelsviehes,
hat sich seit jeher als zweckdienliche, die Buchführung er¬
gänzende Kontrollmaßregel bewährt.
M. H.! Die Ursprungs- und Gesundheitsatteste, auf die
ich ebenfalls kurz eingehen möchte, haben sich in vielen Fällen
als ein ausgezeichnetes Mittel für den Herkunftsnachweis ver¬
seuchter oder seucheverdächtiger Tiere erwiesen. Von einer
generellen Einführung verspreche ich mir jedoch keinen er¬
heblichen Erfolg. Einmal wird das Signalement der Tiere von
den Behörden, die diese ja gar nicht gesehen haben, regelmäßig
so unvollständig angegeben, daß das vorgeführte Tier daraus
nicht erkannt werden kann, dazu kommt die Schwierigkeit der
Konsignation des Viehes in Fällen, wo ein Stück wie das andere
aussieht, auch entsprechen zuweilen die Zeugnisse trotz größter
Vorsicht bei der Ausstellung dennoch nicht der Wahrheit, ganz
abgesehen davon, daß falsche Atteste käuflich sind oder durch
geschickte Manöver auch auf andere Art beschafft werden können.
Der Erfolg der Atteste steht also zu der damit verbundenen
Belästigung des Publikums häufig in keinem Verhältnis.
Wenn dennoch diesen Zeugnissen von mancher Seite sehr
das Wort geredet wird, so geschieht dies sicher aus der Er¬
wägung heraus, daß dieselben für die Eruierung der Herkunft
seuchekrank befundener Tiere und für die Aufdeckung des
Seuchenherdes, in dem die Ansteckung stattgefunden hat, häufig
das einzige wirksame Hilfsmittel bilden. Das Handelsvieh wird
ja nun einmal aus den verschiedensten Gegenden zusammen¬
gebracht. Auch zwingt der Zeugniszwang die Viehhändler im
allgemeinen zur Vorsicht beim Einkäufe und hält sie immerhin
ab, Vieh aus notorisch verseuchten Gegenden in den Handel zu
bringen.
Da die diesbezüglichen Verordnungen zurzeit ebenfalls der
rechtlichen Grundlage entbehren, hat der Novellenentwurf auch
hierin Wandel geschaffen.
Als letztes Mittel zur Verhütung der Seuchenverbreitung
durch den Viehhandel ist schließlich der Stallbann zu erwähnen.
Diese zu Zeiten der Seuchengefahr und hinsichtlich des Viehes
aus verseuchten Gegenden auf Grund der § § 19 ff R. V. G. an¬
ordnungsfähige Maßregel schreibt für bestimmte, in den Bezirk
eingeführte Tiergattungen eine Quarantäne von verschiedener
Dauer, meist 7—10 Tagen, vor.
M. H.! Zur Abwendung der unseren landwirtschaftlichen
Viehbeständen durch den Viehhandel stetig drohenden Seuchen*
gefahr halte ich die folgenden prophylaktischen Maßnahmen für
erforderlich.
Die bisher nur auf einzelne Handelsformen sich erstreckende
amtstierärztliche Beaufsichtigung ist auf sämtliche Handelsarten
auszudehnen. Die Beaufsichtigung hat in Form der Unter-
6 Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
113
suchung der Viehbestände zu erfolgen, die bei bestimmten
Handelsarten nach gewisser Zeit event. zu wiederholen ist.
Was zunächst die Viehmärkte anbetrifft, so geschieht die
amtstierärztliche Beaufsichtigung mangels diesbezüglicher Vor¬
schriften meistens in der Weise, daß der beamtete Tierarzt die
auf dem Markte aufgetriebenen Tiere besichtigt, worin eine
Untersuchung des gesamten Marktviehes keineswegs eingeschlossen
ist. Eine derartige Beaufsichtigung ist durchaus ungenügend.
Selbst bei der größten Sorgfalt ist es dem Tierarzte nicht ein¬
mal möglich, die Gewähr dafür zu bieten, daß sämtliche auf¬
getriebenen Tiere frei von offenkundigen Seuchen sind, geschweige
von verdächtigen Erscheinungen. Bei dem Durcheinander und
Hin- und Herwogen des Marktes, bei dem engen Zusammen-
und Durcheinanderstehen der Tiere ist dem Tierarzt selbst bei
Außerachtlassung der Lebensgefahr eine gründliche Besichtigung
unmöglich und gelingt es dem gewissenlosen Händler anderer¬
seits um so leichter, seine kranken und verdächtigen Tiere der
Untersuchung zu entziehen.
Der Hauptfehler liegt also in der Einrichtung der Viehmärkte.
Zur vollständigen Erreichung des Zweckes sollte die Beauf¬
sichtigung (je nach der Größe und Bedeutung des Marktes)
unter Schaffung der erforderlichen Einrichtungen nur in folgender
Weise ausgeführt werden.
Sämtliches Großvieh ist vor dem Auftrieb auf den Markt¬
platz an dem Eingänge bzw. den Eingängen zu demselben zu
besichtigen. Zu diesem Zwecke ist der Auftrieb des Viehes auf
bestimmte Tagesstunden zu beschränken.
Eine ordentliche Besichtigung jedes Tieres kann nur dann
erfolgen, wenn die Tiere möglichst einzeln den Eingang passieren.
Wenn nun auch der beamtete Tierarzt zumeist seine Tätig¬
keit auf eine genaue Besichtigung der zugeführten Tiere be¬
schränkt, so muß er doch in Zweifels- und Verdachtsfällen eine
spezielle Untersuchung verdächtiger Tiere vornehmen. Hierzu
bedarf er eines gewandten, im Umgang mit Vieh Übung besitzenden
Mannes, der ihn in der Untersuchung durch Festhalten der Tiere,
Öffnen des Maules usw. unterstützt.
Da die Untersuchung auf Klauenseuche illusorisch wird,
wenn die Tiere im tiefen Schmutze gehen, ist der Eingang
zuip. Marktplatze mit festem Pflaster zu versehen, und dieses
während des Auftriebes rein zu halten.
Der Eingang für den Auftrieb ist vollständig frei zu halten.
Auf dem Marktplatze sind Pferde und Großvieh derart in
Reihen anzubinden, daß vor den Köpfen ein freier Gang bleibt,
von dem aus die Beobachtung der Tiere fortgesetzt werden
kann. Auf Schweine- und Scbafmärkten sind die einzelnen
Buchten und Pferche reihenweise derart aufzustellen, daß der
Tierarzt hindurch zu gehen vermag. Die Forderung, das Markt¬
vieh nur in sauberem Zustande auf dem Markte zuzulassen, und
die den Markt aufsuchenden Personen, besonders Viehhändler
und Treiber, wo nötig, zum vorherigen Reinigen der Kleider
und des Schuhwerks zu veranlassen, entspringt der Erfahrungs¬
tatsache, daß die Infektionskeime von Tieren wochenlang auf
der äußeren Haut zwischen den Haaren und dem anhaftenden
Kot, sowie von Händlern und Treibern in dem an Schuhwerk
und Kleidern haftenden Stallschmutz konserviert und herum¬
getragen werden. Dieselbe ist daher durchaus berechtigt.
Zur Absonderung und weiteren Beobachtung kranker und
verdächtiger Tiere ist in der Nähe des Marktes ein isolierter
Raum bereit zu halten.
Nach Beendigung des Marktes ist der Marktplatz gründlich
zu reinigen. Wo wöchentlich oder monatlich Mäikte stattfinden,
ist der Boden des Marktplatzes mit festem Pflaster, am richtigsten
mit in Zement gesetzten Klinkern zu versehen, um die Reinigung
und die etwa erforderliche Desinfektion leicht und sicher be¬
wirken zu können. In diesem Falle sind die Fußböden nach
jedem Markte mit Wasser abzuspülen und mit Kalkmilch an¬
zustreichen. Dasselbe hat mit den auf Märkten benutzten Rampen
und Entladebrettern zu geschehen.
Da es dem Tierarzte am Markttage selbst unmöglich ist,
das Handelsvieh in sämtlichen Gasthöfen und Ausspannungen
zu untersuchen, ist der Verkauf von Vieh außerhalb des Marktes
am Markttage zu verbieten.
Der Verkauf auf Vormärkten vor Eröffnung des Marktes
ist nur nach erfolgter Untersuchung sämtlicher Tiere zu ge¬
statten. Ein vollständiges Verbot dieses Verkaufs würde zu
mancherlei mit dem Erfolg nicht im Einklang stehenden Härten
und Verwicklungen führen. Immerhin wäre eine Einschränkung
sowohl dieses Handels als auch des in Gast- und Händler¬
ställen in Permanenz betriebenen illegitimen Handels dringend
geboten. Ich habe hier speziell den Ferkelhandel im Auge, der
ständig sich ausbreitend und zuweilen von den unberufensten
Elementen betrieben, eine ordentliche geregelte Kontrolle häufig
genug gar nicht zuläßt. Hier kann Abhilfe nur durch Ein¬
richtung von Ferkelmärkten und den gleichzeitigen Erlaß eines
Verbots des Ferkelhandels außerhalb der für den Markt fest¬
gesetzten Orte und Zeiten geschaffen werden.
M. H.! Die übrigen Handelsformen sind bisher nur zum
Teil unter amtstierärztlicbe Kontrolle gestellt. Sowohl vom
veterinärpolizeilichen als am-h veterinärtechnischen Standpunkte
aus hat diese Einschränkung, wie bereits ausgeführt, erhebliche
Schwierigkeiten zur Folge gehabt. Es ist daher ein dringendes
Bedürfnis, die Beaufsichtigung auf sämtliche von Händlern in
den Handel gebrachten Tiere auszudehnen, gleichgültig, ob die¬
selben in Gast- oder Handelsstallungen, im Umherziehen, auf
den Bahnhöfen und Schiffsplätzen veräußert oder auf Bestellung
geliefert werden.
Zur vollkommenen Erreichung des Zweckes bedarf es jedoch
der Herbeiführung einheitlicher Grundsätze, die die Ermöglichung
der Beaufsichtigung gewährleisten und ihre unausgesetzte Durch¬
führung nach jeder Richtung hin sichern.
Hierher gehört auch die bereits besprochene Einführung
von Kontrollbüchern. Jeder Viehhändler ist zur Führung eines
Buches zu verpflichten, in dem Gattung und Zahl der angekauften
und verkauften Tiere, Ursprungsort, Vorbesitzer und Verbleib,
Tag des An- und Verkaufs, sowie Tag und Stunde der Unter¬
suchung einzutragen sind. Letztere Eintragung erfolgt durch
den beamteten Tierarzt. Die Transportführer haben das Kontroll-
buch stets bei sich zu führen und es den beamteten Tierärzten,
den Beamten der Ortspolizeibehörde und den Gendarmen auf
Verlangen jeder Zeit vorzulegen. Eine Veräußerung von Tieren
ist nur dann statthaft, wenn sämtliche zu dem Bestände oder
Transport gehörigen Tiere amtstierärztlich untersucht und
gesund gefunden sind. Die Bescheinigung ist bei Reziprozität
für die Kreise des Regierungsbezirkes nur für eine bestimmte
Zeit gültig und bedarf der Erneuerung, wenn die Veräußerung
nach Ablauf dieser Frist fortgesetzt werden soll, oder wenn dem
Bestände Tiere zugeführt werden, deren Gesundheit nicht durch
eine innerhalb dieser Frist ausgestellte Bescheinigung eines
114
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
beamteten Tierarztes bezeugt ist. Ausnahmen von dieser
Forderung wären jedoch für einzelne Tiergattungen und für
besondere Zeiten zulässig.
Die Händler haben die Untersuchung bei der Ortspolizei¬
behörde oder dem beamteten Tierarzte zu beantragen.
Die Untersuchung hat möglichst bald nach dem Eintreffen
der Tiere zu erfolgen, im Eisenbahnverkehr, wo angängig, vor
oder bei dem Entladen.
Die Zweckmäßigkeit letzterer Maßregel liegt auf der Hand,
gerade durch sie wird einer Verschleppung von Seuchen vor¬
gebeugt.
Zur vollkommenen Erreichung des mit der Untersuchung
der Handelstiere verfolgten Zweckes bildet die Überwachung
der von ihnen benutzten Räumlichkeiten, nämlich der Gast- und
Händlerställe ein unabweisbares Erfordernis. Wie notwendig
diese Forderung ist, zeigt der häufig mangelhafte Zustand dieser
Räume. Schadhafte Fußböden und Wände, durchbrochene Decken,
auf denen Futter- und Streuvorräte lagern, ungenügendes Licht,
Schmutz und Spinnengewebe vermögen die Infektionsstoffe zu
konservieren und jede Untersuchung der Tiere sowie jede Des¬
infektion illusorisch zu machen.
Die Stallrevisionen sind in seuchefreien Zeiten vier- bis
sechsmal jährlich, beim Herrschen von Seuchen jedoch häufiger
und stets möglichst unerwartet vorzunehmen.
Die Ställe sind nach jeder Benutzung gründlich zn reinigen
und von Streu, Dünger und Schmutz zu befreien. Sie sind
mindestens einmal in jedem Monate mit heißer Sodalauge zu
scheuern und mit Kalkmilch anznstreichen. Die Krippen sind
mit heißer Sodalauge auszuwaschen.
Schließlich bedürfen auch die eine ununterbrochene außer¬
ordentliche Gefahr für die Landwirtschaft bildenden gewerbs¬
mäßigen Viehzüchtereien und Mästereien, besonders die Schweine-
züchtereien und Schweine- und Geflügelmästereien einer recht
gründlichen amtstierärztlichen Beaufsichtigung.
M. H. 1 Ein großer Teil dieser Forderungen ist bei der
gegenwärtigen Rechtslage allerdings vorläufig unerfüllbar. Seine
Berechtigung ist jedoch auch behördlicherseits anerkannt, wie
der dem Reichstag gegenwärtig zur Beschlußfassung vorliegende
Entwurf eines neuen Reichs-Viehseuchen-Gesetzes beweist. I
Hoffen wir also, daß dieser die gesetzliche Gültigkeit in der
jetzigen Fassung erlangt.
Die sich aus meinen Ausführungen ergebenden Forderungen
resümiere ich wie folgt:
Der Handelsverkehr mit Vieh leistet der Verbreitung von
Viehseuchen den größten Vorschub. Im Interesse der Seuchen¬
tilgung und zur Verhütung von Seuchenverschleppungen ist
daher die dauernde und allgemeine veterinärpolizeiliche Über¬
wachung des gesamten Viehhandels dringend geboten. Zn diesem
Zwecke sind nachstehende Maßnahmen erforderlich:
1. Amtstierärztliche Untersuchung sämtlicher zu Handels¬
zwecken oder zum öffentlichen Verkaufe zusammen¬
gebrachter Viehbestände und zwar auf Viehmärkten (ein¬
schließlich der Wochenmärkte, Vor- und Privatmärkte),
auf Schlachtviehhöfen, in Gast- und Händlerställen, für
den Handel im Umherziehen (einschließlich vorherige
Bestellung), auf Bahnhöfen und Schiffsplätzen, auf gewerbs¬
mäßigen Auktionen und auf Ausstellungen.
Die Untersuchung hat möglichst bald nach dem Ein¬
treffen der Tiere zu erfolgen, im Eisenbahnverkehr, wo
angängig, vor oder bei dem Entladen und ist eventuell
nach bestimmter Zeit zu wiederholen. Die Händler haben
die Untersuchung bei der Ortspolizeibehörde oder dem
beamteten Tierarzte zu beantragen. Die Veräußerung
vor erfolgter Untersuchung ist verboten.
2. Gründliche periodische amtstierärztliche Kontrolle der
gewerblichen Ziichtereien und Mästereien, namentlich der
Schweinezüchtereien und Schweine- und Geflügelmästereien.
Amtstierärztliche Kontrolle der Gast- und Händler¬
ställe.
3. Führung von Kontrollbüchern durch die Händler, in denen
Gattung und Zahl der angekauften und verkauften Tiere,
Herkunft und Verbleib, Tag des An- und Verkaufs, sowie
Tag und Stunde der Untersuchung anzugeben sind.
Letztere Eintragung erfolgt durch den beamteten Tierarzt.
4. Erlaß genereller Vorschriften über Einrichtung und Betrieb
von Viehmärkten (Marktordnung), sowie von Gast- und
Händlerställen (Bau, Reinigung, Desinfektion).
Maul- und Klauenseuche
am 15. Januar 1908.
Regierungsbezirk usw.
bzw. Staat
(♦ = neu verseucht)
Kreise
Gemeinden
Gehöfte
Gegenüber d. lf
o> ’ i
® © ö
•5 , 0.§
s2 o
). Dezbr.
£,
o
2
©
O
Preußen:
Königsberg ....
6
17
24
-i+i
+
4
Gumbinnen ....
8
21
25
o—3
—
8
Allenstein ....
4
22
52
- 1 — 2
—
13
♦Danzig . . , . .
1
5
6
-f- 1 - 4* 5
+
6
Marienwerder . . .
6
36
69
+ 1+16
+
16
♦Posen .
1
1
2
+ 1+*
+
2
Bromberg ....
2
2
2
o o
o
♦Düsseldorf. . . .
1
1
1
+ 1+1
+
1
Aachen .....
2
2
4
— 1 I — 4
8
Preußen zusammen
31
107
185
+ 1 + »5 |
o
Bayern:
♦Oberbayern . . .
9
19
36
+ 9 +19
+
36
♦Niederbayern . .
3
3
3
+ 3+3
+
3
Schwaben ....
6
10
27
+ 2 + 2
—
9
Württemberg:
♦Neckarkreis . . .
2
2 '
3
+ 2+2
+
3
♦Schwarzwaldkreis .
1
1
1
+ 1+1
+
1
Donaukreis ....
2 1
4
7
+ 1 + 3 !
+
6
Elsaß-Lothringen:
♦Unter-Elsaß . . .
1 1
1
1
+ 1 1 + 1
+
1
Zusammen
55 |
147 |
263
-f 20 | + 46 |
+
41
[Auf dem Schlachthof in Stuttgart ist die Seuche am 23. Januar
erloschen ]
Nahrungsmittelkunde. Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
(Fortsetzung in Nr. 7.)
Vorstands-Sitzung
des Vereins preußischer Schlachthoftierärzte
zu Berlin, den 12. Januar.
Zu der Sitzung hatten sich eingefunden: Die Herren Kollegen
Goltz (Berlin), Colberg (Magdeburg), Kiihnau (Köln), Schräder
(Brandenburg), Henschel (Oels) und Geldner (Burg). Brebeck
(Bonn) und Dr. Heine (Duisburg) entschuldigt.
Die Versammlung wurde von dem Vorsitzenden Herrn Goltz
um 11 Uhr eröffnet. Als Grund zur Notwendigkeit der Anberaumung
6. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
115
der Vorstandssitzung führte der Vorsitzende an, daß der Entwurf
zur Abänderung des Viehseuchengesetzes jetzt im Reichstag zur
Beratung gelange und es darum unbedingt erforderlich sei, daß der
Verein preußischer Schlachthoftierärzte von neuem zu diesem Ent¬
wurf Stellung nehme und seine Wünsche den gesetzgebenden
Faktoren zur Kenntnis bringe.
Der Schriftführer Herr Kollege Kühnau erstattete Bericht über
die Geschäftserledigung der Vereinsangelegenheiten seit
der letzten allgemeinen Versammlung. Die Beschlüsse der VI. all¬
gemeinen Vereinsversammlung sind zur Ausführung gebracht worden.
Die Petition über die Anstellungsverhältnisse der Schlachthof-
tierärzte ist außer den zuständigen Herren Ministern, den sämtlichen
Herren Oberpräsidenten und den Regierungspräsidenten zugesandt
worden.
Von den Herren Oberpräsidenten der Rheinprovinz und West¬
falen, sowie den Herren Regierungspräsidenten zu Köln, Cassel,
Aachen, Minden, Lüneburg und Schleswig sind weitere Druck¬
exemplare eingefordert worden, um Äußerungen der Verwaltungen
der Städte zu den in der Eingabe niedergelegten Wünschen des
Vereins der Schlachthoftierärzte einzuholen.
Von dem Herrn Regierungspräsidenten zu Breslau ist auf die
Eingabe die Antwort eingelaufen: „Daß der Verein schlesischer
Schlachthoftierärzte bereits im Mai vorigen Jahres eine Petition
ähnlichen Inhalts, wie die an den Herrn Minister gerichtete vor¬
gelegt hat. Diese Petition hat Veranlassung gegeben, bei den in
Betracht kommenden Schlachthofgemeinden des dem Regierungs¬
präsidenten unterstehenden Bezirk eine Umfrage bezüglich der den
Gegenstand der Petition bildenden Verhältnisse zu halten und die
daselbst zum Ausdruck gebrachten Wünsche einer eingehenden
Prüfung zu unterziehen. Die Prüfung hat ergeben, daß die be¬
rechtigten Wünsche der Petition im hiesigen Regierungsbezirk im
großen und ganzen erfüllt sind.“
Nach einer Mitteilung des Herrn Kollegen Henschel in Öls
sind im Breslauer Regierungsbezirk sämtlichen Schlachthoftierärzten
obrigkeitliche Funktlon&n verliehen worden.
Der Herr Oberpräsident der Provinz Schlesien hat von den
Ausführungen der Eingabe mit Interesse Kenntnis genommen. Zur¬
zeit sieht er sich jedoch nicht in der Lage, denselben weiter Folge
zu geben, da die Abstellung etwaiger Mißstände in erster Linie
den Herren Regierungspräsidenten als der zuständigen Kommunal-
aufsichts-Instanz obliegt, ihm aber Beschwerden aus der ihm unter¬
stellten Provinz, die ihn zu einem Eingreifen veranlassen könnten,
bisher nicht zugegangen sind. Er stellt daher anheim, sich zu¬
nächst an die betreffenden Herren Regierungspräsidenten zu wenden.
Der Regierungspräsident zu Lüneburg hat dem Verein die
Antwort zukommen lassen, daß er die Eingabe mit Interesse gelesen
und daraus Veranlassung genommen habe, den Magistraten der drei
Schlachthausgemeinden des Bezirkes unter Übersendung je eines
Exemplars der Petition nahezulegen,* die Anstellungs- und Be¬
soldungsverhältnisse der Schlachthausleiter einer erneuten Prüfung
auf Grund der in der Petition gegebenen durchans sachlichen Dar¬
legung zu unterziehen.
Der Herr Regierungspräsident zu Aurich ist in eine Prüfung
der Anstellungsverhältnisse der Schlachthaustierärzte des Regierungs¬
bezirks eingetreten und veranlaßte, daß auf die Abstellung der
hierbei hervortretenden Mängel unter tunlichster Berücksichtigung
der zum Ausdruck gebrachten Wünsche hingewirkt werde
Auch einzelne Gemeindeverwaltungen, wie Mühlhausen i. Th.,
Linnich uew. haben sich Druckexemplare der Eingabe kommen
lassen.
Im allgemeinen geht aus diesen Angaben hervor, daß der Ein¬
gabe des Vereins preußischer Schlachthoftierärzte die ihr ge¬
bührende Aufmerksamkeit durch die staatlichen Behörden zuteil ge¬
worden ist und ist zu wünschen, daß in gleicher Weise wie im
Regierungsbezirk Breslau auch in den übrigen Regierungsbezirken
eine Regelung der Anstellungs- und Gehaltsverhältnisse der Schlacht¬
hoftierärzte erfolgt.
Die Petition der Vereins betreffend Einreihung der Maschinen¬
kunde in den Lehrplan der tierärztlichen Hochschulen ist ebenfalls
den zuständigen Ministern zugesandt worden, außerdem dem Rektor
der Berliner Tierärztlichen Hochschule und dem Direktor der Tier¬
ärztlichen Hochschule zu Hannover. Von dem Rektor der Tier¬
ärztlichen Hochschule zu Berlin, Herrn Professor Dr. Sch mal tz, ist
eine Antwort eingegangen, in welcher er namens der tierärztlichen
Hochschulen verbindlichst für die Zusendung der dem Herrn Minister
überreichten Eingabe des Vereins, betr. gewisser Ergänzungen des
Unterrichts in den tierärztlichen Hochschulen dankt, und mittcilt,
daß er die Eingabe der Konferenz des Professoren-Kollegiums vor¬
legen und nicht verfehlen wird, die Bestrebungen des Vereins zu
unterstützen, soweit dies nach den Beschlüssen der Konferenz
möglich sein wird.
In der nächsten allgemeinen Vereinsversammlung soll über die
weiteren Ergebnisse der Erfolge der gemachten Eingaben berichtet
werden.
Über den Entwurf zur Abänderung des Viehseuchengesetzes
berichtet der Vorsitzende Herr Kollege Goltz; nachdem eine ein¬
gehende allgemeine Besprechung des Entwurfes, an welcher sich
die anwesenden Vorstandsmitglieder lebhaft beteiligten, stattgefunden
hatte, wurden folgende Anträge zur Abänderung des Entwurfs zum
Viehseuchengesetz angenommen:
Zu § 2, Abs. 2, ist im zweiten Satze das Wort „dringende“ zu
streichen.
Hinter Abs. 2 ist folgender neuer Absatz einzuschalten: „Die
gleichen Amtsverrichtungen sind den in den von den Gemeinden
verwalteten öffentlichen Schlacht- und Viehhöfen auf Antrag der
Gemeinde in dem von der Landesregierung festgesetzten Umfange
mit der Ausübung der Fleischbeschau betrauten Gemeindetierärzten
zu übertragen.“
Zu § 8, Abs. 2. Das Wort „und“ ist zu streichen und hinter
„Verboten“ einzuschalten: „und ihre Aufhebung“.
Zu § 9, Abs 3. Es wird folgender Wortlaut vorgeschlagen:
„Zur unverzüglichen Anzeige sind, wenn die in Absatz 1 und 2 ge¬
nannten Personen nicht zugegen sind, ferner verpflichtet:
1. der zugezogene Tierarzt,
2. sonstige Personen, die sich mit der Ausübung der Tierheil¬
kunde oder mit der Kastrierung von Tieren beschäftigen,
3. die Fleischbeschauer, einschließlich der Trichinenschauer,
4. die das Schlächtergewerbe betreibenden Personen,
5. die sich gewerbsmäßig mit der Bearbeitung, Verwertung oder
Beseitigung geschlachteter, getöteter oder verendeter Tiere
beschäftigenden Personen, wenn sie, bevor ein polizeiliches
Einschreiten stattgefunden hat, von dem Ausbruch einer der
Anzeigepflicht unterliegenden Seuche (§ 10), oder von Er¬
scheinungen, die den Ausbruch einer solchen Seuche be¬
fürchten lassen, Kenntnis erhalten. Die Verpflichtung der
unter 1—5 genannten Personen tritt nur dann ein, wenn ein
früher genannter Verpflichteter nicht vorhanden ist.
Zu § 10, Abs. 1, Ziffer 12. Von der Mehrheit der Anwesenden
wird der Zusatz: „und es sich nicht um Schlachtvieh behandelt“, an¬
genommen. Eine Minderheit spricht sich dagegen aus.
Zu § 16, AbB. 1. Der Zusatz: „auch ist der behandelnde Tier¬
arzt berechtigt, sowohl den Untersuchungen als auch den Zerlegungen
der Tiere beizuwohnen“.
Zu § 17, Abs. 1. Soll folgendermaßen geändert werden: „Zum
Zwecke der Ermittelung und Bekämpfung der Tierseuchen sind
alle usw.“
Zu § 17, Abs. 1, Ziffer 1. Die Worte: „amtstierärztliche oder“
sind zu streichen.
Zu § 17 a, Ziffer 3. Der Wortlaut zu Ziffer 3 ist zu streichen
weil sich die Beibringung von Ursprungs- und Gesundheitszeugnissen
nirgends bewährt hat.
Zu § 17 a, Ziffer 12. Es wird folgender neuer Wortlaut vor¬
geschlagen:
„Überwachungen von Viehausstellungen, Viehmärkten und ge¬
werblichen Schlachtstätten, insbesondere auch bei Neuanlagen,
räumliche Trennung der Viehhöfe von den Sehlachthöfen, sowie
Anlegung getrennter Zu- und Abfuhrwege für Viehmärkte, Vieh-
und Schlachthöfe.“ Die weiteren Bestimmungen sind zu streichen.
Zu § 19, Abs. 1. Die Worte: „der für die Seuchen empfäng¬
lichen Tiere“ sind zu streichen.
Zu § 19, Abs. 3. Der Wortlaut ist ganz zu streichen.
116
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6.
Zu § 20, Abs. 2. Anstatt „für die Seuche empfänglich“ ist zu
sagen, „der Seuchengefahr ausgesetzten“.
Zu § 52d ist am Schluß hinzuzufügen: „Der Zentrifugenschlamm
ist zu beseitigen und unter keinen Umständen zu Viehfütterungs¬
zwecken zu verwenden“.
Zn § 44a. Anstatt „für die Seuchen empfängliche“ ist zu
sagen „verdächtig“.
Zu § 55. Als zweiter Absatz ist der zweite Absatz des § 56
des bestehenden Gesetzes wieder aufzunehmen:
„Strengere Absperrungsmaßregeln dürfen nur in dringenden
Fällen angewendet werden“.
Zu § 56, Abs. 1. Im ersten Absatz sind die Worte: „unter
Aufsicht des beamteten Tierarztes in den dazu bestimmten Räumen“
umzuändern in „unter Aufsicht eines Tierarztes in den dazu be¬
stimmten Räumen“.
Zu § 57, Ziffer 4. Hinter „Rinder“ ist einzuschalten: „Schafe,
Ziegen“.
Vor § 67b ist folgender neuer Paragraph einzuschalten:
„Die Kosten der behördlichen Ermittelungen, der behördlich
angeordneten amtstierärztlichen oder polizeilichen Untersuchungen,
Beobachtungen und Überwachungen der Tötung nnd Zerlegung der
Tiere sind aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten.“
Zu § 67 c. Der zweite Absatz ist zu streichen.
Diese Anträge des Vereins sollen eingehend begründet und den
zuständigen Behörden und der Kommission, welche für die Beratung
des Viehseuchengeeotzes niedergesetzt wird, eingereicht werden.
Von Herrn Kollegen Kßhnau wird ein Fall zur Sprache ge¬
bracht, wo dem Schlachthoftierarzt der Kreistierarzt als Gegen¬
gutachter gegenübergestellt ist. In der betreffenden Regierungs¬
verfügung ist gesagt, daß das Gutachten des Kreistierarztes bei
der Entscheidung zur Grundlage genommen werden soll. Allgemein
sind die Vorstandsmitglieder des Vereins der Ansicht, daß das
kreistierärztliche Gutachten immer nur als Gegengutachten an¬
zusehen ist, und daß es sich für Schlachthofdirektoren empfehlen
würde, in allen diesen Fällen auf die Einholung eines Ober¬
gutachtens durch den Departementstierarzt zu dringen.
Bezüglich der Lieferung der Separatabzüge der General¬
versammlung für die Mitglieder des Vereins wird beschlossen, von
der Fachzeitschrift, w r elche den Bericht veröffentlicht, eine der
Anzahl der Mitglieder entsprechende Zahl von Separatabzügen
kostenlos einzufordern. Weiter eingeforderte Separatabzüge können
von der Fachzeitschrift in Rechnung gestellt werden.
Es wird weiter beschlossen, die VII. allgemeine Vereins¬
versammlung am 20. und 21. Juni 1908 zu Berlin abzuhalten und
zwar mit folgender Tagesordnung:
1. Geschäftliches, Neuwahlen.
2. Bericht über den Erfolg der Eingaben des Vereins.
3. Verwertung der Schlachtabfälle und Trichinenschauproben.
4. Die Anwendbarkeit der verschiedenen Kraftquellen für die
Schlacht- und Viehhofbetriebe.
5. Bericht über die Beratungen des Viehseuchengesetzes.
6. Mitteilungen aus der Praxis.
Am Tage vor der Versammlung soll die neue Tierkörper-Ver-
nichtungsanßtalt in Rüdnitz bei Bernau besichtigt werden.
Berlin, den 12. Januar 1908.
I. A.: M. Kühn au, Schriftführer.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Korpsstabsveterinär
August Qualitz beim Generalkommando des X. Armeekorps der
Rote Adlerorden vierter Klasse.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Die Tierärzte
Emmerich Waller aus Kaltenbrunn zum Assistenten am Pathol.
Institut der Tierärztl. Hochschule in München. — Veterinär¬
beamte: Wilhelm Pschorr- Bad Tölz wurde mit der Führung der
Bezirks- und grenztierärztlichen Geschäfte betraut, Distriktstierarzt
Dö«/-Herzogenaurach zum Tierzuchtinspektor für den Zuchtverband
für gelbes Frankenvieh, Abt. Oberfranken, mit dem Sitze in Bam¬
berg, Tierzuchtinspektor Dr. Joseph Spann - Immenstadt zum Tier¬
zuchtinspektor für die Allgäuer Herdbuchgesellschaft mit dem Sitz
in Immenstadt, Amtstierarzt Dr. Hornickel , zurzeit Prosektor an der
Tierärztlichen Hochschule-Dresden, zum Stadttierarzt in Chemnitz. —
Schlachthofverwaltung: Emst Haas- Altenheim zum Schlachthof-
direktor in Offenburg (Baden). — Versetzt: Distriktstierarzt
Dr. Hans Regn -Burghaslach in gleicher Eigenschaft nach Volkach
(Unterfr.).
Niederlassungen: Tierarzt Heinrich Bomhard- Frankenhausen in
Bechhofen (Mittelfr.).
Examina: Promoviert: Stabsveterinär Weitxig im Drag.-Regt.
Nr. 26 in Stuttgart zum Dr. med. vet. in Gießen; Oberamtstierarzt
Reinhold F. Meyer- Geislingen [Steigei] (Württ.) zum Dr. med. vet.
in Bern. — Approbiert: Herr Karl Schmidt aus Ansbach in München.
Todesfälle: Kgl. Bezirkstierarzt Joseph Fischer in Tölz; Ober-
veterinär a. D. Max Schümm in Naumburg a. S.
Vakanzen.
Kreistierarztstelle: Reg.-Bez. Potsdam: Jüterbog-Lucken¬
wal de: mit Wohnsitz in Jüterbog. Bewerb, bis 22. Februar a. d.
Regierungspräsidenten.
Bezirkstierarztstelle : Gotha: Stadt- und Landratsamtsbezirk
Ohrdruf: Bewerb, bis 5. Februar a. d. Herzoglich Sächsische
Staatsministerium.
Schlachthofstellen: a) Neu ausgeschrieben: Bochum: I. und
II. Schlachthoftierarzt möglichst bald. Anfangsgehalt 3000 M. bzw.
2400 M., freie möbl. Wohnung usw. Bewerbungen umgehend an
den Magistrat. — Bremen: IV. Tierarzt zum 1. April. Gehalt
2400 M. bis 3900 M Bewerb, an den I. Tierarzt für den Schlacht
hof. — Essen: Tierarzt zum 1. April. Gehalt 2900 - 4700 M. Bewerb,
bis 10 Februar a. d. Oberbürgermeister. — Frankfurt a. M-: Tier¬
arzt alsbald. Gehalt 2500 M. Bewerb, bis 1. Februar a. d. Direktion
des städt. Schlacht-und Viehhofes. — Gelsenkirchen: Assistenz-
tierarzt zum 1. April 1908. Anfangsgehalt 2700 M. Bewerb, an
den Oberbürgermeister. — Görlitz: II. Tierarzt zum 1. April. Ge¬
halt 240—380 M. Bewerbungen bis 15. Februar an den Magistrat.
— Harburg a. Elbe: Assistenztierarzt sofort. Gehalt 2400 M. bis
3600 M. Privatpraxis nicht gestattet. Bewerb, umgehend a. d.
Magistrat. — Kattowitz: Schlachthofdirektor. Gehalt 3600 M. bis
4800 M., freie Dienstwohnung usw. Privatpraxis ausgeschlossen.
Bewerbungen bis 15. Februar an den Magistrat. — Königsberg i. Pr.:
Zwei Tierärzte sofort Gehalt 2800 M., nach Anstellung steigend
bis 4400 M. Bewerb, bis 1. Februar an die Direktion des städtischen
Schlacht- und Viehhofes. — Bad Kreuznach: Assistenztierarzt
zum 1. April. Gehalt 2400 M. Bewerb, a. d. Direktion des städt
Schlachthofes. - Landsberg a. W.: Assistenztierarzt zum 1. April
1908. Gehalt 2400 M. Privatpraxis nicht gestattet. Bewerb, baldigst
a. d. Magistrat.
b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Bit¬
burg: Tierarzt. 1600 M. — Freienwalde: Tierarzt — Husum:
Trichinenschauer. 1300 M. und 200 M. Wohnungsgeld. — Liegnitz:
Assistenztierarzt. 2400 M. — Lippstadt: Verwalter. 2500 M. bis
4000 M. — Osnabrück: II. Assistenztierarzt. 2100M. — Prttm(Rhld.):
Verwalter (Tierarzt). 1200 M. bis 1500 M., freie Wohnung usw. —
Pyritz: Schlachthofdirektor. 1800 M. bis 2400 M. — Schwiebus
(Bez. Frankfurt a. 0.): Schlachthofleiter. 2400 M. — Stettin:
III. Tierarzt bei der Auslandfleischbeschaustelle. 2400 M.
Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis: a)Neu
ausgeschrieben: Steinau (O.-S. Bez. Oppeln): Tierarzt Aus¬
kunft erteilt der Magistrat.
b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Brilon
(Westfalen). — Kemberg (Kr. Wittenberg). — Kirchberg-Huns¬
rück. — Langelsheim (Herzogt. Braunschweig).
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schootz in Berlin. —
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich lm Verlage von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48, Wtlhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 PL für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (Österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Mk., ln Petitsats mit
60 Mk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierirst«
liebe Hochschule, NW., LuisenstraSe 66. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an d*e
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion*.
De Bruin
Glage
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Vetcrinärrat Dr. Lothes Prof. Dr. Peter
Veterinärrat Peters
Veterinärrat Preuße
Professor
Professor
Departementstierarzt
KreUlierarzt
Departementarierarzt
Departementstierarxt
Utrecht.
Hamborg.
Cöln.
Angermünde.
Bromberg.
Danzig.
Dr. Richter
Med.-Rat Dr. Boeder
Dr. Schlegel
Dr. J. Schmidt
Reg.-Rat Dr. Vogel
Zündet
Professor
Professor
Professor
Professor
Lamlestleraret v Bayern
Kreist ierarxt
Dresden.
Dresden.
Freiburg i. Br.
Dresden.
M uneben.
Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908. J|& 7 . Ausgegeben am 13. Februar.
Inhalt: Koops: Vorläufige Mitteilung über die Möglichkeit, das Pferd zur Lieferung eines Immunserums gegen
Schweinepest heranauziehen. — Zeh!: Das Festliegen der Kühe nach der Geburt. — Referate: Roschig: Kom¬
plizierte ausgedehnte Lappentransplantation am Karpalgelenk des Pferdes. — Dedjulin: Versuche zum Nachweis des Erregers
der Schweinepest mit Hilfe der Methode der Kompiementbildung. — Opalka: Beitrag znm Nachweis von Rotlaufbazillen in
faulenden Organen. — Lindner: Biologische Studien über parasitische Protozoen. — Trattner: Desinfektion mit Kalk. —
P6cus: über die Hyperostose der Phalangen infolge von Nageltritt. — Lyding: Zur Kenntnis der Arteriosklerose bei Haus¬
tieren. — Tagesgeschichte: Krueger: Die Reichstagskommission für das Tierseuchengesetz. — Eingabe deB Verbandes der
Privattierärzte betr. das Viehseuchengesetz. — Bericht über die VII. Hauptversammlung des Vereins der beamteten Tierärzte
Preußens. — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen: Die Verbreitung der Maul- und Klauenseuche im Jahre 1907. — Die
Schweineseuche im Jahre 1907. — Verschiedenes. — Nahnmgsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel: Gützlaff: Die Not¬
schlachtungen mit Bezug auf die Fleischvergiftungen. — Breuer: Über die Notwendigkeit separater Arbeite- und Unter-
suebungsräume im Schlachthofe. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Vorläufige Mitteilung Uber die Möglichkeit, das Pferd
zur Lieferung eines Immunserums gegen Schweine¬
pest heranzuziehen.
Von W. Klops, wissenschaftlichem Hilfsarbeiter am Hygienischen
Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin.
Die Gewinnung eines Schutzserums gegen Schweinepest von
Schweinen stößt auf Schwierigkeiten, die eine Herstellung und
Verwendung desselben in großem Maßstabe kanm erhoffen
lassen.
Uhlenhuth, Ostertag und Stadie glaubten im Pferd
einen besseren Serumlieferanten gefunden zu haben.
Der Versuch war erfolglos.
Man war darauf angewiesen, znm Hochtreiben der Pferde
das pestvirnshaltige Schweineblut resp. Serum zu benutzen.
Bereits nach mehreren, verhältnismäßig kleinen Injektionen
stellten sich Erscheinungen der Anaphylaxie beim Pferd ein.
Ein Hochtreiben derselben war ausgeschlossen.
Der Präcipitin- und Hämolysingehalt des auf solche Weise
hergestellten Serums hätte außerdem seine Verwendbarkeit in
Frage gezogen.
Es galt daher znm Hochtreiben der Pferde dem pestvirus¬
haltigen Blute Eiweißstoffe und rote Blutkörperchen zu entziehen,
ohne das Virus in seiner Virulenz zu schädigen und so allen
drei entgegenstehenden Faktoren der Überempfindlichkeit der
Präcipitin- und Hämolysinbildung zu begegnen.
Es ist gelangen, ein Fällungsmittel in Anwendung zu
bringen, das diesen Anforderungen ganz entspricht.
Vergleichende Impfversuche an Ferkeln beweisen, daß das
Virus durch das Verfahren in keiner Weise alteriert wird.
Die Unschädlichkeit des Fällungsmittels wurde durch große
intravenöse Injektionen des Filtrates an Pferden dargetan.
Der Verwendung des Pferdes zur Lieferung eines Immun-
serums gegen Schweinepest steht daher nichts mehr im Wege.
Es bleibt abzuwarten, ob das Pferd ein hochwertiges Serum zu
liefern imstande sein wird.
Das Festliegen der Kühe nach der Geburt.
Von Tierarzt Dr. A. Zehl-Trebbin.
Der Kollektivbezeichnung „Festliegen“ wird eine größere
Anzahl Krankheiten ganz verschiedenen Ursprunges subsnmmiert,
denen klinisch als charakteristisches Symptom allein das Unver¬
mögen der Tiere, sich vom Boden zn erheben, gemeinsam ist.
Herkömmlich wird zwischen dem Festliegen der Kühe vor der
Geburt und nach derselben unterschieden, und besonders die
letztgenannte Form der Krankheit ist bislang trotz ihres häufigen
Vorkommens in der Literatur recht stiefmütterlich behandelt
und vielfach nur ganz nebenher differentialdiagnostisch bei der
Septicaemia puerperalis vor oder bei der Gebärparese erwähnt
worden. Erst in jüngster Zeit wird dem Leiden wieder etwas
mehr Aufmerksamkeit geschenkt, doch gehen die Ansichten der
einzelnen Autoren üder Ätiologie, pathologisch-anatomischen
Befand und Therapie desselben auch heute noch auseinander
so daß es vielleicht nicht ganz ohne Interesse ist, wenn ich
meine, diese Krankheit betreffenden Beobachtungen mitteile.
Harms glaubt die Ursache znm Festliegen der Kühe nach
der Geburt in einer Quetschung der Kreuzbeinnerven infolge
erschwerten Kalbens suchen zn müssen, nnd Franck nimmt
eine Reflexlähmnng des Hinterteils, die von der gequetschten
Cervix uteri ausgeht, an. Hingegen gibt St Cyr einer Er¬
krankung der Hufgelenke nach schwerer Geburt schuld, und
ähnlicher Ansicht ist nenerdings Tempel, der das sog. „Fest¬
liegen“ als eine Gelenkerkranknng vom Sprunggelenk abwärts
| und besonders auch dieses Gelenks anffaßt. Sind die Lähmungs-
I erscheinungen nach leichter Geburt aufgetreten, so erachten die
118
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
schon genannten St. Cyr nnd Violet eine Rückenmarkskongestion
für vorliegend, nnd auch Trasbot urteilt ähnlich, daß in solchen
Fällen eine Erregung des Rückenmarks, verursacht durch die
lebhafte Tätigkeit aller Muskeln nach der Geburt, statt hat.
Nach Friedberger und Fröhner bildet sich das sog.
Festliegen infolge Zerrung oder Kontusionen des Kreuzbein¬
geflechts und anderer Nerven aus, indes Dieckerhoff den
Grund zur Krankheit in einer allgemeinen Muskelschwäche oder
in einer beim Gebärakt stattgefundenen, überstarken Dehnung
der Muskelbinden des Kreuzes oder in einer Ruptur des unteren
Kreuzdarmbeinbandes einer bzw. beider Seiten sieht.
Unterscheiden alle bisher genannten Autoren nicht immer
streng zwischen Festliegen nach leichter und Festliegen nach
schwerer Geburt, so trennt Tapken scharf beide Arten der
Erkrankung und hält die Quetschung verschiedener Becken¬
nerven nach schwerer Geburt für das ursächliche Moment des
Lähmungszustandes, vermag aber keine Gründe für das „Fest¬
liegen“ nach leichter Geburt beizubringen. Jedoch hebt derselbe
hervor, daß diese Form der Krankheit nur bei wohlgenährten
Kühen, nie bei Färsen, vorzugsweise im Spätwinter und Frühling,
niemals während des Weideganges vorkomme.
Ohler berichtet, daß nach seinen Erfahrungen das Fest¬
liegen vor und nach der Geburt öfter durch Fremdkörper als
durch andere Ursachen bedingt werde, hingegen macht als erster
Heß darauf aufmerksam, daß das „komplikationsfreie Festliegen“,
wie er das Festliegen nach leichter Geburt genannt hat, ein
leichterer Grad der Gebärparese sei. Die Krankheit entstehe
nach einer geringgradigen, aseptisch verlaufenden, einfachen
Quetschung der Geburtswege speziell der Cervix Uteri. Des¬
gleichen gelangt Albrecht auf Grund der mit der Luftinfusion
ins Euter erzielten günstigen Resultate zu dem Schlüsse, daß
wahrscheinlich Gebärpärese und komplikationsfreies Festliegen
nur graduell verschiedene Leiden seien. Doch läßt es dieser
Autor unentschieden, ob eine von Heß angenommene Wund¬
infektion oder eine Autointoxikation (Schmidt) die Grundlage
für die Lähmungszustände schaffe. Jedenfalls beeinflussen die
ursächlichen Momente beim sog. Festliegen das Nervensystem
speziell die Gehirnhemisphären geringer als bei der mit Bewußt¬
losigkeit und Lähmung einhergehenden Gebärparese. Die guten
Erfolge der Lufttherapie bestätigen auch Reinbold, Rabus,
Böhme u. a., ohne aber auf die Ätiologie der Krankheit des
näheren einzugehen.
Das Festliegen der Kühe wird zweckmäßig in ein solches
nach schwerer und nach leichter Geburt geschieden. Denn wenn
auch beide Krankheitsformen die charakteristischen Lähmungs¬
zustände gemeinsam haben, und wenn auch bei beiden in Ab¬
wesenheit von Komplikationen der übrige Befund nach der
klinischen und pathologisch - anatomischen Seite gewöhnlich
negativ ausfällt, so sind dieselben doch durch den Vorbericht,
die Ursachen, die zwischen der Geburt und Ausbruch der Krank¬
heit verfließende, verschieden lange Zeit und endlich durch den
Verlauf genügend auseinander zu kennen und dürfen nicht, wie
es vielfach geschieht, zusammengeworfen werden, zumal eine
jede von ihnen prognostisch anders zu beurteilen ist und eine
andere Therapie erforderlich macht. Wegen des ungefähr gleich
häufigen Vorkommens beider Erkrankungsarten halte ich es aber
andererseits auch nicht für angängig, die eine oder die andere
nur differentialdignostisch nebenher abzuhandeln, sondern beide
können gleiches Recht für sich in Anspruch nehmen.
Daß Festliegen nach schwerer Geburt, falls dieser Name
konserviert werden soll, betrifft Kühe von jedem Alter und Nähr¬
zustand und bildet sich aus, wenn stärkere Zugkraft, besonders
in falscher Zugrichtung, zur Entwicklung des Kalbes Verwendung
findet. Solche Schwergeburten ergeben sich beim jugendlichen,
zu engen Becken, bei absolut zu großen Kälbern (Doppellendern),
beim forcierten Ausziehen der Foeten in abnormen Lagen (mit
verschlagenem Kopf, mit einem untergeschlagenen oder im
Karpalgelenk gebeugten Vorderschenkel u. a. m.) bei der Extrak¬
tion von Mißgeburten, endlich bei zu früher Geburtshilfe, bevor
die Geschlechtswege gehörig vorbereitet und geweitet sind. Als
erschwerendes Moment kommt, wie schon erwähnt, der Umstand
hinzu, daß der Laiengeburtshelfer fast stets in falscher Richtung
am Kalbe ziehen läßt, d. h. daß im Winkel zur Beckenaclise
bei der stehenden Kuh abwärts, bei der liegenden aufwärts
gezogen wird. Dieser Fehler kann nicht wundernehmen, wenn
man die Art der benutzten Anschleifmittel: Karrenhilfen, Trage¬
bänder, Strickenden usw. betrachtet. Alle sind gewöhnlich so
kurz, daß, nachdem sie am Schenkel des Kalbes befestigt sind,
ein Ziehen in der Richtung der Beckenachse der gebärenden
Kuh zur Unmöglichkeit wird. Daß dann bei so geleisteter
Geburtshilfe eine Quetschung der Beckennerven erfolgen muß,
dürfte einleuchtend sein. Doch nicht nur die Beckennerven,
sondern fast die gesamte Muskulatur besonders die Rücken- und
Lendenmuskeln werden vielfach in Mitleidenschaft gezogen.
Dies muß notwendig der Fall sein, wenn die Kuh, wie ich des
öfteren gesehen bzw. auf meine darauf bezügliche Frage gehört
habe, am Kalb wiederholt durch den Stall geschleift wird, oder
wenn dieselbe, mittelst Strickes oder Kette an der Krippe be¬
festigt, durch ein Dutzend kräftige Männer, die an dem wie
festgekeilt sitzenden Kalbe tätig sind, immer wieder förmlich in
die Länge gezogen wird. Ist endlich das Kalb zur Welt ge¬
bracht worden, so sind die völlig erschöpften und in Schweiß
gebadeten Muttertiere gelähmt, sie „liegen fest“. Bei derart
mißhandelten Patienten läßt sich auch immer eine auffallende
Empfindlichkeit der Lenden- und Rückenmuskeln durch Palpation
nachweisen. Somit definiere ich das sog. Festliegen der Kühe
nach schwerer Geburt als eine akut oder chronisch verlaufende
Krankheit, die infolge Quetschung verschiedener Beckennerven
und Zerrung bzw. Überdehnung von Muskeln, speziell der Rücken-
und Lendenmuskeln nach erschwerter Geburt entsteht und durch
eine mehr oder weniger vollständige Lähmung der Nachhand
gekennzeichnet ist.
Der Sektionsbefund fällt vielfach negativ aus und vermag
uns also keine Aufklärung über die Ursache zur Lähmung zu
geben. Insbesondere finden sich auch an Vulva, Vagina, Cervix,
Uterus nur die nach jeder Geburt auftretenden Veränderungen,
und der Involutionsprozeß an letzterem ist der seit der Geburt
vergangenen Zeit angemessen vorgeschritten. In anderen
schwereren Fällen zeigen die Rücken- und Lendenmuskeln,
seltener die Kruppenmuskeln ödematöse Infiltration des Muskel¬
bindegewebes und multiple Hämorrhagien. Sind zugleich Ver¬
letzungen der Geburtswege vorhanden gewesen, so beobachtet
man die pathologischen Abweichungen, die die einfacheren oder
schwereren Entzündungsprozesse der Scheide [von leichten
Katarrhen bis zu tödlichen septischen Prozessen, Abszessen im
paravaginalen Bindegewebe, septischer Peritonitis] charakteri¬
sieren. Oder in dritten Fällen lassen sich bei der Obduktion
die Erscheinungen verschiedener Folgekrankheiten des sog.
13. Februar 19U8.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Festliegens konstatieren: Seröse Entzündung: der HUft- und
Sprunggelenke, die pathologischen Kennzeichen des Dekubitus
und der Kachexie.
Die ersten Symptome des „Festliegens“ werden entweder
im Anschluß an den Geburtsakt bemerkt, d. h. die Tiere stehen
nach demselben nicht mehr auf oder aber die Patienten sind
wieder aufgewesen, und der Lähmungszustand tritt erst einige
Stunden bis längstens einen halben Tag post partum ein. Ab¬
gesehen yom ständigen Liegen verhalten sich die Kühe wie
gesunde, sie sind fieberlos und bei vollem Appetit, das Euter
ist voll Milch. Die einen sind imstande, sich ohne Hilfe von
der rechten auf die linke Seite und umgekehrt herumzuwenden,
andere vermögen dies dagegen nicht. Die Dauer dieser leichteren
Form des „Festliegens“ bemißt sich meist auf 24—72 Stunden,
doch verzögert sich die Besserung bzw. die Heilung des öfteren
auf 8—14 Tage, in selteneren Fällen bis auf 6 Wochen. Auch
bei schneller Genesung bleibt gern eine Zeitlang noch ein
Schwächezustand in der Nachhand zurück, der sich in über-
kötender Fesselstellung eines oder beider Hinterfüße oder durch
Schwanken und eventuell Zusammenbrechen im Hinterteil kund¬
gibt. Bei wochenlangem Liegen nehmen die Patienten, worauf
schon Tapken hinweist, eine eigentümliche Haltung der Hinter¬
extremitäten an. Dieselben werden nicht mehr in allen Gelenken
gebeugt an den Leib gezogen, sondern gerade ausgestreckt nach
vorn gehalten, so daß die Klauen am Ellenbogen liegen. Durch
die Streckung der Hinterbeine suchen die Kühe der durch die
andauernde Beugestellung hervorgerufenen Ermüdung und
Schmerzhaftigkeit der Gelenke und Muskeln entgegenzuwirken.
Nach dem Verschwinden des Lähmungszustandes bleibt eine
auffallende, „mähende“ Bewegung der Hinterfüße beim Herum¬
oder Vorwärtstreten der Tiere zurück. Die Gelenke werden
hierbei nur wenig gebeugt, und der Fuß wird aus dem Hüft¬
gelenk im Bogen steif herumgeführt.
Wird während des „Festliegens“ die Futteraufnahme all¬
mählich schlechter, so gehen die Patienten nach Wochen
kachektisch zugrunde, falls sie sich nicht früher schon durch¬
gelegen haben und an den Folgen des Dekubitus verendet sind.
Ist bei der Geburt außerdem eine Scheidenverletzung, die
oberflächlich, tief oder perforierend sein kann, entstanden, so
sind entweder die entsprechenden lokalen Erscheinungen vor¬
handen, oder aber neben denselben machen sich Störungen im
Allgemeinbefinden bemerkbar. Der Puls ist beschleunigt und
80- bis 90 mal in der Minute fühlbar, die Atmung wird an¬
gestrengt und geschieht 40 mal in derselben Zeit, die Temperatur
steigt auf 40,5° und darüber. Der Appetit ist vermindert oder
ganz aufgehoben, die Milchsekretion läßt auffallend nach. Meist
ist auch in solchen komplizierten Fällen die Haltung des gelähmt
liegenden Tieres normal, nur bei schweren Scheidenverletzungen
liegen manche Patienten flach auf der Seite und stöhnen laut.
Sine Behandlung der letztgenannten Kranken ist gewöhnlich
aussichtslos, da dieselben schnell an Septikämie eingehen. Die
Erkrankung der Geschlechtsteile erfordert zur Abheilung oft
noch längere Zeit, nachdem die Lähmungserscheinungen schon
verschwunden sind, und Scheidenausfluß besteht häufig monate¬
lang. In anderen auch anfangs leichten Fällen gesellt sich,
besonders wenn der Pflege und dem Lager des Tieres nicht die
nötige Sorgfalt gewidmet wird, zu der Krankheit Dekubitus,
der den ungünstigen Ausgang beschleunigt.
Nach diesen Ausführungen gestaltet sich die Vorhersage
119
nur dann günstig, wenn die Kühe keine Verletzungen der
Geburtswege haben und sich allein von einer Seite auf die
andere zu drehen vermögen. Doch sind Fälle, in denen dies
nicht wahrzunehmen ist, die Tiere aber bei gutem Appetit sind,
trotz wochenlangen Liegens nicht als aussichtslos zu bezeichnen.
Als günstiges Symptom ist es immer zu deuten, falls anfangs
völlig gelähmte Tiere sich wieder ohne Hilfe umzuwenden im¬
stande sind bzw. Aufstehversuche machen. Zweifelhaft sind
hingegen alle Erkrankungen zu beurteilen, die mit einer Ver¬
wundung der Geschlechtswege kompliziert sind, denn alle z. Z.
der Geburt entstehenden Verletzungen sind von vornherein viel
ungünstiger zu taxieren als solche, die anderweitig gesetzt sind.
Zu diesem Zeitpunkt sind die Beckenorgane besonders qualifiziert
für die Aufnahme septischer Stoffe, und die Gelegenheit hierzu
ist reichlich sowohl durch unreine Hände, Stricke usw. gegeben,
als auch bieten Quetschwunden an und für sich die Gefahr der
Infektion.
Perforierende Scheidenwunden müssen natürlich prognostisch
weit ungünstiger eingeschätzt werden, als nicht perforierende.
Schlecht wird immer die Vorhersage, wenn Patienten, die zu
Beginn der Krankheit noch nicht völlig gelähmt waren, sich im
Verlaufe derselben nicht mehr ohne Hilfe von einer Seite auf
die andere legen können.
Differentialdiagnostisch kommt eine große Anzahl von Er¬
krankungen in Frage. Vor allen Dingen das sog. Festliegen
nach leichter Geburt, das uns später noch zu beschäftigen hat.
Zur Unterscheidung der beiden Arten des „Festliegens“ dient,
falls Verletzungen der Scheide fehlen, einmal der Vorbericht, ob
die Kuh leicht oder schwer gekalbt hat, zweitens ist das Alter
des Patienten von Bedeutung, da Erstgebärende nie am „Fest¬
liegen nach leichter Geburt“ erkranken, des weiteren ist der
zwischen Geburtsakt und Ausbruch des Leidens liegende Zeit¬
raum in Betracht zu ziehen. Nach schwerer Geburt verfließt
nur kurze Zeit (höchstens ein halber Tag), oder die Lähmung
kommt direkt im Anschluß an das Abkalben zustande, das
„komplikationsfreie Festliegen“ (Heß) gebraucht aber zu seiner
Entwicklung mindestens 12 Stunden, durchschnittlich 24 Stunden
post partum. Schließlich würde der Erfolg oder Nichterfolg der
Luftbehandlung für die Feststellung der Art der Erkrankung
ausschlaggebend sein, da das Festliegen nach schwerer Geburt,
wie es in dem Wesen des Leidens begründet ist, durch diese
Therapie nicht zu beeinflussen ist. Ferner können folgende
Krankheiten mit dem „Festliegen“ verweohselt werden: Gebär¬
parese, puerperale Septikämie, Muskel- und Gelenkrheumatismus,
allgemeine Mnskelschwache, Ruptur der Kreuzdarmbeinbänder,
Muskelzerreißungen, Erkrankungen der Hüft- und Sprunggelenke,
traumatische Peritonitis, parenchymatöse und septische Mastitis,
Gehirn- und Rückenmarkskrankheiten, Beckenbrüche, Verletzungen
der Wirbelsäule, Tuberkulose, Verblutung usw.
Die Behandlung des vorwürfigen Leidens macht vor allen
Dingen gute Lagerung und Verpflegung des Patienten er¬
forderlich. Der Stand des Tieres muß genügend Raum bieten,
daß dasselbe sich leicht von einer Seite auf die andere umlegen
oder, falls es allein dazu nicht imstande ist, zweimal täglich
umgewendet werden kann. Nach zwei- bis dreitägigem Liegen
sind sachgemäße Aufstehversuche mit dem Patienten vorzu¬
nehmen, wobei zu beachten ist, daß manche Tiere die Muskeln
des einen Hinterfußes beim Abheben der Nachhand vom Boden
besser zu gebrauchen vermögen als die des anderen. Dem
120
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
entsprechend muß die kräftigere Extremität unterliegen, wenn
die Kühe in die Höhe gebracht werden sollen.
Neben den mehrmals täglich auszuführenden Aufsteh¬
versuchen und dem öfteren Ausmelken des Euters finden haut¬
reizende Einreibungen auf dem Rücken und Kruppe, Schwitz¬
umschläge, der elektrische Strom Verwendung. Auch subkutane
Injektionen von Koffein, Veratrin und Pilocarpin werden emp-
pfohlen. Bei eintretender Appetitlosigkeit werden Salzsäure
oder Bittermittel mit Glaubersalz verordnet. Die Luftinfusion
dagegen versagt bei dieser Krankheit, wie ich schon früher er¬
wähnt habe, vollkommen, und die damit angeblich erzielten
Heilerfolge beziehen sich nicht auf das Festliegen nach schwerer
Geburt, sondern auf das „komplikationsfreie Festliegen“, die
beide des öfteren mit einander verwechselt werden. Die durch
Quetschung bzw. Verwundung der Scheidenwandung entstandenen
Komplikationen sind natürlich nach den Regeln der Antiseptik
sorgfältig zu behandeln. Hervorheben will ich hier, daß drei¬
prozentige Perhydrollösungen vorzügliche Dienste leisten, des¬
gleichen ist das Jodoformvasogen indiziert, wenn nicht die
Verletzungen perforierend sind. In diesem Falle dürfen selbst¬
verständlich keine Ausspülungen gemacht werden, weil sonst die
desinfizierende Flüssigkeit in die Bauchhöhle fließen würde,
sondern die Wunde wird mit einem in das Desinfiziens
getauchten und ausgedrückten Wattebausch gereinigt. Das
Vernähen der Scheidenwunden, sofern dies überhaupt durch die
Lage derselben ermöglicht wird, erweist sich selten erfolgreich.
Im Gegensätze zu der Lähmung nach schwerer Geburt
entsteht das Festliegen nach leichter Geburt oder das „kom¬
plikationsfreie Festliegen“, wie Heß die Krankheit genannt hat,
gewöhnlich erst 24—48 Stunden post partum. In einigen
Fällen werden schon nach zwölf Stunden, in anderen erst nach
72 Stunden die Krankheitssymptome augenfällig. Einem früheren
bzw. späteren Termin der Erkrankung habe ich zu beobachten
bisher keine Gelegenheit gehabt. Die Krankheit befällt nie
Erstgebärende, sondern Kühe im Alter von 5—7 Jahren, die
sich in gutem NährzuBtande befinden und viel Milch produzieren.
Die Geburt ist immer leicht und ohne Hilfe vonstatten
gegangen. Am häufigsten sieht man das Leiden im Frühjahr.
Die Ursache zu dieser Form des Festliegens ist erst in jüngster
Zeit von Prof. Heß aufgeklärt worden, nachdem man bis dahin
eine Rückenmarkskongestion bzw. -Erregung für vorliegend an¬
genommen hatte. Den Folgerungen dieses Forschers schließe
ich mich in so weit an, als auch ich auf Grund der von mir mit
der Lufttherapie erzielten, günstigen Resultate, des klinischen
Verlaufs der Krankheit speziell des öfteren Übergangs derselben
in die Gebärparese sowie des pathologisch-anatomischen Befundes
annehme, daß das sogenannte komplikationsfreie Festliegen und die
Gebärparese identisch und nur graduell verschiedene Leiden sind.
Deshalb schlage ich als treffendere Benennung der Krankheit
„leichte Form der Gebärparese“ vor. Dem von Heß kreierten
Namen kann ich nicht beipflichten, weil sich auch diese Form
des Festliegens, wie ich noch später dartun will, komplizieren
kann, so daß dann das Epitheton „komplikationsfrei“ nicht mehr
am Platze ist!
Wir können demnach folgende Formen der Gebärparese
unterscheiden:
a. eine subakute Form, bei der die Lähmungserscheinungen
fehlen bzw. ganz geringgradig sind, und bei der die Verdauungs¬
störung und das Benommensein in den Vordergrund treten.
b. eine leichte Form, bei der nur der Lähmungszustand
vorhanden ist.
c. die eigentliche Gebärparese, bei der die sub a und b
genannten Symptome vereinigt auftreten.
Die subakute sowohl wie die leichte Form können, wenn
dieselben nicht durch Luftinfusion behandelt werden, zu jeder
Zeit in die Gebärparese übergehen.
Zur Aufnahme eines Sektionsbefundes wird der Tierarzt
wegen des schnellen und meist günstigen Verlaufs der Krankheit
nur selten kommen. Ich habe in fünf Fällen die Obduktion
derart erkrankter Kühe vornehmen können. Zwei derselben
waren wegen Oberschenkelfraktur bzw. Hüftgelenks Verrenkung,
welche sich die Tiere einige Stunden, nachdem ich die leichte
Form der Gebärparese bei ihnen diagnostiziert hatte, beim Um¬
drehen auf die andere Seite zugezogen hatten, geschlachtet
worden.
Das Sektionsergebnis bei diesen Kühen liefert mit Ausnahme
der lokalen Veränderungen an dem verletzten Hinterfuß nichts
Charakteristisches. Insbesondere kann ich außer der in den
ersten Tagen nach der Geburt gewöhnlich zu beobachtenden
leichten Schwellung der Vulva, außer den Sugillationen in der
Schleimhaut des Vorhofs und Dejektion aus der Scheide keine
pathologischen Veränderungen an den Geburtswegen feststellen.
Die Cervix Uteri ist noch für die ganze Hand passierbar (die
Schlachtung hatte ca. 30 Stunden post partum statt), zeigt keine
ödematöse Schwellung oder Verletzung. Der Uterus ist der Zeit
entsprechend genügend zurückgebildet, die Wand ist nicht serös
infiltriert oder sonst verdickt, die Schleimhaut und die Karunkeln
sind, wie nach Abspülen einer braunroten, zähen, geruchlosen
Flüssigkeit wahrzunehmen ist, unverändert. Das Euter ist prall
gefüllt und enthält reichlich Kolostralmilch.
In den drei übrigen Fällen betraf die Sektion Kühe, die
8, 10 bzw. 14 Tage an der leichten Form der Gebärparese ge¬
lähmt gelegen hatten. Dieselben waren sonst völlig gesund und
fieberfrei gewesen und wurden geschlachtet, da sich alle thera¬
peutischen Maßnahmen gegen den Lähmungszustand als erfolglos
erwiesen hatten. Die Brust- und Baucheingeweide sind auch
hier nicht krankhaft verändert, dagegen ist der Muttermund für
zwei bzw. für einen Finger noch passierbar (Normaliter soll
derselbe acht Tage nach der Geburt ganz geschlossen sein).
Die Schleimhaut der Cervix ist verdickt und in Falten gelegt,
aber ohne sichtbare Läsionen. Das trächtig gewesene Horn
deB Uterus ist bei allen drei Patienten nicht im Verhältnis zu
der seit der Geburt vergangenen Zeit zurückgebildet. Auf dem
Durchschnitt ist die Wand an der konvexen Seite des Gebär¬
mutterhorns um 1—2 cm verdickt. Dieselbe ist blutarm, und
das Bindegewebe, insbesondere das submuköse, ist serös infiltriert.
Von der Schnittfläche fließt eine bernsteingelbe, klare Flüssigkeit
ab, oder dieselbe läßt sich leicht aus dem Gewebe herauspressen.
Diese seröse Durchtränkung nimmt allmählich von der konvexen
zur konkaven Seite hin ab. Bei der ersten Kuh, die nur acht
Tage krank war, beschränkt sich die Erkrankung der Uterus¬
wand in der Hauptsache auf eine nur handtellergroße Fläche
an der konvexen Seite. Die Schleimhaut eben so wie die Serosa
der Gebärmutter sind intakt.
Im übrigen sieht man an den Geschlechtswegen nur die
geringen, fast stets nach der Geburt vorkommenden Verletzungen
an Wurf und Scheide.
13. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
121
Die gleiche, pathologische Abweichung am Uterus konnte
ich bei vier Obduktionen von Kühen, die an Gebärparese gelitten
hatten und bei dehen Besserung und Verschlimmerung des Zu¬
standes während 3—4 Tagen abwechselten, feststellen. Bei
diesen Kranken war die Vergrößerung der Gebärmutter noch
mehr in die Augen fallend, die Wand des Uterus war auf das
vierfache verdickt, und die Stärke derselben betrug in einem
Falle sogar 13 cm. Auch hier befand sich die ödematöse
Infiltration im wesentlichen auf der Höhe der konvexen Seite
and wurde nach den Konkaven zu nach und nach geringer;
Läsionen an Serosa und Schleimhaut des Uterus waren nicht zu
bemerken; in den Muttermund, dessen Schleimhaut verdickt und
in Falten gelegt war, konnte eine Hand bequem eingeführt
werden.
Harms ist der Meinung, daß die soeben von mir ge¬
schilderte Infiltration der Uteruswandung bei Gebärparese die
Regel bilde, desgleichen glaubt Heß, daß eine leichte Phlegmone
des Uterus bzw. des Orificium internum mit oder ohne kleine
Quetschungen im Collum uteri ein ständiger Befand bei wegen
Gebärparese geschlachteten oder verendeten Tieren sei und daß
diese Veränderungen sich auch beim „komplikationsfreien Fest¬
liegen“ immer nachweisen lassen.
Ich bin dagegen zu einer anderen Überzeugung gelangt.
Die mehr oder minder starke, seröse Infiltration des Orificium
internum und der Uteruswand ist keineswegs konstant vorhanden,
wie ich bei zahlreichen Sektionen von gebärparesekranken Kühen
und in einigen Fällen von leichter Form dieser Krankheit wahr-
nebmen konnte, sondern stellt nur eine Komplikation beider
Formen der Gebärparese dar. Da aber durch diese Vergesell¬
schaftung das Leiden nach meinen Erfahrungen trotz Lufttherapie
stets ungünstig verläuft, so wird sich in neuerer Zeit die
Metritis bei geschlachteten oder verendeten Tieren dann immer
finden lassen, wenn Puerperalseptikämie, Tuberkulose oder Fremd¬
körperpneumonie, die als komplizierende Krankheiten die Gebär-
pareBe gleichfalls unheilbar machen, fehlen.
Die ersten Krankheitssymptome werden, wie ich an früherer
SteUe schon einmal anfiihrte, erst eine Anzahl von Stunden bzw.
1—2 Tage post partum sichtbar. Zwischen Geburt und dem
Ausbruch der Krankheit ist meist keine Gesundheitsstörung be¬
merkbar, insbesondere ist auch die Bewegungsfähigkeit des
Tieres in keiner Weise beeinträchtigt. Plötzlich ist die Kuh
dann nicht mehr imstande, sich vom Boden zu erheben, sie
„liegt fest“. In seltenen Fällen erscheinen Vorboten des Leidens,
die Patienten sind steif beim Herumtreten, schwanken im Hinter¬
teil bis sie zusammenbrechen. Im Liegen haben dieselben die
normale Haltung, speziell auch des Kopfes, Depressions-
«rscheinnngen fehlen gewöhnlich gänzlich, und das Gefühl ist
überall erhalten.
Atmung, Puls und Körpertemperatur sind Unverändert und
weichen, worauf Heß schon hinweist, nur dann und zwar bloß
vorübergehend, wie ich des öfteren mich überzeugen konnte,
von der Norm ab, wenn die Tiere selbst vergeblich Aufsteh¬
versuche angestellt hatten oder zu diesen veranlaßt worden
waren. Hierdurch wird die Atmung angestrengt und beschleunigt,
die Pulszahl steigt auf 72 in der Minute und die Temperatur
erhöht sich auf 40 0 C.
Von seiten des Digestionsapparates sind ebenfalls keine
krankhaften Erscheinungen zu beobachten.
Die Menge der Milch geht, wie Heß angibt, trotzdem das
Euter hyperämisch und schön entwickelt ist, stark zurück. Und
die Messungen der Gemelke, die ich die Besitzer in vielen
Fällen vornehmen ließ, bestätigen diese Wahrnehmung vollständig.
Der Ertrag der qualitativ unveränderten Milch vermindert sich
um ein Drittel bis um die Hälfte während der Krankheit. An
der Vulva und Vagina konnte ich nur die schon bei dem
Sektionsbefund beschriebenen, geringen Läsionen finden. Die
Nachgeburt bleibt im Gegensatz zur eigentlichen Gebärparese,
bei der dies vereinzelt geschieht, nie zurück. Das Orificium
ist bei frühzeitigem Auftreten der Erkrankung noch für die
ganze Hand, bei späterem für einige Finger durchgängig. In
demselben Verhältnis ist die Rückbildung des Uterus der seit
dem Abkalben verflossenen Zeit entsprechend vorgeschritten,
soweit dies durch Palpation beurteilt werden kann. Jedenfalls
war eine auffällige Verdickung oder Schmerzhaftigkeit der
Gebärmutter bei sämtlichen von mir untersuchten Patienten
nicht vorhanden. Auch bei denjenigen Kühen, die notgeschlachtet
wurden, war die hinzugetretene Metritis nicht mit Sicherheit
zu Lebzeiten zu konstatieren.
Die leichte Form der Gebärparese pflegt ohne Behandlung
in 24—48 Stunden, seltener in 72 Stunden (dies nach meiner
Beobachtung die längste Dauer mit günstigem Krankheitsverlauf)
in Heilung überzugehen, und bald nach dem Aufstehen merkt
man den Tieren keine Schwäche in der Nachhand mehr an.
Durch die Behandlung mit Luftinfusion ins Euter werden die
angegebenen Daten insoweit beeinflußt, als die Patienten meist
innerhalb 1—3 Stunden, längstens innerhalb 12 Stunden ge¬
nesen sind.
Ist die Lähmung innerhalb drei Tagen nicht geschwunden
so liegen Komplikationen vor. Als solche habe ich die Metritis
in drei Fällen, die ich bei dem den Sektionsbefund beschreibenden
Abschnitt schon des näheren geschildert habe, wahrgenommen.
Diese leichte Phlegmone der Gebärmutter bedingt, ohne das
Gesamtbefinden der davon befallenen Tiere wesentlich zu be¬
einflussen, nur eine Fortdauer des Lähmungszustandes, der
jeder Behandlung trotzt. Von Heß wird hervorgehoben, daß
die Krankheit bei schon vorhandener Tuberkulose ebenfalls un¬
heilbar wird. Ich habe dies bislang nur bei der eigentlichen
Gebärparese beobachtet. Dagegen habe ich des öfteren und
zwar nach kurzer Zeit die leichte Form in die Gebärparese
übergehen sehen. Die Tiere werden zeitweis oder dauernd
soporös, werden unempfindlich gegen Nadelstiche, Futter- und
Getränkaufnahme läßt nach oder sistiert ganz, es tritt er¬
schwerter Kotabsatz und Verstopfung ein. Der Kopf wird
mitunter in die Flanke oder bei lang ausgestrecktem Halse auf
die Erde gelegt. Verschlimmerung wechselt mit Besserung ab,
bis sich ausgesprochen die Symptome der Gebärparese zeigen.
Seitdem ich die leichte Form derselben mittelst Luftinfusion be¬
handele, habe ich den* Übergang in die schwere Form, die
eigentliche Gebärparese, nicht mehr wahrgenommen.
Heß, der das sogenannte komplikationsfreie Festliegen,
Gebärparese und puerperale Septikämie als verschiedene Stufen
derselben Krankheit auffaßt, hat auch die erstgenannte Form
in die Septicaemia puerperalis übergehen sehen. Ich habe dies
wahrzunehmen noch nicht Gelegenheit gehabt.
Kompliziert sich die Gebärparese mit einer Phlegmone des
Uterus, so ist die Verdickung der Uteruswand, wie schon an
122
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
anderer Stelle erörtert, bedeutend stärker als bei der leichten
Form des Leidens und diese Veränderung ist auch schon bei
Lebzeiten des Tieres durch Palpation nachzuweisen, desgleichen
ist der erkrankte Uterus auf Druck empfindlich. Hierbei läßt
die Luftbehandlung im Stich und vermag nur vorübergehend
eine Besserung des Zustandes zu erzielen, ohne daß aber die
Patienten aufzustehen imstande sind.
Die Vorhersage bei der leichten Gebärparese ist im all- j
gemeinen günstig. Ist jedoch das Tier trotz mehrfacher Luft-
infussion innerhalb 3 Tagen nicht genesen, so liegen Komplikationen
vor, und die Aussicht auf Heilung schwindet ganz. Es empfiehlt
sich deshalb von vornherein bei feststehender Diagnose, alle
Patienten, die länger als 3 Tage festliegen, schlachten zu lassen.
In gleicher Weise sind die Fälle von Gebärparese zu beurteilen, j
die sich durch Wechsel von Besserung und Verschlimmerung im
Befinden der „festliegenden 4 * Kühe auszeichnen.
Die diiferentialdiagno8ti8ch wichtigen Krankheiten habe ich
schon bei dem Festliegen nach schwerer Geburt erörtert und
dort auch speziell die Unterscheidungsmerkmale zwischen dieser
Krankheit und der leichten Form der Gebärparese angegeben,
so daß ich mir hier eine Wiederholung ersparen kann.
Die Therapie der Krankheit ist analog der der Gebär¬
parese und besteht in Luftinfusion ins Euter. Diese Behand¬
lungsweise führt bei Abwesenheit von Komplikationen regel¬
mäßig zur Heilung und macht alle sonst empfohlenen Mittel
überflüssig.
Den Verschluß der Strichkanäle an dem aufgepumpten
Euter bewirke ich seit einiger Zeit in der Weise, daß ich die
Zitzen ungefähr in ihrer Mitte fest zusammendrücken lasse, die
Strichkanalöffnung, deren Umgebung vorher sorgsam mit Watte
zu trocknen ist, zunächst mit Kollodium verklebe und darüber
noch ein mit Kollodium getränktes Wattebäuschchen klebe.
Diese Art, das Herausströmen der eingepreßten Luft aus dem
Euter zu hindern, ist vollkommen unschädlich, während bei
längerem Liegenlassen von Gummiringen, Bändern usw. mitunter
ein Absterben der Striche entstand.
Ist wiederholtes Aufyumpen des Euters erfolglos geblieben,
so liegt meist eine Komplikation der Krankheit mit Metritis
dem Fehlresulat zugrunde, und versuchsweise können dagegen
Perhydrol- oder Sublaminlösungen in den Uterus eingespült und
feuchtwarme Wickelungen des Leibes gemacht werden. In den
drei von mir so behandelten Fällen ließen diese Maßnahmen
im Stich.
Betonen will ich hier, daß die Phlegmone des Uterus, mit
der sifch die leichte Form der Gebärparese mitunter vergesell¬
schaftet, einen durchaus lokalen Charakter hat und im Gegensatz
zu anderen puerperalen Gebärmuttererkrankungen auf das Fleisch
keinen schädlichen Einfluß ausübt. Ebenso ist auch das Fleisch
von Tieren, die neben der Gebärparese an einer ausgebreiteten,
serösen Infiltration der Uterus wandung gelitten haben, zu beurteilen
und zum Verkauf auf der Freibank als „im Nahrungs- und Genu߬
wert erheblich herabgesetzt“ ohne weiteres zuzulassen.
Zum Schlüsse dieser kleinen Abhandlung gebe ich noch die
Daten einer Anzahl von mir wegen leichter Form der Gebär¬
parese untersuchter und behandelter Kühe nnd der besseren
Übersicht wegen habe ich dieselben in Tabellenform zusammen¬
gestellt.
H »i
” c 5
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O
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Std.
Zahl der Kranken
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1
1
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Anzahl der
Geheilten
Anzahl der
Geschlachteten
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U
! Oberschenkels
10 — 24
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reibungenusw.;
bei 25 Patienten;
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gelenks-
1 Verrenkung
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B. Nur Luft- 1
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= 15 1
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3 mal Komplika¬
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infusion
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6 „
12 „
48 „
3
tion mit Uterus-
48—60
60-72|
2;
1
bei 50 Kühen '
> phlegmone
Referate.
Komplizierte ausgedehnte Lappentransplantation am
Karpalgelenk des Pferdes.
Von Tierarzt Roschig, I. Assistent an der chirurgischen Klinik
der Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart.
(Monatshefte für praktische Tierheilkunde, XIX. Band, 1. Heft.)
Ein handtellergroßer Hautdefekt an der vorderen Fläche
des Karpalgelenkes hatte sich im Laufe mehrerer Monate zu
einer mit schlaffen Granulationen bedeckten G«schwürsfläche
umgewandelt. Da verschiedene Behandlungsmethoden nicht zur
Eindeckung führten, so wurde eine umfangreiche Lappentrans¬
plantation vorgenommen. Der Hautlappen wurde in ent¬
sprechender Größe oberhalb des Karpalgelenkes gebildet und
durch Schlagen hyperämisch gemacht. Er wurde so heraus¬
getrennt, daß er noch an einer 3 cm breiten Brücke hing. Da¬
rauf wurde er auf die Gegend des Defektes herübergezogen und
sorgfältig unter Anwendung der gestuften Bruns sehen Naht
angenäht. Vorher war die ganze Geschwürsgegend mit dem
scharfen Löffel vorbereitet worden und die Geschwürsränder
waren scharfkantig zugeschnitten worden, Die Wundfläche, die
da entstanden war, wo der Lappen herausgeschnitten worden
war, wurde genäht, nachdem beiderseits Entspannungsschnitte
angelegt worden waren. Die Gliedmaße wurde gut fixiert und
am 13. Tage war der Lappen vollkommen angeheilt und der
Defekt gedeckt. Drei Abbildungen geben Aufschluß über die
Operationsmethode und eine vierte Abbildung zeigt das Aus¬
sehen des geheilten Defektes. Bdr.
Versuche zum Nachweis des Erregers der Schweinepest
mit Hilfe der Methode der Komplementbildung.
Von A. Dedj ul in-Charkow.
'(Zeitschr. f. Infektionsk., paras. Krankb. u. Hyg. der Haust. Bd. III. S. SIS.)
Die neuesten Untersuchungen über die Schweinepest und
Filtrierbarkeit ihres Erregers gaben Dedjulin Veranlassung,
den Nachweis der Anwesenheit eines spezifischen Erregers im
Organismus der an Schweinepest erkrankten Tiere durch die
Komplementbildungsmethode zu versuchen. Zur Bereitung des
Extraktes wurde das Knochenmark aus den Röhrenknochen der
Gliedmaßen eines Läuferschweines verwendet, das auf der Höhe
der Schweinepesterkrankung getötet worden war. Das erhaltene
Serum dieses Schweines 1 wurde inktiviert und zu den Ver¬
suchen benutzt; außerdem fanden Verwendung die Sera eines
zweiten, ebenfalls auf der Höhe der stürmisch verlaufenden
I Krankheit getöteten Tieres und zweier durchgeseuchter Schweine
13. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
123
Die Untersuchungen haben nun ergeben, daß das Extrakt des
Knochenmarks der schweinepestkranken Schweine
einen spezifischen Rezeptor enthält.
Es war jetzt die Frage zu beantworten: Ist dieser Rezeptor
nicht identisch mit demjenigen, der sich in Extrakten des
Bacillus suipestifer findet? Die diesbezüglichen Experimente
haben zu dem Schluß geführt, daß in dem aus dem Knochen¬
mark gewonnenen Extrakt kein Rezeptor vorhanden war, der
mit irgendeinem Rezeptor aus dem Extrakt des Bacillus
suipestifer identisch wäre. — Die Krankheitserscheinungen bei
der Schweinepest können somit nicht durch Endotoxine des
Bacillus suipestifer hervorgerufen sein, sondern sind auf einen
spezifischen, vom Bacillus suipestifer unabhängigen Erreger
zuriickzuführen. Richter.
Beitrag zum Nachweis von Rotlauf bazillen in faulenden
Organen.
Von Dr. L. Opalka-Berlin.
(Zeilücbr. f. Lnfektionnkr., p&ras. Krankt), und Hyg. der Haust.. Bd.'III, S. 349.)
Nach den Bestimmungen der Rotlaufserumlieferanten werden
Entschädigungen für Impfrotlauffälle bei Schweinen gewöhnlich
nur dann gewährt, wenn die Impfung durch einen Sachverständigen
ausgefuhrt wurde und in den eingesandten Organen der ge-
faUenen Tiere (gewöhnlich Herz, Lunge, Nieren und Milzj durch
die bakteriologische Untersuchung Rotlaufbazillen nachgewiesen
werden. Im Sommer faulen die Organe leicht. Opalka hat
nun festzustellen versucht, welche Organe zur Untersuchung auf
Rotlauf unter solchen Verhältnissen am geeignetsten sind. Die
gewonnenen Resultate faßt Opalka in folgende Sätze zu¬
sammen:
2 . Rotlaufstäbchen sind in faulenden Organen färberisch
lange Zeit nachweisbar, ihre Virulenz jedoch nimmt mit ‘ der
Zeit ab.
2. Neben der Agarkultur bietet die Verimpfung fauligen
Materials an Mäuse ein Hilfsmittel zur Feststellung der Rotlauf-
st&bchen.
3. Zur Verimpfung sind besonders Milz und Haut geeignet.
Richter.
Biologische Stadien über parasitische Protozoen.
Von Generalarzt Dr. G. Lindner, Kassel-Wilhelmshöhe.
^Archiv für Wissenschaft!, und praktische Tierheilkunde, 33. Bd., 4. und 5. Heft.)
Im Jahre 1884 fand L. gelegentlich einer Typhusepidemie
bei der Untersuchung von Trinkwasser Infusorien, welche er
als stiellose Vortizellen ansah und wegen ihres schlauchförmigen
Baues Vorticella ascoidium oder kurz Askoidien nannte. Durch
Knlturversuche glaubt Verfasser den Nachweis dafür erbracht zu
haben, daß diese Art eine Umwandlungsform von Vorticella
microstoma darstellt. .
Weiterhin sollen nach desselben Autors Ansicht die beim
Wild und bei verschiedenen Schlachttieren vorkommenden so¬
genannten Mies eher sehen Schläuche oder Rainey sehen Körper¬
chen nicht durch Psorospermienschläuche, sondern durch die
stiellosen Vortizellen oder durch Kolpidien hervorgerufen werden,
die auf irgendeine Weise lebend in die Muskelbündel gelangen
und in ihnen zur Einkapselung genötigt werden. Als Beweis
für diese Behauptung werden die Resultate jahrelanger Versuche
angeführt. Aus den hierbei gemachten Beobachtungen läßt sich
schließen, daß bei den Schlachttieren und beim Wild eine Ein¬
wanderung der beiden Saprozoen durch die Aufnahme unreinen
Wassers bedingt wird. In die Blutgefäße können nur die
Monadenlarven eindringen, das Auswachsen zu Infusorien kann
jedoch nur außerhalb der Blutbahnen im lebenden Tierkörper
erfolgen. Der Einwanderung schließt sich das Enzystieren an,
wobei die Mehrzahl durch die erdrückende Wirkung der
Muskelzellen getötet wird. Ein kleiner Teil der Protozoenzysten
bleibt, wie es scheint, in den Muskelbündeln lebens- und
entwicklungsfähig und kann durch die Kultivierung in geeigneten
Nährsubstanzen wieder zum Leben zurückgeführt werden. Die
Richtigkeit dieser Anschauung muß noch durch Experimente an
lebenden Tieren bewiesen werden.
Die hygienische Bedeutung der Mi es eher sehen Schläuche
ist in der Regel nicht besonders groß, nur sollte der Genuß
rohen Fleisches (besonders des Schweines) noch mehr ein¬
geschränkt werden. Anders verhält es sich mit der Fleisch¬
nahrung, wenn epidemische Krankheiten herrschen, deren
Ursachen im Wasser zu suchen sind. In unreinen stehenden
Gewässern finden sich dann die Saprozoen öfters in Gesellschaft
von pathogenen Bakterien, die durch den Genuß des Wassers
direkt in den tierischen Organismus gelangen und das Fleisch
förmlich vergiften können. Dazu kommt noch hinzu, daß die
freilebenden Protozoen sich sehr bald einzukapseln pflegen,
hierbei ihre Cutikula energisch kontrahieren und dadurch
pathogene Bazillen massenhaft mit einschließen. Vermittelst
der Luft verschleppt können dann nach Lindners Ansicht diese
Bakterienträger tierische und menschliche Organismen durch
Einatmung infizieren. J. Schmidt.
Desinfektion mit Kalk.
Von Koloman Trattner, kgl. ung. Tierarzt.
(Xliatorvosi hapok 1907, Nr. 50.)
Kalk spielt in der Praxis als Desinfektionsmittel mit Recht
eine große Rolle, da er billig, leicht anwendbar und gewiß von
bakterizider Wirkung ist. Nach den Untersuchungen von Er dös
und Koppänyi (Budapest) tötet nämlich die lproz. Kalklösung
während zwei Minuten die bei der Schweineseuche in den kranken
Organen vorhandene große Zahl der Bakterien. Da man aber
in der Praxis nicht lproz., sondern 20—30proz. Kalklösungen
anw’endet, ist diese Wirkung eine noch stärkere.
Trattner ließ bei einer Schweinezucht, in welcher die
Schweineseuche in hohem Grade aufgetreten ist, in die Schwemme
in ca. 500 1 Wasser 10 Kilo Kalk auflösen und in die Mitte
der Kalklösung einen Bottich mit Trinkwasser stellen, so daß die
Schweine gezwungen waren, wenn sie dursteten, in das Kalk¬
wasser zu gehen, welches bis zur Bauchhöhe reichte. Diese
Maßregel, verbunden mit der Separierung der Kranken und
entsprechendem Tünchen der Räume, bewirkte bald eine günstige
Wendung im Ablauf der Seuche, welcher bisher 52,8 Proz. des
betreffenden Schweinebestandes zum Opfer fielen. Dr. Z.
Über die Hyperostose der Phalangen infolge von
Nageltritt.
Vom Militärveterinär Pöcus.
(Journal de Lyon, 31. Oktober 1907.)
Der Verfasser beschreibt fünf Fälle, von welchen nach
Nageltritt bei vier eine Hyperostose der Phalangen sich aus¬
gebildet hat, die ein dauerndes Lahmgehen nach sich zog. In
vier Fällen w r ar der Nagel durch die Hufbeinbeugesehne hin¬
durch bis ins Huf-Strahlbeingelenk eingedrungen, hei dem
fünften, der eine Vollblutstute betraf, war der Nagel, ohne die
124
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
Sehne und das Gelenk zu verletzen, nach vor- und seitwärts
bis auf das Hufbein gegangen. Bei den vier ersten ist die
Radikaloperation gemacht, beim letzten nur ein antiseptischer
Verband angelegt worden. Die durch den Nagel resp. die
Operation gemachte Wunde ist bei allen schön ausgeheilt, nur
hat sich in drei von den vier Fällen mit penetrierendem Nagel¬
tritt eine Hyperostose der Phalangen eingestellt.
Als Ursache dieser sieht der Verfasser den Umstand an,
daß die Pferde nach Abheilung der Wunden zu früh zum Dienst
verwendet worden sind, zu einer Zeit, wo die infolge des Nagel¬
tritts aufgetretene Osteomyelitis noch nicht vollständig abgeheilt
und der ganze Entzündungsprozeß noch nicht zum Erkalten ge¬
kommen war.
Der Verfasser übergeht die wissenschaftliche Erklärung des
auf den perforierenden Nageltritt folgenden Entzündungsprozesses
in den Knochen und zieht nur die praktische Seite der Ent¬
zündung in folgendem in Betracht: Will man bei einem schweren
Nageltritt keinen Mißerfolg haben, so darf man das an per¬
forierendem Nageltritt operierte Pferd während mindestens drei
Monaten nicht arbeiten lassen, bis die Entzündung in den
Phalangen, die infolge ihrer Durchfeuchtung für die funktionellen
Stöße und Erschütterungen empfindlicher geworden sind, und
denen sie im Moment nicht genügenden Widerstand entgegen¬
setzen können, verschwunden ist. Helfer.
Zur Kenntnis der Arteriosklerose bei Haustieren.
Von Tierarzt Dr. Hans Lyding-Frankfurt a. M.
(Mit 1 Tafel.)
(Zeitschrift für Tiermedizin. XI. Band. Seite 359—377.)
Auf Veranlassung von Prof. Albrecht in Frankfurt a. M.
untersuchte Ly ding die bei unseren Haustieren, speziell beim
Rinde, nicht selten vorkommenden sklerotischen Gefä߬
veränderungen, über die jedoch in der Literatur nur spärliche
Angaben bisher gemacht worden sind. Die Untersuchungen
Lydings erstrecken sich auf die Gefäß Veränderungen bei
Pferden, Hunden und Rindern. Bei je zehn Pferde- und Hunde¬
kadavern konnten je zweimal und bei 100 geschlachteten Rindern
35 mal zum Teil hochgradige Veränderungen festgestellt werden.
Auch bei einem 25 Jahre alten Bär fand sich bei der Sektion
eine zirkumskripte, erbsengroße Verdickung im Arcus aortae.
Beim Rinde war ausnahmslos die Aorta descendens betroffen.
Vorwiegend handelt es sich um Kühe, die über sechs Jahre
alt waren.
Über die gefundenen Gefäß Veränderungen gibt Ly ding
folgende kurze Zusammenfassung:
I. Rind. Intimaverdickungen, hervorgerufen durch
eine bald mehr, bald weniger starke Wucherung
rein bindegewebigen Charakters einhergehend
mit geringgradiger Verfettung und späterer Ver¬
kalkung.
II. Pferd. Dieselben Formen.
III. Hund. Mediaerkrankung, Schwund der Media
und Intima mit ausgedehnter Verfettung und Ver¬
kalkung sowie Mönkebergscher Klappensklerose.
In dem Referat Nr. 3, S. 56 über das Gebiß des Kalbes
ist der Name des Autors, Professors Pusch-Dresden, verdruckt.
Tagesgeschichte.
Die Reicbstagskemmission für das Tiersencbengesetz.
Von Kreißtierarzt Krueger-Posen.
Am 5. Februar nahm die Kommission des Reichstags für
das Tierseuchengesetz einstimmig folgenden Antrag an: „Die
aus dem Verfahren entstehenden Kosten sind aus der Staats¬
kasse zu bestreiten.“
Wenn dieser Kommissionsbeschluß vom Plenum angenommen
werden sollte, was leider zu befürchten ist, und die Staats¬
regierungen gezwungen wären, alle Konsequenzen dieser
Gesetzesbestimmung zu ziehen, dann werden die Verhältnisse
der beamteten Tierärzte auf den Kopf gestellt werden.
Einerseits müßten die Herrn Finanzminister in die Taschen
greifen und den Kreistierärzten die Verrichtungen bezahlen,
deren Kosten bisher von Kommunalverbänden und Privaten zu
decken waren. Der durchschnittliche Betrag dieser Dienst¬
bezüge ist auf Grund angestellter Ermittlungen des preußischen
Landwirtsohaftsministeriums in der Begründung zum preußischen
Staatshaushalt vom Jahre 1905 auf 1500 M. p. a. und Stelle
geschätzt worden. Bei 476 preußischen Kreistierarztstellen
wären das 714 000 M.
Zahlt der Staat nun in Zukunft, wie vorauszusehen, lediglich
Tagegelder und Reisekosten, so wird er, da letztere ohnehin
an den meisten Tagen gewährt wurden, nur einen Teilbetrag'
jener 714 000 M. aufzubringen haben, während für die Kreis¬
tierärzte ein Ausfall entstehen muß, den ich auf eine halbe
Million schätze.
In einer größeren Zahl von Bezirken sind diese Neben¬
bezüge recht hoch. Dafür haben aber auch die Kreistierärzte
täglich, selbst am Sonntag, von morgens 6 bis abends spät zu
tun, um die Geschäfte ordnungsmäßig Und gut zu erledigen;
am Abend werden die schriftlichen Arbeiten gemacht.
Wenn in Zukunft lediglich Tagegelder und Reisekosten
gezahlt werden, ohne Rücksicht darauf, ob viel oder wenig
Geschäfte an einem Tage zu erledigen sind, so werden die
Arbeitsleistungen auf die Dauer von den viel beschäftigten
Kreistierärzten nicht mehr auf sich genommen werden, sondern
diese werden, wie andere Beamte, die Arbeitszeit kürzer bemessen.
Östlich der Elbe dürften dann in Preußen bei Berück¬
sichtigung der durch das neue Reichstierseuchengesetz bedingten
Mehrarbeit in den nächsten zehn Jahren ungefähr 100 neue
Stellen — bisher waren es etwa 235 — neu errichtet werden
müssen, wenn der Veterinärdienst nicht leiden soll. Werden
die Stellen nicht eingerichtet, so müssen Händler, Landwirte usw.
auf die Abwicklung der Geschäfte warten, wodurch ihnen auch
pekuniärer Schaden erwächst.
Derselbe Effekt würde eintreten, wenn die Reisekosten und
Tagegelder pauschaliert werden, welche Frage 14 Tage vor
Weihnachten einer Besprechung zwischen Landwirtschafts¬
ministerium und Finanzministerium unterlegen hat.
Bei den jetzt gültigen Sätzen von 1650 M. Durchschnitts¬
gehalt, 450 M. durchschnittlicher Stellenzulage und 200 M.
Dienstunkostenentschädigung würden die Ausgaben für die
100 neuen Stellen 2300 X 100 = 230 000 M. außer den Pensions¬
und Reliktenbezügen betragen.
Nehmen wir an, daß diese Stelleninhaber im Laufe eines
Jahres an 250 Tagen Dienstgeschäfte außerhalb der Wohnung'
verrichten, so müßten dafür 250 X 8 X 100 = 200 000 M. Tage-
13. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
125
gelder gezahlt werden. Da die Reisekostenbeträge auch etwas
Ansteigen würden, hätte der Staat für die neuen Stellen östlich
der Elbe p. a. mindestens eine halbe Million aufzubringen.
Trotz der Höhe dieser Beträge wären aber doch die
Kreistierärzte die Hauptleidtragenden, da sie ja auch eine
halbe Million einbüßen, und der Staat weniger schmerzvoll eine
halbe Million opfern kann als die paar Hundert Kreistierärzte.
Die kreistierärztliche Karriere und damit die tierärztliche
übte eine Anziehungskraft auf die jungen Leute aus, nicht etwa,
weil in diesem Berufe besondere Ehren zu erreichen sind —
die sind höcliBt spärlich vorhanden — sondern weil eine Anzahl
von Kreistierärzten recht erhebliche Einnahmen haben. Daß
es einer nicht kleinen Zahl auch heute noch herzlich schlecht
geht, wird bei der Berufswahl leider weniger beachtet.
Die Bestimmung, daß der Staat die entstehenden Kosten
zu bestreiten hat, wird auf die Einkommensverhältnisse der
Kreistierärzte verflachend wirken. Der oben erwähnte Anreiz
zur Berufswahl wird wegfallen. Die Liebe zu den Naturwissen¬
schaften kann man in ehrenreicheren Berufen stillen.
Die staatlichen Einkommenverhältnisse der Kreisärzte kann
man zum Vergleich gar nicht heranziehen. Abgesehen davon,
daß die Gehälter höhere sind, nehmen die Kreisärzte in einzelnen
Kreisen allein oder zum größeren Teil die Schutzimpfungen vor,
sie sind nebenbei noch Krankenhaus-, Bahn-, Kassen- und Ge¬
fängnisärzte, sie überwachen die Prostitution, Leichenschau und
werden für eine große Reihe amtlicher, ihnen reservierter Ver¬
richtungen von Kommunal verbänden und Privaten (Atteste und
Gutachten für Beamte, zum Eintritt ins Heer usw.) besonders
bezahlt. Vornehmlich ist die Anordnung ergangen, daß bei ein¬
tretender Vakanz alle diese einträglichen Nebenstellungen dem
Nachfolger reserviert bleiben müssen. Sie sind also mit dem
Amte verbunden, so daß die Kreisarztstellen durchschnittlich
viel lukrativer sind, als die der Kreistierärzte, bei denen es
derartige Nebenstellen fast gar nicht gibt.
Kein Tierarzt kann solche Einnahmen wie sie bei den
Ärzten in großer Zahl Vorkommen auch nur annähernd er¬
reichen. Nach der Nackweisung der Ärztekammer Berlin-
Brandenburg für das Jahr 1907 gab es im dortigen Bezirk
41 Ärzte mit einem Einkommen von 34 000—40000 M., 49 mit
40 000—50 000 M., 14 mit 50000-60000 M., 11 mit 60 000—
70 000 M., 7 mit 70 000—80 000 M., 7 mit 80000—90000 M.,
11 mit 90000-100000 M., 6 mit 100000—120000 M., 4 mit
160 000—180 000 M., 3 mit 180 000—220 000 M., 2 mit
220 000—225 000 M.
Deshalb wird der Staat beizeiten für andere Reizmittel
zum Studium der Tierheilkunde sorgen und die Veterinär¬
beamtenstellung an sich beneidenswerter machen müssen, als sie
heute ist. Gehalt und Tagegelder wären zu erhöhen, der Rang
zu bessern, die Veterinärratstitel nicht nach etwa 18 Jahren
erst, sondern wie bei den Kreisärzten bereits nach 12 Jahren
zu verleihen, OrdensauBzeichnungen in größerer Zahl zu ge¬
währen und die Zahl der gehobenen Stellen durch Teilung einer
Zahl von Departementstierarztbezirken zu vermehren.
Und doch scheint es mir mehr als fraglich zu sein, ob bei
den veränderten Verhältnissen sich wirklich die Zahl der die
Laufbahn einschlagenden Herren auf alter Höhe erhalten würde.
Ich glaube vielmehr, daß dann Klagen der Landwirte über
Tierärztemangel einen berechtigten Hintergrund hätten.
Die Sorgen, die der Staatsregierung aus dem Kommissions¬
beschluß erwachsen, sind wirklich nicht gering. Will der Staat
auch nur den Ausfall von einer halben Million Mark Gebühren
decken, so müßte er das Durchschnittsgehalt einer jeden Stelle
um 1000 Mark erhöhen.
In den kreistierärztlichen Stand ist durch Aufrollung der
Gebührenfrage seitens des Reichstages erneut Unruhe getragen
worden. Viele Kreistierärzte würden einfach mit ihren bisherigen
Lebensverhältnissen brechen müssen. Ein unruhiges Hin- und
Herversetzen wird anfangen, bis die Inhaber bisher guter Stellen
in einer bequemeren sich befinden.
In solchen Zeiten vermißt man es besonders schmerzlich,
daß uns Tierärzten kein Zentralbureau zur Verfügung steht,
an das wir uns wenden könnten, und das selbst alle Vorgänge
des öffentlichen Lebens aufmerksam verfolgt und uns vor Schaden
behütet. Daß wir beim Versicherungsgesetz schlecht abgeschnitten
haben, ist unsere eigene Schuld und glanbe ich, daß wir auch
an der Tatsache nicht ganz schuldlos sind, daß es mit uns nicht
recht vorwärts geht, und daß wir mannigfaltigen Demütigungen
gesellschaftlich und im öffentlichen Leben ausgesetzt sind.
Deshalb möchte ich die Gründung eines dem
Deutschen Veterinärrat bzw. dessen Ausschuß unter¬
stellten Zentralbureaus vorschlagen. Das Zentralbureau
dürfte keine Versorgungsanstalt für den Klüngel werden, sondern
ihm müßte als Generalsekretär eine ganz hervorragende
juristische Kraft vorstehen, ein Gelehrter, ein Volkswirtschaftler
vielleicht. Bei Gründung der Veterinärkammern könnte er
Generalsekretär der Kammerausschüsse werden. Den Wohn¬
sitz hätte er zweckmäßig am Reichstagssitz, in Berlin, zu
nehmen, da eine Aufgabe für ihn auch die wäre, mit Volks¬
vertretern und mit der Reichsregierung dauernd in Fühlung zu
bleiben. Seiner Unabhängigkeit dürfte kein Abbruch geschehen,
wenn ihm an der tierärztlichen Hochschule, als Privatdozent
vielleicht, das Halten von Vorlesungen über Volkswirtschafts¬
lehre oder über rechtswissenschaftliche Fragen, die in unser
Fach schlagen, übertragen würde. Vielleicht könnte er auch
als unser Vertreter in den Reichstag entsandt werden. Seine
Tätigkeit bestände darin, auftauchende Gesetzentwürfe darauf
hin zu prüfen, ob sie uns Nutzen oder Schaden bringen, selbst
Gesetzentwüfe zu bearbeiten, Justitiar bzw. Syndikus des
deutschen Veterinärrates, der in ihm vertretenen Vereine und
aller übrigen Veterinärvereine des Deutschen Reiches zu sein,
Prozesse, die im tierärztlichen Interesse liegen, vorzubereiten
und zu führen, und allen einzelnen Angehörigen des Standes
zur Verfügung zu stehen (Promotion, Privatpraxis, Unfall- und
Lebensversicherung, Pfuscherei, Viehversicherung, Gewähr¬
fragen, Nahrungsmittelämter, Anstellungsverhältnisse in deutschen
Schlachthöfen, im Staats- und Kolonialdienst, Dispensierrecht,
neue Taxe, Statistik). In die Vertretung unserer Ansprüche
hätte er eine gewisse Einheitlichkeit zu bringen. Ob bei¬
spielsweise die an und für sich erfolgreiche Agitation der Privat¬
tierärzte im Reichstage für den tierärztlichen Stand Nutzen
oder Schaden bringen wird, das können heute die Privattier¬
ärzte selbst gar nicht übersehen. Die Frage ist nicht genügend
vorbereitet der Volksvertretung unterbreitet worden; was bei der
Bearbeitung herauskommen wird, wissen die Götter.
Auch Unterstützungskassen, Stiftungen, Vorbereitung von
Kongressen hätten in dem Generalsekretariate ihren Mittel¬
punkt zu finden.
***
126
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7
Für die zahlreichen und wichtigen Aufgaben können wir,
wie gesagt, nur eine allererste Kraft brauchen, die wir auch
entsprechend honorieren müssen. Ich rechne mit 10 000 M.
Gehalt und 6000 M. für das Bureau, • zusammen mit 16 000 M.
Unkosten. Auf jeden der 4000 deutschen Tierärzte käme ein
Beitrag von 4 M. Es dürfte sich hundertfach für jeden einzelnen
verzinsen. Das Umlagerecht der Veterinärkammem, bei denen
doch auch Beamte, mindestens in den Kammerausschüssen, er-
erforderlich sind, dürfte sich viel höher, etwa auf 8—10 M.
bei mittlerem Einkommen, stellen. Die Kosten dürften vielleicht
etwas herabgesetzt werden können dadurch, daß für Auskünfte
an einzelne Personen, wobei kein allgemeines Interesse vorliegt,
Beträge nach einem bestimmten niedrigen Tarif zu zahlen wären,
die in die Kasse des Zentralbureaus flössen. Vielleicht wären
auch die Staatsregierungen nicht abgeneigt, für das Zentral-
bureau Zuschüsse ans Staatsmitteln zu bewilligen. Schaffen wir
uns aus eigener Kraft und Initiative dieses Generalsekretariat.
Seine erste Aufgabe wäre die Vorbereitung eines Gesetz¬
entwurfes für die Veterinärkammern.
Eingabe des Verbandes der Privattierärzte betr. das
Viehsenchengesetz.
Dem Hohen Reichstage beehrt sich der Verband der Privat¬
tierärzte die Bitte zu unterbreiten, bei der Beschlußfassung
über die Novelle zum Viehseuchengesetz, insbesondere durch
eine entsprechende Ergänzung des § 2 der Novelle, eine all¬
gemein geordnete Mitwirkung der nichtbeamteten praktischen
Tierärzte bei der Bekämpfung einzelner weitverbreiteter Seuchen
zulassen und herbeiführen zu wollen.
Zur Begründung dieser Bitte können wir folgendes an¬
führen :
Das erste Viehseuchengesetz von 1880 hat sich ausgezeichnet
bewährt. Es betraf neun Seuchen, von denen jetzt zwei,
Schafpocken und Beschälseuche, wohl endgültig verschwunden,
eine dritte, die Lungenseuche, wenigstens gegenwärtig völlig
getilgt und eine vierte, der Rotz, außerordentlich eingeschränkt
worden ist. Durch jenes Gesetz wurde die Bekämpfung der
Tierseuchen den beamteten Tierärzten übertragen und deren
heutige Stellung damit begründet. Die (von Ausnahmen ab¬
gesehen) ausschließliche Übertragung der Seuchenbekämpfung
an die beamteten Tierärzte war durchaus berechtigt und selbst¬
verständlich. Einmal w T aren damals Erfahrungen bei der
Seuchentilgung noch nicht genügend vorhanden; die Veterinär¬
polizei hatte sich noch nicht eingeführt und weder das Ver¬
trauen der Bevölkerung noch ihr heutiges Gewicht gewonnen:
die für die Einführung des Gesetzes erforderliche bahnbrechende
Arbeit konnte nur mit Hilfe einer geschlossenen, von der
Autorität der Regierung unmittelbar unterstützten Beamtenschaft
geleistet werden. Zweitens gab es damals neben den beamteten
Tierärzten im Osten wenigstens fast gar keine anderen Tier¬
ärzte, während im Westen, wo schon damals mehr Privattier¬
ärzte wohnten, die nach dem Gesetz von 1880 doch noch recht
beschränkte Seuchenpolizei keine große Rolle spielte. Drittens
endlich betraf das Gesetz von 1880, von der Räude der Pferde
abgesehen, ausschließlich solche Seuchen, welche auch heute
noch, wie auch wir vollkommen anerkennen, dem sofortigen Ein¬
greifen des beamteten Tierarztes Vorbehalten bleiben müssen —
sei es, weil bei ihrer Ermittlung besondere Verhältnisse obwalten
(Milzbrand, Rotz); oder weil sie besonders gemeingefährlich,
namentlich auch für Menschen sind (Milzbrand, Rotz, Tollwut);
oder weil im Falle ihres Ausbruchs die Verbreitungsgefahr und
ihre wirtschaftliche Bedeutung so groß sind, daß sehr ein¬
schneidende, nur mit amtlicher Autorität durchzuführende Ma߬
regeln ergriffen werden müssen (Lungenseuche, Maul- und Klauen¬
seuche); endlich, weil (von Schafräude im Westen abgesehen)
diese Seuchen keineswegs allgemein und dauernd verbreitet sind,
ihr Auftreten daher immer einen außergewöhnlichen Fall dar¬
stellt, außergewöhnliche Maßregeln rechtfertigt und die Tätig¬
keit der Privattierärzte wieder dauernd noch allgemein berührt.
Gegenüber dieser Sachlage bei Einführung des Seuchen¬
gesetzes ist in dem verflossenen Vierteljahrhundert eine völlige
Veränderung eingetreten. Das heute vorliegende Gesetz um¬
faßt 14 Tierseuchen; es besteht auch schon kein Zweifel mehr
darüber, daß nach § 10 die Anzeigepflicht bald auf Druse und
Brustseuche der Pferde ausgedehnt werden wird. Das bedeutet
nicht allein eine Verdoppelung des Wirkungskreises des Seuchen¬
gesetzes, sondern in Wirklichkeit noch viel mehr, da unter den
neu hinzugetretenen Infektionskrankheiten sich solche befinden,
die im Gegensatz zu den oben charakterisierten Seuchen eine
allgemeine und dauernde Verbreitung haben, wie Tuberkulose,
Rotlauf, Schweineseuche, Druse, in großen Städten auch Brust¬
seuche. Zugleich sind es z. T. solche, die zwar nützlicher¬
weise der Anzeigepflicht, aber nach ihrem Wesen keinen ein¬
schneidenden oder außergewöhnlichen Maßregeln unterworfen
werden sollen, wie z. B. Tuberkulose, Rotlauf und Schweine¬
seuche. Aus dem letzteren Grunde ist eine ausschließliche
Mitwirkung der beamteten Tierärzte nicht erforderlich; anderer¬
seits würde wegen der Verbreitung gewisser Seuchen der be¬
amtete Tierarzt ein häufiger Gast jedes landwirtschaftlichen
Gehöftes sein.
Der vorliegende Gesetzentwurf bedingt demnach eine sehr
erhebliche Erweiterung der Kompetenz der beamteten Tier¬
ärzte. Diese Erweiterung bedeutet eine ebenso weitgehende
Beschränkung der tierärztlichen Privatpraxis, indem allgemein
verbreitete Krankheiten, welche bisher lediglich von den Privat¬
tierärzten behandelt wurden, künftig die Zuziehung des be¬
amteten Tierarztes erfordern. Das fortwährende Eingreifen des
beamteten Tierarztes in die Berufstätigkeit des Privattierarztes
muß, namentlich, da beide in der Privatpraxis konkurrieren,
die Existenz des Privattierarztes so gefährden (s. unten), daß
wir der Weiterentwicklung dieser Gefahr nicht mehr ruhig Zu¬
sehen können.
Wir gehen dabei von der Annahme ans, daß die Staats¬
regierungen sowohl wie die Bevölkerung, namentlich auch die
Tierbesitzer, den Stand der praktischen Tierärzte nicht für
überflüssig halten. Trifft diese unsre Annahme zu, erkennt
man, daß es nicht bloß vorteilhaft, sondern notwendig ist,
wenn namentlich in den Landbezirken außer dem beamteten
Tierarzt noch praktische Tierärzte zu Gebote stehen, so dürfen
wir in logischer Folgerung auch erwarten, daß man zum
mindesten die bisherigen Existenzmöglichkeiten nicht unter¬
gräbt. Wenn auf der einen Seite immer weitere Teile der
tierärztlichen Tätigkeit dem beamteten Tierarzt zugewiesen
werden, während auf der anderen Seite in der Fleischbeschau
neben den Tierärzten fast gleichberechtigt Leute ohne tierärzt¬
liche Vorbildung arbeiten, welche sich unverkennbar häufig
lokaler Bevorzugung erfreuen, so können bei dieser Bedrängung
von zwei Fronten die privaten approbierten Tierärzte auf die
J3. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
127
Dauer der Gefahr nicht entgehen, zwischen dem Beamten-
und dem Laien-Element zerrieben zu werden. In den letzten
Jahrzehnten hatte sich die Versorgung des platten Landes mit
Tierärzten in erfreulicher Weise vollzogen, so daß, in Preußen
wenigstens, höchstens der Osten noch einige Lücken aufweist.
Wenn aber die Entwicklung des Veterinärwesens in der jetzigen
Balm weitergeht, so muß das zu einem Rückgang des tier¬
ärztlichen Ersatzes führen, wie schon jetzt Warnungen vor
dem tierärztlichen Studium auftauchen.
Die Seuchengesetznovelle hat daher zu einem früher nicht
gekannten Widerstreit zwischen den Interessen der beamteten
und der privaten Tierärzte geführt; die letzteren verlangen
eine Beteiligung bei der Bekämpfung der dem Gesetz neu zu¬
gewiesenen Seuchen, die ersteren sprechen von einem Einbruch
in alte Rechte der beamteten Tierärzte. Wir müssen dieser
letzteren Auffassung entschieden widersprechen. Was den
beamteten Tierärzten durch das Gesetz von 1880 zugewiesen
war, wollen wir in keiner Weise antasten; umgekehrt ist aber
nicht zu bestreiten, daß jetzt sechs neue Seuchen, darunter
solche, die fast in jedem Stalle herrschen, der gesetzlichen
Bekämpfung, damit nach dem Entwurf der ausschließlichen
Kompetenz der beamteten Tierärzte untergeordnet und also der
Tätigkeit der Privattierärzte m. o. w. entzogen werden. Es handelt
sich also nicht um einen Einbruch in den Wirkungskreis der
beamteten Tierärzte, sondern vielmehr um eine so weitgehende
Enteignung des bisherigen Wirkungskreises der Privattierärzte,
daß bereits das Schlagwort von der „Verstaatlichung der Tier¬
heilkunde“ nicht ohne Grund geprägt worden ist. Es muß dabei
bedacht werden, daß es sich keineswegs bloß um die jetzt schon
unter Jas Gesetz gestellten neuen Seuchen bändelt, sondern
daß deren Zahl nach § 10 noch unabsehbar vermehrt werden
kann, wie das für Druse und Brustseuche schon so gut wie
gewiß ist.
In jenem Widerstreit zwischen den beamteten und den
privaten Tierärzten hat sich die Reichsregierung, selbst¬
verständlich aus sachlicher Erwägung, in dem Gesetzentwurf
ausschließlich auf Seite der Beamten gestellt. Diese Stellung
ist um so erklärlicher, als die bei der Beratung des Gesetz¬
entwurfes zugezogenen tierärztlichen Sachverständigen aus¬
schließlich den beamteten Tierärzten angehört haben und Privat¬
tierärzten nicht Gelegenheit gegeben worden ist, ihre Meinung
zur Geltung zu bringen. Wir können diese Stellungnahme
nicht als eine sachliche Notwendigkeit anerkennen und bitten
daher den Hohen Reichstag, bei der endgültigen Gestaltung des
Gesetzes sich unserer anzunehmen durch Betonung einer billigen
Rücksichtnahme auf die Interessen eines freien, an Staats¬
anstalten ausgebildeten Standes, einer Rücksichtnahme, die sich
unsrer Ansicht nach mit dem berechtigten veterinärpolizeilichen
Interesse durchaus vereinen läßt und die wir glauben umsomehr
beanspruchen zu können, als das Gesetz uns gleichzeitig die
schwere Pflicht der Anzeige aller in unsrer Praxis zu unsrer
Kenntnis kommenden Seuchen auflegt.
Der § 2 des ursprünglichen Gesetzes und der jetzigen
Novelle stellt die ausschließliche Zuständigkeit der beamteten
Tierärzte für die auf das Gesetz begründeten tierärztlichen
Verrichtungen fest. Er läßt nur eine Ausnahme zu im Falle
der Behinderung des beamteten Tierarztes und aus sonstigen
dringenden Gründen. Von dieser Befugnis ist auch tatsächlich
überall nur in seltenen Ausnahmefällen Gebrauch gemacht
worden. Auf eine derartige ausnahmsweise Zulassung lediglich
zur Ausfüllung einer Lücke kommt es uns selbstverständlich
nicht an; wir müssen es ablehnen, daß man sich unsrer nur
bedient, wenn der beamtete Tierarzt nicht mehr glaubt, die
Arbeit allein leisten zu können. Wir wollen diese Bestimmung
nicht allein mit Rücksicht auf die beamteten Tierärzte, sondern
auch mit Rücksicht auf uns gefaßt sehen, und wollen nicht eine
ausnahmsweise, sondern eine geordnete allgemeine Beteiligung.
Wir wollen alles das, was durch das Gesetz von 1880 den
beamteten Tierärzten zugewiesen war, wie schon gesagt, durch¬
aus nicht antasten, obgleich bei der Räude der Pferde wohl
ebenfalls die Seuchenfeststellnng desjenigen Tierarztes, dessen
Behandlung das Pferd übergeben wird, genügen könnte. Wir
wollen auch keineswegs beteiligt werden an den allgemeinen
Maßregeln der Kontrolle des Viehverkehrs zur Vorbeugung des
Seucheneinbruchs, welche auf Grund der Novelle sich immer
vollständiger entwickeln werden und in der Obliegenheit des
beamteten Tierarztes verbleiben müssen, der einen Überblick
über seinen ganzen Kreis behalten muß, sofern nicht etwa in
gewissen Zeiten von der Behörde selbst auch dabei künftig
unsre Mitwirkung unter der Leitung des beamteten Tierarztes
gewünscht werden sollte. W’ir erkennen namentlich an, daß
der Viehhandel der einheitlichen Aufsicht und amtlichen Autorität
des beamteten Tierarztes unterworfen sein soll, und daß daher
bei irgendwelchen Seuchenausbrüchen namentlich in größeren
Händlerställen die Notwendigkeit der Zuziehung des beamteten
Tierarztes schärfer betont werden kann. Im übrigen aber
glauben wir, daß man uns im Bereiche unsrer Privatpraxis beim
Ausbruch gewisser Seuchen nicht so gänzlich, wie dies geschieht,
Übersehen sollte, daß man vielmehr bei gewissen Seuchen die
durch einen Privattierarzt erfolgte Feststellung und Anzeige
ohne nachherige Zuziehung des beamteten Tierarztes zur Grund¬
lage der polizeilichen Maßregeln machen und die Durchführung
dieser Maßregeln auch von demselben Tierarzt kontrollieren
lassen könnte.
Wenn z. B., wie zu erwarten, die Anzeigepflicht für Brust¬
seuche und auch für Druse eingeführt wird, wobei dann eigent¬
lich jede Erkrankung der Atmungsorgane des Pferdes den
| Seuchenverdacht erwecken kann, so wird von den inneren
Pferdekrankheiten eigentlich nur noch die Kolik von dem
praktischen Tierarzt ohne Eingreifen des beamteten behandelt
werden dürfen. Wenn bei der Feststellung jedes Falles von
fortgeschrittener Lungentuberkulose in einem Rinderstall der
beamtete Tierarzt requiriert werden muß, so gibt es nur sehr
wenige Ställe, in die er nicht häufig kommt. Dasselbe gilt,
in vielen Gegenden wenigstens, vom Rotlauf der Schweine,
dessen Feststellung noch dazu denkbar einfach ist. Wenn der
Tierbesitzer dergestalt in seinen Pferde-, Rinder- und Schweine¬
stall den beamteten Tierarzt sowieso fortwährend muß kommen
lassen, so liegt es natürlich am nächsten, ihm die Praxis über¬
haupt zu übertragen, die der beamtete Tierarzt dann ja schlie߬
lich unter Zuhilfenahme von Assistenten auch allenthalben aus¬
übt, wodurch an die Stelle selbständiger Existenzen unselbst¬
ständige treten. Wir Privattierärzte werden aber nicht allein
in unserm Erwerb, sondern auch in unserm Ansehen schwer
geschädigt, wenn wir bei jedem Falle dieser so allgemein ver¬
breiteten Krankheiten nach SteMung der Diagnose vom Schau¬
platz abtreten müssen. Die Wirkung zeigt sich schon jetzt,
da ja eine Anzahl der fraglichen Seuchen bereits durch Bekannt-
128
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
machung des Reichskanzlers der Anzeigepflicht unterworfen
waren, indem sich die örtlichen Behörden wie das Pnblikum
immer mehr daran gewöhnen, bei allen öffentlichen Maßnahmen,
auch wenn sie mit der Veterinärpolizei gar nichts zu tun haben,
von der ausschließlichen Kompetenz des beamteten Tierarztes
auszugehen.
Wir erlauben uns auch, darauf hinzuweisen, daß in dem
preußischen Gesetz, betreffend die Bekämpfung übertragbarer
Krankheiten der Menschen, vom 28. August 1905 die Feststellung
und Anzeige der Krankheit durch den behandelnden Arzt als
ausreichend erklärt ist bei Granulöse, Diphtherie und Scharlach.
Wenn eingewendet wird, daß hierbei ganz besondere Gründe
maßgebend gewesen seien, so kommt es nicht auf diese, sondern
nur darauf an, daß sich die Zuständigkeit privater Ärzte als
tunlich erwiesen hat; denn es kann daraus gefolgert w r erden,
daß sie auch bei tierischen Krankheiten tunlich sein wird, da
Diphtherie und Scharlach z. B. doch gewiß nicht weniger an¬
steckungsgefährlich und bedeutsam sind als Druse und Rotlauf.
Als im Jahre 1905 an der Weichsel eine Choleragefahr entstand
und eine obligatorische Leichenschau für bestimmte Fälle ein¬
geführt wurde, hat man damit private Ärzte beauftragt. Nach
der heute in der Veterinärpolizei üblichen Praxis würde es ganz
ausgeschlossen sein, in ähnlichen Fällen den Auftrag an private
Tierärzte zu erteilen.
Was die Abgrenzung der Verrichtungen anlangt, welche
neben den beamteten den privaten Tierärzten überlassen werden
könnten, so halten wir zunächst bei der Durchführung der
Tuberkulosebekämpfung die Mitwirkung der Privattierärzte
nicht nur für durchaus unbedenklich, sondern überhaupt für un¬
entbehrlich, da die beamteten Tierärzte den Anforderungen allein
gar nicht zu genügen vermöchten. Bei der Bekämpfung dieser
Krankheit, wie sie sich in absehbarer Zeit gestalten wird, sollte
der Privattierarzt, von einer gewissen allgemeinen Leitung ab¬
gesehen, annähernd gleichberechtigt neben dem beamteten Tier¬
arzt arbeiten. Es sollte ihm die Untersuchung, die amtlich
gültige Anzeige der zu bekämpfenden Fälle, die Beaufsichtigung
der ja durchaus nicht einschneidenden Maßregeln und auch die
Feststellung des Leidens durch die Obduktion überlassen werden;
letzteres hätte um so weniger Bedenken, als die zu tötenden |
Tiere mehr oder weniger in Schlachthäuser zu verbringen wären.
Auch bei der allgemein verbreiteten und sicher festzustellenden
Druse kann dem behandelnden Arzt ebensowohl die gültige
Feststellung wie die Überwachung der selbstverständlich milden
Maßregeln ganz überlassen bleiben. Die Brustseuche ist ja
auf dem platten Lande nicht so häufig wie in den großen
Städten, hier andrerseits in den Händlerställen und Rehbahnen
aber besonders gefährlich. Inwieweit die städtischen Privat¬
tierärzte hierbei zugezogen werden können, muß besonderer
Erwägung überlassen bleiben. Bei der Schweineseuche,
neben der zurzeit vielfach die Schweinepest besteht, würde
namentlich mit Rücksicht auf letztere Seuche vielleicht zurzeit
eine Änderung des gebräuchlichen Verfahrens noch nicht herbei¬
geführt, jedoch für die Zukunft offen gehalten werden können.
Dagegen kann die noch dazu ganz einfache Feststellung des
Rotlaufs dem praktischen Tierarzt ebenso überlassen werden
wie die Ausführung der Impfung auch im Falle ihrer Anordnung;
letzterenfalls könnte die Zuweisung oder Kontrolle der anzu¬
wendenden Impfstoffe dem beamteten Tierarzt Vorbehalten bleiben.
Endlich könnte bei der Geflügelcholera und Hühnerpest,
soweit die Seuche nicht größere Handelsetablissements betrifft,
die Feststellung wie die Überwachung der Maßregeln dem
Privattierarzt anvertraut werden.
Die gewiß notwendige Übersicht des beamteten Tierarztes
über sämtliche in seinem Kreise eingetretenen Seuchenfälle
würde durch eine derartige Beteiligung der Privattierärzte in
keiner Weise beeinträchtigt werden, da ja die Verpflichtung
zur Anzeige auch an den beamteten Tierarzt aufgestellt werden
kann. Selbstverständlich würde auch der Kreisbehörde die Er¬
mächtigung verbleiben, gewisse Kontrollen durch den Kreistier¬
arzt ausführen zu lassen.
Wir beschränken uns darauf, unsre Auffassung von der
zuzulassenden Mitwirkung der privaten Tierärzte im vorstehenden
lediglich anzudeuten, weil ja im Gesetz selbst die für die
einzelnen Seuchen zu ergreifenden Maßregeln noch nicht zum
Ausdruck kommen, die tierärztlichen Verrichtungen sich vielmehr
erst aus der Instruktion des Bundesrates und aus etwaigen
von den Landesregierungen zu erlassenden Verordnungen im
einzelnen ergeben. Den hohen Reichstag bitten wir deshalb,
im allgemeinen daliin zu wirken, daß eine Mitwirkung der
privaten Tierärzte, etwa in dem zuletzt bezeichneten Um¬
fange, in jenen Ausführungsbestimmungen zum Gesetz
vorgesehen werde.
Damit diese Mitwirkung aber überhaupt ermöglicht wird,
bedarf es bei der Gestaltung des Gesetzes nur einer Ab¬
änderung des § 2, der in seiner gegenwärtigen Fassung die
von uns gewünschte nicht bloß ausnahmsweise Mitwirkung
ausscbließt.
Wir bitten daher den hohen Reichstag
in § 2 Abs. 2 hinter dem zweiten Satz einzuschalten:
Auch können die aus diesem Gesetz sich er¬
gebenden tierärztlichen Obliegenheiten bei
einzelnen der im Gesetz genannten oder nach
§ 10 Abs. 2 anzeigepflichtigen Seuchen ganz
oder teilweise, durch die Instruktion des Bundes¬
rates oder nach Anordnung der Landesregierun¬
gen, nichtbeamteten approbierten, insbesondere
den mit der ärztlichen Behandlung der be¬
treffenden Tierbestände befaßten Tierärzten
allgemein übertragen werden.
Im Aufträge des Verbandes der Privattierärzte in Preußen:
Der Vorsitzende
Arnous.
Anmerkung.
Die obige Eingabe habe ich auf Bitte des Verbands¬
vorsitzenden verfaßt. Da sie voraussichtlich Angriffe erfahren
wird, so möchte ich das feststellen und komme in der nächsten
Nummer darauf zurück.
In der Seuchenkommission haben die Konservativen be¬
antragt, dem § 2 den in der Petition empfohlenen Zusatz ein¬
zufügen. Schmaltz.
Bericht über die YII. Hauptversammlung des Vereins
der beamteten Tierärzte Preußens
am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907.
Die diesjährigen Tagungen waren so gut besucht, daß die
kühnsten Erwartungen des Vorstandes übertroffen worden sind.
In der Hauptsitzung am 30. November war der auch im Vorjahr
als Versammlungsraum benutzte Ratssal des Kaiserkellers buch-
13. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
129
stäblich bis auf den letzten Platz gefüllt. Ans nah und fern
waren die Kollegen herbeigeeilt, um ihren Korpsgeist zu be¬
tätigen, alten Freunden zu begegnen und schließlich auch der
Reichshauptstadt mit ihren starken Anziehungskräften auf allen
Gebieten wieder einmal einen Besuch abzustatten. Eine Anzahl
von Mitgliedern, die gern gekommen wäre, mußte leider daheim
bleiben, weil sie durch die kollidierenden dienstlichen Bezirks¬
versammlungen zurückgehalten wurden.
Unter der dichten Menge der in den oberen Restaurations¬
räumen des Kaiserkellers sich versammelnden Teilnehmer
herrschte eine angeregte, frische Stimmung, die trotz der
folgenden langen Sitzung nicht erschlaffte, die später der
gehobene Verlauf des Festessens deutlich zeigte.
Am Vorabend, den 29. November, hatte bereits eine
Vorstandssitzung unter Zuziehung der Vertrauensmänner statt¬
gefunden, die gleichfalls gut besucht war und von 8 Uhr abends
bis Mitternacht dauerte. Nächst Besprechung einer Anzahl
Verwaltungsangelegenheiten und Dingen vertraulicher Natur
konnte auch gleichzeitig Punkt 7 der Tagesordnung: Be¬
gründung eines tierärztlichen Seruminstituts seine
Erledigung finden. Nach längerer, interessanter Debatte, an der
sich Herr Dr. Schreiber-Landsberg als Antragsteller und Herr
Zuchtdirektor Marks-Posen, die in dankenswerterweise schon
zu dieser Sitzung erschienen waren, in Sonderheit beteiligten,
zog Herr Dr. Schreiber sein Referat zurück, nachdem alle
Anwesenden einstimmig ihre Ansicht dahin kundgegeben hatten,
daß es nicht Sache des Vereins beamteter Tierärzte allein sein
könne, die Initiative zu einer derartig verantwortungsvollen
Gründung zu ergreifen. Die erforderlichen, großen Summen,
die zur Gründung eines solchen Instituts im Kampfe gegen das
Großkapital nötig seien, würden auch kaum von der Gesamtheit
der Tierärzte zur Verfügung gestellt werden.
Die Hauptverhandlungen am Sonnabend, den 30. November,
wurden vom Vorsitzenden um IIV 4 Uhr vormittags eröffnet und
mit nachstehenden Worten eingeleitet:
Die laue Beteiligung an der letzten Wanderversammlung
in Düsseldorf hatte im Vorstand die Befürchtung wach gerufen,
daß unter den verehrten Mitgliedern eine große Vereinsmüdigkeit
vorherrschend sei. Die große Zahl der Teilnehmer an der
heutigen Hauptversammlung ist aber am besten geeignet, unsere
Sorge für das Leben im Vereinsorganismus, um bei dem früher
gebrauchten Bilde zu bleiben, zu zerstreuen. Wir haben Ihnen,
wie das Programm ankündigt, heute eine verhältnismäßig große
Zahl wichtiger Fragen vorzulegen und ihrer Entscheidung zu
unterbreiten. Mit großer Befriedigung lese ich von dieser Stelle
aus In Ihren Augen das lebhafte Interesse, das nicht im Zweifel
läßt, daß Sie sich dieser Aufgabe mit Eifer annehmen werden.
In diesem Sinne heiße ich Sie, unter innigem Dank für Ihr
zahlreiches Erscheinen herzlich willkommen.
Hier nehme ich gleich Gelegenheit, denjenigen Herren
Departements- und Kreistierärzten unsere wärmsten Grüße
zuzurufen, die als Gäste hierher gekommmen sind, um unseren
Beratungen beizuwohnen. Vielleicht gewinnen Sie, meine Herren,
durch das was hier vorgeht, die Überzeugung, daß Sie dem
Verein Ihre wertvollen Kräfte nicht vorenthalten dürfen und
geben allen noch außerhalb stehenden Amtstierärzten Preußens
durch Ihren Beitritt ein schönes Beispiel.
Es ist mir ein besonderes Vergnügen, den Vorsitzenden
des Verbandes der Privattierärzte Herrn Amons bei uns zu
sehen. Der Vorstand hat Ihrem Wunsch, heute hier gegenwärtig
zn sein, einstimmig und gern seine Bewilligung gegeben. Wir
betrachten diesen Schritt als eine offene und freiwillige An¬
näherung an den V. b. T., getragen von dem Wunsche, die
zwischen beiden großen Gruppen unseres Standes aufgekommenen
Gegensätze in loyaler Weise mit zum Ausgleich zu bringen.
Wenn uns diese Hand in der Absicht der Einigung und um des
Friedens willen geboten ist, so wollen wir sie mit warmem
Gegendruck erfassen. Als hochwillkommenen Gast habe ich
ferner Herrn Professor Eberlein zu begrüßen. Wir freuen
uns, daß Sie unserer Einladung gefolgt sind und wissen die
hierdurch dem Verein gegenüber betätigte freundliche Ge¬
sinnung aufrichtig und dankbar zu schätzen.
In meine Grüße schließe ich noch ein die als alt bekannte
Gäste anwesenden Herren mit dem Wunsche, daß sie sich wie
früher, bei uns wohl fühlen mögen.
Herr Ministerialdirektor Küster hat sein Fernbleiben unter
dem Ausdruck des Bedauerns, daß seine Zeit durch eine Sitzung
im Abgeordnetenhause in Anspruch genommen sei, entschuldigt
und w’ünscht den Verhandlungen besten Erfolg. Auch die
Herren Geheimen Regierungsräte Dammann, Schütz und
Eggeling haben in ihren Entschuldigungsschreiben der Ver¬
sammlung freundliche Grüße gesandt und für die an sie er¬
gangenen Einladungen gedankt. In gleich liebenswürdiger Weise
sind Antworten eingegangen, von den Herren Veterinärräten:
Behrens, Berndt, Brietzmann, Dr. Feliscli, Dr. Foth,
Hinrichsen, Johow, Koschel, Leistikow, Dr. Lothes,
Dr. Marks, Matthießen, Pauli, Peters, Preuße, Tietze,
Wall mann, Waßmann und von einer Reihe von Mitgliedern,
die durch Zufälligkeiten am Erscheinen verhindert sind.
Nach einer kurzen Erwiderung des Herrn Professor Eber¬
lein und einigen Bemerkungen des Schriftführers über das
gebildete Bureau fuhr der Vorsitzende weiter fort.
Meine Herren! bei Zusammenstellung der heutigen Tages¬
ordnung hatte sich der Vorstand von dem Gesichtspunkt leiten
lassen, die dringendsten Tagesfragen einmal aus dem Gebiet
unserer praktischen Tätigkeit, zum andern aus dem wirtschaft¬
lichen Leben der Kreistierärzte vor ihr Forum zu bringen.
Die Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche gehört zu
unsern alten und wichtigsten Aufgaben. Die Kontrolle des
Fleischverkehrs ist durch die jüngsten Erlasse des Herrn
Ministers in ein neues Stadium getreten. Es wird jetzt von
seiten der Behörden energisch für seine Entwicklung und Be¬
festigung gewirkt, wobei es an unserer bereitwilligen Mitarbeit
nicht fehlen soll. Eine starke Bewegung macht sich jetzt
endlich auf dem Gebiet der Milchhygiene bemerkbar, auf die die
Tierärzte längst gewartet haben. Es ist eine ganz irrige An¬
schauung und zeugt von schwacher Orientierung wenn von einer
Seite*) behauptet wird, daß wir bisher für die Milchwirtschaft
nichts übrig gehabt hätten, und nun mit einem Male in die
führende Rolle hineinspringen möchten. Abgesehen davon, daß
sich der Tierarzt in der Praxis von jeher auf diesem Gebiet
betätigen mußte, können wir Männer anfweisen, deren Arbeiten
in diesem Fach anerkannte Geltung erworben haben und be¬
halten werden. Von den Alten nenne ich nur Fes er in München
und von den Modernen unsern verehrten Geheimrat Ostertag.
*) Hans Schrott - Fiechtl. Hlustr. Landw. Zeitung, 1907,
Nr. 87.
130
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
Meine Herren! wir wollen hier nur die Rolle spielen, die uns
zusteht. Deshalb ist es kein Überfluß, daß sie zwei Vorträge,
verschieden durch den Gegenstand, aus dem Bereich der Milch¬
hygiene in dem Programm vorfinden.
Einem Dieb in der Nacht gleich ist die Frage der Ge¬
staltung unserer Gehaltsbezüge aus der Versenkung, in die sie
vor kaum drei Jahren hinabglitt, als ein ruheloses Gespenst
wieder heraufgestiegen. Gepeinigt durch die allgemeine Teuerung
und geschreckt von dem dunkeln Gerücht über die Pauschalierung
der Reisekosten und Tagegelder ist es von neuem beunruhigend
in unseren Gesichtskreis getreten. (Heiterkeit.)
Wie dornenreich und verantwortungsvoll es ist, diese Dinge
zur Sprache zu bringen, sind wir uns voll bewußt. Sie rühren
nicht nur an den innersten nervus rerum sozusagen, sondern an
das Wohl und Wehe des ganzen Standes der Kreistierärzte und
seiner Familien ( Zustimmung). Wir haben aber auch anderer¬
seits eine Verantwortung gegen die Staatsregiernng, der wir
klaren und authentischen Aufschluß über unsere Lage geben
sollen.
Lassen Sie uns daher an die Beratung dieser Fragen mit
der Ruhe und Besonnenheit gehen, welche einer Versammlung
älterer gebildeter Männer würdig sind. Möchten Sie positive
Arbeit schaffen und Beschlüsse fassen, die geeignet sind, der
Staatsregierung bei ihren Entschließungen als Grundlage zu
dienen.
Das Zustandekommen der diesjährigen Hauptversammlung
vollzog sich mit einigen Schwierigkeiten und ich will hier vor¬
weg unser Bedauern aussprechen, daß wir in bezug auf den
Termin der Sitzungen nicht allen an uns gelangten Wünschen
Rechnung tragen konnten. Eine nicht mehr zu umgehende
Konkurrenz erwuchs dem Zeitpunkt unserer Tagungen durch
die von dem Herrn Minister in den Monaten August bis
Dezember angeordneten Bezirksversammlungen, von denen, soweit
zu unserer Kenntnis gelangt sind, drei mit dieser Versammlung
zusammenfielen. Dieser Umstand hat dem Vorstand zum Teil
bittere Vorwürfe eingetragen, die aber um so weniger gerecht¬
fertigt erscheinen, als er schon in seinem Rundschreiben vom
September die Zeit um den 1. Dezember als Versammlungstermin
vorläufig bezeichnet hat. Ein Einspruch gegen diese Absicht
des Vorstandes fand zunächst nicht statt. Es wurde aber viel¬
seitig gewünscht, die Hauptsitzung wie herkömmlich und er¬
probt sei, auf den Sonnabend zu legen. So kamen wir ohne
wesentliche Verschiebung des angekündigten Termins auf den
30. November. Erst später im Oktober, als die Vorbereitungen
für die Versammlung in vollem Gange und bereits weit ge¬
fordert waren, wurden die Anträge um Verlegung aus den an¬
gegebenen und auch anderen weniger triftigen Gründen gestellt.
Wer erfahren hat, welche Schwierigkeiten es macht, eine Anzahl
von Referenten auf einen bestimmten Tag zu verpflichten, ferner
in der Zeit vor Weihnachten in Berlin einen geeigneten Saal
und die erforderlichen anderen Räume für eine große Gesell¬
schaft zu mieten und noch viele andere Faktoren mit den Ver¬
sammlungen in Einklang zu bringen, der wird nicht daran
denken (wie es geschehen ist), uns eine geringe Rücksichtnahme
auf die Vereinsmitglieder vorzuw T erfen.
Um ein Zusammentreffen mit den Bezirksversammlungen in
Zukunft gänzlich zu vermeiden, müßten wir unsere Winter¬
sitzung nicht auf das Endo, sondern auf den Anfang des Jahres
anberaumen. Ehe w r ir uns aber zu diesem Schritt entschließen,
möchte ich Vorschlägen, den Termin auf den Sonnabend in der
ersten Dezemberwoche ein für allemal festzulegen.*)
Nach alledem mögen Sie erkennen, daß es immer eine
unserer Sorgen gewesen ist, jedes einzelne Mitglied zur Vereins-
tiitigkeit heranzuziehen und ihm dazu jede Gelegenheit zu ver¬
schaffen.
Um zunächst zu unseren wichtigen Vorträgen zu kommen,
möchte ich mit Ihrem Einverständnis die Erstattung des Jahres¬
berichtes vorläufig zurückstellen. Da kein Widerspruch erfolgt,
bitte ich Herrn Veterinärrat Nevermann zu seinem Vortrage
über die neuere Bekämpfung der Maul- und Klauen¬
seuche das Wort zu nehmen (geschieht):
Das Referat liegt uns in extenso leider noch nicht vor und
soll eventuell später selbständig veröffentlicht werden. Herr
Nevermann besprach die Erfahrungen, die er als Kommissar
des Herrn Ministers bei Unterdrückung der verschiedensten
Ausbrüche dieser Seuche gemacht hatte und knüpfte daran
lehrreiche Schlußfolgerungen.
| Der Vorsitzende dankte dem Referenten für sein aus¬
gezeichnetes Elaborat unter dem Hinweis auf die Erfolge,
welche eine zielbewußte Methode und energisches Vorgehen in
einer festen Hand vereinigt, bei der Bekämpfung der Aphthen¬
seuche gezeitigt haben.
Im Laufe dieses Vortrags hatte der Geheime Ober-
Regierungsrat Herr Schroeter den Saal betreten, durch dessen
Vorstellung und Begrüßung der Vortrag auf kurze Zeit unter¬
brochen wurde. Der Vorsitzende hob hervor, daß der hoch-
geschätzte Gast allen Anwesenden wohl bekannt sei duröh seine
langjährige erfolgreiche Wirksamkeit an der Zentralstelle des
staatlichen Veterinärwesens in Preußen und als Schriftsteller
durch sein Buch, das ja speziell in unseren Kreisen außer¬
ordentlich viel gelesen und geschätzt werde.
Wir empfänden es aber als eine große Ehre und als ein
Zeichen des Wohlwollens, daß der Herr Geheimrat nun heute
auch persönlich zu uns gekommen sei und den Beratungen bei¬
wohnen wolle.
Nach Erledigung des Nevermann sehen Referates ergriff
Herr Geheimrat Schroeter das Wort zu einer Ansprache etwa
nachstehenden Inhalts:
Der Herr Minister hat mich beauftragt, Ihnen seine Grüße
zu überbringen und Ihren Verhandlungen ersprießlichen Verlauf
zu wünschen. Wie Ihr Herr Vorsitzender erwähnt hat, bin ich
seit Jahren auf dem Gebiet tätig, das Sie praktisch bearbeiten.
Ich kenne Ihre Bestrebungen und habe mich überzeugen können,
wo Sie der Schuh drückt. Es ist ja nicht zu leugnen, daß Sie
noch vielfach zu kämpfen haben um Ihr Ansehen und Ihre
Existenz. Aber es ist auch schon manches besser geworden in
den letzten Jahren. Sie sind in jeder Beziehung ein gutes
Stück vorwärts gekommen. Ich möchte Ihnen daher raten, bei
Ihren neuen Forderungen über das Maß des Möglichen nicht
hinauszugehen. Auf eine prinzipielle Änderung des Gesetzes
betreffend die Dienstbezüge der Kreistierärzte ist nach einem
erst dreijährigen Bestehen der Reform nicht zu rechnen. Sie
können aber versichert sein, daß das Ministerium Ihre Interessen
*) (’fr. spätere Beschlußfassung.
13. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
131
bei jeder Gelegenheit nachhaltig vertritt und für seine Beamten
die Vorteile zu gewinnen sucht, die nur irgendwie gewährt
werden können.
Den Ausführungen des Herrn Redners folgte ein lebhaftes
Bravo. Der Vorsitzende sprach für die vom Herrn Minister
übermittelten Grüße und Wünsche und für die soeben gehörten
Worte den ehrerbietigsten und ergebensten Dank der Ver¬
sammlung aus. Mit Rücksicht darauf, daß es uns am Herzen liege,
die Gehalts- und Pauschalierungsfrage in Gegenwart des Herrn
Regierungs Vertreters zu verhandeln, mache er den Vorschlag,
sofort in die Beratung dieses Gegenstandes einzutreten.
Nach allgemeiner Zustimmung erhält zunächst Herr Dralle*
Einbeck das Wort zu Punkt 9 der Tagesordnung.
(Fortsetzung folgt.)
Einladung zur IV. Generalversammlung der Gruppe „Hessen-Nassau“ des
Verbandes der Privattierfirzte In Preußen.
Sonntag, den 1. März 1908, vormittags 11 Uhr s. t.,
in Marburg a. d. Lahn „Hotel Pfeiffer“.
Tagesordnung:
1. Geschäftliches;
2. Kassenbericht;
3. Bericht über die am 8. Dezember 1907 in Berlin stattgefundene
Delegiertenversammlung des Verbandes der Privattierärzte
in Preußen. Referent: Tierarzt Höxter-Treysa;
4. Erfahrungen aus der Fleischbeschau. Referent: Tierarzt
Meßler-Borken;
5. Besprechung verschiedener Angelegenheiten;
6. Aufnahme neuer Mitglieder.
Um zahlreiches Erscheinen wird dringend gebeten. Nach der
Sitzung gemeinschaftliches Mittagsmahl.
Tierarzt Höxter-Treysa, Vorsitzender.
Staatsveterinärwesen.
Redigiert von Veterinärrat Preuße.
Die Verbreitung der Maul- und Klauenseuche
im Jahre 1907.
Auch im Jahre 1907 war die Ausbreitung der Maul- und
Klauenseuche in Deutschland keine sehr erhebliche. Am Anfang des
Jahres waren 60 Gemeinden und 146 Gehöfte verseucht. Davon
entfällt etwa die Hälfte auf 8 Regierungsbezirke in Preußen.
In Bayern, Sachsen, Württemberg war die Seuche fast völlig
erloschen, nur -Elsaß-Lothringen zeigte sich ziemlich stark ver¬
seucht. In der Folgezeit ging die Zahl der Seuchenfälle zurück.
Am 31. Januar waren nur noch 36 Gemeinden und 134 Gehöfte
betroffen, von denen der weitaus größte Teil auf Elsaß-Loth¬
ringen entfiel. In den nächstfolgenden Monaten nahm die Zahl der
Seuchenfälle wieder ganz rapide zu. Sie erreichte am 31. März
mit 84 Gemeinden und 235 Gehöften ihren Höhepunkt. Die Zu¬
nahme betraf besonders Württemberg und Elsaß-Lothringen.
Ebenso schnell, wie die Zahl der Seuchenfälle in die Höhe ge¬
gangen war, ging sie wieder zurück, und bereits am 15. Juni
war sie wieder soweit zurückgegangen, daß nur noch 19 ver¬
seuchte Gemeinden und 62 Gehöfte gemeldet werden konnten.
Sie hatte sich also auf V 4 der Zahl der Fälle im März ver¬
ringert. Preußen war um diese Zeit fast ganz frei. Am
15. August konnte der niedrigste Seuchenstand notiert werden
mit 16 Gemeinden und 35 Gehöften; über 70 Proz. davon ent¬
fielen allein auf den bayrischen Regierungsbezirk Schwaben.
Die Zahl der verseuchten Gemeinden ging bis Mitte Oktober
noch weiter herab, sie betrug am 15. Oktober nur 11. Die
Zahl der verseuchten Gehöfte hatte sich jedoch wieder etwas
vergrößert. Von Mitte November ab nahm die Seuche plötzlich
wieder durch vermehrtes Auftreten im Osten Deutschlands in
den Provinzen Ost- und Westpreußen erheblich zu. Sie herrschte
Ende November in 61 Gemeinden und 165 Gehöften und Ende
Dezember 1907 in 131 Gemeinden und 249 Gehöften. Sie
erreichte somit am Jahresschluß ihren höchsten Stand im
Berichtsjahre. Vergleichen wir mit der nebenstehenden Kurve
die betreffende Kurve aus dem Jahre 1906, so fällt die große
Ähnlichkeit beider in die Augen. Hier wie dort Ansteigen der
Seuchenfälle in der ersten Jahreshälfte, dann beträchtliches
Zurückgehen im Laufe des Sommers und plötzliches, erhebliches
Ansteigen wieder gegen Jahresschluß. Beide Kurven lehren
uns, daß wir wohl imstande sind, die Seuche wirksam zu be-
1 kämpfen. Die Zunahme des Viehverkehrs in der ersten Jahres¬
hälfte mit Beginn des Frühjahrs wird ja wohl meist eine Er¬
höhung der Zahl der Seuchenfälle im Gefolge haben, die sich
jedoch bei energischer Anwendung der Bekämpfungsmaßregeln
bald wieder wird vermindern lassen. Das erhebliche Ansteigen
der Seuchenfälle am Jahresschluß hat in beiden Jahren 1906
und 1907 ihre besondere Veranlassung gehabt. Im Berichts¬
jahre kommen hauptsächlich Neueinschleppungen aus dem Aus¬
lande in Betracht.
Was nun speziell Preußen betrifft, so habe ich bereits
erwähnt, daß am Jahresbeginn 8 Regierungsbezirke betroffen
waren. Vereinzelte Seuchenfälle wiesen nur die Regierungs¬
bezirke Stettin, Stralsund, Breslau und drei rheinische Bezirke
auf; in Posen waren 12 und in Erfurt sogar 47 Gehöfte be¬
troffen. Während die Seuche in letzteren Bezirken jedoch in
der Folgezeit sehr bald erheblich zurückging und Ende Februar
gänzlich erloschen war, nahm sie im Rheinland weiterhin zu;
sie nahm jedoch auch hier keine erhebliche Ausbreitung an. Die
Zahl der gleichzeitig verseuchten Gehöfte betrug zu keiner Zeit
mehr als 20. Mitte Mai war die Seuche im Rheinland wieder er¬
loschen. Eine etwas stärkere Verseuchung zeigte im April der
Regierungsbezirk Breslau. Ende April waren hier 12 Gemeinden
in 2 Kreisen und 29 Gehöfte betroffen. Bald ging die Seuche
aber auch hier wieder zurück und Ende Mai war der Bezirk
Breslau bereits wieder seuchefrei. In den Sommermonaten, in
denen in Deutschland die Maul- und Klauenseuche nur in sehr
geringem Grade herrschte, war zwar Preußen niemals ganz
seuchefrei, doch beschränkte sich die Seuche auf einige ganz
vereinzelte Fälle in den Regierungsbezirken Aachen und Düssel¬
dorf, in welchen sie von neuem aufgetreten war; später kamen
noch vereinzelte Fälle in Westfalen und Oberschlesien hinzu,
die sich jedoch auch nicht weiter ausbreiteten. Da traten auf
einmal Ende Oktober einige Seuchenfälle in den an der russischen
Grenze liegenden Regierungsbezirken Allenstein und Marien¬
werder auf, die sich schnell auch auf die anderen Regierungs¬
bezirke Ostpreußens ausbreiteten und zum Schluß auch auf
Danzig übergingen. Die Ausbreitung nahm namentlich in Ost¬
preußen ganz rapid zu. Am Jahresschluß waren hier 20 Kreise,
66 Gemeinden und 115 Gehöfte von der Maul- und Klauenseuche
betroffen. Hier ist also die Seuche zu einer nicht unerheblichen
Epidemie ausgeartet, die bei dem großen Viehexport aus Ost¬
preußen eine große Gefahr für das übrige Deutschland bildet.
Das gleiche gilt von dem Regierungsbezirk Marienwerder; auch
132
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
hier hat sich eine Epidemie entwickelt, Ende Dezember 6 Kreise, Seuche breitete sich jedoch hier nicht weiter aus. Mitte Februar
30 Gemeinden und 64 Gehöfte, die für das übrige Deutschland war dieser Bezirk bereits seuchefrei.
eventuell gefährlich werden kann. In dem übrigen Teil Im März und April traten dann in den Bezirken Mannheim,
Preußens herrschte die Maul- und Klauenseuche im letzten Karlsruhe, Freiburg neue Seuchenfälle auf. Mitte April waren
Monat des Jahres, ausgenommen vereinzelte Fälle in der hier 7 Gemeinden und 21 Gehöfte betroffen. Die Zahl der
Provinz Posen und in Sigmaringen, nicht. Fälle ging von da an langsam zurück, doch traten bis in den
Bayern war am Jahresbeginn fast seuchefrei. Die Seuche hinein noch vereinzelte Seuchenfälle auf. Ende Juli war
herrschte hier nur in einem Gehöft. Im Laufe des Monats Baden seuchefrei, und blieb es auch, abgesehen von zwei ver-
Jannar erlosch sie gänzlich. Vereinzelte neue Seucbenfälle einzelten Ausbrüchen im Bezirk Mannheim, bis zum Jähresschluß.
In Mecklenburg-Strelitz ereignete sich im Januar ein Seuchen¬
ausbruch, der jedoch vereinzelt blieb. Elsaß-Lothringen war
beim Jahresbeginn ziemlich stark verseucht. In 10 Kreisen
waren hier 22 Gemeinden und 55 Gehöfte betroffen. Die Zahl
der Seuchenfälle nahm hier noch etwas zu, sie erreichte ihren
Höhepunkt im Februar-März. Am 28. Februar waren 90 Ge¬
meinden und 141 Gehöfte betroffen, von da an ging sie langsam
zurück. Am 15. Juni war Lothringen bereits frei. Mitte Juli
auch Ober-Elsaß und Ende Juli Unter-Elsaß. ,Die Maul- und
Klauenseuche trat in Elsaß-Lothringen bis zum Jahresschluß
nicht wieder auf.
Alle übrigen Bundesstaaten blieben während des ganzen
Jahres 1907 frei von Maul- und Klauenseuche.
Die Schweineseoche im Jahre 1907.
Die Schweineseuclie hatte sich im Berichtsjahre nicht stärker
ausgebreitet. Die Zahl der Seuchenausbrüche hat im Gegenteil,
wie die beistehende Kurve zeigt, eine fallende .Tendenz. Die
traten sodann im Monat Februar wieder auf, die jedoch nur im Höchstzahl der Ausbrüche fällt auf den Jahresbeginn, die
Reg.-Bez. Schwaben eine weitere Ausbreitung nahmen. Hier niedrigste Zahl auf den Jahresschluß. Im Verhältnis sind im
waren Ende April 13 Gemeinden und 78 Gehöfte verseucht. Berichtsjahre 8,5 Proz. weniger Gemeinden und 9,5 Proz.
In der Folgezeit ging die Seuche etwas zurück, doch kamen weniger Gehöfte von der Schweineseuche betroffen gewesen
immer wieder Neuausbrüche vor, sie herrschte in diesem Bezirk wie 1906.
auch noch am Jahresschlüsse, jedoch in nicht ‘beträchtlicher
Ausdehnung; am 31. Dezember 1907 waren im Bezirk Schwaben
10 Gemeinden und 39 Gehöfte betroffen. Die übrigen bayerischen
Bezirke waren während des größten Teils des Jahres nahezu
seuchefrei. Am Jahresschluß kamen in Oberbayern und Nieder¬
bayern einige Seuchenfälle zur Beobachtung.
Auch Württemberg war am Jahresbeginn fast seuchefrei.
Es bestand nur ein Seuchenherd im Bezirk Donaukreis. Von
hier aus entwickelte sich jedoch eine kleine Epidemie. Ende
März waren hier 11 Gemeinden und 30 Gehöfte betroffen, die
Seuche hatte aber auch in die Bezirke Schwarzwaldkreis
und Neckarkreis übergegriffen. Namentlich in ersterem
nahm sie rapide zu. Am 31. März waren hier 6 Kreise,
24 Gemeinden und 72 Gehöfte verseucht. Der Neckarkreis war
weniger stark betroffen. Im Mai und Juni ging die Maul- und
Klauenseuche in den betroffenen Bezirken stark zurück. Ende
Juni war der Schwarzwaldkreis seuchefrei. Im Donaukreis
blieben jedoch vereinzelte Fälle, die später auch wieder ein
wenig Zunahmen. Im Monat August erlosch auch hier die
Seuche. Vereinzelte neue Seuchenfälle traten im Laufe des
Sommers noch in den anderen Bezirken auf. Mitte November
war Württemberg seuchefrei. Gegen Jahresschluß waren ver¬
einzelte neue Fälle aufgetreten. Das Königreich Sachsen blieb
während des ganzen Jahres frei von Maul- und Klauenseuche.
Das Großherzogtum Baden war von dieser Seuche nur wenig
betroffen worden. Am Jahresbeginn waren im Landeskommissariats¬
bezirk Freiburg 6 Gemeinden und 12 Gehöfte verseucht. Die seuclie, dieses Verhältnis hatte allerdings im Laufe des Jahres
Ob nun diese Verringerung der Zahl der Seuchenfälle auf
ein tatsächliches Zurückgehen der Schweineseuche zurück¬
zuführen oder als eine Folge der Einschränkung des veterinär¬
polizeilichen Begriffs „Schweineseuche“ durch den preußischen
MiniBterialerlaß vom 4. Februar 1907 (Beil, zu Nr. 11 B. T. W.)
anzusehen ist, muß dahingestellt bleiben. Bis zum Jahre 1907
hatte die Zahl der Seuchenfälle von Jahr zu Jahr zugenommen.
Der auf Preußen entfallende Hauptanteil, der im Jahre 1906
auf 81,8 Proz. aller Seuchenfälle in Deutschland herabgegangen
war, hat sich im Berichtsjahr wieder vergrößert. Auf diesen
Bundesstaat entfielen 1907 85,8 Proz. aller Fälle von Schweine-
13. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
etwas geschwankt, am 30. Juni waren es 87,5 Proz., am 30. Sep¬
tember nur 82,5 Proz. Am Jahresschluß betrug dieses Ver¬
hältnis wieder 86,6 Proz.
In Preußen haben sich die Verhältniszahlen 1907 wieder
zuungunsten der sechs östlichen Provinzen verschoben. Auf diese
entfallen 61 Proz. aller Seuchenfälle in Deutschland, auf die
sechs westlichen Provinzen 39 Proz. Sigmaringen bleibt außer
Betracht, weil hier Fälle von Schweineseuche nicht zur Beobachtung
gekommen sind. Während am Jahresbeginn die sechs östlichen
Provinzen nur zu 43 Proz. betroffen waren, war dies am Beginn
des zweiten Vierteljahres bereits mit 52 Proz. der Fall, am
Beginn des dritten Vierteljahres mit 59,5 Proz., des vierten
Vierteljahres mit 68,3 Proz. und am Jahresschluß mit 64,2 Proz.
Diese Verschiebung zuungunsten der sechs östlichen Provinzen
kommt hauptsächlich auf das Konto der Provinz Schlesien. Im
Reg.-Bez. Marienw f erder, welcher im Jahre 1906 der stärkste
verseuchte Bezirk war, ist die Seuche sehr zurückgegangen.
Am Jahresbeginn waren hier noch 74 Gehöfte verseucht,
später ging diese Zahl auf 40 bis 50 zurück. Auf dieser Höhe
hielt sie sich mit geringen Schwankungen während des ganzen
Jahres; am Schlüsse 1907 waren nur 39 Gehöfte verseucht. In
Ostpreußen waren hauptsächlich die Regierungsbezirke Königs¬
berg und Allenstein betroffen, Gumbinnen kommt weniger in
Betracht. In den beiden erstgenannten Bezirken blieb sich die
Zahl der Gehöfte annähernd gleich je 45 bis 60. In der
zweiten Hälfte des Jahres nahm die Zahl der Seuchenausbrüche
im Regierungsbezirk Königsberg zu, während sie in Allenstein
zurückging. Ende September wurden im Bezirk Königsberg 92
verseuchte Gehöfte notiert, im Bezirk Allenstein nur 28, Ende
Dezember 100 hzw. 16. Eine erhebliche Verseuchung wies
nach der Regierungsbezirk Potsdam auf. Hier waren am
.Jahresbeginn 82 Gehöfte betroffen. Die Seuche ging hier an¬
fangs etwas zurück, stieg jedoch im zweiten Vierteljahr; am
15. Juni wurden 154 verseuchte Gehöfte notiert, im dritten
Vierteljahr ging die Zahl der verseuchten Gehöfte wieder etwas
zurück, um im vierten wieder anzusteigen, am Jahresschluß
130 Gehöfte. In Schlesien nahm die Zahl der Seuchengehöfte
am Jahresbeginn bis Mitte des Jahres um fast das Zweieinhalb¬
fache zu.
Am Jahresbeginn wurden 288 verseuchte Gehöfte notiert,
am 30. Juni 647, später ging die Seuche wieder langsam zurück,
besonders im Bezirk Oppeln, am Schlüsse des Jahres waren 346
Gehöfte betroffen. Den Hauptanteil an der Verseuchung der
Provinz Schlesien hatten die Reg.-Bez. Breslau und Liegnitz.
Eine nicht unerhebliche Zunahme hatte die Schweineseuche auch
in der Provinz Posen zu verzeichnen. Die Zahl der betroffenen
Gehöfte stieg von 107 am Jahresanfang auf 241 am 30. November.
Im Monat Dezember ging die Seuche wieder ein wenig zurück.
Am Jalires8cbluß konnten jedoch immer noch 221 betroffene
Gehöfte notiert werden. Von den sechs westlichen Provinzen
zeigten eine stärkere Verseuchung die Reg.-Bez. Schleswig,
Erfurt, Kassel, Wiesbaden, Düsseldorf, später auch Trier, Arns¬
berg. In Schleswig ging die Seuche im Laufe des Jahres sehr
zurück. Während anfangs noch 165 Gehöfte betroffen waren,
wmrden am Jahresschluß nur 43 notiert. Erfurt war nur in
dem ersten Jahresviertel etwas stärker betroffen, später ging
die Zahl der verseuchten Gehöfte sehr zurück. Am Schlüsse
1907 waren nur 18 Gehöfte betroffen. In Kassel und Wies¬
baden schwankte die Zahl der betroffenen Gehöfte auf und
138
nieder. Kassel zeigte am Jahresschluß mit 121 Gehöften noch
eine ziemlich starke Verseuchung.
Düsseldorf war von den westlichen Bezirken am meisten
durch Schweineseuche betroffen. Die Zahl der Seuchengehöfte
hielt sich in der ersten Jahreshälfte oft über 100, sie ging erst
in der zweiten Hälfte etwas zurück. Im Reg.-Bez. Trier,
welcher anfangs keineswegs stark verseucht war, stieg die Zahl
der verseuchten Gehöfte von 29 Ende Mai auf 160 Ende Juni.
Im Laufe der Monate August-September ging sie jedoch wieder
zurück, am 30. September konnten hier nur noch 18 Seuchen¬
gehöfte notiert werden. Der am wenigsten betroffene preußische
Reg.-Bez. ist Aurich. Dieser war während des größten Teils
des Jahres gänzlich seuchefrei.
Die übrigen Bundesstaaten treten bezüglich der Ver¬
breitung der Schweineseuche gegenüber Preußen zurück, doch
war während des Verlaufs des Jahres 1907 nur der Bundes¬
staat Reuß ältere Linie völlig seuchefrei. Von Bayern kommt
nur Oberbayem und zeitweise Niederbayern und die Pfalz in
Betracht. Aber auch hier konnte die Schweineseuche eine große
Ausbreitung nicht erlangen. In den übrigen Bezirken blieb die
Seuche nur auf vereinzelte Fälle beschränkt. In ganz Bayern
wurden am Jahresanfang 122 Gehöfte als verseucht notiert;
später ging diese Zahl bis auf 25 am Schluß des Monats Juni
zurück, noch später nahmen die Seuchenfälle wieder etwas zu,
ohne jedoch die Zahl vom Jahresanfang zu erreichen, um gegen
Schluß des Jahres wieder herabzugehen. Im Königreich Sachsen
kam die Schweineseuche in der ersten Jahreshälfte nur ganz
vereinzelt vor. Im Juli nahm die Seuche hier etwas zu, ohne
jedoch eine größere Verbreitung anzunehmen. Die Zahl der
gleichzeitig verseuchten Gehöfte ging nie über 20 hinaus. Das
gleiche, was für Sachsen gilt, trifft auch für Württemberg zu.
Dieser Bundesstaat war sogar zeitweise gänzHch frei von
Schweineseuche. Auch im Großherzogtum Baden blieb die
Seuche während eines großen Teils des Jahres nur vereinzelt.
In der zweiten Hälfte trat eine etwas größere Ausbreitung im
Bezirk Karlsruhe auf. Am 25. September wurde hier die Höchst¬
zahl mit 78 verseuchten Gehöften notiert Von Hessen kommt
nur die Provinz Starkenberg in Betracht, aus welcher zeitweise
etwas höhere Zahlen gemeldet wurden. Die Höchstzahl der
gleichzeitig verseuchten Gehöfte betrug jedoch hier nur 34. Im
Jahre 1906 war Oldenburg stark durch Schweineseuche betroffen
gewesen und noch am Jahresbeginn herrschte sie in, 74 Gehöften;
später ging sie stark zurück, ohne jedoch ganz zu erlöschen.
Von anderen Bundesstaaten ist nur noch zu erwähnen Braun-
schw r eig, in welchem zeitweise die Zahl der gleichzeitig be¬
troffenen Gehöfte bis gegen 50 stieg, ferner auch Lippe. Ein
etwas eigentümliches Verhalten zeigte der Bezirk Lothringen.
Bis Mitte Mai war dieser völlig seuchefrei. Gegen Ende
dieses Monats ereigneten sich einige wenige Fälle. Während
nun Ende Mai in drei Gemeinden nur drei Gehöfte von der
Schweineseuche betroffen waren, waren dies Mitte Juni in fünf
Gemeinden bereits 94 Gehöfte. Während des Sommers blieb die
Zahl der gleichzeitig verseuchten Gehöfte ziemlieh hoch, sie
ging erst im Herbst wieder allmählich zurück. Am Jahresschluß
waren nur noch zwei Gehöfte betroffen.
Viehwfihrschaftsgesetz.
Der Kanton Basel Stadt hat unter dem 20. Juni 1907 ein
Gesetz erlassen betr. die Haftung für Mängel und zugesicherte
134
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
Eigenschaften beim Viehhandel. Dasselbe hat für uns insofern
Interesse, als in betreff der gesetzlichen Währschaft annähernd
die gleichen Bestimmungen getroffen sind, wie durch unser
bürgerliches Gesetzbuch. Auch hier ist die Haftung nur
für bestimmte Hauptmängel vorgesehen und auch nur für be¬
stimmte Währschaftszeiten. Eine Anzeigefrist ist vorgesehen,
die aber nicht auf zwei Tage festgesetzt ist, wie bei uns,
sondern die Anzeige ist spätestens am Tage nach dem Ablauf
der Währschaftszeit zu machen oder am Tage nach dem Tode
des Tieres. Die Verjährungsfrist ist nicht eine sechswöchent¬
liche, sondern nur eine vierwöchentliche. Die übrigen Be¬
stimmungen unterscheiden sich nicht wesentlich von den ent¬
sprechenden des bürgerlichen Gesetzbuches. Eine etwas andere
Form haben die Bestimmungen über die vertragliche Währschaft.
Zusicherungen bestimmter Eigenschaften oder Leistungen des
Tieres müssen vertreten werden, doch nur wenn sie in schrift¬
licher Form abgegeben worden sind. Dasselbe ist der Fall
in betreff Verabredungen über Verlängerung oder Verkürzung
der gesetzlichen Währschaft, über den Fortfall der Währschaft,
über die Festsetzung einer Währschaft für andere Mängel, wie
die Hauptmängel und über Änderungen des Inhalts und des I
Umfangs der gesetzlichen Ansprüche des Erwerbers und des
Veräußerers. Die Währschaftszeit für andere Mängel, wie für
Hauptmängel und für bestimmte Eigenschaften und Leistungen
des Tieres beträgt mangels einer besonderen Vereinbarung
14 Tage.
Nachweisung über den Stand der Tierseuchen in Deutschland
vom 31. Januar 1908.
Die Zahlen bedeuten die Kreiee (Oberamt«bezirke) new., eingeklammert die Gemeinden.
Maul- und Klauenseuche.
Regierungsbezirk usw.
bzw. Staat
(* = neu verseucht)
Kreise |
Gemeinden
Gehöfte
Gegenüber d. 15. Jan.
Kreise
Gemein¬
den
Gehöfte
Preußen:
Königsberg ....
4
16
22
— 2
— 1
- 2
Gumbinnen ....
3
10
13
- 5
— 11
- 12
Allenstein ....
3
8
12
— 1
- 14
- 40
Danzig.
1
7
8
o
4* 2
+ 2
Marienwerder . . .
5
26
38
— 1
— 10
- 31
Posen .
1
1
2
o
o
o
Bromberg ....
1
1
1
- 1
— 1
— 1
♦Breslau.
1
1
1
4- 1
4- i
+ 1
Düsseldorf. ...
o
o
o
— 1
— l
- 1
Aachen .
1
1
1
- 1
— l
— 3
Preußen zusammen
20
71
98
— 11
- 36
— 87
Bayern:
Oberbayern ....
10
23
41
4- 1
+ i
4" &
Niederbayern . . .
1
1
1
— 2
— 2
- 2
Schwaben ....
5
9
19
— 1
— 1
: — 8
Württemberg:
Neckarkreis . . .
1
2 !
3
— 1
o
o
Schwarzwaldkreis .
1
1
1
o
o
! o
Donaukreis ....
4
8 ,
10
+ 2
+ 4
+ 3
Elsaß-Lothringen:
Unter-Elsaß . . .
1
1
1
o
0
o
Zusammen
43
116 |
174
— 12
- 31
- 89
R o t z.
Preußen: In den Keg.-Bez. Königsberg, Stettin, Oppeln, Hildes-
heiin. Arnsberg je 1 (R (’öln 1 (2), Stadtkreis Berlin 1 (5), in den
Reg.-Bez. Gumbinnen, Liegnitz, Düsseldorf je 2 (2), Marienwerder
2 (3), Potsdam, Bromberg je 3 (3), Breslau 4 ( 4 ), Posen 6 (6).
Bayern: Im Reg.-Bez. Niederbayern 1 (1).
Sachsen: Kreishauptmannschaft Leipzig 2 (2).
Baden: Freiburg I (3).
Hamburg: Stadt 1 (1).
Zusammen 44 Gemeinden (42 am 15. Dezember 1907), davon
37 auf Preußen (32 im Dezember).
Lungenseuche.
Preußen: In den Reg.-Bez. Marienwerder, Stadtkreis Berlin,
Reg.-Bez. Potsdam 1 (1), Bromberg 2 (2).
Sachsen: Kreishauptmannschaft Leipzig 2 (2).
Zusammen 7 Gemeinden und 7 Gehöfte.
Schweineseuche und Schweinepest.
Regierungs¬
bezirk usw.
Kreise ®
_ _ § <1
O CD
Gemein- £ 7
den ®
Auf je 1000
Gemeinden
waren verseucht
Regierungs¬
bezirk U8W.
Kreise 2
§ <
er-
uhte
g
’S c
8«
O
Preußen:
Sigmaringen . . .
—
—
Königsberg ....
13
50
16
Waldeck.
1
1
Gumbinnen ....
5
12
4
Bayern:
Allenstein ....
7
11
6
Oberbayern ....
9
16
Danzig.
5
7
5
Niederbayern. . .
5
9
Marienwerder . .
12
35
15
Pfalz.
—
—
Berlin.
1
1
1
Oberpfalz.
—
—
Potsdam.
11
83
31
Oberfranken . . .
2
3
Frankfurt.
16
53
19
Mittelfranken. . .
1
1
Stettin.
8
14
7
Unterfranken. . .
1
1
Köslin.
8
23
12
Schwaben.
3
6
Stralsund.
1
2
1
Württemberg .
—
—
Posen .
23
76
23
Sachsen.
10
12
Bromberg.
11
74
33
Baden .
12
14
Breslau.
22
145
38
Hessen.
5
12
Liegnitz.
20
110
39
Meckl.-Schwerin
8
19
Oppeln ......
7
16
*6
Meckl.-Str'elitz .
1
1
Magdeburg ....
9
18
12
Oldenburg . . .
11
22
Merseburg ....
10
32
14
Sachs.-Weimar.
3
11
Erfurt.
5
16
27
Sach s.-Meiningen
1
3
Schleswig ....
14
35
16
Sach 8.-Altenburg
1
1
Hannover .
8
16
25
Sachs.-Kob.-Got
—
—
Hildesheim ....
5
8
12
Anhalt.
—
—
Lüneburg .
7
11
7
Braunschweig
6
19
Stade.
8
13
18
Schwarzb.-Sond.
—
—
Osnabrück ....
5
10
18
Schwarzb.-Rud.
—
—
Aurich.
1
1
3
Reuß ä. L.
—
—
Münster.
8
18
67
Reuß j. L.
2
5
Minden.
6
10
20
Schau mb.-Lippe
2
2
Arnsberg.
12
23
27
Lippe-Detmold .
5
10
Kassel.
16
63
38
Hamburg ....
3
3
Wiesbaden ....
10
43
46
Lübeck .
—
—
Koblenz.
8
32
30
Bremen.
—
—
Düsseldorf ....
9
25
58
Elsaß.
3
3
Köln.
5
5
17
Lothringen . .
—
—
Trier.
3
6
5
Aachen.
4
4
10
N ahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel
Redigiert von Glage.
Die Notschlachtnngen mit Bezug auf die Fleisch¬
vergiftungen.
Referat*) des Kreistierarztes Gtitzlaff in der amtl. Versammlung
der Kreistierärzte des Regierungsbezirks Frankfurt.
Unter den Krankheiten und Verletzungen, die Anlaß zu
Notschlachtnngen geben, haben für die Fleischbeschau eine be-
*) Quellen: Oster tag, Fi sch öd er.
13. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
135
sondere Wichtigkeit diejenigen, welche dem Fleisch eine gesund¬
heitsschädliche Eigenschaft verleihen, bzw. verleihen können.
Diese Eigenschaft haftet dem Fleisch an, einmal in Form
löslicher Gifte, der sogenannten Ptomaine oder Toxine, oder
zweitens in Gestalt spezifischer Krankheitserreger (Bakterien).
Die Erfahrung hat gelehrt, daß die löslichen Fleischgifte
ungleich sicherer eine Fleischvergiftung hervorrufen, als die
Bakterien. Denn während letztere teils durch die Verdauungs¬
säfte unschädlich gemacht, teils in der Entfaltung ihrer pathogenen
Wirkung gehemmt, und während auch die zählebendsten von
ihnen durch zureichende Erhitzung des Fleisches völlig abgetötet
werden, widerstehen die Ptomaine und Toxine der Einwirkung der
Verdauungssäfte und dem Kochprozesse vollkommen. Es hat
sich ferner gezeigt, daß das mit löslichen Fleischgiften beladene
Fleisch die Fähigkeit besitzt, gesundes Fleisch, mit dem es
zusammengepackt oder verarbeitet wurde, so zu infizieren, daß
dieses seinerseits eine Fleischvergiftung erregen kann.
Nach dem Gesagten ist es klar, daß den mit Bildung
solubler Fleischgifte einhergehenden Krankheiten unser vorzüg¬
liches Interesse zu gelten hat.
Solche Krankheiten sind: die Siptikämie, die Pyämie und |
die Saprämie.
Als Septikämie oder Sepsis bezeichnen wir eine im Anschluß
an eine örtliche Infektion eingetretene, tödliche Allgemein¬
vergiftung des Körpers durch lösliche Gifte, oder auch gleich¬
zeitig durch Bakterien, ohne sekundäre Herderkrankungen in
inneren Organen. Die Lokalinfektion setzt gewöhnlich ein an
Verletzungen äußerer Teile, so der Schleimhäute, des lockeren
Zellgewebes, der Gelenke, Sehnenscheiden, der Körperhöhlen,
vorzugsweise an solchen der Gebärmutter und am frischen Nabel.
Im klinischen Bilde wird der Eintritt der Septikämie
signalisiert durch hohes Fieber, starke Beeinträchtigung des
Allgemeinbefindens, hochgradige Schwäche und Hinfälligkeit.
Die Schlachttierbeschau wird daher in allen Fällen, in denen
eine über die Bedeutung der Lokalaffektion hinausragende Allge¬
meinstörung besteht, das Vorhandensein der Sepsis annehmen
müssen.
Pathologisch-anatomisch kennzeichnet sich die Septikämie
durch nachstehende Organveränderungen:
Die Leber ist meist vergrößert, nicht glänzend rotbraun,
sondern trübe, gelb, gelbbraun oder graugelb.
Das Parenchym ist trocken, welk und brüchig, die Organ¬
zeichnung verwischt. Beim Überstreichen der Schnittfläche mit
der flachen Messerklinge tritt ein fettiger Glanz hervor.
Das Herz weist unter dem Epikard Blutergüsse auf. Das
Herzfleisch ist graugelb und mürbe. Die Intima der großen
Gefäßstämme ist verwaschen rotbraun verfärbt.
Die Milz ist leicht geschwollen, dunkler gefärbt und
erweicht.
Die Nieren sind vergrößert, Kapsel gespannt. Die Ober¬
fläche ist gelbgrau, die Schnittfläche vorspringend. Die Rinden¬
schicht ist getrübt, es treten in ihr rote Punkte hervor, die
Marksubstanz ist dunkler gefärbt.
Die Magen- und Darmschleimhaut ist gefaltet, dunkelrot
gefleckt, trüb mit zähem Schleim bedeckt. Die Sollitärfollikel
der Dünndarmschleimhaut sind vorragend, mit rotem Hof um¬
geben. Unter den serösen Häuten, so am Darm, Gekröse
Bauch- und Brustfell und Herzbeutel bestehen punktförmige
Blutungen, größere blutige Flecke oder Imbibitionen.
In Brust- und Bauchhöhle, sowie im Herzbeutel wenig
gelbrote, klare Flüssigkeit.
Die Fleischlymphdrüsen sind geschwollen, graurot, saftreich
mit blutiger Durchtränkung. Das nachbarliche Gewebe der
Drüsen ist wässerig durchtränkt.
Das Fleisch ist graurot, an einzelnen Stellen mit Blutungen
durchsetzt, brüchig, schlaff, weich, ohne saure Reaktion. Die
Totenstarre ist unvollkommen.
Bei der Fleischbeschau notgeschlachteter Tiere wird man
dieses ganze anatomische Bild der Sepsis selten in dick auf¬
getragenen Farben zu sehen Gelegenheit haben. Meist werden
nur einzelne der genannten Organveränderungen und auch diese
oft mehr andeutungsweise vorhanden sein, weil in Anbetracht
des vorzeitigen Todes die Sepsis den Organen ihren Stempel
nicht fest aufprägen konnte. Es erfordert daher die Beschau
notgeschlachteter Tiere, zumal bei Ermangelung der wertvollen
Aufschlüsse einer Lebendbeschau, die größte Sorgfalt der Unter¬
suchung, eine peinlich gewissenhafte und wissenschaftliche Ab¬
wägung der Erscheinungen, und dazu ein hohes Maß praktischer
Erfahrung, um auch etwaigen Entstellungsversuchen seitens des
j Besitzers zum Trotz ein richtiges Urteil zu fällen.
Als Organkrankheiten, denen sich die Septikämie gern bei¬
gesellt, sind uns bekannt.
1. Gebärmutterentzündungen. Ausgehend von der zurück¬
gebliebenen, in fauligem Zerfall begriffenen Nachgeburt, oder
von den während der Geburt entstandenen Schleimhautverletzungen
kann sich in kürzester Zeit Sepsis entfalten. Am Schlachttiere
werden dann oberflächliche oder tiefere, verschorfte oder ab¬
gestorbene Herde an der Schleimhaut der Scheide oder der
Gebärmutter mit jauchigem Zerfall und weißfarbene, stinkende
Flüssigkeit in der Gebärmutter gefunden. In der Umgebung
der Gebärmutter können blutig-sulzige Ergüsse und Reizung
des Bauchfells bestehen. Die regionären Lymphdrüsen sind
markig bis hämorrhagisch geschwollen.
Besondere Achtsamkeit bei der Fleischbeschau von Kühen,
die angeblich wegen einfacher Gebärparese (Milchfieber) not¬
geschlachtet wurden, gebietet der Umstand, daß es für den
Laien bei der großen Ähnlichkeit der Symptome unmöglich ist,
das paralytische von dem septischen Kalbefieber zu trennen.
2. Nabelerkrankungen junger Tiere. Nach septischer In¬
fektion des Nabels entwickelt sich das bekannte Bild der Lähme.
Die Fleischbeschau stellt dann einen schlaffen, mißfarbenen,
granulationsarmen Nabel fest, der auf Druck schmutzig-roten,
meist übelriechenden Inhalt entleert. Daneben bestehen sulzige
Ergüsse in der Umgebung der Gelenke und pralle Füllung der
ausgedehnten Gelenkkapseln mit gelber, hellere Gerinnsel ent¬
haltender Flüssigkeit.
3. Darmentzündungen. Blutige oder mit Fieber verbundene
stinkende Durchfälle, vorzugsweise bei Kälbern und Rindern,
führen schnell zu starkem Kräfteverfall und geben deshalb Ver¬
anlassung zur Notschlachtung. Man findet die Dünndarm¬
schleimhaut geschwollen und gerötet, oft ausgebreitete Blutungen
in ihr, auch wohl häutige Beläge auf der Schleimhaut. Der
Darminhalt ist blutig. Die Gekrösdrüsen sind geschwollen,
getrübt oder blutig. Unter den serösen Häuten blutige Flecke.
4. Euterent?sündungen. Vorwiegend sind es die brandigen
Euterentzündungen, verbunden mit umfangreichem Gewebszerfall,
welche mit Sepsis einhergehen. Bei der Schlachtviehbeschau
ist die Entscheidung vom Stande des Allgemeinbefindens ah-
136
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
hängig zu machen. In Ermanglung einer Lebendbeschau wird
die Fleischbeschau jede Euterentzündung, die sich mit Er¬
scheinungen der Sepsis verbunden hat, zum Anlaß nehmen
müssen, das Fleisch als gesundheitsschädlich zu behandeln.
5. Verletzungen solcher Teile, an denen für die Resorption
günstige Verhältnisse bestehen, wie Stichverletzungen der Ge¬
lenke, der Sehnenscheiden, der Brust- und Bauchhöhle, in das
lose Zellgewebe, Verletzungen mit Zertrümmerung des Gewebes
(Quetschwunden).
Die septische Entzündung der Gelenke und Sehnenscheiden
ist durch sulzige Infiltration der Nachbarschaft vorgemeldet.
Dabei ist der gelbe, flüssige Inhalt des Gelenks oder der
Sehnenscheide mit weißen Flocken vermischt. Der septische
Charakter einer Brust- und Bauchfellentzündung ist an Hand
der fiir diese Frage in Betracht kommenden Organ Veränderungen
nachzuweisen. Nach Fischöder tritt bei Schweinen nicht
selten Septikämie im Anschluß an Biß Verletzungen in der Ohr¬
gegend auf. Dann zeigen die Tiere plötzlich große Mattigkeit.
Die Bißstelle ist geschwollen, meist scharf begrenzt dunkelrot.
Ein Einschnitt in diese Stelle führt in eine Höhle mit zerfetzten
Wänden, aus der sich übelriechende, mit Fetzen untermischte I
Flüssigkeit entleert.
6. Zu den Septikämien gehört endlich die nach Druse,
Brustseuche und anderen infektiösen Leiden auftretende Blut¬
fleckenkrankheit. Sie hat zu Fleischvergiftungen Anlaß ge¬
geben. Die Krankheit ist Ihnen zu bekannt, als daß ich sie
näher zu schildern brauchte. Bemerkt sei nur, daß auch bei
anderen Tieren, außer dem Pferde, das Leiden beobachtet
worden ist.
In allen unter 1—6 g^nänntäft Fällen ist das Fleisch selbst¬
verständlich hochgradig gesundheitsgefährlich.
Die Pyämie. Wir verstehen darunter den Übertritt eiteriger
Massen aus einem lokalen Prozeß in die Allgemeinheit des
Körpers durch Vermittlung der Blutbahn. Dabei kommt es
entweder zur Ausbildung einer Osteomyelitis (vorwiegend
Staphylococcenpyämie) oder zum Auftreten zahlreicher eiteriger
oder puriformer Herde in anderen Organen (vorwiegend Strepto-
coccenpyämie).
Im ersteren Falle finden wir neben dem lokalen Eiterherd
das Mark der Röhrenknochen gerötet bzw. blutig verfärbt oder
— wenn der Prozeß älter ist — eiterig oder verflüssigt.
Bei der zweiten Form der Pyämie sind in Lunge, Milz,
Leber, Nieren usw. zahlreiche wandungslose Eiterherde fest¬
zustellen. Außerdem bestehen in beiden Fällen der Pyämie
leichte Trübung der Leber, Milzschwellung und Blutungen in
den Nieren.
Die Pyämie mit Osteomyelitis bildet sich im Anschluß an
langwierige eiterige Prozesse in Hufen, Klauen und Gelenken
heraus, wenn der Abfluß des Eiters behindert ist.
Die Pyämie mit Metastasenbildung nimmt bei jungen Tieren
ihren Ausgang von Eiterprozessen in der Nabelvene, sogen,
pyämische Form der Lähme. Bei Schweinen führen eiterige
Prozesse in der Lunge zur Pyämie. So kann bei der Schweine¬
seuche purulente Einschmelzung einzelner Lungenabschnitte und
im weiteren Pyämie entstehen. Leber und Milz und — es ist
dies besonders hervorzuheben — auch das Fleisch enthalten dann
zahlreiche Abszesse. Bei Schafen führt Lungeneiterung zur
Bildung eiteriger Herde in Herz, Leber, Milz, Nieren und selbst
in den Fleischlymphdriisen (Bug- und Leistendrüsen).
Bei Kühen können eiterige Entzündungen der Gebärmutter
Pyämie veranlassen. Endlich vermögen ausgebreitete phlegmonöse
Prozesse die Bildung von Metastasen einzuleiten.
Im Gegensatz zu der Pyämie mit Osteomyelitis, welche
immer tödlich endet und stets eine gesundheitsschädliche Be¬
schaffenheit des Fleisches bedingt, kann die Pyämie mit Metastasen¬
bildung in Heilung ausgehen durch Abkapselung der Eiterherde.
Solche abgekapselte Herde haben, wenn das Schlachttier gut
genährt ist, eine nachteilige Bedeutung für das Fleisch nicht.
Doch muß die Entfernung der Abszesse mit Vorsicht ausgeführt
werden, damit nicht das gesunde Fleisch durch Eiter beschmutzt
und dadurch gesundheitsschädlich gemacht wird. Hat eine Ver¬
schüttung des* Eiters auf das Fleisch stattgefunden, so ist es
nicht ausreichend, den Eiter fortzuwaschen, sondern es sind die
oberflächlichen Schichten des Fleisches mit dem Messer abzu¬
tragen, beschmutzte seröse Häute sind abzuziehen.
Die Saprämie oder putride Intoxikation ist jene Form der
Blutvergiftung, bei der aus einem abgestorbenen und in fauliger
Zersetzung befindlichen Herd ein Übertritt der unter der
Wirkung von Fäulnisbakterien gebildeten, giftigen Stoffe in das
| Blut stattgefunden hat.
Das anatomische Bild der Saprämie bietet oft nur einen
faulenden, stinkenden Herd dar, ohne Veränderung der Paren¬
chyme. Der faulige Herd selbst vermag die Veranlassung zu
einer Fleischvergiftung zu geben. Dagegen kann das Fleisch
von Tieren, die an einer einfachen Saprämie erkrankt sind, als
gesundheitsschädlich nicht gelten.
Das uns geläufigste Beispiel einer putriden Intoxikation
ist die Herzbeutelentzündung des Rindes nach innerer Ver¬
wundung. Das Fleisch der w'egen dieses Leidens notgeschlachteten
Tiere ist auch in den Fällen pur minderwertig, wo der allseitig
geschlossene Herzbeutel übelriechende Flüssigkeit enthält. Es
kommen aber Fälle vor, bei denen der Fremdkörper die Herz¬
wand völlig durchbohrt und so eine offene Verbindung hergestellt
hat, zwischen dem Jauche- bzw. Eiterherd und dem Blute. Man
wird dann sein Augenmerk darauf zu richten haben, ob nicht
in Lunge, Milz, Leber oder Nieren jauchige oder eitrige Infarkte
aufgetreten sind. Denn damit würde das Fleisch eine gesund¬
heitsschädliche Beschaffenheit erlangt haben.
Bei Schafen kommt es nach Fischöder zur Abkapselung
einer jauchigen Lungenbrustfellentzündung. Die Fleischbeschau
stößt dann bei anscheinend gesunden und gut genährten Tieren
auf große Höhlen im Brustraum, die mit mißfarbenem, oft
grünlichem, stark übelriechendem Inhalt gefüllt sind. Da hierbei
das Allgemeinbefinden nicht in Mitleidenschaft gezogen ist, so
sind lediglich die veränderten Teile zu verwerfen.
Putride Intoxikation kann sich weiterhin einstellen bei Zu¬
rückbleiben der Nachgeburt, bei Lungengangrän, Perforativ-
peritonitis und komplizierten Frakturen. Es wird in allen diesen
Fällen die Fleischbeschau sorgfältig zu prüfen haben, ob nicht
neben der Saprämie auch Erscheinungen der Sepsis bestehen.
Wir kommen nun zu der zweiten Hauptgruppe der Krank¬
heiten, welche eine Fleischvergiftung veranlassen können, und
zwar durch spezifische Krankheitserreger. Es gehören hierher
diejenigen Infektionskrankheiten, für die auch der Mensch emp¬
fänglich ist.
Von den Tierseuchen sind hier zu nennen:
1. Der Milzbrand. Das Fleisch milzbrandkranker Tiere ist
zwar häufig ohne Schaden genossen worden. Es erklärt sich
13. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
137
dies daher, daß das Fleisch in der Regel mit Milzbrandsporen
nicht belastet ist, nnd daß die Milzbrandbazillen durch Kochen
und durch den Magensaft vernichtet werden. Wenn trotzdem
das Fleisch milzbrandkranker Tiere als gesundheitsgefährlich
unschädlich zu vernichten ist, so ist für diese Vorschrift die
Erfahrung maßgebend gewesen, daß beim Verzehren des
Fleisches Bazillen in Schleimhautverletzungen der Mund-, und
Rachenhöhle oder des Schlundes, oder bei der Hantierung mit
Fleisch in Verletzungen der Hände von Personen eindringen
können, oder endlich, daß bei geeigneter Temperatur sich
Sporen auf der Oberfläche des Fleisches bilden, und nach dem
Genuß Darmmilzbrand erzeugen können. Das Gesetz bestimmt
weiterhin, daß auch gesundes Fleisch, welches mit milzbrand¬
kranken Tieren in Berührung gekommen ist (durch zufälliges
Zusammenschlachten) unschädlich beseitigt werden muß, oder
durchzudämpfen und danach als brauchbar gemachtes Fleisch
zu behandeln ist.
2. Die Tollwut. Auch der Genuß des Fleisches wutkranker
Tiere hat bisher zu Fleischvergiftungen nicht geführt. Es gilt
gleichwohl als gesundheitsschädlich, weil seine Berührung eine
Übertragung der Seuche bewirken kann.
3. Der Rotz. Es gilt hier das von der Tollwut Gesagte.
4. Die Maul- und Klauenseuche. Das Fleisch hat eine
gesundheitsschädliche Beschaffenheit nicht, dagegen die mit
Aphthen und frischen Erosionen besetzten Teilen. Letztere sind
durch Brühen tauglich zu machen.
5. Die Pocken. Bei der septischen Form, den sogenannten
Aas- oder Brandpocken, besitzt das Fleisch gesundheitsschädliche
Beschaffenheit.
6. Die Tuberkulose. Das Fleisch ist' als ein gesundheits¬
schädliches Nahrungsmittel anzusehen in den Fällen, wo die
Krankheit zu hochgradiger Abmagerung geführt hat, oder wo
zwar eine solche Abmagerung fehlt, aber die Erscheinungen
einer frischen Blutinfektion vorhanden sind, und diese sich nicht
auf die Eingeweide und das Euter beschränken. Als Anzeichen
einer frischen Blutinfektion gelten Schwellung von Milz und
Lymphdrüsen, oder eine im Verlauf des großen Kreislaufes
entstandene Miliartuberkulose. Das Fett derartig tuberkulöser
Tiere ist bedingt tauglich.
Damit hätten wir die uns interessierenden Krankheiten
erledigt.
Wir müssen nun noch jener, für die Fleischbeschau hoch¬
wichtigen, postmortalen Veränderung des Fleisches gedenken,
die wir als Fäulnis bezeichnen. Für die überall umher¬
schwirrenden Fäulnisbakterien ist das Fleisch ein überaus
günstiger Nährboden. Geradezu Vorspann geleistet wird den
Fäulniskeimen durch Aufbewahrung des übereinander geschichteten,
vorher nicht genügend gekühlten Fleisches in feuchten, warmen
nnd dunstigen Räumen, wie das aus Unkenntnis auf dem Lande
vielfach geschieht. Dann setzt auf den der Luft zugänglichen
Teilen des Fleisches Fäulnis ein, die allmählich im Zuge des
lockeren Bindegewebes in die Tiefe vorschreitet. War das
Schlachttier fieberhaft oder septisch erkrankt, oder verendet, so
schreitet der Fäulnisprozeß stürmisch voran, im letzten Falle
setzt sofort Tiefenfäulnis ein.
Bei der Fäulnis des Fleisches werden Fäulnistoxine von
hoher Giftwirkung gebildet. DieseToxine werden ebenfalls durch
den Koch- oder Verdauungsprozeß nicht zerstört. Aus diesem
Grunde ist das faulende Fleisch hochgradig gesundheitsschädlich.
Eine oberflächliche Fäulnis läßt sich durch Abwaschen mit
Essigwasser oder durch Abtragen der ergriffenen Partien mit
dem Messer beseitigen. Ist jedoch Tiefenfäulnis zugegen, so
muß das Fleisch in toto vernichtet werden.
Zum Nachweis der leichteren Fäulnisgrade bedienen wir
uns des bekannten Ebersehen Verfahrens. Die fortgeschrittene
Fäulnis verrät sich durch den spezifischen Fäulnisgeruch und
durch schwierige Beschaffenheit des Fleisches. Auch mikroskopisch
können wir die Fäulnis nachweisen. Wenn innerhalb 48 Stunden
nach dem Tode die Fleischfasern ihre Querstreifung verloren
haben, körnig getrübt und im scholligen Querzerfall begriffen
sind, so ist das Fleisch faulend.
Lassen Sie mich, um vollständig zu sein, auch derjenigen
Krankheiten Erwähnung tun, die, obwohl sie zu den spezifischen
Septikämien, Infektionen und Intoxikationen gehören, dennoch
eine gesundheitsschädliche Beschaffenheit des Fleisches nicht
bedingen. Diese Krankheiten sind der Rauschbrand, die Lungen¬
seuche, die Wild- und Rinderseuche, die Rinderpest, der Rotlauf,
die Schweineseuche und die Tuberkulose (mit Ausnahme der
oben genannten Formen), der Starrkrampf, das maligne Ödem,
das bösärtige Katarrhalfleber, die w T eiße Ruhr der Kälber, die
Brustseuche. Ob die Leukämie, das Sarkom und das Karzinom
spezifische Infektionen sind, steht noch dahin. Auch bei ihnen
führt der Genuß des Fleisches der kranken Tiere nicht zu einer
Fleischvergiftung. Diese Kenntnis ist für die forensische Fleisch¬
beschau wertvoll. Wie in den einzelnen Fällen das Fleisch bei
den. zuletzt genannten Krankheiten hinsichtlich seiner Genu߬
tauglichkeit zu begutachten ist, gehört nicht zu meiner heutigen
Aufgabe. ,
Wir kommen zu der Nutzanwendung unserer Wissenschaft
über die Beziehungen zwischen Notschlachtungen und Fleisch¬
vergiftungen. Wie wir gesehen haben, ist die Gefahr einer
Fleischvergiftung aus dem Genuß des Fleisches notgeschlachteter
Tiere eine vielfache. Ein praktisch brauchbares Mittel oder
Verfahren, womit in allen Fällen das gesundheitsschädliche
Fleisch von dieser Eigenschaft befreit werden könnte, ist uns
bisher nicht bekannt. Wohl haben wir gesehen, daß das bazilläre
Fleischgift durch geeignete Erhitzung des Fleisches sich zer¬
stören läßt. Es hat weiterhin die Beobachtung gelehrt, daß der
Alkohol die Giftwirkung des Fleisches zum Teil kompensiert,
wenn er neben gesundheitsschädlichem Fleisch genossen wird.
Mit diesen Mitteln aber läßt sich eine brauchbare Vorbeuge der
Fleischvergiftungen nicht erzielen.
Die Fleischbeschau allein, und zwar in Anschauung des
hohen Erfordernisses an Wissenschaft, ausschließlich die tier¬
ärztliche, kann einen wirksamen Schutz für die menschliche
Gesundheit schaffen gegenüber den Schädigungen, die ihr aus
dem Genuß des Fleisches notgeschlachteter Tiere drohen.
Aus dieser Erkenntnis erwächst uns die Pflicht, darauf hin¬
zuweisen, daß das Fleischbeschaugesetz nach dieser Richtung hin
lückenhaft ist. Als der Gesetzgeber bestimmte, daß bei Schlach¬
tungen für den eignen Haushalt auch die Untersuchung nach dem
Schlachten unterbleiben könne, sofern sich beim Schlachten keine
Merkmale einer die Genußtauglichkeit des Fleisches aus¬
schließenden Erkrankung zeigen, hat der Gesetzgeber die
Sachkenntnis und mehr noch den guten Willen der Viehbesitzer
erheblich überwertet. Wenn ich das ausspreche, so bin ich mir
bewußt, daß jedem von uns ein oder mehrere Fälle eigner Er¬
fahrung in Erinnerung treten, die diese Behauptung nur zu
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
138
schlagend beweisen. Als Kenner der Verhältnisse müssen wir
bedauernd bestätigen, daß jene Gesetzesbestimmung für gewisse
Leute ein Schutzparagraph ist, unter dem sie Notschlachtungen
der Beschaupflicht entziehen.
Und wenn schon einmal der Fall eintritt, daß der Besitzer
selbst die Genußtauglichkeit des Fleisches für ausgeschlossen
erachtet, dann ist sie es auch und also die Beschau überflüssig.
Es hat sich aber ferner erwiesen, daß der Begriff „eigner
Haushalt“ einer ungeahnten Dehnbarkeit fähig war. Heute
finden in diesem Begriff Hochzeiten, Kindtaufen, Beköstigung
von ständigen Tischgängern, Pensionären, Einquartierungen,
gelegentliche Vergrößerung des Hausstandes durch Beiziehung
von Erntearbeitern usw. ihr sicheres Unterkommen. Und nach
einer Gerichtsentscheidung liegt eine Verwertung des Fleisches
im eignen Haushalt selbst dann noch vor, wenn das Fleisch
eines bei einer Viehkasse versicherten, notgeschlachteten Tieres
seinen Weg in die Küchen sämtlicher Mitglieder dieser Vieh¬
kasse nimmt. Die betreffende Mitteilung gewährt sogar dem
Zweifel Raum, inwieweit das Entscheidungsgericht die Frage
geprüft hat, ob sämtliche Kassenmitglieder das Tier vor und
beim Schlachten besichtigt haben und auf Grund ihrer persönlichen
Wahrnehmungen der Überzeugung gewesen sind, daß Merkmale
einer die Genußtauglichkeit ausschließenden Erkrankung nicht
Vorlagen.
Angesichts dieser Auslegung des Begriffes „eigner Haus¬
halt“, der sich auch Gerichte mehrfach angeschlossen haben
dürfen wir mit der Erklärung nicht zögern, daß das Bedürfnis
einer klaren gesetzlichen Regelung der Beschaupflicht für die
Notschlachtungen wieder dringend geworden ist.
Vor dem Inkrafttreten des Reichsfleiaclibeschaugesetzes war
auch für unsem Bezirk diese Materie durch die Polizei Verordnung
vom 1). Juni 1897 in bester Weise geregelt. Die Vorbedingungen
dieses Erlasses gelten mit Rücksicht auf die inzwischen ein¬
getretene Steigerung der Vieh- und Fleischwerte heute mehr
denn zuvor. Das Fleischbeschaugesetz hat die Hoffnung un¬
erfüllt gelassen, daß bezüglich der Literatur im Verkehr mit
Fleisch not geschlachteter Tiere eine Verschlechterung der Ver¬
hältnisse nicht eingetreten werde. Darum muß im Hinblick auf
die große Gefahr, die in einer unzureichenden Gewähr für die
unschädliche Beschaffenheit solchen Fleisches liegt, die Forde¬
rung der tierärztlichen Wissenschaft und Erfahrung in dem
unzweideutigen Sinne wieder als Gesetzesforderung erbeten
werden.
„Das Fleisch notgeschlachteter Tiere darf, sofern nicht die
Notschlachtung aus Anlaß einer Verletzung und im unmittelbaren
Anschluß an eine solche vorgenommen wurde, nur nach vorher¬
gegangener tierärztlicher Untersuchung aller Teile des Schlacht¬
tieres zum menschlichen Genuß verwendet werden. Soweit
dies irgend tunlich ist, hat der Besitzer Sorge zu tragen, daß
eine Lebendbeschau des notgeschlachtenden Tieres erfolgen kann.
Stand das notgeschlachtete Tier in ärztlicher Behandlung, so ist
die Fleischbeschau möglichst durch den behandelnden Tierarzt
auszuüben.“
Über die Notwendigkeit separater Arbeits- und Unter-
snchungsräume im Schlachthofe.
Von Albert Breuer, leitender Tierarzt am Budapester Schlachthof.
(Hüsrzemle 1907, Nr. 12.)
Die Fleischbeschau beschränkt sich nicht in allen Fällen
nur auf die Besichtigung der von den Gewerbetreibenden ge¬
fertigten Schnittflächen, sondern es müßten sehr oft tiefere
Schichten untersucht werden, zu welchem Zwecke die Schlacht¬
räume, wo die Tiere aufgearbeitet werden, nicht vollkommen
geeignet erscheinen. Die Wichtigkeit solcher Untersuchungen,
sowie das spezielle Verfahren mit diesem Fleisch, erfordert, daß
man im Schlachthofe separierte, lichte Räume zu diesem Zwecke
bereit halte. Solche Fälle, bei welchen die Räume in Gebrauch
genommen werden sollen, sind sehr zahlreich. So z. B. bei
der Einfinnigkeit der Rinder soll in Ungarn das Fleisch in
Stücke von 2 l /2 Kilo zerteilt und untersucht werden, ob nicht
noch mehrere Finnen vorhanden sind; wenn in minderer Zahl
Finnen in das Schweinefett festgestellt werden und die Fette
und das Schwein keine pathologischen Veränderungen zeigt, soll
das Tier bei der Anwesenheit des Tierarztes abgehäutet und
in kleine Stücke zerteilt werden. In beiden Fällen kann diese
Arbeit kaum in den gewöhnlichen Schlachträumen vorgenommen
werden, denn diese sind dazu nicht gehörig eingerichtet, und
anderenteils vom sanitätspolizeilichem Standpunkt könnte es auch
beanstandet werden, denn bei der Zerkleinerung des Fleisches
und der Fette können leicht Finnen auf die in der Nachbarschaft
bearbeiteten Fleischteile gesunder Tiere geraten und diese
infizieren. Auch die nicht immer genügende lichte Beleuchtung
und das fortwährende Arbeiten in diesen Räumen hemmt die
genauere Untersuchung solcher Fälle.
Die also erforderliche, besonders separierte Kammer soll
neben den Schlachträumen auf jener Seite erbaut werden, an
welcher man den Schlachtraum weiter nicht vergrößern will.
Mit dem Schlachtraum ist die Kammer durch eine Tür direkt
verbunden. In größeren Schlachthöfen könnte man diese
separierten Untersuchuhgsräume neben dein Kühlhanse uriter-
bringen, da die Zerstücklung gewöhnlich nicht sogleich nach
dem Schlachten, sondern erst nach der Abkühlung des Fleisches
vorgenommen wird. Diese besonderen Räume sollen mit hohen
und breiten Seitenfenstern versehen, genügend licht und ven¬
tilierbar sein, der Fußboden und die Seitenwände sind mit wasser¬
dichter und leicht waschbarer Masse zu bedecken. Endlich soll
dieser Raum mit Wasserleitung und Kanalisation entsprechend
ausgerüstet sein. Dr. Z.
Übernahme der FleischbeschaugebOhren durch den Staat.
Die Kommission der württembergischen Abgeordnetenkammer
für Gegenstände der inneren Verwaltung beschäftigte sich am
28. November mit der Beratung des Antrags Gröber und Genossen:
Die kgl. Staatsregierung zu ersuchen, sie möge im Bundesrat dafür
eintreten, daß die Fleischbeschaugebühren auf die Bundesstaaten
übernommen werden. Der Herr StaatsminiBter des Innern wies
zunächst darauf hin, daß § 23 des Fleischbeschaugesetzes die
Regelung der Kostentragung dem Landesrecht überlasse und somit
an sich kein Hindernis bestehe, in Württemberg die Fleischbeschau¬
gebühren auf die Staatskasse zu übernehmen, ohne den Bundesrat
mit der Sache zu befassen. Die in Württemberg in den letzten
Jahren verausgabten Beschaugebühren würden sich jedoch auf
Summen berechnen, gegen deren Übernahme auf die Staatskasse bei
der gegenwärtigen Finanzlage Bedenken beständen. Zudem könne
keine Rede davon sein, daß der Staat bezahle und die Gemeinden,
wie bisher, die Fleischbeschauer anstellen. Die unerläßliche Voraus¬
setzung der Übernahme der Kosten der Fleischbeschau auf den
Staat sei, daß auch die Anstellung der Beschauer auf den Staat
übergehe. Es wäre somit mit der Neuanstellung einer großen
Anzahl von staatlichen Beamten zu rechnen. Auch wäre dann die
Bildung größerer Beschaubezirke unter umfassenderer Verwendung
von Tierärzten unausbleiblich, was die Landbevölkerung, die seit
Jahrzehnten gewohnt sei, den Fleischbeschauer stets zur Hand zu
13. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
139
haben, zu lebhaften Klagen veranlassen würde. Ähnliche Folgen
müßte auch die aus der Mitte der Kommission angeregte Über¬
nahme der gesamten Beschaugebühren auf die Amtskörperschafts-
kassen nach sich ziehen. Die am schwersten empfundenen Kosten,
die Reisekosten der filr die Ergänzungsbeschau zuständigen Tier¬
ärzte würden übrigens infolge einer Anregung, die das Ministerium
gegeben habe, jetzt schon in 49 von 64 Oberamtsbezirken von den
Amtskörperschaften getragen. Diesen Ausführungen gegenüber be¬
tonten verschiedene Kommissionsmitglieder, daß sie auf die Bei¬
behaltung des örtlichen Charakters der Fleischbeschau besonderen
Wert legen. Der Antrag Gröber wurde denn auch schließlich an
»ich abgelehnt, jedoch auf Antrag des Berichterstatters, des Herrn
Abgeordneten Schmidt-Besigheim, der Regierung zur Kenntnis¬
nahme überwiesen. (Nach der „Deutschen Fleischbeschauer-Zeitung“.)
Aus Französisch-Lothrlngen.
In Nancy griff ein Fleischer den Schlachthofdirektor Molitor
an, der einen Streit zwischen dem Fleischer und einem Töter
schlichten wollte. Der Fleischer wurde dabei rasend, nahm ein
Messer und schleuderte es mit aller Wucht gegen den Schlachthof¬
direktor. Dieser konnte sich eben noch in ein Oktroihäuschen
flüchten. Der Täter, der außerdem vor Gericht sich frech benahm,
erhielt nur 14 Tage Gefängnis, nach dem „En Räpublicain“.
Dr. G.
*
Das aufsehenerregende Werk des Hauptmanns Humbert
bemängelt außer den bekannten Feststellungen über den Ver¬
teidigungszustand Frankreichs die mangelhafte Desinfizierung von
Sanitätsanstalten, Schlachthöfen usw. Auch funktionierte nicht die
für Kriegszwecke errichtete Kühlanlage in Verdun. Endlich wird
in der Verduner „Union“ über die galoppmäßige Inspektion von
Sanitätsanstalten im allgemeinen geklagt. Dr. G.
*
Gleich vielen deutschen Städten haben eine ganze Anzahl
französische Kommunen sich entschlossen, ihren Beamten in An¬
betracht der Teuerungsverhältnisse Gehaltserhöhungen zu bewilligen,
so das über 100000 Einwohner zählende Nancy. *■ Dr, G»
*
In Ostfrankreich hat sich in letzter Zeit vielfach die Gepflogen¬
heit herausgebildet, daß vermögende Familien, um die mangelnde
Bevölkerungszunahme unterbinden zu helfen, für Säuglingsmilch¬
anstalten gewisse Summen bei Familienfesten, besonderen Gelegen¬
heiten usw. stiften. . Dr. G.
*
In Reims wurde ein Metzger, der eine tuberkulöse Kuh teils
nach Reims, teils nach den Ardennen versandt hatte, zu drei
Monaten Gefängnis und 500 Franken Strafe verurteilt. Dr. G.
Verbesserungen im französischen Schlachthofwesen.
Nach einer Meldung des „Matin“ sollen die vielfach unzu¬
länglichen Zustände auf. dem Pariser Scblacbthof Anlaß zu einer
Untersuchung gegeben haben mit dem Ziele, eine Umgestaltung
nach deutschem Muster herbeizuführen, was für Paris sehr er¬
hebliche Kosten machen wird. Auch sollen sich 25 kleinere fran¬
zösische Städte bereit erklärt haben, Schlachthofeinrichtungen, wie
sie sich in deutschen Mittelstädten finden, einzuführen.
Errichtung von Laboratorien an den Schlachthöfen.
Pitt betont in der „Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene“
die Notwendigkeit der Errichtung von Laboratorien an den Bchlacht-
höfen, die entsprechend auszustatten sind und Gelegenheit
bieten sollen zu wissenschaftlichen Arbeiten für die Schlachthof¬
tierärzte. Solche Arbeitsstätten sind im Interesse der ordnungs¬
mäßigen Ausübung der Fleischbeschau und zur wissenschaftlichen
Verwertung des anfallenden reichen Materials durchaus notwendig.
Eine ausschließlich makroskopische Fleischbeschau kann heute als
genügend nicht mehr angesehen werden.
Pferdefleisohnachweis durch die Präzlpitinmethode.
Die vielen Arbeiten über die biologische Methode zum Pferde¬
fleischnachweis haben es mit sich gebracht, daß das Verfahren
vielfach modifiziert ist, sei es bei Behandlung der Tiere zur Serum-
gewinnung, sei es bei Anstellung der Reaktion. Da das Verfahren
aber ein exaktes Arbeiten erfordert und kleine Abweichungen oft
Fehlerquellen abgeben können, so ist eine genaue Beschreibung
der besten Methode sehr erwünscht. Als maßgebend dürfen die
Untersuchungen gelten, die von Weidanz unter Leitung Uhlen-
huths im Kaiserlichen Gesundheitsamt angestellt sind und deren
Ergebnis in der „Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene“ 1907,
Jahrg. XVIII, S. 73, publiziert ist. Auf die fragliche Arbeit von
Weidanz sei daher hier besonders aufmerksam gemacht.
Verwertung städtischer KUcbenabfälle.
Seitens des Landwirtschaftsministeriums wurdeh Erhebungen
angestellt Uber die Zahl und Art der Schweinemästereien, welche
Küchenabfälle im großen verwerten. Viele dieser Mastanstalten be¬
sitzen einen außerordentlich großen Bestand, so sind z. B. in der
von der „Allgemeinen Müllverwertungsanstalt“ in Seegefeld bei
Spandau errichteten Mästerei mehrere Tausend Schweine aufgestellt.
Die Erhebungen erBtrecken sich darauf:
1. ob sich die Unternehmungen in privater (auch genossenschaft¬
licher) oder in städtischer Hand befinden,
2. ob die Anstalten nur oder doch vorwiegend Küchenabfälle
verwerten oder ob sie vorwiegend landwirtschaftliche Boden¬
produkte verfüttern,
3. ob die Anstalten in oder doch in nächster Nähe von Städten
oder ob sie auf dem platten Lande untergebracht sind,
4. ob auch Schweinezucht betrieben wird oder ausschließlich
Mast, ob im letzteren Falle die Magertiere in der Umgebung
oder auf Märkten oder aus weiterer Entfernung bezogen
werden,
5. ob besondere Einrichtungen getroffen sind, um der Ein¬
schleppung und Verbreitung von Seuchen unter den Beständen
der Anstalten vorzubeugen (tierärztliche Kontrolle, Quarantäne-
und Seuchenställe, Seuchenschlachthäuser usw.) und auf die
6. finanziellen Ergebnisse der Unternehmungen.
Notwendigkeit der Trichinenschau in Dänemark.
Nach einer Notiz von Hoberg in „Maanedsk. for Dyrlaeger“
wurden unter 108234 dänischen Schweinen 54 mit Trichinen be¬
haftete gefunden, während unter 11788 amerikanischen Schinken
32 trichinöse waren. Diese Feststellungen beweisen die Not¬
wendigkeit der Trichinenschau in Dänemark.
Von „Asohlnger“ in Berlin.
Die bekannte Firma Aschinger braucht für ihre 30 Restau¬
rationsbetriebe wöchentlich für 50 000 M. Fleisch, das von einer
einzigen Berliner Schlächterei geliefert wird. Gelegentlich der
vorjährigen Manöver war der Firma die Speisung von 12 500 Mann
bei den Truppentransporten durch Berlin übertragen worden.
Fleischvergiftungen.
An einer Wurstvergiftung erkrankten in Sobotka ein Briefträger
und in Gust bei Bublitz mehrere Personen. In letzterem Falle sind
drei Todesfälle vorgekommen.
Hühner-Frikassee.
Hühner-Frikassee wird nach einer Notiz in der „Allgemeinen
Fleischer-Zeitung“ hergestellt aus Hühnerfleisch, Kuheutern, Herzen,
Kalbsmilchen und Kalbszungen. Euter wird so reichlich benutzt,
daß es den hauptsächlichsten Bestandteil des „Hühner-Frikassees“
bildet.
Verband geprüfter Nahrungsmittelchemiker.
Es ist nicht uninteressant, über die Bestrebungen der eigenen
Fachangchörigen, diejenigen verwandter und gar konkurrierender
akademischer Berufe zu übersehen. Der erst seit Mitte der 90er
Jahre existierende Benjamin der Berufe, der der Nahrungsmittel¬
chemiker, zeichnet sich Beiner Jugend entsprechend durch besondere
Stoßkraft aus. Es ist vor kurzem ein Verband geprüfter Nahrungs¬
mittelchemiker zur Förderung der wirtschaftlichen (!) Standes¬
interessen gegründet wörden. Der Verband erstrebt eine Besserung
der wirtschaftlichen Lage und besonders auch der amtlichen
Kontrolle durch die Nahrungsmittelchemiker; er sucht dieses Ziel
durch Erwirkung und Einführung einer einheitlichen Gehaltsskala,
sowie durch Schaffung von geregelten Pensions- und Unfall-
140
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7.
Versicherungsverhältnissen zu erreichen. Die Leitung des Verbands-
geschäftes liegt vorläufig dem Verein geprüfter Nahrungsmittel¬
chemiker zur Förderung der wirtschaftlichen Standesinteressen (mit
dem Sitze in Hamburg und Altona) ob. Die Nahnmgsmittelchemiker
sind leichter unter einen Hut zu bringen, als z. B. die Tierärzte,
da sie außer der Approbation als Nahrungsmittelchemiker keinerlei
Beamtenexamen zu absolvieren haben und daher die Klassifikation
zwischen beamteten und nichtbeamteten Nahrungsmittelchemiker
wegfällt, abgesehen davon, daß unähnlich unserer unzeitlichen
Ausgestaltung unserer Kommunalstellungen meist auch den an-
gestellten Nahrungsmittelchemikern Nebenverdienste nicht unter¬
sagt sind. Dr. G.
Milchknappheit in London.
Während in Deutschland der Milchpreis bereits bis zu 24 Pf.
per Liter erreicht hat, beträgt er zurzeit dagegen in London ==
32 Pfennig. Doch die Milchproduzenten von South Sussex, Hant
und Wiltshire wollen noch höhere Preise erzielen und haben zeit¬
weise sich geweigert, zu dem Engrospreise von 20 Pf. weiter an
die Händler zu liefern. Als Grund wird die schlechte Heu- und
Futtermittelernte angegeben. Dr. G.
Bakteriologische Milchuntersuchungen in Leipzig.
7000 Mark jährliche Ausgabe für bakteriologische Milchunter-
suchungen allein haben die Leipziger Stadtverordneten gemäß einer
dortigen Ratsvorlage bewilligt. Dr. G.
Entscheidung des Strafsenates in Milchangelegenheiten.
Nunmehr hat der Strafsenat des Berliner Kammergerichts in
bezug auf die Frage des Polizeiverordnungsrechtes für den Ver¬
kehr mit Milch folgendes entschieden, in Bezug darauf, daß ver¬
schiedene Polizeiverwaltungen alle Milch unter einem ge¬
wissen Fettprozentgehalt als „Magermilch“ angesprochen
wissen wollten: „Polizeiverordnungen dürfen den Begriff der Voll¬
milch nach Fettgehalt und spezifischem Gewicht festlegen, aber
nicht vorschreiben, daß alle andere Milch, die diesen Fettgehalt
nicht erreicht hat, unter der Bezeichnung „abgerahmte Milch“
oder unter einer ähnlichen Bezeichnung in Verkehr gebracht werden
darf, auch wenn sie nicht abgerahmt worden ist. Dagegen sind
die Polizeibehörden befugt, für die der Vollmilch an Fettgehalt
nicht gleichkommende, nicht abgerahmte Milch eine besondere
Bezeichnung als ausschließlich zulässig vorznschreiben.“ Die
Polizeibehörden müssen also einen neuen Namen für Milch gesunder
Kühe, die eine Milch unter 2,7 % produzieren, ausfindig machen.
Die Breslauer Stadtverordneten-Versammlung genehmigte auf
drei Jahre, daß die Nahrungsmitteluntersuchung für elf Kreise des
Regierungsbezirks Breslau auf das chemische Untersuchungsamt der
Stadt Breslau übernommen wird. Die entstehenden Kosten von
4500 M. wurden gemäß Magistrats Vorlage bewilligt Dr. G.
Opposition gegen ärztliche und tierärztliche Aufsicht In der Milchkontrolle.
Der königl. bayerische Konsulent für Milchwesen, Dr. Herz,
in München, führt gelegentlich eines Referates über die 21. Wander¬
ausstellung der deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Düssel¬
dorf in Nr. 43 der Berliner Molkerei-Zeitung, Seite 509, über den
Preisbewerb in frischer Milch an, nachdem er einige Winke über
die Fütterung der Milchtiere gegeben hat: Die Gärprobe gestattet
auch wichtige Schlüsse auf die Arbeit des Melkers, welcher bei der
Gewinnung von Trinkmilch ebenso wie im Emmental und Allgäu
die Milch aus jedem Strich besichtigen und verkosten muß, Milch
aus erkrankten, verhärteten, entzündeten, geschwollenen, empfind¬
lichen Eutern überhaupt nicht, und aus gesunden Eutern die ersten
Anteile nie in den Kübel melken darf — das nützt mehr und
kostet viel weniger als ärztliche und tierärztliche Auf¬
sicht. Also die Gärproben sollen nur die Chemiker und sogenannten
„Milchkonsuienten“ machen, andere Leute sind überflüssig! Umsonst
tut der Herr Milchkonsulent die Sache wohl auch nicht, denn am
Ende der Besprechung findet sich die Wendung, daß die Anforderungen
an die Milchgewinnung überstiegen werden können, wenn die be¬
sondere Sorgfalt der Milchgewinnung besonders bezahlt (!)
wird. Si tacuisses .... pr. Q.
Personalien.
Auszeichnung: Landestierzuchtinspektor Dr. Attinger-WXnoAien
wurde zum Mitglied des bayrischen Landwirtschaftsrates gewählt.
Ernennungen: Die Distrikstierärzte Gottlob Kuck- Altdorf und
Heinrich H«^p«cA-Cadolzburg zu Bezirkstierärzten in Cham bzw.
Kemnath. — Versetzt: Die Bezirkstierärzte Joseph Bawer-Hofheim
und Hans Amberg auf Ansuchen nach Günzburg bzw\
Stadtamhof.
Niederlassungen: Die Tierärzte Alfred Töpfer - Braunsdorf in
Spucken, Kr. Heydekrug (Ostpr.), Dr. Karl John in Erfurt,
Schillerstraße 1. — Verzogen: Die Tierärzte Ludwig Wundt-
Eudingen nach Altenheim, Eugen Örttfor-Backnang, Richard Spoerl-
Augsburg, Franx OrscAwarm-Hammelburg als Assistent des Gr.
Bczirkstierarztes in Tauberbischofsheim, bzw. Breisach, bzw. Lahr.
Examina: Promoviert: Tierarzt Alfred Schmidl-RsWe a. S. zum
Dr. med. vet. in Gießen. — Approbiert: Die Herren Siegmund,
Schermer aus Hüttenrode, Felix QriUtner ans Köln, Hermann Worpenberg
aus Ringel in Hannover.
In der Armee: Preußen: Befördert: Oberleutnant Dreher ,
Inspekteur des Militär-Veterinärwesens, zum Oberst. — Den
Stabsveterinären Mentxel im Drag.-Rgt. Nr. 7, Bergin im Feldart.-Rgt.
Nr. 36 ist der Charakter als Oberstabsveterinär mit dem persönlichen
Rang der Räte 5. Klasse verliehen worden. — Versetzt: Die Ober-
veterinäre Pohl, Assistent bei der Militär-Lehrschmiede Berlin zum
1. Garde-Feldart.-Rgt., Wilke im Feldart-Rgt. Nr. 35 unter Rück¬
tritt von seinem Kommando bei der Militärveterinär-Akademie als
Assistent zur Militär-Lehrschmiede Berlin. — Kommandiert: Die
Oberveterinäre Lührs im 1. Garde-Feldart.-Rgt. als Hilfsinspizient
zur Militärveterinär-Akademie, Dr. Küthe im Feldart.-Rgt. Nr. 46
und Tiegs im Leib-Hus.-Rgt. Nr. 1 vom 1. März 1908 ab zu einem
sechswöchigen Kommando der Militär-Lehrschmiede Berlin.
Sachsen: Befördert: Die Militär-Studierenden Walther im
Hus.-Rgt. Nr. 19 und Ulbricht im Garde-Reiter-Rgt. zum Unter-
veterinär unter gleichzeitiger Kommandierung auf 6 Monate zur
Lehrschmiede und Tierärztlichen Hochschule. — In der Schutz¬
truppe für Deutsch-Südwestafrika: Die Unterveterinäre
Hölscher im Ulan.-Rgt. Nr. 6, Dr. Lüttschwager im Feldart.-Rgt. Nr. 10,
Fry im Drag.-Rgt. Nr. 21, Dürschnabel im Feldart.-Rgt. Nr. 35 am
24. Januar aus dem Heere ausgeschieden und mit dem 25. Januar als
charakterisierte Oberveterinäre zur Schutztruppe einberufen. —
Oberveterinär Zniniewicx am 31. Januar aus der Schutztruppe aus¬
geschieden und mit dem 1. Februar im Ulan.-Rgt. Nr. 6 wieder
angestellt. — Abgang: Oberveterinär 77et«-Hochkretscham auf
seinen Antrag mit Pension in den Ruhestand versetzt.
Todesfall: Tierarzt Albert Becker- Emmendingen.
Vakanzen. (\ *i. Nr. 6.)
Veterinär-Institut der Universität Leipzig: Jüngerer Tierarzt mit
bakteriologischen und chemischen Kenntnissen möglichst bald als
Assistent. Angebote mit Gehaltsansprüchen und Angabe bisheriger
Tätigkeit an Prof. Dr. Eber-Leipzig, Linnästr. 11.
Bakteriologisches Institut der Landwirtschaftskammer für die Provinz
Brandenburg: II. Assistent. Gehalt 1800 Mark und 400 Mark
WohnungBgeldzuschuß. Bewerbungsgesuche zum 1. April sind bei
dem obigen Institut: Berlin, Kronprinzenufer 5/6, einzureichen.
Schlachthofstellen: Plauen i. Vogtl.: Amtstierarzt und Stell¬
vertreter des Direktors zum 1. April. Gehalt 4200 M. bis 5700 M.
Privatpraxis nicht gestattet. Meldungen amtstierärztlich geprüfter
Bewerber an die Direktion des Vieh- und Schlachthofes.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Sclimaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoet* in Berlin. —
Druck von W. Btlxenstein, Berlin.
Dia „Berliner Tierilntliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlege von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48. Wllhelmstr. 10. Dnrch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— viert«*ljähr-
licb (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 Pf. fUr Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert, (österreichische PoBt-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Origlnalbeltr&ge werden mit 60 Mlu, in Petitsatz mit
00 Nk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., LuiscnstraSe 68. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion;
De Bruln
Glage
Professor Dr. Schmaltz -Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Veterinärrat Dr. Lothes Prof. Dr. Peter
Veterinärrat Peters
Veterinärrat Preuße
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Professor
Departementstierarzt
Kreistierarzt
Departementstierarzt
Departementstierarzt
Utrecht.
Hamburg.
Cöln.
Angermünde.
Bromberg.
Danzig.
Dr. Richter
Med.-Rat Dr. Roeder
Dr. Schlegel
Dr. J. Schmidt
Reg.-Rat Dr. Vogel
Zündet
Professor
Professor
Professor
Professor
Landestierarzt v. Bayern
KreiBtierarzt
Dresden.
Dresden.
Freiburg i. Br.
Dresden.
München.
Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908. JW. 8. Ausgegeben am 20. Februar.
Inhalt: Storch: Klinische Diagnostik^derYTuberkulose des Bauchfells und der abdominalen Lymphdrüsen beim Rinde
durch rektale Untersuchung. — Eberhard: Zwei Jahre Tuberkulosetilgung nach Ostertag. — Schwarz: Über
Lagemans Thüringer Pillen. — Referate: Utendörfer: Über Leukocytose beim Rinde unter besonderer Berücksichtigung
der Trächtigkeit und der Tuberkulose. — Scheibel: Bronchitis verminosa der Rinder und die verschiedenen Behandlungs¬
methoden derselben. — Kroening: Erfolgreiche Behandlung der verminösen Bronchitis der Schafe. — Vielhauer: Beiträge
zur Kenntnis der „chronischen-abszedierenden Euterentzttndungen“ des Rindes. — Kettner: Tympanitis des Luftsackes. —
Ligniöres: Die Tuberkulosediagnose bei den Tieren, vornehmlich den Rindern, durch gleichzeitige Anwendung der Ophthalmo-
und der Kutireaktion. — Zaruba: Über einen Futterausschlag, verursacht durch die Fütterung doldentragender Hopfenranken.
Evers: Hygienische Mängel unserer Stallbauten. Vorschläge zu der Abstellung, mit besonderer Berücksichtigung des
Schweinestalles. — Keraöny: Das Beleben eines scheintoten Kalbes. — Tagesgeschichte: Plessow: Zu dem Thema: Kreis¬
tierarzt — Privattierarzt. — Bericht über die VH. Hauptversammlung des Vereins der beamteten Tierärzte Preußens. (Fort¬
setzung.) — Kurpfuscher-Gesetz. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien.
Klinische Diagnostik der Tuberkulose des Bauch¬
fells und der abdominalen Lymphdrüsen beim Rinde
durch rektale Untersuchung.
Von Storch-Schmalkalden. —
Die Untersuchung lebender Rinder auf Tuberkulose gehört
zu den heikelsten und schwierigsten Aufgaben des tierärztlichen
Praktikers. Die Diagnose der tuberkulösen Erkrankung hält
der Laie im allgemeinen für leichter, als sie es in Wirklichkeit
ist. So kommt es, daß das Ansehen des Tierarztes durch
eine falsche Diagnose bei Untersuchung tuberkuloseverdächtiger
Rinder empfindlich geschädigt werden kann. Wohl sind wir in
der Erkenntnis der diagnostischen Hilfsmittel der Tuberkulose
fortgeschritten, u. a. haben uns die Veröffentlichungen Oster¬
tags und seiner Mitarbeiter (Untersuchungen über die klinische
und bakteriologische Feststellung der Tuberkulose des Rindes
1905) manche wertvollen Fingerzeige gegeben. Und doch ist
die Zahl der Fälle, in denen wir trotz eingehendster Befund-
aufnahme über eine gewagte Wahrscheinlichkeitsdiagnose nicht
hinauskommen, immer noch Legion. Die intramuskuläre Ver¬
impfung des unmittelbar nach einem Hustenstoße aus der
Bachenhöhle entnommenen Lungenauswurfs nach Ostertag läßt
sich zwar in praxi ohne Schwierigkeiten ausführen, eignet sich
aber für manche Fälle wenig, weil ein Urteil erst nach einer
längeren Reihe von Tagen gefällt werden kann.
Aus diesen Gründen möchte ich auf eine Untersuchungs-
metliode hin weisen, deren ich mich schon seit mehreren Jahren
regelmäßig bediene, nämlich die rektale. Selbstredend kann
dieselbe nur bmuchbare Ergebnisse zeitigen, wenn sich gröbere,
tuberkulöse Veränderungen an den vom Mastdarm aus mit der
Hand erreichbaren Bauchorganen und Peritonealabschnitten
befinden. Trotzdem gelingt es in zahlreichen Fällen, mittelst
der Mastdarmexploration Tuberkulose mit hinreichender Sicher¬
heit festzustellen. Meines Dafürhaltens kann die klinische
Prüfung von Rindern auf Tuberkulose gewöhnlich nicht als
erschöpfend angesehen werden, wenn die Untersuchung per anum
unterblieben ist.
Daß die rektale Methode bei der Diagnostik der Tuberkulose
mit Erfolg Verwendung finden kann, ist zwar durchaus kein
Novum, da fast alle Handbücher über Pathologie und Therapie,
gerichtliche Veterinärkunde, klinische Diagnostik bei Abhandlung
der Tuberkulose auf dieses diagnostische Hilfsmittel aufmerksam
machen, jedoch machen diese Hinweise größtenteils den Eindruck
des Nebensächlichen und zeichnen sich durch eine Kürze aus,
die in keinem Verhältnisse zu dem unbestreitbaren Werte
besagter Methode steht. Ich gebe kurz hier an, was die
bekanntesten einschlägigen Werke*) über die Mastdarmunter¬
suchung zwecks Festellung von Tuberkulose anführen:
Gerlach (Gerichtliche Tierheilkunde, I. 1862) er¬
wähnt nichts. *
Siedamgrotzky (Haubners Tierheilkunde, X. 1889):
„Zuweilen lassen sich Knoten am Bauchfell vom Mastdarm aus
abtasten.“
Harms (Rinderkrankheiten, I. 1890): „Bei der
Exploration per rectum fand ich einige Male Geschwülste auf
den serösen Häuten und zuweilen eine Vergrößerung der
Gekrösdrüsen.“
Friedberger-Fröhner (Pathologie und Therapie,
TH . 1892) führen unter Sperrdruck als klinisches Moment für
die Diagnose der Perlsucht an: „Nachweis der tuberkulösen
Wucherungen durch Einführung der Hand in den Mastdarm.“
Dieselben (Klinische Untersucliungs - Methoden,
I. 1892): „Endlich lassen sich vom Rectum aus.
Bauchfelltuberkulose palpieren.“ — „Von palpablen Geschwülsten
des Bauchfelles hat die Perlsucht des Rindes am meisten
*) Da ich von denselben teilweise nicht die neueste Auflage
besitze, habe ich immer Nummer und Herausgabezeit meiner Auf¬
lage angegeben.
142
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8 .
praktische Bedeutung. Das parietale und viscerale Bauchfellblatt
wird hierbei mittelbar in der Weise abgetastet, daß man die
Bauchwand von außen oder von innen, vom Mastdarm aus, mit
den Fingerspitzen überstreicht oder sie von außen auf den
unterliegenden Baucheingeweiden verschiebt und dabei zu er¬
mitteln sucht, ob das Bauchfell glatt oder höckrig, uneben, rauh,
mit Knoten besetzt ist.“
Malkmus (Klinische Diagnostik, I. 1899): „Knoten
(Tuberkulose) und Tumoren können (bei der Untersuchung vom
Mastdarm ans) nur dann sicher als vorhanden angenommen
werden, wenn sie mindestens haselnußgroß sind“. - „Die
mesenterialen, Lenden- und Kreuzbeinlymphdrüsen sind einer
Untersuchung vom Mastdarm aus zugänglich bei Pferd und Rind.“
Dieckerhoff ( Gerichtliche Tierarzneikunde. I. 1899)
erwähnt nichts.
Derselbe (Kinderkrankheiten. II. 1903) erwähnt nichts.
Fröhner (Gerichtliche Tierheilkunde. I. 1905) er¬
wähnt die rektale Methode nicht, sondern sagt bezüglich der
Bauchfelltuberkulose nur: „Mitunter lassen sich auch die Perl¬
knoten durch Palpation von außen naehweisen (Pansengegend,
Hungergrube).“
Malkmus (Gerichtliche Tierheilkunde. I. 190C>) er¬
wähnt die rektale Untersuchung nur als Hilfsmittel zur Fest¬
stellung der Uterustuberkulose.
Hutyra und Marek (Pathol. und Therap. I. 1905)
bringen Eingehenderes: „Größere Geschwülste am Bauchfell
lassen sich in einzelnen Fällen auch genauer feststellen. Die
an der linken Seite des Pansens oder auf dem gegenüber¬
liegenden Peritonealblatt befindlichen Perlknoten können mit der
auf die linke Hungergrube aufgelegten Hand, besonders beim
Darüberstreichen, die im Becken befindlichen aber, besonders
jene, welche in unmittelbarer Nähe der inneren Geschlechtsteile
gelagert sind, mit der in den Mastdarm eingeführten Hand
zuweilen sehr deutlich palpiert werden. In letzterem Falle
dürfen namentlich größere Geschwülste mit höckeriger Ober¬
fläche oder in größerer Anzahl vorhandene, kleinere, sehr harte
Gebilde als tuberkulöse Exkreszenzen angesprochen werden.“
Bei Abhandlung der Tuberkulose des Pferdes: „Durch die rektale
Untersuchung lassen sich zuweilen in der Bauchhöhle die ver¬
größerten Lymphdrüsen (Gekrösdrüsen) als bis mannskopfgroße,
derbe, höckerige, verschiebbare Geschwülste naehweisen, und
ähnliche Knoten können auch unter der Wirbelsäule, in der
Nähe der Nieren vorhanden sein.“
In der periodischen Literatur hat Svend Larsen (die
Resultate der Mastdarmuntersuchungen, ref. in B. T. W. 1896)
auf die Bedeutung der rektalen Exploration für die Feststellung
der Tuberkulose (Perlknoten auf dem Bauchfell, Tuberkulose
der Gekrösdrüsen, Eileiter- undEierstockstuberkulose) aufmerksam
gemacht. Zürn (Beiträge zur klinischen Diagnostik der Tuber¬
kulose des Pferdes. D. T. W. 1905) hat auf die Wichtigkeit
der mittelbaren Palpation der Bauchorgane — besonders der
Milz — vom Mastdarme aus für die Diagnostik der Tuberkulose
des Pferdes hingewiesen. Nach Godbille (zit. nach Ostertag)
kann man durch rektale Exploration die Tuberkulose der Darm¬
beindrüsen feststellen. MFadyean (zit. nach Ostertag) be¬
zeichnet die Mastdarmexploration als das fast einzige Mittel,
das zur Untersuchung der Bauchorgane anwendbar sei, betont
aber dessen Wertlosigkeit in denjenigen Fällen, in denen aus¬
gebreitete Bauchfelltnberkulose nicht vorhanden ist.
Ich unterlasse die rektale Untersuchung bei keinem auf
Tuberkulose zu untersuchenden Rinde, es handele Bich denn um
den seltenen Fall, daß neben den Symptomen der Lungen¬
tuberkulose charakteristische Veränderungen von außen abtast¬
baren Lymphdrüsen vorhanden seien. Das Rectum wird entleert;
dann überstreiche ich mit den Fingerspitzen alle erreichbaren
Partien des Peritoneum parietale und viscerale und suche in
der Bauchhöhle nach vergrößerten Lymphdrüsen — Lenden-,
Kreuzbein-, medialen Darmbein- und Gekrösdrüsen. — Bei
sorgsamer und genügend lange fortgesetzter Untersuchung findet
man denn nicht selten tuberkulöse Veränderungen in Gestalt
verschieden großer Knoten und Knötchen auf dem Bauchfelle,
besonders auf der PansenseroBa. Die Auswüchse bleiben bei
Druck mit dem Finger bestehen; die kleineren, kirschkern-
bis haselnußgroßen fühlen sich kugelig, scharf umschrieben,
derb, oft sogar steinhart an, sind schmerzlos und schnappen,
wenn sie in Granulationsgewebe locker eingebettet sind oder
gar pendulierende Beschaffenheit besitzen, unter dem Finger
hin und her. Größere Perlknoten präsentieren sich als schmerz¬
lose, derbe, oft höckerige Knollen. Die infolge höhergradiger
Tuberkulose vergrößerten Lymphdrüsen sind gleichfalls schmerzlos
und derb. Mitunter kann man auch auf ihrer Oberfläche Höcker
oder prominierende, harte Knötchen durch das Gefühl naehweisen.
Der Wert der rektalen Untersuchung wird durch vor¬
geschrittene Trächtigkeit sehr verringert; denn dann versperrt
der gravide Tragsack den Fingerspitzen den Weg zur Palpation
größerer Bauchfellpartien.
Zum Beweise der guten Dienste, die bei der Untersuchung
auf Tuberkulose die rektale Exploration zu leisten vermag, will
ich nur zwei Befunde hier anführen:
1. Eine ostfriesische, ungefähr achtjährige Milchkuh des
landgräflichen Gutes in B. magert nach Bericht des Züchters
trotz guten Appetites und munteren Benehmens seit einigen
Monaten ab und läßt in der Milchergiebigkeit nach. Husten ist
angeblich nicht gehört worden. Befund: Nährzustand schlecht.
Haarkleid struppig, glanzlos. Sklerodermie. Blick munter.
Das zum Zwecke der Untersuchung auf den Hof geführte Tier
reißt sich dort los und tollt in munteren Sprüngen umher.
Konjunktiven blaß. Flotzmaul beperlt. Puls, Atmung und
Temperatur normal. Keine nachweisbare Vergrößerung der
oberflächlichen Lymphdrüsen. Das Euter enhält keine Ver¬
härtungen. Nach längerem Zuhalten der Nasenlöcher hustet die
Kuh nicht. Bei Auskultation der Lungen läßt sich überall
Vesikuläratmen ohne Nebengeräusche naehweisen. Hungergrube
eingefallen. Pansenbewegung subnormal. Kot dickbreiig, ohne
Schleim- und Blutbeimengung. Kein Scheidenfluß. Bei der
Exploration des Mastdarmes fühlt man sofort auf dem Peritoneum
parietale zahlreiche, bis kinderfaustgroße, derbe, nicht druck¬
empfindliche Knoten mit unebener Oberfläche. Mediale Darm¬
beindrüsen kartoffelgroß, schmerzlos. Diagnose: Tuberkulose.
Sektion: Hochgradige Bauchfelltuberkulose, Tuberkulose der
bronchialen und mediastinalen Drüsen, in den Lungen nur ver¬
einzelte Knötchen. Ohne rektale Untersuchung wäre die
Diagnose wohl unmöglich gewesen.
2. Gelbrote Frankenkuh des Tünchers K. zu St, über zehn
Jahre alt. Vor bericht: Tier hustet und magert trotz reich¬
licher Futteraufnahme ab. Befund: Nährzustand schlecht. Haar
struppig. Haut über den Rippen noch faltbar. Sichtbare
i Schleimhäute bleich. Palpierbare Lymphdrüsen nicht nachweis-
20. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
143
bar vergrößert. Enter klein, schlaff nnd welk. P. 65, R. 38,
T. 38,6Kein Nasenausfluß. Bei Druck auf Kehlkopf und
Aiifangsteil der Trachea kein Husten. Vesikuläratmen rauh
verschärft. Nach längerem Zuhalten der Nasenlöcher hört man
stellenweise Piepsen. Auch hustet die Kuh dann. Husten kurz,
locker, ziemlich kräftig und wenig schmerzhaft. Pansen¬
bewegung und Darmperistaltik normal. Fäces dickbreiig.
Untersuchung per anum: Uterus völlig kontrahiert. Ventralwärts
vor dem Beckeneingang fühlt man mehrere harte, schmerzlose,
verschiebbare, kastaniengroße Knoten. Auf der Pansenoberfläche
lassen sich mit den tastenden Fingerspitzen zahlreiche linsen-
bis erbsengroße, auf Druck nicht verschwindende, derbe, rund¬
liche Knötchen nach weisen, die zum Teil hin und her schnappen.
Diagnose: Tuberkulose. Sektion: Tuberkulose der Lungen
der Pleura, des Peritoneum (besonders der Pansenserosa), der
Gekrös- und Nierenlymphdrüsen.
Zwei Jahre Tuberkulosetilgung nach Ostertag.
Von Tierarzt Eberhard-Caymen.
Vom 1. Oktober 1905 an wurde für die Herden der
Molkereigenossenschaft Nautzken (Kreis Labiau, Ost¬
preußen) das Ostertagsche Tuberkulosetilgungs-Ver¬
fahren eingeführt. Die Herden wurden jährlich einmal von
mir auf klinisch erkennbare Tuberkulose nach der bekannten
Methode untersucht. Die in Verdachtsfällen entnommenen Milch-
und Scheidenschleimproben wurden im ersten Untersuchungs¬
jahre im Laboratorium der „Ostpreußischen Holländer-Herdbuch¬
gesellschaft“, im zweiten Jahre im Laboratorium der Land¬
wirtschaftskammer für die Provinz Ostpreußen untersucht.
Die Tiere der Genossenschaftsherden gehören durchgängig
dem Typus des ostpreußischen Holländer-Rindviehs an.
Die Viehzahl der einzelnen Genossenschaftsherden schwankt
zwischen 8 und 129 Tieren, die zur Untersuchung kamen.
Untersucht werden die Deckbullen, alle Kühe und tragende
Starken. Diejenigen Tiere, welche bei der Untersuchung mit
offener Lungentuberkulose behaftet gefunden werden,
werden nach beendigter Untersuchung durch fortlaufend nume¬
rierte Ohrmarken gekennzeichnet, und es wird dem Besitzer
seitens der Genossenschaft zur Pflicht gemacht, diese Tiere
innerhalb einer mit dem Untersuchungstierarzt zu vereinbarenden,
möglichst kurz bemessenen Frist zwecks Schlachtung aus-
zumerzen. Beim Verdacht der Lungentuberkulose wird
der Besitzer verpflichtet, die betreffenden Tiere zu isolieren
(an das Ende des Stalles zu stellen ohne Gegenüber) und sie
zn beobachten. Jedoch steht es ihm frei, dieselben bis zur
nächstjährigen Untersuchung weiter zu halten. Wie sich im
zweiten Untersuchungsjahre herausstellte, waren aber auch von
diesen Tieren viele freiwillig seitens der Besitzer abgeschafft
worden. Häuflger hatte ich Gelegenheit, den Schlachtbefund
bei ausgemerzten Tieren selbst zu kontrollieren oder sonst
Auskunft über denselben zu erhalten. Von einer Fehldiagnose
ist mir dabei nichts bekannt geworden. Leider kann ich über
den Ausfall der bakteriologischen Untersuchungen der nach
Königsberg eingesandten Milch- und Scheidenschleimproben nichts
mitteilen, da mir von dort keine Nachricht hierüber zngeht.
Eine Entnahme von Kot, Rachenschleim oder sonstigen Pro¬
dukten zeigte sich in den beiden Berichtsjahren nicht erforderlich.
Nachstehend lasse ich das Untersuchungsergebnis der beiden
Jahre folgen:
In Prozenten ausgedrückt, stellt sich das Ergebnis
folgendermaßen dar:
Lungen¬
tuberkulose
oder Ver
dacht der¬
selben
Aus¬
gemerzt
wegen
Lungen¬
tuber¬
kulose
1 Verdacht
der !
Lungen- ;
tuber-
t kulose j
Mileh-
proben
Scheiden-
scldeiin-
proben
1
Erstos Jahr.
11,05%
3,22 %
7,83% 1
0 . 1 ) %
| 0,59 %
Zweites Jahr
8,34 %
2,31 %
6,03 %
0,63%
0,14 %
Wie die obigen Zahlen zeigen, hat sich der Prozentsatz
der tuberkulösen resp. tuberkulose-verdächtigen Tiere im zweiten
Untersuchungsjahre nicht unerheblich gebessert, was wohl
hauptsächlich auf die Ausmerzung aller mit offener Lungen¬
tuberkulose behafteter und vieler verdächtiger Tiere zurück¬
zuführen ist.
Bezüglich der Verteilung der Tuberkulose auf die einzelnen
Herden habe ich die Bemerkung gemacht, daß im allgemeinen
die kleineren Herden, was Tuberkulose anbetrifft, die ge¬
sünderen sind. Dieses hat jedensfalls darin seinen Grund, daß
in verhältnismäßig kleinen Herden der Besitzer die Tiere selber
besorgt und füttert. Infolgedessen kennt er jedes einzelne Tier
genau, und es entgehen ihm so leicht keine verdächtigen Er¬
scheinungen, so daß er meistens im eigenen Interesse schon
diejenigen Tiere beizeiten abstößt, die ihm nicht ganz einwand¬
frei Vorkommen. In größeren Herden fehlt dem Besitzer mehr
oder weniger der Überblick über den Viehbestand, und betreffs
der einzelnen Tiere muß er sich auf die Beobachtungen des
wenig Interesse zeigenden und oft unzuverlässigen Personals
(der Schweizer usw.) verlassen, so daß es ihm beim besten
Willen häufig nicht möglich ist, ohne tierärztliche Hilfe seinen
Bestand einigermaßen rein zn erhalten.
Der Prozentsatz der ausgemerzten Tiere in den einzelnen
Herden schwankte im ersten Untersuchungsjahre zwischen
0 und 19,3 Proz., im zweiten Jahre zwischen 0 nnd 14,3 Proz.,
der Prozentsatz der verdächtigen Tiere im ersten Jahre
zwischen 0 und 12,8 Proz., im zweiten Jahre zwischen 0 nnd
25 Proz. Die prozentualiter die meisten lungentuberkulösen
nnd der Lungentuberkulose verdächtigen Tiere enthaltende
Herde war im ersten Jahre eine Herde mit 35,09 Proz., im
zweiten Jahre eine solche mit 25 Proz.
Die Untersuchung im zweiten Jahre lieferte also jedenfalls
ein günstiges Ergebnis, welches wir dem Ostertagschen
Tuberkulose-Tilgungs-Verfahren zu verdanken haben. Das wird
auch von allen einsichtigen Landwirten anerkannt, und es ist
144
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
mit Gewißheit anzunehmen, daß wir durch dieses Verfahren,
verbunden mit der sogenannten tuberkulosefreien Aufzucht
der Kälber, im Laufe der Zeit die Tuberkulose in unseren
Herden ganz bedeutend eindämmen werden.
Über Lagemans Thüringer Pillen.
Von Dr. med. S. Schwarz -Konstantinopel.
In Nr. 19 (11. Mai 1907) der „B. T. W.“ lese ich einen vom
Dozenten Herrn Dr. Zimmermann, Budapest unter obiger Über¬
schrift verfaßten Aufsatz, der mich zur Widerlegung und Richtig¬
stellung auffordert.
Ich bin zwar weder Tierarzt, noch Tierzüchter, ich bin nur der
Schöpfer dieser Pillen und fühle mich deshalb berechtigt, ja sogar
verpflichtet, die auf höchstwahrscheinlich unterlaufene Irrtüraer
beruhenden Behauptungen des Herrn Dozenten, welche geeignet
sind den guten Leumund meines Kindes zu beeinträchtigen, näher
zu beleuchten. Andererseits wieder liegt es im Interesse der
Wissenschaft, sowie in dem der Tierzüchter, denen infolge von
Mißverständnissen unberechenbarer Schaden erwachsen könnte, den
wahren Sachverhalt klarzustellen und ersuche Sie daher, hoch¬
verehrter Herr Redakteur, meinen Auseinandersetzungen ein be¬
scheidenes Plätzchen in Ihrem geschätzten Blatte anweisen zu
wollen, wofür ich Ihnen im voraus bestens danke.
Nach mehr als 20 jährigen Versuchen und wissenschaftlichen
Forschungen ist es mir gelungen, ein gegen infektiöse, akute und
chronische Diarrhöe sicher wirkendes Mittel in Pillenform zusammen¬
zusetzen, das von unzähligen Ärzten und Laien erprobt und begut¬
achtet wurde. Die Bestandteile dieser Pillen sind, wie sie Herr
Dr. Zimmermann richtig angibt: Myrobalani indici, pelletierinum,
Extractum granati, Extr. rosarum und Gummi arabic. Da die
Myrobalanen einen purgierenden Stoff enthalten, der besonders
sorgfältig extrahiert werden muß, und um ein gleichmäßiges
Präparat zu erhalten, vertraute ich die Herstellung des Mittels der
chemischen Fabrik des Herrn Lage man, die es (unter meiner
persönlichen Präparierung der Myrobalanen) unter dem Namen
„Thüringer Pillen“ (jetzt Thürpil genannt) in den Verkehr brachte.
Dem Herrn Departementstierarzt Veterinärrät Wallmann Erfurt
gebührt das Verdienst, die ersten Versuche mit dem Thürpil in
Deutschland angestellt zu haben und seiner Publikation „Zur Be¬
handlung der Kälberruhr“ (in Nr. 40 der Berliner Tierärztlichen
Wochenschrift 1894) verdanken Hunderte von Landwirten die Er¬
haltung ihrer Tierbestände, die infolge von Ruhrepidemien dezimiert
wurden. Herr Veterinärrat Wall mann schreibt (1. c.): „Ich habe
die Pillen in vielen Fällen von Kälberruhr, ferner wiederholt bei
der katarrhalischen, mit heftigen, oft blutigen Diarrhöen verbundenen
Form der Hundestaupe in Anwendung gebracht. Es wurden von
mir etwa 40 Fälle von Kälberruhr ausschließlich mit dem von der
Fabrik unter dem Namen „Thüringer Pillen“ in den Handel ge¬
brachten Präparat behandelt und habe ich fast ausnahmslos immer
Erfolge zu verzeichnen gehabt, wie ich sie von den früher ver¬
wendeten nicht annähernd beobachtet hatte. Die Durchfälle lassen
meistens schon am zweiten Tage der Behandlung nach und habe
ich Jungkälber sich erholen gesehen, die sich so hinfällig zeigten,
daß sie außerstande waren, sich zu erheben und den Kopf auf¬
recht zu erhalten. Auch in Fällen von Hundestaupe habe ich die¬
selben günstigen Resultate zu verzeichnen und stimmen die Herren
Kollegen, denen ich die Pillen zur Verfügung gestellt habe, mit
mir in bezug auf die günstige Wirkung des Präparates überein.“
Soweit Wallmann, der bis zur Stunde seine Angaben aufrecht er¬
hallt. Als ich vor etwa zwei Jahren, während einer Ferienreise
Herrn Lageman besuchte, hatte ich Gelegenheit bei ihm über
1200 überaus lobende Anerkennungsschreiben von Professoren der
Tierheilkunde, sowie von angesehenen Tierärzten und Laien zu
sehen, die jedermann zur Einsicht aufliegen.
Soviel über die Entstehung und den wahren Wert des „Thürpil“,
den ich weiter unten auch wissenschaftlich begründen werde, woraus
man auch ersehen wird, daß das Medikament keinesfalls, wie
mancher irrtümlich behauptet, von einem Laien zusammengesetzt
wurde. Es entstand durch mühselige mikroskopische und bakterio¬
logische Forschungen, die nicht mutwillig verleugnet werden können.
Wollen wir nun auch den Herrn Dozenten Dr. Zi mm ermann
anhören. Der Herr Dozent teilt uns in der Einleitung seines
oberwähnten Aufsatzes mit, daß Herr Oberveterinär Dr. Goldbeck-
Sagan in Nr. 31 und 48 1906 der Deutschen Tierärztlichen Wochen¬
schrift zwei Artikel über Kälberruhrbekämpfung veröffentlichte, in
denen er auch die Thüringer Pillen erwähnt. Ferner erzählt uns
Herr Dr. Zimmermann, daß auch er, ermutigt durch die „günstigen
Erfahrungen anderer“, vor zehn Jahren in der internen Klinik
der Königlichen Tierärztlichen Hochschule zu Budapest bei Staupe¬
fällen und Hühnercholera, während Herr Obertierarzt Born auf der
Krondomäne Gödöllö bei Kälberruhr mit den Thüringer Pillen Ver¬
suche anstellte und beide Herren gleich ungünstige Erfolge erzielten.
Über die Art der Born sehen Versuche schweigt sich der Herr
Dozent gründlich aus, während er über die seinigen uns nur so viel
mitteilt, daß er das Mittel mit Rotwein reichte, da ohne diesen
im Beginne der Versuche man absolut keine günstige Wirkung
beobachten konnte. Wenn eine Besserung, meint der Herr Dozent
im katarrhalisehen Zustande eingetroffen, so war das in den meisten
Fällen nicht unmittelbar kurz nach der Eingabe der Thüringer
Pillen, sondern erst nach mehreren Tagen, erst nach der öfters
wiederholten Anwendung der Pillen. Unangenehme Wirkungen
beobachtete er weder während, noch nach der Anwendung der
Pillen, aber auf die infektiösen, akuten Darmerkrankungen übten sie
auch keine „spezifische“ Wirkung aus.
Wollen wir nun die Mitteilungen des Herrn Dozenten näher
betrachten Was die Einleitung betrifft, so liegen die Nummern 31
und 48 der „Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift“ vor mir und er¬
sehe ich aus Nr. 31, daß der Herr Oberveterinär Dr. Goldbeck seine
Behandlungsmethode zur Bekämpfung der Kälberruhr bespricht und
sagt, daß er als Medikament das Salizyl-Tanninalbuminat verwende,
welches geeignet erscheint, die in Laienkreisen beliebten, den
Tierarzt verdrängenden „Thüringer Pillen“ zu ersetzen, aber sonst
kein Sterbenswörtchen mehr. In Nr. 48 kritisiert Herr Dr. Gold-
beck eine Lagemansche Broschüre und gesteht offen und ehrlich:
„Im übrigen liegt es mir durchaus fern, etwa behaupten zu wollen,
daß diese Pillen nicht eine günstige Wirkung entfalten, Herr
Veterinärrat Wallmann hat dies erklärt und ich habe keine
Erfahrung mit denselben“. Zum Schlüsse des Artikels fordert Herr
Dr. Goldbeck zur Bekämpfung der Thüringer Pillen auf, weil sie
geeignet sind, die tierärztliche Praxis zu schädigen. Ich fühle mich
nicht berufen, über die Goldbeckschen Artikel weder ein lobendes
noch ein abfälliges Urteil zu fällen und muß ihm nur recht geben,
wenn er pro domo kämpft, daß er aber, ohne zu wollen, den
Thüringer Pillen das schönste Gutachten ausstellt, ist auffallend.
In dem Momente, als er die Behauptung aufstellt, daß die in Laien¬
kreisen so sehr beliebten Thüringer Pillen die tierärztliche Praxis
bedrohten, mußte er sich selbst sagen „Volksstimme ist Gottes¬
stimme“. Herr Dr. Goldbeck wird mir gewiß diese scherzhafte
Bemerkung nicht übel nehmen und wird sich hoffentlich mit den
Thüringer Pillen, von denen er erfahren hat, daß sie auf streng
wissenschaftlicher Basis zusammengesetzt sind, baldigst auesöhnen.
Wir Männer der Wissenschaft sind dazu verurteilt, unser Privat¬
interesse dem des allgemeinen Wohles zu unterordnen.
Kehren wir nun zu den weiteren Mitteilungen des Herrn Dr.
Zimmermann zurück. Ist es ja schon genug auffallend, daß ein
Gelehrter, der sich die Mühe nimmt, den Wert eines Medikaments
zu prüfen, uns erst nach sage zehn Jahren die Resultate seiner
Versuche mittcilt, so sind die jeder wissenschaftlichen Begründung
entbehrenden Mitteilungen noch auffallender. Wenn der Herr
Dozent uns mitgeteilt hätte, welche wissenschaftlichen Befunde
seine Diagnose bestätigten und er, trotz eingehaltener vorschrifts¬
mäßiger Diät und Reichung der Pillen keine günstigen Resultate
erzielte, so wäre Seine Behauptung, daß er keine „spezifische“
Wirkung der Pillen auf die infektiöse, akute Darmerkrankung
beobachtet habe, vollständig gerechtfertigt, sonst aber klingt sie
nur wie ein automatisches „sic volo“. Ich widerspreche seiner
persönlichen Ansicht, weil es mehr als eine Ansicht doch nicht
sein kann, will aber den Widerspruch begründen.
20. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
145
Untersucht man nämlich mikroskopisch die Dejekte eines
infektiös akut oder chronisch erkrankten Darmes, so findet man
eine Unzahl von Mikroorganismen, welche als Krankheitserreger
betrachtet werden müssen, weil sie gezüchtet und auf andere Tiere
übertragen dieselben Krankheitserscheinungen hervorrufen. Reicht
inan einem derart erkrankten Tiere die Thüringer Pillen (Thttrpil),
so kann man schon am folgenden Tage mikroskopisch nicht nur
eine merkliche Abnahme der Mikroben, sondern auch viele derselben
ira Detritus begriffene konstatieren. Nach einigen Tagen, bei Fort¬
setzung der Pillen, verschwinden die Krankheitserreger vollständig
und das Tier befindet sich in voller Rekonvaleszenz. Mithin üben
die Pillen doch eine „spezifische“ Wirkung aus. Auch unverständlich
ist mir folgende Behauptung des Herrn Dr. Zimmermann: „Wenn
eine Besserung im katarrhalischen Zustande eingetroffen, so war
das in den meisten Fällen nicht unmittelbar kurz nach der Eingabe
der Thüringer Pillen usw. Ich würde, trotz meiner 36jährigen
praktischen Erfahrungen jenem Herrn Kollegen zu außerordentlichem
Danke verpflichtet sein, der mir ein Medikament namhaft machen
wollte, das bei katarrhalisch infektiösen Erkrankungen des Darm¬
kanals „unmittelbar“ nach der Eingabe auffallende Besserung
erzeugen sollte. Eine etwa eingetretene Besserung bei seinen
Versuchstieren, schreibt Herr Dr. Ziinmermann dem Tanningehalte
des Rotweines zu, mit dem die Pillen gereicht wurden. Was also
die in den Myrobalanen und in den andern Vegetabilien enthaltene
Gerbsäure nicht leisten konnte, tat der Tanningehalt des Rotweines
(sic!). Ich bin leider nicht in der Lage eine derartige Behauptung
zu verdauen und überlasse sie den geehrten Herrn Lesern zur
weitern Beurteilung.
Folgen wir dem Herrn Dr. Zimmermann in seiner analytischen
Besprechung der in den Pillen enthaltenen Vegetabilien, finden wir
den Auszug eines pharmakologischen Kompendiums, das die einzelnen
Stoffe oberflächlich berührt und so auch über die Myrobalanen sagt
daß sie Gerbsäure enthalten, ohne die eigentümliche Eigenschaft
dieser Gerbsäure anzugeben. Ich will sie dem Herrn Doktor ver¬
raten. Die in den präparierten Myrobalanen enthaltene Gerbsäure
besitzt die Eigenschaft, in Verbindung mit den andern in den Pillen
beigemischten tanninhaltigen Stoffen, den Magen ungelöst zu passieren
und erst im Dünn- und Dickdarme sich zu lösen, wodurch sie direkt
auf die erkrankten Stellen desinfizierend wirkt, worauf ich noch
zuriiekkommen werde. Jetzt wird der Herr Dozent erklärlich finden,
waru ii die anderen, durch deren günstige Erfahrungen er zu Ver¬
suchen veranlaßt wurde, gute Erfolge erzielten, sich aber auch
gleich mir die Frage vorlegen, ob nicht bei seinen Versuchen Irr-
tümer unterlaufen sind, welche die Mißerfolge verursachten.
Herr Dr. Zimmermann sagt ferner: „Die Lagemanschen
Pillen sollen gegen infektiöse Darmerkrankungen ihre spezifische
Wirkung ausüben. Sonderbarerweise enthalten sie aber gar kein
desinfizierendes Mittel usw.“ Weiter: „Lagemans Thüringer Pillen
töten den Infektionsstoff der erwähnten Katarrhe nicht, sondern
sollen dadurch eine viel günstigere Wirkung als die anderen, des¬
infizierenden zusammenziehenden* Mittel ausüben, daß sie den Nähr¬
stoff der Bakterien, in diesen Fällen den Darininhalt zur weiteren
Virulenz der Mikroben unmöglich machen. Sie vernichten also
nicht die Mikroorganismen, sondern hemmen ihre weitere Ent¬
wicklung, ihre Vermehrung usw.“ Schließlich behauptet Herr
Dr. Zimmermann: die Besserung, welche bei einigen Fällen ein¬
getreten ist, hätte sich vielleicht wie bei vielen anderen Fällen
auch ohne Behandlung eingestellt.
Bezüglich der letzten Äußerung kann ich nur sagen: „Tout
eomme chez nous“. Auch bei uns behaupten die Alttürken: „Er
wäre auch ohne Medikamente gesund geworden“, während der
Jungttirke der Ansicht ist: „Er wäre auch ohne ärztliche Hilfe ge¬
storben“. Die anderen Behauptungen dagegen wollen näher be¬
leuchtet werden. Welche besonderen Ansprüche Herr Dr. Zimmer¬
in ann an ein desinfizierendes Mittel stellt, ist mir zwar unbekannt,
jedoch hoffe ich, daß er mir beistimmen wird, wenn ich behaupte, daß
jede organische oder anorganische Substanz, welche auf Mikroben
schädigend einwirkt, ob sie dieselben direkt durch Vergiftung oder
indirekt durch Nahrungsentziehung tötet, als desinfizierendes
Mittel betrachtet werden muß. Nun stellen die von Prof. Maier,
Uoletti u. a. (1 nuovi rimedi Nr. 6, 7 und 8, 1897) angestellten
mikroskopischen und bakteriologischen Untersuchungen fest, daß in
Fällen von infektiösen Diarrhöen, bei denen man Salol, Benzo
naphthol, Asaprol undTannalbin erfolglos anwandte, dje Lagernan-
schen Pillen die Mikroben degenerierten, worauf in kurzer Zeit
Heilung eintrat. Diese Tatsache wird auch von den Herren Richard
und Sej an o bestätigt. Ob nun die Myrobalanen oder die in den Pillen
enthaltenen anderen Vegetabilien den Löwenanteil an der Ver¬
nichtung der Mikroben nehmen, wollen wir hier nicht prüfen, daß
aber das Thürpil desinfizierend wirkt, kann nach den angestellten
Versuchen der oben genannten Herren nicht mehr in Abrede ge¬
stellt werden. Muß denn übrigens ein Desinfektionsmittel Lysol,
Karbol, Sublimat und dergleichen heißen, es kann ja ebenso gut
Thürpil genannt werden, wenn es nur tatsächlich die Krankheits¬
erreger zerstört.
Diese wissenschaftlich erwiesene Tatsache, sowie die in Praxis
in aller Herren Länder mit dem Thürpil erzielten günstigen Er¬
folge, machen es unerklärlich, warum gerade in Budapest die an¬
gestellten Versuche ungünstig ausfielen. Die vom Herrn Dozenten
Dr. Zimmermann argumentlos angegebenen Behauptungen, könnten
mich schier zur hypothetischen Annahme verleiten, daß der Ver¬
dauungskanal der ungarischen Kälber und Hunde anders konstruiert
sei, als derjenige der gleichen Tiere anderer Länder.
Referate.
(Aus dem Veterinärinstitut Leipzig.)
Über Leukocytose beim Rinde unter besonderer Be¬
rücksichtigung der Trächtigkeit und der Tuberkulose.
Von Tierarzt Dr. Utendörfer-Schmalkalden.
(Archiv für wiNsensch. und pr&kt. Tierhcilk., Ud. 33, Heft 4 u. 5.)
Als Untersuchungsmaterial benutzte Utendörfer eine große
Anzahl der im Schlacht- und Viehhof zu Frankfurt a. M., im
Veterinärinstitut und im landwirtschaftlichen Institut zu Leipzig
anfgestellten Rinder. Zur Blutentnahme diente der Ohrmuschel¬
rand; zur Abmessung des Blutes nahm Verfasser die Misch¬
pipetten nach Thoma. Für die Unterscheidung der Leukocyten
in Lymphocyten, neutrophile und eosinophile, bediente er sich der
Färbung nach Romanowsky-Giemsa. Die vorgenommenen
Untersuchungen erstreckten sich auf: 1. normale Leukocytenzahl
im Blute von Rindern, 2. Zahl der weißen Blutkörperchen
während der Verdauung, 3. Verhalten der weißen Blutkörperchen
während der Trächtigkeit, 4. Verhalten derselben bei Tuber¬
kulose, 5. Verhalten derselben nach Tuberkulininjektion, 6. Be¬
deutung der Leukocytose für den Organismus.
Das Resultat vorliegender Arbeit gipfelt in folgendem:
1. In den verschiedenen Altersstufen des Rindes ist die
Menge der Leukocyten im Blute verschieden, dergestalt, daß
jugendliche Tiere eine größere Anzahl aufweisen wie ältere.
2. Geschlecht und Kastration haben keinen Einfluß auf die
Leukocytenzahl.
3. Das Verhältnis der Leukocytenarten untereinander ist
ähnlich dem beim Menschen, mit der Abweichung, daß für die
eosinophilen Zellen beim Rinde meist höhere Werte gefunden
wurden wie beim Menschen.
4. Eine Leukocytose während der Verdauung und Trächtig¬
keit tritt beim Rinde nicht auf. Die festgestellten Schwankungen
in der Zahl der Leukocyten liegen in den physiologischen Grenzen.
5. Die Produktion von spezifischer Nährflüssigkeit in den
Milchdrüsen scheint einen Einfluß auf die Bildung von eosino¬
philen Zellen zu haben.
6. Eine Leukocytose tritt nach künstlicher Infektion mit
Tnberkelbazillen, bei der schweren Form der Tuberkulose, unter
sonst normalen Verhältnissen stets ein.
**
146
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
7. Das Sinken der Leukocytenmenge bei Tuberkulose kurz
vor dem Tode unter die Norm ist auf das Einwirken von
Toxinen auf das Blut zurückzuführen.
8. Das prozentuale Verhältnis der Leukocytenarten unter¬
einander entspricht bei Tuberkulose den normalen Werten.
9. Eine Leukocytose tritt nach Tuberkulininjektionen im
gesunden Körper stets ein.
10. Die Zahlenwerte der eosinophilen Zellen erfahren nach
Tuberkulininjektionen eine Steigerung.
11. Die Temperaturerhöhung bei Tuberkulininjektionen ist
ebensowenig wie die gelegentlichen Temperaturerhöhungen im
Verlaufe der künstlichen Infektion mit Tuberkulose als ver¬
anlassendes Moment für das Zustandekommen der nach Tuber¬
kulininjektionen eintretenden Leukocytose anzusehen.
12. Die Leukocytose unterstützt den Körper in der Abwehr
schädlicher Einwirkungen. J. Schmidt.
Bronchitis yerminosa der Rinder nnd die verschiedenen
Behandlungsmethoden derselben.
Von Dr. Albert Scheibei, Kreisycterinärarzt in Schotten.
(Deutache Tierirztl. Wochenschrift 1907, Nr. 48.)
Scheibel hatte Gelegenheit, das seuchenhafte Auftreten der
Bronchitis verminosa unter dem Rinderbestande eines Ortes am
Nordabhange des Vogelsberges zu beobachten. Er verbreitet
sich über die Anamnese, die klinischen Erscheinungen, das
Sektionsergebnis, die Ätiologie und Therapie. In differential¬
diagnostischer Beziehung macht er darauf aufmerksam, daß die
an der Lungenwurmseuche leidenden Rinder viel liegen, während
lungenseuchekranke Rinder meist mit ausgespreizten Vorder¬
beinen sich stehend zu erhalten suchen.
Die Behandlung mit innerlich anzuwendenden Mitteln ließ
im Stiche. Auch die Räucherungen mit Teer leisteten nichts.
Dasselbe Resultat hatte die interne Anwendung von Kreosot¬
kapseln (50 Proz. Kreosot-Vasoliment). Auch die von Strebei
empfohlene Methode, ein Gemisch von 4 Teilen Äther und einem
Teil Terpentinöl dreimal täglich einen Kaffeelöffel voll in ein
Nasenloch einzugießen, hatte keinen nennenswerten Erfolg.
Verfasser versuchte dann die intratracheale Injektion von
verschiedenen Mitteln, nämlich 1. 01. Olivarum, 01. Terebinth.
ää 100,0, Kreolin 5,0. 2. Kreosot 1,0, Spirit, rect., Aqu. destill.
ää 50,0. 3. 3 proz. Therapogeji. 4. 01. Olivarum, 01. Terabinth.
ää 100,0 Acid. carbol. liquefact., 01. animal, foet. ää 2,0. Wenn
auch diese Behandlung gewisse Erfolge brachte, so haftet ihr
doch der Mangel an, daß die beigebrachte Flüssigkeitsmenge in
der Lunge nach den tiefsten Stellen sich senkt und nicht alle
Wurmnester berührt. Scheibel versuchte nun auf Empfehlung
von Malkmus den von Malkmus abgeänderten Frickschen
Spray-Apparat (Hauptners Katalog von 1907, Abteilung 22,
Nr. 3357). Da dieser Apparat jedoch zum Gebrauche bei
Pferden eingerichtet ist, ließ ihn Scheibel von Hauptner
zum Gebrauche bei Rindern umändern. Scheibel sah bei den
früheren Behandlungsmethoden den besten Erfolg vom Kreosot.
Er verwendete demnach für den Spray Kreosot 1,0, Spir. rect.,
Aqu. dest. ää 50,0. Durch einen Versuch, in einer frisch ge¬
schlachteten Lunge die Würmer durch diesen Spray zu töten,
fand Scheibel, daß man den Spray mindestens 8 Minuten lang
andauern lassen muß. Am lebenden Tier muß man den Spray
in dieser Zeit zur Vermeidung von Erstickungsanfällen zuweilen
unterbrechen. Diese Behandlung muß mindestens am 2. Tage
wiederholt werden und man kann den mittelst Bändern am Halse
fixierten Tubus in der Zwischenzeit wie einen gewöhnlichen
Tracheotubus liegen lassen. Der Erfolg dieser Behandlung war
über Erwarten günstig. Rdr.
Erfolgreiche Behandlung der yerminösen Bronchitis
der Schafe.
Von Stabsveterinär Kroening.
(Zeitschr f Veferlnärk. 1907, 8. 434.)
In zwei aufeinanderfolgenden Jahren im Spätherbst, hatte
Kroening in zwei größeren Stammschäfereien Gelegenheit, sich
eingehend mit einer seuchenartig unter den Lämmern auftretenden
Lungenwurmkrankheit zu befassen. — Kroening schildert die
beobachteten Symptome, die Lungenwürmer (Strongylus filaria),
die durch diese hervorgerufenen pathologischen Prozesse und
Folgezustände und beschäftigt sich unter Berücksichtigung der
Literatur mit der Behandlung dieser gefürchteten Schafkrankheit.
Kroening machte sich die von Wessel beim Rinde gesammelten
Erfahrungen zunutze und injizierte jedem hustenden Schaf 5 g
einer lproz. wässerigen Karbolsäurelösung intratracheal. Die
Schafe wurden hierzu auf eine Schlachtbank gelegt mit stark
rückwärts gehaltenen Köpfen, damit sich die Trachea besser
markierte. Die schon ganz entkräfteten Tiere gingen nach der
Injektion dennoch zugrunde, bei sämtlichen noch einigermaßen
kräftigen setzte aber nach einer einzigen Einspritzung sofort
die Besserung und nach einigen Tagen Genesung ein. Schon
am Tage nach der Injektion war die Atmung ruhiger, Husten
war zwar noch vorhanden, jedoch nicht mehr so quälend, die
Schafe husteten sich leichter durch. Mehrere Tiere erhielten nach
drei Tagen eine zweite Injektion von 5 g und erholten sich dann
sehr bald.
Prophylaktisch empfiehlt Kroening: Vernichten der Lungen,
Desinfektion des Stalles mit Formalinlösung, Meiden der tief¬
gelegenen Weideplätze im Frühjahr und Sommeranfang, im
Spätsommer Behandlung des hustenden Weideviehs, ehe die
Krankheit vorschreitet. Richter.
Beiträge zur Kenntnis der „chronischen-abszedierenden
Euterentzündungen 6, des Rindes.
Von Carl Vielhauer, Polizeitierarzt in Hamburg.
(An» der bakteriologischen Station des Hamburgiscben Veterinärweaens.)
(Zeitschrift f. Tiermedizin, XI. Band, S. 336—358.)
Gelegentlich seiner Untersuchungen über die Identität des
Bacillus pyogenes suis Grips und des Bacillus pyogenes bovis
Künnemann machte Glage auf eine chronische abszedierende
Euterentzündung der Milchkühe aufmerksam, die bisher noch
nicht beschrieben war. Glage fand, daß sich bei dieser Euter¬
entzündung reichliche Bindegewebswucherung einstellt und daß
sich Abszesse .bilden, in denen die Gripschen Bazillen massen¬
haft vorhanden sind. Vielhauer hat nun Hunderte von Eutern
untersucht, die mit dieser Mastitis behaftet waren. Das Resultat
seiner Untersuchungen faßt er wie folgt zusammen:
Die „chronische - abszedierende“ Euterentzündung
des Rindes ist eine spezifische selbständige Mastitis,
welche durch den Bacillus pyogenes hervorgerufen
wird. Ihr Wesen bildet eine eiterige Entzündung, die
je nach Umständen in verschiedener Weise verknüpft
ist mit entzündlicher Neubildung. Ihrem Sitze nach
hat man zwischen zwei Formen zu unterscheiden und
zwar einer in der Hauptsache äü den ausführenden
20. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
147
Apparaten der Milchdrüse verlaufenden katarrhalisch¬
eitrigen Entzündung und einer interstitiellen Form.
Die erBtere greift gelegentlich per continuitatem auf
das Alveolargewebe über und führt so zur paren¬
chymatös-eitrigen Mastitis.
Die interstitielle Form verläuft im Stützgewebe
des Euters und stellt kleinste, eitrige Infiltrations¬
herde dar, welche von einer starken entzündlichen
Neabildungszone umgeben sind, so daß makroskopisch
zunächst anscheinend solide, kleine Knötchen ent¬
stehen.
Beide Formen führen im weiteren Verlaufe zur
Entstehung verschieden großer und gestalteter
Abszesse, die regelmäßig umgeben sind von einer
starken schwieligen Kapsel. Rdr.
Tympauitis des Luftsackes.
Von Oberveterinär Kettner.
(Zeitsehr. f. Veterinärk. 1907, S. 394.)
Ein fünfjähriger Wallach hatte vor Jahresfrist schwere
Druse überstanden, worauf an der linken Halsseite eine An¬
schwellung eingetreten war, die erfolglos behandelt worden war.
Nach dem Vorbericht sei bei schwerer Arbeitsleistung des
Pferdes stets ein eigentümliches Röcheln sowie Flankenschlagen
wahrzunehmen. — K. fand in der linken Parotisgegend eine
reichlich faustgroße, mäßig gespannte Geschwulst, welche kalt,
schmerzlos und puffig war und beim Beklopfen einen tympa-
nitischen Ton gab. Durch einen kräftigen Druck auf die
Geschwulst bei gleichzeitigem Gegenhalten auf der gesunden
Seite ließ sich unter Hörbarwerden eines zischenden Geräusches
die Geschwulst verkleinern. Nasenausfluß und Schwellung der
Kelilgangsdrüsen fehlten. — Diagnose: Tympanitis des linken
Luftsackes. — K. operierte, indem er im Viborgschen Dreieck
einging und mit dem bohrenden Finger den Luftsack an der
tiefsten Stelle durchstieß, der keine Veränderungen fühlen ließ.
Ein Drainrohr wurde eingesetzt; als dieses nach acht Tagen
entfernt worden war, füllte sich der Luftsack in zwei Tagen
von neuem. Mehrfaches Trokarieren brachte nur vorübergehend
Besserung — die Operationswunde heilte. Die puffige An¬
schwellung hatte Kindskopfgröße angenommen, doch waren die
Beschwerden des Tieres verringert. Die Größe der Geschwulst
wechselte in der Folgezeit.
Vermutlich hat seinerzeit eine phlegmonöse Pharyngitis auf
die Tuba übergegriffen, nach deren Abheilung (kleine Abszesse)
Narbenretraktion zustandegekommen sein dürfte. — Eine Spaltung
der Tuba zwecks Aufhebung der ventilartigen Wirkung wurde
vom Besitzer abgelehnt. Richter.
Die Tnberknlosediagnose bei den Tieren, Tornehmlicb
den Bindern, durch gleichzeitige Anwendung der
Ophthalmo- und der Kutireaktion.
Von Prof. Ligniöres.
(Recneil d’Alfort 10. November 1907.)
Der Verfasser, welcher die von von Pirkett beim Menschen
entdeckte Kuti- und die von Wolff-Eisner bekannt gegebene
Ophthalmoreaktion bei bis jetzt etwa 200 Rindern nachgeprüft
bat, gibt in folgendem seine Erfahrungen darüber bekannt.
Die Reaktion wird bei tuberkulösen Tieren nicht nur von
Tuberkulin allein, sondern auch von abgestorbenen Tuberkel¬
bazillen erzeugt. Das Tuberkulin ist dabei nicht als verdünntes,
sondern als reines oder noch besser in etwas konzentrierterer
Form zu verwenden. Die von Pirkettsche Methode, bei
welcher das Tuberkulin in die vorher skarifizierte Haut ein¬
gerieben wird, nennt er Dermoreaktion oder kurz DR. Eine
Methode, welche der Verfasser selbst ausprobiert hat, und bei
welcher er das Tuberkulin in eine frisch rasierte, nicht skari¬
fizierte Hautstelle einreibt, gibt er den Namen Kutireaktion
oder CR. Die Anwendung beider Methoden bei einem und
demselben Tiere, benennt er mit dem Worte Kutidermo-
reaktion oder CDR.
Um ein Rind auf Tuberkulose zu prüfen, wendet er zugleich
die Ophthalmo- und die Kutireaktion oder sogar die Ophthalmo-
Kutidermoreaktion (OCDR) an, die sich gegenseitig nicht
im geringsten beeinträchtigen. Der Kopf des Rindes wird nach
der Seite gedreht, das obere Augenlid umgestülpt und in die
Mitte der Conjunctiva, nicht in den inneren Augenwinkel, ein
Tropfen Tuberkulin instilliert. Das Auge, das sich sogleich
danach schließt, wird leicht massiert, damit sich das Tuberkulin
möglichst darauf verteilen kann. Das letztere verdünnt sich
in den Tränen und können diese manchmal die Ursache
des Mißlingens der Ophthalmoreaktion sein, wenn sie die
Conjunctiva abwaschen und das Tuberkulin aus dem Auge
entfuhren.
Die tuberkulösen Tiere zeigen stets eine schön aus¬
gesprochene Ophthalmoreaktion, die oft schon vor der dritten
Stunde sich einstellt und durch Tränen, Hyperämie der Con¬
junctiva und besonders durch die Bildung von weißen Eiter¬
klümpchen, die fast ausschließlich aus polynukleären Zellen zu¬
sammengesetzt sind, gekennzeichnet ist. Diese Klümpchen sind
auf der Conjunctiva leicht bemerkbar, von wo sie sich im
innem Augenwinkel sammeln um da bald zu verschwinden.
Das Tränen und sogar eine kleine Schwellung der Augen¬
lider und die Congestion der Conjunctiva reichen noch nicht
hin, um die Ophthalmoreaktion als positiv zu erklären, es muß
noch Eiter vorhanden sein, der sich bei tuberkulösen Tieren
regelmäßig dazu gesellt. Die Ophthalmoreaktion, welche sich
bei manchen Tieren erst nach der 15. Stunde einstellt, ist oft
12 Stunden und noch länger sichtbar.
Sofort nach der Instillation in das Auge nimmt der Ver¬
fasser die Kutireaktion vor, für welche er eine Stelle aus¬
wählt, an welcher die Haut geschmeidig ist, mit Vorliebe am
Hals. Diese wird in einem Umfange von 5—6 qcm rasiert und
mit 4—6 Tropfen reinem Tuberkulin eingerieben. Nach
24 Stunden sieht man, und dies nur bei tuberkulösen Tieren,
eine charakteristische Reaktion auftreten, welche in einem ver¬
schieden großen, entzündlichen, warmen, roten, schmerzhaften
Ödem besteht, auf welchem sich ein Ausschlag und später
Krusten bilden. Diese Reaktion ist für gewöhnlich so prägnant,
daß sie jedem, auch dem Laienauge sichtbar ist. Manchmal
stellt sie sich erst nach dem zweiten oder dritten Tage ein und
dauert von 1—4 Tagen bis zu mehreren Monaten.
Statt der Einreibung in die unversehrte Haut kann man
auch vorher Skarifikationen machen und in diese das Tuberkulin
einreiben; es ist dies die Dermoreaktion CR.
Wird mit diesen Reaktionen zu gleicher Zeit die klassische
Tuberkulininjektion vorgenommen, so werden von ihr die
Ophthalmoreaktion gar nicht, die beiden anderen kaum be¬
einträchtigt, ging die Tuberkulininjektion aber den beiden
letzteren um einen oder zwei Tage voraus, so werden diese
148
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
dadurch bedeutend abgeschwächt und verzögert und stellen sich
erst vom dritten Tage an ein. In der Praxis kontrollieren und
ergänzen sich die Ophthalmoreaktion und die Kutireaktion
gegenseitig. Die erstere ist die empfindlichste und sicherste,
sie stellt sich rasch ein und geht auch bald wieder vorüber.
Die letztere tritt nicht so schnell auf, dauert aber länger. Ist
bei einem Tiere die Ophthalmoreaktion positiv ausgefallen, so
ist dasselbe sehr tuberkuloseverdächtig und muß dann nachher
die Kutireaktion noch angewandt werden.
Der Verfasser hat festgestellt, daß alle Tiere, welche auf
die klassische Tuberkulininjektion reagiert hatten, auch eine
positive Ophthalmokutireaktion zeigten, dagegen andere tuber¬
kulöse Tiere, die nur eine zweifelhafte oder gar keine Reaktion
auf die Tuberkulininjektion gezeigt hatten, eine positive Ophthalmo¬
kutireaktion vorwiesen. Helfer.
Über einen Fu^terausschlag, verursacht durch die
Fütterung doldentragender Hopfenranken.
Von Stadttierarzt Karl Zaruba in Leitmeritz.
(Tier&rztl. Zentralblau 1907, Nr. 30.)
In einem über 130 Stück zählenden Rinderbestande eines
Hopfenbauers erkrankten alle Jahre zur Zeit der Hopfenpflücke
mehrere Rinder an einem eigentümlichen Hautausschlag, dessen
Ursache in der Fütterung der von den Dolden befreiten Hopfen¬
ranken zu suchen ist. Da im Jahre 1907 die Hopfenernte eine
sehr reichliche war und der Hopfen niedrig im Preise stand,
wurde mit Einwilligung des Besitzers das Auspflücken der
Dolden des an und für sich minderwertigen Rothopfens weniger
sorgfältig vorgenommen und die Ranken wurden wie üblich
derart dem Futter beigemengt, daß sie annähernd die Hälfte
der Futterration bildeten. Es stellte sich nun bei mehr als der
Hälfte der Tiere ein am Euter beginnendes papulöses Exanthem
ein, welches binnen wenigen Tagen auch die Hinterextremitäten
befiel und dabei stellenweise vesikulär und pustulös wurde. Bei
einer Kuh verbreitete es sich sogar über die ganze Körper¬
oberfläche. Die gesamte Milchnutzung war in der kritischen
Zeit um mehr als ein Drittel des gewöhnlichen Ertrages ver¬
mindert. Nachdem die Fütterung der Hopfenranken eingestellt
worden war, trat binnen zehn Tagen Heilung ein. Daß diesmal
das Exanthem so stark auftrat, erklärt Z. damit, daß frucht¬
tragende Dolden mitgefüttert wurden, die die der Hopfen¬
pflanze eigentümlichen Stoffe in größerer Menge als die Ranken
enthalten. Rdr.
Hygienische Mängel unserer Stallbauten. Vorschläge
zu deren Abstellung, mit besonderer Berücksichtigung
des Schweinestalles.
Von K. Evers, Bezirkstierarzt in Waren (Mecklenburg).
(Zeitaehr. f. lntektionskr., pnras. Krankh. u. H>g. <1. Haust Bd III, S. 80.)
Als die besten und gesundesten Ställe sind diejenigen zu
bezeichnen, die leicht zu reinigen sind und eine ausgiebige
natürliche Ventilation besitzen. Die Forderung der leichten
Reinigung läßt sich ohne weiteres durch die Anlage eines un¬
durchlässigen Fußbodens erfüllen. Die fast volständige
Nichtbeachtung der Notwendigkeit der natürlichen
Ventilation ist nach Evers Ansicht der größte Fehler
unserer modernen Ställe. Evers stellt Vergleiche der alten
StaUgebäude mit den modernen an; er ist der Überzeugung,
daß den alten Bauten eigentlich nur der undurchlässige Fu߬
boden und eine größere Zahl lichtznführender Fenster fehlte.
Alle übrigen Bedingungen der Ventilation wurden ohne Absicht
der Erbauer durch die Porosität der Lehmdecke und des Rohr¬
und Strohdaches in genügender Weise erfüllt. Infolge der Ver¬
wendung möglichst luftdichter, d. h. undurchlässiger Bau¬
materialien ( Zement, Eisen usw.) haben drei Bestandteile unserer
Stallungen an Zweckmäßigkeit verloren: die Wände, die Decke
und das Dach. Aus der folgenden eingehenden Besprechung
dieser drei sei das Hauptsächlichste erwähnt. Unter den zurzeit
gebräuchlichsten Baumaterialien besitzt der Lehmstein die
größte Durchlässigkeit und muß nach Evers Ansicht als das
beste und in hygienischer Beziehung einwandfreieste Baumaterial
für St all wände angesehen werden.
Um die ganze Decke zu einer überall ventilierenden Fläche
zu gestalten, hat Evers unter gleichzeitiger Berücksichtigung
der Haltbarkeit ein Deckengewölbe eigener Art konstruiert:
Zwischen eisernen T-Trägern oder Balken, die sich in Abständen
von 1 m befinden, werden je zwei V 2 m lange, 20 cm breite
und 6 cm flache Bogen aus gebranntem Ton eingelegt, die in
der Mitte mit einer einfachen Stoßfuge ineinandergreifen. Die
derart hergestellte Decke ist haltbar, feuersicher, ist ein
schlechter Wärmeleiter, hält dadurch den Stall warm und ver¬
hindert die Kondensation von Wasserdampf; sie besitzt endlich
eine vortreffliche Durchlässigkeit für Luft und genügt so auch
den Ansprüchen an eine natürliche Ventilation in vollkommenster
Weise. Künstliche Ventilatoren sind bei dieser Decke über¬
flüssig, sogar eher schädlich für die Tiere und den Stall.
Selbstverständliche Vorbedingung für die Verwendung dieser
Deckenkonstruktion ist ein ebenfalls für Licht durchlässiges
Dach. Ein vorzügliches Dach war das alte Rohr- und Stroh¬
dach. Da dasselbe wegen seiner Feuergefährlichkeit nicht mehr
in Betracht kommt, muß bei den modernen Dächern der Durch¬
tritt der im Bodenraum befindlichen Dünste durch Ventilatoren
ermöglicht werden. Evers hat zu diesem 2weck einen be¬
sonderen Ventilator, eine sogenannte Lüftungskappe konstruiert,
die er durch Text und Abbildungen näher erläutert. — Den
Schluß der Arbeit bildet die Schilderung des Neubaues eines
Schweinestalles für etwa 200 Schweine. Richter.
Das Beleben eines scheintoten Kalbes.
Von Gabriel Kemßny, königl. ung. Tierarzt.
(Allatorvosi bapode, 1907, Nr. 51.)
Kemeny hat das von Villemin empfohlene Verfahren, das
Reizen der Nasenschleimhaut mittelst eines Strohhalmes, bei
einem neugeborenen scheintoten Kalb versucht.
Kemeny wurde zu einer plötzlich zusammengestürzten hoch¬
trächtigen Kuh gerufen. Bei der manuellen Untersuchung stellte
er fest, daß der Kopf des Kalbes gegen die Brust gekehrt ist,
während die Vorderfüße in den Geburtsweg gerichtet sind. Er
drückte also bei den Füßen das Kalb zurück und wendete den
Kopf in die richtige Lage, indem er mit seinen Fingern den
Mund des Kalbses anfaßte. Bei dieser Gelegenheit spürte er
eine Bewegung des Mundes als Zeichen daß das Kalb am Leben
war. Nachher gelang die Extraktion ohne jede Schwierigkeit,
aber das Kalb lag regungslos mit geschlossenen Augen; Atmungs¬
bewegungen konnte man auch nicht wahrnehmen. Kemdny
steckte dann gleich ein Strohhalm durch die eine Nasenöffnung und
drehte es ein wenig an der Nasenschleimhaut herum. Die
Reaktion w r ar auffallend: erst stellte sich ein tiefes Einatmen,
danach ein schwaches Husten ein, worauf durch den geöffneten
Mund mit der Zunge wenig Schleim herausgeworfen wurde.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
149
20. Februar 190«.
Jetzt steckte Ketn^ny durch die andere Nasenöffnung den Stroh¬
halm, worauf mehrere tiefe Atembewegungen zustande kamen und
das Kalb die Augen aufmachte. Dann wischte man den Schleim
aus der Nase und dem Mund, rieb das Kalb ab, zugleich mit
künstlichen Atembewegungen und setzte es vor seine Mutter.
Die Wirkung dieses Verfahrens ist so zu erklären, daß
der Reiz von der Nasenschleimhaut, d. h. durch den Nervus
olfactorius auf dem Reflexwege zu dem Atmungszentrnm geleitet
wird und die Atmungsbewegungen hervorruft. Dr. Z.
Tagesgeschichte.
Zu «lern Thema: Kreistierarzt — Privattierarzt.
Von Kreisticrarzt Plessow-Bernburg.
Nach den Reden einiger Reichstagsabgeordneten scheint es
so, als ob die Privattierärzte mit ihren viel erörterten Be¬
strebungen Erfolg haben werden.*)
Die Privattierärzte streben bekanntlich dahin, daß ihre
Tätigkeit künftig mehr wie bisher bei der Bekämpfung der
Tierseuchen in Anspruch genommen wird und nicht nur die der
beamteten Tierärzte. Sie begründen ihre Wünsche damit, daß
sie angeben: es sei zu befürchten, daß den Kreistierärzten
immer mehr Privatpraxis zufalle, je mehr sie amtlich zu tun
hätten.
Ich muß gestehen, daß ich diese Schlußfolgerung für falsch
halte. Es ist doch klar, daß die Kreistierärzte um so weniger
Praxis ausüben können, je mehr sie amtlich beschäftigt sind.
Sie behalten dann für die Privatpraxis keine Zeit mehr. Gerade
damit, daß die Privattierärzte den Kreistierärzten amtliche Ge¬
schäfte entziehen, selbst wenn es Geschäfte sind, die erst
künftig durch das neue Gesetz entstehen, zwingen sie doch die
Kreistierärzte zur Konkurrenz in der Privatpraxis.
Wenn, wie bisher, die Kreistierärzte möglichst allein die
amtlichen Geschäfte versehen würden, so wäre anzunehmen, daß
sie nach Erlaß des neuen Gesetzes, wo dann die Tuberkulose
viel Arbeit bringen wird, in den amtlichen Sachen volle Be¬
schäftigung finden, so daß ihnen die Ausübung der Privatpraxis
nicht mehr möglich sein dürfte. Das ist meiner Ansicht nach
der Zustand, der erstrebt werden muß: volle Beschäftigung des
Kreistierarztes mit amtlichen Angelegenheiten, so daß er die
Ausübung der Privatpraxis entbehren kann. Damit würden die
Privattierärzte eine Konkurrenz von ßOO Tierärzten (so viel
beamtete Tierärzte dürfte es im Deutschen Reiche sicher geben)
los werden. Würden sie sich dabei nicht besser stehen, als
wenn sie hier und da einmal amtlich in Funktion treten und die
Konkurrenz behalten?
Die ganzen Bestrebungen der Privattierärzte gehen meiner
Ansicht nach von einer falschen Voraussetzung aus. Dadurch,
daß sich die amtlichen Geschäfte der Kreistierärzte vermehren,
werden doch die Privattierärzte nicht an Praxis einbüßen,
sondern gewinnen.
Für die Kreistierärzte wäre es wieder ein Gewinn, wenn
sie amtlich so stark in Anspruch genommen würden, daß sie
die Praxis nicht brauchten; denn bei Ausübung der Privatpraxis
können sie sehr wohl mit ihren amtlichen Funktionen in Konflikt
*) Ein Trauerfall hat es mir unmöglich gemacht, zu diesem
Thema im Anschluß an die in voriger Nummer veröffentlichte Ein¬
gabe mich zu äußern. Daher lasse ich einem Gegner jener Eingabe
hier den Vortritt. Schmaltz.
geraten. Mir ist es schon mehrfach passiert, daß ich infolge
meiner amtlichen Tätigkeit Praxis verloren habe: gewonnen
habe ich dadurch noch keine.
Sollte der Staat nicht auch die Verpflichtung haben, wenn
es möglich ist, seine Beamten so zu stellen, daß sie in der Lage
sind, ohne Rücksicht auf ihre Privatinteressen dem öffentlichen
Interesse zu dienen? Das ist aber nur möglich, wenn sie in
ihrer amtlichen Tätigkeit reichlich Beschäftigung finden. Dann
ist auch zu berücksichtigen, daß die Kreistierärte bei starker
amtlicher Inanspruchnahme häufig mehrere Dienstgeschäfte an
einem Tage und auf Rundreisen erledigen können, wodurch die
Staatskasse Ersparnisse macht. Das wäre doch läugst nicht in
dem Maße der Fall, wenn in demselben Bezirke beispielsweise
drei Tierärzte amtliche Verrichtungen vornehmen. Dabei wird
es oft Vorkommen, daß jeder Tierarzt an einem Tage nur ein
Dienstgeschäft erledigt, wofür dann eventuell dreimal Tage¬
gelder usw. zu zahlen wären.
In der Eingabe an den Reichstag sind die Verhältnisse
auch nicht ganz richtig geschildert. Es ist ja doch bisher
schon nicht üblich gewesen, bei jedem Ausbruch von Schweine¬
rotlauf den beamteten Tierarzt zu requirieren. Hier in Anhalt
wurde nach der alten Polizeiverordnung an ein und demselben
Ort nur alle sechs Wochen eine amtliche Untersuchung ver¬
dächtiger Tiere vorgenommen, nach einer jetzt erlassenen neuen
Verordnung soll sie alle vier Wochen stattfinden. In der
Zwischenzeit werden die polizeilichen Maßregeln schon auf
privattierärztliche Anzeige oder auch nur auf Anzeige des Be¬
sitzers hin erlassen. Ähnlich dürften ev. wohl auch die Be¬
stimmungen bei Druse und Influenza werden. — Es wird also
schon jetzt nicht jeder Seuchenfall durch den Kreistierarzt
festgestellt. Wie sollen also diese vereinzelten amtlichen Unter-
; Suchungen dazu führen, den Privattierärzten Konkurrenz in der
; Praxis zu machen? Das ist doch ausgeschlossen.
Bei Schweineseuche und -pest wird jeder Neuausbruch
amtlich festgestellt. Das ist meiner Ansicht nach aber auch
nötig, weil es dabei in erster Linie auch darauf ankommt,
etwaigen Ein- und Verschleppungswegen sofort nachzugehen.
Der Kreistierarzt, welcher heute Schweinepest feststellt und
| dabei erfährt, daß die Seuche durch Schweine eines bestimmten
Händlers eingeschleppt ist, kann als Beamter und Kontrolleur
des Händlers ohne weiteres eine Untersuchung des Händler¬
bestandes vornehmen und so ev. Weiter Verbreitung der Seuche
verhindern; er kann auch gleich die Bestände anderer Besitzer
untersuchen, die dem Kontrollbuch nach von demselben Händler
gekauft haben. Dem Privattierarzt brauchte der Händler seinen
Bestand und auch sein Kontrollbuch nicht zu zeigen. Es
würden demnach durch die Tätigkeit des Privattierarztes
Weiterungen und Verspätungen in der Seuchenfeststellung ent¬
stehen.
Herr Kollege Meier-Ketzin wünscht nun außerdem noch,
daß die Ergänzungsfleischbeschauer mit der Beaufsichtigung der
Laienbeschauer betraut werden und hofft, daß dadurch das
Ansehen des tierärztlichen Standes gehoben wird. — Ich muß
gestehen, daß ich mir von dieser doch im Grunde nicht sehr
bedeutungsvollen Tätigkeit einen solchen Effekt nicht ver¬
sprechen kann.
Wenn Herr Kollege Meier außerdem sagt, daß nur der
Ergänzungsbeschauer in der Lage ist, über die Beschauer seines
Bezirkes ein richtiges Urteil zu fällen, so ist das auch nicht
150
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8
richtig. Der Kreistierarzt lernt seine Beschauer sehr bald
kennen, wozu ihm ja auch die Nachprüfungen verhelfen. Er
weiß gerade am besten, mit welchen Beschauern es nur schwach
bestellt ist. Der Kreistierarzt muß unbedingt die Kontrolle der
Laienbeschauer behalten, wenn er in der Lage sein soll, sich
von ihrer Tätigkeit ein richtiges Urteil, zu bilden. Eine doppelte
Kontrolle durch Kreistierarzt und Privattierarzt dürfte meines
Erachtens doch zu viel sein. Die armen Laienbeschauer würden
ja dann wohl den Kontrolleur nicht mehr los werden. Allzuviel
ist auch hier ungesund und allzuscharf macht schartig.
Die Privattierärzte hätten doch meines Erachtens abwarten
sollen, wie sich die Verhältnisse unter dem neuen Seuchengesetz
gestalten, schließlich wäre bei dem jetzigen Wortlaut des § 2
ihre Mitwirkung auch sehr wohl möglich.
Bericht über die TU. HaaptTersammlang des Vereins
der beamteten Tierärzte Preußens
am 29. nnd 30. November und 1. Dezember 1907.
(Fortsetzung.)
Über das Diensteinkommen: Referat des Kreistierarztes Dralle.
Meine Herren! Das Thema, worüber ich das Referat über¬
nommen habe, lautet: „Ist eine Änderung in dem Auf¬
rücken in die höheren Gehaltsklassen, sowie eine Auf¬
besserung des Gehalts resp. der amtlichen Einnahmen
der Kreistierärzte nicht eine dringende Notwendig¬
keit?“
Im ersten Augenblick mögen Sie, meine Herren überrascht
sein, daß heute schon, nachdem erst drei Jahre seit der Gehalts¬
regulierung verflossen sind, dieses Thema wieder auf die Tages¬
ordnung gesetzt ist. Wenn aber diese Angelegenheit nicht so
dringend und von so einschneidender Bedeutung wäre, so würde
die Besprechung dieses Themas in der heutigen Tagesordnung
nicht von mir veranlaßt sein und noch weniger würde ich das
Referat hierüber übernommen haben und mich der Reise hierher
mit all ihren Unannehmlichkeiten und Kosten unterzogen haben.
Meine Herren, für das, was die hohe Staatsregierung uns im
Jahre 1904 bewilligt hat, sind wir ihr von ganzem Herzen
Dank schuldig und auch dankbar, speziell dafür, daß sie den
alten damals pensionierten Kollegen eine auskömmliche Pension
bewilligt hat, aber sie hat damals selbst anerkannt, daß die
vorher gezahlten Dienstbezüge der Kreistierärzte ganz un¬
genügend waren, daß also seit Jahren der kreistierärztliche
Stand um erhebliche Summen zu kurz gekommen ist. Auch das
hohe Haus der Abgeordneten war sich damals darin einig, daß
die gewährte Gehaltserhöhung noch nicht unseren von ihnen für
berechtigt anerkannten und gebilligten Wünschen entsprach.
Damals wurde die Gehaltserhöhung nicht mit der Steigerung der
Preise der Lebensbedürfnisse, sondern mit der Wichtigkeit des
Amtes, den erhöhten Anforderungen an die Vorbildung und dem
Geschäftsumfang begründet, meine Herren, das ist sehr wichtig,
denn heute liegen die Verhältnisse doch ganz anders wie vor
drei Jahren. Wieviel Arbeit, besonders zeitraubende, schriftliche,
haben uns die Fleischbeschaumeldekarten und Fleischbeschau-
Zusammenstellungen gebracht und wie gewaltig sind seitdem die
Preise für alle Lebensbedürfnisse gestiegen. Sie wissen alle
aus politischen Zeitungen, daß zurzeit eine Erhöhung wohl
sämtlicher Beamtengehälter und aach der der Offiziere vor¬
genommen werden soll, resp. ist eine solche bei den Reichs¬
beamten zum größten Teil schon erfolgt und zwar ist diese
Erhöhung nur damit begründet, daß alle Lebensbedürfnisse um
25 bis 50 Proz. im Preise gestiegen sind. Daß die Steigerung
der Preise aller Lebensbedürfnisse noch von viel einschneidender
Bedeutung für uns ist, als wie für andere, besonders Bureau¬
beamte, liegt doch auf der Hand, da unsere Haupttätigkeit in
Reisen im staatlichen Interesse liegt. Das Reisen mit der
Eisenbahn ist seit 1904 nicht unerheblich teurer geworden, die
Kosten für fremdes Fuhrwerk wie für eigenes sind ganz
bedeutend gestiegen, besonders im vergangenen Sommer, wo
der Zentner Hafer 11,50 M. kostete gegen 6 M. bis 7,50 M. in
den Vorjahren. Was wird ferner durch das fortwährende Reisen
an der weit teuerer gewordenen Kleidung anderen Beamten
gegenüber mehr verbraucht?
Dann soll, wie politische Blätter raitteilen, das Steuer¬
privileg der Beamten aufgehoben werden, dadurch werden unsere
Ausgaben wiederum nicht unerheblich erhöht und endlich hat
der Herr Finanzminister, wie wiederum politische wohlunter¬
richtete Blätter melden, die Absicht, die Reisekosten und Tage¬
gelder der Kreisärzte und Kreistierärzte zu pauschalieren,
natürlich nur mit der Absicht wie ja von einem Herrn Finanz-
minister nicht anders zu erwarten, um zu sparen, dabei aber,
meine Herren, wird zu gleicher Zeit über ein neues Reichs¬
tierseuchengesetz beraten, welches uns voraussichtlich nehr
Arbeit bringen wird und das ist bei einer eventuellen
Pauschalierung jetzt* vor dem Inkrafttreten eines neuen Reichs¬
tierseuchengesetzes ganz besonders zu bedenken.
Meine Herren, wenn wir jetzt zu alledem schweigen, dann
muß der Herr Finanzminister denken, daß wir die einzigen
Beamten sind, welche im Golde schwimmen, und ihn von dieser
ganz irrigen Ansicht zu heilen, ist doch nicht nur unsere Pflicht
sondern unser gutes Recht.
Es besteht, wie ich aus wohlunterrichteter Quelle weiß, bei
dem Herrn Landwirtschaftminister und dem Herrn Finanz¬
minister die Ansicht, daß wir keinen Anlaß zum Klagen hätten,
weil wir Kreistierärzte ja eine ganz bedeutende Einnahme aus
der Privatpraxis hätten, es wurde von 10—15 000 M. jährlicher
Einnahme daraus stellenweise gemunkelt. Nun, meine Herren,
den Kreistierarzt oder Tierarzt überhaupt möchte ich gern ein¬
mal sehen, der 10000 M. aus der Privatpraxis hat, wenn ich
solch ein Eldorado für Tierärzte wüßte, dann würde ich gern
auf meine amtliche Stellung verzichten und in dieser goldenen
Gegend wieder Privattierarzt werden. Die Lage der Tierärzte
im allgemeinen jetzt ist eine traurige und wäre es angebracht,
wenn wir, wie die Mediziner, den Direktoren der höheren
Schulen Gedenkblätter zum Verteilen an die Abiturienten geben
würden, in denen vor dem Studium der Veterinärmedizin
gewarnt wird. Nehmen Sie nur einmal die Fachblätter und die
Personallisten der Tierärzte zur Hand. Wir haben 4—500 Tier¬
ärzte, welche keine dauernde Stellung haben und annähernd
1000, welche keine angemessene Lebensstellung haben, denn
z. B. Schlachthofstellen mit 1200—1800—2000 M. Gehalt als
Assistent, oder mit demselben Gehalt als selbständiger Schlacht¬
hofleiter, einer 2—4zimmerigen freien Wohnung, vierwöchiger
oder dreimonatiger Kündigung und womöglich 500—1000 M.
Kautionsstellung, sind doch wohl keine Lebensstellungen und
wie viele Tierärzte bewerben sich nicht um eine solche Stelle,
ja bieten sich noch billiger an, weil eben das Angebot die
Nachfrage übersteigt, und wie viele Tierärzte versauern nicht
schließlich in diesen Stellungen, weil sie bei der Verhältnis-
20. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
151
mäßig geringen Zahl von gut besoldeten Schlachthofstellen, die
meist nur durch den Tod der Inhaber frei werden, gar nicht in
diese besser dotierte Stellen aufrücken können.
Meine Herren, ich kenne diese Verhältnisse aus eigener
Erfahrung, ich war selbst zwei Jahre Assißtenztierarzt an einem
großen Schlachthofe. Wie ist es nun mit den Privattierärzten?
In meiner Provinz, besonders im Regierungsbezirk Hildesheim,
ganz traurig. In meinem Kreise Einbeck z. B. sind 12 000 Stück
Großvieh und 5 Tierärzte, im Kreise Gronau 9200 Stück Gro߬
vieh und 6 Tierärzte, Zellerfeld 3600 Stück Großvieh und
2 Tierärzte, Hildesheim Stadt und Land 16000 Stück Großvieh
und 12 Tierärzte usw., es kamen in der Provinz Hannover auf
einen Tierarzt 1100—2000 Stück Großvieh, Kleinvieh kommt
ja für uns pekuniär gar nicht in Betracht. Ja, meine Herren,
wo soll denn da noch eine große Einnahme in der Privatpraxis
herkömmen; mehr wie 2 M. Einkommen pro Stück Großvieh
können wir doch nicht rechnen, an manchen Orten kaum so viel.
Leider Gottes ist, und den Vorwurf kann ich der Gesamtheit
der Tierärzte nicht ersparen, zu viel mit großen Einnahmen
renommiert worden, ich vermute, in der Absicht, sich mehr An¬
sehen mit einer angeblich großen Einnahme zu verschaffen, denn
da der Tierarzt gesellschaftlich zur Zeit im allgemeinen infolge
der Rangverhältnisse der beamteten Tierärzte und anderer Ihnen
bekannter Umstände noch nicht so angesehen ist, wie er müßte
(nach der Stellung der Beamten eines Standes richtet sich die
Stellung eines ganzen Standes), so hat er wahrscheinlich durch
das Klimpern mit dem Golde sich die Stellung, die ihm gebührt,
zu verschaffen gesucht, in dem heute nicht ganz unberechtigten
Gedanken Geld ist Macht und nicht Wissen, und Geld regiert
die Welt Ja, meine Herren,' jetzt ist es abe* dinttial aü der*
Zeit, ehrlich zu sein und zu sagen, mit unseren Einnahmen ist
es nicht weit her und gesellschaftlich stehen wir infolge unseres
Ranges nicht da, wo wir müssen, dann wird hoffentlich so etwas
nicht wieder passieren, wie vor nicht langer Zeit einem hoch¬
achtbaren Kreiskollegen, dem seine Besuche bei den Akademikern
seiner Kleinstadt bei seinem Dienstantritt nicht erwidert sind,
der auch sogar zu den Versammlungen und Festlichkeiten der
Reserveoffiziere, obwohl Oberveterinär, trotz seiner Beschwerde
keine Einladungen erhält. Hier könnte ich Ihnen noch mehr
erzählen, aber das gehört nicht in den Rahmen meines Vortrages.
Meine Herren, das liegt doch nur daran, daß wir nicht in der
Rangklasse stehen, wohin wir gehören, denn gegen den be¬
treffenden Kollegen ist, wie ich positiv weiß, nichts einzuwenden,
sein Vorgänger ließ allerdings sehr zu wünschen übrig.
Daß die Tierärzte im Durchschnitt höchstens ihr tägliches
Brot haben und nichts zurücklegen können, darüber können die
Herren am besten den schlagendsten Beweis erbringen, welche
die Unterstützungskassen für Tierärzte und deren Hinter¬
bliebenen verwalten, und wie oft lesen wir nicht alle selbst
noch Aufrufe in Fachblättern, daß alte Tierärzte in Not sind.
Dieser Punkt mit der Fürsorge für die Hinterbliebenen der
Tierärzte speziell der Kreistierärzte führt uns nach diesen all¬
gemeinen Betrachtungen zu dem ersten Teil meines Themas:
„Ist eine Änderung in dem Aufrücken in die höheren Gehalts¬
klassen nicht eine dringende Notwendigkeit?“
Meine Herren, dadurch daß vor 1904 die alten Kreistier¬
ärzte so lange im Sielen gehen mußten, bis sie starben, da sie
gar keine Pension bekamen und sich Vermögen erst recht nicht
hatten erwerben können (bekanntlich erwirbt sich noch nicht
1 Proz. der Tierärzte durch ihre tierärztliche Tätigkeit, wenn
auch nur ein bescheidenes Vermögen), sind wir in verhältnis¬
mäßig vorgerücktem Alter beamtete Tierärzte geworden,
ich z. B. war 36 Jahre alt. Wenn Sie die amtliche Liste der
Kreistierärzte, in welcher Geburtsjahr und Tag der Anstellung
verzeichnet ist und die sie ja alle besitzen, durchsehen, so war
der Älteste aus der niedrigsten Gehaltsklasse 58 Jahre, der
Jüngste 25 Jahre, wie er angestellt wurde, das Durchschnitts¬
alter sämtlicher Kollegen dieser Klasse bei der Anstellung
33 Jahre, das jetzige Durchschnittsalter 39 l / 2 Jahr, während
der Jüngste der höchsten Gehaltsklasse jetzt 37 Jahre alt ist,
der Durchschnitt nach Abzug der ersten 13 ausgeschiedenen
plus den 13 ersten der mittleren Gehaltsklasse 50 Jahre alt ist.
Nach menschlicher Berechnung ist es also für uns Kreistierärzte,
die wir in der niedrigsten Gehaltsklasse sind, gar nicht möglich,
die erste Gehaltsklasse zu erreichen, ja, verschiedene von uns,
die jetzt schon 50, 61, 62 Jahre alt sind, erreichen noch nicht
einmal die mittlere Gehaltsklasse. Wir werden also im
günstigsten Falle von der mittleren Gehaltsklasse aus pensioniert,
das ist eine unanfechtbare Tatsache, und zwar wie sie ja wissen,
| mit 20:60 des Gehalts vom 10. Dienstjahre ab, von da ab
pro Dienstjahr 1:60 mehr, nach 30 Dienstjahren pro Dienst¬
jahr l : 20 mehr, höchstens mit 45 : 60. Also angenommen, ich
werde mit 65 Jahren, dann sind ja die meisten Menschen,
speziell Tierärzte, verbraucht, wenn sie eben nicht schon gar
tot sind, pensioniert, so erhalte ich für 29 Dienstjahre 39:60
von 1650 -f- 1950 = 3600 M. fingiertem Gehalt, also 2340 M.
Pension, sterbe ich dann, so erhält meine Frau hiervon 40 Proz.
also 936 M., vor dem Verhungern ist sie ja dann geschützt,
aber sterbe ich mit 50 Jahren, so war ich mit 24:60 bei den
jetzigen Bestimmungen von einem Gehalt vonl200-{-1950--=3150M.,
also mit 1260 M. pensionsberechtigt. Meine Frau würde hiervon
40 Proz., also 504 M. Pension bekommen, zu dieser Zeit wären
meine Jungen 14 und 9 Jahre, mein Töchterchen 10 Jahre alt.
Nun sagen sie bitte, was soll eine Frau mit drei schulpflichtigen
Kindern mit 504 M. Pension bei den teuren Lebensbedingungen.
Sie ist auf das Mitleid und die Hilfe der Kollegen angewiesen
und das meine Herren, will doch die hohe Staatsregierung ganz
gewiß nicht, dazu ist sie uns viel zu wohl gesinnt und das
haben wir auch ganz gewiß nicht verdient. Wenn wir diese
Verhältnisse der hohen Staatsregierung vortragen, so bin ich
der felsenfesten Überzeugung, daß sie sofort Abhilfe schafft
und zwar, daß wir im Gehalt steigen wie andere Beamte,
vielleicht in 6 Klassen von 3 : 3 Jahren. Wenn wir von unseren
Wünschen, die wir sonst noch auf dem Herzen haben, nichts
erreichen sollten, diesen Wunsch möchten wir erfüllt sehen,
damit wir die Angst und die Sorge um die Zukunft unserer
Frauen und unserer Kinder los werden. Nichts hemmt mehr
die Berufsfreudigkeit als wie die Sorge und der Gedanke um
die Familie, was wird aus ihr, wenn du nicht mehr da bist.
Nun, meine Herren, zu dem zweiten Punkt meines Themas:
„Ist eine Aufbesserung des Gehalts resp. der amtlichen Ein¬
nahmen der Kreistierärzte nicht dringend nötig?“ Aus meinen
vorigen Ausführungen haben Sie schon ersehen, daß alle Lebens¬
bedürfnisse, wie auch von der hohen Staatsregierung rückhaltlos
anerkannt wird, ganz erheblich im Preise gestiegen sind, daß
die Einnahmen der Kreistierärzte aus der Privatpraxis nicht
mehr groß sind, ja es gibt Kreise, wo die Kreistierärzte leider
fast gar keine Privatpraxis ipehr haben, daß die Einnahmen
152
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
aus der Ergänzungsfleischbeschau, wie ich jetzt noch hinzufügen
will, besonders wenn durch den Kreis so ein Sekundärbähnchen
führt, was, wenn man nicht einen halben bis einen ganzen Tag
für 3—6 M. arbeiten will, man nicht benutzen kann, auch nur
sehr gering sind. Wie steht es aber nun mit den amtlichen
Reisen? In der Provinz Hannover ganz traurig. Die meisten
Seuchen sind wir durch energische Bekämpfung ja Gott sei Dank
zum Wohle der Landwirtschaft losgeworden, die Landwirtschaft
ist uns dankbar dafür, es ist ja von Herrn Landwirtschafts¬
minister uns vor Jahren für die glückliche Bekämpfung der
Lungenseuche und der Maul- und Klauenseuche sogar sein
besonderer Dank und seine Anerkennung ausgesprochen, diese
Anerkennung hat uns sehr gefreut uud das ist auch alles recht
schön, aber meine Herren, vom Dank allein kann man nicht
leben. Rotz, Lungenseuche, Pockenseuche, Beschälseuche der
Pferde und Bläschenausschlag der Rinder, Tollwut und Milzbrand
kommen jetzt zum größten Teil gar nicht resp. nur sporadisch
in meiner Provinz vor, der Rotlauf der Schweine hat durch
die Impfungen der Schweine bedeutend abgenommen, Schweine¬
seuche kommt ja wohl noch genug vor, die meisten Bestände
sind bei uns mehr oder weniger verseucht, aber nicht so. daß
wir nach dem Ministerialerlaß vom vorigen Jahre berechtigt
sind, einzugreifen, die Seuche ist eben weit milder, gutartiger
geworden. Bei dem jetzigen Stande der Kenntnis von den Er¬
regern der Schweineseuche resp. Schweinepest, wonach die
Ursache der Seuche vermutlich ein sog. ultravisibles virus
ist. muß man ja auch ganz besonders vorsichtig sein, um
nicht mit seiner Diagnose bei einer eventuellen Beschwerde
einen Reinfall zu erleben. Uns hannoverschen Kreistierärzten
ist bei dem jetzigen Stande der Seuchen daher auch nicht ver¬
ständlich, daß es Kreise geben soll, welche 10—15 000 M.
Reisediäten und Tagegelder p. a. bringen sollen. Nebenbei
bemerkt, wird an den Reisekosten nichts verdient, höchstens
etwas zugesetzt, ich glaube sogar, solche Kreise existieren nur
in der Phantasie, denn dann müßte ja ein Kreistierarzt bei
300 Diensttagen, 65 Tage braucht er doch mindestens zum Auf¬
atmen und zu seinen schriftlichen Arbeiten, täglich 100 km
Landweg machen. Wieviel Pferde, Kutscher, Auto usw. ge¬
hörten dazu, was kostete der Unterhalt, bliebe da überhaupt
ein Überschuß, wann würden die schriftlichen Arbeiten erledigt?
Der Tag hat doch in diesen Kreisen auch nur 24 Stunden und
vor allen Dingen, welcher Kreistierarzt hielte das auf die Dauer
aus, meine Herren, das ist ja ganz unmöglich, da müßte man
ja zäher sein wie eine Katze! Auch der Kollege Kriiger-
Posen spricht in seinem Artikel in Nr. 41 der B. T. W. von
solchen angeblichen Einnahmen. Meine Herren, ich glaube, es
ist besser, solche Zahlen druckt man lieber gar nicht. Denn
solche großen Zahlen behält natürlich ein Finanzminister viel
lieber als kleine, er glaubt sie ja auch ohne weiteres und
rechnet nicht erst aus, ist so was auch möglich. Wenn die
Tierärzte so etwas selbst schreiben, muß es ja wahr sein, aber
ich glaube, es geht hierbei genau so wie mit der Privatpraxis,
es wird zum Schaden des eigenen Geldbeutels renommiert, in
der Tat kann nach meiner Ansicht kein Tierarzt so viel Reise¬
kosten und Tagegelder in einem Jahre haben. — Als letzte
Seuche, die wir vielleicht nun noch bekämpfen könnten, wäre
die Schafräude zu nennen, sie wäre zurzeit noch ein dankbares
Feld für die Tätigkeit. der Kreistierärzte. Offiziell soll es ja
nur noch wenig Schafräude geben, in der Tat sind aber in
; manchen Kreisen 50—lOOProz. der Herden verseucht, und zwar
in der Provinz Hannover, Westfalen und der Rheinprovinz; wie
es in den übrigen Provinzen ist, weiß ich nicht aus eigener
Erfahrung. Im Regierungsbezirk Hildesheim revidieren all¬
jährlich Schafmeister in Begleitung von Gendarmen die Schaf¬
herden, nach meiner Ansicht ein nach dem Reichstierseuchen¬
gesetz nicht statthaftes Verfahren, und sie finden fast nie Räude,
höchstens wenn sie mal mit einem anderen Schafmeister oder dem
betreffenden Besitzer der Herde verfeindet sind. Muß ich aber z. B.
| in meinem Kreise einmal infolge von Anzeigen, meist aus dem
[ Herzogtum Braunschweig, auch einige Herden untersuchen, so
| linde ich regelmäßig Räude, und zw’ar nicht wenig, vergangene
I Woche habe ich erst wieder ein klassisches Beispiel hierfür
erlebt. Die jetzige, ungleichmäßige Bekämpfung der Schafräude
ist nach meiner unmaßgeblichen Meinung ganz zwecklos, weil
die Räude immer wieder verschleppt wird. Sie hat erst dann
j Erfolg, wenn in der ganzen Monarchie resp. im Reiche alle
Schafherden jährlich durch den beamteten Tierarzt untersucht
werden, natürlich sehr genau, am besten Stück für Stück, aber
natürlich nicht auf tagelangen Rundreisen, denn sonst ist das
bißchen Privatpraxis ganz weg, die Privatpraxis geht so schon
durch Räudefeststellungen regelmäßig zurück. Das ist auch
ein wichtiger Grund, weshalb unser Gehalt so sein muß, daß
wir zur Not ohne Privatpraxis auskommen können. Überhaupt
muß ein Beamter frei dastehen und nicht vom Publikum ab¬
hängig sein; denken Sie sich einmal, ein Strafrichter müßte im
Nebenamte noch von einem Angeklagten das Geld zu seinem
Lebensunterhalt verdienen, was sollte daraus werden. — Nun
werden wir ja voraussichtlich etwas mehr Arbeit bekommen
durch Bekämpfung der klinisch und bakterioskopisch feststell¬
baren Form der Tuberkulose, der Euter-, Gebärmutter- und
offenen Lungentuberkulose, ferner wird die allgemeine Ent¬
schädigung für Milzbrand etwas mehr Arbeit durch Aufdeckung
neuer Seuchenherde bringen. Dann könnten wir noch be¬
schäftigt werden auf dem Gebiete der Tierzucht. Es wäre
ferner nicht mehr wie recht, w^enn wir die Revisionen der
Molkereien und der Privatschlachthäuser auf ihre sanitären
Einrichtungen, Bau usw. hin vornähmen, vielleicht werden wir
auch in absehbarer Zeit die Milchkontrolle, welche das Gebiet
der Tierärzte und nur in bezug auf gewisse chemische Unter¬
suchungen das der Nahrungsmittelchemiker ist, vorznnehmen
haben. — Mit einem Worte, meine Herren, wir können dem
Staate resp. der Landwirtschaft noch auf vielen Gebieten
nützen und bitten auch recht sehr darum, noch mehr amtlich
beschäftigt zu werden, damit wir auch mit Fug und Recht
mehr Gehalt beanspruchen können und auch mit Recht wirklich
verdienen, damit wir schließlich :{ / 4 Beamte und nur noch zu
V 4 praktische Tierärzte sind, w r as wir ja immer im Interesse
der Wissenschaft und zu unserer Orientierung im Kreise bleiben
müssen und was uns vor Einseitigkeit bewahrt und uns den
praktischen Blick erhält. Die Privatpraxis wird infolge der
Überproduktion an Tierärzten mit der Zeit immer weniger
werden, trotzdem ist es aber aus den eben angeführten Gründen,
notwendig, daß uns die Möglichkeit und das Recht zur Aus¬
übung von Privatpraxis gewährleistet bleibt.
Welch ein Gehalt ist nun den teueren Lebensbedingungen,
der jetzigen und der bestimmt und der hoffentlich hinzu?
kommenden Arbeit angemessen? Nach Ansicht vieler Kollegen,
ungefähr 0 Prozent der Kreistierärzte, habe ich uni ihre Ansicht'
20. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
153
befragen können, sind 1800 bis 3600 M. steigend von drei zu
drei Jahren um 300 M. ein angemessenes Gehalt. Das ist
wenigstens auch die Ansicht hervorragender und einflußreicher
Autoritäten in unserem Fach. Nur ein Herr in hervorragender
Stellung in unserem Fach hat sich mir gegenüber gegen jede
Gehaltserhöhung ausgesprochen mit der Begründung, daß wir
für unsere Leistungen genügend bezahlt würden. Ja, meine
Herren, vom sicheren Port läßt sich’s gemächlich raten, der
Herr hat nie ums tägliche Brot kämpfen müssen, da er mit
Glücksgütem gesegnet ist. Derselbe Herr ist auch gegen die
Verleihung der fünften Rangklasse an die Kreistierärzte, da wir
uns mit dem Arzt nie vergleichen können, wir gingen in den
Stall, der Arzt ins Krankenzimmer, er wäre Vertrauensperson,
da er in die geheimsten Familienverhältnisse oft eingeweiht
werden müßte. Meine Herren, wir wollen uns auch gar .nicht
mit dem Arzt oder Kreisarzt vergleichen, er erhält dem Staate
ideale Güter, wir reale Güter, Tiere, die einen großen Teil
unseres Nationalvermögens darstellen. Wir können uns daher
eigentlich sachlich nur mit den Oberförstern vergleichen, denn
auch die bewahren und vermehren reale Güter des Staates,
Forsten, genau so wie wir, indem wir den Viehbestand vor
Seuchen schützen, kranke Tiere heilen und die Tierzucht zu
fordern suchen.
Sollen wir nun einer Pauschalierung allen erdenklichen
Widerstand entgegensetzen? Darauf kann man mit ja und
mit nein antworten. Die gerechteste Bezahlung ist ja stets die
für jede Leistung, das wissen wir ja bei Fixierung z. B. von
Privatpraxis aus eigener Erfahrung und darüber sind wir uns
ja auch alle klar. Bekommen wir aber größere Selbständigkeit
in der Handhabung amtlicher Geschäfte und volle Verantwort¬
lichkeit dafür den Regierungspräsidenten gegenüber, so ist gegen
eine Pauschalierung nichts einzuwenden, z. B. ich muß vom
15. eines Monats ab alle 14 Tage ein der Ansteckung ver¬
dächtiges Pferd in A. untersuchen und vom 18. ab ein eben¬
solches in B., darf ich selbständig verfügen, so untersuche ich
beide am 18. Es wäre bei einer Pauschalierung mit Selb¬
ständigkeit auch wünschenswert, daß die Seuchen von den
Gemeindevorstehern direkt möglichst telegraphisch den Kreis¬
tierärzten gemeldet würden und derselbe dann nach eigenem
Ermessen ohne landrätlichen Auftrag direkt reisen könnte, damit
man nicht wie jetzt meistens schon fast verfaulte Kadaver zur
Sektion bekäme. Dann kann auch eine Nachprüfung der
Milzbranddiagnose fortfallen, die wir alle an frischen Kadavern
mit positiver Sicherheit, auch ohne Laboratorium, die Diagnose
bakterioskopisch feststellen können.
Bekommen wir diese Selbständigkeit und Verantwortlichkeit
nicht, so müssen wir eine Pauschalierung möglichst zu verhindern
suchen. Daß der Herr Finanzminister nur eine Pauschalierung
der Reisekosten exkl. Tagegelder vornimmt, halte ich, so gerecht
und praktisch solche Pauschalierung, wie auch von anderer
Seite bereits vorgeschlagen ist, für ausgeschlossen, da er ja
dann wieder mit schwankenden Ausgaben zu rechnen hat und
das soll ja gerade vermieden werden. Soll eine Pauschalierung
eintreten, so muß sie sich dann nach dem Durchschnitt der
letzten 5—10 Jahre und der voraussichtlich eintretenden Ver¬
mehrung der Reisen, durch das neue Reichstierseuchengesetz
mit Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse richten. Die
Pauschalierung muß alle drei Jahre neu erfolgen und für be¬
sondere Fälle muß auch ein ausreichender Ausgleichfonds vor¬
handen sein, um eventuell eintretende Härten zu mildern, über¬
haupt darf bei einer Pauschalierung nicht geknausert werden,
damit nicht die Veterinärpolizei darunter leidet und sich nun
der Herr Landwirtschaftsminister beschweren muß.
Meine Herren! Zum Schluß möchte ich noch erwähnen,
daß die Amtsunkostenentschädigung eine vollständig unzureichende
ist, das Doppelte, als 400 M., dürfte angemessen sein. Hiermit,
meine Herren, möchte ich meine Ausführungen schließen (denn
eine Resolution zu fassen, halte ich aus Ihnen bekannt
gewordenen Gründen jetzt für inopportun), damit meinem Herrn
Korreferenten auch noch Zeit bleibt, seine Ansicht in dieser
Angelegenheit Ihnen vorzutragen. (Fortsetzung folgt.)
Kurpfuscher- Gesetz.
Den Bundesregierungen ist der Entwurf eines Gesetzes zu¬
gegangen „betreffend die Ausübung der Heilkunde
durch nichtapprobierte Personen und den Geheim¬
mittelverkehr“.
Da an diesem Gesetz auch die Tiermedizin erheblich inter¬
essiert ist, soll der Entwurf, dem eine längere Erläuterung
beigegeben ist, hierüber im Wortlaut veröffentlicht werden.
Er lautet:
§ 1. Personen, welche sich gewerbsmäßig mit der Behandlung
von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden an Menschen oder
Tieren befassen, ohne die entsprechende staatliche Anerkennung
(Prüfungszeugnis, Approbation) erbracht zu haben, sind verpflichtet,
spätestens mit dem Beginne des Gewerbebetriebs der Polizeibehörde
ihres Wohnorts unter Angabe ihrer Wohnung und Geschäftsräume
schriftlich Anzeige zu erstatten.
Die Anzeige ist von Personen, die das Gewerbe bei dem
Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits betreiben, spätestens innerhalb
vierzehn Tagen zu erstatten. , .
Eine Veränderung des Wohnorts, der Wohnung oder der Ge¬
schäftsräume, desgleichen die Aufgabe oder Einstellung des Betriebs
ist in gleicher Weise spätestens binnen vierzehn Tagen anzuzeigen.
§ 2. Gewerbetreibende der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art
sind verpflichtet, der Polizeibehörde ihres Wohnorts über ihre
persönlichen Verhältnisse, soweit sie mit dem Gewerbebetrieb in
Zusammenhang stehen, insbesondere über ihre Vorbildung und ihre
seitherige Tätigkeit auf Erfordern Auskunft zu erteilen.
Sie sind ferner verpflichtet, Geschäftsbücher zu führen, die der
Polizeibehörde auf Verlangen vorzulegen sind.
In welcher Weise die Geschäftsbücher zu führen und wie lange
sie aufzubewahren sind, bestimmt der Bundesrat.
§ 3. Den im § 1 Abs. 1 bezeichneten Personen ist bei der Aus¬
übung ihres Gewerbebetriebs verboten:
an Menschen und Tieren:
a) eine Behandlung, die nicht auf Grund eigener Untersuchung
des zu Behandelnden erfolgt (Fernbehandlung);
an Menschen:
b) die Behandlung von Tripper, Schanker, Syphilis;
c) die Behandlung unter Anwendung von Betäubungsmitteln,
die über den Ort der Anwendung hinaus wirken;
d) die Behandlung mittels Hypnose;
e) die Behandlung mittels mystischer Verfahren.
Durch Beschluß des Bundesrats kann die Anwendung der unter
c bis e genannten Verfahren auch bei Tieren, sowie die Anwendung
anderer als der unter c bis e genannten Verfahren bei Menschen
und Tieren untersagt werden.
Behandelt einer der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Gewerbe¬
treibenden eine Person an einer gemeingefährlichen Krankheit
(Reichsgesetz, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krank¬
heiten, vom 30. Juni 1900 — Reichsgesetzbl. S. 306 —) oder an
einer solchen übertragbaren Krankheit, bezüglich deren durch
Landesrecht eine Anzeigepflicht eingeführt ist, oder ein Tier an
einer der Anzeigepflicht unterliegenden übertragbaren Seuche, so
kann die Polizeibehörde die weitere Behandlung untersagen.
154
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
§ 4. Den im § 1 Abs. 1 bezeichneten Personen ist der Ge¬
werbebetrieb zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die
Annahme begründen, daß durch die Ausübung des Gewerbes das
Leben der behandelten Menschen oder Tiere gefährdet oder deren
Gesundheit geschädigt wird oder daß Kunden schwindelhaft aus¬
gebeutet werden.
Der Betrieb kann untersagt werden, wenn der Gewerbetreibende
wegen einer strafbaren Handlung, die mit der Ausübung des
Gewerbes in Verbindung steht, rechtskräftig verurteilt ist, bei Über¬
tretungen jedoch nur im Falle wiederholter Verurteilung
Der Betrieb kann auch dann untersagt werden, wenn dem
Gewerbetreibenden wegen eines nicht unter Abs 2 fallenden Ver¬
brechens oder Vergehens die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt
sind, jedoch nicht über die Dauer des Ehrverlustes hinaus.
Ist die Untersagung erfolgt, so kann die Landeszentralbehörde
oder eine andere von ihr zu bestimmende Behörde die Wieder¬
aufnahme des Gewerbebetriebs gestatten, sofern seit der Unter¬
sagung mindestens ein Jahr verflossen ist.
Der Bescheid, der die Untersagung ausspricht, kann im Wege des
Rekurses gemäß §§ 20, 21 der Gewerbeordnung angefochten werden.
Die Landesregierungen können bestimmen, daß die Anfechtung
im Verwaltungsstreitverfahren zu erfolgen hat. Die Einlegung von
Rechtsmitteln hat keine aufschiebende Wirkung.
§ 5. Durch Beschluß des Bundesrats kann der Verkehr mit
einzelnen Mitteln oder Gegenständen, die zur Verhütung, Linderung
oder Heilung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden der
Menschen oder Tiere dienen sollen, beschränkt oder untersagt
werden, wenn von deren Anwendung eine Schädigung der Gesund¬
heit zu befürchten ist oder wenn sie in einer auf Täuschung oder
Ausbeutung der Abnehmer abzielenden Weise vertrieben w r erden.
Soweit der Bundesrat den Verkehr mit einzelnen Gegenständen
oder Mitteln untersagt hat (Abs. 1). ist deren Einfuhr verboten.
Zur Mitwirkung bei Ausübung der dem Bundesrate nach Abs. 1
ustehenden Befugnis w r ird bei dem Kaiserlichen Gesundheitsamt
eine Kommission gebildet. Die Kommission besteht aus Beamten,
w r elche die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Ver¬
waltungsdienste besitzen, und aus Sachverständigen aus dem Gebiete
der Medizin, der Tierheilkunde und der Pharmazie. Die Mitglieder
werden vom Reichskanzler ernannt. Dieser ernennt auch den Vor¬
sitzenden und dessen Stellvertreter aus der Zahl der Mitglieder.
Die Ernennung der Sachverständigen erfolgt auf die Dauer von
fünf Jahren.
Vor der Beschlußfassung des Bundesrats hat die Kommission
sich gutachtlich darüber zu äußern, ob eine Beschränkung oder
Untersagung des Verkehrs geboten sei. Die Kommission beschließt
in der Zusammensetzung von fünf Mitgliedern, unter denen mindestens
drei Sachverständige sein müssen.
Die Kommission hat dem Verfertiger oder anderen Beteiligten,
soweit dies ausführbar ist, zur Wahrung ihrer Interessen Gelegen¬
heit zu geben.
Im übrigen wird die Einrichtung der Kommission und das
Verfahren vor derselben durch den Bundesrat geregelt.
§ 6. Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe
bis zu dreitausend Mark oder mit einer von diesen Strafen wird
bestraft, w r er in öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen,
welche die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten,
Leiden oder Körperschäden der Menschen oder Tiere zum Gegen¬
stände haben, wissentlich unw'ahre Angaben macht, die geeignet
sind, Täuschungen über den Wert oder Erfolg der angekttndigten
oder angepriesenen Mittel, Gegenstände oder Verfahren hervor¬
zurufen. Dasselbe gilt, wenn solche wissentlich unwahren Angaben
gemacht werden in bezug auf die Person des Verfertigers oder
Urhebers oder über die die Veröffentlichung veranlassende Person
oder über die Erfolge einer dieser Personen.
§ 7. Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe
bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit einer von diesen
Strafen wird bestraft,
1. wer sich in öffentlichen Ankündigungen oder Anpreisungen
zur Fernbehandlung (§ 3 lit. a) erbietet;
2. wer öffentlich ankündigt oder anpreist
Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Verhütung,
Linderung oder Heilung von Geschlechtskrankheiten, zur
Behebung geschlechtlicher Schwäche oder zur Hervor-
rufung geschlechtlicher Erregung, sowie zur Verhütung
der Empfängnis oder zur Beseitigung der Schwangerschaft
dienen sollen:
3 wer öffentlich ankündigt oder anpreist
Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Verhütung,
Linderung oder Heilung von Krankheiten, Leiden oder
Körperschäden der Menschen oder Tiere dienen sollen,
sofern die Bestandteile oder die Gewichtsmengen der
Gegenstände oder Mittel oder die wesentliche Art des
Verfahrens bei der Ankündigung oder Anpreisung geheim¬
gehalten oder verschleiert werden.
Die Vorschriften unter Nr. 2 und 3 finden keine Anwendung,
soweit die Ankündigung oder Anpreisung in ärztlichen, tierärzt¬
lichen oder pharmazeutischen Fachschriften erfolgt.
§ 8. Mit der gleichen Strafe (§ 7) werden bestraft Gewerbe¬
treibende der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art, die
1. vorsätzlich den Vorschriften des §3 Abs 1 oder einer gemäß
$ 3 Abs. 2, 3 oder § 4 ergangenen Untersagung zuwider-
handeln;
2. vorsätzlich sich zu den nach § 3 Abs. 1 unter b, c, d und e
oder nach § 3 Abs. 2 verbotenen Handlungen in öffentlichen
Ankündigungen oder Anpreisungen erbieten.
Ist eine der unter 1 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässig¬
keit begangen, so tritt Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten und
Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder eine dieser Strafen ein.
§ 9. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit
Haft wird bestraft, wer gegen Entgelt Menschen oder Tiere wegen
einer Krankheit, eines Leidens oder eines Körperschadens behandelt,
ohne dazu staatlich anerkannt zu sein und ohne eine entsprechende
Anzeige nach § 1 erstattet zu haben.
Diese Bestimmung findet keine Anwendung, w'enn die Behandlung
w'egen Gefahr im Verzug übernommen und nur so lange fortgeführt
worden ist, bis Hilfe von einer staatlich anerkannten Person geleistet
w r erden konnte.
Ist die Behandlung eine solche, die den im § 1 Abs. I be¬
zeichneten Gewerbetreibenden nach § 3 verboten ist, so kann neben
der Strafe auf Einziehung der zur Behandlung gebrauchten oder
dazu bestimmten Gegenstände erkannt werden, sofern sie dem
Täter oder einem Teilnehmer gehören.
§ 10. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit
Haft wird bestraft, wer Mittel oder Gegenstände, die vom Bundes¬
rate gemäß § 5 dem Verkehr entzogen oder Verkehrsbeschränkungen
unterwarfen worden sind, entgegen diesen Anordnungen einfüJhrt,
feilhält, zum Verkaufe vorrätig hält oder verkauft oder sonst an
andere überläßt oder öffentlich ankündigt oder anpreist.
Neben der Strafe kann auf Einziehung der verbotswidrig ein¬
geführten, feilgehaltenen, zum Verkaufe vorrätig gehaltenen Mittel
oder Gegenstände erkannt werden, sofern sie dem Täter oder einem
Teilnehmer gehören.
§ 11. Ist in den Fällen der §§ 9 und 10 die Verfolgung oder
die Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann
auf die Einziehung selbständig erkannt werden.
§ 12. Der öffentlichen Ankündigung oder Anpreisung im Sinne
dieses Gesetzes wdrd die Verbreitung von Empfehlungen, Erfolg¬
bestätigungen, gutachtlichen Äußerungen, Danksagungen und
ähnlichen Mitteilungen in einem größeren Kreise von Personen
gleichgcachtet.
§ 13. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfttnfzig Mark oder mit
Haft werden bestraft Gewerbetreibende der im § 1 Abs. 1 be¬
zeichneten Art, die
1. die im § 1 vorgeschriebene Anzeige nicht rechtzeitig erstatten
oder die gemäß § 2 Abs. 1 von ihnen geforderte Auskunft
über ihre persönlichen Verhältnisse verweigern oder unrichtig
erteilen;
2. die Geschäftsbücher, deren Führung oder Aufbewahrung ihnen
obliegt, nicht oder nicht in der vom Bundesrate vorgeschriebenen
Weise oder unrichtig führen oder verheimlichen oder vernichten
oder der zuständigen Behörde auf deren Verlangen nicht vor¬
legen.
20. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
155
§ 14. Welche Behörde in jedem Bundesstaat unter der Be¬
zeichnung Polizeibehörde zu verstehen ist, wird von der Zentral¬
behörde des Bundesstaats bekannt gemacht.
§ 15. Die landesrechtlichen Vorschriften, welche die Ausübung
der Heilkunde durch nicht approbierte Personen, sowie die An¬
kündigung und Anpreisung von Mitteln, Gegenständen und Verfahren
der in diesem Gesetze bezeichneten Art betreffen, werden aufgehoben.
Der Kultusminister über die Promotion.
Wie beim landwirtschaftlichen Etat (vgl. B. T. W. Nr. 5)
so ist auch beim Etat des Kultusministeriums, und zwar zunächst
in der Budgetkommission, die Promotion der Tierärzte oder
vielmehr das Promotionsreclit der tierärztlichen Hochschulen
zur Sprache gebracht worden, sowie die Anerkennung des in
der Schweiz erworbenen veterinärmedizinischen Doktortitels, j
Nach Mitteilung eines Kollegen hat der Abgeordnete Dr. Be um er j
eine entsprechende Anfrage gestellt. Der Herr Kultusminister !
hat eine recht entgegenkommende Antwort gegeben dahin, daß j
er persönlich der Promotion der Tierärzte freundlich gegenüber- 1
stehe, daß zurzeit Gutachten von Universitäten eingefordert
würden und daß nach Entscheidung dieser inländischen Promotions¬
frage auch die Frage der Anerkennung des schweizer Doktor¬
titels w r erde gelöst werden.
Landwirtschaftsrat und Landesökonomie-Kollegium.
Die Verhandlungen des deutschen Landwirtschaftsrates und
des preußischen Landesökonomie-Kollegiums haben vieles für
Tierärzte Interessantes gebracht. Ein ausführliches Referat
darüber wird von Preuße veröffentlicht werden.
Die Bekämpfung der afrikanischen Viehseuchen.
Im Deutschen Landwirtschaftsrat ist die Bekämpfung der
afrikanischen Viehseuchen behandelt worden. Die Referenten
waren Exzellenz Robert Koch und Veterinärrat Rick mann.
Ersterer hatte betreffs Ostafrikas neun Leitsätze aufgestellt, die
der ehemalige Gouverneur Graf Götzen mit einigen Änderungen
versehen hatte und die angenommen worden sind. Besonders
der erste Leitsatz ist für uns ebenso interessant als erfreulich.
Die Beschlüsse lauten:
„1. Es ist eine ausreichende Anzahl von Tierärzten
anzustellen. 2. Viehhandel und Viehtransport müssen geregelt,
erforderlichenfalls stark eingeschränkt und unter ständige sach¬
verständige Aufsicht gestellt werden. 3. Es darf kein Vieh- von
der Küste nach dem Innern transportiert werden. Für Zucht¬
vieh sind Ausnahmen zulässig. 4. Die im Innern befindlichen
Seuchenherde von Küstenfieber sind gegen jeden Viehverkehr
abzuschließen und die darin befindlichen Tiere möglichst schnell
als Schlachtvieh zu verwerten. 5. Die Einrichtung des Haltens
von Serkal-Vieh ist abzuschaffen. 6. An der Küste ist durch
Herabsetzen des Viehbestandes auf eine möglichst geringe Zahl,
Einfenzen des Schlachtviehes, Stallfütterung der Milchkühe, das
Küstenfieber zu bekämpfen. 7. An seuchenfreien Orten sind
Viehdepots zur Versorgung der Küste mit Schlachtvieh an*
zulegen. 8. Eine wesentliche Sicherung der Viehzucht gegen
die Verschleppung der Seuchen bildet die Einschränkung des
Viehtreibens durch den Bau von Eisenbahnen von den Märkten
der Küste nach den viehreichen Innenbezirken. Der Transport
des Viehes auf der Eisenbahn hat überall da, wo Glossinen Vor¬
kommen (z. B. der Usambara-Bahn) in Wagen mit Fliegenschutz
zu geschehen, 9. Das Ausrotten des sogenannten großen Wildes
(Antilopen, Büffel) und der Wildschweine, sowie Fernhalten von
Ziegen und Schafen ist überall, wo im Besiedelungsgebiet die
Tsetsekrankheit herrscht, durchzuführen. Bei Auswahl von
Wildreservaten ist der Besiedelungsfrage besondere Rechnung
zu tragen.“
Ebenso wurden die von Rick mann betreffend Südwest¬
afrikas empfohlenen Grundsätze dem Herrn Reichskanzler als
Material überwiesen.
General-Versammlung des Unterstützungsvereins für Tierärzte
am Sonnabend, den 14. März 1908, vormittags 11 Uhr, im Hörsaal
des Anatomischen Instituts der Tierärztlichen Hochschule in Berlin.
Tagesordnung:
1. Bericht über die bisherige Tätigkeit des Vereins;
2. Kassenbericht;
3. Vorstands wähl.
Die Herren Mitglieder werden gebeten, sich möglichst zahlreich
an der Versammlung zu beteiligen.
Der Vorsitzende: Preuße.
Ärzte und Staatsregierung.
Ein Erlaß des zuständigen preußischen Ministers an die
Medizinalbeamten ist dem Vernehmen nach erschienen, um den
Reibereien zwischen Staatsregierung und den Ärzten ein Ende zu
machen. Es ist die Anfrage gestellt, ob die Ärzte von einer
Vertragskommission abhängig sind, ob sie das ärztliche Schutz- und
Trutzbündnis unterschrieben haben und inwieweit die Verpflichtungen
gehen. Zugleich sind die beamteten Ärzte aufgefordert worden,
ihre Unterschriften zurückzuziehen. Ärztlicherseits wird das Vor¬
gehen der Staatsregierungmit einem Stoß gegen die Ärzteorganisation
gedeutet, da in letzter Zeit häufig Arztstellen, die von den Ärzten
auf die schwarze Liste gesetzt worden sind und als solche für
standesunwürdig und ehrengerichtlich strafbar angesehen wurden.
Danach gelang es den Staatsbehörden nicht, Ärzte für manche
Stellen zu gewinnen. Auf dem letzten Ärztetag in Münster hat
darauf der zweite Vorsitzende’..in Münster mit dem Generalstreik
der organisierten Ärzte gedroht, wenn die Reichsregierung bei der
Reform der Arbeiterversicherung den Forderungen der Ärzte¬
organisation nicht entspricht. Dr. G.
Fortbildungskurse für Tierärzte in Petersburg.
Am 21. Januar beginnen in St. Petersburg am Bakterio¬
logischen Laboratorium des Ministeriums des Innern die ersten
vielseitigen Fortbildungskurse für Tierärzte. Der Schluß der
Kurse ist auf den 9. April festgesetzt. Die Kurse bestehen in
folgendem: W. F. Nagorsky, Chef der Veterinärverwaltung
des Ministeriums des Innern: Veterinärpolizeiliche Gesetzgebung
und Statistik; Prof. A. A. Rajewsky, Präses des Veterinär-
komitees: Theorie der Neubildungen; Prof. J. M. Sodowsky,
Direktor des Laboratoriums: Bakteriologie; Prof, der Medizinischen
Akademie N. N. Mari: Aktinomykose; Dozent der Medizinischen
Akademie B. J. Solowzow: Klinische Harnanalysen; Schlacht¬
hofdirektor M. A. Ignatiew: Fleischbeschau; Prof. A. A. Wladi-
miroff aus dem Institut für experimentelle Medizin: Immunität,
Mallein und Tuberkulin; W. A. Jakimoff, Assistent am Institut
für experimentelle Medizin: Blut, Trypanosomen und Spirillose;
S. J. Dratschinsky, Assistent am Institut für experimentelle
Medizin: Tollwut; J. J. Iw an off: Über künstliche Befruchtung
bei den Haustieren; A. W. Belitz er: Über Pyroplasmose der
Pferde; S. Beinarowitsch: Über Pyroplasmose des Rindes;
W. W. Konge: Milchkunde; P. W. Sisoff, Assistenten am
Laboratorium: Infektionskrankheiten der Schweine und Vögel
nebst Serotherapie; S. N. Wischelessky: Vaccination und
Serotherapie bei Milzbrand; D. S. Pujenzaw: Vaccination bei
der Lungenseuche des Rindes. Mitgeteilt von Wold. Konge.
156
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8.
Bttcheranzeigen und Kritiken.
Handbuch der tierischen Ernährung und der landwirtschaftlichen
Futtermittel. Von Prof. E. Pott in München. Zweite, gänzlich neu
bearbeitete Auflage. Band II. Spezielle Futtermittel lehre. Verlag
P. Parey. Preis 14 M.
Schon der vor drei Jahren erschienene erste Band dieses
Werkes, welcher die mehr theoretischen Erörterungen über die
tierische Ernährung und über die Futtermittel im allgemeinen
brachte, fand eine solche günstige Besprechung und auch rasch
eine so große Verbreitung, daß man dem allerdings etwas ver¬
späteten Erscheinen des zweiten Bandes in allen interessierten
Kreisen mit großer Spannung entgegen sah, der deshalb nicht nur
eine bedeutsame, sondern auch originelle Arbeit zu werden ver¬
sprach, weil Pott unbekümmert um die geläufigen Methoden und
Auffassungen vielfach seinen eigenen Weg geht und ihm dieser
schon weitgehende Anerkennung verschafft hat. So hat Pott z. B.
stets betont, daß bei den Futtermitteln nicht nur die eigentlichen
Nährstoffe, sondern auch die Nebenstoffe von Bedeutung sind und
unter diesen namentlich wiederum die Geschmackstoffe. Der vor¬
liegende zweite Band umfaßt Grttnfutter, Heu, Stroh, Dreschabfälle,
Knollen, Wurzeln, fleischige Früchte, Körnerfrüchte, schädliche
Pflanzen. Der noch folgende dritte Band wird die als Futtermittel
dienenden gewerblichen Nebenprodukte, die Abfälle vegetabilischen
Ursprungs, die Futterstoffe animalischen Ursprungs, die Beifutter-
mittel und Gewürze betrachten. Das wohl alles auf dem Gebiete
der Futtermittel Wissenswerte enthaltende Werk gibt die Möglich¬
keit, über den Gehalt der Futtermittel an verdaulichen Nährstoffen
und über ihre besondere Eignung zu bestimmten Futterzwecken
sich ein klares Urteil zu verschaffen und mit Hilfe der vorhandenen
Zahlenangaben kann man leicht und rasch den Produktions- und
Nutzwert des betreffenden Futtermittels berechnen. Die feinere
chemische Zusammensetzung des Futtermittels, welche nach der
ohne Zweifel richtigen Ansicht des Verfassers die besondere Eignung
eines jeden Futtermittels zu bestimmten Zwecken mitbestimmt und
welcher er ein fast dreißigjähriges Studium zuteil werden ließ,
findet, so weit es die Kenntnis derselben erlaubt, Berücksichtigung.
Möge das hervorragende Werk auch in seiner neuen Auflage die
Würdigung in wissenschaftlichen und praktischen Kreisen finden,
wie in der ersten Auflage. Für den praktischen Tierarzt, der tiefer
in das Studium der tierischen Ernährung und Fütterung eindringen
will, dürfte es kein besser zu empfehlendes Werk geben, als das
besprochene. Prof. Dr. Carl Arnold-Hannover.
Veterinftrrat W. Rickmann, Tierzucht und Tierkrankheiten
in Deutsch-Südwestafrika. Verlagsbuchhandlung von Richard
Schoetz, Berlin 1908. Preis gebunden 9 M.
Prof. Dr. Robert Bonnet, Lehrbuch der Entwicklungs¬
geschichte. Mit 341 in den Text gedruckten Abbildungen. Paul
Parey, Berlin 1907. Preis gebunden 14 M.
Friedberger und Fröhner, Lehrbuch der speziellen Patho¬
logie und Therapie der Haustiere. Herausgegeben von Prof.
Dr. med. Eugen Fröhner. VII. neubearbeitete Auflage. Zwei Bände.
Ferdinand Enke. Stuttgart 1908. Preis 35 M.
Dr. Paul Goldbeck, Stabsveterinär, Das Militär-Veterinär¬
wesen und die KrankheitBstatistik der Armeepferde aller
Kulturstaaten. Mit zwei Tafeln mit Bildnissen. Ernst Siegfried
Mittler & Sohn. Berlin 1908. Preis 4,50 M., geb. 5,50 M.
Prof. Dr. J. Hansen-Bonn, Fütterungsversuche mit Milch¬
kühen. Im Aufträge des Sonderausschusses für Fütterungswesen der
Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft. Deutsche Landwirtschafts¬
gesellschaft. Berlin 1907.
Prof. Dr. Franz Tangl, Beiträge zur Futtermittellehre und
Stoffwechselphysiologie der landwirtschaftlichen Nutz¬
tiere. (Mitteilungen aus der Königl. ungar. tierphysiologischen
Versuchsstation in Budapest.) III. Heft. Verlagsbuchhandlung
Paul Parey, Berlin 1908.
Schlachthofdirektor Kühnau und Dr. A. Clevisch, Einrichtung
und Betrieb von Säuglingsmilchanstalten. Reinhold Kühn,
Berlin 1908.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose, Bd. VIII, Heft 4. Inhalt:
Fricke, Ein Fall von Karzinom und Tuberkulose der Mamma.
Mit 1 Tafel. Eisen, Über die Tuberkulin Ophthalmo-
Reaktion. Amrein, Weitere Tuberkulin-Erfahrungen. Pigger,
Künstlicher Pneumothorax und opsonischer Index. Mit
1 Tafel. Much, Über die nicht säurefesten Formen des
Kochschen Tuberkulinbazillus. Kraemer, Psychophysische
Gleichgewichtsstörung? Bemerkung zu Dr. Köhlers Abhandlung
im 1. Heft dieses Bandes. A. Stübers Verlag, Würzburg 1907.
Einzelpreis dieses Heftes 4 M.
Das neue Preußische Ergänzungs-Steuergesetz vom 19. Juni 1906.
L. Schwarz & Comp., Berlin.
Verwaltungsbericht für den städtischen Schlacht- und
Viehhof zu Königsberg i. Pr. für das Betriebsjahr 1906.
Prof. C. Happich, Bericht über die Tätigkeit des milch-
wirtschaftlichen bakteriologischen Laboratoriums zu
Jurjew (Dorpat). Für das Jahr 1905 mit kurzem Überblick für
die Jahre 1903-1904. 1906.
Dr. H. Märtel, Rapport sur les Opärations du Service
veterinaire sanitaire de Paris et du Departement de la
Seine. Pendant l’annäe 1906. Paris 1907.
Inaugural-Dlssertationen.
Rudolf Siegel, Anatomische Untersuchungen über die
äußere Haut des Hundes. (Medizin. Fakultät, Leipzig.) Mit
26 Abbild. Dresden 1907.
Martin Engelmann, Untersuchungen über die elastischen
Fasern der Lymphknoten vom Pferd, Rind, Schwein und
Hund und über die an ihnen ablaufenden Altersverände¬
rungen. (Medizin. Fakultät, Leipzig.) 11 Abbild. Leipzig 1907.
Robert Sebauer, Über die Bedeutung der Kalksalze für
das wachsende Tier. (Medizin. Fakultät, Gießen.) Julius
Springer, Berlin 1907.
Erich Klawitter, Über Nebennierengeschwülste der land¬
wirtschaftlichen Haussäugetiere. (Philosoph. Fakultät,
Leipzig.) Mit zwei Tafeln. Leipzig 1907.
Dr. med. vet Friedrich Freytag, Beziehungen der Milz zur
Reinigung und Regeneration des Blutes. (Philosoph.
Fakultät, Erlangen.)
I Personalien.
Auszeichnungen: Landestierarzt Reg.-Rat Feist - Straßburg zum
| Geheimen Regierungsrat ernannt — Dem Oberstabsveterinär bei der
Militärveterinärakademie Karl Troester der Rote Adlerorden
vierter Klasse verliehen.
Gewählt: Schlachthof inspektor Frickinger zum 1. Schlachthof-
und Polizeitierarzt in Bochum.
Niederlassung: Tierarzt Dr. Karl Fischer , bisher Assistent am
Veterinärinstitut der Universität Leipzig in Grabow i. Meckl.
Approbiert: Die Herren Reifferieh auB Altdorf, Egen aus Dachau,
Schlägel aus Freiberg i. Br., Johanmen aus Gettorf in Gießen, Heinrich
Spekker aus Rorichum, Heinrich Hölting aus Westenholz (Westf.),
Wilhelm Dietrich aus Brötzingen (Baden) in Hannover.
In der Armee: Versetzt: Oberveterinär im Jäger-Regt. zu Pferde
Nr. 3 Taubilx zum 1. April 1908 zum Ulan.-Rcgt. Nr. 4.
Am Sonntag, den 16 . Februar, verschied infolge Herz¬
schwäche nach einer Operation meine geliebte Frau
Hedwig geb. Rabe,
der gute Engel meiner jungen Jahre, die kluge Mit¬
wisserin, sanfte Beraterin und treue Helferin meiner
Bestrebungen.
Berlin. Professor Dr. Schmaltz.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Herlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoets in Berlin. —
Drnck von W. Büxenstein, Berlin.
Di« „Berliner TIerintUche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich ln» Verlage von Richard Schoeti ln
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Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
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Berliner
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00 )lk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, TierSrzt-
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Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
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De Bruin
Glage
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Prof. Dr. Peter
Veterinärrat Peters
Veterinärrat Preuße
Professor
Professor
Departementstierarzt
Kreistierarzt
Departementstierarzt
Departementstierarat
Utrecht.
Hamburg.
Cöln.
Angermünde.
Bromberg.
Danzig.
Dr. Richter
Med.-Rat Dr. Roeder
Dr. Schlegel
Dr. J. Schmidt
Reg.-Rat Dr. Vogel
Zündet
Professor
Professor
Professor
Professor
Landesti erarzt v. Bayern
Kreistierarzt
Dresden.
Dresden.
Freiburg i. Br.
Dresden.
München.
Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908.
Xd. 9. Ausgegeben am 37. Februar.
I n halt: Hottenbach: Wirkung und Nebenwirkungen des Yohimbin-Spiegel (Yohimvetol). — Referate: Geflügelzucht und
Geflügelkrankheiten: Albrecht: Über ein paar Versuche beim Geflügel. — Schraepler: Über Wundheilung und Narben¬
bildung beim Hausgeflügel. — Gareitschoff: Ein Fall von Hühnerspirillose in Bulgarien. — Sallinger: Taeniasis bei
Gänsen. — Tageageachichte: Bericht über die VII. Hauptversammlung des Vereins der beamteten Tierärzte Preußens. (Fort¬
setzung.) — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Wirkung und Nebenwirkungen des Yohimbin-Spiegel
(Yohimvetol).
Von Tierarzt Heinrich Holterbach-Offenburg (Baden).
„Xzfjfjia tg ael.“
Der'Kähipf um das Yohimbin — und daß man von einem
„Kampfe“ reden kann, muß zugeben, wer aufmerksam den Ver¬
öffentlichungen in der ärztlichen und tierärztlichen Presse folgt —
hat eine Wendung genommen, die uns Tierärzten um so weniger
gleichgültig sein kann, als es gerade unserer Tätigkeit zu danken
ist, daß sich das bereits erlahmende Interesse für das Alkaloid in
der glücklichsten Weise wieder belebte und Untersuchungen ver-
anlaßte, welche den unschätzbaren Wert des Mittels bekräftigen
und dem Therapeuten Indikationen bieten, die (so hoffen wir
wenigstens) von seiten unserer Standesgenossen in majorem
medicinae veterinariae gloriam die gebührende Beachtung finden.*)
Die Vorstellung, welche wir uns heute noch von dem Yohimbin und
seinen Wirkungen machen, ist höchst dürftig und unklar. Denn
sein Name erinnert im allgemeinen nur (mit einem gewissen ironisch-
verächtlichen Beigeschmack) an die männliche Impotenz. Als ob
diese Seite seiner Energie die einzige oder die vornehmste wäre,
als ob sich an sie die anerkanntesten Erfolge, die legitimsten Hoff¬
nungen knüpften! Diese Ansicht ist aber grundfalsch und von mir
stets bekämpft worden; sie ist in ihrer Einseitigkeit wesentlich
der Grand, daß das Yohimbin so lange sehr stark befehdet und
sehr wenig untersucht wurde. Es ist ja eine ganz angenehme Bei¬
gabe der Yohimbinwirkung, daß es unter Umständen die männliche
Sexualsphäre so auffallend beeinflußt und Heilungen der ein¬
schlagenden Schwächen und Leiden ermöglicht, denen wir bis jetzt
mit keiner Therapie, mit keiner Diät heikommen konnten; aber
viel höher steht, wie ich zu zeigen hoffe, sein Effekt auf die
weiblichen Geschlechtsorgane, ein Gebiet, an dessen Er-
*) Leider steht diesem Wunsche noch der Preis des Mittels
im Wege, der es dem Praktiker fast nur bei der Behandlung kleiner
Tiere zu verwenden gestattet. Rechnet man dazu noch die täglich
unerträglicher werdende Tyrannis der Apotheker, welche den Preis
des Yohimvetol erst recht pfeffert, und salzt, dann ist der lang¬
same Siegeszug des Präparates ganz erklärlich. Wann werden wir
endlich das Joch abschütteln, in dem wir zum Profit der Apotheker
in der Frone keuchen? Quousque tandem!
forschung gegenwärtig Tierärzte und Ärzte im Laboratorium und
in der Praxis mit schönem Erfolg arbeiten. Es scheint endlich nach
klinischen Erfahrungen der letzten Monate sein von Strubell be¬
wiesener Einfluß auf das Rückenmark noch eine Ausbeute zu ver¬
sprechen, die nicht zu verachten wäre. Sind die beiden letzteren
Seiten der Yohimbinwirknng erst gründlich erforscht, dann wird
auch die Gegnerschaft gegen das Präparat abnehmen.
Sie ist jetzt schon, nach den tierärztlichen Erfolgen des letzten
Jahres, im Schwinden begriffen, trotzdem auch diese vorwiegend
auf die Heilung der Impotentia virilis gerichtet waren. Sie haben
aufgeräumt mit dem stets und in allen Tonarten wiederholten Ein¬
wand: Die von namhaften Medizinern berichteten Heilungen dieses
Leidens seien nicht unter der Einwirkung des ganz wertlosen Mittes
zustande gekommen, sondern dem Banne der vom „Arzt geübten
Suggestion“ zu danken. Eine eigentümliche, in der Geschichte aller
Wissenschaften immer wiederkehrende Logik, welche hartnäckig
klar bewiesene, handgreifliche (die Versuche Prof. Loewys demon¬
strierten den Reiz, welchen das Yohimbin auf die Hoden der Ver¬
suchstiere übte, doch handgreiflich genug!) Tatsachen leugnet und
mit Schlagworten bekämpft, in denen nur zu oft eine ganz unklare,
aber gerade deshalb um so bequemere Vorstellung wohnt!
Es ist erfreulich, Herrn Professor Fttrbringer, den entschie¬
densten und bei seiner anerkannten gewaltigen Autorität in diesen
Fragen gefährlichsten Feind des Yohimbin in der 7. Nummer der
„Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ vom Jahrgang
1907 in einem klinischen Vortrag über die „Behandlung der Im¬
potenz“ etwas einlenken zu sehen:
„Doch wollen wir bereitwillig zugeben, daß in der
jüngsten Zeit mehrfach von der Suggestion kaum zu¬
gänglichen Kl ienten an uns gelangte, auffallend günstige
Berichte zu respektieren sind. Das zumal, nachdem eine Fülle
freilich sehr verschiedenwertiger tierärztlicher Mitteilungen Uber denkbar
günstigste Wandlungen bei deckfaulen Hengsten, Bullen, Hunden und
anderen frigiden Tieren — auch weiblichen! — mit dem Ausschluß einer
Suggestivwirkung zu bedenken geben.“
Der Herr Professor möge sich noch eine Zeitlang bedenken.
Vielleicht schwenkt er eines Tages mit fliegenden Fahnen ins Lager
der Yohimbinfreunde ein! Einstweilen können wir Tierärzte mit
seiner Generalanerkennung trotz dem üblichen und unvermeidlichen,
im leisen Tadel der „Verschiedenwertigkeit“ geführten Seitenhieb
um so mehr zufrieden sein, als bis jetzt Lob und Ermutigung von
158
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
jener Seite nur selten an uns verschwendet wurden. Wir lassen
uns auch nicht durch die ganz berechtigte, dem Mediziner nahe
liegende Warnung beirren, welche Herr Prof. Fürbringer in fol¬
gende Worte faßt: „Immerhin raten wir bezüglich der
schlichten Übertragung der sexuellen Verhältnisse vom
Tier auf den Menschen zur Vorsicht.“ Weshalb auf einmal
diese löbliche Vorsicht? Gewinnen nicht täglich die Mediziner in
ihren Laboratorien durch das Tierexperiment, ihre vornehmste und
unentbehrlichste Erkenntnisquelle, Resultate für die Humantherapie,
welche (mit der notwendigen Kritik selbstverständlich!) unbedenklich
vom Tier auf den Menschen übertragen werden dürfen, trotzdem
die „Verhältnisse“ oft unendlich komplizierter sind, als die „sexuellen“
Verhältnisse? Das wird auch bei der Erforschung des Yohimbin
nicht anders werden. Auch hier wird das Tierexperiment den Weg
zeigen, welcher den Mediziner in unbekannten Gebieten zum Erfolg
leitet, auch hier haben die Erfahrungen der tierärztlichen Praxis
anregend und befruchtend gewirkt; sie werden sicherlich künftig
nicht entbehrt werden können.
Im Jahre 1907 gelangten nur zwei theoretische Arbeiten über
das Yohimbin zur Veröffentlichung, die beide unsere Kenntnis des
Mittels wesentlich erweitern und deshalb jedem bekannt sein
müssen, der ihm ein mehr als nur platonisches Interesse entgegen¬
bringt.
In den „Archives internationales de Pharmacodynamie et de
Therapie“ (Vol. XVII pag. 81) erschien eine sehr wertvolle Abhand¬
lung des Herrn Dr. Franz Müller: „Über die Wirkung des
Yohimbin-Spiegel, ein Beitrag zur Methodik der Prüfung
von Vasomotorenmitteln und Aphrodisiacis“. Diese Ver¬
suche, welche in deu Universitätslaboratorien von Berlin und London
mit großem Scharfsinn und unter Zuhilfenahme subtilster Methoden
inszeniert wurden, sind noch nicht abgeschlossen. Wir müssen uns
deshalb, schon mit Rücksicht auf die komplizierte Methodik, damit
begnügen, die gewonnenen Resultate bekannt zu geben, indem wir
auf die oben zitierte Originalarbeit den Leser verweisen, der eine
eingehendere Belehrung sucht.
Müller verwandte das Präparat in Lösung als subkutane In¬
jektion. Das salzsaure Yohimbin wurde zum Gebrauch stets frisch
gelöst; eine gelbliche Färbung der Lösung deutet die eingetretene
Zersetzung an: es hat sich die unwirksame Y'ohimboasäure gebildet.*)
Die Lösung ist wertlos geworden. Das milchsaure Salz,
welches den nur sehr relativen Vorzug der leichteren Löslichkeit
besitzt, scheint noch weniger in der Lösung haltbar zu sein; denn
„beim Stehen der Lösung des Laktats fallen nach einigen
Tagen feine, nadelförmige Kristalle aus, die Bich auch
beim Kochen nicht wieder lösen“ (Müller). Diese Kristalle
der Yohimbinbase sind aber von problematischer Wirksamkeit. Die
subkutane Injektionsmethode, für den Experimentator wegen der
Möglichkeit exaktester Dosierung und sicherster Einverleibung in
den Organismus von unschätzbarem Wert, ist für die Bedürfnisse
der Praxis entbehrlich. Denn „die Beobachtungen am Menschen
haben gezeigt, daß die Yohimbinsalze nach Eingabe
per os in Tablettenform (3mal täglich 0,005 g des salz¬
sauren Salzes) ebenso wirken, wie nach subkutaner Ein¬
verleibung“ (Müller). Eine Erfahrung, die auch wir an Tieren
gemacht und stets verteidigt haben. Ferner weist Müller darauf
hin, daß das Yohimbin bei Tieren der gleichen Art unter sonst ganz
gleichen Verhältnissen eine auffallend verschiedene Wirkung ent¬
falten kann, daß, wie auch wir stets betont haben, bei der Be¬
urteilung der Yohimbinwirkung mit starken, oft ganz unerklärlichen
Idiosynkrasien zu rechnen ist.
Auf die Atmung haben selbst minimale Dosen einen entschiedenen
Einfluß; sie wird beschleunigt und tiefer. (Hunde sind in dieser
Hinsicht viel empfindlicher, als Katzen; bei letzteren tritt die Be¬
schleunigung erst nach Injektion von 0,06—0,26 mg pro Kilo Körper-
*) Wir raten aus diesem Grunde, auf den vielleicht mancher
Mißerfolg zurückzuführen ist, entschieden von der Verwendung einer
Lösung (auch einer sterilisierten Lösung!) ab und verwenden
ausschließlich die nach den bisherigen Erfahrungen haltbaren und
unverändert wirksamen Tabletten. Wer die Lösung (auch subkutan)
um jeden Preis vorzieht, wird also gut tun, sie ganz frisch zu bereiten.
gewicht ein (!) während man bei Hunden schon mit 0,01—0,02 mg
den gleichen Effekt erzielt.) Alter und Geschlecht spielen beim
Zustandekommen dieser Wirkung keine Rolle, was insofern auf¬
fällt, als man diesen Umständen gerade in der Praxis bei der Be¬
urteilung der Yohirabinwirkung Rechnung tragen muß. Intravenöse
Injektion von Urethan bewirkt selbst nach sehr hohen Yohimbin¬
dosen sofortige Beruhigung der Atmung! (Wichtig für etwa mögliche
Fälle von Yohimbin Vergiftung.)’ Auf letale Dosen erfolgt Stillstand
der Atmung bei weiter schlagendem Herzen.
Wichtiger und sehr vielseitig ist die von Müller erforschte Ein¬
wirkung des Alkaloides auf den Zirkulationsapparat. In den Arterien
sinkt der Blutdruck anfänglich, tun selbst nach hohen Dosen in
kurzer Zeit wieder seine normale Höhe zu erreichen. Eine Zu¬
nahme des Herzvolumens und eine Stauung in diesem Organ wurde
bei den Versuchen nie beobachtet. Damit ist bewiesen, daß .Jeden¬
falls bei den therapeutisch zur Verwendung kommenden
Dosen der Fall des Blutdrucks nicht durch Schwächung
des Herzens bedingt ist“. Dagegen wirken, wie nicht anders
zu erwarten, die „sicher letalen Dosen auch schädigend
auf das Herz ein“. Das ist praktisch sehr wichtig, weil durch
diese Feststellung der Einwand in Bich zusammenbricht, das
Yohimbin wirke in therapeutischer Dosis als Herzgift, sei also ein
gefährliches, nur mit Vorsicht zu handhabendes Präparat. Es ist
uns in sieben Jahren und in zahlreichen Versuchen, die zum Teil
sogar an sehr schwer kranken Tieren vorgenommen wurden, kein
einziger Fall von ungünstiger Beeinflussung des Herzens oder gar
von beängstigenden Erscheinungen seitens dieses Muskels zur
Beobachtung gekommen. Wenn aber das Herz für das Sinken des
Blutdrucks nicht verantwortlich gemacht werden kann, dann muß
dessen Ursache in „vasomotorischen Einflüssen gesucht
werden“. Man hatte die verblüffende Beobachtung gemacht,
„daß schon nach den niedrigsten überhaupt auf die Blut¬
verteilung wirksamen Dosen (beim Hund 0,005 mg pro
Kilo Körpergewicht intravenös!) bisweilen eine Zunahme
des Beinvolumens eintritt, und zwar entweder ohne daß
sich der Blutdruck ändert, oder genau gleichzeitig mit
dem Beginn einer geringen Senkung des Druckes“. Es
werden nämlich, wie Müller durch präzise Versuche dartun konnte,
durch diese kleinsten noch wirksamen Gaben die „Gefäße der
Extremitäten erweitert, während der Blutdruck sinkt;
der Sitz dieser Wirkung ist ein peripherer, in den Gefäßen selbst
gelegener“. Die Strombahn in den Extremitäten bleibt auch noch
nach Ausgleich des Druckes längere Zeit hindurch erweitert.
Auch die Nieren reagieren rasch auf den Yohimbinreiz. „Ihr
Volumen steigt schon nach kleinsten Dosen, die den
Druck entweder nicht beeinflussen oder ihn etwas
erhöhen, und sinkt nach einigen Minuten zur ursprüng¬
lichen Höhe.“ Die Blutdrucksenkung ist auch hier mit durch eine
Erweiterung der Strombahn bedingt, und diese Dilatation ist bei
„größeren Y'ohimbindosen nach 15 Minuten noch nicht
ausgeglichen.“ Die sehr naheliegende Befürchtung, daß „bei
einer so starken und lange dauernden Einwirkung auf
die Nierengefäße das Y'ohimbin die Niere nachhaltig
schädigen könne, erwies sich nach ausgedehnten Ver¬
suchen im Laboratorium (A. Loewy und Poltawzeff) und
allen bisherigen klinischen Erfahrungen als unbegründet“
Auch dieses Ergebnis der Experimente Müllers ist für die Praxis
wichtig und windet den Y’ohimbingegnern eine Waffe mehr aus der
Hand. Es kommt zu einer leichten diuretischen Wirkung, die aber,
wie wir in langjährigen Versuchen bei Hunden feststellten, niemals
nachteilig wird.
Das Volumen des Darmes nimmt unter dem Einfluß des
Y'ohimbin zuerst ab; dann tritt eine höchst beachtenswerte Volumen¬
zunahme ein, welche durch folgende Erscheinungen charakterisiert
ist: Sie hält lange an, führt zu einer starken Durch¬
blutung des Darmes und verursacht neben starker
Rötung auch eine wässerige Exsudation in das Darm¬
lumen, so daß Müller geradezu von einer unter dem
Yohimbinreiz zustande kommenden entzündlichen Reizung
dieses Organes spricht. Das ist eine neue Seite der Wirkung
27. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
159
des Präparates und, wie wir noch sehen werden, von eminenter
praktischer Bedeutung.
Ganz anders und im höchsten Grade befremdlich ist das Bild
der yohimbinisierten Milz: es kommt bei ihr zu einer deutlichen
Volumenabnahme, der keine Zunahme mehr folgt.
In den Lungen stellt sich erst unter dem Einfluß extremer
Dosen die Gefäßerweiterung ein.
Diese ist, wie schon Loewys Versuche lehren, an den 6enitalien
sehr auffällig. Im Penis kommt die Blutanhäufung „in erster
Linie durch Erweiterung im arteriellen System ein¬
schließlich dert’orpora cavernosa zustande, nicht durch
Behinderung des venösen Abflusses.“ Auch das sehr
komplizierte Problem der Erektion zog Müller in den Bereich
seiner Versuche und bemühte sich, den Einfluß des Yohimbins auf
sie zu ergründen. Er kommt zu dem Schluß: „Yohimbin erzeugt
also in minimal wirksamen Dosen eine Steigerung der
reflektorischen Erregbarkeit im Sakralmark, durch
welche die „somatische“ Erektion leichter auslösbar
wird, ohne gleichzeitig die allgemeine lteflexerregbar-
keit zu steigern.“
Ob Yohimbin die Libido sexualis anregt, ist zurzeit noch ein
vielfach bestrittener, der Aufklärung bedürftiger Punkt. Im Labora¬
torium läßt sich nach Müllers Überzeugung auf diese Frage die
Antwort nicht Anden. Hier sind die Erfahrungen der Kliniker
(auch der Tierärzte, diese sogar in erster Linie, weil der faden¬
scheinige Einwurf der Suggestion hier wegfällt; allein ausschlag¬
gebend. Nach meinen Erfahrungen kommt es, besonders bei
weiblichen Tieren, unter dem Yohimbinreiz bisweilen
zu einer ganz unverkennbaren Libido sexualis. Wie
noch im folgenden bewiesen werden soll, ist das Alkaloid in seiner
Wirkung auf den weiblichen Geschlechtsapparat mächtiger und
nachhaltiger, als dem männlichen gegenüber. Daraus würde es sich
erklären, daß man bei weiblichen Individuen öfters durch den Ein¬
tritt der Libido betroffen wird. Ich hatte Gelegenheit, eine zwei
Jahre s^te Teckelhün4iu, außerhalb ihrer. Brunstperiode durclj
Verabreichung von Yohimvetol in Hitze versetzt worden war, bei
dem Begattungsakt zu beobachten. Der Ausdruck in den
Augen dieser Hündin hatte beim Spiel mit dem Hund
etwas so ausgesprochen Sinnlich-Lüsternes, daß sogar
der sonst wenig achtsame Besitzer darob ganz betreten
war! Und warum sollte beim männlichen Tier nicht eine
ähnliche Wirkung möglich sein?
Am Schluß der Besprechung der Experimente Müllers an-
ge langt, konstatiere ich mit Vergnügen, daß dieser Autor in einem
vielleicht nebensächlich erscheinenden, zur richtigen Charakteri¬
sierung unseres Alkaloides aber gewiß nicht unwesentlichen Punkte
meine Ansicht teilt Ich hatte schon früher, leider erfolglos, den
Vorschlag gemacht, das Yohimbin als „Sexuale“, als Geschlechts¬
mittel zu bezeichnen und den im Lauf der Jahrtausende etwas
anrüchig gewordenen Begriff „Aphrodisiacum“ dafür ganz fallen
zu lassen. Den gleichen Vorschlag macht Müller und er pro-
poniert den Terminus „Erectivnm“. Da aber dieser auch nur
einen Wesenszug des Präparates unterstreicht und der wichtigen
Wirkung auf den weiblichen Organismus Überhaupt nicht gerecht
wird, bleibe ich bei meinem Vorschlag stehen.
Die zweite theoretische Arbeit über das Yohimbin-Spiegel
stammt von Herrn Dr. Franz Daeis aus Gent; sie gründet sich
auf seine Versuche in der „experimentell-biologischen Abteilung
des Königl. pathologischen Institutes der Universität Berlin“ und
ist in Nr. 42 der Berliner Klinischen Wochenschrift (Jahrgang 1907)
abgedruckt.
Während Müller sich die Aufgabe gestellt hatte, die Wirkung
des Yohimbin auf die Blutgefäße zu studieren, ist Daeis, an¬
geregt durch die Veröffentlichungen der Tierärzte, bemüht, den
Einfluß des Mittels auf die weiblichen Genitalien zu klären und so
den Medizinern die Möglichkeit zu bieten, für die Anwendung des
Yohimbin in der gynäkologischen Praxis genaue Indikationen auf¬
stellen zu können. Diese Arbeit ist deshalb für den Praktiker so
wichtig, weil Daeis darin zum ersten Male mit der größten Deut¬
lichkeit auf die Nebenwirkungen des Yohimbin hinweist und sie
mit vielleicht zu großem Nachdruck hervorhebt.
Einleitend gibt er eine kurze Übersicht über den heutigen
Stand der Y T ohimbinfrage und bekennt seinen Glauben an die Wirk¬
samkeit und die Zukunft des Mittels. Dann sagt er:
„Im Anschluß an das Studium der Wirkung des Yohimbins auf
den männlichen Genitalapparat untersuchte man den Einfluß dieses
Mittels auf die weiblichen Geschlechtsorgane. Die zuerst hierüber
publizierten Versuche von Ficarelli und Holterbach zeigten,
daß die Substanz geeignet war, bei der Kuh und der Hündin in
5—9 Tagen die Brunsterscheinungen hervorzurufen; und während
dieser künstlich hervorgerufenen Brunst war die Konzeption möglich.“
Er deutet ferner an, daß die Mediziner von dieser Wirkung einen
ziemlich kritiklosen Gebrauch in der gynäkologischen Praxis zu
machen versuchten und, trotzdem „außer den tierärztlichen
Versuchen, bei denen es sich im allgemeinen nur um
pathologische Fälle handelt, keine zweckmäßigen Ex¬
perimente vorhanden sind, schon zur Benutzung dieses
Mittels auf gynäkologischem Gebiete die zahlreichsten
Indikationen aufgestellt haben.“
Diesem Übelstand abzuhelfen bezwecken seine Versuche.
Drei Hündinnen mittlerer Größe, deren eine brünstig war, er¬
hielten zweimal täglich je 7 mg Yohimbin-lactieum Spiegel in
1 Lösung per ob. Vom dittten Tage ab zeigt Nr. 1 (die brünstige
Hündin), und vom vierten Tage ab auch Nr. II stärkeren, blutigen
Scheidenausfluß, Nr. III nur geringe schleimige Absonderung. In
der zweiten Versuchswoche fand man im Käfig blutige Fäccs.
Am 15. Versuchstage Laparotomie: Bei den drei Tieren sind
die Uterushörner kolossal angeschwollen, im makroskopischen
States der Brunst; bei zweien ist die Follikelreife stark
ausgeprägt; ferner fand man bei einer Hündin starke
Hämorrhagien in den Parametrien. Nun machte Daeis bei
den drei Versuchstieren die doppelseitige Ovariektomie. „Während
der folgenden Tage und Wochen blieb bei zweien der
Ausfluß aus der Vulva deutlich weiter bestehen, verlor
aber seinen hämorrhagischen Charakter.“ Nach einem
Monat wurde die zweite Laparotomie gemacht: „Bei zwei Hündinnen
besaßen jetzt noch die Uterushörner ein der Brunst entsprechendes
makroskopisches Aussehen.“*; Zehn Tage nach dieser zweien
Laparotomie hatten die Ausflüsse aus den Genitalien nachgelassen.
Jetzt verabreichte Daeis den Versuchstieren eine Woche lang
wieder zweimal täglich je 7 mg Yohimbin-lacticum-Spiegel per ob.
Nach Ablauf dieser Woche trat bei zwei Hündinnen neben starker
Schwellung der äußeren Genitalien ein blutiger Scheidenausfluß ein;
eines dieser Versuchstiere gab auch noch durch Unruhe, Rutschen
mit den Genitalien auf dem Boden deutliche Beweise der
eingetretenen Brunst. (Libido sexualis?) Eine der Hündinnen
reagierte nicht mehr auf den Yohimbjnreiz. Nun wurden die Tiere
getötet und die Sektion vorgenommen. Auch jetzt noch wurde
bei zwei Hündinnen die Uterusschleimhaut hyperämisch befunden
(sogar Hämorrhagien waren deutlich ausgeprägt).
Diesen einen Versuch habe ich etwas ausführlich beschrieben,
um dem Leser Daeis Methode (den Prüfstein für die Leistung des
Experimentators) zu veranschaulichen und ihr sein Vertrauen zu
gewinnen. Ich kann mich nun kürzer fassen.
In einer zweiten Versuchsreihe wurde das Yohimbin an Jungen
Hündinnen, die noch nicht dreiviertel Jahre alt waren, erprobt und
zwar ebenfalls in der DoBis von 7 mg zweimal täglich: Keine
Reaktion seitens der Genitalien. Dagegen schon am fünften Tage
bei zwei Tiereu blutige Fäces. Außerdem bei zwei Hündinnen
in der zweiten Versuchswoche Auftreten einer „progressiven
Schwäche, welche in 8—4 Tagen zum Tode führte. Die vier Ver¬
suchstiere wurden nun obduziert und der Befund genau auf¬
genommen. Es ist überraschend: Am Uterus fehlte jede
Reaktion, die Abdominalorganc waren im Zustande
starker Hyperämie und bei den zwei an Schwäche ver¬
endeten Hündinnen lag eine Einstülpung des Dünndarmes in den
Dickdarm vor (bis zu 20 cm Länge!). Die Darmwände waren
derart hämorrhagisch geschwollen, daß das Lumen des
invaginierten Teiles vollkommen verschlossen war!
*) Man beachte die lange Zeit, die seit der letzten Yohimbin¬
dose verstrichen war!
160
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
Da dieser Versuch Tiere betraf, die wegen zu jugendlichen
Alters noch nicht geschlechtsreif schienen, machte nun Daeis eine
dritte Studie an drei Hündinnen, welche erst vor kurzem geworfen
hatten, bei denen also Ovarien und Uterus noch nicht auf eine neue
Funktion eingerichtet waren. Der Erfolg der zweimal täglich
gegebenen 7 mg Yohimbin auf die Genitalien war gleich Null;
bei einer Hündin bemerkte man in der zweiten Versuchswoche
blutige Fäce8 und eine große Schwäche, von der sie sich nach dem
Aussetzen der Yohimbinisierung nur sehr langsam erholte.
Einem vierten Versuche endlich wurden Hündinnen unterworfen,
die vor etwa einem Monat geboren hatten und dann uterektomisiert
worden waren. Die Yohimbindosis (0,007 zweimal täglich)
wurde 15 bzw. 25 Tage hintereinander gereicht, ohne daß
eine Reaktion aufgetreten wäre!
Daeis zieht aus den vorstehenden Versuchen folgende Schlüsse ’
Bei weiblichen Tieren, welche „sich in Umständen be¬
finden, in denen die Brunst normalerweise nie eintritt“
(jugendliches Alter, Puerperium, wenn ich von Tieren diesen Aus¬
druck gebrauchen darf, mit welchem man die beim Menschen auf
4—6 Wochen veranschlagte Zeit bezeichnet, innerhalb welcher sich
die Rückbildung des trächtigen Uterus nach der Geburt vollzieht,
Abnormitäten im Bau der Geschlechtsorgane, bei unseren kleinen
Haustieren die Zeit des Säugens der Jungen usw.) kann, Yohimbin
weder die Brunst noch die Follikelreife willkürlich
hervorrufen. Das gleiche gilt von Tieren, welche auf
operativem Wege des Uterus beraubt sind. Über das
Verhalten befruchteter Individuen wissen wir noch
nichts. Bei anderen geschlechtsreifen w eiblichen Tieren
bewirkt, sofern sie gesund sind, das Yohimbin den
Eintritt der Brunst.
Betrachten wir, ehe wir weiter gehen, noch einmal kaltblütig
prüfend die Versuche dieser beiden, um die Yohimbinforschung
hochverdienten Männer. Geht aus ihnen nicht zur Evidenz hervor,
daß dem Yohimbin eine gewaltige, im Arsenal der Arzneimittel¬
lehre nicht wieder zu findende Wirkung eigeri ist? Eine Wirkung,
die sowohl hinsichtlich der Organveränderungen, zu welchen sie
führt, als auch der Zeitdauer, in welcher sie noch nach Aussetzen
der Yohimbinisierung anhält, unser Erstaunen erregen muß! Und
ein Alkaloid von so mächtiger, so einzigartiger Wirkung soll für
den Therapeuten wertlos, für die Therapie verloren sein? Den
Unsinn redet mir keine Autorität der Welt ein!
Daß wir Assistenten an landwirtschaftlichen und medizinischen
Laboratorien es danken müssen, daß sie durch ihre musterhaften
Versuche unsere Kenntnis eines Mittels bereichern und erweitern
das von einschneidender Bedeutung für die Tierheilkunde und die
Tierzucht zu werden verspricht, das ist eigentlich für uns be¬
schämend und bei dem regen Forschungseifer Unserer Fachgelehrten
in den tatsächlichen Verhältnissen durchaus nicht begründet.
Hoffentlich werden nun unsere Koryphäen aus ihrer schwer ver¬
ständlichen Zurückhaltung dem Yohimvetol gegenüber heraustreten.
Ein praktischer Tierarzt, der in weitläufiger undankbarer Praxis
seine Aufmerksamkeit zersplittern muß und zumeist müde und ver¬
ärgert nach Hause kommt, findet nie die Zeit, sich einer bestimmten
Aufgabe mit der zum Erfolg notwendigen vollen Hingebung zu
widmen. Was er leistet, muß Torso bleiben; er kann im besten
Falle anregend wirken und muß sich glücklich schätzen, wenn er
dabei seine eigenen Zweifel los wird. Von diesem Standpunkt aus
bitte ich, meine Versuche, die ich nun anreihen will, zu betrachten.
Ich werde mich sehr kurz fassen.
Ich fand im Jahre 1907 Gelegenheit zu reichlicher Verwendung
und eingehender Prüfung des Yohimvetol: 83 Hunde, 36 Rinder,
5 Schweine und 3 Katzen bildeten das Material meiner Versuche,
welche sich auf 72 Fälle von spinaler Lähmung (56 Hunde,
11 Rinder, 2 Schweine, 3 Katzen), 18 Fälle von nervösem Vomitus
beim Hund und 37 Fälle von gestörter Sexualfunktion (9 Hündinnen,
22 Kühe, 3 Bullen und 3 weibliche Schweine) erstreckten. Ich
möchte eine Bemerkung vorausschicken, die sich mir heuer in weit
höherem Maße aufdrängte, als in früheren Jahren: Das Yohimbin hat
(um einen Terminus der Chemie zu gebrauchen) eine weit größere
„Affinität“ zu den weiblichen Geschlechtsorganen, als zu den männliohen.
Der Beweis daftlr liegt zum Teil in den oben angeführten Ver¬
suchen von Daeis. Daß bei einer yohimbinisiertien Hündin sich
der Uterus noch so lange nach Verabreichung der letzten Yohimbin¬
dosis im Zustande brünstiger Hyperämie befindet, ist eine außer¬
ordentlich beachtenswerte Tatsache, die sicherlich nicht verfehlen
wird, in der Veterinärtherapie Aufsehen zu erregen. Ich kann
diesen Laboratoriumsversuch durch zwei klinische Beobachtungen
seinem ganzen Umfang nach bestätigen:
Der Heilgehilfe des benachbarten Ortes Z.-W. besitzt eine gut
gebaute, ca. 5 Jahre alte Simmenthalerin, die im Juni 1906 angeb¬
lich leicht gekalbt hatte und von allen üblen Nachwehen der Geburt
(Metritis usw.) verschont geblieben war. Aber — sie wurde nicht
mehr brünstig. Alle Mittel, die man zur Hebung dieser Frigidität
anwandte, erwiesen sich als vollkommen nutzlos, sogar die mehr¬
fach in ausgiebigster Weise gebrauchte Cantharide. Mitte August 1907
konsultierte mich der Besitzer, der sich nur schwer zur Schlachtung
entschließen konnte. Ich gab ihm 16 rote Yohimvetoltabletten
(ä 0,1 Yohimbin muriat. Spiegel enthaltend) mit der Weisung, drei¬
mal täglich je eine Tablette im Trank zu reichen. Die Wirkung
war eine außerordentliche. Mit dem dritten Behandlungstage machte
sich bei der Kuh eine starke Aufregung bemerkbar, sie trippelte
viel hin und her, preßte in kurzen Intervallen kleine Mengen von
Urin ab, brüllte viel und gab (wohl infolge der Unruhe) weniger
Milch. Am vierten Behandlungstag trat ein blutiger, bis zum
zehnten Behandlungstag anhaltender Scheidenausfiuß ein. Am fünften
Tage wurde der Besitzer durch hochgradige „Wehen“ in Schrecken
gejagt, d. h. durch einen Drang auf den Hinterleib, welcher den
stärksten Austreibungswehen gleichkam, die man bei gebärenden
Kühen beobachten kann. Die äußeren Genitalien waren stark ge¬
schwollen, die Schamspalte klaffend, ihre Schleimhaut glänzend und
lebhaft höher gerötet, wie bei einer kurz vor der Geburt stehenden
Kuh. Brunst aber trat nicht ein. Selbst 20 Tage nach
Verabreichung der ersten Yohimbintablette nicht! Ich
gab nun im Einverständnis mit dem Besitzer noch einmal zehn Stück
( ,rote Yohimbjnvetojtabletten, wie beim,Beginn, der Behandlung, m\d.bat
den intelligenten, scharf beobachtenden Mann, der Patientin seine
volle Aufmerksamkeit zu schenken. Zu unserer großen Über¬
raschung blieb diesmal eine jede Reaktion auf die
äußeren Geschlechtsteile aus; auch das Benehmen der
Kuh blieb gleichmäßig ruhig, Drängen wurde nie beob¬
achtet. Die Exploratio per rectum ließ eine deutliche
Vergrößerung der nicht cystös entarteten Ovarien und
des Uterus erkennen. Die Peristaltik wurde lebhafter und
schon im Verlauf des zweiten Tages war der abgesetzte Kot weich
und dünn. Da auch am 1. November 1907 kein Anzeichen von Brunst
zu bemerken war, gab ich den Versuch als hoffnungslos auf und
j riet zum Mästen. Am 11. November 1907, ca. sechs Wochen naoh
Verabreichung der letzten Yohimvetoldosis, traten plötzlich un-
gemein starke Brunsterscheinungen ein. Die Kuh wurde
sofort geführt, nahm den Stier an und ist nach der Überzeugung
des Besitzers heute trächtig.
In einem zweiten Falle gab ich einer mageren, ca. sieben Jahre
alten Kuh, die vor ca. neun Monaten rasch und leicht gekalbt hatte
und seither nicht mehr in Brunst geraten wollte, anfangs Juli 1907
zehn rote Yohimvetoltabletten. Der Verlauf ist ganz ähnlich dem
vorigen mit der Ausnahme, daß an beiden Ovarien bei der rektalen
Untersuchung mäßige Cysten entdeckt wurden; auch die zweite,
nach zehntägiger Pause, wiederholte Yohimbinisierung (10 rote
Yohimvetoltabletten) blieb anscheinend reaktionslos, und die Kuh
sollte an den Fleischer verkauft werden, als sie in der zehnten Woche
nach der letzten Yohimvetoldosis in mäßigem Grade rinderig
wurde, den Stier annahm und anscheinend konzipierte.
In diesen beiden Fällen bestand lange Zeit (wochen- und
monatelang) eine mächtige Hyperämie der Ovarien und des
Uterus. Daß unter solchen Umständen die vorher aus pathologischen
Gründen behinderte Follikelrcife zustande kommen und die
Geschlechtsdrüsen ihre physiologische Funktion erfüllen konnten,
ist leicht verständlich. Auch wird niemand ernstlich leugnen
können, daß auf dieser lange anhaltenden Hyperämie die große
Bedeutung des Yohimbin für die erfolgreiche Behandlung mangel¬
haft funktionierender oder erkrankter weiblicher Genitalien beruht
27. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
161
Allerdings sind wir, ebenso wie die Mediziner, heute noch nicht I
imstande, eine genaue Indikation für den Gebrauch des Yohimvetol |
in derartigen Fällen aufzustellen, weil wir noch lange nicht den
ganzen Umfang der Yohimbinwirkung kennen. Man wird also, bis
die methodische Erforschung des Alkaloides beendet ist, stets daran
denken müssen, daß diese Yohimbinwirkung nur bei solchen weiblichen
Individuen zu erwarten ist, welche „sich in Umständen befinden,
in denen die Brunst normalerweise eintritt“. Läßt man dies außer
acht, dann kann man von unangenehmen „Nebenwirkungen“ über¬
rascht werden, und zwar, wenn ich meinen Erfahrungen trauen darf,
besonders bei weiblichen Individuen!
Nebenwirkung! So nennen wir eine jede vom Therapeuten nicht
beabsichtigte, unerwartete Reaktion des Organismus auf ein Arznei¬
mittel. Ist sie nun beim Yohimbin wirklich so stark, wie Daeis
auf Grund einiger Versuche behauptet? Wie die Frage, ob unter
dem Yohimbinreiz die Libido sexualis erwacht, niemals in
Laboratorien gelöst werden kann, ebensowenig kann meines Er¬
achtens die andere, unendlich wichtigere Frage der „Nebenwirkung“
durch den Versuch im Laboratorium aufgeklärt werden. Die
Vohimbingegner, welche die ihnen von Daeis gelieferte Waffe zu
gebrauchen ganz gewiß nicht ermangeln werden, müssen wir mit
Nachdruck darauf aufmerksam machen, daß in den zehn Jahren,
seit sich die Praktiker des Mittels in ausgedehnter Weise
bedient haben, von ihnen auch nicht ein einziger Fall
registriert werden konnte, der eine entfernte Ähnlich¬
keit mit den von Daeis als Nebenwirkung des Yohimbin
denunzierten Zufällen hat. Seine Behauptung steht im schroffen
Widerspruch mit allen bisher gemachten klinischen Erfahrungen. Damit
wollen wir lediglich eine Tatsache feststellen, den Schlag, den die
Yohimbinfeinde vermutlich führen werden, im voraus parieren. Es
liegt uns aber fern, das große Verdienst, das sich Daeis erworben
hat, irgendwie schmälern zu wollen. Seine Leistung ist eine solche,
daß sie diese Kritik ganz wohl vertragen kann.
Die Nebenwirkungen bestehen nach Daeis u. Lewitt in:
Schwindelgefühl, Speichelfluß und leichtem Schwäche-
geföhl, Frost mit nachfolgendem Schweiß, erhöhter
Pulsfrequenz, Herzklopfen, Schlaflosigkeit, Belästigung
des Magens, Eintritt stärkerer Blutungen bei Hämor¬
rhoidariern, Darmblutungen mit Kräftezerfall, Darm-
invagination. Ein nettes Register, dem ich der Vollständigkeit
halber noch hinzufüge Diurese, Blasenblutung, heftiges
Dränge'n auf den Hinterleib, Durchfall (und vielleicht
AbortusV). Es bedarf wohl nicht der Versicherung, daß die
praktischen Tierärzte und Ärzte, die sich bisher mit dem Mittel
befaßten, viele dieser Erscheinungen beobachteten und richtig
deuteten. Wenn sie gleichwohl bis in die neueste Zeit herein das
Yohimbin allgemein für relativ ungefährlich, ja sogar für harmlos
erklärten, so führt dieser Umstand eine beredtere Sprache zu
dessen Gunsten, als einige Laboratorienversnche dagegen zu zeugen
vermögen. Es muß aber zugegeben werden, daß im Gefolge der
Yofombinreaktion Nebenerscheinungen auftreten können, mit denen
man zu rechnen hat, und daß, nicht mehr länger von der „Harm¬
losigkeit“ des Alkaloides die Rede sein kann.
Von den 88 Hunden, die ich zu behandeln hatte, standen 16 in
jugendlichem Alter (unter 6 Monaten) und davon waren elf
weiblichen Geschlechts. Von diesen letzteren beobachtete ich bei
acht Stück Nebenwirkungen in Form blutiger Entleerungen, die
nach genauester Prüfung aller Verhältnisse dem Yohimvetol auf
die Rechnung gesetzt werden müssen. Bei drei weiblichen Tieren
trat eine Schwäche ein, die als Mattigkeit und unsichrer Gang
eine Zeitlang nach Aussetzen der Yohimbintherapie noch fort be¬
stand. Sie erholten sich alle wieder vollständig. Von den fünf
männlichen Patienten jugendlichen Alters wurde nur einer von
einer Nebenwirkung heimgesucht. Aber von einer merkwürdigen!
Ein vier Monate alter Pintscher bekam ohne tierärztliche Ver¬
ordnung von seinem Herrn als Prophylakticum gegen die Staupe
nachmittags 0,005 Yohimvetol auf zwei Mal in etwas schwarzen
Kaffee. Noch am Abend bemerkte man bei dem ganz gesunden
Hund eine „Blasenblutung“, d. h. nach dem Urinabsatz den
Abgang von reinem, angeblich hellrotem, ungeronnenem
Blut in der Menge von ca. 2 ccm. Ain nächsten Morgen
erhielt er 0,0025 Yohimvetol; gegen Mittag abermaliger
Abgang von Blut (ca. 4 ccm) nach dem Harnabsatz.
Der Besitzer hatte vor einem halben Jahre dem Vorgänger dieses
Hundes, der 14 Jahre alt war und häufig an nervösem Vomitus litt,
des öftern Yohimvetol in der Menge von 0,0075 pro die ohne üble
Folgen gegeben und damit jedesmal den Brechreiz prompt unter¬
drückt Im Allgemeinbefinden des jungen Hundes trat trotz der
Blasenblutung keine Störung ein.
Älter, das heißt nachweislich über 10 Jahre, waren 21 Hunde,
daruoter 15 weibliche Tiere; auch hier waren letztere den Neben¬
wirkungen des Yohimvetol mehr ausgesetzt als erstere. Bei zweien
kam es zum Exitus letalis.
Eine kleine, 11 Jahre alte Hündin wurde im Mai v. J. plötzlich
von anhaltendem Vomitus befallen, gegen welchen ich vier Dosen
Yohimvetol ä 0,0025 (innerhalb des Tages zu geben) mit promptem
Erfolg verordnete. Drei Tage später trat eine bei Hunden und
Katzen damals hier grassierende Lähmung der Vor- und Nachhand
ein, die mit der gleichen Yohimvetoldosis behandelt wurde. Am
dritten Behandlungstag war 'die Lähmung verschwunden, aber nun
stellte sich eine leichte, blutige Diarrhöe ein, zu der sich dann ein
allmählich stärker werdender Foetor ex ore gesellte. Die Patientin
war durch ungeeignete Ernährung (sie hatte in den letzten Jahren
kein Fleisch bekommen) geschwächt und schon vorher zu Dyspepsie
und Darmleiden geneigt. Es läßt sich nun verstehen, daß sie durch
die Diarrhöe und die vollständige Anorexie ganz herunterkam und
aller Pflege zum Trotz nach vier Wochen langem Siechtum ver¬
endete. Sie war geschlechtlich indifferent und ich konnte nicht
erfahren, ob sie schon einmal geworfen hatte. Die Sektion wurde
mir . leider nicht gestattet. Ich bin überzeugt, daß in diesem Falle
das Yohimvetol durch die Belästigung des empfindlichen Magens
(„Omnia fere medicamenta stomachum laedunt“, mahnte
schon Celsus, lib. V. prooem.) zur Dyspepsie und Anorexie geführt
hatte und schließlich auch nicht unschuldig war an der schwächenden,
blutigen Diarrhöe. Doch ist dabei zu bedenken, daß das Tier
ohnehin alt und hinfällig, eine Yohimvetolbehandlung mithin
eigentlich kontraindiziert war.
Der zweite Exitus letalis ereignete sich bei einer 15 Jahre alten
deutschen Schäferhündin am 24. Behandlungstage. Sie war von mir
drei Tage lang wegen spinaler Lähmung der Nachhand mit Yohim¬
vetol (0,0025 viermal pro die) behandelt worden mit dem Erfolg,
daß die Lähmung schon am dritten Tage verschwunden war. Am
fünften Behandlungstage ließ mangelnder Appetit und Absatz leicht
blutigen Kotes den Eigentümer wieder in Besorgnis verfallen; sie
war leider gerechtfertigt, denn es kam nun zu blutiger, unstillbarer
Diarrhöe, zu Anorexie und schließlich zum Tode. Die Sektion ergab
chronische, teilweise hämorrhagische Entzündung des Dünndarms,
pralle Füllung der Gekrösgefäße, Verkümmerung beider Ovarien,
normale Verhältnisse des Uterus. Hier wird w ohl das hohe Alter
und der schlechte Ernährungszustand des Patienten in erster Linie
mit verantwortlich zu machen sein für das unerfreuliche Ende; ein
jüngerer Hund hätte eine weit größere Dosis Yohimbin ohne Nach¬
teil vertragen. Dazu kommt noch das Geschlecht, das eine nicht
unbedeutende Rolle spielt. Denn ältere männliche Hunde
bleiben selbst auf hohe Dosen Yohimbin (bis 0,05 pro die!)
und bei fortgesetzter Verabreichung ohne auffallende Reaktion,
geschlechtstüchtige, gesunde, kräftige Individuen, gleichgültig ob
sie männlich oder weiblich sind, reagieren überhaupt auf Yohimbin
in therapeutischer Dosis durch kein Symptom, das auch nur entfernt
einer beängstigenden Nebenwirkung gliche. Es tritt, besonders bei
weiblichen Tieren, höchstens die, ich möchte sagen „vikariierende“
Diarrhöe als Ausdruck des Yohimbinreizes auf den Darm ein.
Eine weitere Frage, die noch zu beantworten ist, betrifft
den Einfluß des Mittels auf den trächtigen Uterus. Die
Wichtigkeit leuchtet wohl ein, ebenso, daß die Antwort nur in
Laboratorien gefunden werden kann. Bis jetzt w issen wir darüber
noch gar nichts.*) Die beiden Beobachtungen, welche ich an
*) Wie ich von privater Seite erfahre, wurden nach dieser
Richtung hin von einem der ersten Erforscher des Yohimbin bereits
Versuche gemacht, aber nicht veröffentlicht. Das ist zu bedauern.
Herr Dr. Müller, dem wir bezüglich des Alkaloides schon so viel
**
t
162
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
trächtigen Tieren machte, beweisen wenig, sie sollen gleichwohl
ihren Platz finden: Im Juli wurde mir eine elf Monate alte Pintscher-
httndin zugeführt, mit der Anamnese, das früher so muntere Tierchen
leide seit drei Tagen an Vomitus, der in ca. halbstündigen Pausen
auftrete und der Patientin sehr zusetze. Ich verordnete Yohim-
vetol in Milligrammdosen, fünfmal täglich. Das Erbrechen ließ
nicht nach, dagegen traten Darmbeschwerden ein, welche, wie ein
zeitweiliges Winseln bekundete, schmerzhaft sein mußten. Vom
vierten Behandlungstag an milderte sich der Vomitus, nachdem
schon am zweiten Tag kein Yohimvetol mehr verabreicht worden
war; am achten Tage fiel bei der Hündin eine eigentümliche schiefe
Kopfhaltung und deutliche Eingenommenheit des Sensoriums auf;
der Vomitus ist ganz verschwunden, Appetit gering, eine zunehmende
Schwäche tritt ein, die der Patientin das Gehen fast unmöglich
macht. In der sechsten Woche der Behandlung kam es
unter leichten Wehen zum Abortus. Der Hund war ohne
Wissen des Besitzers trächtig geworden! Eine fünf Jahre alte,
vom Besitzer vor drei Monaten als frischmelkend erstandene Kuh
wurde nicht rinderig. Sie erhielt 12 rote Yohimvetoltabletten in
vier Tagen: keine Reaktion auf die Genitalien, Durchfall, der acht
Tage lang anhält, leichte Appetitstörung, Abortus in der vierten
Behandlungswoche (etwa am Ende des vierten Trächtigkeits¬
monats). Der erste Fall kann nicht als Beweis für die abortive
Nebenwirkung des Yohimvetol angerufen werden, weil der Hund
zur Zeit der Yohimbinisierung an einem schweren Allgemeinleiden
siechte, welches auch ohne Yohimbin schließlich die fatale Wirkung
auf den Fötus hätte ausüben können. Auch der zweite Fall ist
deshalb nicht unverdächtig, weil in unserer Gegend Abortus auch
sonst ein häufiges Vorkommnis ist, dieses Ereignis, da es vereinzelt
dasteht, somit auch andere Deutung zuläßt. Da wir nur sehr
wenige Uterina von tvpischem Effekt zur Verfügung haben und
auch diese nicht gefahrlos sind, so ist eine Untersuchung des
Yohimbin auf diese Eigenschaft bin geradezu notwendig. Das Be¬
denken, es könne dann eventuell zu abortiven Zwecken seitens
gewissenloser Menschen mißbraucht werden, ist eigentlich kindisch.
Denn erstens könnten derartige Dinge auch dann nicht verhindert
werden, wenn das Yohimbin unbekannt bliebe und zweitens: haben
sich nicht tausende dekadente Existenzen durch Morphium- und
Cocain-Mißbrauch ruiniert und ist jemand so kindlich, deshalb das
Opium und die Cocablätter aus der Welt zu wünschen?
Daeis bezweifelt auch die von mir früher behauptete Möglich¬
keit, mit dem Yohimbin den Eintritt der Brunst willkürlich
hervorrufen zu können. Yohimbin ist nach ihm keine Substanz,
„welche willkürlich Brunst und Follikelreife zu erzeugen vermag.“
Denn er glaubt aus seinen schönen Versuchen folgern zu dürfen,
daß „eine spezifische Wirkung des Yohimbin auf die
Brunst nicht angenommen werden“ kann. Der Yohimbin¬
reiz sei nur imstande, durch „die in den Genitalien erzeugte
Hyperämie die Erscheinungen der Brunst zu beschleu¬
nigen, zu verlängern oder auch sie hervorzurufen unter Umständen,
in denen allein der Mangel einer genügenden Hyperämie In den Geni¬
talien in ihrem Nicht- oder nicht deutlichen Hervortreten die Schuld
trägt.“
Ausgezeichnet! Bündiger läßt sich der Beweis für die
Richtigkeit meiner Behauptung nicht führen! Es handelt sich hier
doch nur um die willkürliche Hervorrufung der Brunst bei gesunden,
geschlechtsreifen und geschlechtstüchtigen Individuen. Menschen,
und besonders Männer, welche diesen Voraussetzungen entsprechen,
sind, theoretisch wenigstens, jederzeit fähig, die geschlechtliche
Funktion zu erfüllen. Sie brauchen kein Yohimbin. Das soll nur
Kranken Hilfe bringen. Bei unsern Tieren aber liegen die Dinge
ganz anders: Alle weiblichen und die meisten männlichen
Haustiere sind gewissen Brunstperioden unterworfen,
innerhalb welcher allein eine Begattung und Befruchtung
verdanken, ^ ist nach mir zugegangener Mitteilung zurzeit am land¬
wirtschaftlichen Institut der Universität Leipzig mit Yohimbin¬
versuchen beschäftigt. Hoffentlich schenkt er auch dieser Frage
Beachtung, welche für die ärztliche und tierärztliche Therapie von
höchstem Interesse ist.
erfolgen kann. In dieser Zeit werden die Geschlechts¬
teile hyperämisch, und unter dem Einfluß dieser Hyper¬
ämie kommt es zur Samenbildung und Follikelreife.
A ußerhalb der Brunstzeit sind die Geschlechtsteile (beson¬
ders Ovarien und Uterus) anämisch und klein, unTähig zur
Erfüllung der physiologischen Funktion. Wenn dennoch
Daeis die Möglichkeit einräumt, daß es unter dem Y'o-
h im bin reiz zu einer ausgesprochenen dauernden Hyperämie der
Sexualorgane kommt (die dann dem Experimentator den makroskopischen
Status der Brunst aufwiesen), so ist damit auch die Möglichkeit ein¬
geräumt, bei den Haustieren die Brunst willkürlich hervorzurufen ! Und
das gelingt in der Tat. Davon habe ich mich durch zahlreiche
Versuche an Hunden, Schweinen und Rindern männlichen und
weiblichen Geschlechts überzeugt. Daß der Erfolg auch ausbleibt,
ist unbestreitbar. Allein bei unserer geringen Kenntnis von der
Yohimbinwirkung können wir diese Tatsache noch nicht befriedigend
erklären. Vielleicht daß auch beim männlichen Tier, an welchem
vorzüglich bis jetzt die Wirksamkeit des Yohimvetol versucht
wurde, der Eintritt der Brunst noch Wochen nach der Verabreichung
der letzten Dosis eintritt und dann übersehen oder anderen Ein¬
flüssen zngeschrieben wird.
Über die Verwendbarkeit des Yohimvetol bei der Impotentia
virilis sind nicht mehr viele Worte nötig. Daeis drückt den
heutigen Stand dieser Angelegenheit in folgendem Satze aus:
„Sein (des Yohimbin) günstiger Einfluß in vielen Fällen
von Impotentia coeundi verschiedenen Ursprungs darf
wohl heutzutage, den Ergebnissen zahlreicher Mit¬
teilungen gemäß als bewiesene Tatsache gelten.“
Nicht bewiesen, vielmehr ganz unbekannt ist, wenigstens in
praxi, die Wirkung des Alkaloides auf das Rückenmark
Wir wissen nur aus den grundlegenden Arbeiten von Alexander
Strubeil (Wiener klinische Wochenschrift 1906, Nr. 37), daß unter
dem Einfluß des Yohimbin das Zentralnervensystem dauernd reich¬
licher mit Blut versorgt und besser ernährt wird, daß es folglich
auch eine gesteigerte Funktion entwickeln kann. Ich batte diese
'Angaben aufgegriffen und schon früher gezeigt, daß man von dieser
Eigenschaft bei spinalen Lähmungen im Anfangsstadium, ehe
es zu dauernden degenerati ven Veränderuhgen im Rücken¬
mark gekommen ist, therapeutisch Verwendung machen kann.
Ich fand zwei oder drei sporadische Zustimmungen seitens meiner
Kollegen und stehe der Sache, wie jeder Neuerung, selbst sehr
skeptisch gegenüber; ich werde erst dann Vertrauen zu ifir fassen,
wenn die Theoretiker durch unwiderlegliche Experimente den Effekt
des Mittels auf das Rückenmark ebenso klar gelegt haben, wie er
heute für die weibliche Genitalsphäre als bewiesen gelten kann.
Inzwischen habe ich jede Gelegenheit, nach dieser Seite Versuche
anzustellen, eifrig ausgenützt und will hier kurz darüber berichten,
weniger in der Absicht, zu belehren, als um meine eigenen Zweifel
bei der Diskussion, die sich hoffentlich noch über dieses Thema
entspinnt, zu klären.
Seit März 1907 hatte ich 72 Fälle von „spinaler Lähmung“ hier
zu behandeln: 56 Hunde, 11 Rinder, 2 Schweine, 3 Katzen. Diese
Ziffern werden nicht mehr überraschen, wenn man hört, daß hier
im Frühjahr nach einer in Straßburg abgehaltenen Hundeausstellung
eine eigentümliche Enzootie unter den Hunden und Katzen auftrat,
welche nach einem kurzen Prodromalstadium von „nervösem
Vomitus“ (der oft zwei Tage lang anhielt) in eine zumeist unvoll¬
ständige Lähmung der Nachhand (in seltenen Fällen auch der Vor¬
hand) tiberging und zuerst von den Laien allgemein für „Staupe“
gehalten würde. Sie hatte mit diesem Leiden aber aus folgenden
Gründen nichts gemeinsam: 1. Drei Viertel der befallenen Hunde
waren über drei Jahre alt und bei den meisten konnte mit
Sicherheit nachgewiesen werden, daß sie in ihrer Jugend die Staupe
bereits durchgemacht hatten; 2. das Staupeexanthem fand ich nnr
viermal und nur in neun Fällen die katarrhalischen Erscheinungen
seitens der Augen und Nase; 3. die Lähmung trat oft plötzlich ein,
das heißt in zwei Stunden war der vorher gesunde und lebhafte
Hund gelähmt und unfähig zu gehen; 4. der Verlauf war in fast
allen Fällen rasch, gutartig, fieberlos; 5. Darm, Herz und Lungen
blieben in der Regel gesund; nur bei alten geschwächten Individuen
kam es einigemal zu blutiger Diarrhöe. Von diesem Krankheits-
27. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
163
bild ist die seit Oktober hier in größerer Ausbreitung auftretende
Staupe leicht zu unterscheiden.
Das Erbrechen war in der Regel heftig und schwächte den
Patienten, weil es sich in kurzen Intervallen (oft von nur viertel¬
stündiger Dauer) unter starken Wllrgbewegungen wiederholte. Es
konnte in mehr als 50 Fällen durch eine bis zu drei Dosen Yohim-
vetol ä 1 Milligramm mit Erfolg gestillt werden. Die Lähmung
begann in den meisten Fällen mit einer an dem Patienten auf¬
fallenden Müdigkeit und Neigung zum Liegen, wobei fast stets eine
Appefeitstörung, sogar vollständiger Appetitmangel den Besitzer
Ängstigte. Nach längstens 24 Stunden war der Hund nicht mehr
Imstande, sich zu bewegen, denn der Gang wurde in dieser Zeit
g-espannt, steif, so daß die Beine hoch gehoben werden mußten.
Daß das Gehen Schmerz verursachte, sah man an dem ängstlichen
Gesichtsausdruck, abgesehen davon, daß keine Gehversuche gemacht
wurden. Verschlimmerte sich der Zustand, dann war am Ende des
zweiten Tages die Lähmung vollständig, d h. der Hund war nun
nicht mehr fähig, sich auf die Beine zu stützen; er lag ruhig,
bisweilen auch leise winselnd, auf de? Seite und fiel, auf die Beine
gestellt, nach kurzem hilflosen Umhersehen beim ersten Gehversuch
um. Die Patellarrefiexe sind sehr undeutlich. In einigen wenigen
Fälten kam es plötzlich zur vollkommenen Lähmung, so z. B.
beim Teckel des Herrn Architekten W.: er war mittags noch in
ungetrübter Gesundheit über die Straße gelaufen, hattet sich nach¬
mittag zweimal erbrochen und war dann „ganz steif“ geworden,
d. h. an den vier Füßen vollständig gelähmt, so daß er zu mir zur
Untersuchung getragen werden mußte. Nach vier Yohimvetoldosen
ä 1 Milligramm in einstündiger Pause war er so vollständig geheilt,
daß ich ihn am nächsten Morgen zu meiner Überraschung über die
Straße laufen sah. An dieser Form der Lähmung, die ich für eine
Enzootia sui generis und für infektiös halten muß, litten
53 Hunde mehr oder weniger schwer; ich verwandte bei allen
Yohimvetoltabletten und hatte bei 46 den denkbar günstigten Er¬
folg: die Lähmungserscheinungen schwanden rasch und dauernd.
Diese Tatsache könnte mir einiges Recht geben, eine günstige
Wirkung des Yohimvetol zu behaupten, ziiinal da Hunde, die niefk
behandelt wurden, zum größten Teil eingingen. Allein die Skepsis,
die heilsame Skepsis! Ich warte lieber die Bestätigung durch
andere Kollegen ab, ehe ich mich zum Glauben entschließe.
Auch in Fällen, in denen als Ursache der Parese die Einwirkung
einer äußern Gewalt in Betracht kam und nachgewiesen werden
konnte, war mit dem Yohimvetol ein prompter Erfolg zu erzielen.
Zwei Fälle seien kurz erwähnt: eine junge (vier Jahre alte) kräftige
Rappstute, der Frh. v. Rechen Guts Verwaltung gehörend, hatte
gelegentlich einer schweren Zugleistung im Gebirge „Kreuzlähme“
davongetragen. Diese äußerte sich besonders beim Angehen, indem
däs Pferd mit gekrümmtem Rücken sehr vorsichtig, zögernd die
beiden Hinterbeine unnatürlich hoch hob und sie dann tappend und
weit vorgreifend niedersetzte. Ah eine Benutzung im Trab war
nicht mehr zu denken, der Zustand verschlimmerte sich trotz voll¬
ständiger Schonung Ich gab 10 Yohimvetoltabletten ä 0,1 (zwei¬
mal täglich je eine Tablette) und konnte nach 14 Tagen schon
feststellen, daß eine auffallende Besserung eingetreten war, die
anhielt und, trotzdem das Pferd vor dem Wagen gehen mußte, zur
vollständigen Heilung führte.
Ein kräftiger Hofhund hatte einen Steinwurf in die Lenden¬
gegend bekommen; der Wurf, aus nächster Nähe und von einem
Wagen herab geführt, hatte hauptsächlich die Wirbelsäule getroffen;
der Hund ging auf den Wurf hin sofort lahm, der Zustand ver¬
schlechterte sich rasch und schon nach zwei Stunden war eine voll¬
ständige Lähmung der Nachhand eingetreten. Äußere Verletzungen
sind nicht vorhanden, Druck auf die Wirbelsäule ist nur an einer
kleinen Stelle in der Kreuzbeiugegend für den Patienten schmerzlich.
Patellarrefiexe aufgehoben, Stiche in der Fußsohle werden nur
durch schwache Reaktion beantwortet. Palpation des Hinterleibes
negativ. Therapie Yohimvetol 0,0025 in dreistündiger Pause; am
nächsten Tag noch vollständige Lähmung des Hinterteils; dip gleiche
Therapie; im Verlauf des Tages versucht der Hund sich aufzurichten,
die Patellarrefiexe sind wieder auszulösen, am nächsten Morgen
kann er laufen, noch schwach allerdings und schwankend im Gang;
die Besserung hält an nnd endet bei nochmaliger Verabreichung
von 0,0025 Yohimvetol (drei Dosen) am sechsten Tage in voll¬
ständiger Heilung.
Im letzteren Falle glaube ich berechtigt zu sein, der Yobim-
vetolwirkung den Erfolg zuzuschreiben: bezüglich des ersteren
kann man geteilter Meinung sein; bin ich doch selbst meiner Sache
nicht ganz sicher.
Das sind in Kürze meine Beobachtungen über die Einwirkung
des Yohimvetol auf das Rückenmark. Ich gebe sie der schonungs¬
losesten Kritik preis.
Anhangsweise möchte ich noch zwei Verwendungsmöglichkeiten
des Alkaloides besprechen:
Ich hatte früher schon der Heilung der besonders nach schweren
oder brutalen Geburten und nach Abortus häufigen chronischen
Metritiden der Rinder gedacht. Jeder Kollege weiß, wie häufig
dieses Leiden ist, wie schwer man es bekämpfen kann und wie
groß der Schaden ist, welchen es dem Nationalwohlstande zufügt
Ich habe auch im Jahr 1907 wieder mit Yohimvetol dagegen zu
kämpfen gesucht. Der Erfolg war ein günstiger. Zwar sind
meine Versuche noch nicht beendet, doch kann ich schon jetzt so
viel sagen: Von6 an schwerer chronischerMetritis leidenden
Kühen wurden 3 nach der früher geübten Methode, 3 mit
Yohimvetol behandelt. Erstere sind noch heute, am Ende
des 4. Monates der Behandlung leidend und steril; letztere
drei sind geheilt und zwei davon wieder mit Erfolg belegt. Das
I Yohimbin wurde in Intervallen gegeben, d. h. 3 Tage lang erhielten
die Patientinen zweimal täglich je 0,1 Yohimvetol, worauf 3 Tage
lang ausgesetzt wurde, dann wurde wieder das Yohimvetol gegeben,
und zwar 3 Tage lang; dann 3 Tage Pause, worauf noch einmal
das Yohimvetol gereicht wurde. Es trat, wie auch im vorigen
Jahre beobachtet wurde, ein zunehmender, zuletzt coziöser Ausfluß
aus der Scheide ein mit dessen Nachlassen, bei zweien der
Versuchstiere Sich die normale Brunst wieder einstellto!
Auch gegen das „Festliegen“ der Kühe nach der Geburt,
das den Tierarzt oft zur Verzweiflung bringt, habe ich das
Yohimvetol zu erproben begonnen. Ich behandelte 17 Kühe an
diesem Leiden, von denen 11 yohimbinisiert wurden; die Dosis
betrug 0,1 dreimal täglich bis zur Gesamtmenge von 1 Gramm.
Das Festliegen war stets im Anschluß an die Geburt, d. h.
längstens am 2. Tage danach cingetrcten. Sämtliche Geburten
waren unter vorsichtiger Kunsthilfe und ohne Anwendung besonderer
Gewalt zustande gekommen und die Tiere waren ausnahmslos
jung, d. h. im Alter von zweieinhalb bis zu sieben Jahren. Bei
vier Kühen frappierte mich die auffallend rasche
Besserung, indem schon mitdem Beginn des3. Behandlungs¬
tages vollständige Heilung eingetreten war; bei den andern
sieben ließ diese länger auf sich warten, 4—8 Tage! Dann aber war
sie vollständig, d. h. es war keine Schwäche zurückgeblieben.
Bei den 6 nicht yohimbinisierten Kühen trat bei einer die Heilung
am 5. Behandlungstag ein, zwei erhoben sich am 6., eine am 8.,
und zwei am 10. Behandlungstagw Bei allen blieb noch längere
Zeit eine deutliche Schwäche zurück und der Appetit
ließ viel zu wünschen übrig. Die Versuche sind noch im
Gange und erlauben bis jetzt kein abschließendes Urteil. Es schien
mir nicht irrationell zu sein, gegen ein Leiden, dem wir mit medikamen¬
töser Behandlung so schwer beizukommen vermögen, das Yohimvetol
wenigstens zu probieren und Kollegen zur Nachahmung zu reizen.
Als Kuriosum führe ich noch an, daß von seiner Wirkung auf
das Gehirn, die ja von Strubell nachgewiesen worden ist, die
Mediziner zur Behandlung gewisser Geisteskrankheiten Gebrauch
machten. Das wird manchen interessieren. Leider konnte ich über
den Erfplg dieser Therapie nichts Sicheres in Erfahrung bringen.
Das Yohimbin-Spiegel ist, wie hoffentlich aus vor¬
stehenden Zeilen hervorgeht, von höchst energischer,
ganz einzigartiger Wirkung. Wir kennen sie nur zum
kleinsten Teil mit der wünschenswerten wissenschaft¬
lichen Genauigkeit, um darauf verlässige Indikationen
für eine rationelle Therapie zu bauen. Es scheint be¬
sonders wirksam zu sein in der Behandlung weiblicher
Geschlechts leiden. Für alle übrigen Seiten seiner Energie
müssen wir die komm enden methodischen Untersuchungen
abwarten, die seinen Wert sicherlich erhärten werden.
164
So viel steht heute schon fest: Yohimbin ist im Arznei¬
schatz ein sehr wertvolles, unentbehrliches Mittel.
Ignorieren kann es künftig nur die selbstbewußte
Ignoranz.
Referate.
Geflügelzucht und Geflügelkrankheiten.
Über ein paar Versuche beim Geflügel.
Von Professor Albrecht.
(Wochenschrift fllr Tierheilkunde und Viehzucht, 51. Jahrgang, Nr. 27.)
In Verfolgung der von Albrecht im Vorjahr über die
Gewinnung jodhaltiger Eier durch Verabreichung von Jod¬
präparaten angestellten Versuche hat der nämliche Verfasser
es diesmal unternommen, weitere Experimente in besagter Richtung
in das Bereich seiner Betrachtungen zu ziehen. Zunächst sollten
folgende Fragen eine Beantwortung finden:
1. Enthalten bei innerlicher Verabreichung eines Jod¬
präparates an Hühner die Eihaut und die Eischale Jod?
2. Liefern Hühner jodhaltige Eier nach Applikation von
Jod auf die äußere Haut?
3. In welcher Form (Jodfett oder Jodalkali-Verbindung)
ist das Jod in den Eiern enthalten?
4. Können Hühnern und Enten wiederholt Jodprärarate
ohne Schädigung der Gesundheit beigebracht werden?
Ad. 1: Zur Verwendung gelangte Jodkalium — drei Gaben
von je 0,1 g in Zwischenräumen von je acht Tagen. Die
22 Stunden nach der erstmaligen, 15 Stunden nach der zweit¬
maligen und 18 Stunden nach der dritten Verabreichung des
Präparates gelegten Eier wurden auf Vorhandensein von Jod
geprüft. Verfahren: Hartkochen der Eier; Isolierung von Dotter,
Eiweiß, Eihaut, Schale; Einäscherung eines jeden Bestandteiles
behufs Entfernung der organischen Stoffe. Hiernach Auf¬
schwemmung der vier Aschen mit Aq. dest. und Reaktion mit
Salpetersäure und Chloroform. Resultat: nach einmaliger Jod¬
verabreichung enthalten nur Dotter und Eiweiß Jod, bei zweiter
und ebenso dritter Jodbehandlung geben auch Eihaut und Schale
Jodreaktion. Die geringste Jodmenge zeigt die Asche der Schale.
Interessant war noch die Beobachtung, daß die während der
Versuchsreihe gelegten Eier an Gewicht verloren, nach Schluß
der Versuche aber an Gewicht wieder Zunahmen.
Ad 2: Hühnern wurde an der Brust zwischen den Federn
je 1,0 g Jothion in 5 ccm Spiritus gelöst auf die Haut ein¬
gerieben. Die hiernach erhaltenen Eier zeigten in allen Teilen
Jodreaktion. Die einmalige Einreibung einer Salbe, bestehend
aus Jod. pur. 1,0 g, Kal. jodat. 8,0 g, Adeps lanae 30,0 g, ergab
negative Resultate; nach der zweiten Einreibung ließ sich im
Dotter und Eiweiß Jod nachweisen.
Ad 3: Die im chemischen Laboratorium von Bender und
Hobein bewirkten Untersuchungen der von Albrecht erzielten
Jodeier lieferten den Beweis, daß in letzteren das Jod nicht
als Jodfett oder -eiweiß, sondern als Jodkalium zugegen war.
Ad 4: Hühner und Enten können bedeutende Mengen Jod¬
kalium längere Zeit hindurch aufnehmen, ohne besondere Ge¬
sundheitsstörungen zu erfahren; auch Jothion in Spiritus als
Einreibung verwendet, schädigt, abgesehen von einigemal be¬
obachteten oberflächlichen Hautentzündungen, die Gesundheit
nicht.
No. 9.
Weiterhin bemühte sich A1 b r e ch t, die bakterizide Wirkungs¬
weise der genannten Jodpräparate auf gesunde, in einem von
Diphtheritis heimgesuchten Bestände aufhältliche Hühner aus¬
zuprobieren. Die Wahrnehmungen ließen einen besonderen
Schluß nicht zu. Weitere Versuche in dieser Richtung sind
noch nötig.
Schließlich wurde der Beantwortung der Frage: Bringt
die Aufnahme von komradehaltigem Körnerfutter Schaden?
Beachtung geschenkt. Die Kornrade enthält bekanntlich ein
narkotisches Gift (Saponin oder Sapotoxin), welches die Blut¬
körperchen auflöst, die Schleimhäute reizt und nervenlähmende
Eigenschaften besitzt. Drei VersuchBhübnera wurde Kornrade¬
samen gepulvert täglich in großen Mengen eingegeben, mitunter
so viel, daß der Kropf fast völlig gefüllt war. Keines der so
behandelten Tiere erkrankte. Hiernach ist man zu der Annahme
berechtigt, daß der genannte Stoff nicht giftig wirkt, weil er
möglicherweise im Verdauungsapparat in unschädliche Substanzen
zerlegt bzw. umgewandelt wird. In dem einen konkreten Falle,
der zu dem Versuche Anlaß gegeben hatte, wurde später fest¬
gestellt, daß die betreffenden Hühner einer Kochsalzvergiftung
j zum Opfer gefallen waren. J. Schmidt.
Aus der chirurgischen Klinik der Tierärztlichen Hochschule, Dresden.
Über Wnndheilnng and Narbenbildang beim
Hausgeflügel.
Von Tierarzt Max Schraepler, Beetzendorf (Salzwedel).
(Inaagural-Dlsaertation, Leipzig 1907.;
In vorliegender, mit 11 Abbildungen versehenen Arbeit
schildert Verfasser das Resultat seiner zahlreichen Versuche^
die er über das Verhalten des Hausgeflügels hinsichtlich Wund¬
heilung und Narbenbildung anstellte. Er benutzte hierzu Tauben,
Hühner, Perlhühner, Truthühner, Enten und Gänse. Die chirur¬
gischen Eingriffe wurden zumeist unter Narkose (Chloroform,
Äther) ausgeführt. Eine nachträgliche Behandlung der künstlich
gesetzten Wunden fand nicht statt. Die Regeln der Asepsis
wurden nicht berücksichtigt. Das Ergebnis der interessanten und
wichtigen Arbeit ist folgendes:
Die meisten Wunden des Hausgeflügels heilen
primär, sei es, daß die Wundränder durch Naht vereinigt
werden, sei es, daß ein aseptischer Schorf die Vereinigung
herstellt. Der Schorf kann aus eingedicktem angetrockneten
Blut oder aus Serum, Lymphe, Schleim und Gewebstrümmern
bestehen. Die Bildung eines festen Blutschorfes erklärt sich
aus der großen Gerinnbarkeit des Vogelblutes. Die Wunden
des Geflügels bilden für Eiterungsprozesse keinen besonders
günstigen Nährboden. Das zur Beobachtung gelangte ver¬
schiedene Verhalten den eingeführten Eitererregern gegenüber
beruht sicherlich auf dem verschiedenen Alkaligehalt der Gewebs-
säfte und des Blutes. Die mikroskopische Untersuchung aller
Fälle, in denen Exsudat in der Wunde sich einstellte, ergab
das Vorhandensein von Kokken, die zumeist in Ketten an¬
geordnet erschienen. Es müssen demnach Streptokokken
eine besondere Bedeutung für die Eiterungen des
Geflügels besitzen.
Die Wundheilung erfolgt im allgemeinen schnell,
auch s*tellt sich bald die dufch die Verletzung gestörte
Funktion wieder ein. So sind beispielsweise Tauben, bei
denen die Streck- und Beugemuskeln eines Flügels durchschnitten
waren, nach drei Wochen wieder imstande gewesen zu fliegen;
, BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
27. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
165
ebenso traten Hühner, denen die Streeksehnen am Tarsus durch¬
schnitten waren, nach drei Wochen wieder mit der Volarfläche
der Zehen auf. Dieses interessante Resultat steht mit der Er¬
fahrung im Einklang, daß tenotomierte Vögel, wie Fasanen,
Schw r äne usw. bald wieder Gebrauch von ihren Flügeln machen
können.
Durch die große Regenerationsfähigkeit des Geflügels erklärt
sich auch die Beobachtung, daß Narben, selbst nach größeren
Verletzungen, sehr bald nicht mehr erkennbar sind. Ge¬
sell würiger Zerfall der Granulationen und ähnliche Anomalien
der Wunden sind in keinem Fall wahrgenommen Worden. Die
Narben haben das Bestreben, ein sternförmiges Aussehen zu
erhalten, ebenso hat auch die Haut die Neigung, sich nach der
Mitte einer langen Narbe in Falten zu legen. Zu erklären sind
nach Schraepler diese Vorgänge durch die starke Retraktion
der Narbe in Verbindung mit dem diesem Narbenzuge entgegen¬
wirkenden Zuge der bei allen Vögeln mächtig ausgebildeten
Hautmuskeln und der reichlich vorhandenen elastischen Elemente.
Darum empfiehlt es sich, auch beim Nähen von Wunden des
Geflügels die Hefte nahe aneinander zu legen, damit ein Ein¬
rollen der Wundränder vermieden wird.
Wunden der Knochen heilen ebenfalls schnell.
Der Verfasser sah in keinem Falle eine Wundinfektionskrankheit
entstehen, eine Tatsache, die auch sonst oft beobachtet worden
ist. Knochenstümpfe werden von den umgebenden Weichteilen
sclfuell überzogen und erhalten dann eine häutige Bedeckung.
Eingreifende Operationen, wie Kropfresektionen. Laparoto¬
mien, werden auch ohne aseptische Technik gut er¬
tragen. Das Peritoneum ist gegen Verletzungen sehr
unempfindlich; Fremdkörper, die in die Bauchhöhle gebracht
worden, sah Schraepler einheilen, ohne daß bedrohliche Er¬
scheinungen auftraten.
Ein vom Verfasser angestellter Versuch, ber dem das Gro߬
hirn einer Taube verletzt wurde ohne Zustandekommen irgend¬
welcher Störungen, ist ein Beitrag zu den Versuchen Rieh eis,
der nach ausgedehnten Hirnrindenläsionen bei Hühnern,
Enten und Gänsen keine Störungen, weder der Sinnes¬
funktionen, noch der Motilität, noch der Intelligenz auftreten sah.
Die hiatogenetischen Vorgänge der Wundheilung
beim Hausgeflügel stimmen mit den Ergebnissen der
Forschung über Wundheilung im allgemeinen tiberein.
Es besteht aber ein temporärer Unterschied insofern, als
der Regenerationsprozeß beim Geflügel schneller verläuft als bei
den Säugetieren. J. Schmidt.
Ein Fall von Hühnersplrillose in Bulgarien.
Von G. Gareitschnoff.
(Veteriuarna Sblrka Nr VII, 1907.)
Gareitschnoff hatte die Gelegenheit, einige kranke Hühner
za untersuchen, bei den er folgendes feststellen konnte:
Die kranken Tiere zeigten eine auffallende Schwäche und
Mattigkeit, einen starken Hang zur Schlafsucht, ferner Durch¬
fall und Abmagerung, ihr Gefieder hatte sich gesträubt, den
Kopf hielten sie gesenkt. Ihr apathisches Wesen verhielt sich
allen äußeren Vorgängen gegenüber vollständig gleichgültig.
Diese Krankheitssymptome, die sich fortdauernd verschlimmerten,
hielten drei Tage an, bis sie schließlich den Höhepunkt erreicht
batten und die Tiere allmählich zugrunde gingen. Nach ihrer
Einlieferung sind frische und auch gefärbte Präparate vom Blute
untersucht worden. In beiden wurden Spirochäten gefunden.
Die Untersuchung des Blutes geschah alle zwei Stunden. Dabei
hat es sich außerdem gezeigt, daß die Spirochäten allmählich an
Zahl Zunahmen, ferner sich gruppenweise sammelten und schlie߬
lich getrennte Kolonien bildeten. Er beobachtete außerdem, daß
bei der Annäherung des Todes sich die Spirochäten zu vermindern
begannen, bis sie nach dem Eintreffen des Todes vollständig
verschwunden waren. Mit der steigenden Zunahme der Spiro¬
chäten war auch die Temperatur ständig gestiegen, aber sobald
dieselben anfingen, sich in Gruppen zu zerlegen, sank die
Temperatur allmählich in dem Grade, wie das Leben die Tiere
verließ bis zur letzten Minute desselben.
Die Obduktion ergab folgendes. Die Tiere waren von
außergewöhnlicher Magerkeit, der Schnabel enthielt etwas Schleim,
im Kropf und Magen fand man die Überreste von etwas halb¬
verdauter Nahrung, der Darm von blasser Färbung. Die Leber
war von normaler Größe und hatte eine violette Färbung ange¬
nommen, die Oberfläche wies hier und da hirsekorngroße nekro¬
tische Stellen auf. Die Milz war 2V2—3 mal vergrößert, befand
sich aber sonst in normalem Zustande. Die Blutgefäße in der
Bauchhöhle waren mit geronnenem Blute gefüllt, der Herzbeutel
enthielt etwas Exsudat, auch war das Herz etwas vergrößert,
wobei die rechte und linke Vorkammer, sowie die rechte Kammer
ebenfalls etwas geronnenes Blut enthielten, während die linke
leer war.
Gareitschnoff hat noch bemerkt, daß ein Huhn, nachdem
es 5—6 Tage die oben genannten Symptome aufgewiesen hat,
wieder in den Zustand völliger Genesung übergegangen ist,
Dr. Angeloff.
Taeniasis bei Gänsen*
Von Distriktstierarzt Sallinger, Windsbach.
(Wochenschrift für Tieitieilkunde und Viehzucht, öl. Jhrg. Nr. 31.)
In einem Gänsebestand zeigten die jüngeren Exemplare
trotz sehr guter Futteraufnahme erhebliche Gewichtsabnahme.
Weiterhin äußerten sie Abstumpfung und Muskelschwäche. Bei
verschiedenen trat der Tod alsbald ein. Als Sektionsbefund
ergaben sich Anämie, hochgradige Abmagerung, Vorhandensein
zahlreicher Vertreter der Gattung Taenia lanceolata. Für die
Behandlung wurde frisch gepulverte Arekanuß in Kleienfutter
empfohlen, dem Trinkwasser wurde Ferrum sulfuricum zugesetzt.
Mit diesen Maßnahmen gelang es die Taenien zu beseitigen.
Todesfälle kamen nicht mehr vor. J. Schmidt.
Tagesgeschichte.
Belicht über die TU. Hauptversammlung des Vereins
der beamteten Tierärzte Preußens
am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907.
(Fortsetzung.)
Gehfilter.
Korreferat des Kreistierarzt Rust.
Meine Herren! leb kann mich kurz fassen, denn so weit
der Herr Referent die Lage der Kreistierärzte im allgemeinen
geschildert hat, schließe ich mich seinen Ausführungen an. Als
seinerzeit die Kreistierarztreform vorbereitet wurde, ist deren
Notwendigkeit in erster Linie mit der gänzlichen Unzulänglich¬
keit der kreistierärztlichen Bezüge begründet worden, und wir
konnten daher wohl annehmen, daß diese Reform den Kreis¬
tierärzten eine wesentliche Aufbesserung bringen würde. Das
war leider nicht der Fall. Aber als Beamte und vernünftige
166
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
Männer haben wir uns gesagt, daß schließlich ein Banm nicht
anf den ersten Axthieb fällt, und daß man aus einem Nichts
nicht sofort schweres Vollkommenes machen könne. Jedenfalls
waren wir überzeugt, daß das Landwirtschaftsministerium es an
eifrigem Bemühen nicht hat fehlen lassen für uns weit mehr
zu erreichen, als wir bekommen haben, und in diesem Sinne
hat ja auch unser Verein seinerzeit dem Herrn Landwirtschafts¬
minister und Herrn Ministerialdirektor Küster unsern Dank
aussprechen lassen. Wir konnten das um so mehr tun, als die
Reform uns wenigstens einen Wunsch von allergrößter Bedeutung
erfüllt hatte: die Pensionsberechtigung. Damit waren wir um
ein ganz Erhebliches in unsern Bestrebungen weiter gekommen
und ein die Arbeitsfreudigkeit stets hemmender Gedanke, was
wird aus uns und unseren Angehörigen im Alter, war, wenn
auch nicht vollständig beseitigt, so doch in seiner Tragweite
gemildert.
Das war aber auch alles, was uns die Reform gegeben, in
allem andern hat sie uns nur genommen. Wir haben zwar eine
Erhöhung des Gehalts und eine Erhöhung der Tagegelder zu
verzeichnen, in Wirklichkeit bedeuten diese Erhöhungen aber
nur eine Verschlechterung, denn man hat sie uns an anderer
Stelle mehr als doppelt genommen. Da ist zuerst die Fuhr-
kostenentschädigung in Wegfall gekommen; das schien anfänglich
ziemlich belanglos, aber schließlich machen viele Wenig ein Viel
und am Schluß des Jahres macht diese Summe für manchen
Kreistierarzt doch einen nicht unerheblichen Betrag aus. Be.
sonders empfindlich macht sich dieser Verlust bei den Kreis¬
tierärzten in größeren Städten, in denen durch Eingemeindung
die Grenzen der Stadt tief in das Gebiet des Kreises ein¬
schneiden. Ich habq zum Beispiel Entfernungen bis zu 8 km zu |
erledigen, für die ich nicht die geringste Vergütung erhalte,
die mir aber in jedem Falle 5—6 M. Unkosten verursachen.
Ebenso bedeutungslos erschien uns anfänglich die Herabsetzung
des Eisenbahnkilometers von 10 auf 7 Pf., in Wirklichkeit macht
sie sich aber ganz erheblich bemerkbar. Nicht nur, daß auch
diese Differenz im Laufe des Jahres eine ganz erhebliche
Summe ausmacht, hat sie das Unangenehme im Gefolge, daß
wir jetzt fast alle Reisen mittelst Eisenbahn und Landweg da
kombiniert in Ansatz bringen müssen, wo wir früher nur Land¬
weg liquidieren konnten. Wir sind ferner gezwungen, auf diese
Weise sehr oft Rundreisen zu berechnen, die wir in Wirklichkeit
gar nicht ausführen können, und wo wir gezwungen sind, erst
immer nach dem Zentralpunkt zurückzukehren, um von dort die
Dienstreise von neuem per Eisenbahn oder Landweg zu beginnen.
In solchen Fällen kann natürlich von einer Reiseersparnis
keine Rede sein, man ist im Gegenteil froh, wenn man nicht noch
darauf zu zahlen hat. Vielleicht mögen ja die Verhältnisse
nicht überall gleich sein, aber von einem Überschuß an Reise¬
diäten kann bei uns östlichen Kreistierärzten nur dann die Rede
sein, wenn wir eine Reise am Tage machen; sobald wir mehrere
Reisen zu erledigen haben, sind wir herzlich froh, wenn Diäten,
Reisekosten und Tagegelder die Auslagen decken.
Den schwersten Schlag, den uns aber die Reform zugefügt
hat, erblicken wir in dem Verlust der Sektionsgebühren. Für
uns Kreistierärzte im Osten ist das eine ganz enorme Schädigung
geworden. Man kann darüber verschiedener Ansicht sein, ob
der Ansatz von Sektionsgebühren bei Scliweinesektionen eine
Berechtigung hätte, viel Mühe und Arbeit machen diese ja in
der Regel nicht, und somit ist der Wegfall eines besonderen
Honorars immerhin verständlich. Ganz unverständlich and in
jedem Falle ein nicht zu unterdrückendes Gefühl der Erbitterung
hervorrufend, ist es uns gewesen, wie man bei denjenigen Sek¬
tionen unserer großen Haustiere wie Rotz, Milzbrand, bei denen
neben einer doch keineswegs angenehmen Arbeit und vielfach
enormen schriftlichen Arbeiten doch fast in jedem Falle ein
gewisser Grad von Lebensgefahr verbunden ist, wie man uns
auch hier die Sektionsgebühr nehmen konnte.
Meine Herren! Diese geschilderten Verluste sind ganz er¬
heblich und haben im wesentlichen dazu beigetragen, die Kreis-
tierarztreform — immer natürlich von der Pensionsberechtigung
abgesehen — als ein für uns Kreistierärzte glückliches Ereignis
nicht bezeichnen zu können.
Nun kann man uns entgegenhalten: Ihr Kreistierärzte habt
trotzdem ein großes Einkommen, denn ihr habt ja die Berechti¬
gung, Privatpraxis zu treiben. Meine Herren, es ist heute
nicht Zeit und Ort dazu und das ist ja auch an anderer Stelle
schon so oft in Wort und Schrift getan, die Frage zu diskutieren,
ob es richtig sei, daß wir Kreistierärzte Privatpraxis treiben.
Ich will meine persönliche Ansicht deshalb nur kurz dahin aus-
l sprechen, daß ich die Privatpraxis für die Kreistierärzte für
absolut notwendig halte, denn sie schützt uns davor, ver¬
knöcherte Beamte zu werden, die den praktischen Verhältnissen
entwachsen. Solche Beamte würden für die Landwirtschaft eine
Crux werden. Ich für mein Teil möchte wenigstens ohne
Privatpraxis gar nicht Kreistierarzt sein. Nun glaube ich ja,
daß es Kreistierärzte gibt, die aus der Privatpraxis eine große
Einnahme erzielen, ich glaube aber auch andererseits mit dem
Kollegen Dralle, daß hierbei auch manchmal etwas unmoti¬
vierte und zu beklagende Renoipmisterei getrieben wir£. Wenn
aber solche Einnahmen wirklich bestehen, so bilden sie Aus¬
nahmen und sind bei dem Gros der Kreistierärzte nicht zu¬
treffend. Auf .jeden Fall soll man denselben in dieser Beziehung
keine allzn große Bedeutung beilegen, denn sie ist und bleibt
ein Treibhausprodukt, ein Reif in der Frühlingsnacht in Gestalt
der Maul- und Klauenseuche, ist geeignet, eine mühsam auf¬
gebaute Praxis in ihren Grundpfeilern zn erschüttern. Führt
ein solcher Fall gar noch zn einer Ausbreitung der Seuche,
was nach den Ausführungen des Herrn Veterinärrat Nevermann
und nach den in den letzten Jahren gezeichneten Erfolgen ja
Gott sei Dank wenig wahrscheinlich ist, so kann sich der be¬
treffende Kreistierarzt, wenn er veterinärpolizeilich abkömmlich
ist und das nötige Geld dazu hat, ruhig auf Reisen begeben,
die Privatpraxis hindert ihn daran nicht, die war einmal.
Meine Herren, bin ich somit in der Auffassung, daß die
Lage der Kreistierärzte keineswegs eine so rosige ist, wie man
in manchen Kreisen anzunehmen geneigt ist, mit dem Herrn
Referenten im wesentlichen gleicher Ansicht, so habe ich anderer¬
seits über die von ihm angedeuteten Maßnahmen eine andere
Auffassung. Nicht als ob ich deren Notwendigkeit anzweifeln
möchte, im Gegenteil, ich halte zum Beispiel die Änderung unserer
Gehaltsbezüge für ebenso notwendig wie Kollege Dralle und
wie Sie vielleicht alle. Meine Bedenken liegen vielmehr auf
rein sachlichem Gebiet. Wenn wir jetzt mit solchen Forderungen
kommen, so machen dieselben eine totale Abänderung der Kreis¬
tierarztreform notwendig, und da glaube ich, meine Herren, daß
dafür, nachdem kaum drei Jahre seit deren Bestehen vorüber
sind, für eine solche Änderung weder das Landwirtschafts¬
ministerium, noch das Finanzministerium zu haben sein wird,
27. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
167
•und Herr Geh. Oberregiernngsrat Schröter hat diese meine
Bedenken ja auch schon vorhin in seiner Rede bestätigt. An¬
genommen, daß diese meine Voraussetzung eine irrige sei, so
entsteht für uns die weitere Frage, ob es denn faktisch überhaupt
richtig wäre, in der gegenwärtigen Zeit mit Wünschen und
Vorschlägen zu kommen, die eine prinzipielle Abänderung der
bestehenden Verhältnisse bezwecken. Ich beantworte dieselbe
mit einem entschiedenen Nein. Wie Ihnen allen bekannt ist,
haben wir in allernächster Zeit eine Novelle zum Reichs-
viehseucbengesetz zu erwarten, von der wir schon jetzt behaupten
können, daß sie für uns, da es sich darin um die veterinär-
poli zeiliche Bekämpfung der Tuberkulose handelt, von ein¬
schneidender Bedeutung ist, und uns mit Sicherheit eine enorme
Arbeitslast bringt. Da es dann sehr fraglich sein wird, ob uns
noch Zeit zur Ausübung der Privatpraxis bleibt, so wären wir
ja wahrscheinlich nach kurzer Zeit gezwungen, mit neuen
Forderungen zu kommen, deren Erfüllung dann natürlich erst
recht schwer würde. Von ganz besonderer Wichtigkeit bei
derVentilierung dieser Angelegenheit ist auch die Pauschalierungs-
frag-e und der Herr Referent für diesen Punkt der Tagesordnung
möge es mir nicht übel nehmen, wenn ich diese bei meinen
Ausführungen kurz streife. Wir Kreistierärzte hegen zwar immer
noch die Hoffnung, daß eine Pauschalierung unserer Reisekosten
nicht erfolgt und hoffen und wünschen, daß unser Ministerium
dem Drängen des Finanzministeriums kräftigen Widerstand
entgegensetze. Das dürfen wir uns jedoch nicht verhehlen, daß
wir mit der Möglichkeit ihres Kommens rechnen müssen und da
wir über das „Wie“ derselben vorläufig vollständig im Dunkeln
tappen, andrerseits diese bei der Bemessung des Gehaltes aber
sehr in Frage kommt, so würde schon das ein ausreichender
Grund sein, im gegenwärtigen Augenblick an den bestehenden
Verhältnissen nicht zu rütteln.
Wir vergeben uns, meines Erachtens, durch einen momentanen
Verzicht um so weniger, als sich bei der bevorstehenden allgemeinen
Gehaltsaufbesserung der Beamten auch bei uns eine Möglichkeit
bietet, eine pekuniäre Verbesserung zu erlangen, und auf diesem
Wege möchte ich Sie bitten mir zu folgen. Die allgemeine
Gehaltsaufbesserung der Beamten wird in erster Linie
durch die in den letzten Jahren eingetretene außer¬
ordentliche Preissteigerung der Lebensbedürfnisse
gestützt, und dieses Argument ist bei uns Kreistierärzten genau
so zutreffend, als bei den übrigen Beamtenklassen, und deshalb,
meine Herrn, bitte ich Sie, sich meinem dahingehenden Vor¬
schläge anzuschließen, den Herrn Minister zu bitten, unsere
Wünsche in diesem Sinne zu berücksichtigen, und da uns heute
die hohe Ehre zuteil geworden ist, unsern hochgeehrten
Dezernenten Herrn Geh. Oberregiernngsrat Schröter in unserer
Mitte zu sehen, so möchte ich Ihnen ferner anheim geben von
der Fassung einer Resolution in dieser Angelegenheit Abstand
zu nehmen, vielmehr Herrn Geh. Oberregiernngsrat
die gehorsamste Bitte zu unterbreiten, Sr. Exzellenz
dem Herrn Landwirtschaftsminister unsere Wünsche
in der geschilderten Weise vortragen zu wollen. Die
preußischen Kreistierärzte würden • ihm dafür eine stete Dank¬
barkeit bewahren.
An die beiden Vorträge, welche den verdienten Dank ernteten,
schloß sich nur eine kurze Diskussion, an der sich auch Herr
Geheimrat Schroeter beteiligte. Wenn auch die vom Herrn
Referenten gemachten Angaben über hohe Einkommen im
Ministerium bekannt seien, so wisse man doch auch, daß diese
mit wenigen Ausnahmen den Tatsachen nicht entsprechen. Auch
er müsse in dieser Beziehung vor Übertreibungen warnen.
Die Versammlung einigte sich nunmehr bezüglich der
Forderung einer Gehaltserhöhung im gegenwärtigen Zeitpunkt
auf den Rustschen Vorschlag und wendete sich alsdann dem
verwandten Thema der Pauschalierung zu, das durch Herrn
Traeger-Belgard in nachstehender Weise beleuchtet wurde:
Pauschalierung der Reisekosten und Tagegelder.
Referat des Kreistierarztes Träger.
Meine Herren! Einem Aufträge unseres Vorstandes folgend,
habe ich die Ehre, Ihnen die Erfahrungen mit der Pauschalierung
der Ergänzungsbeschaukosten in dem mir überwiesenen Bezirke
mitzuteilen und im Anschluß hieran nach Besprechung unsere
Aussichten bei einer Pauschalentschädigung für unsere aus¬
wärtigen Dienstgeschäfte Ihnen einen Beschlußantrag zu unter¬
breiten, der die Stellungnahme des Vereins beamteter Tierärzte
Preußens zur Frage des Reisekostenpauschales festlegt.
Als im September 1903 die Fleischbeschau im Kreise
Belgard eingeführt wurde und nach Jahresfrist die Amtskassen
die Rechnungen für die Ergänzungsbeschau erhielten, war die
Unzufriedenheit groß. Wie in allen schwach bevölkerten Landes¬
teilen reichten die aus den Abzügen der Fleischbeschauer auf¬
gesammelten Fonds bei weitem nicht aus, um die Kosten der
Ergänzungsbeschau zu decken. Man übte nun einen nicht immer
sanften Druck auf die Fleischbeschauer aus, um diese von der
Zuziehung der Ergänzungsbeschautierärzte abzuhalten. Die
Rechnungen für ausgettbte Ergänzungsbeschauen wurden meistens
unerledigt beiseite gelegt und man wartete mit Seelenruhe das
weitere ab. Die von mir wiederholt angeregte Übernahme der
Ergänzungsbeschaukosten auf Kreisfonds wurde zunächst rundweg
abgelehnt, weil in einem Nachbarkreise, der 700 M. als Zu¬
schuß zur Deckung dieses Betrages in den Etat eingestellt hatte,
der Verbrauch für diesen Zweck sich auf annähernd 4000 M.
belaufen hatte. Eine ähnlich hohe, dauernde Belastung wurde
leider auch von der maßgebenden Stelle für den Kreis Relgard
angenommen und als zu drückend für den Kreiskommunalsäckel
hingestellt.
Im Laufe der Jahre waren nun die fälligen Beträge für
Reisen usw. in der Ergänzungsbeschau zu einer ganz respek¬
tablen Summe angewachsen und ich mußte schließlich auf
Bezahlung dringen, wenn auch lange nicht überall bis jetzt mit
Erfolg.
Die Kreisverwaltung willigte nun, wahrscheinlich beeinflußt
von den Vorstellungen der Amtskassen, ein, unter bestimmten
Voraussetzungen die Übernahme der Ergänzungsbeschaukosten
von seiten des Kreises zu befürworten. Es wurde bei den mit
der Ergänzungsbeschau im Kreise beauftragten Tierärzten an¬
gefragt, ob sie diese Verrichtung gegen Zahlung einer festen,
jährlichen Pauschsumme übernehmen wollten. Nachdem der eine
der beteiligten Tierärzte sofort im Prinzip sein Einverständnis
ausgesprochen hatte, blieb auch mir nach wiederholter, aus¬
führlich begründeter Ablehnung schließlich nichts anderes übrig,
wie dieser Lösung grundsätzlich zuzustimmen. Bei den dies¬
bezüglichen Vorverhandlungen hatte ich den Nachweis geführt,
daß in dem mir zur Ergänzungsbeschau überwiesenen Teile des
Kreises im Jahresdurchschnitt zwischen 1000—1100 M. an
Kosten aufgelanfen waren. Mit Rücksicht darauf, daß in recht
zahlreichen, durch jedesmalige Anzeige zur amtlichen Kenntnis
168
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
gebrachten Fällen Unterlassangen von Anmeldungen zur Er¬
gänzungsfleischbeschau vorgekommen waren, konnte mit Sicher¬
heit vorausgesehen werden, daß mit der Beseitigung der
Zahlungspflicht für die Amtskassen bzw. die Guts- und Gemeinde¬
bezirke der Anreiz zur Unterlassung der Anmeldungen fortfallen
mußte. Im Hinblick auf die zweifellos zu erwartende häufigere
Inanspruchnahme als Ergänzungsbeschautierarzt erklärte ich
mich unter Darlegung der in Betracht kommenden Gründe bereit,
die Ergänzungsfleischbeschau in den mir zugewiesenen 22 Amts¬
bezirken für eine jährliche Parfhchsumme von 1500 M. zu über¬
nehmen.
Der Kreisausschuß stimmte meinem Vorschläge zu.
Die Kostendeckung sollte in der Weise bewerkstelligt
werden, daß man eine aus veterinärpolizeilichen Gründen von
mir schon lange gewünschte Hundesteuer in Aussicht nahm,
aus deren Erträgnissen die Kosten der Ergänzungsfleischbeschau
im Kreise zu bestreiten seien. Der Kreistag beschloß auch die
Einführung der beantragten Kreishundesteuer vom 1. April 1907
ab und bestimmte, daß aus diesem Einnahmeposten vorerst die
auf Grund der Verträge mit den zuständigen Tierärzten fälligen
Pauschsummen zu decken seien. Die alsdann noch verbleibenden
Überschüsse stehen etatsmäßig zur Befriedigung sanitäts- oder
veterinftrpolizeilicher Bedürfnisse des Kreises zur Verfügung
und haben, so weit ich unterrichtet bin, teilweise auch eine recht
segensreiche Verwendung bei der Bekämpfung der menschlichen
Diphtherie durch unentgeltliche Impfungen usw. gefunden. Die
durch die Amtskassen nach wie vor von den Fleischbeschauern
einzuhebenden Gebübrenabzüge fließen nun natürlich der Kreis¬
kommunalkasse zu und werden gleichfalls zur Deckung der
pauschalierten Ergänzungsbeschaukosten benutzt.
Meine damalige Schätzung von 1500 M. pro Jahr oder
125 M. auf den Monat hat sich auch fast genau als zutreffend
erwiesen, wie Sie aus der nachstehenden Tabelle ersehen wollen.
Im April 1907 hätte ich bei Einzelbezahlung 66,34 M., im Mai:
131,16 M., im Juni: 159,24 M., im Juli: 164,02 M., im August:
126,84 M., im September: 83,88 M., im Oktober: 142,98 M. an
ErgänzungsbeschaukoBteu liquidieren müssen, d. h. im Durch¬
schnitt für den Monat 124,92 M. Im übrigen hatte ich bei den
vorausgehenden Verhandlungen wiederholt betont, daß bei der
gänzlich unzulänglichen Entlohnung der Ergänzungsbeschau
nach dem behördlich festgelegten Tarif (Rind 3 M., Schwein 2 M.,
sämtliches Kleinvieh 1,50 M., Bahnkilometer 0,07 M., Land¬
kilometer 0,40 M.) von einer Verbilligung durch die Pauschalierung
keine Rede sein könnte. Der Vorteil für die Kreisverwaltung
liegt nach ihrer Ansicht darin, daß einmal keine zeitraubende
Rechnungsführung mehr erforderlich und keine Differenzen über
die Benutzung von Bahn oder Landweg möglich sind und daß
zum anderen bei dieser Festlegung die Ergänzungsbeschauer
schon im eigenen Interesse darauf halten würden, daß sie nicht
zur Behandlung erkrankter Tiere und nebenbei zu einem „not¬
geschlachteten“ Hammel, d. h. auf Kreiskosten zugezogen werden.
Im übrigen haben geschäftlich beanlagte Personen sofort
die Möglichkeit kostenloser tierärztlicher Hilfe herausgefunden
und ich habe mich wiederholt wegen des Versuches unnötiger
Zuziehung zur Wehr setzen müssen. Da die Gebühren für die
Fleischbeschauer natürlich unverändert bestehen geblieben sind,
so wird nicht selten eine Notschlachtung bei Tieren vorgenommen,
zu deren Beurteilung der Fleischbeschauer sehr wohl zuständig
gewesen wäre, wenn man ihn*zur Schlachtviehbeschau (Lebend¬
beschau) gerufen hätte. Man umgeht den gebührenheischenden
Fleischbeschauer und holt den Tierarzt, „denn es kostet ja
nichts“. Ich möchte nicht unterlassen, einige besonders prägnante
Fälle ungerechtfertigter Zuziehung mitzuteilen.
Nach einem 30 km von meinem Wohnorte abliegenden Dorfe
(dabei 21 km Bahn) wurde ich als Ergänzungsbeschauer zu
einem hochgradig gelbsüchtigen Schaf gerufen, obwohl Fleisch¬
beschauer und Tierbesitzer darüber einig waren, daß das Fleisch
zum menschlichen Genuß untauglich sei, nämlich weil sich der
Eigentümer für einen eventuellen Prozeß gegen den Verkäufer
des Schafes später kostenlos ein tierärztliches Gutachten vor
Gericht sichern wollte. In einem anderen Falle wurde ich zur
Ergänzungsbeschau bei einer verendeten Kuh zugezogen, ledig¬
lich, weil die betreffende Kuhkasse wissen wollte, ob sie dem
Besitzer der Kuh entschädigungspflichtig wäre. Ein geiziger
Bauer beantragte die Ergänzungsbeschau, um das Fleisch eines
totgeborenen Kalbes verkaufen zu können, und ein mitleidiger
Amtsvorsteher gab dem Besitzer einer versicherten Kuh den
Rat, das dem Verenden nahe Tier rasch noch töten zu lassen,
damit das für die Viehversicherung erforderliche Sektionsattest
durch den zur Fleischbeschau an Ort und Stelle zitierten Tier¬
arzt per Gelegenheit, d. h. recht schön billig beschafft werden
konnte. Ein Fleischbeschauer, der zugleich Amtsdiener ist,
wollte mich zur Schlachtviehbeschau bei zwei kniegelenklahmen
Jungrindern seines Amtsvorstehers zuziehen und als ich ihn
darauf hinwies, daß er mindestens zur Erteilung der Schlacht¬
erlaubnis zuständig sei, kam er damit heraus, daß ich vielleicht
dem Tierbesitzer nach der Untersuchung von der Schlachtung
abraten würde und ein Mittel gegen die Lahmheit der Tiere
geben würde. Ich merkte die Absicht und lehnte die Schlacht¬
viehbeschau ab, erklärte mich aber bereit, auf Verlangen die
tierärztliche Behandlung der lahmen Rinder zu übernehmen.
Erfolg: Die Rinder sind nicht geschlachtet worden, sondern
werden tierärztlich behandelt. Einem anderen Amtsvorsteber,
in dessen Bezirk ich wiederholt ungerecbtfertigterweise gerufen
worden war, teilte ich durch Vermittlung des Landratsamtes
folgendes mit: Bei der weiteren Häufung von Fällen unnötiger
Zuziehung des tierärztlichen Beschauers würde ich bei dem
| Herrn Landrat beantragen müssen, daß in solchen Fällen Be¬
sitzer oder Fleischbeschauer zur Zahlung der vorgeschriebenen
Gebühren usw. herangezogen werden, je nachdem, wer die un¬
nötige Zuziehung des Ergänzungsbeschauers veranlaßt hat.
Schließlich bringe ich noch ein Zahlenbeispiel dafür, wie
man jetzt den Fleischbeschauer umgeht und den gebührenfreien
Tierarzt sofort zuzieht. Im ersten Quartal 1907 übte ich
26 mal Ergänzungsbeschau aus, wo mir 16 mal vom vorher tätig
gewesenen Fleischbeschauer der Befund mitgeteilt wurde. In
der Zeit vom 1. April bis Ende Oktober 1907 war bei 83 von
mir begutachteten Notschlachtungen nur 27 mal vorher der
Fleischbeschauer geholt worden.
Sie. ersehen aus diesen Beispielen, daß die Pauschalierung
der Ergänzungsbeschau für den Tierarzt auch ihre Schatten¬
seiten hat, und wenn überhaupt, dann nur bei weitgehendstem
Entgegenkommen der betreffenden Körperschaften annehmbar
erscheint.
Im übrigen ist es mir völlig klar, daß man mein Erscheinen
noch häufiger beanspruchen wird, wenn es erst allen Kreis¬
eingesessenen bekannt ist, daß die Ergänzungsbeschau auf
Kreiskosten ausgeführt wird. Seither ist es mir immer noch
27. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
169
vorgekommen, daß die Besitzer von notgeschlachteten Tieren
von der Pauschalierung dieser Kosten nichts wußten. Es war
anch die durch wesentlich häufigere Zuziehung bewiesene Tat¬
sache zu konstatieren, daß die Abneigung gegen die Ergänzungs¬
beschau im Schwinden ist, seit dieselbe den Gutsbezirken und
Gemeindebezirken nichts mehr kostet.
Ich würde den mir erteilten Auftrag nicht in vollem Um¬
fange ausgefnhrt haben, wenn ich im Anschluß hieran nicht .die
dringende Reformbedürftigkeit der Gebühren oder vielmehr Reise¬
kosten für die Ergänzungsbeschau zur Sprache brächte. Gerade
weil jch an der späteren Gestaltung dieser Entschädigungen
nicht mehr so unmittelbar beteiligt bin, kann man meinen Aus¬
führungen nicht nachsagen, daß sie auf den eigenen Vorteil
berechnet seien.
Es stehen sich hier die Interessen der Landwirte- (und
anderer Tierbesitzer) sowie der Tierärzte schroff gegenüber.
Erstere wollen am liebsten gar nichts zahlen (Übernahme auf
den Staat) oder verlangen eine Herabsetzung der Gebühren;
letztere erklären einstimmig, mit einer derart ungenügenden
Bezahlung nicht länger vorlieb nehmen zu können.
Eine eingehende Besprechung würde allein ein umfang¬
reiches Referat ausmachen. Die Sache ist aber in der Fach¬
presse so oft und erschöpfend behandelt worden, daß es nach
meiner Ansicht genügt, wenn wir durch einstimmigen Beschluß
die Unzulänglichkeit der Bezahlung für die Ergänzungsbeschau
zum Ausdruck bringen. Die zweckmäßigste Form der Erhöhung
würde ich darin erblicken, daß bei der Benutzung der Eisen¬
bahn für jeden Zu- und Abgang 2 M. gewährt werden. An
den Untersuchungsgebühren werden wir nicht rütteln dürfen,
da bei der parlamentarischen Macht der Landwirte unser
Ministerium schwerlich an diesem Punkte mit Reformen er¬
setzen wird. Die Entschädigung für Bahn und Landweg ist
zwar auch niedrig genug (namentlich da bei letzterem kerne
Abrundung bei Reisen über 2 km auf 8 km stattfinden darf),
wird aber kaum eine Erhöhung erfahren, da sonst gerechter
Weise auch die Reisekosten der beamteten Tierärzte erhöht
werden müßten, und Sie wissen ja, daß wir in der Furcht
leben, man wolle auch noch diese magere Entschädigung für
Dienstverrichtungen beschneiden. Es bleibt demnach nur die
Einführung der Zu- und Abgangsentschädigung übrig. Würde
sich unser Ministerium herbeilassen, diesem Vorschläge zuzu¬
stimmen, dann wäre wenigstens in den krassen Fällen, wo die
Eisenbahn benutzt bzw. liquidiert werden mußte, ein Äquivalent
für Zeitversäumnis zwischen den Zügen usw. geboten.
Daß man übrigens an maßgebender Stelle die Bezahlung
für die Ergänzungsfleischbeschau als verbesserungsbedürftig an¬
sieht, mögen Sie daraus entnehmen, daß der Herr Ressort¬
minister nach einer von unserem Vorstand vorgetragenen Bitte
eine Enquete in dieser Sache veranlaßt hat. Wir können daher
mit Dank konstatieren, daß diese Angelegenheit von unserer
höchsten Vorgesetzten Behörde einer Lösung entgegengeführt
wird, die berechtigte Erwartungen befriedigen dürfte. Sollte
Ihre Beratung praktischere Vorschläge zutage fördern, so wäre
das im allseitigen Interesse nur erfreulich. Ich glaube aber
vor zu hochgespannten Wünschen warnen zu müssen, damit
nicht der günstige Stand der hierauf bezüglichen Verhandlungen
zwischen den beteiligten Ressorts ungünstig beeinflußt wird.
Ich wende mich nun zum zweiten Teil des mir gestellten
Themas.
Wie glaubwürdig bekannt geworden ist, haben zwischen
den in Betracht kommenden Dienststellen im vergangenen Früh¬
jahr noch keinerlei Verhandlungen wegen der Ablösung der
Kosten für unsere Dienstreisen geschwebt Wenn daher jetzt
solche Pläne bestehen sollten, so müßte der Herr Ressortminister
den früher von dieser Seite geltend gemachten Widerstand gegen
solche Regelung aufgegeben haben. Mit der Behauptung, daß
die überwältigende Mehrheit der Kreistierärzte von einer
Pauschalierung keine Förderung der Veterinärpolizei und ihrer
persönlichen Interessen erwartet, verkünde ich Ihnen nichts
Neues, es wäre aber gleichwohl wertvoll, wenn der Verein dies
in aller Form zum Ausdruck bringt. Was nun auch die Absicht
der hohen Staatsregierung sein möge, der Vorstand hat es für
richtig gehalten, daß der Verein beamteter Tierärzte Preußens
zu dieser Angelegenheit Stellung nimmt, damit bei einer späteren
Entschließung der maßgebenden Behörden unsere Wünsche in
dieser Frage bekannt sind und berücksichtigt werden können.
Alle tierärztlichen Stimmen, die sich zur Sache haben
hören lassen, sind darin einig, daß die von dem Finanzministerium
angestrebte Pauschalierung der Kosten für Dienstreisen von
Beamten den ausgesprochenen Zweck hat, alsbald oder in der
Zukunft Ersparnisse zu erzielen, d. h. für die einzelne Reise
weniger zu zahlen. Nachdem nun durch die Kreistierarztreform
bei allen Dienstreisen, die über 67 Bahnkilometer ausmachen,
trotz der erhöhten Tagegelder eine Verbilligung eingetreten ist,
und andererseits der Fiskus durch Fahrkartensteuer bzw. Schnell¬
zugzuschläge, sowie die Fuhrunternehmer infolge der allgemeinen
Teuerung eine Erhöhung des erforderlichen Reiseaufwands haben
eintreten lassen, erscheint es bei der ohnehin so bescheidenen
Bemessung unserer Entschädigungen für Dienstreisen aus¬
geschlossen, daß uns in irgendwelcher Form hiervon noch Ab¬
züge gemacht werden können.
Die Professoren Malkmus und Schmaltz sowie der
Veterinärrat Preuße haben in den von ihnen redigierten
Wochenschriften die schweren Bedenken, welche gegen die
Durchführung der Pauschalierung sprechen, geltend gemacht.
Von den vielen guten Gründen, die dagegen angefühlt werden,
darf ich vor Ihnen nur die drei nach meiner Ansicht schwer¬
wiegendsten erörtern, denn anderenfalls würde ich Ihre Zeit über
Gebühr in Anspruch nehmen müssen.
Reisekosten und Tagegelder haben bei den Veterinärbeamten
eine ganz andere Bedeutung wie bei den vollbesoldeten Staats¬
dienern. Während diese Bezüge bei uns neben der Vergütung
des erforderlichen Reiseaufwandes einen Teil der Bezahlung
unserer Amtstätigkeit ausmachen müssen,' bilden die gleichen
Aufwendungen, welche aber bewerkenswerterweise schon für
Subalterne I. Klasse höher angesetzt sind, bei vollbesoldeten
Beamten, wie Schmaltz sagte: „nur eine Entschädigung für
die besondere Mühe und den besonderen Aufwand bei Reisen“,
d. h. wir sind (namentlich in den Stellen mit starker amtlicher
Inanspruchnahme) auf solche Überschüsse angewiesen, jene nicht.
Die von verschiedenen Seiten und mit recht zutreffender Be¬
gründung gewünschte gesonderte Etatisierung der amtstierärzt¬
lichen Reisekosten und die Trennung dieses Titels von dem all¬
gemeinen Personal- und Bedürfniskostenfonds verdient unsere
wärmste Unterstützung.
Als zweites Hindernis bei einer beabsichtigten Pauschal¬
entschädigung für unsere auswärtigen Dienstgeschäfte sehe ich
170
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
die Abfassung des Tierseuchengesetzes und der demnächst zur
Beratung kommenden Novelle an. Unter der Geltung dieser Be¬
stimmungen hat lediglich die Polizeibehörde höherer oder
niederer Ordnung, d. h. der Regel nach die Kreis- oder Orts¬
polizeibehörde über die Zuziehung des Kreistierarztes zu be¬
stimmen. Sie wissen, welche Bedeutung das im Tierseuchen¬
gesetz so oft wiederkehrende Wörtchen „kann“ bei vielen der
Durchführung hygienischer Maßregeln abgeneigter Polizeibehörden
auf dem Lande jetzt besitzt. Der Veterinärbeamte ist — man
kann dies aus vielen Gründen sehr bedauern — in der Betätigung
seines Außendienstes ganz von der zuständigen Polizeibehörde
abhängig. Wenn unter der Herrschaft des jetzigen Tierseuchen¬
gesetzes oder der demnächst in Kraft tretenden Novelle eine
Pauschalentschädigung für die kreistierärztlichen Dienstreisen
eingeführt würde, so möchte das vorerwälmte Wörtchen „kann“
gar leicht eine ganz andere Auslegung erfahren und wir wären
den unteren Polizeiorganen auf Gnade und Ungnade über¬
antwortet. Während jetzt alle Dienststellen ängstlich darauf
bedacht sind, den Veterinärbeamten nur in den allernötigsten
Fällen zu beordern und ihn möglichst viel Geschäfte gelegentlich
anderer Dienstverrichtungen ausführen zu lassen, würde bei
einer feststehenden Jahresentschädigung die Angst vor der Ober¬
rechnungskammer bald fortfallen. Unter dem fast nie zu ent¬
kräftenden Vorwände des dienstlichen Interesses würde der
Kreistierarzt von amtseifrigen Polizeiverwaltern, ohne daß
persönliches Übel wollen vorzuliegen oder nachweisbar zu sein
braucht, so ausgiebig in Bewegung gesetzt werden, daß auch
die Bestveranlagten unter uns nie nach Karls- oder Marienbad
zu gehen brauchten. Es ist daher — und zwar nicht zum
wenigsten im dienstlichen Interesse — die wichtigste Voraus¬
setzung unserer Pauschalierung, daß wir ähnlich wie die Kreis¬
ärzte selbständig würden.
Auf Grund der ihm erstatteten Anzeige oder wenn ihm sonst
der Ausbruch bzw. der Verdacht einer ansteckenden Krankheit
bei Haustieren (im Sinne des Tierseuchengesetzes) bekannt ge¬
worden ist, prüft der Kreistierarzt unter eigener Verantwortung
an der Hand der gesetzlichen usw. Bestimmungen, ob er sich
zur Feststellung der Seuche an Ort und Stelle zu begeben hat.
Erhebliche Bedenken kommen bei dieser Regelung nicht in Frage,
denn in der Praxis ist es jetzt schon vielfach üblich, daß der
Veterinärbeamte nach der bei ihm erstatteten Anzeige den er¬
forderlichen Auftrag ausfertigt und ihn von der zuständigen
Behörde nur unterfertigen läßt. Bis das geschehen ist, und die
Reise angetreten werden kann, geht zwecklos manche Stunde
verloren. Wenn es aber der Kreistierarzt alsdann an gutem
Willen bzw. Pünktlichkeit fehlen läßt, so werden sich der Tier¬
besitzer und die zuständige Polizeibehörde schnell bei der Auf¬
sichtsinstanz melden.
DaB dritte, schwerwiegende Bedenken sehe ich bei unge¬
nügender Bemessung der Pauschale darin, daß die beamteten
Tierärzte aus rein menschlichen Erwägungen und trotz aller
amtlichen Verfügungen bestrebt sein werden, von ihrem Reise-
aversum nach Möglichkeit Ersparnisse zu machen. Professor
Malkmus trifft deshalb den Nagel auf den Kopf mit seinen
Worten: „Während jetzt der Finanzminister über die hohen
Reisekosten der Kreistierärzte stöhnt, kann es unter der Wirkung
eines ungenügenden Aufwandes für Dienstreisen der Veterinär¬
beamten leicht kommen, daß der Landwirtschaftsminister Rück¬
schritte in der Bekämpfung der Tierseuchen konstatieren muß.“
Unser Mitglied, Krüger-Posen, erörtert nun in der B. T. W.
unter bestimmten Voraussetzungen die Einführung eines Pauschale
für die Reisekosten allein. Die Tagegelder und „die Seuchen,
die eine möglichst häufige Anwesenheit des Kreistierarztes am
Seuchenorte erfordern, sollen von der Pauschalierung aus¬
geschlossen bleiben.“ Ferner wünscht er neben dem Gehalt die
Gewährung von Wohnungsgeldzuschuß und Erziehungsbeihilfen.
Der Grund der bisherigen Versagung von Wohnungsgeldzuschuß
an uns ist darin zu finden, daß nach den Prinzipien unseres
Etatsrechtes ein solcher Zuschuß nur an vollbesoldete Beamte
gegeben wird. Es kann also glattweg als ausgeschlossen an¬
gesehen werden, daß man das m. W. bis jetzt aufrecht erhaltene
Prinzip zu unseren Gunsten durchbricht. Sollten die Bezüge
jedoch durch eine Gehaltserhöhung gebessert werden, meint
Krüger, so müßten mindestens die Sätze von 1800 bis
3600 M. neben einer ausreichenden Dienstunkostenentschädigung
gewährt werden. Als Bekrönung seiner Wünsche hofft er,
daß sich der Staat alsdann leichter zur Verleihung der fünften
Rangklasse mit dem Tagegeldersatz von 12 bzw. 15 M. herbei¬
lassen würde.
Nun, meine Herren, wenn die hohe Staatsregierung uns
derart intensiv von der Sonne ihres Wohlwollens bescheinen
läßt, dann bin ich auch für eine Pauschalierung, und nur un¬
verbesserliche Nörgler oder Kollegen in ganz großen Stellen
werden sich geschädigt fühlen. Auch die sonstigen von Krüger
geltend gemachten Vorteile (Unabhängigkeit, sichere Einnahme,
Wegfall des Rechnungswesens) dürften problematischer Natur
sein, z. B. bleibt sicher „die mit den Reisekosten-Liquidationen
für Kreistierärzte verknüpfte Arbeit“ im wesentlichen bestehen,
da die Vorgesetzten Behörden aus den weiter einzureichenden
Nach Weisungen, gleichviel ob man dieselben Liquidationen,
Tagebücher oder anders nennt, nach Kilometer, Mark und
Pfennigen berechnet, werden ersehen wollen, was der Kreistierarzt
für das gewährte Pauschale denn nun wirklich geleistet hat.
Wenn ich die Zeichen der Zeit richtig deute — nach
Zeitungsmitteilungen sollen, abgesehen von den Finanznöten des
Reiches, allein im Personenverkehr der Staatsbahnen im
laufenden Rechnungsjahr 40 Millionen Mark weniger eingekommen
sein, wie erwartet worden ist, — so wird der Herr Finanz¬
minister, sofern unsere Pauschalierung überhaupt in Frage
kommt, dieselbe nur bei einer sich für den Staat ergebenden
Ersparnis oder allerhöchstens bei einer jahrelangen Festlegung
des jetzigen Ausgabesolls für amtstierärztliche Reisen unter¬
nehmen. Das erstere muß unser vorgesetztes Ministerium aus
sachlichen und persönlichen Rücksichten ablehnen und auch das
andere (die mehrjährige Festlegung des heutigen Bedarfes) be¬
deutete im Hinblick auf die bevorstehende Novelle zum Tier¬
seuchengesetz und die hierdurch bedingte, wesentlich höhere
Beanspruchung der kreistierärztlichen Leistungsfähigkeit eine
unbillige Härte, sofern keine ausreichenden Kompensationen
gewährt werden. Wird unsere Pauschalierung in Angriff ge¬
nommen, dann könnte bei ihrer Bemessung nach dem derzeitigen
Bedarf nur durch eine Erhöhung des Gehaltes und die Fort¬
gewährung der Tagegelder der notwendige Ausgleich für die
unausbleibliche Mehrarbeit geschaffen werden.
Nachdem wir bei der letzten allgemeinen Gehaltserhöhung
der Beamten nicht mitgenommen worden sind, wäre es doppelt
bitter, wenn man uns jetzt mit dem Hinweis auf die Reform von
1905 abermals leer ausgehen ließe. Also nicht nur im Hinblick
27. Februar 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
171
auf die eventuell bevorstehende Pauschalierung, sondern auch
genau mit derselben Begründung wie die übrigen Beamten, dürfen
wir eine Erhöhung des Gehaltes erbitten. Immerhin werden
sich unsere Ansprüche auf ein Grundgehalt von 1800—3000 M.
beschränken müssen. Zum Ausgleich ungünstiger örtlicher Ver¬
hältnisse und besonders starker, außergewöhnlicher Anforderungen
an das Pauschale dient ein Stellenzulage- und Ausgleichsfonds
von mindestens derselben Höhe wie der jetzige Zulagefonds.
Ist es zu erreichen, so muß die Einführung von Dienstnlters-
stufen als ein erheblicher Vorteil bezeichnet werden: icli rate
aber, das »Schifflein unserer Wünsche nicht mit zu viel Spezial¬
gepäck zu befrachten, es möchte sonst in der Gegend des
Kastanienwäldchens in Berlin kentern.
Aus demselben Grunde rate ich ab, die unverkürzten Tage¬
gelder der 5. Rangklasse zu erstreben. So nötig wie zur Er¬
reichung der erforderlichen Selbständigkeit im Falle einer
Pauschalierung die Einreihung unter die höheren Beamten ist,
so sicher sehe ich die Ablehnung dieses Postulates voraus, wenn
wir zugleich die zugehörigen Tagegelder verlangen. Das mag
bitter sein, aber nachdem wir nun einmal die ermäßigten Tage¬
gelder erhalten haben, können sie notgedrungen ebenso gut als
ermäßigte Diäten für höhere Beamte passieren. An sich würde
das unserem Ansehen nicht abträglich sein. Man kann ja doch
darauf hinweisen, daß die meisten Dienstreisen nicht einen
vollen Tag in Anspruch nehmen. Der einwandfreie Grad als
höherer Beamter — nicht bloß der gleichsam als testimonium
senectutis verliehene Charakter — ist für den Stand der
Veterinärbeamten mehr wert, wie die um etliche Mark höheren
Tagegelder.
Andererseits trete ich mit vollstem Nachdruck für die Bei¬
behaltung der Tagegelder bei einer ev. Pauschalierung ein, weil
sie ein wertvolles Korrelativ gegen unnötige Zuziehungen ä Konto
des Pauschale bilden und weil sie zum anderen verhindern, daß
die Kreistierärzte, um Ersparnisse an ihrem Pauschale zu er¬
zielen, in zweckwidriger Weise Dienstgeschäfte für eine Rund¬
reise sich aufsammeln lassen. Auf diese Art bleiben alle
Faktoren an einer zweckdienlichen Handhabung der Veterinär¬
polizei interessiert.
Es versteht sich von selbst, daß im Falle der Einführung
eines Reisskostenpauschale von Zeit zu Zeit, d. h. alle drei
oder fünf Jahre, eine Neufestsetzung, entsprechend dem Umfang
der Geschäfte in der verflossenen Periode, stattzufinden hätte;
es könnte also auch eine Herabminderung eintreten.
Man wird aber gerechterweise bei der erstmaligen Be¬
rechnung nur einen gleich langen Zeitraum (die drei oder fünf
letzten Jahre) berücksichtigen können, so angenehm auch für
viele Stellen die Einbeziehung der hohen Reisekosten aus der
Zeit der Maul- und Klauenseuche im Anfang dieses Jahrhunderts
sich geltend machen würde. Dienstreisen über die Kreisgrenze,
z. B. bei Vertretungen, fallen nicht dem Pauschale zur Last.
Der Vertreter erhält den auf die Vertretungszeit entfallenden
Anteil des betr. Pauschale und aus der Staatskasse nach
billigem Ermessen eine Entschädigung für die mehr zurück¬
gelegte Entfernung. Der Staat pflegt ja bei Vertretungen häufig
an Tagegeldern zu sparen, da der Vertreter solche nur einmal
angerechnet bekommt, während nicht selten am selben Tage in
beiden Kreisen Amtshandlungen zu vollziehen sind.
Der Bezirkstierarzt Dr. E11 inger-Neustadt teilte mir am
26. d. M. liebenswürdigerweise mit, wie in Sachsen-Weimar
die Pauschalierung der beamteten Tierärzte festgelegt worden
ist. Die Großherzoglichen Bezirkstierärzte dortselbst beziehen
ein Gehalt von 1500 bis 2800 Mark und 1200 Mark Bausch¬
vergütung für Reisekosten. „Daneben werden sogenannte
Pferdefutter — 3 ä 0,75 Mark pro die — gewährt, insgesamt
also 1200 -f 450 = 1650 Mark.“ Schließlich erhalten diese
Kollegen noch 6 Mark Tagegelder.
Es ist mir nicht bekannt, wie groß die Amtsbezirke in
Sachsen-Weimar sind und welchen Umfang die Diensttätigkeit
der dortigen Bezirkstierärzte hat. Das kann ich aber jedenfalls
aussprechen, daß eine durchschnittliche Bauschsumme von
1650 M. für die meisten Kreise in den östlichen Provinzen
Preußens zur Abgeltung der veterinärpolizeilichen Reisekosten
der Kreistierärzte nicht ausreichen dürfte. Darüber ist man
jedoch an den maßgebenden Stellen durch unsere Forderungs¬
nachweise genauer unterrichtet, wie es der einzelne Beamte
sein kann. Im übrigen kommen selbst innerhalb der einzelnen
Regierungsbezirke so erhebliche Unterschiede im Geschäfts¬
umfange bei den Kreistierärzten vor, daß für preußische Ver¬
hältnisse eine einheitliche Festsetzung der Bauschvergütung der
Reisekosten völlig ausgeschlossen erscheint. Die gesonderte
Berechnung des Pauschales für jeden Kreis ist nicht zu um¬
gehen, wenn nicht unerträgliche Härten für eine große Anzahl
Stellen resultieren sollen.
Die Berechtigung zur Ausübung der Praxis bleibt be¬
stehen, so lange wir nicht voll besoldet sind.
Die Formulierung weitergehender Wünsche, als da sind:
höheres Gehalt (3600 oder 4200 M.), Erhöhung des Amtsunkosten-
aversums, Wohnungsgeldzuschuß, Erziehungsbeihilfen, Bestellung
eines amtlichen Assistenten glaube ich Ihnen nicht empfehlen
zu können. Andererseits sind meine Vorschläge so bemessen,
daß sie nach meiner Ansicht keine Abstriche vertragen können,
wenn billige Anforderungen erfüllt, stabile Verhältnisse geschaffen
und echte Dienstfreudigkeit erhalten werden sollen.
Nach meinen vorstehenden Ausführungen kann es nicht
zweifelhaft sein, welche Resolution ich Ihrer Beschlußfassung
unterbreiten werde:
Der Vorstand wird beauftragt, den Herrn Ressortminister
zu bitten
principaliter,* daß Seine Exzellenz ihren Einfluß, sowohl im
Interesse der Veterinärpolizei wie der beamteten Tierärzte,
für die Ablehnung des Pauschales geltend machen möge,
eventualiter, daß
1. die Tagegelder von einer beabsichtigten Pauschalierung
ausgeschlossen bleiben,
2. unser Gehalt auf 1800— 3000 M. erhöht und
3. unter Verleihung der 5. Rangklasse (ohne deren Kom¬
petenzen) eine entsprechende Änderung im Requisitions¬
wesen verfügt werden möge.
Der Verein beamteter Tierärzte würde es als eine hohe
Auszeichnung zu schätzen wissen, wenn der Herr Ressort¬
minister zu gegebener Zeit eine von ihm zu ernennende Kom¬
mission von Veterinärbeamten über die vorliegende Materie gut¬
achtlich zu hören geruhte.
Das vorzügliche Referat wurde mit lautem Beifall belohnt.
Die ausführliche und sachgemäße Behandlung der Frage ver¬
schmerzte das Nichterscheinen des Korreferenten, Herrn Jacobi-
Pleschen, der in letzter Stunde durch wichtige heimatliche
Bürgerpflichten zurückgehalten wurde.
172
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9.
In der Debatte wies Herr Geheimrat Schroeter darauf hin,
daß eine Änderung im Requisitionswesen, das auf einem
ReichBgesetz beruhe, eine Änderung dieses Gesetzes notwendig
machen würde und betonte ferner, daß nach einem erst drei¬
jährigen Bestehen der Reform auf eine prinzipielle Änderung
des Gesetzes betr. die Dienstbezüge der Kreistierärzte nicht zu
rechnen sei. Sollte bei den Kreistierärzten die Pauschalierung
früher oder später einmal kommen, was bei der bereits be¬
antragten Pauschalierung der Kreisärzte nicht im Bereich der
Unmöglichkeit liege, dann dürfe das erwähnte Sparsystem nicht
die treibende Kraft sein. Es sollen nur die Schwankungen der
Ausgaben vermieden werden, und auch er sei der Ansicht, daß
ein Ausgleichfonds zur Vermeidung von Härten notwendig sei.
Bei diesem Standpunkt der Regierung brauche man eine
Pauschalierung nicht zu fürchten. Herr Wer mb t er-Orteisburg
warnte vor einer festen Formierung der Gehaltssätze. Man
wisse ja gar nicht, ob das Ministerium nicht noch höhere
Sätze zu bewilligen beabsichtige, als man erbitten wolle. Unter
Berücksichtigung der gemachten Einwände wurde dann folgende
Resolution gegen eine Stimme, die sich für ein Pauschale
aussprach, beschlossen:
Der Vorstand wird beauftragt, den Herrn Minister zu bitten,
prinzipaliter, daß Seine Exzellenz Ihren Einfluß,
sowohl im Interesse der Veterinärpolizei wie
der beamteten Tierärzte für die Ablehnung des
Pauschale geltend machen möge
eventualiter, daß
1. die Tagegelder von einer beabsichtigten Pauscha¬
lierung ausgeschlossen bleiben,
2. unser Gehalt entsprechend erhöht werden möge.
Die von dem Referenten im ersten Teil seines Vortrages
als unzulänglich gekennzeichnete Entschädigung für die
Reisen in Ausübung der Ergänzungsbeschau wurde
einer Besprechung und Beschlußfassung nicht unterworfen. Denn
es sei bekannt, daß die Regierung in dieser Hinsicht über die
Wünsche der Tierärzte wohl informiert und auch bereits in
Untersuchungen eingetreten sei, auf welche Weise eine Ver¬
besserung des unbefriedigenden Zustandes herbeizuführen sei.
Auf Vorschlag des Vorsitzenden wurde nur dem Wunsche
Ausdruck verliehen, daß diese Angelegenheit bald im günstigen
Sinne erledigt werden möchte.
Nach vierstündiger Verhandlung folgte nun eine Erholungs¬
pause. Während dieser empfahl sich der Herr Geheimrat
Schroeter, dessen An sich knapp bemessene Zeit leider ander¬
weitig in Anspruch genommen wurde. (Fortsetzung folgt.)
Berufungen an die Berliner Tierärztliche Hochschule.
Der Lehrstuhl Munks ist nunmehr besetzt worden. Als
Ordinarius der Physiologie ist der bisherige Privatdozent an
der Universität zu Berlin, Professor Dr. Abderhalden, ein
Schweizer von Geburt, berufen worden und hat die Berufung
angenommen. Abderhalden vertritt speziell die chemische
Physiologie, hat sich durch seine Arbeiten bereits ungeteilte
Anerkennung und den Ruf eines der bedeutendsten jungen
Physiologen erworben und ist Verfasser eines allgemein ge¬
schätzten Lehrbuches. Schon im Beginn der Beratungen über
die Besetzung der vakanten Professur war sein Name neben
den Durigs gestellt worden.
In Tageszeitungen soll ferner die Nachricht auf getaucht
sein, daß Professor Löffler-Greifswald zum Professor der
Hygiene an der Tierärztlichen Hochschule ernannt sei. Diese
Nachricht ist nicht zutreffend.
Militärveterinärakademie.
Die Studentenschaft der Königlichen Militärveterinär¬
akademie feierte am 20. Februar zum ersten Male einen eigenen
Kommers. Die drei an derselben jetzt offiziell aufgetanen Ver¬
bindungen, welche einen C. C. gebildet haben, und die nicht-
inkorporierten Studierenden hatten sich dazu vereinigt. Diese
Entwicklung auch des studentischen Lebens an der Militär¬
akademie ist sehr erfreulich. Gewiß werden die Studierenden
durch besonnene Beobachtung der unerläßlichen Rücksicht auf
den militärischen Charakter der Akademie für die ungestörte
Weiterentwicklung selbst am besten sorgen. S.
Naturforschende Gesellschaft zu Görlitz, Veterinär-medizinische Sektion.
II. Wintersitzung, Sonntag, 8. März 1908, nachm. 37a Uhr
im Sitzungssaal der Gesellschaft, Am Museum l 1 *
Tagesordnung:
1. Eingänge.
2. Vortrag des Königlichen Medizinalrats Herrn Professor
Dr. Roeder von der Tierärztlichen Hochschule Dresden:
„Über die Fortschritte der Technik der Kastration der Pferde.“
3. Preisarbeit für das 100jährige Jubiläum der Gesellschaft
und Verschiedenes.
(Ȋste willkommen. Um zahlreiches Erscheinen ersucht
Der Sektions-Vorstand
Borchardt-Görlitz Steffani-Bautzen
Veterinärrat, Kgl. Kreistierarzt Kgl. Bezirkstierarzt.
Bemerkung: Herr Medizinalrat Professor Dr. Roeder trifft
voraussichtlich 12 14 in Görlitz ein und findet für die auswärtigen
Herren gemeinschaftliches Mittagessen um 1 Uhr im Hotel-Strauß,
Marienplatz, statt. Teilnehmer wollen sich beim Schriftführer melden.
Von 2—3 7a Uhr: Besichtigung des Museums unter persönlicher
Leitung des Museumsdirektors Herrn Dr. v. Rabenau.
Personalien.
Ernennungen: Tierzuchtinspektor-Assistent Haderer -Weiden zum
Tierzuchtinspektor bei den Zuchtverbänden für Kelheimer Vieh und
für Fleckvieh der Oberpfalz mit dem Wohnsitz in Regensburg.
Tierarzt Herrmann Hellmuth- Neukirchen bei Heiligenblut zum
Distriktstierarzt daselbst. Dem Distriktstierarzt Karl Reimann-
Berchtesgaden ist die Schlachthaustierarztstelle daselbst übertragen
worden.
Verzogen: Tierarzt FYanx Xaver Schühlein -Mammendorf nach
Starnberg (Oberbay.).
Promoviert: Die Herren August Iximbardt aus Unna-Königsborn,
Heinrich Levedag in Löningen (Oldenb.) zum Dr. med. vet. in Gießen.
ln der Armee: Bayern: Im Beurlaubtenstande: Abgang:
Dem Oberveterinär Lehner der Landw. 1. Aufgebots (Regensburg)
der Abschied bewilligt.
Todesfall: Kreistierarzt a. D. Herrmann Klein in Berlin.
Vakanzen. (Vgi. Nr. 6.)
Staatstierarztetelle: Hamburg: Gehalt 9000 M., steigend bis
11 000 M. Bewerbungen höher gestellter Tierärzte mit wissenschaft¬
lichem Ruf bis zum 10. März an die Polizeibehörde.
Schlachthofstellen : Duisburg-Meiderich: 1. Tierarzt als
Assistent des Direktors. Gehalt 3000 M. Bewerb, bis 10. März an
die Verwaltungsstelle Duisburg-Meiderich. — Erfurt: Schlachthof¬
tierarzt zum 1. Mai. Gehalt 3400 M., steigend bis 4900 M. Bewerb,
bis 12. März an den Magistrat. — Essen: Obertierarzt zum 1. April.
Gehalt 3500 M., steigend bis 5750 M. Bewerb, bis 10. März an den
Oberbürgermeister.
Besetzt: Die Assistentenstelle am Veterinärinstitut der Uni¬
versität Leipzig.
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Kreistierarzt
Dresden.
Dresden.
Freiburg i. Br.
Dresden.
München.
Mülhansen i. E.
Jahrgang 1908. J\s. 10 . Ausgegeben am 5. März.
Inhalt: Kühn: Betrachtungen über die sogenannte Bornasche Krankheit. — Bugge und Albien: Vorläufige Mitteilung
über die „Enteritis chronica bovis pseudotuberculosa“. — Graffunder: pie Schutzimpfungen gegen die
Hämoglobinurie der Rinder pro 1907 im Kreise Landsberg a. W. — Mayr: Kehlkopftuberkulose des Rindes.—
Leeb: Milzbrand beim Schwein. — Storch: Strabismus deorsum vergens bei der Kuh. — Jewasinski: Hengst oder
Stute. — Referate: Geflügelzucht und Geflügelkrankheiten: Freese: Über seuchenhafte Erkrankungen mit septi-
kämischem Charakter bei Kanarienvögeln. — Jungklaus: Pathologisch-anatomische Untersuchungen bei akuter und chronischer
Geflügelcholera. — Höyberg: Untersuchungen über die Immunität der Vögel gegen die Muskeltrichinose. — Klee: Eine
merkwürdige Neubildung am Kopfe einer Taube. — Kellermann: Polyneuritis der Hühner — Über die Konstruktionen von
Brutmaschinen. — Wctt-Eierlegen deutscher Hühner. — Tagesgeschichte: Schmaltz: Die Lage der praktischen Tierärzte und
ihre Beteiligung bei der Veterinärpolizei — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen: Tagung des Kgl. preuß. Landee-Ökonomie-
Kollegiums. — Zum Tollwutgesetz. — Verschiedenes. — Nahrungtmittöikunde, Fleischbeschau und Viehhandel: Verschiedenes. —
Personalien. — Vakanzen.
Betrachtungen Uber die sogenannte Bornasche
Krankheit.
Von Veterinärrat KQhn-Zeitz.
Das vergangene Jahr hat leider wieder vielfach Gelegenheit
geboten, Erfahrungen über die Bornasche Krankheit zu sammeln.
Die empfindlichen Verluste, die sie der Landwirtschaft zufügt,
hat es von neuem schmerzlich in Erinnerung gebracht, daß bis
jetzt nicht nur kein Heilmittel gefunden ist, sondern daß auch
alle prophylaktischen Maßregeln sich als unwirksam heraus-
gesteHt haben. Da diese prophylaktischen Maßregeln auf den
Ergebnissen der Angestellten wissenschaftlichen Untersuchungen
basieren, so drängt sich einem immer wieder die Frage auf, ob
man denn auch mit jenen Forschungen auf dem richtigen Wege
gewesen sei. Ich will, als einfacher Praktiker, die ans der
wissenschaftlichen Forschung gezogenen Schlüsse nicht in Zweifel
ziehen; es mag mir aber. erlaubt sein, die auf Grund meiner
Beobachtungen am lebenden Tiere gesammelten Erfahrungen
hier kurz zn berichten. Es wird sich dabei allerdings zeigen,
daß die ans diesen Beobachtungen sich ergebenden Schlüsse mit
den aus der wissenschaftlichen Forschung gezogenen oft nicht
in Einklang zu bringen sind. Vielleicht wird dadurch ein An¬
stoß gegeben, die Erforschung der Bornaschen Krankheit, die
auf einem toten Punkt angekommen zu sein scheint, von neuem
in Fluß zu bringen. Vor allem möchte ich die praktizierenden
Herren Kollegen bitten, meine Beobachtungen vorurteilsfrei
nachzuprüfen und somit auch an ihrem Teile zur Lösung dieser
so überaus wichtigen Frage beizutragen.
Die Bornasche Krankheit befällt, wie wir wissen, Pferde
jeden Alters, jeder Rasse, jeden Geschlechts. Sie kommt in dem
von ihr eroberten Gebiete auf den Höhen, wie in den Tälern,
auf leichtem, wie auf schwerem Boden, auf durchlässigem und
auf undurchlässigem Untergrund vor. Aber zwei Eigentümlich¬
keiten hat sie:
1. Sie sucht ihre Opfer fast ausschließlich unter den in der
Landwirtschaft beschäftigten Pferden, während sie die in der
Industrie beschäftigten nur ausnahmsweise und meist nur dann
befällt, wenn sie gelegentlich auch in der Landwirtschaft be¬
schäftigt werden. Die Industriepferde werden auch dann nur
ausnahmsweise befallen, wenn sie in ländlichen Ortschaften unter¬
gebracht sind und die Pferde der Landwirtschaft erkranken auch
dann, wenn sie in Städten wohnen. Es ist dabei gleichgültig,
ob die Pferde mit Teich-, Fluß-, Grund- oder Quellwasser
getränkt werden. Auch Pferde, die ausschließlich Leitangs¬
wasser bekommen, sind dadurch nicht vor der Erkrankung
geschützt, wenn sie eben in der Landwirtschaft beschäftigt
werden.
Beide Pferdesorten unterscheiden sich hauptsächlich durch
die Art ihrer Beschäftigung, zum geringeren Teile auch durch
die Art der ihnen gereichten Nahrung. Während das Industrie¬
pferd auf harten, meist gepflasterten Straßen Lasten dahin¬
schleppt und als Nahrung nur trockenes Futter — Hafer und
Heu — erhält, wühlt das Ackerpferd mit dem Pflug den Boden
auf und erhält außer Hafer und Heu auch Grünfutter und ge¬
legentlich auch Rüben, hie und da jiueli Kartoffeln. Das Acker¬
pferd kommt also mit dem frisch aufgewühlten Boden in Be¬
rührung, es nimmt auch Nahrung auf, die frisch vom Felde
kommt und der fast immer Bestandteile der Ackerkrumme an¬
haften, während das Industriepferd nur selten auf schmutzigen
Feldwegen direckt mit dem losem Boden in Berührung kommt
und zur Aufnahme von Grünfutter fast nie Gelegenheit hat.
Da beide Sorten von Pferden mit demselben Wasser getränkt
werden, so drängt sich ans dieser Beobachtung zwingend die
Annahme auf, daß die krankmachende Schädlichkeit im Acker
liegen muß und entweder hei der Feldarbeit oder mit dem frisch-
gewbrbenen Grünfutter nsw. in die Tiere gelangt. Unterstützt
wird diese Folgerung dnrch die Tatsache, daß die meisten Er¬
krankungen in der Zeit eintreten, in der die Bestellung der
174
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
Felder stattfindet und Grünfutter verabreicht wird, also im
zweiten und dritten Vierteljahr. Ob die Infektion nur auf dem
Verdauungswege oder auch von der unverletzten Haut der Füße
aus oder endlich durch gelegentliche kleine Wunden an den
Füßen geschieht, mag zunächst dahingestellt bleiben.
Eine weitere Stütze findet die Annahme, daß der Schädling
sich im Boden befindet, in der Art der Ausbreitung der Krank¬
heit. Diese ist, von dem Orte des ersten Auftretens der Krankheit
aus, kreisförmig erfolgt — ^hne Rücksicht auf die Boden¬
gestaltung und verhältnismäßig langsam. Man muß annehmen,
daß die Krankheit, wenn der von der Wissenschaft im Wasser
nachgewiesene Diplococcus die Ursache sein soll, sich ziemlich
schnell und vor allem den Flußläufen folgend ausgebreitet haben
würde. Bei der Vermehrungsfähigkeit der Mikroorganismen
hätte man erwarten müssen, daß das ganze Stromgebiet der
Elbe schon längst total verseucht wäre; denn es kann nicht
bestritten werden, daß auch die aus den Brunnen stammenden
Keime durch die Abwässer wieder tn die Flußläufe gelangen.
Die zweite Eigentümlichkeit der Bornaschen Krankheit
besteht in der Verschiedenartigkeit ihrer Erscheinungen. Sie
bildet kein einheitliches, typisches Bild, sondern kommt in so
verschiedenen Formen vor, daß sie zuweilen selbst vom er¬
fahrenen Tierarzt nicht sofort mit Sicherheit erkannt werden
kann. Wichtig ist ferner folgende Feststellung: die Krankheit
verläuft bis zum Eintritt der den Tod bedingenden Komplikationen
fast fieberlos, d. h. es ist weder eine nennenswerte Erhöhung
der Innentemperatur, noch eine solche der Puls- und Atem¬
frequenz vorhanden. — Die von mir beobachteten Krankheits¬
formen zeigten folgende Erscheinungen:
1. Halbseitige Lähmung mit Manegebewegungen. Die
Patienten können das Futter nur von der gesunden Seite —
meist der linken — aufnehmen, kauen und abschlucken. Bei
der Wasseraufnahme wird der Kopf bis über die Maul Winkel in
den Eimer gesteckt.
2. An den Lippen beginnende und sich schnell in der
Richtung nach oben ausbreitende Lähmung der Backen, der
Zunge und des Schlundkopfes beider Kopfhälften. Die Pferde
können bald nach dem Einsetzen der Krankheit das Futter mit
den Lippen nicht mehr erfassen, dagegen wird das auf den
Zungengrund geschobene Futter noch gekauet und abgeschluckt.
Wasseraufnahme gelingt im Beginne noch mit tief in den Eimer
gestecktem Kopf, später nicht mehr. Die Patienten schleudern
dann mit dem Kopf im Wasser hin und her, können aber wegen
der Zungenlähmung Wasser nicht mehr einsaugen.
3. Allgemeiner Reizzustand. Sonst fromme Pferde beißen
und schlagen heftig, sie gehen gegen jedermann angreifend vor
und suchen Personen, die''in den Stand treten, an die Wand
zu drücken. Weiterhin tritt allgemeine Abgeschlagenheit und
Schlummersucht ein.
4. Die Patienten erscheinen kaum nennenswert traurig, sie
fressen und saufen ohne Beschwerde, sind jedoch keinen Schritt
vorwärts zu bringen, dagegen gehen sie sowohl freiwillig, wie
auf Anregung sehr gut rückwärts. Angelegt zerreißen die
Patienten durch das leidenschaftliche Zurücktreten jede Halfter.
5. Epileptiforme Anfälle. Die Pferde stehen meist
schlummernd da, wachen zeitweise auf und nehmen Futter und
Getränk in normaler Weise auf. Ergreift man sie aber — tiuch
wenn sie munter sind und mit Vorsicht — am Halfter und
versucht sie fortzuführen, so stürzen sie in eigentümlicher
Weise nieder. Es bleiben dabei alle vier Füße fest am Boden
stehen und das Pferd sinkt nach hinten zusammen, so daß das
Brustbein den Boden berührt, während das Hinterteil noch fast
aufrecht steht. Nach ca. einer Minute erhebt es sich aus dieser
Stellung und kann nun fortgeführt werden, ohne daß sich der
Anfall wiederholt. Nach kurzem Stehen an der Krippe kann
das Experiment mit demselben Erfolg wiederholt werden.
Übergänge einer Krankheitsform in eine andere oder gleich¬
zeitiges Auftreten zweier Formen an demselben Patienten habe
ich nicht beobachtet.
Aus diesem verschiedenen Verhalten der Patienten ziehe ich
den Schluß, daß bei der Bornaschen Krankheit in allen Fällen
das Gehirn erkrankt ist, daß aber in keinem Falle das ganze
Gehirn leidet, sondern daß es sich in jedem einzelnen Falle nur
um einen ganz bestimmten und zwar sehr kleinen Gehirnabschnitt
handelt. Von der Erkrankung können alle Teile des Gehirns
betroffen werden, es gibt jedoch Gehirnabschnitte, die häufiger
betroffen werden, als andere. — Aus dem Verlauf der Krankheit
schließe ich weiter, daß der erkrankte Gehirnabschnitt regel¬
mäßig zugrunde geht. Es tritt deshalb ein Versagen aller
derjenigen Funktionen ein, die von dem erkrankten Hirnteil
abhängig sind. Die Störung ist auch irreparabel, da an die
Stelle des ausgefallenen Gehirnabschnittes nur funktionsunfähiges
Narbengewebe treten kann. Die Patienten, diedie Krankheit
überstehen, bleiben deshalb meist blind, dumm oder taumelnd im
Gang; nur in den Fällen, wo vielleicht der Geruchs- oder
Gehörssinn gestört bleibt, treten diese Erscheinungen nicht so
auffallend schwer hervor.
Es fällt einem schwer, diesen eigenartigen Krankheits-
verlauf als die Wirkung eines Mikroorganismus aufzufassen.
Sind pathogene Keime in den Organismus gelangt, so fangen
sie zunächst an, sich massenhaft zu vermehren und dann ihre
verschieden geartete verderbliche Tätigkeit auszuüben. Diese
Tätigkeit erstreckt sich immer auf größere Abschnitte des für
die Wirksamkeit des eingedrungenen Schädlings in Frage
kommenden Körperteils und der Organismus reagiert dagegen
regelmäßig durch bedeutende Steigerung der Innentemperatur
und der Herztätigkeit. Von alledem sieht man bei der Bornaschen
Krankheit nichts. Wohl beginnt die Krankheit meist unter
den Erscheinungen eines Magenkatarrhs; die hierbei beobachteten
Temperatursteigerungen gehen jedoch nur wenige Dezigrade über
das Normale hinaus. Sprechen die Krankheitserscheinungen aber
gegen einen Mikroorganismus, dann kann nur ein höher organisierter
Schädling in Frage kommen. Es hat in der Tat unter Berücksich¬
tigung des oben angeführten, vielVerführerisches, anzunehmen, daß
ein Insekt seine Eier in die Ackerkrume oder auf die Futterpflanzen
absetzt und daß eins oder mehrere von dort in den Magen der
Pferde gelangen, oder daß die in der Erde aus den Eiern aus¬
geschlüpften Larven sich von der unverletzten Haut der Beine
aus oder auch durch kleine Wunden in den Körper Eingang
verschaffen, daß sie nach Art gewisser Bandwurmlarven eine
Reise zum Gehirn antreten und hier durch mechanische Reizung
einen kleinen Entzündungsherd und seine Folgen veranlassen.
Es ließe sich so auch die Tatsache erklären, daß alle Medikamente
fruchtlos waren, daß ein wirksames Serum gegen die Krankheit
nicht hergestellt werden konnte, daß es bis jetzt nicht gelungen
ist, mit Hilfe des Diplococcus wirkliche Bornasche Krankheit zu
erzeugen und endlich auch die Tatsache, daß die Krankheit
unmittelbar von einem Tier auf ein anderes nicht übertragen
5. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
175
wird. Der Umstand, daß die Krankheit nur in seltenen Fällen
in einem Gehöft mehrere Pferde befällt — im Jahre 1907
wurden im Reg.-Bez. Merseburg in 402 Gehöften 430 Pferde
betroffen — ja oft nur im ganzen Orte ein Pferd nimmt, be¬
günstigt ebenfalls die Annahme, daß es sich um einen höher
organisierten Schädling handelt, der nur in verhältnismäßig
wenigen Exemplaren vorhanden ist und der nur unter besonders
günstigen Verhältnissen seinen Weg in das Tier findet.
Nach obigen Ausführungen würde man zur Verhütung der
Krankheit in den bedrohten Bezirken den Pferden weder Grün-
futter noch Rüben oder Kartoffeln im rohen Zustande verabreichen
dürfen und müßte ihnen während der Zeit, wo sie Feldarbeit
verrichten, jeden Abend die Füße mit lOproz. Kreolinseife unter
Anwendung einer Bürste abwaschen. Der Weidegang der Pferde
müßte eingestellt und das Fressen von Grünfutter während des
Futterholens streng verhindert werden. Die Gehirne der an der
Boraaschen Krankheit gefallenen oder deswegen getöteten Pferde
müßten unschädlich beseitigt werden.
Sache der wissenschaftlichen Forschung würde es sein, die
Gehirne inkl. Gehirnanliang solcher Pferde genau auf kleine
Krankheitsherde zu untersuchen und dabei auf den etwaigen
dort vermuteten Schädling zu fahnden. Erleichtert würde diese
Aufgabe werden, wenn jedem eingesandten Gehirn eine Be¬
schreibung der im Leben beobachteten Störungen, insbesondere
der beobachteten Lähmungserscheinungen beigegeben würde.
(Aus dem bakteriologischen Institut für Tierseuchen in Kiel.)
Vorläufige Mitteilung über die „Enteritis chronica
bovis pseudotuberculosa“.
Von Dr. Bugge und W. Albien.
Johne und Frothingham, Lienaux, Bongert und
andere, vor allem aber Bang, haben eine chronische Darm¬
krankheit der Rinder beschrieben, für die von Bang der
Name „Enteritis chronica bovis pseudotuberculosa“ vorgeschlagen
ist. Die von dieser Krankheit betroffenen Rinder leiden an
chronischen, unstillbaren Durchfällen, die zur Kachexie und
schließlich zum Tode führen. In den Mesenterialdrüsen und
dem Darmschleim findet man ungewöhnlich zahlreiche, säure¬
feste (Bazillen; sie sind den Tuberkelbazillen ähnlich, aber kürzer
und zu charaktieristischen Nestern gelagert.
Ais Johne und Frothingham den ersten Fall beobachteten,
hielten sie die Krankheit für Tuberkulose. Diese Diagnose
wurde damals von Robert Koch noch bestätigt. Bang glaubte
genug Gründe für die Annahme zu haben, daß es sich hier
nicht um Tuberkulose, sondern um eine bisher unbekannte,
eigentümliche Krankheit handle, besonders weil die von ihm
und anderen Autoren mit bazillenhaltigem Material vorgenommeneti
Impfungen an Meerschweinchen zum größeren Teil erfolglos
blieben. Ein kleinerer Teil der geimpften Meerschweinchen
wurde allerdings tuberkulös, was in Anbetracht der großen
Verbreitung der Rindertuberkulose noch nicht beweist, daß die
oben beschriebene Krankheit eine Tuberkuloseform ist.
Daß sich die Autoren über die Natur dieser interessanten
Krankheit nicht einig sind, liegt hauptsächlich daran, daß es
bisher nicht gelungen ist, diese Pseudotuberkelbazillen zu
züchten und deshalb ihr kulturelles Verhalten mit dem echter
Tnberkelbazillen« nicht verglichen werden kann. Auch Bang
sagt in der B. T. W. 1906 Nr. 42, daß er sich bisher vergeblich
bemüht habe, „obwohl er äußerst zahlreiche Versuche an sehr
zahlreichen Medien hat anstellen lassen“.
Nach langen Bemühungen ist es uns nunmehr gelungen,
Reinkulturen aus den Mesenterialdrüsen von Rindern zu züchten,
die von der oben beschriebenen Krankheit betroffen waren. Auch
im Ausstrich aus der Kultur sind diese Pseudotuberkelbazillen
zu charakteristischen Nestern gelagert. Alle bisherigen Be¬
obachtungen über das kulturelle Verhalten sprechen dagegen,
daß es sich um Tuberkulose handelt. Die vor 32 Tagen mit
Kultur geimpften Meerschweinchen zeigen bisher kein Anzeichen
für Tuberkulose.
Jedenfalls können jetzt die drei bekannten, von Koch auf¬
gestellten Forderungen erfüllt und der Circulus vitiosus ge¬
schlossen werden. Genauere Mitteilungen über den Nährboden,
die Biologie des Erregers und die mit Kultur vorgenommenen
Tierversuche werden später erfolgen.
Da wir in kurzer Zeit in mehreren Beständen Schleswig-
Holsteins die pseudotuberkulöse Enteritis festgestellt haben,
scheint diese Krankheit nicht nur für England und Dänemark,
sondern auch für uns eine größere Bedeutung zu haben. Wir
bitten die Herren Kollegen in den benachbarten Landes teilen
in solchen Fällen, wo die beschriebene Krankheit vermutet
werden kann, uns Mesenterialdrüsen und erkrankte Darmteile
zur Sicherstellung der Diagnose und Feststellung weiterer
Krankheitsherde einschicken zu wollen.
Oie Schutzimpfungen gegen die Hämoglobinurie der
Rinder pro 1907 im Kreise Landsberg a. W.
Von Graffunder-Landsberg a. W.
Die in Nr. 6 dieser Zeitschrift von Herrn Dr. Bugge-Kiel
veröffentlichten Ergebnisse der Schutzimpfungen gegen die
Rindermalaria veranlassen mich, die im hiesigen Kreise ge¬
wonnenen Resultate ebenfalls zur allgemeinen Kenntnis zu
bringen.
I. Impfungen auf dem Dominium M. Tag der Impfung:
24. April 1907. Zahl der Impflinge: 6 Milchkühe, 20 Jungvieh
(1—2 Jahre alt) gleich 26 Stück. Dosis 3 ccm Impfstoff. Impf¬
stelle: Subkutan am Halse.
Reaktion: Am 4. bzw. 5. Mai er. traten bei zwei ge¬
impften Kühen leichtes Fieber, Störung der Freßlust und Blut¬
harnen auf. Letzteres hielt nur einen Tag an. Innerhalb drei
Tagen waren alle Störungen geschwunden. Die Tiere wieder
gesund. Bei den übrigen 24 Stück traten keine auffälligen
Gesundheitsstörungen ein.
Weidegang nach dem 15. Mai beginnend, bis zum November
hin andauernd.
Die Weideherde bestand aus den 26 Impflingen und 14
anderen nichtgeimpften Rindern, in Summa 40 Stück.
Von den 26 Impftieren ist kein Tier in der Weidezeit an
Hämoglobinurie erkrankt, während von den 14 nichtgeimpften
Tieren 11 Stück daran erkrankten und fünf davon eingingen.
Von den 26 Impflingen sind in den Vorjahren keine an
Hämoglobinurie erkrankt gewesen. Im übrigen sind die 20 Stück
Jungvieh im vorigen Jahre noch nicht dem Weidegange unter¬
worfen worden.
Die Zahl der Todesfälle an Hämoglobinurie auf Dominium M.
in den Vorjahren ist mit Sicherheit nicht mehr anzugeben, jedoch
176
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
sind in jedem Jahre regelmäßig bei den nichtgeimpften Tieren
derartige Verluste zu verzeichnen gewesen.
II. Auf der Försterei D. Tag der Impfung: 26. April 1907.
Zahl der Impflinge: 4 Kühe, 3 Färsen, 1 Kalb = 8 Stück.
Dosis: 3 ccm Impfstoff. Impfstelle: Subkutan am Halse.
Reaktion: Eine Färse und ein Kalb zeigten 3 Tage
nach der Impfung - am 29. April er. — Störung der Freßlust,
Mattigkeit, Trägheit und Schläfrigkeit. Diese Erscheinungen
verschwanden nach Ablauf von 24 Stunden. Eine andere zwei¬
jährige Färse erkrankte am 10. Tage nach der Impfung (10. Mai er.)
an Hämoglobinurie, Störuug der Freßlust, Fieber 40,5° C,
blutiger Harnabsatz. Nach 3tägigem Verlaufe w r ar das Tier
am 9. Mai wieder gesund.
Der Weidegang begann nach dem 20. Mai und dauerte bis
November.
Die Weideherde bestand aus 7 geimpften Tieren (das
4 Wochen alte geimpfte Kalb war noch nicht weidefähig) und
einer nichtgeimpften hochtragenden Kuh.
Die Impflinge sind während der Weidezeit nicht erkrankt,
dagegen erkrankte die nichtgeimpfte hochtragende Kuh am
11. Juli er. sehr stark an Hämoglobinurie.
Im Vorjahre sind bei den Impflingen keine Fälle, im
übrigen aber 5 Fälle mit 2 Verlusten in dem Bestände vor¬
gekommen.
III. Auf der Försterei G. C. Tag der Impfung: 26. April 1907.
Zahl der Impflinge: 2 Stück Jungvieh, 1 Kalb 3 Stück. Dosis:
3 ccm Impfstoff. Impfstelle: Subkutan am Halse.
Reaktion: keine.
Der Weidegang begann nach dem 20. Mai und dauerte bis
zum November.
Die Weideherde bestand ans 2 Impflingen (das Kalb war
noch nicht weidefähig) und 9 älteren Rindern, die im Laufe der
früheren Weidejahre und früherer Impfungen bereits als immun
zu erachten waren.
Die Impflinge, ebenso auch die neun älteren Tiere, sind
während der Weidezeit nicht an Hämoglobinurie erkrankt gewesen.
In den Vorjahren waren stets Fälle, und mitunter auch Verluste
an Hämoglobinurie in dem dortigen Bestände zu verzeichnen.
Zu Versuchszwecken wurde in dem hiesigen Seruminstitute
am 28. April 1907 ein 4 Wochen altes Kalb mit einer 10 ccm
betragenden Dosis subkutan geimpft. Dasselbe zeigte nicht die
geringste Reaktion nach dieser mehr als 3 fachen Dosis.
Die bisherigen günstigen Resultate ermuntern zur weiteren
Anwendung dieser Schutzimpfungsmethode.
Kehlkopftuberkulose des Rindes.
Von Distrikstierarzt Ludwig Mayr - Rosenfeld.
Kollege Holterbach beschreibt in Nr. 44 der D. T. W.
einen Fall von Aphonie bei einer Kuh infolge primärer Larymx-
tuberkulose, der, seiner Schilderung zu entnehmen, fast gleich
sein dürfte mit dem Befunde, den ich hier wiedergebe:
Gelegentlich der Schlachtviehbeschau untersuchte ich vor
kurzem eine ca. acht Jahre alte Simmenthaler Kuh, die der
Schlachtbank zugeführt wurde, weil sie in letzter Zeit sehr
stark abmagere. Der Besitzer befürchtete „Perlsucht“. Der
Ernährungszustand des Tieres war noch mittelmäßig zu be¬
zeichnen. Bei der Untersuchung fiel in erster Linie die abnorme
Atemfrequenz und sehr starke inspiratorische Dyspnoe auf.
Auf Palpation der Kehlkopfgegend reagierte das Tier mit
förmlichen Erstickungsanfällen; die Kehlkopfgegend selbst ließ
nur eine geringgradige Umfangsvermehrung des Pharymx und
Larynx erkennen. Im Zusammenhang mit der physikalischen
Untersuchung der Lungen, die ausgesprochene Phtisis pulmonum
vermuten ließ (Rasselgeräusche, Bronchialatmen, Gedämpfter
Perkussionston), durfte nun eine tuberkulöse Veränderung im
Kehlkopf gegeben sein. Die Schlachtung der mit Zwillingen
trächtigen Kuh bot ein sehr schönes Bild lokalisierter Tuber¬
kulose. Die Lungen waren durch und durch tuberkulös, so
zwar, daß man es für ausgeschlossen erachten möchte, daß
das Tier mit diesen Lungen noch ventilieren konnte. Die
Glandulae mediastinales anteriores et posteriores waren tuber¬
kulös affiziert, desgleichen die Bronchiallymphdriisen mit hirse¬
korngroßen Tuberkeln durchsetzt. Ein schönes Bild bot der
tuberkulöse Kehlkopf, in der aus der Photographie ersichtlichen
Weise. Daß es sich in diesem Falle nicht 'etwa um einen Tumor
aktinomykotischer Natur, sondern um veritable Tuber¬
kulose handle, wurde mir vom Pathologischen Institut Stuttgart
(Professor Lüpke) bestätigt. An der Basis des Kehldeckels
bzw. am Grund des Larynx, ausgehend von der Schleimhaut
der linken Seitenwand des Kehlkopfs, sitzt ein fast hühnerei¬
großes, höckeriges, mißfarben oder graugelbes malignes Neo¬
plasma von derber Konsistenz, das auf seinem schmutzig grauen
und gefäßlosen Durchschnitt spärlichen mayonnaiseähnlichen
Eiter entleert und zahlreiche Tuberkeln, teils verkalkt und von
verschiedener Größe, aufweist. Meines Erachtens scheint dieses
Tuberkulom auf dem Wege der Kontaktinfektion zustande ge¬
kommen zu sein. Der übrige Tierkörper w r ar frei von tuber¬
kulösen Veränderungen.
Milzbrand beim Schwein.
Von Tierarzt Leeb-Wurzen.
(Vergl. B. T. W. Nr. 5.)
Am 2. Januar 1908 wurde ich von einem Privatbesitzer
(Pferdehändler) in der Stadt bestellt, im Laufe des Nachmittags
5. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
177
bei zwei selbst gemästeten Schweinen die Lebendschau vor¬
nehmen zu wollen und am 3. Januar, vormittags 9 Uhr, die
Fleischbeschau. Ich begab mich am 2. Januar nachmittags gegen
3 Uhr nach dem Grundstück des genannten Besitzers und besah
mir die beiden gut gemästeten Schweine, die frisch und munter
im Stalle herumgingen. Als ich am nächsten Tage, also
3. Januar, gegen 9 Uhr vormittags, die Fleischbeschau vornehmen
w’ollte, fand ich bei dem einen Schwein folgendes: Die Milz des
Tieres war um das drei- bis vierfache vergrößert, (kolossal
auffallend) tief schwarz, strotzend von Blut, als ob die Kapsel
beraten wollte. Beim Einschneiden zeigte sich das Blut ganz
dunkel und teerartig; der Dünndarm war in seiner ganzen Aus¬
dehnung stark entzündet, gequollen und zeigte braunrote Ver¬
färbung; der Dickdarm dagegen war unverändert. Die Nieren
waren vergrößert und stark dunkel gefärbt; die Mesenterial¬
drüsen groß und stark blutig durchtränkt. Im Herzen war
etwas dunkles, ungeronnenes Blut; äußerlich waren an demselben
ebensowenig Veränderungen wie an der Lunge.
Ich stellte Milzbrandverdacht fest und holte sofort tele¬
phonisch den zuständigen Bezirkstierarzt herbei, der mehrere
gefärbte Präparate machte und Milzbrandbazillen in dem der
Milz entnommenen Blute, sowie aus dem des Herzens feststellte.
Nach Angabe des Besitzers sowohl wie des Hausschlächters
war am lebenden Schweine beim Herausholen zum Schlachten
nicht das geringste von Krankheit zu sehen. Das andere im
gleichen Stall und Futter befindliche Tier war vollständig gesund.
•Seit 15 Jahren war in dem Gehöfte — es sind nur Pferde und
Schweine vorhanden — nie Milzbrand gewesen.
Strabismus deorsum vergens bei der Kuh.
Von Storch-Schmalkalden.
Ein Landwirt zog mich zur Untersuchung einer Kuh zu, :
weil er Sehstörungen an derselben bemerkt hatte.
Befund: Gelbscheckige Simmentaler Kuh, ungefähr sechs
Jahre alt. Guter Nährzustand. Rege Freßlust. . Keine Er¬
scheinungen einer Allgemeinerkrankung. Als die Kuh aus dem
Stalle geführt wird, fällt sofort die schiefe Kopfhaltung auf. 1
Die rechte Kopfseite wird höher getragen, so daß das Tier den
Eindruck macht, als ob es mit dem rechten Auge ständig nach
einem in der Höhe befindlichen Gegenstand lugte. Rechtes
Auge: Veränderungen der Lider, Lichtscheu und Tränenfluß
fehlen. Der Bulbus, welcher keine Volumenänderung aufweist,
nicht hervorgedrängt ist und normale Spannung besitzt, ist :
ventralwärts vorgelagert, so daß in der dorsalen Hälfte der
Lidspalte nur Sklera sichtbar ist und ein größeres Segment der !
Cornea vom unteren Lide bedeckt wird. Der ventrale Pupillen- :
rand befindet sich gerade in der Höhe des Unterlidrandes. Der
ventrale Rand der durchsichtigen Hornhaut kann erst sichtbar
gemacht werden, wenn man das untere Lid mit den Fingern :
ad maximum öffnet. Die Pupille reagiert in normaler Weise
auf Lichtreize. Bei der Untersuchung mit dem Augenspiegel
lassen sich Veränderungen in den inneren Teilen des Auges
nicht feststellen. Sehkraft nach dein Ergebnisse der angestellten
Sehproben unversehrt. Linkes Auge: Situs des Augapfels'
normal. Völlige Erblindung infolge totaler Katarakt.
Hengst oder Stute.
Von Tierarzt K. Jewasiriskl-Crone a. B.
Auf dem Wochenmarkt zu Crone fiel mir im Vorübergehen
ein Pferd auf, das sich komisch zum Urinieren anstellte. Die
nähere Besichtigung ergab ein kleines Euter mit zwei Zitzen,
wie bei jeder Stute, aber ungefähr 10 cm vom After entfernt
anstatt der Scheidenöffnung eine solche für den Penis.
Nach Aussage des Besitzers schachtet dieses Pferd den Penis
aus, in der Nähe rossiger Stuten zeigt es sich sprungbereit.
Hoden konnte icli nirgends fühlen. Da Besitzer wenig Zeit
hatte, versprach er mir, gelegentlich das Pferd vorzuführen.
Näheres später.
Referate.
Geflügelkrankheiten und Geflügelzucht.
Über seachenhafte Erkrankungen mit septik&inischem
Charakter bei Kanarienvögeln.
Von Dr. Freese, Repetitor am Hygienischen Institut der Tierärzt¬
lichen Hochschule zu Hannover.
(Deutsche Tierärztl. Wochenschrift 1907, Nr. 36.)
Freese gibt zunächst eine Übersicht über die in der
Literatur von Rieck, Kern und Pf aff gemachten Angaben
über seuchenhafte Krankheiten mit septikämischem Charakter
bei Kanarienvögeln. Jede der von diesen Autoren beschriebenen
Krankheitsformen war von der anderen verschieden. Bei der
von Rieck beobachteten Seuche zeigten die Kadaver rußartige,
eigentümliche Verfärbung der Brust, des Halses und des Bauches
und partielle Lebernekrose. Der Krankheitserreger ist oval,
färbt sich bipolar nach Gram, hat Eigenbewegungen und ist
pathogen für Tauben. Die von Kern als „Kanariencholera“
beschriebene Seuche zeichnet sich aus durch Hämorrhagien im
Duodenaltraktus. Der Krankheitserreger stellt einen nicht
bipolar färbbaren Bazillus ohne Eigenbewegungen dar, welcher
Gelatine nicht verflüssigt und auf Zucker-Agar Gasblasen bildet.
JEr wirkt pathogen bei Kanarienvögeln, Sperlingen und Mäusen.
Bei der von Pf aff beobachteten Seuche zeigen di$ Kanarien¬
vögel Durchfffll und Schläfrigkeit. Bei der Sektion wurden
Darmkafarrh und nekrotische Herde in der Leber und Milz an¬
getroffen. Der von Pfaff gefundene Bazillus ist nicht nach
Gram färbbar, verflüssigt die Gelatine nicht und ist bei sub¬
kutaner Infektion pathogen für Tauben und Meerschweinchen.
Bei der von Freese beschriebenen Kanarienseuche zeigen
die Vögel in der 2—3tägigen Krankheitsdauer zunehmende
Dyspnoe und Schwäche, obwohl der Appetit noch verhältnis¬
mäßig lange Zeit, oft bis kurz vor dem Tode gut ist. Zuweilen
besteht leichter Durchfall. Die Sektion ergab Schwellung und
diffuse Rötung der Schleimhaut im Anfangsteil des Dünndarms.
Leber entweder sehr blutreich oder brüchig und gelblich verfärbt.
Als Krankheitserreger fand Freese an den Enden stark ab¬
gerundete Stäbchen von 1—1,5 /z Länge und 0,5 /z Breite, die
sich nach Gram färben lassen und keine Eigenbewegung
besitzen. Der Erreger wächst auf allen gebräuchlichen Nähr¬
böden sowohl bei Brut, als auch bei Zimmertemperatur, verflüssigt
die Gelatine und bildet keine Gasblasen. Bei Verimpfung erwies
er sich pathogen für Karnarienvögel, Sperlinge und Mäuse. Bei
natürlicher Infektion betrug das Inkubationsstadium 3—4 Tage.
Klinisch und pathologisch-anatomisch ähnelt die von Freese
beschriebene Kanarienseuche derjenigen, die Kern beobachtet
178
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
hat. Hingegen weist das kulturelle Verhalten der Krankheits¬
erreger scharf ausgeprägte Differenzen auf, weshalb Freese
zu der Annahme kommt, daß die von ihm beschriebene Er¬
krankung eine besondere Kanarienseuche ist. Rdr.
Pathologisch-anatomische Untersuchungen bei akuter
und chronischer Geflügelcholera.
Von Raiter Jungklaus-Pyritz.
(Inaugural-Diasertation, Leipzig 1906.)
Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, in vorliegender
Arbeit die von der Geflügelcholera veranlaßten pathologischen
Prozesse näher zu erforschen und sie vor allem in Hinsicht auf
die so gichtige Frage der Sicherung der Diagnose einer
Prüfung zu unterziehen. Die von Jungklaus im Leipziger
Veterinärinstitut angestellten Untersuchungen haben folgendes
Resultat gezeitigt:
Die Geflügelcholera tritt in der akuten oder in der
chronischen Form auf; der akute bzw. perakute Verlauf ist der
häufigere. Bei dieser Form treffen wir in der Regel das Bild
der Septikämie an. Herz, Leber und Darm zeigen hierbei die
schwerste Affektion. Die chronische Form bedingt nur Lokal¬
veränderungen und zwar gewöhnlich in der Lunge. Eine Reihe
verschiedener Abstufungen und Übergänge in den Sektions¬
bildern gestaltet mitunter die Grenze zwischen beiden genannten
Formen recht schwer erkennbar.
Das pathologisch-anatomische Krankheitsbild allein ist nicht
maßgebend für die Erkennung der Seuche. Die absolut sichere
Feststellung der akuten Geflügelcholera kann nur auf dem
Wege der bakteriellen Blutuntersuchung erfolgen. In Fällen
mit negativem bakteriologischen Befund handelt es sich bestimmt
um eine andere unter dem Bilde einer Septikämie verlaufenden
Geflügelseuche.
Die chronische Geflügelcholera kennzeichnet sich am
häufigsten durch eine fibrinöse Pneumonie, die vielfach mit
Pleuritis fibrinosa und Perikarditis verbunden ist; zuweilen
handelt es sich um eine förmliche käsige Pneumonie. Zur
Sicherung der Diagnose ist die Blutübevimpfung an Versuchs¬
tiere nötig.
Die von einigen Autoren beschriebenen, in den Fußgelenken
bzw. Darmfollikeln aufgefundenen käsigen Massen düsten der
Bakterienwirkung zuzuschreiben sein. Nach Jungklaus bilden
aber diese Befunde eine große Seltenheit. J. Schmidt.
Untersuchungen über die Immunität der Vögel gegen
die Muskel trichinöse.
Von H. M. Höyberg, Stadttierarzt in Frederiksberg bei Kopenhagen.
(Zeitschrift für Tiermedizin, 12. Band, Heft 1.)
Wie durch zahlreiche Forscher festgestellt worden ist,
werden bei den Vögeln nach Verfütterung von trichinösem
Fleisch wohl Darmtrichinen, in der Folge aber keine Muskel¬
trichinen vorgefunden. Welche Umstände begründen nun diese
Immunität der Vögel gegen die Muskeltrichinose? Pagen¬
stecher führt die hohe Bluttemperatur als mögliche Ursache
an. Derselbe Autor und auch Gerl ach glaubten, daß auch der
kurze und enge Darmkanal nnd die kräftige Peristaltik der
Einwanderung der Embryonen hinderlich sein werden. Leuckart
nahm an, daß die Embryonen auf Hindernisse, vielleicht ana¬
tomischer oder chemischer Art, bei ihrer Wanderung stoßen,
daß vielleicht die Zusammensetzung des Darmsaftes für die
Embryonen verderblich wirkt. Höyberg vermutet dagegen,
daß sich im Blute der Vögel gewisse Stoffe befinden, die im¬
stande sind, die Entwicklung der Embryonen zu Muskeltrichinen
zu verhindern.
Wäre diese Immunitätshypothese richtig, so wäre es möglich,
durch Einverleibung von Vogelblutserum solche Tiere vor den
Muskeltrichinen zu schützen, bei denen sich solche entwickeln
können. Demgemäß fütterte Höyberg vier graubraune Ratten
mit stark trichinösem Fleisch, das frisch eingekapselte Trichinen
enthielt. Vom 5. bis 18. Tag danach injizierte er jeder Ratte
täglich 2 ccm Taubenserum. Der Versuch hatte ein negatives
Ergebnis, denn als einen Monat nach der Fütterung die Ratten
getötet und ihre Muskeln mikroskopisch untersucht wurden,
fanden sich in allen Präparaten Mengen von Trichinen, frisch
eingekapselt und frei, vor. Höyberg meint, daß der Versuch
noch kein entscheidender Beweis gegen seine Hypothese sei.
Es liege doch auch die Möglichkeit vor, daß die Immunität
vielleicht an eine Phagocytose geknüpft sein könnte, bei welcher
möglicherweise eine Cytose eine Rolle spielt. Rdr.
Eine merkwürdige Neubildung am Kopfe einer Tanbe.
Von Dr. Robert Klee.
(GeflQgelbärae, 1907, Nr. 44.)
Verfasser beschreibt des näheren eine am Kopfe eines
Täubers, welcher behufB Operation der Klinik übergeben worden
war, befindliche Geschwulst. Letztere war etwa kirschgroß, von
harter Konsistenz, auf der Unterlage verschiebbar, mit der Haut
nicht verwachsen. Die über der Geschwulst straff gespannte
Haut war völlig normal, mit wenig Federn besetzt, ohne Ent¬
zündungsherde. Der Sitz des Tumors betraf die Schädelgegend
oberhalb der Augenhöhlen. Beim ruhigen Sitzen des Vogels
verdeckte die Neubildung das rechte Auge, indem sie der
Schwere entsprechend etwas nach unten glitt, welcher Vorgang
scheinbar unangenehme Empfindungen bei dem Tiere auslöste.
Die Operation bestand in Lospräparieren der Kopfhaut,
Ausschälen des Tumors aus dem umhüllenden Bindegewebe,
Desinfektion und Nähen der Hautwunde. Nach sechs Tagen
wurden die Nähte entfernt. Die Taube konnte als völlig geheilt
entlassen werden.
Die Untersuchung der exstirpierten Masse ergab, daß es sich
um zwiebelschalenartig geschichtete Fibrinbestandteile handelte
als Folgezustände einer durch Kontusion veranlaßten Blutung.
Ausgehend von der bei dem Tiere vor der Operation vor¬
handenen Mißgestaltung des Kopfes beschreibt K. noch das von
manchem Züchter des englischen Almondtümmlers zur Erzielung
der eigenartigen Kopfform gehandhabte Verfahren. In frühester
Jugend wird hierbei den Tauben ein aus Holz konstruiertes
Gerät täglich auf den Vorkopf gepreßt, bis allmählich der Schädel
die gewünschte vorschriftsmäßige Gestaltung erfahren hat.
Ein Teil der so behandelten Tiere erliegt den hervorgerufenen
Quetschungen des Gehirns und seiner Häute, beim anderen Teil,
welcher mit dem Leben davonkommt, sind stark hervorstehende
Augen und ein chronischer exsudativer Nasenkatarrh die Folgen
dieser züchterischen Tierquälerei. J. Schmidt.
Polynenritis der Hühner.
Von Tierarzt Arnold Kellermann.
(Allatorvoai bapok. 1907, Ni*. 52.)
In einem Hühnerhof zeigten die Tiere Diarrhöe, worauf der
Eigentümer auf Anraten einer landwirtschaftlichen Zeitung eine
Abkochung von 1 / 2 kg geschälten Reiskörnern dem kranken
März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WCK3HENSCHRIFT.
179
Geflügel gab, welches das Gauze auch verzehrten. Am dritten
bis vierten Tage nachher traten bei drei Tieren Bewegungs¬
störungen auf: sie saßen meistens mit gekrümmten Knien, und
wenn man sie zur Bewegung bringt, hüpfen sie auf einem Fuß
und helfen sich mit den Flügeln. Die Reflexerregbarkeit ist ap
den Füßen vermindert, teilweise fehlt sie vollkommen. Das
Kniegelenk ist angeschwollen, bei einem mußte es sogar geöffnet
und mit 1 proz. Salicylsäure behandelt werden. Zwei der
Patienten heilten (eines mit Ankylose), däs dritte verendete.
Kellermann bringt die akute Erkrankung mit der Reis¬
fütterung in Zusammenhang; die im Reis supponierten Nerven¬
gifte übten bei diesem Geflügel eine akute Wirkung aus; viel¬
leicht trug dazu auch der Darmkatarrh etwas bei und auch bei
der Abkochung des Reises konnten die Gifte leicht aufgelöst
werden. Eykmann beobachtete in Ostindien ähnliche Er¬
krankungen nach längerem Verabreichen von Reisfutter.
Die Behandlung besteht im Eingeben von präpariertem
Knochenmehl, in Massage mit Kampferspiritus und Eingeben
von Phosphor in folgender Lösung:
Rp. Phosphorie 0.05
Olei jecoris aselli 300.0
M. S. solutio. D. S. täglich einen Teelöffel voll
eingeben.
Außerdem ließ man die kranken Tiere täglich dreimal bis
zur Erschöpfung bewegen. Dr. Z.
Über die Konstruktion von Brotmaschinen
herrscht zurzeit teils unter den Fabrikanten, teils unter den
Züchtern ein großer erbitterter Federkrieg. Da die Erträgnisse
der künstlichen Bebrütung sehr häufig Zu wünschen übrig lassen,
so versucht man jetzt alle Möglichkeiten, die einem guten
Resultat förderlich bzw. schädlich sein könnten, in das Bereich
der Betrachtungen zu ziehen. Da sollen die Wände des
Apparates die Wärme zu schnell durchlassen oder die erzeugte
Wärme soll zu hoch bzw. zu niedrig oder zu wenig konstant
sein; nach des einen Autors Ansicht fehlt in der einen Maschinen¬
art genügend Lüftung, nach des andern Meinung schadet viel
Luft. Auch der letzteren Zuführungsweise soll maßgebend für
den Erfolg sein, die Zufuhr von oben soll Wenig nützen, die¬
jenige vom Boden des Apparates aus dagegen wegen zu starker
Abkühlung die Eier schädigen. Schließlich ist auch die erzeugte
warme Luft zu trocken, die Vergrößerung ihres Feuchtigkeits¬
gehaltes muß angestrebt werden usw.
Es ist ja nicht zu leugnen, daß in den vielen einander vor¬
geworfenen Argumenten so manches Wahre steckt, aber man
geht meines Erachtens einen falschen Weg, wenn man einzig
und allein die Apparate als Ursache mißlicher Resultate be¬
trachtet. Schon die eine Beobachtung sollte hier aufklärend
wirken, daß nämlich die Züchter, auch wenn sie ein und
denselben Apparat benützen, verschiedene Resultate zu ver¬
zeichnen haben. Während Züchter A bei Benützung der
Brutmaschine der Firma F über 97 Proz. ausgebrüteter
Eier berichtet, erzielte B mit demselben Instrument vielleicht
80 und C möglicherweise nur 70 oder noch weniger Prozent.
Will man nun den Züchtern ungenaue Befolgung der für die
Handhabung der Apparate nötigen Vorschriften zur Last legen,
so würde man ihnen sicherlich unrecht tuen. Denn, wenn über¬
haupt jemand auf dem Gebiete der Tierproduktion gelernt hat,
mit peinlicher Sorgfalt zu arbeiten, so ist es der erfahrene
Geflügelzüchter. Es muß also etwas anderes die Schuld an den
weniger erfreulichen Ergebnissen tragen, und dies ist das Material
selbst, welches zur Bebrütung gelangt. Nie sollte vergessen
werden, daß das Ei ein komplizierter lebender Organismus ist,
der bis zum Ausschlüpfen des neuen Geschöpfes gar vielen Ge¬
fahren ausgesetzt ist. Nicht allein seine ursprüngliche Be¬
schaffenheit und sodann die Befruchtung durch das männliche
Individuum spielen eine große Rolle, sondern auch die Zeitdauer,
welche vom Legen des Eies bis zur Unterbringung im Brut¬
apparat vergeht, und die äußeren Einflüsse, welche in dieser
Periode auf das Ei einwirken können. Zu denselben gehören
unzweckmäßige Aufbewahrung (zu feucht oder zu trocken, un¬
genügende Luftzufuhr, kalte oder abnorm hohe Temperatur) und
der Transport, den besonders die Eier, wie sie aus den Edel-
zuohten nach allen Himmelsrichtungen zum Versand gelangen,
vor der Bebrütung durchzumachen haben. Während dieser
Reise wirken nicht nur die oben genannten Schädlichkeiten ein,
sondern es kommen auch die mechanischen Insulte (z. B. tage¬
langes Erschüttern usw.) hinzu, welche Faktoren der Ent¬
wicklung des neuen Geschöpfes hinderlich sind. Berücksichtigen
wir das soeben Gesagte, so finden die etwaigen Mißerfolge, die
mit dem künstlichen Ausbrüten erzielt werden können, eine sehr
einfache Erklärung; daraus ist aber ferner noch zu folgern,
daß die Anpreisungen, mit welchen verschiedene Fabrikanten
ihre Brutapparate als nie versagend hinstellen möchten, doch
nur einen bedingten Wert haben. J. Schmidt.
Wett-Eierlegen deutscher Hühner«
Vom 1. Oktober d. J. veranstaltet der „Verein für 'Nutz¬
geflügelzucht“ das erste deutsche Wettlegen zwischen Hühnern
aller Rassen. Zu diesem Behuf ist ein aus 100 Ställen be¬
stehender Geflügelhof auf dem Terrain Groß-Lichterfelde und
Osdorf errichtet worden. Der Zweck des ganzen Unternehmens
soll sein, das Interesse der Zuchten für eine möglichst hohe
Produktion von Eiern zu gewinnen. Derartige Konkurrenzen
sind zuerst in Amerika ersonnen und durchgeführt worden; aber
auch in England haben sie sich seit einigen Jahren eingebürgert
und ebenso in Australien. In letztgenanntem Erdteil soll sich
die Eierproduktion infolge des Wettlegens um 50 Proz. vermehrt
haben, obwohl die Zahl der Hühner keine wesentliche Steigerung
erfahren hat. Durchschnittlich legten daselbst die an der
Konkurrenz beteiligten Hennen ca. 170 Eier. Bei uns dagegen
ist der jährliche Ertrag nur etwa 60 Eier, eine Steigerung
dieser Zahl auf 100 würde die Eiereinfuhr ganz erheblich herab¬
setzen und den Strom des für diese Produkte ins Ausland
wandernden Geldes wesentlich eindämmen. Um das Interesse
für das beschriebene Unternehmen zu heben, hat die deutsche
Kronprinzessin für den Züchter des aus dem Wettlegen als
Sieger hervorgehenden Hühnerstammes einen Ehrenpreis gestiftet
Die Bestimmungen' für das Wettlegen, sowie die Schilderung
des Verfahrens, mit welchem sich die Produktion durch eine
besondere Art der Züchtung um 50—100 Proz. vermehren läßt,
können von dem Vorsitzenden des Vereines (Hanptmann a. D.
Cremat in Groß-Lichterfelde), bezogen werden.
ln Züchterkreisen sieht man der Konkurrenz mit sehr ge¬
mischten Gefühlen entgegen. Während die einen, die schon
durch sorgfältige Zuchtwahl unter Ausmerzung älterer nicht
mehr recht leistungsfähiger Hennen den Durchschnittseierertrag
auf 150 und mehr gesteigert haben, ihre Stämme gern zu der
180
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
Leistungsprüfung senden werden, verhalten sich die anderen,
welche bisher weniger als 100 erzielten, zumeist ablehnend.
Schließlich gibt es noch eine dritte Art von Züchtern, welche
einer jeden Nutzungsprüfung direkt feindlich gegenüberstehen
und darum auch ihre Lieblinge nicht für lange Zeit in fremde
Hände geben wollen. Mag nun augenblicklich das Urteil über
das Unternehmen lauten, wie es will. Jedenfalls muß in der
Geflügelhaltung eine jede Bestrebung, mag sie sich in der einen
oder anderen Form äußern, willkommen sein. Auch hier wird
das alte Sprichwort: „Probieren geht über Studieren“, wohl
Recht behalten. J. Schmidt.
Tagesgeschichte.
Die Lage der praktischen Tierärzte nnd ihre Beteiligung
bei der Yeterinärpolizei.
Von Professor Dr. Schmaltz.
Wer. vorurteilsfrei und mit einiger Kenntnis der Ver¬
gangenheit die heutige Lage des tierärztlichen Gesamtstandes
überblickt, der wird zugeben müssen, daß in 20 Jahren eine
sehr erfreuliche Entwicklung stattgefunden hat. Wenn trotz¬
dem gerade jetzt mancher Übelstand, manche unerfreuliche Er¬
scheinung unverkennbar hervortritt, so darf man nicht ver¬
gessen, daß jene rasche, fast reißende Entwicklung noch in
vollem Flusse ist, daher noch keinen klaren Spiegel zeigen
kann. Noch sind wir in der Übergangszeit zur neuen Epoche,
und solche Zeiten haben immer ihre Schwierigkeiten. Wir
können heute die enorme, von Grund aus wandelnde Wirkung
der Universitätsreife wohl schon erkennen; aber vollzogen ist
sie noch nicht, und der Ausgleich zwischen Zukunft und Ver- !
gangenheit ist noch in den Anfängen. Auch in den tierärzt¬
lichen Hochschulen, um sie vorweg zu nennen, steckt noch gar
manche Tierarzneischultradition, sowohl in der Verwaltung, als
auch in ihrem geistigen Wesen. Man kann sich auch — das
muß einmal hier ausgesprochen werden — dem Gefühl nicht
entziehen, daß unter dem Zuwachs, den der tierärztliche Stand
etwa im letzten Jahrzehnt vor Einführung der Universitätsreife
erfahren hat, sich besonders viel Mittelgut befand, daß gerade
unter der jüngeren Generation viele Kollegen sind, die es noch
nicht verstanden, vielleicht noch nicht einmal versucht haben,
mit ihren modernen Ansprüchen auch die Tiefe ihrer medi¬
zinischen Bildung und ihre Leistungen in Einklang zu bringen;
die Klagen in dieser Hinsicht sind zu allgemein, als daß sie
gegenstandslos sein könnten. Es ist auch durchaus erforderlich,
daß eine an Einzelnen sich zeigende Nervosität, ja Über¬
spanntheit durch ruhiges Selbstbewußtsein der Gesamtheit unter¬
drückt werde. Soviel steht aber fest, daß durch die Universi¬
tätsreife an der Hochschule sich eine sehr bemerkenswerte
Hebung des Durchschnitts gezeigt hat. Wenn mit dieser |
Verbesserung der Qualität eine Verbesserung der wissenschaft¬
lichen Ausbildung und der praktischen Erziehung, die zweifellos
zu wünschen übrig läßt, Hand in Hand gehen wird, so werden
wir in einem Jahrzehnt die Erfolge sehen.
Daß gegenwärtig trotz aller Verbesserungen die Verhält¬
nisse im tierärztlichen Stande noch nicht normale und die Aus¬
sichten des tierärztlichen Berufs noch keineswegs allgemein
geschätzt sind, schließe ich vor allem daraus, daß noch kaum
ein Tierarzt heute den Wunsch zeigt, sein Sohn möge seinen
Beruf ergreifen. Ganz zufrieden mit seinem Lose ist ja niemand;
man glaubt heutzutage auch (nicht ganz mit Unrecht vielleicht),
man müsse etwas lauter klagen, weil man sonst ganz zurück-
gedrängt werde; auf das laute Wort ist daher nicht allzuviel
Wert zu legen. Aber gerade diese stille Tatsache ist so be¬
weisend wie nichts; sie ist mit Beispielen gerade aus der letzten
Vergangenheit zu belegen, und es handelt sich um Söhne von
Kreistierärzten und Tierärzten, die sich in guter, ja glänzender
Position befinden. Ferner gibt der (mir an unserer Hoch¬
schule gerade jüngst aufgefallene) Umstand zu denken, daß
eine ganze Anzahl Studierende der Tiermedizin nach den ersten
Semestern absplittern und zum ärztlichen Studium übergehen.
Es liegt darin ein ernster Fingerzeig auch für die Landes¬
regierungen, daß sie es sich angelegen sein lassen mögen, die
Aussichten im tierärztlichen Beruf im ganzen und nicht bloß
die für die beschränkte Zahl der Veterinärbeamten weiter zu
entwickeln.
Unzweifelhaft ist die Lage für die einzelnen Be¬
standteile des tierärztlichen Gesamtstandes eine sehr
ungleichmäßige. Das bringt nicht allein die Übergangszeit
mit ihrer ruck- und stückweisen Entwicklung mit sich, sondern
es ist auch in allgemeinen sozialen Verhältnissen begründet,
wie auch der alte Stand der Ärzte solche widerspiegelt. Drei
Teile unseres Standes sind vortrefflich gediehen (wenn ja auch
gewiß, wie überall, noch manches zu wünschen bleibt): Das
sind die Hochschulen, die Veterinärbeamten und die Militär¬
tierärzte, diese schon im Lichte des bevorstehenden Veterinär¬
offizierkorps betrachtet. Die Stellung der Schlachthoftierärzte
hat sich ja vielfach auch sehr verbessert, wenn auch hier
namentlich in kleinen Städten doch recht bedrängte Verhältnisse
! noch bestehen, 4*ß durchaus der Fprdepnng ,d^ch <pe Gesamtheit
bedürfen. Zurückgeblieben ist bei dem ganzen Fortschritt aber
zweifellos der praktische Tierarzt ebenso, wie die Wertschätzung
der eigentlichen Tierheilkunde leider gesunken ist (s. unten).
Die Lage der Privattierärzte mag heute vielleicht im all¬
gemeinen noch nicht schlecht sein; aber jedenfalls fängt sie an,
bedenklich zu werden. Aus einer Reihe besorgniserregender
Erscheinungen erwächst immer mehr eine Bedrohung der tier¬
ärztlichen Zukunft. Die tierärztliche Praxis ist weder in ihrer
Ausdehnung noch in ihrem Ertrage entsprechend den modernen
Anforderungen und dem Wertzuwachs der Viehbestände ge¬
wachsen. Die Freiheit der tierärztlichen Tätigkeit, die früher
auch kleine Verhältnisse angenehm machte, ist verloren gegangen,
und an ihre Stelle ist Einengung und Abhängigkeit getreten
(siehe unten). Das tierärztliche Ansehen hat sich allerdings
im ganzen unzweifelhaft gehoben dank der Einführung der
Universitätsreife und dank der öffentlichen Wirksamkeit des
Veterinärweseirs*). Aber auch diesem tierärztlichen Ansehen
drohen gewisse Gefahren, nicht zuletzt dann, wenn die wirtschaft¬
liche Stellung des Privattierarztes sich nicht als entwicklungs¬
fähig erweisen sollte.
Das erste Mittel, um die Lage der Privattierärzte zu ver¬
bessern und das gesteigerte Ansehen zu sichern, muß die Selbst¬
hilfe sein, die zu suchen ist in einer Steigerung der
eigenen Leistungen. Hier muß die Gesamtheit der Privat¬
tierärzte an sich arbeiten und sich rücksichtslos von minder¬
wertigen Elementen scheiden. Alle müssen die größte Ehre
*) Das wollen die Privattierärzte nicht verkennen, daß in der
Wertschätzung der Landwirtschaft das Veterinärbeamtentum dem
ganzen Stande die Bahn gebrochen hat.
5. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
181
setzen in rücksichtslose Pflichterfüllung und namentlich in pein¬
lichste Beobachtung der Vorschriften dort, wo die Tierärzte zur
öffentlichen Tätigkeit berufen sind, was bei der Fleischbeschau
bereits der Fall ist und bei der Seuchenbekämpfung hoffentlich
eintreten wird. Die Klagen, welche über eine Anzahl von Be¬
schautierärzten laut geworden sind, müssen durch die Tatsachen
stumm gemacht werden. Dieser Arbeit an sich selbst,
dieser inneren Verbesserung muß das nächste Jahrzehnt gehören,
zur Unterstützung dieser Arbeit aber müssen wir endlich vom
Staate das fordern, was Ärzte und Apotheker und andere Stär de
längst haben: die Kammern.
Aber auch wenn die Tierärzte viel an sich selbst tun
können, so kommen die Gefahren, die ihre Lage bedrohen,
doch in der Hauptsache von außen. Das Fleischbeschau¬
gesetz ist gerade für die Privattierärzte von größter Bedeutung
geworden. Man darf hoffen, daß diese Bedeutung später in
reinen Nutzen sich umgestalten werde; gegenwärtig aber herrscht
auch hier noch der Übergang, und neben dem Vorteil liegt der
Schaden. Der Gesamtheit erwächst eine erhebliche wirtschaftliche
Zufuhr; aber die Lage des einzelnen ist keineswegs überall
gebessert. Im Westen wo die Fleischbeschau in den kleinen
Städten allein ihren Mann zu nähren vermag, sind eine ganze
Reihe schöner Stellen geschaffen; wo aber die Fleischbeschau mit
der Landpraxis sich verbinden muß, da sehen wir, wie einerseits
schon vorhandene Praxisbezirke durch Neusiedelungen erhebliche
Beschränkungen erfahren haben, und wie andererseits die Inhaber
neuer Stellen doch auf zu kleiner Einnahme stehen bleiben, die
wohl für junge Jahre genügt, aber nicht gestattet, heran-
wachsende Kinder in der Stadt erziehen zu lassen und die
mangelnde Pensionsfähigkeit durch Zahlung von Lebens¬
versicherungsprämien oder sonstige Rücklagen änszugleichen.
„Das bleiben lauter kleine Leute“, hat schon vor Jahrzehnten,
wenn ich nicht irre, Geheimrat Schütz sehr treffend und
damals mit Bezug auf die Schlachthoftierärzte kleiner Städte
gesagt; das gilt heute auch für die auf Fleischbeschau an¬
gewiesenen praktischen Stellen. Trotz der nachweisbar hohen
Gesamteinnahme hat die Fleischbeschau in mancher Hinsicht auf
den tierärztlichen Stand vorläufig wenigstens ähnlich gewirkt,
wie das Kassenwesen auf die Ärzte, wobei die außerordentliche
Niedrigkeit der Gebühren und das ewige Geschrei nach ihrer
Herabsetzung mit beteiligt ist. Die größte Veränderung besteht
in dem Verlust der Unabhängigkeit. Das wolle man sich
doch klar machen: freie Privattierärzte gibt es gar nicht
mehr, soweit sie — und das ist die größte Mehrzahl auf dem
Lande — an der Fleischbeschau beteiligt sind. Sie sind — das
ist selbstverständlich notwendig — der Kontrolle des Departe¬
ments tierarztes unterworfen, und sie sind damit zu diesem in
ein ähnliches Verhältnis gebracht wie die Veterinärbeamten.
Gewiß kann niemand dem etwas anhaben, der voll seine
Schuldigkeit zu tun versteht, gewiß wird der vollkommene
Departementstierarzt seine Befugnis richtig üben; daß aber
diese Botmäßigkeit immerhin — auch dies mag nach der Über¬
gangszeit sich verlieren — unerfreuliche Nebenwirkungen hat,
kann nur der reine Idealist bestreiten. Jedenfalls ist aber die
schon oben ausgesprochene Forderung der strengsten Pflicht¬
erfüllung gerade auf diesem Gebiete eine Lebensnotwendigkeit
für die Privattierärzte.
Jene neuentstandene Abhängigkeit wird aber anscheinend
weniger empfunden als der zweite, größere Übelstand: die
Notwendigkeit des Zusammenarbeitens mit Laien. Daß
dies schwere Nachteile haben müsse, ist allgemein voraus gesehen
und voraus gesagt worden; daß es sich nicht vermeiden ließ,
war und ist allen klar. Um so dringender aber ist die Veran¬
lassung für die Staatsregierung, baldtunlichst die unnötigen
Belästigungen, die aus diesem Verhältnis sich ergeben, abzu¬
stellen und die lokale Rancnne auszumerzen. Dabei spielt die
amtliche Bezeichnung als „Fleischbeschauer“, au sich eine
Äußerlichkeit, doch nicht die geringste Rolle.
Das Anwachsen und Aufrücken des Laienelements
auf tierärztlichem Gebiet ist überhaupt die schwerste
Gefahr. Das sind nicht mehr die ehemaligen Pfuscher, die als
vereinzelte Giftpilze zum Genuß für die, die nicht alle werden,
früher hier und da, in mancher Gegend reichlich aufschossen
und immer vorhanden sein werden; sondern es sind organi¬
sierte Scharen mit dem offiziellen Mäntelchen einer Art von
Ausbildung und eines allgemeinen, von Körperschaften ausgehenden
Auftrages «angetan, die heute sich in die Tierbehandlung ein¬
drängen wollen. Der Laienimpfer und der Laiengeburtshelfer
gehören ja schon zu den Typen der Zukunft; als Dritter im
Bunde der Wanderhufschmied der Landwirtschaftskammer. Auch
das Wanderlehrertum hat seine Bedenken und rührt an ein
überhaupt sehr heikles Gebiet: die Ausbildung der Landwirte
in der Kenntnis von Tierkrankheiten, die früher nur an den
landwirtschaftlichen Hochschulen, jetzt aber an allen Winter¬
schulen und in vielen Vorträgen getrieben wird, wodurch die
Neigung zur Selbstbehandlung gesteigert wird. ( Die Raterteilung
in landwirtschaftlichen Blättern, an der sich seit alters Tierärzte
in hervorragender Stellung beteiligen — ich will keine Namen
nennen ist auch nicht zu unterschätzen.) Gegen den
einzelnen Privatpfuscher muß der Tierarzt auf Selbsthilfe
angewiesen werden, ein Verbot der Pfuscherei wäre falsch;
Vertiefung der ärztlichen Kunst, Gründlichkeit der Diagnostik,
Verfeinerung der Behandlungsmethode, kühne Operationen sind
die Waffen gegen solche Leute. Aber gegen das organisierte
Laienelement, namentlich wenn es sich auf die organi¬
sierte Landwirtschaft stützen kann, wäre der einzelne
machtlos. Die Tätigkeit der Landwirtschaftskammern
beginnt auch in anderer Hinsicht dem einzelnen Tierarzt
unbequem und vielleicht gefährlich zu werden, was selbst¬
verständlich unserer Wertschätzung dieser ausgezeichneten
Organisation keinen Abbruch tut. Mit Recht werden schon
Klagen geführt über das Eingreifen der „Vertrauens“-Tier-
ärzte in die Privatpraxis. Es muß unbedingt vorgesorgt
werden, daß bei etwaigen zukünftigen allgemeinen Maßregeln
auf dem Gebiet des Molkereiwesens, der Tierzucht usw. nicht
etwa willkürlich die Tierärzte in ihrer Praxis ausgeschaltet
werden können. Alle diese Erscheinungen, die jetzt erst ihre
Anfänge zeigen, sind um so gefährlicher, als man ihnen eine
gewisse Berechtigung nicht einmal absprechen kann. Es wäre
daher nicht richtig, sie einfach zu ignorieren oder schlechtweg
zu verwerfen, sondern sie müssen in Rechnung gezogen und in
richtige Grenzen gelenkt werden.
Endlich hat die Erweiterung der Befugnisse der
Kreistierärzte in der Gegenwart unzweifelhaft begonnen, die
Tätigkeit des praktischen Tierarztes tief zu beeinflussen. Es
ist ein Interessengegensatz zwischen beamteten und Privat¬
tierärzten entstanden, der früher, wo das Hauptgewicht auch
für den Kreistierarzt in der Privatpraxis lag, unbekannt war.
182
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
Gewiß ist, wie jeder innerhalb eines Standes auftretende Gegen¬
satz, auch dieser bedauerlich. Deshalb kann man ihn aber doch
weder ableugnen, noch ihm kurzweg die Berechtigung absprechen.
Das einzig richtige ist vielmehr, ihn zum Anstrag zu bringen,
um ihn dann, möge die Entscheidung fallen, wie sie wolle,
verschwinden zu lassen und zu vergessen.
Jener Gegensatz ist offenbar zuerst, vielleicht noch halb
unbewußt, in die Erscheinung getreten durch die Begründung
des Vereins der beamteten Tierärzte, die das Gefühl hatten,
ihre Spezialinteressen besonders vertreten zu müssen. Wie das
meiste Neue war auch diese Gründung kaum frei von Nachteilen,
hat aber doch ihre Existenzberechtigung erwiesen und sich er¬
freulich entwickelt; unzweifelhaft besitzen die Kreistierärzte
heute in diesem Verein eine vortreffliche Organisation. Hier¬
nach war es aber selbstverständlich, daß auch die Schlachthof¬
tierärzte und endlich die Privattierärzte nach einer ähnlichen
Organisation strebten. Für die letzteren war es am schwersten,
■ und ich habe damals persönlich eingegriffen, weil anscheinend
niemand da war, der die Initiative mit Gewicht vertreten konnte.
Daß man die Berechtigung auch dieser Verbandsgründung hat
bestreiten wollen, ist mir immer unverständlich geblieben, denn
was dem einen recht ist, ist doch dem andern billig; übrigens
hat mir dieser Widerspruch erst recht die Notwendigkeit be¬
wiesen. Die Entwicklung dieses Verbandes vollzieht sich
naturgemäß langsamer bei dem Mangel an innerer Geschlossen¬
heit, und weil sich unter den in praktischer Tätigkeit stehenden
Kollegen schwer solche finden, die Zeit und Neigung haben, die
stille Arbeit auf sich zu nehmen; auf das große Wort in Ver¬
sammlungen kommt es nicht an. Aber auch dieser Verband
wird sich schon auswachsen, wenn er nicht, was immerhin
möglich wäre, bei der Einführung der Kammerorganisation
entbehrlich wird. Jedenfalls hat er jetzt mit der Aktion beim
Seuchengesetz gezeigt, wozu er da ist.
Der in jenen Vereinsgrtindungen schon ausgeprägte Gegen¬
satz zwischen beamteten und privaten Tierärzten ist kein
persönlicher, sondern im wesentlichen ein wirtschaftlicher; auch
Rücksichten auf das persönliche Ansehen spielen mit hinein.
Ein solcher Gegensatz wird in einem Stande schon dann auf-
treten, wenn es dem einen Teil sehr viel besser geht als dem I
andern, und deshalb muß eben, wenn in einem Stande die Einheit
gewahrt bleiben soll, nicht bloß ein Teil, sondern die Gesamtheit
vorwärts kommen. Auch unter den Ärzten hat sich ein ähnlicher
Gegensatz herausgebildet, wenn auch nicht so scharf, weil die ,
Privatärzte schon durch ihre Zahl ein größeres Gewicht haben.
Bemerkenswert ist dabei der Hinweis Krügers (B. T. W. Nr. 7,
S. 125) darauf, wie viele Nebenämter den Kreisärzten reserviert
werden. Die Verteilung derselben auf die innerhalb des Kreises
wohnenden und persönlich zweifelsfreien Privatärzte würde
diesen eine sehr wesentliche wirtschaftliche Unterstützung
gewähren. Es ist doch fraglich, ob es berechtigt und zweck¬
mäßig ist, wenn der Staat außerhalb des rein amtlichen Gebietes
unmittelbar oder mittelbar so sehr für die wirtschaftliche
Förderung seiner Beamten auf Kosten privater Angehöriger
desselben Standes bedacht ist.
Die Kollision zwischen den Kreistierärzten und den Privat¬
tierärzten ist nun aber jetzt herbeigeführt worden durch die
ja nicht zu bestreitende außerordentliche Erweiterung des
Wirkungsbereiches der Veterinärpolizei. Diese Erweiterung
war ja gegenüber dem alten Seuchengesetz von 1880 zum Teil
schon durch Verordnungen herbeigeführt, soll aber doch erst
jetzt gesetzlich und für alle Zeiten festgelegt werden. Überdies
zieht das neue Gesetz namentlich die Tuberkulose ganz neu in
semen Bereich, und endlich ist ja nicht zu verkennen, daß wir
noch lange nicht am Ende stehen. Daß vielmehr die nächste
Zukunft über den heutigen Gesetzentwurf hinausgreifen wird,
ist bei Brustseuche und Druse schon so gut wie sicher, bei
Kälberruhr und Kälberpneumonie, beim seuchenhaften Ver-
kalben usw. ja auch immerhin denkbar, für die Hunderäude ja
auch schon verlangt.
Wenn gegenüber diesem unabsehbaren Anwachsen der
veterinärpolizeilichen Befugnisse den Privattierärzten „angst
und bange“ wird und sie bei dem vorliegenden Gesetzentwurf
ihrer allzugroßen Einschränkung vorzubeugen suchen, so ist
dies nicht allein ihr selbstverständliches Recht, sondern es muß
eigentlich auch den Veterinärbeamten verständlich erscheinen,
selbst wenn diese einen anderen Standpunkt einnehmen. Von
den Vorschlägen der in Nr. 7 der B. T. W. publizierten Eingabe
des Verbandes der Privattierärzte an den Reichstag und den
Einwendungen im einzelnen mag hier abgesehen werden; aber
das Prinzip und die allgemeinen Einwendungen mögen einer
kurzen Betrachtung unterzogen sein.
Man hat eingewendet, daß die Eingabe eine Gefahr herauf¬
beschwören und eine Schädigung des tierärztlichen Standes im
Gefolge haben könne. Ich will davon absehen, daß eine gewisse
Geneigtheit besteht, alles das, was einem nicht paßt, als
Schädigung der Gesamtheit zu stigmatisieren. Natürlich hat
aber jeder Gegensatz unter uns eine Gefahr in sich und eben
deshalb hätte man rechtzeitig den Ausgleich versuchen sollen,
da die Frage seit 1902 in der Diskussion stand. Die beamteten
Tierärzte haben sich aber auf eine strikte Ablehnung des ganzen
Gedankens beschränkt, sie können es daher den Privattierärzten
nicht verdenken, wenn sie jetzt an eine andere Stelle sich
wenden.
Herr Kreistierarzt Plessow hat in der B. T. W. (Nr. 8
S. 149) gemeint, die Privattierärzte hätten doch warten
sollen, wie sich unter dem neuen Seuchengesetz die Verhältnisse
gestalten würden. Nein, das durften sie nun ganz gewiß nicht
I tun! Wenn sie überhaupt etwas erreichen wollten, so war es
jetzt unbedingt Zeit, denn jetzt fällt die Entscheidung. Wenn
das Seuchengesetz erst fertig ist, und der Bereichjder Veterinär¬
polizei so wie beabsichtigt und wünschenswert abgegrenzt ist,
, dann ist auch das Prinzip der Seuchenbekämpfung mindestens
wieder für die nächsten 25 Jahre festgelegt. Wenn daher die
Beteiligung der Privattierärzte bei der Bekämpfung gewisser
Seuchen prinzipiell (nicht bloß in dringenden Ausnahmefällen,
woran natürlich gar nichts gelegen ist) auch nur ermöglicht
werden soll, so muß der § 2 des Gesetzes geändert werden;
denn auf Grund dieses Paragraphen mußten bisher die be¬
treffenden Wünsche der Privattierärzte abgewiesen werden, das
Gesetz stand ihnen eben entgegen. Bleibt das Gesetz unver¬
ändert, so bleibt auch der bisherige Zustand, und die Tierärzte
brauchten dann gar nicht abzuwarten, was kommen wird — sie*
wissen das heute schon. Aus gleichem Grunde ist die von
Prof. Malkmus in der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift
geäußerte Ansicht unrichtig, daß die Privattierärzte sich nicht
jetzt an den Reichstag, sondern nach dem Zustandekommen des
Gesetzes an die Landesregierungen hätten wenden sollen.
An den bisher durch den § 2 zugelassenen Ausnahmen liegt,
f>. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
183
wie gesagt, den Privattierärzten gar nichts; sie wollen eine
begrenzte, aber innerhalb dieser Grenzen allgemeine Be¬
teiligung, die . heute nach §2 unzulässig ist und es daher
auch in Zukunft geblieben wäre, wenn nicht eben der Reichstag
den § 2 ändert.
Wenn der Reichstag diese Änderung beschließen sollte, so
ist das ein prinzipieller Erfolg; im einzelnen ist damit freilich
noch nicht viel gewonnen, wenn auch der Willensausdruck
des Reichstags immerhin seine Wirkung doch wohl nicht ganz
verfehlen wird. Das ist ja aber vollkommen richtig, daß die
Bestimmungen über die Mitwirkung der privaten Tierärzte
von der Instruktion des Bundesrates und von gewissen An¬
ordnungen der Landesregierungen abhängig bleiben. Die Privat¬
tierärzte mögen sich also später auch noch an die Landes¬
regierungen wenden; zuvor aber mußten sie sich unbedingt um
die Umgestaltung des Gesetzes kümmern. Wenn die Privat-
tierärtzte einmal — und ich glaube, nicht mit Unrecht —
glauben, daß ihre Stellung wie ihre Einnahmen durch das An¬
wachsen der amtstierärztlichen Tätigkeit beeinträchtigt würde,
so mußten sie das jetzt geltend machen, andernfalls hätten sie
bisher nur Spiegelfechterei getrieben und sich lächerlich gemacht.
Daß diese Aktion kommen würde, ist z. B. auch im Branden¬
burger Verein ausgesprochen worden. Daß der Boden für
dieselbe nicht ungünstig ist, bewies schon die erste Verhandlung
im Reichstage. Es ist für die Privattierärzte sehr erfreulich,
daß die konservative Fraktion, also die Hauptvertretung der
Landwirtschaft, sich den Antrag ihrer Petition zu eigen gemacht
hat. Es ist aber auch sehr bezeichnend, daß sämtliche Ärzte, die
das Wort ergriffen haben, für die Wünsche der Privattierärzte
eintraten; die Ärzte empfinden eben am eigenen Leibe ähnliches.
Früher mögen von den Privattierärzten teilweise über¬
triebene Wünsche ausgesprochen sein, andererseits mögen die
Kreistierärzte sich übertriebene Vorstellungen von den Be¬
strebungen der Privattierärzte gemacht haben. Die Eingabe
schafft jedenfalls Klarheit über das, was erstrebt wird. Danach
beanspruchen die Privattierärzte keineswegs ihre Beteiligung an
der allgemeinen (prophylaktischen) Veterinärpolizei und Vete¬
rinärkontrolle, und es sind nur einzelne Seuchen, bei denen sie
beteiligt werden wollen. Diese Seuchen sind dadurch charak- j
terisiert, daß sie neu unter das Gesetz kommen, daß sie all¬
gemein verbreitet sind, daß sie keine einschneidenden
Maßregeln erfordern oder vertragen, daher auch keiner be¬
sonderen Amtsautorität zur Überwindung heftiger Widerstände
benötigen.
Warum soll die Ermittlung dieser Seuchen und die Über¬
wachung der Maßregeln durch nichtbeamtete Tierärzte denn
nicht möglich sein? Die Unmöglichkeit zu behaupten, heißt
noch nicht sie beweisen. Der Befähigungsnachweis für gewisse
Funktionen ist eben durch die Fachprüfung erbracht. Daß
der Staat sich zur Durchführung staatlicher Maßregeln privater
Personen bedient, ist doch nichts Neues; dieselben werden
dadurch nicht Beamte, und auch die Privattierärzte werden
nicht dann Beamte, wenn ihr ärztliches Urteil, z. B. bei Tuber¬
kulose, als genügend angesehen und die von ihnen ausgestellte
Bescheinigung über die Durchführung der Maßregeln als gültig
akzeptiert wird. Würden sie Veterinärbeamte, so würden sie
ja alle Rechte wie die Kreistierärzte erhalten, und das können
sie natürlich nicht und wollen sie auch gar nicht. Die Ver¬
mehrung der Zahl der Veterinärbeamten würde den Kreis¬
tierärzten am allerwenigsten gefallen. Wenn man übrigens
die Bekämpfung einer Seuche durch den beamteten Tierarzt
gewissermaßen als einen höheren Grad ansieht, würde es doch
mit der ganzen Entwicklung unsrer Veterinärpolizeigesetzgebung
nur übereinstimmen, wenn man bei allgemein verbreiteten
Seuchen mit dem milderen Grade anfängt; zeigt die Erfahrung,
daß es nicht geht, so können später immer noch die Zügel
straffer angezogen werden, wie das ja auch seit 1880 gegen¬
über der Lungenseuche, der Maul- und Klauenseuche usw. all¬
mählich geschehen ist. Bei der Tuberkulose ist speziell der
Einwand gemacht worden, daß man die Schätzung nicht dem
Privattierarzt überlassen könne. Warum denn nicht? Wenn
die beiden anderen Schätzer Privatleute sind, warum soll nicht
auch der Arzt ein Privatmann sein? Der „Über-Schätzer“ würde
sehr bald erkannt werden und eine etwa steigende Beliebtheit
in der Praxis mit dem wachsenden Mißtrauen der Behörde und
bald mit Maßregelung bezahlen müssen. Im übrigen wäre dann
auch der Einwand berechtigt, daß man den beamteten Tierarzt
nicht innerhalb seiner Privatpraxis abschätzen lassen dürfte.
Endlich kommt gerade bei der Tuberkulose vielleicht die Ab¬
schiebung der Tiere in die Schlachthäuser in Frage, so daß
die Schätzung gar nicht dem praktizierenden Tierarzt zu¬
fallen würde.
Ein Einwand muß jedenfalls von vornherein auf das ent¬
schiedenste abgewiesen werden: man komme nicht damit, daß
die Privattierärzte nicht zuverlässig genug seien, oder daß der
Staat keine Mittel habe, ihre Zuverlässigkeit zu kontrollieren.
Den ersten Einwand muß uns allen unsere Selbstachtung ver¬
bieten. Damit wird keineswegs ausgesprochen, daß nicht unter
den Tierärzten, wie unter allen anderen Ständen, sogar eine
größere Zahl unzuverlässiger Elemente sein können. Solche
Elemente auszuschalten, muß die Möglichkeit bleiben; in dem
Anträge der Petition heißt es nicht umsonst: „können über¬
tragen werden“. Nur muß die Unzuverlässigkeit erwiesen sein.
Dies festzustellen, ist der Staat durchaus in der Lage; so gut
wie er die tierärztlichen Fleischbeschauer kontrolliert, kann er
auch die Tierärzte in ihrer Tätigkeit bei den betreffenden
Seuchen kontrollieren. Die Übernahme solcher öffentlichen
I Tätigkeit ist daher auch — das werden die Privattierärzte
nicht verkennen — ein zweischneidiges Schwert, und daß das¬
selbe mit aller Strenge gegen den Privattierarzt, der sich Ver¬
fehlungen zuschulden kommen läßt, gebraucht werden wird,
davon kann man vollkommen überzeugt sein. Freilich dürfte
die Beurteilung des einzelnen Tierarztes hinsichtlich seiner
Untauglichkeit zu öffentlicher Tätigkeit nicht bloß von einem
einzelnen, auch nicht vom Departementstierarzt abhängen, es
würde vielmehr vorkommendenfalls auch die künftige Tierärzte¬
kammer zu hören sein, damit der wenigstens theoretisch
möglichen Willkür ein Riegel vorgeschoben wird. Als übrigens
im Jahre 1880 das erste Seuchengesetz kam und einen viel
kühneren Schritt tat wie das heutige, weil es etwas ganz
Neues schuf, da waren die damaligen Kreistierärzte auch nicht
das, was die heutigen sind, viele von ihnen waren viel¬
mehr amtlich wenig fähig und persönlich nicht einwandfrei.
Auch die Kreistierärzte haben sich erst in sich selber reinigen
müssen, und sie haben das getan, vielleicht gerade weil man
nicht zögerte, ihm wichtige Funktionen zu übertragen, sie haben
es getan unter dem Einfluß, den die Steigerung ihrer Stellung,
damit ihrer Verpflichtung und des Bewußtseins derselben auf
184
sie nach in moralischem Sinne ausgeübt hat: es wächst eben
der Mensch mit seinen höheren Zwecken. Auch die Privat¬
tierärzte werden, wenn ihnen eine teilweise öffentliche Tätigkeit
anvertraut wird, hieraus die Veranlassung nehmen, immer mehr
auf sich zu halten und Ungeeignetes abzustoßen.
Der Einwand, daß die Maßregeln nicht durchgeführt werden
würden, wenn nicht amtliche Autorität die Durchführung über¬
wache, ist unbewiesen; da es sich nicht um einschneidende
Maßregeln handelt, ist das nicht anzunehmen. Der pflichttreue
Privattierarzt wird sich das auch nicht gefallen Tassen, und
jedenfalls wäre dies abzuwarten. Übrigens wird eine allgemeine
Kontrolle dem Kreistierarzt leicht Vorbehalten werden können, wie
ihm selbstverständlich auch die Übersicht über alle Seuchenfälle
im Kreise gesichert bleiben muß.
Besonders oft ist der Einwand gemacht worden, die Privat¬
tierärzte würden gar nicht geschädigt und betrieben daher ihre
Opposition bloß aus Unverstand oder bösem Willen. Hierin
sind die Privattierärzte nun aber eben einstimmig anderer
Ansicht, und das müssen sie doch wohl am besten wissen.
Schreibt mir doch auch ein befreundeter Kreistierarzt, die
Privattierärzte wollten sich bereichern. Das heißt doch zu- |
geben, daß das Streitobjekt eine Einnahmequelle ist. Dem
Trost, daß der Kreistierarzt bei weiterer Steigerung seiner
Amtstätigkeit keine Privatpraxis mehr werde ausüben können,
ist nicht recht zu trauen. Das wird er doch tun, und das soll
er auch tun; nichts wäre unerwünschter, als den Kreistierärzten
die Privatpraxis zu unterbinden, in manchen Gegenden ist das
gar nicht möglich. Gewiß läßt sich auch gegen das damit ver¬
bundene Assistentenwesen manches sagen, aber auch der Assistent
ist in vielen Fällen unentbehrlich und für ihn muß dann die Privat¬
praxis die Kosten aufbritigen. Deshalb glaube ich nicht daran,
daß die Kreistierärzte auf die Privatpraxis allgemein einmal
verzichten würden. Je häufiger sie übrigens auf die Gehöfte
kommen, umsomehr haben sie ja Gelegenheit, die Privatpraxis
ganz nebenbei auszuüben f sie können sich Wünschen des Be¬
sitzers in dieser Hinsicht gar nicht entziehen. Wie die Gelegenheit
zu solchen tierärztlichen Requisitionen mißbraucht wird, das
ergibt sich auch deutlich aus dem sehr interessanten Referat
des Kreistierarztes Traeger bei der Versammlung der beamteten
Tierärzte (vgl. B. T. W. Nr. 0 S. 167); denn was er dort für
die zwecklose Zuziehung des Ergänzungsbeschauers und ihre
Gründe konstatiert, das wird auch nicht selten für die Zuziehung
des Kreistierarztes wegen Seuchenverdachts gelten.
Es ist in letzter Zeit unverkennbar auf beiden Seiten eine
gewisse Neigung zur Verständigung hervorgetreten. Man hat
versucht, gegenseitige persönliche Beziehungen der Vereins¬
leitungen anzuknüpfen. Auch Gegner der Bestrebungen der
Privattierärzte beginnen eine gewisse Berechtigung derselben
anzuerkennen, ja zuzugeben, daß bei manchen Seuchen eine
allgemeinere Mitwirkung der Privattierärzte vielleicht unent¬
behrlich sein werde. Preuße sagt, daß es für die Privat¬
tierärzte bedauerlich sei, wenn das Gesetz auf dem alten Stand¬
punkt stehen bleibe; Professor Malkmus ist zwar ein Gegner
des Bestrebens der Privattierärzte, unterzieht dasselbe jedoch
in Nr. 8 der „Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift“ einer
sachlichen Würdigung. Auch ich glaube, daß, wenn beim § 2
und dann bei der Instruktion des Bundesrates die Wünsche der
Privattierärzte eine gewisse Berücksichtigung erfahren, die Streit¬
axt wird begraben werden können. Die Kreistierärzte werden
No. 10.
bald einsehen, daß jene Wünsche weder unberechtigt waren,
noch deren Erfüllung sie selber schädigt.
Daß die Beteiligung der Privattierärzte zu weit gehen
könnte, brauchen die beamteten Tierärzte gewiß nicht zu
fürchten; davor schützt sie schon die gewaltige Übermacht,
durch welche sie selber bei der Schaffung des Gesetzes vertreten
sind. Es ist ja doch keine Frage, daß die Staatsregierung über¬
wiegend geneigt ist, die Stellung ihrer Beamten zu betonen,
und daß vor allen Dingen sämtliche tierärztlichen Sach¬
verständigen, die bisher an dem Gesetz beteiligt waren und
später beteiligt sein werden, nur sehr wenig — ich muß sagen:
bedauerlich wenig — geneigt sind, sich in die Wünsche der
Privattierärzte hineinzudenken. Von einer Einschränkung des
bisherigen amtstierärztlichen Geschäftskreises kann überhaupt
keine Rede sein, auch muß die allgemeine Übersicht und Leitung
den Kreisveterinärbeamten gewahrt bleiben. Das eine muß man
selbstverständlich von den Amtstierärzten verlangen, daß sie
den Grundsatz: „Leben und leben lassen“ anerkennen und den
nichtbeamteten Kollegen nicht eine Minderstellung anweisen
wollen.
Schließlich wollen wir doch die Zukunft bedenken, denn
für sie ist doch das neue Gesetz bestimmt. Daß dieses den
Kreistierärzten eine gewaltige Arbeit bringt, das erkennt auch
Rust an (Versammlung des Vereins beamteter Tierärzte, B. T. W.,
Nr. 9 S. 165). Die Pauschalierung der Reisekosten ist für die
Kreisärzte durchgeführt und daher von den Kreistierärzten kaum
mehr abwendbar. Unter ihrer Wirkung dürften die Kreistierärzte
die Mitwirkung der Privattierärzte vielleicht bald ganz anders
beurteilen als gegenwärtig. Dazu kommt ein zweites: die in
Zukunft anzustöllenden KretsticTl^zte werden all« ein
Dezennium lang Privattierärzte sein müssen, ehe sie
eine Kreistierarztstelle erhalten; ihnen wird daher alles, was
zur Hebung der Stellung des Privattierarztes geschieht, ebenfalls
zugute kommen, und zwar in ihren jungen Jahren, die nicht
die schlechtesten im Leben und für die Entwicklung entscheidend
sind. Wenn deshalb unter den gegenwärtigen Kreistierärzten
eine erklärliche Opposition besteht, die zukünftigen werden
keinen Grund zu derselben haben.*) Endlich aber bin ich der
Überzeugung, daß der Kreistierarzt, gerade dadurch, daß die
Privattierärzte des Kreises neben ihm und zwar mit beschränkten
Rechten, tätig sind, erst recht eine erste Stellung unter seinen
Kollegen einnehmen wird, daß sein Übergewicht nicht ver¬
mindert, sondern gesteigert wird. Wie schon oben gesagt: die
Übernahme öffentlicher Tätigkeit ist ein zweischneidiges Schwert.
Wenn die Privattierärzte mit Recht wünschen müssen, sich
dieser Aufgabe zu unterziehen, so können sie die damit ver-
*) Von den derzeitigen jüngeren Kreistierärzten sind sehr viele
etwas zu früh, zum Teil ohne überhaupt selbständige praktische Tier¬
ärzte gewesen zu sein, in ihr Amt gekommen und dadurch in ihrem
Urteil beeinflußt. Es ist in mehr als einer Hinsicht ein Vorteil,
daß dies jetzt auders wird. Früher konnte man nach dem Examen
auch ohne besondere Qualifikation so leicht und schnell eine
Kreistierarztstelle oder eine Schlachthofleitung bekommen, daß der
Mehrzahl der Gedanke an die feste Begründung einer Privatpraxis
ganz entschwand, daß man die paar Jahre bis zur Übernahme des
Amtes als eine unbequeme Zwischen- oder Karenzzeit auffaßte.
Nicht die mindere Betonung der praktischen Ausbildung an den
Hochschulen, sondern das übermäßige und verfrühte Angebot
amtlicher Stellen hat die Neigung zur Praxis und deren Wert¬
schätzung zum Sinken gebracht.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
5. März im
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
185
bundene Abhängigkeit usw. bloß deshalb leicht nehmen, weil
sie nichts Neues mehr, sondern schon durch die Fleischbeschau
begründet ist.
So ist zu hoffen, daß in einiger Zeit der Gegensatz
zwischen beamteten und privaten Tierärzten sich wieder aus¬
geglichen haben wird. In einem Dezennium wird es sich zeigen,
daß die Erfüllung der Wünsche der Privattierärzte die beamteten
keineswegs schädigt. Sollte man aber diese Wünsche nach wie
vor völlig beiseite setzen, so wird in 20 Jahren an die Stelle
des praktischen Tierarztes der Tierheiler sich gedrängt haben.
Das ist meine feste Überzeugung.
Das neue 6ehaltsregulativ in Bayern.
(Wochenschrift für Tierheilkunde und Viehzucht.)
Nach dem dieser Tage publizierten Entwürfe des neuen
Gehaltsregulativs für bayerische Staatsbeamte sind für im Staats¬
dienste stehende Tierärzte die folgenden Grund- und Höchst¬
gehalte vorgeschlagen :
Anfangsgehalt des Landestierarztes im Ministerium des
Innern 8400 M., Höchstgehalt vom 13. Dienstjahre ab 11 400 M.
Anfangsgehalt der ordentlichen Professoren der Tierärzt¬
lichen Hochschule, der Kreistierärzte, des Landesznchtinspektors,
Landgestütstierarztes, der Landstallmeister und des Gestüts¬
direktors 6000 M., Höchstgehalt vom 13. Dienstjahre ab 8400 M.
Anfangsgehalt der außerordentlichen Professoren der Tier¬
ärztlichen Hochschule 3600 M., Höchstgehalt vom 13. Dienst-
jahre ab 6000 M.
Anfangsgehalt eines Professors (Tierarzt) der Akademie
für Landwirtschaft und Brauerei Weihenstephan 5400 M.,
Höchstgehalt vom 13. Dienstjahre ab 7800 M.
Anfangsgehalt der Bezirkstierärzte (einschließlich des
Bezirkstierarztes bei der Polizeidirektion), der Gestütstierärzte
sowie des tierärztlichen Lehrers an der Akademie Weihenstephan
3000 M., Höchstgehalt vom 16. Dienstjahre ab 6000 M.
Uber die Pauechalierouf der Reisekosten und Tagegelder der Kreisärzte.
Im Abgeordnetenhause (Sitzung vom 28. Februar 1908)
machte der Kultusminister Bemerkungen über die für die Kreis¬
ärzte bereits beschlossene Pauschalierung. Die Pauschalierung
sei auf einer durchaus günstigen Grundlage erfolgt, günstiger
als bei anderen Beamten, und zwar so, daß 90 Proz. der im
Jahre 1905 entstandenen Gesamtkosten in den Fonds hinein¬
gegeben sind; davon waren 80Proz. verteilt und 10Proz. in
Reserve behalten, um solchen Beamten, die zu einer besonders
gesteigerten Reisetätigkeit genötigt waren, nachträglich Zu¬
schüsse zu geben. Die Angemessenheit der jetzigen Amts¬
unkostenentschädigung werde zurzeit einer noch nicht beendeten
Prüfling unterworfen. Für die Pensionierung werde in Zukunft
anstatt des bisherigen dreijährigen Gebührendurchschnittes eine
feste, für alle nicht vollbesoldeten Kreisärzte gleichmäßige
Summe von 2 250 M. dem pensionsfähigen Gehalte zugerechnet.
Es wird also dasselbe Prinzip eingeführt, welches für die Kreis¬
tierärzte von vornherein bestand, nur daß die Zurechnungssumme
um 300 M. höher ist als bei den Kreistierärzten. Der Minister
teilte ferner mit, daß noch in dieser Session die Vorlage eines
Gesetzes betreffend die Gebühren der Kreistierärzle erfolgen
solle, und daß nach dem Zustandekommen dieses Gesetzes die
Abänderung des jetzigen Etatsvermerks über die Pensionierung
eintreten werde. Die Anregung, das Beamtenfürsorgegesetz von
1903 auf die Kreisärzte auszudehnen, werde in wohlwollende
Erwägung genommen.
Etat des Militärveterinärwesens.
Nach einer Mitteilung der Zeitschrift für Veterinärkunde
ist in der Budgetkommission des Reichstags auf eine Anfrage
hin die Auskunft erteilt worden, daß ein Veterinäroffizierkorps
wird geschaffen werden in Ausführung der Kabinettsorder von
1903 beim Übertritt der ersten Abiturienten in das Heer. Es
wird also nicht bloß an dem Veterinäroffizierkorps, sondern auch
an dem von vornherein in Aussicht gestellten Zeitpunkt (1909)
festgehalten.
Aus dem preußischen Abgeordnetenhause.
In der Sitzung vom 24. Februar trat der konservative Ab¬
geordnete Hirth warm für einen weiteren Ausbau des Veterinär¬
institutes in Breslau ein, indem er hervorhob, daß die schlesischen
Landwirte dem Leiter desselben, Professor Casper, besonders
dankbar seien, daß er in Breslau geblieben sei, und daher
befürwortete, den Genannten durch die Weiterentwicklung seines
Institutes und seiner Stellung in Breslau zu erhalten.
Aufbesserung der Kommunalbeamten-Gehftlter.
Die Minister des Innern und der Finanzen haben in einem
gemeinsamen Erlaß die Kommunalverwaltungen darauf hin¬
ge wiesen, daß die Aufbesserung der Gehälter der Staatsbeamten
auch eine entsprechende Erhöhung des Einkommens der Kommunal¬
beamten werde nach sich ziehen müssen.
Persönliche Auszeichnungen.
Seine Hoheit der Herzog von Sachsen-Meiningen hat
dem Landestierarzt Oberleutnant der Landwehr a. D. Hofrat
Dr. Gustav Vaerst zu Meiningen den erblichen Adelsstand,
den dessen Vorfahren aufgegeben hatten, wieder verliehen.
Der Rektor der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden,
Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Ellenberger, ist zum
Mitglied der Kaiserlich Leopoldinisch-Karolinischen Akademie
der Naturforscher ernannt worden, eine wissenschaftliche Ehre,
die schon einmal dem Leiter der Dresdener Schule, dem ver¬
storbenen Geheimrat Leise ring, zuteil geworden ist.
Dem Direktor der Tierärztlichen Hochschule zu Stuttgart,
Dr. Sußdorf, ist das Ehrenkreuz der Württembergischen Krone
verliehen worden, das den Dekorierten für seine Person zur
Führung des Adelsprädikates berechtigt.
Der Landestierarzt von Elsaß-Lothringen, Regierungsrat
Feist, ist zum Geheimen Regierungsrat ernannt worden.
Der technische Leiter des Veterinärwesens in Österreich,
k. k. Ministerialrat Anton Binder, ist zum . Wirklichen
Ministerialrat ernannt worden.
Bern.
In Bern fand eine Abschiedsfeier für den Professor der
Tierzucht an der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität,
Dr. Kraemer, statt. Der Dekan der Fakultät, Professor
Guillebau, sowie die Professoren Merti undOncken und der
Bauernsekretär Laure und noch einige andere hielten Ansprachen,
in welchen die Verdienste des Scheidenden warme Anerkennung
fanden. Professor Kraemer siedelt nach Berlin über, indem
er einem Ruf der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde
folgt. Seine Aufgabe wird darin bestehen, die wissenschaftlichen
Arbeiten dieser im Aufblühen begriffenen Gesellschaft zusammen¬
zufassen und zu leiten. Professor Kraemer übernimmt auch
einen Vortrag an der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin.
186
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
Anerkennung des Schweizer Dr. med. vet. in Hamburg.
Der Senat der freien und Hansastadt Hamburg: Hat den
im Staatsgebiet ansässigen Tierärzten, welche bisher in der
Schweiz den Grad des Dr. med. vet. erworben hatten, allgemein
die Führung des Doktortitels gestattet.
Tierärztliche Hochschule zu Berlin.
Auf Veranlassung des neuen Ordinarius der Physiologie
gebe ich bekannt, daß am 1. April die Stelle eines Assistenten
für einen jungen, strebsamen Und befähigten Tierarzt am Physio¬
logischen Institut offensteht. Es handelt sich darum, hier eine
neue Physiologenschule zu begründen, und es liegt gewiß im
allgemein wissenschaftlichen, wie insbesondere im tierärztlichen
Interesse, daß geeignete Veterinärmediziner sich diese Ge¬
legenheit zunutze machen und sich physiologischer Ausbildung
und Betätigung zuwenden. Schmaltz.
Tierärztliche Hochschule München.
Am 15. Februar gab der S. C. (Korps Normanuia und
Vandalia) sein alljährliches Ballfest, welches S. K. H. Prinz
Alfons, der von seinem Adjutanten, Königlichen Kämmerer
Oberst Freiherrn v. Reitzenstein begleitet war, mit seiner
Anwesenheit beehrte.
München.
Am 31. Januar ist der Geheimrat Dr. Karl v. Voit,
Professor der Physiologie an der Universität, im Alter von
76 Jahren gestorben. Seine außerordentlichen Leistungen auf
dem Gebiet der Stoffwechselphysiologie sind allgemein bekannt.
Der Tierärztlichen Hochschule zu München hat er Btets
besonderes Wohlwollen entgegengebracht und hat seinerzeit das
Gutachten bearbeitet, in welchem der bayerischen Staats¬
regierung schon im Jahre 1870 die Einführung der Universitäts¬
reife als Vorbedingung für das tierärztliche Studium empfohlen
wurde.
Hochschulfrequenzen.
Zu den Mitteilungen über die Frequenz der Tierärztlichen
Hochschulen im Wintersemester (B. T. W. 1907 S. 964) ist
noch nachzutragen, daß die Zahl der Neuimmatrikulierten in
in München 71 betrug, eine allerdings enorm hohe Ziffer.
Heidelberg.
Wie aus einer Mitteilung des Herrn v. Wasielewski an
einen Kollegen hervorgeht, sind im Institut für Krebsforschung
in Heidelberg Arbeitsplätze für Herren zur Verfügung, welche
sich mit dem Problem der Geschwulstforschung beschäftigen
wollen. Da, heißt es in dem Schreiben, die Tierärzte über ein
sehr reiches Material für experimentelle Forschung verfugen,
erscheint es besonders wichtig, ihre Mitarbeit zu erhalten. Auf
Wunsch des betreffenden Kollegen wird hierauf hingewiesen.
R. S. C.-Denkmal.
In Nr. 6 war mitgeteilt, daß der Rudolstädter S. ('. be¬
absichtigt, anläßlich seines 25jährigen Bestehens ein Denkmal
zu errichten. Von einem süddeutschen Korps ist jetzt angeregt
worden, für den Entwurf zu dem Denkmal eine offene künst¬
lerische Konkurrenz auszuschreiben und die etwa eingesandten
Entwürfe auf der im Mai zu eröffnenden Ausstellung deutscher
Studentenkunst in Stuttgart auszustellen. Dieser Gedanke ver¬
dient alle Beachtung. Es würden damit gleichzeitig die Korps
der tierärztlichen Hochschulen und damit diese selbst auf der
Ausstellung für deutsche Studentenkunst würdig vertreten sein.
Es soll zugleich die Gelegenheit benutzt werden, um auf diese
sehr verdienstliche Bestrebung, künstlerischen Geschmack in das
Studentenleben hineinzutragen, hinzuweisen. Zur Ausschmückung
der Kneipen, zu Erinnerungszeichen und Dedikationen bedarf
die Studentenschaft in der Tat einer großen Menge von Gegen¬
ständen, die ohne Erhöhung des Preises sehr wohl zu künst¬
lerischer Gestaltung sich eignen und dadurch gegenüber dem
bisher Üblichen sehr gewinnen können.
Vorlesungen für die Studierenden der Tierheilkunde an der Universität
Gießen.
Sommersemester 1908.
Prof. Dr. Elbs: Anorganische Experimentalchemie, Chemische
Übungen. Prof. Dr. Frank: Physiologie der Verdauung, des Stoff¬
wechsels und der Atmung. Prof. Dr. Gm ein er: Medizinische
Klinik, Diätetik, Allgemeine Therapie, Pharmazeutische Übungen,
Kursus der klinischen Chemie und Mikroskopie. Prof. Dr Geppert;
Arzneimittellehre, Rezepticrkunde für Veterinärmediziner. Prof.
Dr. Gisevius: Tierproduktionslehre. Prof. Dr. Hansen: Morpho¬
logie und Physiologie der Pflanzen. Kreisveterinärarzt Dr. Knell:
Poliklinik, Veterinärpolizei. Prof. Dr. König: Experimentalphysik
(Mechanik, Akustik, Wärme). Prof Dr. Martin: Einleitung in
die Anatomie der Haustiere, Embryologie der Haustiere, Ver¬
gleichende Anatomie und Histologie der Haustiere, Histologische
Übungen mit Demonstrationen, Beurteilungslehre des Pferdes
und der übrigen Arbeitstiere. Geh. Hofrat Prof. Dr. Neumann:
Organische Experimentalchemie, Chemische Übungen. Prof.
Dr. Olt: Kursus der pathologischen Histologie, Bakteriologischer
Kursus, Obduktionsübungen, Seuchenlehre, Praktikum für Vor¬
geschrittene und Anleitung zu wissenschaftlichen Arbeiten. Prof.
Dr. Pfeiffer: Allgemeine Chirurgie, Gerichtliche Veterinärmedizin,
Akiurgie, Krankheiten der Hufe und Klauen, Übungen mit dem
Augenspiegel, Chirurgische Klinik und Poliklinik. Geh. Hofrat
Prof. Dr. Spengel: Zoologie und vergleichende Anatomie, die
Parasiten des Menschen und der Haustiere.
Baden.
Die Disziplinarkammer der Tierärzte hat in der Sitzung
vom 19. November 1907 gegen den Tierarzt A. U. zu K. wegen
Verletzung der Berufs- und Standespflichten auf eine Geldstrafe
von 100 M. erkannt. Der Bestrafte war beschuldigt, anläßlich
des Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche in einem Stalle,
sowie durch die Art, in der er in mehreren Fällen Besitzer
kranken Viehs zum Verkauf desselben veranlaßte, sich einer
Verletzung seiner Berufs- und Standespflichten schuldig gemacht
zu haben.
Redaktionswechsel.
Professor Dr. Anacker, Departementstierarzt a. D., ist
wegen hohen Alters von der Redaktion der von ihm lange Jahre
hindurch herausgegebenen Zeitschrift „Der Tierarzt“ zurück¬
getreten. Die Zeitschrift, welche im wesentlichen Referate
bringt, wird jedoch fortbestehen, und ihre Redaktion ist von
Herrn Tierarzt Dr. Schwabe-Hamburg übernommen worden.
Koloniales Preisausschreiben.
Nach einer Mitteilung der Deutschen Tierärztlichen Wochen¬
schrift hat ein Kolonialfreund der Deutschen Kolonialgesellschaft
die Summe von 3000 M. zur Verfügung gesteUt für eine in den
Kolonien zu lösende wirtschaftliche Aufgabe. Diese Summe ist
verwendet worden zu einem Preiausschreiben für ein in großem
Maßstabe anzuwendendes Verfahren, mittelst dessen Rinder
gegen den Stich der Tsetsefliege geschützt werden können.
Der Gegenstand hatte bisher keine Bearbeitung gefunden, und
der Geber hat daher den Preis jetzt auf 6000 M. erhöht.
Einfuhr von Tieren in zoologische Gärten.
Das preußische Ministerium für Landwirtschaft hat be¬
sondere Vorschriften über die Einfuhr von Tieren für zoologische
5. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Gärten und Tierparks erlassen, die in dem Ministerialblatt der
Königlich preußischen Verwaltung für Landwirtschaft, Domänen
und Forsten vom Februar 1908 veröffentlicht sind.
Anzeigepflicht.
Für das Herzogtum Sachsen-Altenburg ist durch den Reichs¬
kanzler vom 1. März d. J. ab für die Gehirnrückenmarksentzündung
(sog. Bornasche Krankheit) und für die Gehirnentzündung der
Pferde die Anzeigepflicht eingeführt worden.
Internationale Ausstellung für Pferdeschutz.
Die Pferdeschutzvereinigung über ganz Deutschland ver¬
anstaltet im Bunde mit dem Deutschen Tierschutzverein und
dem Berliner Tierschutzverein in der Zeit vom 21. bis 28. Juni
in den Räumen der Philharmonie, Berlin, Bernburgerstr. 22/23,
eine Ausstellung, die sich auf folgende Gruppen erstrecken soll:
a) Pferdeschutz, b) Tierschutz, c) Der Dienst des Tieres für
den Menschen, d) allgemeine Tierzucht, e) Reit- und Fuhr¬
wesen, f) Tierbehandlung und Verpflegung, g) Tierasile,
h) Kunst und Literatur, i) Bekleidungsindustrie. Alle näheren
Auskünfte über die Beteiligung usw. werden durch das ständige
Bureau in der Philharmonie (Geschäftszeit täglich von 11 bis
12 Uhr) erteilt. Dem Ehrenkomitee gehört auch der Rektor
der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin an.
64. ordentliche Mitgliederversammlung des Tierärztlichen Landesvereins
in Württemberg 1908.
Die 64. ordentliche Mitgliederversammlung findet am Sonnabend,
den 4. April d. J., vormittags 10 l /a Uhr im Vortragssaal des
Landesgewerbemuseums (Eingang Kanzleistraße) in Stuttgart statt.
Tagesordnung:
1. Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden. Besondere Umlage für
das Jahr 1908.
2 . Kassenbericht des Kassierers.
3. Standesangelegenheiten in Württemberg. Referent: Herr Ober¬
amtstierarzt Metzger-Nagold.
18 T
4. Vortrag über „Die Aufgaben des Tierarztes in der Milch¬
hygiene“. Referenten: Herren Veterinärrat Kösler-Stuttgart,
Stadttierarzt Schenzle-Gmünd, Stadttierarzt Diener-Ravens¬
burg, Stadttierarzt Haug-Leutkirch.
5. Antrag der Tierärztlichen Gesellschaft zu Berlin auf Errichtung
besonderer Professuren für animalische Nahrungsmittelkontrollc
an den Tierärztlichen Hochschulen.
6. Antrag des Vereins süddeutscher städtischer und Schlachthof-
tierärzte, Landesgruppe Württemberg, auf Erweiterung ihrer
Befugnisse im Sinne unserer Eingabe an das Kgl. Ministerium
des Innern am 3. November 1904. Referent: Herr Stadttierarzt
Dr. Rößle-Ulm.
7. Mitteilungen aus der Praxis.
Um 27a Uhr findet im Rathauskeller ein gemeinschaftliches
Mittagessen statt (Preis des trockenen Kouverts 2,50 M.).
Die verehrlichen Vereinsraitglieder werden zu zahlreicher Be¬
teiligung freundlichst eingeladen.
Im Auftrag des Vereinsausschusses: Der derzeitige Vorsitzende:
Kösl er.
Einladung zur Versammlung des Verbandes der Privattierärzte in Preußen
Gruppe Brandenburg,
am Sonntag, den 15. März 1908, 11 Uhr vormittags im Restaurant
„Stadt Pilsen“, Unter den. Linden 13.
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten.
2. Berichterstattung über die letzte Delegierten-Versammlung
des Verbandes.
3. Fleischbeschaufragen:
a) Gebühren: Stellungnahme zu dem Beschluß des Landes¬
ökonomie-Kollegiums vom 7. Februar 1908;
b) Regelung der Vertretung bei Beurlaubungen;
c) Handhabung des § 7 des Fleischbeschaugesetzcs in den
einzelnen Bezirken.
4. Besprechung des Gesetzentwurfes betreffend Ausübung der
Heilkunde durch nichtapprobierte Personen und den Gcheim-
mittelverkehr.
5. Überwachung der Milchgewinnung und des Verkehrs mit
Milch durch Tierärzte.
Der Vorstand. I. A.: Loewner.
Staatsveterinärwesen.
Redigiert Von Veterinärrat Preuße.
Tagung des Kgl. prenß. Landes-Ökonomie-Kollegioms.
Am 5. Februar d. J. begann die diesjährige 11. Sitzungs¬
periode des Kgl. preuß. Landes-Ökonomie-Kollegiums, nachdem
am Tage vorher eine Vorstandssitzung vofausgegangen war.
Die ständige Kommission hatte auch im vergangenen Jahre
eine rege Tätigkeit entfaltet und eine Reihe von Vorlagen aus¬
gearbeitet, welche nun der Hauptversammlung zur Beschlu߬
fassung unterbreitet wurden. Unter dem Beratungsmaterial befand
sich auch wieder vieles, was für uns Tierärzte Interesse hat.
Hierauf näher einzugehen, muß bis zum Erscheinen des amtlichen
Berichtes Vorbehalten bleiben. Hier soll nur ganz kurz über
einige Verhandlungsgegenstände referiert werden. In der
Nachmittagssitzung des ersten Tages hielt der Landwirtschafts-
m inist er Herr v. Arnim-Kriewen eine längere Rede, in welcher
er eine Reihe von für die Landwirtschaft aktuellen Fragen
eingehend erörterte. Von Interesse für die Tierärzte ist der
Teil der Rede des Ministers, welcher sich mit der Viehseuchen¬
gesetzgebung beschäftigt. Hierzu führte er folgendes aus:
Nun darf ich mich vielleicht noch zur Frage der Viehseuchen¬
gesetzgebung äußern. Meine Herren, das Viehseuchengesetz, das
dem Reichstage vorliegt, enthält wesentliche Verschärfungen, Ver¬
schärfungen, die für den einzelnen vielleicht unangenehm fühlbar
werden können. Aber die Erfahrungen, die wir gerade im ver- i
gangenen Jahr und auch in diesem Jahre gemacht haben und
machen, weisen so bestimmt darauf hin, daß es nur durch ein ganz
scharfes Eingreifen möglich ist, die Viehseuchen und vor allen
Dingen die Viehseuche katexochen, die Maul- und Klauenseuche,
zu bekämpfen, daß eine Ausgestaltung der Gesetzgebung nach
dieser Richtung hin, so im allgemeinen Interesse liegt, daß der
einzelne die Unbequemlichkeiten, Härten und Schäden auf sich
nehmen muß. Ich bin überzeugt, daß, wenn wir jetzt nicht die
scharfen Maßregeln anwenden könnten, die allerdings tagtäglich zu
Reklamationen bei uns führen, bald ganz Deutschland von der
Maul- und Klauenseuche verseucht wäre. Daß es uns gelungen ist.
die Einbrüche von Frankreich, Holland und aus Rußland zu be¬
kämpfen, und daß es uns auch hoffentlich gelingen wird, den
neuerlichen Einbruch aus Rußland in Westpreußen und Ostpreußen
zu bekämpfen, das liegt ausschließlich daran, daß wir die Macht¬
mittel in Händen gehabt haben, energisch vorzugehen.
Aber ich muß hier aussprechen: Voll genügen diese Macht¬
mittel nicht. Wenn sie voll genügten, dann hätte eine derartige
plötzliche Verbreitung der Maul- und Klauenseuche, wie sie jetzt
z. B. in Ost- und Westpreußen stattgefunden hat, gar nicht Vor¬
kommen können. Wir haben dort von der Seuche erst erfahren,
nachdem eine ganze Anzahl von Fällen abgeheilt war, und Sie
können sich denken, welchen Einfluß so etwas auf die Verbreitung
der Seuche haben muß. Wir müssen die schärfsten Strafmaßregeln
haben, um diejenigen zu fassen, die die Seuchen verheimlichen und
damit das ganze Land und die ganze Landwirtschaft gefährden.
Eine zweite Frage, die in dem Reichsviehseuchengesetz neu
angeschnitten wird, ist die Frage der Bekämpfung der Tuber¬
kulose. Man will, wie Sie wissen, die Tuberkulose unter die
188
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Krankheiten aufnehmen, wegen deren eine Tötung der Tiere Btatt-
finden kann, und zwar die Tuberkulose, die als offene Tuberkulose,
als ansteckende und gefährliche Tuberkulose auftritt. Ich glaube
nicht fehlzugehen, wenn ich sage, daß die Tuberkulose uns im
großen und ganzen noch größere Opfer auferlegt als die Maul- und
Klauenseuche. Die Verluste, die ja nicht so sprungweise und
plötzlich, aber tagtäglich, möchte ich sagen, auftreten, sind so un¬
geheuer groß, daß es, ganz abgesehen von dem allgemeinen
Interesse der Volkshygiene, im landwirtschaftlichen Interesse
dringend geboten ist, daß ein energischer Kampf gegen die Tuber¬
kulose versucht wird.
Nach den bisherigen Erfahrungen — ich habe sie persönlich
bei mir gemacht —, ist es möglich, durch ein energisches Vor¬
gehen gegen alle ansteckungsfähige Tuberkulose die Tuberkulose
wesentlich einzuschränken, vielleicht auch zu tilgen, besonders
wenn wir allmählich dahin kommen, unser Nutzvieh gesünder zu
halten, wozu man glücklicherweise jetzt allgemein mehr und mehr
Ubergeht, schon gezwungen durch die Tatsache, daß das Magervieh,
das Jungvieh, die frischmilchenden Kühe, die man früher leicht zu¬
kaufen konnte, heute nicht leicht zu haben sind und daher mehr
durch eigene Aufzucht ergänzt werden müssen. Aus diesem Grunde
schon wird der einzelne Landwirt gezwungen sein, mehr darauf zu
sehen, daß er sein Vieh gesund erhält.
Von Interesse für die Tierärzte waren ferner in den Ver¬
handlungen drei Gegenstände: I
Statistik der Fleischpreise,
Kosten der Fleischbeschau,
Bekämpfung der Druse.
Über die Statistik der Fleischpreise referierten der Hof¬
besitzer Eng elbrech t-Obendeicli und Geh. Reg.-Rat Prof.
Dr. Ostertag. Folgender von den Berichterstattern gestellter
Antrag wurde einstimmig angenommen.
„Das Landes-Ökonomie-Kollegium beschließt, der Königlichen
Staaatsregierung für die Statistik der Fleischpreise folgende Leit¬
sätze zu empfehlen:
1. Die Notierung der Großhandelspreise für Fleisch muß sich
anlehnen an das Schema der Viehpreisnotierungen. Die für
Berlin bereits durchgeführte Statistik der Großhandelspreise
ist auf diejenigen Städte auszudehnen, in denen ein Fleisch¬
großhandel tatsächlich stattfindet.
2. Die alljährlich veröffentliche Statistik der Kleinhandelspreise
für 165 Marktorte der Monarchie ist beizubehalten.
3. Dagegen ist die allmonatlich veröffentlichte Statistik der
Kleinhandelspreise für 24 Marktorte, welche große praktische
Bedeutung hat, als ungenügend zu betrachten und durch eine
bessere Statistik zu ersetzen.
4. Diese Statistik hat nur die wichtigsten Konsumplätze auf-
zunehmeu, also die Großstädte und die Zentren der Industrie¬
bezirke.
5. Die Feststellung der Preise ist durch Sachverständige nach
genauer Anweisung vorzunehmen.
6. Die Feststellung der Preise hat zu erfolgen:
beim Rindfleisch für Keule, Bug und Bauchfleisch;
beim Kalb- und Hammelfleisch für Keule und Bug;
beim Schweinefleisch für Keule, Bug, Rttckenfett und
Kopf mit Beinen.
7. Die hiernach aufzunehmende Statistik der Kleinhandelspreise
für Fleisch hat nicht etwa den Zweck, den Verdienst des
Fleischers zahlenmäßig festzustellen; wohl aber kann sie über
die Bewegung der Fleischpreise und ihr Verhältnis zu den
Viehpreisen Aufschluß geben.“
Ein hierzu gestellter Zusatzantrag, der Herr Minister
möchte unabhängig von der Reichsstatistik jetzt bereits von
Staatswegen dem vorstehend genannten Antrag Folge geben,
wurde gleichfalls angenommen.
Eine sehr eingehende Erörterung hatte das Thema: „Die
Kosten der Fleischbeschau“ zur Folge. Hierüber referierte Graf
Rantzau und Generalsekretär Burkhardt. Von den Antrag¬
stellern wurde folgender Antrag eingebracht :
No. 10.
Das Landesökonomiekollegium steht mit Rücksicht darauf, daß
die Fleischbeschau eine im Interesse der Allgemeinheit getroffene
sanitäre Maßnahme ist, nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die
daraus erwachsenden Kosten auch von der Staatskasse zu tragen
sind. Er erhebt daher auch wiederum diese Forderung in . erster
Linie und wird auf dieselbe so lange zurückkoramen, bis diese
durchaus berechtigte Forderung der Landwirtschaft ihre Erfüllung
gefunden hat. Da aber die Aussicht auf Verwirklichung dieser
Forderung mit Rücksicht auf die Staatsfinanzen zurzeit außer¬
ordentlich gering zu sein scheint, so erklärt das Kollegium im Ver¬
folg seines Beschlusses vom 6./9. März 1907 für die Zwischenzeit
eine sofortige Abänderung der bisherigen Gebührenerhebung nach
der Richtung für unbedingt erforderlich, daß
1. der Gebührensatz für alle außerhalb der Schlachthausgemeinden
geschlachteten und der Schlachtvieh- und Fleischbeschau
unterliegenden Tiere für jede Tiergattung einheitlich für die
ganze Monarchie, mindestens aber für jede Provinz fest¬
gesetzt wird;
2. hierbei für ein Rind nicht mehr als 2 M., für ein Schwein,
einschließlich der Trichinenschau, nicht mehr als 1,20 M. und
für ein sonstiges Stück Kleinvieh nicht mehr als 40 Pf. er¬
hoben wird;
3. die Kosten der Ergäuzungsbeschau sowie der Stellvertretung
und sonstiger polizeilicher Ausgaben soll durch von den
Fleischbeschauern an die Ortspolizeibehörde abzuliefernde
Abzüge von diesen Beträgen, in gleicher Weise, wie es zurzeit .
bereits in Hannover üblich ist, aufgebracht und in bei den
Provinzial verbänden zu bildenden Fonds gesammelt werden;
4. soweit diese Fonds zur Deckung dieser Kosten nicht aus¬
reichen, hierfür Mittel des Staates eingestellt werden.
Die Königliche Staatsregierung bittet das Landes-Ökonomie-
Kollegium, die zur Durchführung dieser Neuregelung der Fleisch¬
beschaugebühren erforderlichen Änderungen der §§ 62 und 65 A. B.-J.
baldmöglichst zu veranlassen und eventuell auch eine gesetzliche
Änderung des § 14 des Ausführungsgesetzes zum Schlachtvieh- und
Fleischbeschaugesetz vom 28. Juni 1902 zu bewirken.
In der Debatte äußerte sich Gell. Ober-Reg.-Rat Schroeter
dahin, daß sich im Fleischbeschaugesetz allerdings einige schwache
Punkte gezeigt hätten, so seien z. B. die Bestimmungen über die
Untersuchung von Pökelfleisch mangelhaft; hier sollen Ver¬
besserungen vorgenommen werden, das Gesetz habe aber im
ganzen seine Schuldigkeit getan. Bei der Frage der Aus¬
dehnung der Fleischbeschau auf Hausschlachtungen handle es
sich nicht um sämtliche Hausschlachtnngen, sondern nur um die
HauB8chlachtnngen von Rindern, auf welche nur 3 Prozent aller
Rinderschlachtungeu entfallen. Eine Vereinheitlichung der
Fleischbeschau halte auch er für wünschenswert. Die Über¬
nahme der Kosten der Fleischbeschau auf die Staatskasse könne
er nicht in Aussicht stellen, es handle sich hier um so erhebliclie
Summen (10 bis 15 Millionen M.), daß die Staatskasse hiermit
nicht belastet werden könne. Eine Vereinheitlichung des
Gebührenwesens werde auch ohne gesetzliche Anordnung
erreicht werden können. Ein diesbezüglicher Initiativ¬
antrag aus dem Abgeordnetenhause wäre der Staatsregierung
sehr erwünscht. Vielleicht würde sich eine Vereinheitlichung
nach Provinzen empfehlen. Von Frhrn. v. Erffa wurde beantragt,
die Gebühren unter 2 des Antrages der Referenten für 1 Rind
auf 2,50 M., für 1 Schwein auf 1,50 M. und für ein Stück
sonstiges Kleinvieh auf 50 Pf. zu erhöhen. Frhr. v. Erffa
erklärte sich gegen die Übernahme der Fleischbeschaukosten auf
den Staat. Die Kosten der Ergänznngsbeschau seien nach seiner
Ansicht übermäßig hoch angesetzt. (? !) Der Antrag des Frhrn.
v. Erffa wurde abgelehnt, der Antrag der Referenten im
übrigen angenommen.
5. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
189
In der Xachmittagssitzung des zweiten Verhandlungstages
wurde über das Thema verhandelt: „Die Bekämpfung der Druse
unter den Pferden, insbesondere die Ausschreibung eines Preises
für ein wirksames Drusebekämpfungsmittel“.
Hierüber referierte der bekannte ostpreußische Pferde¬
züchter von Zitzewitz-Weedern. Die Druse hätte im Osten
in ihrer Verbreitung recht große Fortschritte gemacht. Von
30 000 in Ostpreußen jährlich geborenen Füllen fielen 15 Proz.
der Druse zum Opfer, dies sei für eine hauptsächlich Pferde¬
zucht treibende Provinz ein großes Opfer. Es sei verwunderlich,
daß gegen die Druse noch nichts getan worden sei. Referent
beantragt daher:
Der Herr Minister für Landwirtschaft ist zu bitten:
1. schleunigst einen maßgebenden Bakteriologen mit der Er¬
forschung der Druse in den östlichen Provinzen zu beauf¬
tragen und alle hierzu erforderlichen Mittel zur Verfügung
zu stellen,
2. für die Entdeckung eines Druse-Heilserums einen Preis aus¬
zusetzen.
In der Besprechung bemerkt Geh. Ob.-Reg.-Rat Schroeter,
daß der Herr Minister sich schon früher bereit erklärt habe,
ein bestehendes staatliches Institut, dem die Seuchenforschnng j
obliegt, mit der Untersuchung der Druse zu beauftragen. Von
der Aussetzung eines Preises könne er nicht viel halten, da die
Bekämpfung der Druse doch zweifellos durch eine Immunisierungs¬
methode erfolgen müsse. Diese könne nur von staatlichen In¬
stituten aus festgestellt werden.
Referent zog hierauf Abs. 2 seines Antrages zurück, Abs. 1
wurde angenommen. Pr.
Zinn Tollwutgesetz.
Gegen die Bestimmungen zur Bekämpfung der Tollwut in
dem neuen Viehseuchengesetz richten sich eine Anzahl Ein¬
gaben der kynologischen Vereine. Dieselben streben meist unter
anerkennenswerter Mäßigung nach folgenden Abänderungen:
1. Statt dreimonatiger Sperre eine zehnwöchige.
2. Soll zu dem § 38 an den Entwurf der Regierungsvorlage
folgender Zusatz gemacht werden: Zwischen gesperrtem und
nicht gesperrtem Gebiete kann eine „Zwischenzone“ eingeschaltet
werden, innerhalb welcher die Hunde entweder ohne Maulkorb
an der Leine zu führen sind, oder mit Maulkorb unter gewissen¬
hafter Überwachung frei laufen gelassen werden dürfen.
Besondere Aufmerksamkeit auch außerhalb unmittelbarer
Gefahr, ist der Überwachung des Hundewesens wandernder
Gruppen, z. B. der Zigeuner, zuzuwenden.
Sodann sollen mit Rücksicht darauf, daß der Wert der
Hunde außerordentlich gestiegen ist und daß die Hundezucht
in Deutschland sich sehr entwickelt hat, für solche Hunde, die
im Falle der polizeilich angeordneten Tötung nachträglich für
tollwutfrei befunden sind, eine Entschädigung gewährt werden.
Es handelt sich also bei diesen Angaben um Dinge, die
mit rein wissenschaftlichen Gründen und vom rein wissenschaft¬
lichen Standpunkte aus zu bekämpfen resp. anzuerkennen wären.
Einen eigenen Standpunkt nimmt jedoch die Eingabe der drei
kynologischen Vereine zu Kassel an die Reichstagsabgeordneten
ihres Kreises ein. Da dieselben für Tierärzte sehr interessante
Behauptungen aufstellt, so seien einige der wichtigsten Punkte
hier angeführt. Es heißt darin unter anderem: „Die amtliche
Statistik, welche die geplanten Verschärfungen rechtfertigen
soll, ist nicht einwandfrei. Sie beruht zum großen Teil auf den
Tollwutfeststellungen der beamteten Tierärzte, die wohl be¬
hördliche Amtshandlungen sind, gegen die es leider keine
Berufung gibt, die aber, weil sie streng wissenschaftliche Grund¬
lage vermissen lassen, nicht als Ergebnisse einer wissenschaft¬
lichen Untersuchungsmethode bezeichnet werden können, wie sie
sonst bei allen Fragen der öffentlichen Gesundheit als selbst¬
verständliche Unterlage gefordert wird und auch hier dringend
zu verlangen ist. Der Arzt, der Cholera bakteriologisch fest¬
gestellt, stützt sich dabei auf unbedingt sichere Untersuchungs¬
verfahren; das kann der Tierarzt bei Tollwut nicht; Cr kann
nur nach bestem Wissen ein Urteil abgebeu. Und so ist es dem
oft irrigen Ermessen des Tierarztes anheim gegeben, durch
seinen zunächst nicht zu erschütternden Spruch über Tausende
von Menschen und hochintelligente Tiere monatelang dauernde,
nicht endenwollende Belästigungen, Ärgernisse, körperliche
Mühsal und Qualen zu verhängen und bei weiteren Tausend
Angst und Schrecken zu verbreiten.
Den Landleuten fällt es niemals oder in den seltensten
Fällen ein, ihre Hunde ärztlich behandeln zu lassen; die
praktischen Kynologen und Hundekenner behandeln ihre Hunde
mit den besten Erfolgen selbst, so daß die praktischen Er-
I fahrungen, welche die meisten Tierärzte — abgesehen von den
eigentlichen Spezialisten — in Hundekrankheiten und Hunde¬
angelegenheiten haben, nicht sehr groß sein können. Daher ist
es anzustreben, daß in Hundeangelegenheiten neben den Tier¬
ärzten auch erfahrene Hundekenner gehört und beachtet werden.“
Ich überlasse es berufeneren Federn, zu diesen Ansichten
Stellung zu nehmen.
Stabsveterinär Dr. Goldbeck-Schwedt.
Nachweisung über den Stand der Tierseuchen in Deutschland
vom 15. Februar 1908.
Die Zahlen bedeuten die Kreise (Oberamtabezirke) ubw., eingeklammert die Gemeinden.
Maul- und Klauenseuche.
Regierungsbezirk usw.
bzw. Staat
(* = neu verseucht)
Kreise
Gemeinden
Gehöfte
Gegenüber d. 31. Jan.
Kreise
Gemein¬
den
Gehöfte
Preußen:
Königsberg ....
2
3
4
_ 2
- 13
- 18
Gumbinnen ....
1
1
1
- 2
- 9
— 12
Allenstein ....
1
1
1
_ o
- 7
— 11
Danzig.
1
2
2
0
- 5
— 6
Marienwerder . . .
4
21
32
— 1
— 5
- 6
Posen .
1
1
1
o
o
— 1
Bromberg ....
1
1
1
o
°
°
Breslau.
1
1
1
o
o
o
Aachen.
1
1
1
o
o
o
Preußen zusammen
13
32
44
- 7
- 39
- 54
Bayern:
Oberbayern*) . . .
7
13
23
— 3
- 10
— 18
Niederbayern . . .
1
1
1
° |
o
o
Schwaben ....
6
9
20
+ 1
o
+ l
Württemberg:
Neckarkreis . . .
1
1
1
o ■
— 1 1
— 2
Schwarzwaldkreis .
1
1
1
0
o
o
Donaukreis ....
4
8 i
10
o
o
o
Elsaß-Lothringen:
• !
Unter-Elsaß . . .
o
o
o
— 1
— 1
— 1
Zusammen
33 j
65 I
100
10 1
- 51 ;
- 74
*) Auf dem Schlachtviehhofe in München ist die Seuche am
29. Februar erloschen.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
1!MJ
Schweineseuche und Schweinepest
•
Regierungs¬
bezirk usw.
V
seu
©
•
2
w
er-
chte
ö
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C5
Auf je 1000 1
Gemeinden
waren verseucht'
Regierungs¬
bezirk usw.
V
seu
©
.2
1
er-
chte
k
*© g
©
o
Preußen:
Sigmaringen . . .
Königsberg ....
13
48
16
Waldeck.
1
1
Gumbinnen ....
6
13
4
Bayern:
Alienstein ....
5
7
4
Oberbayern ....
7
14
Danzig.
3
6
5
Niederbayern. . .
6
12
Marienwerder . .
11
29
13
Pfalz.
—
Berlin.
1
1
1
Oberpfalz.
—
—
Potsdam.
12
92
36
Oberfranken . . .
2
2
Frankfurt.
17
56
21
Mittelfranken. . .
—
—
Stettin.
7
13
7
Unterfranken. . .
1
1
Köslin.
11
24
12
Schwaben.
2
3
Stralsund.
1
2
2
Württemberg .
2
2
Posen..
24
85
25
Sachsen.
10
12
Bromberg.
13
70
31
Baden .
13
16
Breslau.
22
186
46
Hessen .....
4
8
Liegnitz.
20
123
43
Meckl.-Schwerin
7
19
Oppeln..
5
12
4
Meckl.-Strelitz .
2
3
Magdeburg . . . .
5
20
14
Oldenburg . . .
10
21
Merseburg ....
9
31
13
Sachs.-Weimar.
3
16
Erfurt.
5
25
43
Sachs.-Meiningen
1
3
Schleswig ....
16
43
20
Sach s.-Altenburg
1
1 ’
Hannover.
6
9
12
SachsJKob.-Got.
1
1
Hildesheim ....
3 j
7
10
Anhalt.
2
2
Lüneburg .
5
10
7
Braunschweig
6
31
Stade.
10
15
21
Schwarzb.-Sond.
—
—
Osnabrück ....
4
9
16
Schwarzb.-Rud.
—
—
Aurich.
1
1
3
Reuß ä. L.
—
—
Münster.
8
19
71
Reuß j. L.
1 j
2
Minden .
6
9
17
Schaumb.-Lippe
3
3
Arnsberg.
10
18
21
Lippe-Detmold .
6
11
Kassel.
12
54
82
Hamburg ....
2
2
Wiesbaden ....
9
39
41
Lübeck .
—
—
Koblenz.
10
32
30
Bremen.
—
—
Düsseldorf ....
8
27
63
Elsaß.
4
4
Köln.
4
4
14
Lothringen . .
—
—
Trier.
3
5
4
Aachen . .
1
2
5
Rotz.
Preußen: In den Reg.-Bez. Allenstein, Liegnitz, Magdeburg,
Arnsberg, Düsseldorf je 1 (1), Cöln 1 (2), Stadtkreis Berlin 1 (5),
in den Reg.-Bez. Potsdam, Stettin, Oppeln je 2 (2), Marienwerder 2 (3),
Bromberg 3 (3), Gumbinnen, Breslau je 4 (4), Posen 6 (6).
Bayern: Im Reg.-Bez. Niederbayem 1 (1).
Sachsen: Kreishauptmannschaft Leipzig 2 (2).
Hamburg: Stadt 1 (1).
Zusammen 42 Gemeinden (44 am 31. Januar 1908), davon 38
auf Preußen (37 im Januar).
Lungenseuche.
Preußen: In den Reg.-Bez. Marienwerder, Potsdam je 1 (1),
Stadtkreis Berlin 1 (2), im Reg.-Bez. Bromberg 3 (3).
Sachsen: In den Kreishauptmannschaften Chemnitz 1 (1),
Leipzig 2 (2).
Zusammen in 9 Gemeinden.
Gebrauchsanweisung für den Impfstoff gegen die Hämoglobinurie der Rinder.
Zweck der Impfung.
Die Impfung mit dem im Aufträge des Herrn Ministers für
Landwirtschaft, Domänen und Forsten im pathologischen Institute
der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin und in der tierhygienischen
Abteilung des Kaiser Wilhelms-Instituts zu Bromberg hergestellten
Impfstoffe ist eine Schutzimpfung und hat den Zweck, die Rinder
vor Erkrankung an Hämoglobinurie während des Wcidegangos zu
bewahren. Dagegen ist die Impfung bei Rindern, die bereits an
Hämoglobinurie erkrankt sind, nutzlos.
Auswahl der Rinder.
Es ist zweckmäßig, die Impfung vor dem Beginn des Weide-
ganges, etwa im Monat März vorzunehmen und alle Jahre zu
wiederholen. Zur Impfung können Rinder jeden Alters zugelassen
werden; doch empfiehlt es sich, die Rinder recht frühzeitig, wenn
möglich, schon in den ersten Lebensmonaten su impfen, denn junge
Rinder vertragen die Impfung am besten. Hochträchtige oder
fieberhaft erkrankte Rinder sind überhaupt von der Impfung aus-
zuschließcn.
Impfstoff.
Der Impfstoff kommt in Flaschen von 10 bzw. 50 ccm Inhalt
zur Versendung und ist an einem kühlen und dunklen Orte auf¬
zubewahren. Er ist nur acht Tage lang, den Tag der Absendung
mit eingerechnet, brauchbar.
Vor der Anwendung ist die Flasche vorsichtig zu schütteln.
Der Inhalt einer einmal geöffneten Flasche darf nur an dem Tage
gebraucht werden, an dem die Eröffnung stattgefunden hat, weil
der Inhalt nach der Öffnung verunreinigt wird und verdirbt.
Dosierung.
Die Menge des Impfstoffes, welche mit Hilfe einer Pravazschcn
Spritze unter die Haut am Halse eingespritzt wird, beträgt bei
jedem Rinde ohne Rücksicht auf das Alter 3 ccm.
Anwendungs weise.
An einer handtellergroßen Stelle des Halses werden die Haare
abgeschoren. Dann wird die abgeschorenc Stelle mit heißem
Seifenwasser gereinigt und schließlich getrocknet. In der Mitte
der so gereinigten Stelle wird die Kanüle der Pravazschen Spritze
durch die Haut gestochen.
Die Pravazschen Spritzen müssen vor jeder Füllung und die
Kanülen vor jeder einzelnen Einspritzung in kochend heißem Wasser
gereinigt werden. Die Reinigung mit desinfizierenden Substanzen
ist strengstens zu vermeiden.
Behandlung der Rinder nach der Impfung.
Die geimpften Rinder müssen 20 Tage lang nach der ImpfuDg
im Stalle gehalten werden und sind während dieser Zeit mit leicht
verdaulichen Nahrungsmitteln zu ernähren. Die Milch der geimpften
Rinder kann gebraucht werden.
Bezugsbedingungen.
Der Impfstoff wird nur an Tierärzte und bis auf weiteres unent¬
geltlich abgegeben. Den Tierärzten wird es zur Pflicht gemacht,
nur in Gegenden zu impfen, in denen die Hämoglobinurie alljährlich
auftritt. Ferner verpflichten sich die Tierärzte, den betreffenden
Instituten nach Schluß des Weideganges eine genaue Aufstellung
über das Ergebnis der Impfung zu übermitteln. Insbesondere sind
hierbei folgende Fragen zu beantworten:
1. Wieviel Tiere sind geimpft worden, darunter wieviel Kälber
und wieviel Kühe?
2. Wieviel von den Impflingen sind bereits in den Vorjahren
an Hämoglobinurie erkrankt gewesen?
3. Wieviel Impflinge sind infolge der Impfung sichtbar erkrankt,
und welche Krankheitserscbeinungen sind an ihnen beobachtet
worden?
4. Wieviel Impflinge sind trotz der Impfung während des
Weideganges an Hämoglobinurie erkrankt?
5. Wieviel nicht geimpfte Tiere, die dieselben Weiden benutzten
wie die Impflinge, sind an Hämoglobinurie erkrankt oder
gestorben, und wieviel Todesfälle sind in den Vorjahren
vorgekommen ?
Die Impfung hat in der Zeit vom 10.—20. April zu er¬
folgen und werden die Herren Kollegen, welche zu impfen beab¬
sichtigen, gebeten, bis zum 1. April das betreffende Institut unter
Angabe der Anzahl der Impflinge zu benachrichtigen.
Desinfektion auf Eisenbahnen.
Der Herr Minister für öffentliche Arbeiten hat unter dem
5. Oktober 1907 folgende Ergänzungsbestimmungen zu § 7
Ziffer 3 unter b £ der Ausführungsverordnung zum Reichsgesetz
5. März 1908.,
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
191
betreffend die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Vieh-
beforderongen auf Eisenbahnen vom 25. Februar 1876 erlassen:
„Bei Frostwetter sind die Rampen usw. nicht mit Wasser
abzuspülen. Zur Abspülung und Desinfektion ist vielmehr die
dreiprozentige Kresolschwefelsäurelüsung mit einem Zusatze von
0,5 kg Kochsalz auf je 10 1 Flüssigkeit zu verwenden. Reicht
dieser Zusatz bei strenger Kälte zur Verhinderung der Eisbildung
nicht aus, so ist er bis auf 1 kg zu erhöhen. Das Gemisch
ist mit einem Holzstabe so lange durchzurühren, bis das Koch¬
salz sich völlig gelöst hat. u
Gleich ähnlich lautende Verordnungen sind erlassen worden
für das Königreich Sachsen, Württemberg, Hessen, Mecklenburg-
Schwerin, Oldenburg, Sachsen-Altenburg, Anhalt, Schwarzburg-
Riidolstadt, Reuß j. L. und Lippe.
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau undViehhandel.
Redigiert von Glage.
Der Verbrauch an Flelsoh in Deutschland im Jahre 1907, verglichen mit
den drei Vorjahren.
Das Kaiserliche Statistische Amt veröffentlicht im „Reichs¬
arbeitsblatt“ eine eingehende Darstellung über den Verbrauch der
wichtigsten Lebensmittel in Deutschland und über die Schwankungen
der Preise im Inlande und Auslande während der letzten Jahre bis
zum Schluß des dritten Quartals 1907. Der erste Teil bezieht sich
auf das Fleisch und bietet ein anschauliches Bild über die Preis¬
bewegung und den Verbrauch bei diesem wichtigen Nahrungsmittel.
Es wird zunächst konstatiert, daß einem Rückgang der ge¬
werblichen Schlachtungen bei einigen Viehgattungen eine Steigerung
derselben bei anderen, namentlich bei Schweinen, in sehr ansehn¬
licher Höhe gegenübersteht. Die Steigerung beträgt bei diesen für
die ersten drei Quartale des laufenden Jahres gegenüber dem
gleichen Zeitraum von 1906 über 23 Proz., während «die Zahl der
' /’ -oft*'
i Schlachtungen von Rindern um 5,12 Proz. kleiner, die der ge-
| schlachteten Pferde um- 9,09 Proz. geringer ist als im Jahre 1906.
Sodann wird das Schlachtgewicht der Tiere, an denen die Schlacht¬
vieh- und Fleischbeschau vorgenommen wurde, berechnet, wobei
die Sätze des Deutschen Landwirtschaftsrats zugrunde gelegt werden:
für Bullen und Ochsen 350 kg Schlachtgewicht, für Kühe 250,
Jungrinder 150, Kälber 40, Schafe 22, Schweine 90, Ziegen 20,
Pferde 280 kg. Auf Grund dieser Sätze ergeben sich die unten¬
stehenden Gewichtsmengen Fleisch.
Zu diesen gewerblichen Schlachtungen sind nun die Haus¬
schlachtungen zu rechnen. Auf Grund der letzten Viehzählung
ergab sich für die Hausschlachtungen unter Zugrundelegung der
oben angegebenen Durchschnittsgewichte bei der Umrechnung der
Betrag von 9,91 kg pro Jahr und Kopf der Bevölkerung. Diese
Ziffer wird, da sonstige sichere Unterlagen nicht vorhanden sind,
als vermutlich richtiger Faktor angenommen, wenn sie natürlich
auch tatsächlich schwanken muß. Die Menge des als genu߬
untauglich beseitigten Fleisches ist dagegen in Abzug zu bringen
und wird für das Jahr pro Kopf der Bevölkerung auf 0,19 kg be¬
rechnet. Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse ergibt sich
folgende Entwicklung in dem Fleischvorrat und Fleischverbrauch:
Es entfielen auf den Kopf der Bevölkerung an Schlachtgewicht
aus den gewerblichen und Hausschlachtungen insgesamt:
im 3. Vierteljahr 1907 . 12,74 kg
„2. „ „.12,27 „
„1. „ „.12,81 „
„4. „ 1906 13,02 „
„3. „ ..11,86 „
„2. „ . „.11,63 „
„1. „ ........ 12,06 „
„ 4. „ 1905 12,60 „
„3. „ „. 12,12 „
„2. „ „.12,19 „
.1. „ „.12,31 „
4. 1904 . 14,06 „
„3. „ ..12,70 „
Bullen und
Ochsen
kg
Kühe
kg
Jungrinder
kg
Kälber
kg
Schafe
kg
Schweine
kg
Ziegen
kg
Pferde
kg
3» .Vierteljahr 1907 , . . .
93 856350
10(5 593 000
41618 550
43639120
15 573 030
337 468 860
786 640
7 617 400
2.
»
84 441 350
92 301 750
30 587 7(0
47 487 800
9 564 824
334 041390
3 578 360
7102 480
1.
83 316 100
98155 750
27 598 350
42 143 400
9 687 612
366 874 560
2 683 980
10 472 560
4.
„
1906 ....
88 778 200
101 797 750
35 066 400
35 696 200
12 778 656
361 121 760
2800 580
13 338 640
,3.
„ ....
95 959 500
98 801 500
38 705 250
40 359 160
16 332 866
279 882 180
829 700
7 399 280
2.
„
« • • • •
94 313100
98 165 000
33 351 150
50 167 080
10 695 058
268 372 260
| 3 419 920
8 121 400
T.
jj
r» ....
89 712 350
107 418 500
31681 800
42 107 480
10 689 030
291 445 380
1966 460
12191760
4.
1905 ....
89 636 050
106 676 750
39 321 900
36 524 480
14 469 884
312 456 780
! 2 607 020
14 725 480
3.
„
V «...
98 636 050
102037 750
40403000
41343 720
18 523 362
273 032 100
764700
: 8 095 640
2.
n
„ ....
94 186 750
101710 250
32 336 550
52 901 160
10 648 726
282 880 260
i 8 058 620
| 8 182 720
i.
„
Yt ....
89 248 950
103 439 000
27 952 950
44 914 600
9 952 734
303185 200
i 2153560 |
| 10 051720
4.
r>
1904 ....
92 620 500
102 690 750
32 965 950
39 973 040
13 411860
396 374 220
1 2 738 760
! 12 546 800
3.
r>
„ ....
95 982 250
94 794 750
36 971 700
42 913 400
16 906142
315 761 490
! 884 460
i 1
6 671 560
Auf den Kopf der Bevölkerung kommen folgende Gewichtsmengen als Ergebnis der gewerblichen Schlachtungen:
Bullen
und
Ochsen
kg
Kühe
kg
Jung¬
rinder
kg
Kälber
kg
Schafe
kg
Schweine
kg
Ziegen
kg
Pferde
kg
Fleisch
insgesamt
kg
3. Vierteljahr 1907 .
1,51
1,62
0,67
0,70
0,25
5,43
0,01
0,12
10,31
2. „ „ .
1,36
1,49
0,77
0,15
5,40
0,11
9,84
1. >1 „ .
1,35
1,59
0,45
0,68
0,16
5,94
0,04
0,17
10,38
4. „ 1906 .
1,45
1,65
0,57
0,58
0,21
5,87
0,22
10,59
3. * „ .
H 1 «
1,61
0,63
0,66
0,27
4,56
0,12
9,43
2. „ „ .
K ■
1,61
0,55
0,82
0,17
4,39
0,13
9,20
1- ,, „ .
M im
1,76
0,52
0,69
0,17
4,78
0,20
9,63
4. „ 1905 .
■ 1
1,76
0,65
0,60
0,24
5,16
0,04
0,24
10,17
3- „ „ .
1,64
1,69
0,69
0,69
0,31
4,53
0,13
9,69
2. „ „ .
1,57
1,69
0,54
0,88
0,18
4,71
. 0,14
9,76
I* W J’ ..
1,49
1,72
0,47
0,75
0,17
5,07
0,04
0,17
9,88
4. ,. 1904 .
1,56
1,71
0,55
0,67
0,23
6,65
0,05
0,21
1 11,63
3. „ .
1,62
1,59
0,62
i
0,72
0,28
I
5,32
!
0,01
0,11
10,27
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
192
Um den Verbrauch zu berechnen, ist noch der Überschuß der
Fleischeinfuhr über die Fleischausfuhr hinzuzufügen. Er betrug:
pro Kopf der
Bevölkerung
3.
Vierteljahr 1907
4 210 600 kg
0,07 kg
2.
,, „
4 381200 „
o
©
1.
,, ,,
7 320 900 „
0,12 „
4.
1906
10 916 600 „
0,18 „
3.
,, ,,
7 251 300 „
0,12 „
2.
,, ,,
6 338 900 „
0,10 „
1 .
„ „
20 985 000 „
0,35 „
4.
1905
19 607 900 „
0,32 ..
3.
„
8 322 000 „
0,14 ,,
2,
,, V
6 780 300 „
0,11
1 .
,, ,,
7 661600 „
0,13 „
4.
„ 1904
7 549 500 „
0,13 „
3.
„ „
5 397 700 „
0,09 „
Danach läßt sich die Entwicklung des Gesamtkonsums von in-
und ausländischem Fleisch auf den Kopf der Bevölkerung, wie folgt.
annähernd berechnen:
gewerb¬
liche
Schlach¬
tungen
Haus¬
schlach¬
tungen
Mehr¬
einfuhr
Gesamtverbrauch
abzüglich des
wegen Untauglich¬
keit vernichteten
Fleisches
3. Vierteljahr 1907
. . . .
10,31
2,48
0,07
12,81
2.
V!
9,84
2,48
0,07
12,34 j
1 .
1-0,38
2,48
. 0,12
12,931
4.
1906
10,59
.- 2.48
0,18
13,20 50 ’ 45
3.
,,
9,43
2,48
1 0,12
11,98)
2.
9,20
2,48
0,10
11,73 j
1.
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2,48
i 0,35
12,41 1 _ ,
4.
1905
• 10,17
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3.
9,69 |
. 2,48
I 0,14
12,26)
2.
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. 2,48
0,11
12,30 |
1 .
9,88
• 2,48
f (>,T3 •
12,44 1
4.
1904
11,63
2,48
0,13
! 14,19 1 51?72 kg
3.
”
10,27
2,48
0,09
1 12,79)
In dem Jahre vom 1. Juli 1906 bis dahin 1907 hat hiernach
der Gesamtverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung 50,45 kg, in
dem Jahre vom 1. Oktober 1906 bis dahin 1907 bereits wieder
51,28 kg betragen und gegenüber dem Jahre 1905/06 um 1,15 bzw.
(bei einem Vergleich der von Oktober bis September gerechneten
beiden Jahre) um 2,24 kg zugenommen.
Da das Gewicht von Schweinefleisch die Hälfte und mehr des
gesamten Fleischbedarfs ausmacht, hat das Kaiserliche Statistische
Amt die Entwicklung des Schweinefleischkonsums noch besonders
zur Darstellung gebracht. Die durch gewerbliche Schlachtungen
von Schweinen gelieferten Fleischmengen betrugen auf den Kopf
der Bevölkerung
im
3. Vierteljahr 1907 .
5,43 kg
2.
,, .
5,40 „
,,
L
,, .
5,94 „
4.
1906 .
5,87 „
3.
,, ......
4,56 „
2.
„ .
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I.
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4,78 „
4.
1905 .
5,16 „
,,
3.
,, .
4,53 „
j,
2.
,, .
4,71 „
,,
1.
,, .
5,07 „
1!
4.
1904 .
6,65 „
IJ
3.
v .
5,32 „
Setzt man die Ziffer der Hausschlachtungen unter Zugrunde¬
legung der Ergebnisse der letzten Viehzählung mit 2,24 kg für den
Kopf im Vierteljahr an, so ergibt sich für gewerbliche und Haus-
schlachtnngen von Schweinen zusammen folgende Entwicklung:
im 3. Vierteljahr 1907 .... 7,67 kg,
* 2. „ „ . . . . 7,64 „
im
1.
Vierteljahr 1907 . .
. . 8,18 kg,
p
4.
„
1906 . .
. . 8,11 „
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3.
„
yy
. . 6,80 „
„
2.
„
*
. . 6,63 „
,,
1.
„
„ • •
. . 7,02 „
,,
4.
„
1905 . .
. . 7,40 „
v
3.
„
„ • •
. . 6,77 *
„
9.
„
„ . .
. . 6,95 „
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1.
„
,,
. . 7,31 „
,,
4.
,,
1904 . .
. . 8,89 „
„
3.
» • •
. . 7,56 „ .
Hierzu tritt noch die Mehreinfuhr von frischem und einfach zube¬
reitetem Schweinefleisch. Alsdann ergibt sich folgende Entwicklung
des Gesamtverbrauchs an Schweinefleisch seit dem 1. Juli 1904
auf den Kopf der Bevölkerung:
3.
Vierteljahr 1907 . . .
. . . 7,69 kg
2.
,, ,, . . .
1.
V *
- . • 8,21 „ |
4.
„ 1906 . . .
• • - 8,17 „
3.
. . . 6,85 „ )
2.
1
. • - 7,15 „ 1
4.
„ 1905
■ . . 7,50 „
3.
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. . • 6,82 „ J
2.
„ „
. . . 6,99 „ ,
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- . - 7,34 „ 1
4.
„ 1904 . . .
. . . 8,93 „ I
3.
1 » »
. . . 7,59 „ J
30,88 kg
28,14 kg
30,85 kg.
Der Rückgang des Gesamtfleischverbrauchs pro Kopf beträgt
vom Jahre 1904/05 zum Jahre 1905/06, wde die obige Berechnung
zeigt, 2,40 kg, der Konsum an Schweinefleisch ist in dieser Zeit
auf den Kopf um 2,71 kg gefallen. Der Rückgang im Verbrauch
betrifft demgemäß vornehmlich das Schweinefleisch. Die niedrigen
Schweinefleischpreise im 4. Vierteljahr brachten wieder eine ent¬
sprechende Steigerung des Konsums, die bis zum 1. Vierteljahr 1907
anhielt. Vom Jahre 1905/06 zum Jahre 1906/07 stieg der Schweine-
fleischkonsumtyon 28,14 kg auf 30,88 kg und überschritt damit um
ein geringes die Zahl für das Jahr 1904/05.
Invalidenver8ichenmg8pflicht der Fleischbesohauer.
Beschluß des Reichs Versicherungsamtes
• vom 5. November 1907.
In der Beschwerdesache des Vorstandes der Landesver-
sicherungsanstalt N wider die Entscheidung des Königlichen Land¬
rats in N vom 23. Juni 1905, betreffend die Versicherungspflicht
des Fleischbeschauers N, hat das Reichsversicherungsamt auf
Grund des § 155 Abs. 1 Schlußsatz des Invalidenversicherungs¬
gesetzes beschlossen:
Unter Aufhebung der vorbezeichneten Entscheidung wird
der Fleischbeschauer N für versicherungspflichtig erklilrt;
die Gemeinde N ist verpflichtet, für den Genannten Beitrage
zur Invalidenversicherung zu entrichten.
Gründe.
Gegen die Entscheidung des Königlichen Landrats zu N vom
23. Juni 1905, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, hat der
Vorstand der Landes Versicherungsanstalt N rechtzeitig bei dem
Königlichen Regierungspräsidenten zu N Beschwerde erhoben und,
da es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handle,
beantragt, die Streitsache dem Reichsversicherungsamt zur Ent¬
scheidung zu überweisen. Diesem Antrag ist entsprochen worden.
Die Beschwerde ist begründet.
N ist Fleischbeschauer in der Gemeinde N, er ist als solcher
durch den Landrat des Kreises N bestellt und vereidigt worden ;
als Entschädigung für diese Tätigkeit erhält er aus der Gemeinde¬
kasse jährlich 1500 M. Die Vorentscheidung verneint die Ver¬
sicherungspflicht, da N nicht Angestellter der Gemeinde N sei:
erhalte er seine Belohnung auch aus der Gemeindekasse, so doch
nicht von der Gemeinde.
Das Reichs-Versicherungsamt hat früher mehrfach die nicht
in Schlachthäusern tätigen Fleischbeschauer als selbständige Ge¬
werbetreibende angesehen, indem es davon ausging, daß Fleisch-
5. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
193
beschauer mit Rücksicht auf § 36 der Reichs-Gewerbeordnung in
der Regel als Unternehmer zu erachten seien, und daß die für die
Ausübung ihrer Tätigkeit maßgebenden Polizeivorschriften nicht
geeignet seien, sie als Hilfspersonen der Polizeibehörden erscheinen
zu lassen (zu vergleichen die Revisionsentscheidungen 128 und
607, Amtliche Nachrichten des R. V. A. J. u. A. V. 1892 Seite 37,
1897 Seite 471). Dieser Standpunkt hat mit Rücksicht auf die
neuerliche Gesetzgebung insofern verlassen werden müssen, als
Fleischbeschauer, die in Württemberg als Einzelbeamte tätig waren,
als Gemeindeangestellte behandelt werden mußten (zu vergleichen
Entscheidung 1207, a. a. 0. 1905 S. 438). Es trifft auch im vor¬
liegenden Falle nicht mehr zu.
Nach § 1 des Reichsgesetzes, betreffend die Schlachtvieh- und
Fleischbeschau, vom 3. Juni 1900 unterliegen Rindvieh, Schweine,
Scliafe, Ziegen, Pferde und Hunde, deren Fleisch zum Genüsse für
Menschen verwendet werden soll, einer amtlichen Untersuchung.
Diese nimmt der Beschauer vor; er entscheidet, ob das Tier ge¬
schlachtet werden darf, und nach der Schlachtung, ob das Fleisch
zürn Genüsse für Menschen tauglich ist (§§ 7 bis 10 a. a. 0.) Die
Entscheidung ist in gewissen Fällen dem tierärztlichen Beschauer
Vorbehalten (Ausführungsbestimmungen des Bundesrats A §§11,
30, 31). Gegen die Entscheidungen des Beschauers — mit alleiniger
Ausnahme der Erklärung, daß der nicht als Tierarzt approbierte
Beschauer zur selbständigen Beurteilung des Schlachttieres nicht
zuständig sei — findet die Beschwerde statt (§ 46 der Ausfährungs-
bestimmungen A des Bundesrats, § 68 des preußischen Ministerial¬
erlasses vom 20. März 1003, Uber die die Ortspolizeibehörde be¬
ziehungsweise die nach § 69 des Ministerialerlasses zuständige
Behörde zu entscheiden hat.
Die Bildung der Beschaubezirke erfolgt in Städten mit mehr
als 10 000 Einwohnern sowie in den selbständigen Städten der
Provinz Hannover durch die Ortspolizeibehörden* im übrigen durch
die Landräte; denselben Behörden liegt die Bestellung und die
eidliche Verpflichtung der Beschauer ob. Die Bestellung erfolgt
unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs; jedoch können tierärztliche
Beschauer auf Kündigung oder für längere Dauer bestellt werden
(§§ 1 bis 6 des Ministerialerlasses). Die Tätigkeit der Beschauer
wird mehrfach als eine amtliche bezeichnet (§§ 1, 9 der Ausführungs¬
bestimmungen des Bundesrats B, §§ 5 Satz 1, 24 Abs. 2, 55 Abs. 1
des Ministerialerlasses). Für Preußen ist auch noch die amtliche
Untersuchung von Schweinen und Wildschweinen auf Trichinen an¬
geordnet worden (§ 1 des Gesetzes, betreffend-die Ausführung des
Schlachtvieh- und Fleischbeschaugcsetzes, vom 28. Juni 1902).
Die Kosten der Schlachtvieh- und Fleischbeschau — abgesehen
von den Kosten der Untersuchung in öffentlichen Schlachthäusern
und der sonst durch Gemeindebeschluß angeordneten Untersuchungen,
die der Schlachthausgemeinde zur Last fallen, gelten als Kosten der
örtlichen Polizeiverwaltung (§ 14 des preußischen Ausführungs¬
gesetzes). Zu diesen Kosten gehören nach der angeführten Be¬
stimmung und nach § 60 ff. des Ministerialerlasses vom 20. März 1903
die Belohnung der Beschauer, die Kosten der Kennzeichnung des
Fleisches, die Kosten der Trichinenschau, die den Beschauern etwa
zu zahlenden Wegevergütungen, sowie die Kosten der Ergänzungs¬
beschau. Zu ihrer Deckung können von den Besitzern der Schlacht¬
tiere und des Fleisches Gebühren erhoben werden, die so zu be¬
messen sind, daß die gesamten Beschaukosten gedeckt werden.
Die Entlohnung der Fleischbeschauer und der Trichinenschauer
kann sowohl durch Bewilligung fester Gehälter als auch durch
Gewährung von Vergütungen für die einzelnen Leistungen erfolgen.
Die Einziehung der Gebühren kann entweder durch öffentliche Kassen
geschehen oder den Beschauern überlassen werden. Die Festsetzung
der Gebührentarife ist den Landespolizeibehörden übertragen. Im
vorliegenden Falle ist hierzu der Königliche Regierungspräsident
in N zuständig, der die für die Vornahme der Beschau und der
Ergänzungsbeschau an den verschiedenen Tierarten zu zahlenden
Gebühren festgesetzt und angeordnet hat, daß die Gebühren zu
den Gemeindekassen zu vereinnahmen und von diesen den Be¬
schauern ausznzahlen sind (Verfügungen vom 8. März 1903 und vom
22. Juni 1904); jedoch sollen die Landräte darauf hinwirken, daß
mit den Laienfleischbeschauern, sofern sie aus der Beschau eine
Einnahme von mehr als 1 500 M. hatten, feste Jahresvergtttungen
vereinbart werden, wobei ein Jahresgehalt von 1 500 M. bei voller
Beschäftigung als angemessene Vergütung gelten soll (Verfügung
vom 25. November 1903). Daraufhin hat der Landrat des Kreises N
die Gemeindebehörden angewiesen, den Laienfleischbeschauern zu
eröffnen, daß ihnen vom 1. Januar 1904 ab eine höhere Entschä¬
digung als monatlich 125 M. nicht mehr ausgezahlt werde.
Die gesamte Tätigkeit der Beschauer unterliegt nach § 48 der
Ausführungsbestimmungen des Bundesrats A, §§ 75 bis 78 des
preußischen Ministerialerlasses vom 20. März 1903 einer fach¬
männischen Kontrolle. Eine allgemeine Dienstaufsicht ist nicht
angeordnet worden.
Den Beschauern können die polizeilichen Befugnisse insoweit
übertragen werden, als es sich nur um die unschädliche Beseitigung
einzelner Organe oder geringwertiger Fleischteile handelt, und der
Besitzer mit dieser Beseitigung einverstanden ist (§ 67 Abs. 3 des
Ministerialerlasses).
Das Reichsgesetz betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau
bezeichnet die Untersuchung der Schlachttiere und des Fleisches als
eine amtliche; ebenso das preußische Ausführungsgesetz die Unter¬
suchung der Schweine und Wildschweine auf Trichinen. In den
vom Bundesrat erlassenen Ausführungsbestimmungen sowie im
preußischen Ministerialerlaß vom 20. März 1903 wird die Tätigkeit
der Flei8chbcschauer als eine amtliche anerkannt. Eine amtliche
Untersuchung im Sinne der angeführten Vorschriften ist nur eine
solche, die durch einen amtlich bestellten Fleischbeschauer in
seinem Bezirke vorgenommen wird; nur durch eine solche Unter¬
suchung wird den gesetzlichen Anforderungen genügt; insbesondere
befreit nur die Untersuchung durch einen approbierten Tierarzt,
der zugleich von der zuständigen Behörde zum amtlichen Fleisch¬
beschauer bestellt ist und in dieser seiner amtlichen Eigenschaft
die Untersuchung vorgenommen hat, gemäß § 5 des preußischen
AusfUhrungsgesetzes von der Nachuntersuchung in Gemeinden mit
Schlachthauszwang (zu vergleichen stenographische Berichte über
die Verhandlungen des preußischen Herrenhauses, Session 1902,
S. 425).
Auf Grund seiner Untersuchung gibt der Fleischbeschauer Er¬
klärungen ab, die als Entscheidungen erscheinen: er genehmigt die
Schlachtung, erklärt das Fleisch zum Genüsse für Menschen für
tauglich oder bedingt tauglich oder untauglich; in den beiden
letzteren Fällen beschlagnahmt er es vorläufig. Gegen seine Ent¬
scheidungen findet eine Beschwerde statt, die ausdrücklich als ein
Rechtsmittel bezeichnet wird.
Hiernach erscheint die Schlachtvieh- und Fleischbeschau als
eine amtliche Angelegenheit. Die dabei ausgeübte Tätigkeit ist
eine polizeiliche; im Hinblick auf ihre ortspolizeiliche Natur sind
die Kosten der Schlachtvieh- und Fleischbeschau ftlr das Königreich
Preußen als Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung erklärt und den
Trägern der örtlichen Polizeikostenlast auferlegt worden (zu ver¬
gleichen die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend
Ausführung des Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetzes, Druck¬
sachen des Hauses der Abgeordneten, 19. Legislaturperiode,
IV. Session 1902, Nr. 232, S. 26).
Hiernach ist in der neuerlichen Regelung des Beschauwesens,
so w'eit das Königreich Preußen in Betracht kommt, der Fleisch¬
beschauer lediglich ein Glied des amtlichen Organismus.
Da die Träger der Polizeikostenlast einerseits die Kosten der
Beschau tragen müssen, andererseits aber berechtigt sind, zur
Deckung dieser Kosten von den Besitzern der Schlachttiere und
des Fleisches Gebühren zu erheben, so empfangen die Fleischbeschauer
auch ihre Entlohnung auf Kosten dieser Träger. Das ist ohne
weiteres deutlich, wenn ihnen feste Gehälter ausgesetzt sind;
die Sache liegt aber versicherungsrechtlich nicht anders, wenn
ihnen die Erhebung der Gebühren übertragen ist, und sie aus den
Gebühren ihre Entlohnung entnehmen dürfen (zu vergleichen Ziffer 16
der Anleitung, betreffend den Kreis der nach dem Invalidcnversiche-
rungsgesetz vom 13 Juli 1899 versicherten Personen, vom 6. Dezember
1905 — Amtliche Nachrichten des R. V. A 1905 S. 613 ff. —. Ent¬
scheidung 1300—a.a.O. 1907 S.415—). Da also den Fleischbeschauern
ihre Vergütung für Rechnung der Träger der örtlichen Polizei Verwaltung
gezahlt wird, so sind diese im Sinne des Invalidenversicherungs¬
gesetzes als Arbeitgeber anzusehen (zu vergleichen die Begründung
194
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10.
zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Invaliditäts- und Alters¬
versicherung — Drucksachen des Reichstags, 7. Legislaturperiode,
IV. Session 1888/89, Nr. 10, Seite 42 — und z. B. die Ent¬
scheidungen 849, 1152 — Amtliche Nachrichten des R. V. A. 1900,
S. 831, 1904, S. 508). Hiernach ist die Gemeinde N. Arbeitgeberin
des Fleischbeschauers N. Dagegen scheint allerdings der Umstand
zu sprechen, daß er nicht von der Gemeindeverwaltung angestellt,
sondern vom Landrate „bestellt“ und vereidigt worden ist; indessen
muß im Hinblick auf die sich häufig findende Erscheinung, daß
Kommunalbeamte nicht von dem Kommunalverbande, in dessen
Dienst sie treten, sondern von einer anderen amtlichen Stelle mit
verbindlicher Kraft für den Kommunalverband angestellt werden
(zu vergleichen die Aufzählung bei von Rönne, Staatsrecht der
preußischen Monarchie, 5. Auflage, Band I, S. 433), angenommen
werden, daß lediglich aus Zweckraäßigkeitsgrtlnden die Bestellung
und eidliche Verpflichtung der Fleischbeschauer den Landräten über¬
tragen worden ist, und daß dadurch das aus anderen Erwägungen
sich ergebende Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Träger der
Polizeiverwaltung und dem Fleischbeschauer nicht berührt wird. So
ist auch lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen die Festsetzung der
Gebührentarife nicht den Trägem der Polizeikostenlast überlassen,
sondern in die Hand der Landespolizeibehörde gelegt worden (zu
vergleichen Begründung zum Entwürfe des Ausführungsgesesetzes
S. 27). Ebensowenig kann entscheidend sein, daß den Trägem der
Polizeikostenlast gegenüber den Beschauern nicht das Recht einer
allgemeinen Dienstaufsicht gegeben worden ist.
Auch die für die Durchführung der Schlachtvieh- und Fleisch¬
beschau in Preußen zuständige Stelle, nämlich der Minister für
Landwirtschaft, Domänen und Forsten, erachtet N. als in einem
Anstellungsverhältnisse zur Gemeinde N. stehend.
Die Vorbildung und Tätigkeit des Laienfleischbeschauers weist
! diesen dem Kreise der „sonstigen Angestellten“ im Sinne des § 1,
| Ziffer 2 des Invalidenversicherungsgesetzes zu (zu vergleichen Ent¬
scheidung 1207, Amtliche Nachrichten des R. V. A. 1905, S. 438).
I Danach ist N. — da er nicht als Beamter mit Pensionsanwartschaft
| angestellt ist und mithin der Befreiungsgrund des § 5, Abs. 1 des
Invalidenversicherungsgesetzes nicht zutrifft — versicherungspflichtig,
wenn seine Tätigkeit als Fleischbeschauer seinen Hauptberuf bildet
und sein Gehalt den Betrag von 2000 M. nicht übersteigt.
Er übt außer der Fleischbeschau nur noch die Trichinenschau
aus; aus der Fleischbeschau hat er eine jährliche Einnahme von
| 1500 M. und aus der Trichinenschau eine solche von 350 M.; er
| besitzt ein Haus im Werte von 4500 M.; sonstige Einnahmen hat er
nicht. Die Trichinenschau übt er nur in den Wintermonaten
| Oktober bis April aus, sie erfordert täglich durchschnittlich drei
| Stunden, die Fleischbeschau und die Trichinenschau zusammen er-
! fordern täglich durchschnittlich sechs Stunden. Hiernach bildet die
Fleischbeschau den Hauptberuf des N ; dabei kann dahingestellt
bleiben, ob auch die Trichinenschau ihn als sonstigen Angestellten
erscheinen läßt und dennoch für die Frage nach dem Hauptberufe
mit der Fleischbeschau zusammen zu betrachten ist (zu vergleichen
Entscheidung 970, Amtliche Nachrichten des R. V. A. 1902, S. 394)
oder nicht Denn einmal erscheint die Fleischbeschau, auch wenn
die Tätigkeit als Trichinenschauer gesondert zu betrachten ist, als
Hauptberuf des N., andererseits übersteigt sein Jahresarbeitsverdienst
| in keinem Falle den Betrag von 2000 M. Er ist hiernach in jedem
I Falle als „sonstiger Angestellter“ versicherungspflichtig.
Berlin, den 5. November 1907.
I Das Reichs-Versicherung8amt, Abteilung für Invalidenversicherung,
gez. Dr. Kaufmann.
Schlachtvieh- und Fleischbeschau In Deutschland Int IV. Quartal 1907.
(Zusammengestellt tm Kaiserlichen Statistischen Amt.)
Staaten
und
Landesteile
Provins Ostpreußen.
,, Westpreußen . . . .
Stadt Berlin . ..
Provlna Brandenburg . . . .
„ Pommern.
„ Posen .
„ Schlesien.
„ 8achsen . . . . . .
„ Schleswig-Holstein . .
„ Hannover ......
„ Westfalen.
„ Hessen-Nassau ....
„ Rheinland.
Hobenzollem . . . .
Königreich Preußen.
Königreich Bayern.
Königreich Sachsen.
Württemberg.
Baden .
Hessen.
Mecklenburg-Schwerin . . . .
Sachsen-Weimar.
Mecklenburg-Strelitz.
Oldenburg . ..
Braunschweig.
Sachsen-Meiningen.
Sachsen-Altenburg.
Sachsen-Koburg-Gotha ....
Anhalt.
Schwarzburg-Sonder8hausen . .
Schwarzburg-Rudolstadt . . .
Waldeck.
Reuß ältere Linie.
Reuß jüngere Linie.
Schaumburg-Lippe . . . . •.
Lippe.
Lübeck . . *.
Bremen.
Hamburg.
Elsaß-Lothringen . . ....
Deutsches Reich ....
Dagegen im 3. Vierteljahr 1907 .
„ „ 2. „ 1907 .
. - 1- . IM? •
Zahl der Tiere, an denen die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vorgenommen wurde
Pferde
und
andere
Einhufer
Ochsen
Bullen
Kühe
i
rinder
(Iber ; b,s
3 Moriatd alt
Schweine
Schafe
Ziegen
Hunde
695
1 073
1 1 611
1 8 058
i 7 825
14 066
109 190
34 895
1 362
298
8)6
! 2 330
7 168
1 5 169
13 646
91 291
12 076
2 221
1 —
3 233
20 016
! 9 075
( 4 118
9 227
40 191
303 156
107 951
74
_
3 147
5 293
9 328
25 959
12 564
48 266
245 610
22 964
2 748
81
790
345
i 2 905
1 8 670
3 354
21 652
98 454
21 119
809
j __
270
547
1 951
1 7 205
6 409
21 980
120 833
12 849
16 833
i
5 196
3 252
12 274
( 31 471
21 286
86 021
399 736
17 271
9 050
318
2 939
2 411
5 418
18 122
M 665
38 151
217 936
26 995
4 727
80
1 676
5 365
1 527
i 11 440
7 869
25 140
112 456
10 090
194
9
2 587
5 649
1 5 193
13 622
! 8 276
27 959
192 220
46 165
1 325
3 014
3 566
5 758
| 39 054
10 787
39 321
V56 916
9 732
3 473
4
1 025
8 556
1 663
17 964
I 19 713
! 45 385
317 197
19 505
4 972
—
5 275
22 054
6 867
, 04 749
26 317
90 540
460 084
38 820
10 699
14
—
82
24
367
i 5S7
! 1 063
2 250
79
41
—
30 145
79 025
65 924
257 967
1 141958! 513681
2 927 329 1 380 511
58 528
506
3 499
30 238
12102
53114
41 469
| 186 562
531990
56 931
9 292
133
3 968
9 072
8 861
35 760
5 796
103 284
377016
60171
44 319
1496
518
4 341
3 619
14 621
24 747
51472
140 914
12 96t
3 318
17
642
6 791
2 242
11487
20 369
45 868
136 199
5 749
3 318
_
601
4 914
438
9 941
10 194
18 379
96 647
5 251
6 413
—
522
203
1537
4 887
1978
21 616
47 722
8160
465
_
217
396
256
2 651
1643
6 277
25 896
4 224
1414
1
137
36
77
508
217
2 431
8 211
899
33
_
121
592
180
1987
1533
3568
34 537
3 262
177
_
146 |
436
2007
1463
2 390
6 333
105 418
5 772
202
_
124 1
313
154
2 063
1567
3 521
15 556
2133
384
_
101
71
274
2 533
528
3 600
16 643
1380
438
3
136
252
131
| 2363
1361
3 853
41850
4 732
8061
20
499
249
j 676
1 1462
612
3 769
27 739
2 486
630
113
10
50 |
38
i 1067
326
1537
14001
945
109
_
9 1
63;
60
641
494
1531
5 907
862
58
_
1 1
42 |
75
202
481
906
3 361
334
158
_
34
96
114
472
271
1233
6 880
2178
78
4
88 !
116 I
235
1535
677
2104
17 542
2129
382
6
20
7
29
301
103
478
1711
123
110
—
60 i
21 j
265
875
319
1188
8 274
327
204
—
247
99
290
2 216
388
3 689
13 794
1602
123
—
710 j
2 260
971
864
936
4005
33 617
3 665
49 j
_
1630 1
7 997 1
1363
1976
6 776
14 568 !
115 257
21697 i
56
_
1081 j
5 521 |
1226
19 224 |
6 459
37 631 |
91 359
14 673
1 475 1
—
45 266
153 201
103144
432180
273 572
1043 084
4 845 370
603 160
139 794
2 299
27 205
147 114
121 047
402372 |
277 457 1
1090 978
3 749 660 |
707 865
39 332
952
25 366
134 278
106 983
369 207 1
203 918 i
1 187 195
3 711 571
434 742
178 918
943
37 402
141 078
96 968
392 623 |
183 989
1053 585 ,
4076384
440 346
131699 ;
2 278
5. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
195
Berlin: Auszug aus dem Fleischbesehauberioht für die Monate Oktober bis Dezember 1907.
A.
Schlachthof
B. Untersuchungsstationen
Rinder
Jung¬
rinder
Kälber
Schafe
(Ziegen)
Schweine
Rinder¬
viertel
Kälber
Schafe
(Ziegen)
Schweine
Geschlachtet und untersucht.
33 209
9 227
40191
108 025
303156
10 559
12 578
567
11 376
Es wurden beschlagnahmt: ganz.
989
174
172
65
1770
86
173$
22
40
„ „ „ teilweise . . .
In der Zahl der beschlagnahmten ganzen Tiere
sind nicht enthalten:
13 787
1 310
499
18 860
61127
a) verendete Tiere.
1
__
1
5
85
—
—
—
—
b) ungeborene Tiere.
-
38
-
-
-
-
-
-
Wegen Tuberkulose beschlagnahmt:
s
„ „ minderwertig . . .
257
! 24
j 12
_
730
1
1 ~
—
1
„ „ bedingt tauglich . .
134
10
18 :
! 1 1
305
8
—
—
3
„ „ untauglich ....
68
4
4
i -:
24
6 i
j
—
4
Fleischviertel, verschieden beurteilt. . . .
117
13
16
! 1
92
-
—
—
—
Wegen Finnen minderwertig .
280
73
—
t —
13
—
—
—
„ „ bedingt tauglich . . . . .
52
| 20
5
i —
20
—
—
—
„ „ untauglich .
-
1
-
i
27
i
—
—
Wegen Trichinen bedingt tauglich ....
—
—
— ,
4
—
—
—
„ „ untauglich .
—
— j
1
—
15
— j
!
—
MilzbrandQbertragung in Gerbereien.
Zur Verhütung der Milzbrandübertragungen in Lederfabriken
und Gerbereien hat eine Konferenz im Reichsversicherungsamt
unter Zuziehung von Vertretern der Lederindustrie-Berufsgenoss'en-
scliaft und des Kaiserlichen Gesundheitsamts stattgefunden. Der
Vorstand der Berufsgenossenschaft legte eine Statistik über die in
diesen Betrieben in den letzten zwei Jahren beobachteten Milzbrand- 1
fälle vor und empfahl die Zustimmung zu dem daraufhin neuerdings
ausgearbeiteten Entwurf von Unfallverhütungsvorschriften zur Be¬
kämpfung der Milzbrandgefahr. Der Entwurf fand zwar im wesent¬
lichen Zustimmung, doch soll nach 3 Jahren^^pach . weiteren
statistischen Erhebungen die Frage der Erweiterung der Vorschriften
erneut geprüft werden. I
Tierseuchen -Anzeiger.
Das Reichs-Eisenbahnarat wird vom 1. April 1908 ab ein in
erster Linie für die Stationen bestimmtes Blatt herausgeben, einen
„Anzeiger für die den Eisenbahnverkehr betreffenden Maßnahmen 1
zur Abwehr und Unterdrückung der Tierseuchen“. In dem Anzeiger,
Röntgenstrahlen in der Fleischbeschau.
Berechtigtes Mißtrauen sind in die Angaben des französischen
Physikers Märtel zu setzen, der in der Pariser Akademie über Ver¬
suche berichtet, daß es vermittelst X-Strahlen möglich sei, Tuber¬
kulose bei Schweinen und Rindern zu diagnostizieren, basierend auf
dem Ca-Salzniederschlag der Drüsen. (Wie dann, wenn die Tuberkel¬
drüsen noch nicht verkalkt sind?) Die X-Strahlen gehen leicht
durch Ca-Salze. Marte 1 nahm daher einen Nerven und durch¬
leuchtete ihn; der gesunde Teil war durchlässig, der kranke nicht.
Märtel hat jedenfalls nicht den lebenden Tierkörper durchleuchten
können und diese Erfolge gehabt Die Durchleuchtung von Fleisch
geschlachteter Tiere hat aber für deu untersuchenden Tierarzt wenig
Wert. Der makroskopische Befund genügt. Andererseits -muß die
Untersuchung von Drüsen aber schon wegen des Verkalktseins oder
Nichtverkalktseins der Drüsen, stets durch Ausschneiden derselben
erfolgen. Dr. G.
Oldonburgisches Sohlaobthausgesetz.
Der Entwurf des oldenburgischen Abänderungsgesetzes bestimmt,
auf den auch Privatpersonen abonnieren können, sollen alle den
Eisenbahnverkehr berührenden veterinärpolizeilichen Anordnungen
inländischer und so weit sie von Interesse sind, auch ausländischer
Behörden zum Abdruck kommen, ferner die sonstigen den Vieh¬
verkehr betreffenden Maßnahmen (Tränkstationen usw.) Die Heraus¬
gabe erfolgt durch die Geschäftsstelle des Tierseuchen-Anzeigers
im Reichs-Eisenbahnamt.
Reichsland.
Wegen Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche in der Schweiz
wird das am 6. November und 17. Dezember v. J. erlassene Verbot
der Einfuhr und Durchfuhr von Rindvieh und Ziegen aus den
schweizerischen Kantonen Appenzell und St. Gallen mit sofortiger
Wirkung auch auf die Kantone Aargau, Glarus, Graubünden, Schwyz,
Tessin, Thurgau, Zürich, Zug und Wallis ausgedehnt. Verfügung
vom 8. Januar 1908.
Forderung des Deutschen Fleischerverbandes.
Der Deutsche Fleischerverband fordert in einer Eingabe in
Verfolg eines Beschlusses bei der Tagung in Hamburg die Auf¬
hebung der Tuberkulinimpfungen und der Quarantäne bei der
Einfuhr des dänischen Viehes.
Übertragung des Milzbrandes durch Leder.
In Bernstedt in Schlesien erkrankte ein Mädchen an Milzbrand.
Wie die Untersuchung ergab, hatte sie ein Stück Leder auf der
Schulter getragen, das von einem an Milzbrand eingegangenen
Rinde herstammte.
daß dasjenige Fleisch, welches an dem Schlachtorte bereits durch
approbierte Tierärzte untersucht worden ist, bei der Einführung
in eine oldenburgische Schlachtbausgemeinde nochmals, nur auf
Verdorbenheit oder nachträglich entstandene Gesundheitsschädliohkeit
untersucht werden darf. Ferner wird untersagt, das gesonderte
Feilbieten des eingeführten frischen Fleisches anzuordnen oder
dieses ganz zu verbieten. Bei der Beratung des Gesetzentwurfes
erklärte sich eine große Mehrheit der Ständeversammlung dafür,
daß auch das von nichttierärztlichen Fleischbeschauern beschaute
Fleisch bei der Einfuhr in Schlachthausgemeinden nur auf Ver¬
dorbenheit untersucht werden darf. Damit wird das von Nicht¬
tierärzten untersuchte Fleisch dem tierärztlich beschauten gleich¬
gestellt.
Betäubung des Schlachtviehs.
Durch Polizeiverordnung ist in Lippe bestimmtet worden, daß
bei gewerblichen Schlachtungen alle Tiere, ausgenommen Federvieh,
zu betäuben sind.
Aufirechterbaltung der Ordnung auf dem Sohlachthofe durch den
Sohlachthofdirektor.
Schlachthofdirektor M. in Königshütte hatte einen Viehhändler
wegen ungebührlichen Verhaltens durch einen Beamten von dem
Schlachthofe verweisen lassen und war von dem Händler wegen
Beleidigung verklagt worden, die bei dem Wortwechsel vorgekommen
sein sollte. Die Königl. Regierung erhob indessen zugunsten des
Schlachthofdirektors den Kompetenzkonflikt, welchen das Ober¬
verwaltungsgericht für begründet erklärte, indem anerkannt wurde,
196 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT._ No. 10.
daß M. als Schlachthofdirektor befugt und verpflichtet war, während
der Betriebszeit die Ordnung aufrecht zu erhalten und Personen
binauszuweisen, welche nach seiner Ansicht die Ordnung stören.
M. habe sich also in Ausübung amtlicher Tätigkeit befunden.
Neues Schlachthaus.
Das neuerrichtete Schlachthaus in Altdamm ist in Betrieb ge¬
nommen worden.
Kontrolle der Vieh- und Fleischpreise.
Das Kgl. Bezirksamt Rockenhausen in der Pfalz hat nach
einer Mitteilung in der „Allgemeinen Fleischerzeitung“, um die
Fleischpreise in richtigen Einklang mit den Viehpröisen zu bringen,
in den einzelnen Orten geeignete Persönlichkeiten beauftragt, über
.die Preise zu berichten. Die Fleischbeschauer haben den
Auftrag erhalten, bei der Fleischbeschau die Metzger zu befragen,
woher und von wem das Vieh gekauft ist, was es kostet und
wieviel es wiegt. Eventuell sollen die Fleischbeschauer selbst das
Gewicht abschätzen und versuchen, den Preis in Erfahrung zu
bringen.
Flel 80 hprelse.
Das im Kriegsministerium zusammengestellte Verzeichnis der
Beköstigungsgclder für die einzelnen Garnisonen für 1908 enthält
auch den Betrag für eine Fleischportion genau angegeben. Die
Fleischpreise sind hiernach im allgemeinen am teuersten in den
kleineren Städten, billiger in den großen. Die höchsten Preise
sind angesetzt für die Burg Hohenzollern,''Obergentringen und
Helgoland, der geringste für Sensburg. Die teuerste Garnison beim
Gardekorps ist Biesenthal, die billigste Berlin. Den Fleiscbpreisen
entsprechen im allgemeinen auch die Preise für Nahrungsmittel
| überhaupt.
Veröffentlichung der Fleischpreise.
Der Rat der Stadt Leipzig hat beschlossen, vom 1. Januar ab
monatlich Tabellen über die Vieh- und Fleischpreise aufzustellen
und im Amtsblatte zu veröffentlichen.
Preistafeln.
Wie in Gera ist auch in Leipzig die Verordnung, daß in den
Fleischereien Preistafeln auszuhängen seien, gerichtlich für ungültig
erklärt worden.
Lebende Fische zur Verproviantierung von Dampfern.
Zur Vervollkommnung der Verpflegung der Passagiere während
der Reise auf den Ozeandampfern hat die Hamburg-Amerikalinie
einen ihrer Dampfer versuchsweise mit Bassins ausgeBtattet, in
welchen lebende Fische transportiert werden sollen. Das Bassin,
welches 4,5 Kubikmeter Inhalt faßt, ist so konstruiert, daß auch
bei heftigen Schiffsbewegungen ein Ausfließen von WasBer und
Durchschütteln der Fische vermieden ist. Die bisher gemachten
Versuche mit Flußfischen verschiedenster Art sind sehr zufrieden¬
stellend ausgefallen, so daß in Zukunft mehr und mehr von der
Mitführung auf Eis konservierter Fische abgesehen werden kann.
Personalien.
Auszeichnung: Es wurde verliehen dem Professor Dr. Sussdorf,
Direktor der Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart, das Ritterkreuz
der Württembergischen Krone, mit dem der persönliche Adel ver¬
bunden ist.
Ernennungen: Veterinärbeamte: Dr. Joseph Müller , Assistent
a. D. med. Klinik der Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart zum
Hilfsarbeiter beimMedizinalkoHegium daselbst; Tierarzt Franz Lindner
ans Antdorf zum Distriktstierarzt in Neukirchen-Hl. Blut. —
Schlachthof Verwaltung: Die Tierärzte Friedrich Hohe- Dachau
und G. ÄttAw-Perlach zu Schlachthoftierärzten in München. —
Verzogen: Distriktstierarzt Hermann He//mw/A-Neukirchen-Hl. Blut
als solcher nach Burghaslach (Mittelfr.).
Niederlassungen: Tierarzt I^opold Homing aus München in Perlach.
Examina: Promoviert: Die Tierärzte Adloff- Berlin, Budnowski -
Spandau, Kurt Neumann- Johannisburg (Ostpr.) zum Dr. med. vet. in
Gießen; Max ffafemann, Oberveterinär im 18. UlaD.-Regt. Arthur
Fischer und Unterveterinär im 77. Art.-Regt. Ludwig v. Müller zum
Dr. phil. in Leipzig; Harry Schirop , Hoftierarzt ÄtcAter-Dessau und
Unterveterinär Sustmann , Assistent am pathologischen Institut der
Tierärztlichen Hochschule in Dresden zum Dr. med. vet. in Zürich.
— Approbiert: Die Herren Rudolf Hachor aus Lahna, Rudolf Pohl
aus Breslau, Otto Sauer aus Berlin in Berlin. Außer den bereits in
früheren Nummern der B. T. W. namhaft gemachten Herren die
Herren Georg Brechtei aus Pappenheim, Wilhelm Klump aus Darm¬
stadt, Alfred Meyhöfer aus Bailethen, Wilhelm Sommer aus Mann¬
heim und Paul Steinke aus Emmerich in Gießen. — Das
Abiturientenexamen haben nachträglich auf dem Königl.
Gymnasium in Jülich bestanden die Tierärzte Franz Tin*chert,
Schlachthofdirektor in St. Wendel und Jacob Traut /wann-Ulingen.
Todesfall: Tierarzt Gust. ATifoZ-Schöningen.
Vakanzen.
Staatstierarztstelle: Hamburg: Gehalt 9000 M., steigend bis
11 000 M. Bewerbungen höher gestellter Tierärzte mit wissenschaft¬
lichem Ruf bis zum 10. März an die Polizeibehörde.
Kreistierarztstelle: Nach Ablauf der Meldefrist noch un¬
besetzt: Reg.-Bez. Potsdam: Jüterbog-Luckenwalde.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält* in Berlin. -
Druck von W. 1
Bezirkstlerarztstelle: Nach Ablauf der Meldefrist noch un¬
besetzt: Gotha: Stadt- und Landratsamtsbezirk Ohrdruf.
Schlachthofstellen: a)Neu ausgeschrieben: Bremen: IV. Tier¬
arzt zum 1. April. Gehalt 2400 M. bis 3900 M Bewerb, an den
I Tierarzt für den Schlachthof. — Duisburg-Meiderich: I. Tier¬
arzt als Assistent des Direktors. Gehalt 30^0 M. Bewerb, bis
10. März an die Verwaltungsstelle Duisburg-Meiderich. — Erfurt:
Schlachthoftierarzt zum 1. Mai. Gehalt 3400 M. steigend bis 4900 M.
Bewerb, bis 12. März an den Magistrat. — Essen: Tierarzt zum
1. April. Gehalt'3500 M. steigend bis 5750 M. Bewerb, bis 10 März
an den Oberbürgermeister. — Gelsenkirchen: Assistenztierarzt
zum 1. April 1908. Anfangsgehalt 2700 M. Bewerb, an den
Oberbürgermeister. — Bad Kreuznach: Assistenztierarzt zum
1. April. Gehalt 2400 M. Bewerb, a. d. Direktion des städt.
Schlachthofes. — Landsberg a. W.: Assistenztierarzt zum 1. April
1908. Gehalt 2400 M. Privatpraxis nicht gestattet. Bewerb, baldigst
a. d. Magistrat. — Plauen i Vogtl : Amtstierarzt und Stellvertreter
des Direktors zum 1. April. Gehalt 4200 M. bis 5700 M. Privat¬
praxis nicht gestattet. Meldungen amtstierärztlich geprüfter Be¬
werber an die Direktion des Vieh- und Schlachthofes.
b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Bit¬
burg: Tierarzt. 1600 M. — Freienwalde: Tierarzt — Harburg
a. Elbe: Assistenztierarzt 2400 M. — Kattowitz: Schlachthof¬
direktor 3600 M. — Königsberg i. Pr.: Zwei Tierärzte. —■ Lieghitz:
Assistenztierarzt. 2400 M. — Lippstadt: Verwalter. 2500 M. bis
4000 M..— Osnabrück: II. Assistenztierarzt. 2100M. — Prüm(Rhld.):
Verwalter (Tierarzt). 1200 M. bis 1500 M., freie Wohnung usw. —
Pyritz: Schlachthofdirektor. 1800 M. bis 2400 M. — Schwiebus
(Bez. Frankfurt a. 0.): Schlachthofleiter. 2400 M. — Stettin:
III. Tierarzt bei der Auslandfleischbeschaustelle. 2400 M.
Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis:
b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Brilon
(Westfalen). — Kemberg (Kr. Wittenberg). — Kirchberg-Huns-
rttck. — Langelsheim (Herzogt. Braunschweig).
Danksagung.
Für die überaus zahlreichen und wohltuenden Äußerungen
I der Teilnahme bei dem Tode meiner Frau bitte ich, auf diesem
Wege meinen herzlichen Dank aussprechen zu dürfen,
i Professor Dr« Sehmaltz.
Vorlag und Eigentum der Verlagabuehhandlung von Richard Schoet* in Berlin. —
xenstein, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz ln
Berlin SW. 48, Willielmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei ina Haus geliefert. (Österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Mk., in PetItsaU mit
60 11k. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmält/., Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., Luisenstraße 56. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Oe Bruln
Glage
Professor I)r. Schmaltz-Berlin
' Verantwortlicher Redakteur.
Veterinärrat Dr. Lothes Prof. Dr. Peter
Veterinärrat Peters
Veterinärrat Preuße
Professor
Professor
Departementstierarzt
Kreistierarzt
Departementstierarzt
Departementstierarzc
Utrecht.
Hamburg.
Cöln.
Angermünde.
Bromberg.
Danzig.
Dr. Richter
Med.-Rat Dr. Roeder
Dr. Schlegel
Dr. J. Schmidt
Reg.-Rat Dr. Vogel
Zündel
Professor
Professor
Professor
Professor
Landestierarzt v. Bayern
Kreistierarzt
Dresden.
Dresden.
Freibnrg i. Br.
Dresden.
München.
M Ul hausen i. E.
Jahrgang 1908. 11 . Ausgegeben am 12. März.
Inhalt: Liebener: Die Bornasche Krankheit der Pferde. — Referate: Daseh: Aus der Praxis. — Tapken: Über Verletzungen
der Wirbelsäule beim Rinde. — Pausini: Experimente über die Indikationen der Pneumotoraia und der Pneumektomia bei
Hunden. — Reimers: Zur Kasuistik der Luftsackerkranknngen. — Ujhelyi: Tuberkulosetilgungs-Rcsultate. -- Dorn:
Sccaeornin. — Feuereißen: Beitrag zur Kenntnis des Pseudohermaphroditismus maseuiinus. — Tagesgeschichte: doldbeck:
(ieschiclite des Militärveterinärwesens in Österreich-Ungarn. — Bericht über die VII. Hauptversammlung des Vereins der
beamteten Tierärzte Preußens am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907 (Fortsetzung). — Kurpfuschereigesetz. — Doktorat
an den Tierärztlichen Hochschulen Österreichs. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Die Bornasche Krankheit der Pferde.
Von Veterinärrat Liebener-Delitzsch.
Vortrag, gehalten in der Versammlung der beamteten Tierärzte des
Regierungsbezirks Merseburg am 23. November 1907.
Durch Bekanntmachung des Herrn Reichskanzlers vom
12. November 1896 wurde für die Provinz Sachsen die Anzeige-
' pflicht für die Bornasche Krankheit der Pferde im Sinne des
§ 9 des Gesetzes, betreffend die Abwehr und Unterdrückung
von Viehseuchen, angeordnet.
Die Veranlassung dazu gab eine in mehreren Kreisen des
diesseitigen Regierungsbezirks, besonders in den Kreisen Merse¬
burg, Naumburg, Weißenfels, Delitzsch, Saalkreis u. a., in weiter
Verbreitung auftretende, bisher kaum beobachtete eigenartige
Krankheit der Pferde, die sich in folgenden Erscheinungen
äußerte:
Die Erkrankungen traten entweder plötzlich auf, nachdem
die Tiere noch tags zuvor gesund waren und ordnungsmäßig
gearbeitet hatten, und zwar alsdann unter den Erscheinungen
eines heftigen Gehirnleidens, oder sie begannen häufiger mit
einem Magen-Darmkatarrh, der von Kolikanfällen begleitet war,
und an den sich erst nach mehreren Tagen oder selbst Wochen
auffällige Gehirnerkrankungen anschlossen. Im letzteren Fall
fraßen die Pferde zuerst mangelhaft, gähnten viel, zeigten
Temperaturen von 37, 38 bis 39°, selten höher; sie arbeiteten
auch wohl noch, aber nicht mehr so temperamentvoll wie früher,
und gingen namentlich vor dem Pflug nicht mehr regelmäßig
in der Furche. Erst allmählich stellten sich in der Bewegung
sowie in der Sensibilität heftigere Störungen ein. Alle Patienten,
ob sie plötzlich oder nach längerem Vorstadium erkrankt waren,
zeigten annähernd immer dasselbe Krankheitsbild. Sie standen
im Stalle mit auf die Krippe gestütztem oder gegen die Wand
gelehntem Kopf oder ließen letzteren oft bis auf den Fußboden
herunterbängen. Sie fraßen sehr mangelhaft oder garnicht mehr,
konnten Futter meist schlecht erfassen und noch schlechter ab¬
schlucken, spielten mit den Lippen und kauten viel Schaum.
Auch Getränk nahmen sie nur noch in den ersten Tagen auf;
bald hatten sie sichtbar Schmerzen beim Schlingen und schon
nach kurzer Zeit waren sie überhaupt nicht mehr imstande,
Flüssigkeiten aufzunehmen. Einige der erkrankten Pferde
zeigten Beißsucht, viele regen Geschlechtstrieb und selbst
Wallache ruteten aus und hatten starke Erektionen. Das
Empfindungsvermögen war meistens stark herabgesetzt. Aus
dem Stalle geführt, zeigten die Patienten zweckwidrige und un¬
regelmäßige Bewegungen. Sie drängten nach rechts oder
links oder gingen wie blind geradeaus auf alle Gegenstände zu.
Einige überschlugen sich beim Vorwärtsgehen, manche brachen
plötzlich zusammen, andere wieder stolperten und schwankten
stark im Hinterteil. Ließ man die Pferde vom Zügel los, so
machten sie Manegebewegungen, teils rechts, teils links herum.
In mit reichlichem Streustroh versehene Laufställe gebracht,
setzten sie diese Bewegungen in kleinen Kreisen oft so lange
fort, bis sie sich mit den Hinterbeinen verwickelt hatten und
umfielen. Bei einigen Patienten zeigten sich starke Schwellungen
des Kopfes, namentlich der Augenlider, starke schmutzige
Rötung der Konjunktiven, Lähmung der Zunge, die handbreit
aus dem Maule hing und dann zerbissen wurde; fast alle zeigten
heftiges Zähneknirschen. Nach 8—14 Tagen fielen die Pferde
um; sie verhungerten und verdursteten und starben einen qual¬
vollen Tod, wenn sie nicht vorher durch Tötung von ihren
Leiden erlöst wurden. Die Krankheit befiel Pferde jeglichen
Alters, Schlages und Geschlechts; sie trat meist vereinzelt auf,
in manchen Beständen häuften sich aber auch die Erkrankungen
und einige Bestände wurden sogar gänzlich aufgerieben. Die
Behandlung, auf die ich noch zurückkommen werde, war meist
erfolglos, etwa 90 Proz. der erkrankten Tiere starben und etwa
5 Proz. blieben dumm, blind oder gelähmt. Hunderte von
i Pferden gingen in den betroffenen Bezirken ein und stark be¬
schäftigte Privattierärzte waren es, die im Verein mit schwer
198
betroffenen Landwirten auf ein staatliches Eingreifen drängten.
Das beschriebene Krankheitsbild hat sich bis heute nicht ge¬
ändert.
Der Herr Minister sandte nach Einführung der Anzeige-
pflicht für die Bornasche Krankheit der Pferde als seinen
Kommissar den damaligen Professor Dr. Oster tag in die be¬
troffenen Kreise, der im Verein mit dem ihm unterstellten, in
Halle a. 8. stationierten Dr. Profe die Ursachen der Krankheit
ermitteln und Wege zur Bekämpfung derselben suchen sollte.
Auch die Landwirtschaftskammer erhielt reichliche Mittel zur
Anstellung von Versuchen.
Inzwischen waren in tierärztlichen und landwirtschaftlichen
Blättern Berichte von Tierärzten über die Krankheit erschienen,
und vor allem war es eine Abhandlung von Siedamgrotzky
und Schlegel in Dresden im Archiv für wissenschaftliche und
praktische Tierheilkunde, welche die Aufmerksamkeit der Inter¬
essenten auf sich zog. Im Königreich Sachsen und namentlich
im Nordwesten desselben, insbesondere in den Amtslianptmann-
schaften Borna und Leipzig, hatte nämlich die Krankheit seit
Anfang der neunziger Jahre zum Teil in sehr starker Ver¬
breitung geherrscht und wurde dort als Gehirn-Rückenmarks-
entzündung bezeichnet. Da die Erkrankungs- und Todesfälle in
der Umgebung von Borna am häufigsten vorkamen, bildete der
Volksmund die heute noch übliche Bezeichnung: „Bornasehc
Krankheit“.
Siedamgrotzky und Schlegel fanden bei den Sektionen
gefallener oder durch Bruststich getöteter Pferde im freien
Raum der Hirnhöhle und unter der harten Hirnhaut klare
Flüssigkeit und in dieser stets Coccen, die meist einzeln, selten
zu zweien vorkamen und durchschnittlich 0,0 mm groß waren.
Johne fand dagegen einen kleinen Diplococcus in der Gehirn-
und Rückenmarksflüssigkeit. Da die von Siedamgrotzky
und Johne beschriebenen Uoecen wesentlich von einander ab¬
weichen, so hatte Oster tag die Ätiologie der Bornaschen
Krankheit durch erneute Untersuchungen zu prüfen. An Ort
und Stelle, in besonders eingerichteten Krankenställen und im
Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule in Berlin
wurden diese Untersuchungen vorgenommen. Hierbei fanden
sich in Übereinstimmung mit den Angaben John es in der Ge- 1
hirn-Rüekenmarksflüs8igkeit Streptococcen, welche unbeweglich
waren, nach Gram sich entfärbten, auf Agar zuerst kümmerlich,
später üppiger, am besten aber stets im Kondenswasser wuchsen.
Die gefundenen Coccen wurden nun als die Erreger der
Bornaschen Krankheit der Pferde angesehen und weitere Ver¬
suche vorgenommen. Dabei stellte es sich heraus, daß kleinere
Tiere, Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen gegen die
Versuche resistent waren und alle Untersuchungen am Pferd
durchgeführt werden mußten und daß auch dieses prompt nur
bei einer Einverleibungsart, nämlich bei der Einspritzung unter
die harte Hirnhaut vom Hinterhauptsloche aus reagierte, ein
an sich sehr mühevoller und gefährlicher Weg. In neuerer
Zeit ist nun durch histologische Untersuchungen des Berliner
Neurologen Professors Oppenheim, der von Ostertag Material
erhielt, in voller Bestätigung der Untersuchungsergebnisse des
Professors Dexler in Prag, der seinerzeit durch Siedamgrotzky
Material erhalten hatte, festgestellt, daß die Bornasche Krank¬
heit eine durch die beschriebenen Coccen erzeugte herdförmige
Gehirnentzündung ist, eine von Pferd zu Pferd nicht übertrag¬
bare Infektionskrankbeit.
No. 11.
Es handelte sich vor allem darum, nachzuweisen, wo der
Krankheitserreger in der Außenwelt sich auf halte, und es ge¬
lang Ostertag und Profe, aus dem verunreinigten Kessel¬
brunnenwasser einiger Seuchengehöfte den Erreger der Borna-
sclien Krankheit rein zu züchten. Sodann wurde festgestellt, daß
die fraglichen Mikroorganismen in destilliertem und reinem
Leitungswasser zugrunde gingen, während sie in Wasser mit
stickstoffhaltigen Verunreinigungen vorzüglich gediehen. Ferner
stellte Ost er tag fest, daß die Streptococcen durch Austrocknen
schnell absterben, dagegen in geeigneten Flüssigkeiten lange
Wochen lebensfähig bleiben. Der ganze Entwicklungsgang der
Krankheit läßt erkennen, daß der Erreger durch den Ver¬
dauungskanal aufgenommen wird. Er gelangt in diesen ge¬
wöhnlich mit dem Trinkwasser und dann mittelst Resorption in
die Lymphbahnen der Magen- und Darmwandungen und von da
in den Blutstrom. Letzterer bietet jedoch lediglich das Trans¬
portmittel nach dem besonders für die Krankheit empfänglichen
Gehirn: hier vervielfältigt sich der Krankheitserreger und ent¬
faltet seine zerstörende Wirkung.
Dafür, daß das Wasser der Träger des Ansteckungsstoffes
ist, sprechen verschiedene Umstände und fast alle Tierärzte, die
reichliche Erfahrungen betreffs der Krankheit haben, sind dieser
Ansicht. Vor den Toren von Städten, die einwandfreie Wasser¬
leitungen besitzen, macht die Krankheit Halt. In Halle a. S.,
Leipzig und anderen Städten kommen Erkrankungsfälle über¬
haupt nicht, oder doch nur bei kurz zuvor vom Lande ein¬
geführten oder solchen Pferden vor, die außerhalb arbeiten und
getränkt werden. Einer der hinsichtlich der Bornaschen Krank¬
heit erfahrensten Tierärzte des diesseitigen Regierungsbezirks,
Kollege Kohl in Lützen, teilte mir mit, daß er seit 14 Jahren
die Krankheit hauptsächlich im Frühjahr und in den ersten
Sommermonaten in vielen Hunderten von Fällen beobachtet habe,
worauf dann ein allmähliches Nachlassen erfolgte, bis in der Zeit
von Oktober bis Januar so gut wie keine Fälle vorkämen.
Dieses Ansteigen und Nachlassen der Krankheit sei um so auf¬
fälliger, je reicher die Niederschläge in den Wintermonaten
waren. Daß gerade nach reichlichen Niederschlägen und in be¬
stimmten Gegenden bzw. Wirtschaften sich die Krankheit immer
I wiederholt, und daß andrerseits eine große Ortschaft, die seitens
einer benachbarten Kohlengrube durch eine 100 m tiefe Wasser¬
leitung mit tadellosem Wasser versehen wird, trotzdem sie im
Zentrum der Bornagegend liegt, seit 14 Jahren von der Krank¬
heit verschont geblieben ist, läßt sich nicht anders erklären, als
daß der Erreger nicht in der Luft, auch nicht im Futter zu
suchen ist, sondern lediglich im Grund und Boden. Die Boden¬
verhältnisse, Unterlagen von Lehm und die Lage der Brunnen
spielen dabei eine große Rolle, und die Erreger drängen sich
durch die reichlichen Niederschläge auf der Lehmlage, wo sie
vorderhand nicht weiter in die Tiefe können, talabwärts und
gelangen in die Brunnen. Im Kreise Querfurt kamen nach Mit¬
teilung des Kreistierarztes Tannebring in den Ortschaften
Lützkendorf, Crumpa, Möckerling u. a. früher Bornafälle sehr
häufig vor. Seitdem aber vor Jahren dort Kohlenschächte er¬
richtet und durch fortwährendes Auspumpen des Wassers aus
den Schachtanlagen der Grund wasserstand erheblich gesenkt
worden ist, muß das Wasser aus tieferen Schichten herauf¬
befördert werden und ist gutem Leitungswasser gleich zu er¬
achten. Jetzt kommen in diesen Ortschaften, dem sogenannten
Miichelner Kohlenbecken, Fälle von Bornascher Krankheit über-
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
12. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
199
hanpt nicht mehr, in der weiteren Umgebung mit den alten
Wasserverhältnissen aber noch ebenso zahlreich wie früher vor.
Daß die Erkrankungen, namentlich iij den zweiten und dritten
Quartalen auftreten, in den ersten und vierten aber geringer
sind, läßt sich erklären durch die niedrigere Temperatur, welche
in den zuletzt genannten Quartalen der Erdboden hat. Es be¬
steht dann weder Wachstum noch Vermehrung des Virus in den
wasserhaltigen Erdschichten, ähnlich wie beim Rotlaufbazillus.
Wäre der Krankheitserreger im Futter und in den Ställen vor¬
handen, dann würde die Krankheit trotz verschiedener Wasser¬
verhältnisse in Stadt und Land gleichmäßig auftreten, denn das
Futter, Hafer und Heu, ist wohl überall gleich und die Ställe
sind in der Stadt häufig noch schlechter und enger als auf dem
Lande. Auch die sächsischen Bezirkstierärzte, die eine reiche
Erfahrung besitzen, sind der Ansicht, daß das Wasser bei dem
Auftreten und der Verbreitung der Bornaschen Krankheit der
Pferde die größte Rolle spielt, wenn auch die Wege der In¬
fektion noch nicht genügend bekannt sind. Die meisten be¬
teiligten Tierärzte sind der Ansicht, daß die Krankheit durch
die von Ostertag beschriebenen Streptococcen bedingt wird,
daß die Verschleppung in der Regel durch verunreinigtes |
Wasser geschieht. Die starke Verbreitung in diesem Jahr
dürfte mit den starken Niederschlägen Zusammenhängen, welche
Jauche und andere schädliche Zuflüsse sehr reichlich in die
mangelhaften Brunnen und Seuchengehöfte spülten. Mancherlei
Fragen stehen noch offen und harren noch der Klärung, so
namentlich, warum die Krankheit nun schon länger denn zehn
Jahre immer nur in denselben Gegenden auftritt und viele
andere. Es wird nötig sein, weitere Forschungen anzustellen
und die Bewilligung von Mitteln dazu auzustreben; der sächsische
Landtag hat jetzt erst wieder für solche Zwecke 15 000 M. be¬
willigt.
Der Umfang der Verbreitung der Krankheit im Regierungs¬
bezirk Merseburg ist aus der Ihnen behändigten Zusammen¬
stellung des Herrn Departementstierarztes seit der Einführung der
Anzeigepflicht, d. h. seit dem 1. Januar 1897 zu ersehen. Daraus
ergibt sich, daß die Bornasche Krankheit in diesem Jahre,
trotzdem noch das vierte Quartal fehlt, den bisher größten Um¬
fang angenommen hat und dürften, wie schon erwähnt, die
ungewöhnlich starken Niederschläge die Ursache sein. In elf
Jahren, auf welche sich die Nachweisung für den Regierungs¬
bezirk Merseburg erstreckt, schwanken die Zahlen bedeutend.
Während im Jahre 1907 in den drei abgelaufenen Viertel¬
jahren 402 Gehöfte betroffen wurden, in denen 430 Pferde er¬
krankten und 393 fielen, wurden im ganzen Jahre 1905 nur
45 Gehöfte betroffen, in denen 46 Pferde erkrankten und 36 fielen.
Die meisten Erkrankungen und Todesfälle kamen vor in
den elf
:2. Vierteljahren, nämlich 948 Erkrankungen und 793 Todesfälle
3.
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71
Die Erklärung dafür suchte ich Ihnen vorher schon zu
geben. Ferner geht aus der Nachweisung hervor, daß im Saale¬
kreis 235, in der Stadt Halle a. S. nur 4, im Landkreis Weißen¬
fels 228, im Stadtkreis nur 1 und im Landkreis Zeitz 104 gegen
3 im Stadtkreis auftraten. Auch diese Zahlen dürften beweisen,
daß die Krankheit eine solche des platten Landes ist und vor
den Toren der Städte mit guten Wasserverhältnissen Halt macht.
Die auf 83,39 Proz. berechnete Verlustziffer dürfte sicher auf
90 Proz. steigen, wenn die anscheinend durchgekommenen, in¬
folge von Nachkrankheiten (Dummkoller, Blindheit, Lähmungen)
aber wertlos gebliebenen Pferde mitgezählt würden.
Daß nicht alle Bornaerkrankungen zur Anzeige kommen,
ist den beamteten Tierärzten nur zu gut bekannt, immerhin
bietet die Nachweisung für den Regierungsbezirk Merseburg
einen wertvollen und ziemlich sicheren Anhalt für die Zahlen
der Erkrankungen und die entstandenen Verluste.
Im Magdeburger Bezirk ist mit der Anzeigepflicht für die
Krankheit eine amtliche Feststellung nicht angeordnet; nach
den mir zugegangenen Mitteilungen sind in diesem Jahre nur
im Kreise Calbe Fälle gemeldet und zwar sind von Juni bis
August in drei Gemeinden zehn Pferde erkrankt und gefallen.
Weitere Erhebungen seitens des Kreistierarztes haben nicht
stattgefunden. Ähnlich liegen die Verhältnisse im Regierungs¬
bezirk Erfurt. Von dort wurde mir mitgeteilt, daß fast aus¬
schließlich solche Fälle zur Meldung kommen, welche die Kreis¬
tierärzte in ihrer Privatpraxis feststellen. Allzu häufig dürften
aber Bornaerkrankungen unter den Pferden dieser beiden Bezirke
| nicht sein.
Im Königreich Sachsen dagegen trat die Krankheit in diesem
Jahre in noch nie beobachteter Heftigkeit auf. Nach einer
Übersicht, die der Staatsminister Graf Hohenthal in der
Sitzung der zweiten sächsischen Kammer am 21. Oktober d. J.
gab, waren schon bis Ende Juni d. J. 732 Fälle gemeldet
worden, von denen der größte Teil tödlich verlaufen ist, und
nach den mir noch zugegangenen Mitteilungen sind allein in
der Amt8hauptraannschaft Leipzig über 200 Pferde erkrankt
bzw. gefallen. Die Annahme, daß in den betroffenen Bezirken
des Königreichs Sachsen . etwa 900 Pferde im Jahre 1907 er¬
krankt sind, ist nach vorstehendem jedenfalls berechtigt. Un¬
berechtigt aber ist die Annahme, daß die Bornasche Krankheit
der Pferde allmählich einen milderen Verlauf angenommen habe
und nach und nach verschwinden werde. Das Jahr 1907 hat
wenigstens die Möglichkeit einer solchen Annahme weit zurück¬
gedrängt; ich sah noch nie so viele akute, selbst perakute Fälle
wie in diesem Jahre.
Nun zu der Bekämpfung der Krankheit. Dieselbe stellt
immer noch einen versteckten Feind dar, dem schwer beizukommen
ist. In dem Kampfe stehen uns zu Gebote: 1. Die Anzeige¬
pflicht. Diese dürfte beizubehalten sein. Wenn wir von dem
Auftreten der Krankheit nichts erfahren, können wir auch nichts
dagegen tun. Jedenfalls würde bei dem diesjährigen heftigen
Auftreten der Krankheit die Aufhebung der Anzeigepflicht einem
unnötigen Rückzug vor dem immer mutiger werdenden Feinde
gleichkommen. Gerade jetzt, wo die Kgl. Sächsische Regierung
zu einem neuen Feldzug rüstet, dürfte es nicht richtig sein,
wenn wir uns zurückzögen.
2. Die Behandlung ist nach den bisherigen Erfahrungen
fast aussichtslos; die Krankheit trotzt allen nur erdenklichen
Mitteln. Für das Empfehlenswerteste halte ich die Verabreichung
von Kalomel, daneben Wasserinfusionen und Applikation eines
Eisbeutels in die Genickgegend. Blutentnahmen bringen keinen
Erfolg und auch durch scharfe Salben, Haarseile und Ein¬
spritzungen von Terpentinöl bedingte Ableitungen w'urde
Besserung nicht erzielt. Vor Jahren wurde Lecithin angewendet;
leider auch ohne Erfolg. Einige Kollegen wenden neuerdings
Bierhefe an; Erfahrungen über den Erfolg fehlen noch. Wieder-
200
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11.
holt angestellte Versuche mit Serumbehandlung hatten ebenfalls
negative Erfolge.
3. Die Vernichtung der Kadaver hat möglichst auf den
Abdeckereien zu erfolgen; ist das nicht angängig, so sind
wenigstens Köpfe und Wirbelsäulen durch Feuer unschädlich
zu machen.
4. Die Desinfektion der Ställe und Geräte, namentlich
Halftern, Ketten, Geschirre und Gebisse mittelst heißer Soda¬
lauge, Ausglühen und Überstreichen mit starker Kalkmilch, auch
Begießen des Fußbodens mit letzterer ist in jedem Falle er¬
forderlich. Das Schlachten der kranken Tiere an Ort und
Stelle sollte verboten werden.
5 Die Vorbeuge. Krankheiten vorzubeugen ist leichter als
solche zu heilen. Bei der Bornaschen Krankheit haben wir
vor allem für einwandfreies Wasser zu sorgen, so weit angängig
durch Wasserleitungen. Wir finden aber meist die alten an
Dungstätten und sonst ungeeigneten Plätzen gegen Zuflüsse aller
Art nicht geschützten Kesselbrunnen. In Bornagehöften ist
zur dauernden Beschaffung einwandfreien Tränkwassers die
Anlage von Röhren- oder Abessinierbrunnen erforderlich.
Diese zeichnen sich dadurch vor den Kesselbrunnen aus, daß das
Wasser nur als Quellwasser durch das untere Ende der Röhre,
welches sich je nach den Boden- bzw. Wasserverhältnissen in
größerer oder geringerer Tiefe befindet, eindringen kann. Vor
allem ist darauf Gewicht zu legen, daß eine undurchlässige
Schicht das eigentliche Grundwasser abdeckt und das Rohr gut
in dieser Schicht abschließt. Das an die Oberfläche stoßende
Brunnenrohr muß mit einem den Erdboden überragenden Brunnen¬
kranz umgeben sein, um Zuflüsse fern zu halten. Das aus
dem Auslauf des Brunnens abfließende Wasser muß in einem
Zementbassin aufgefangen und durch ein Abzugsrohr abgeleitet
werden. Die Anlage solcher Brunnen ist tüchtigen Fachmännern
zu übertragen. Leider ist in manchen Gehöften wegen des
Grundwasserstandes die Beschaffung einwandfreien Wassers
auch durch Röhrenbrunnen nicht möglich und muß man sich in
Bornagehöften dann mit dem Tränken gekochten Wassers be¬
gnügen, eine allerdings umständliche Maßnahme. Daß man in
Seuchenbezirken für gutes Futter und reinliche, gut ventilierte
Ställe sorgen muß, ist selbstverständlich und eine einfache
hygienische Forderung. Über die Anlage von Röhrenbrunnen
zum Schutz gegen die Bornasche Krankheit der Pferde ver¬
weise ich im übrigen auf eine interessante Abhandlung von
Raebiger in Nr. 13, Jahrgang 1901 der landwirtschaftlichen
Wochenschrift für die Provinz Sachsen.
6. Die Entschädigung der gestorbenen oder getöteten borna¬
kranken Pferde wird von vielen gewünscht und für dringend
erforderlich gehalten. Im Königreich Sachsen ist eine solche
seit 1900 gesetzlich eingeführt. Die Besitzer erhalten vier
Fünftel der Taxe, nie aber mehr als 800 M. Der Wert der
Pferde wird durch eine Kommission, die aus Landwirten und
dem Bezirkstierarzt besteht, festgestellt. Für Tiere, welche
nicht vier Wochen in Sachsen sich befinden, wird keine Ent¬
schädigung gewährt. Die Beiträge werden durch Umlagen er¬
hoben, wie bei anderen Seuchen auch. Der Jahresbeitrag pro
Pferd hat in 1900 1906 80 Pf. bis 1,80 M., durchschnittlich
1,14 M. betragen. Daß eine derartige Regelung auch im dies¬
seitigen Bezirk durchführbar wäre, dürfte niemand bestreiten.
Es müßte dann aber erst ein Gesetz erlassen werden, durch
das dem Provinzial verband die Berechtigung zur Erhebung einer
Umlage zu diesem Zwecke erteilt würde; und ob der Provinzial-
Landtag sich dann entschließen würde, davon Gebrauch zu
machen, ist wegen des beschränkten Bezirks, in dem die Krank¬
heit auftritt, mindestens sehr zweifelhaft.
So lange aber eine derartige Regelung nicht stattgefunden
hat, bleibt nur
7. die Versicherung übrig. Unsere großen über weite Be¬
zirke verbreiteten Viehversicherungsgesellschaften haben sich im
allgemeinen keines übermäßigen Vertrauens zu erfreuen. Der
Grund dazu liegt in den schwierigen Verhältnissen, unter denen
sie arbeiten, in den meist hohen Verwaltungskosten, die in
einzelnen Fällen über */ 4 der gesamten Prämieneinnahme aus¬
machen und in den hohen Prämien, die sie infolgedessen er¬
heben müssen. Viele der mit ihren Viehbeständen versicherten
Besitzer sind froh, wenn sie ihre Verbindungen mit den Ver¬
sicherungen wieder lösen können. Um dann die Versicherungs¬
summe nicht niedriger werden zu lassen, werden von den Ge¬
sellschaften neue Versicherungen oft mit großen Risiken ab¬
geschlossen. Eine Kontrolle ist bei der großen räumlichen Aus¬
dehnung schwer möglich, die Auszahlung einer Entschädigung
hängt von vielen Bestimmungen, sofortiger Anzeige u. dgl.
ab und wird in vielen Fällen Kleinigkeiten halber streitig ge¬
macht. Derartige Versicherungen zu empfehlen, haben die
meisten Tierärzte daher große Bedenken. Dagegen haben sich
die seit längeren Jahren errichteten lokalen Pferdeversicherungs¬
vereine wohl bewährt. Dieselben stehen seit Erlaß des Ver¬
sicherungsgesetzes im Jahre 1901 auch auf festeren Füßen und
unterstehen der Aufsicht des Herrn Regierungspräsidenten, von
dem auch Normalstatuten zu haben sind. Im Kreise Delitzsch
sind sechs derartige Vereine, in denen ca. 4000 Pferde ver¬
sichert sind, seit zehn Jahren aus Anlaß des heftigen Auftretens
der Bornaschen Krankheit gegründet, von denen einige in ver¬
seuchten Gehöften die Entschädigung von an Bornascher Krank¬
heit gefallenen Pferde mit Erfolg von der Beschaffung einwand¬
freien Wassers abhängig machen.
Diese Vereine haben im Durchschnitt mit 2 1 /2 Proz. alle
Schäden — selbstverständlich nicht nur die durch die Borna-
sche Krankheit allein verursachten — mit 2 / 3 des Taxwertes
entschädigt. Der billige Prämiensatz läßt sich namentlich auch
dadurch erreichen, daß Vorstand, Taxatoren und Vertrauens¬
männer unentgeltlich arbeiten, und nur dem Schriftführer und
Kassierer eine geringe Entschädigung gewährt und eine gegen¬
seitige Kontrolle in der Pferdehaltung ausgeübt wird. Die Land¬
wirtschaftskammer hat aus den lokalen Vereinen, deren in der
Provinz Sachsen eine große Anzahl besteht, einen Verband ge¬
schlossen und am 1. Januar 1908 tritt eine Rückversicherung in
Kraft. Diese wird es auf jedesmal fünf Jahre ermöglichen, für
die lokalen Vereine eine feste Prämie im voraus festzusetzen.
Dabei bleibt den einzelnen Vereinen ihre Selbständigkeit und
Eigenart gewahrt und die geschaffenen Reservefonds bleiben
in ihrem Besitz. Kosten erwachsen den Vereinen nicht. Diese
Rückversicherung soll mit einem Kapital von 75 000 M., welche
Summe zu gleichen Teilen von dem Staat, der Provinz und der
Landwirtschaftskammer in Aussicht gestellt wurde, gegründet
und sollen alle Kosten aus den Zinsen dieser Summe bestritten
werden.
Die lokalen Vereine haben den fünften Teil der erhobenen
Prämien, der aber ihr Besitz bleibt, zinsfrei der Rückversicherung
zu überlassen und erhalten, falls einmal höhere Schäden ein-
12. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
201
Nachweisung*)
über die Verbreitung der Bornaschen Krankheit der Pferde im Regierungsbezirk Merseburg
während der Zeit vom 1. Januar 1897 bis 30. September 1907.
Es wurden von der Bomaschen Krankheit der Pferde betroffen:
Im Jahre
im
1. Vierteljahr
im S
!. Vierteljahr
im 3. Vierteljahr
im 4. Vierteljahr
Zusammen
der
betroffenen
Gehöfte
Zahl
Ö
©
©
O C3 t-
'V ££
©
der ge¬
fallenen und
getöteten
Pferde
der
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Gehöfte
der
erkrankten ^
Pferde £
der ge¬
fallenen und
getöteten
Pferde
der
betroffenen
Gehöfte
der
erkrankten ^
Pferde |
der ge¬
fallenen und
getöteten
Pferde
der
betroffenen
Gehöfte
Zahl
c
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■§ ££
4* Cu
i *
der ge¬
fallenen und
getöteten
Pferde
der
betroffenen
Gehöft e
der
erkrankten
Pferde 2
der ge¬
fallenen und
getöteten
Pferde
1897
30
34
21
19
20
16
11
11
8
6
6
4
66
71
49
1898
10
12
10
49
50
36
32
34
33
3
3
3
94
99
82
1899
70
77
62
168
‘ 188
156
117
125
101
26
26
16
381
416
335
1900
68
, 73
61
136
156
123
63
66
50
14
14
12
281
309
246
1901
21
! 21
18
64
1 75
60
34
36
35
14
1 16
14
133
148
127
1902
5
5
4
26
28
24
16
19
10
o
2
1
49
54
39
1903
23
24 l
22
33
39
31
31
1 32
27
8
! 8
7
95
103
87
1904
45
46 i
37
92
101
| 90
41
48
46
19
1 20
17
197
215
190
1905
11
11 1
9
22
22
18
10
11
7
2
2
2
45
46
36
1906
11
11 !
10
20
23
20
19
20
19
6
6
4
56
60
53
1907
bis 1.Oktober
50
53
47
223
246
219
129
: 131
127
f
ehlt noch!
402
430
393
Zusammen
344
367
301
852
948
793
503
533
463
100
103
80
1 799
1 951
1 637
treten, den zur Deckung nötigen Betrag aus derselben. Nach
fünf Jahren wird abgerechnet und die Prämie für die nächsten
fünf Jahre festgesetzt.
Es ist auch das Gebiet der Viehversicherung unter solchen
Umständen ein dankbares Arbeitsfeld für den Tierarzt, und
ich schließe, indem ich Ihnen empfehle, sich im Kampfe
gegen die Bornasche Krankheit auch der lokalen Pferde¬
versicherungsvereine anzunehmen und sich für die Einrichtung
solcher zu interessieren mit den Worten des verstorbenen
Ministers Budde: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!
Nach den Verlusten in den einzelnen Jahren geordnet
wurden betroffen:
im Jahre
Gehöfte
es er- (
krankten
Pferde
es fielen und
wurden ge¬
tötet Pferde
Bemerkungen
1907
402
430
393
Trotzdem die Zahlen für
1899
381
416
335
das 4. Vierteljahr noch
1900
281
309
246
fehlen, die größte Ver¬
1904
197
215
190
lustziffer.
1901
133
148
127
1903
95
103
87
1898
94
99
82
1897
66
71
49
1906
56
60
53
1902
49
1 54
39
1905
4»
46
36
Zusammen
1 799
! 1951
1637
Nach den Verlusten in den einzelnen Vierteljahren geordnet
wurden betroffen:
in den
Gehöfte
es erkrankten
Pferde
es fielen und
wurden ge¬
tötet Pferde |
Bemerkungen
11 zweiten Vierteljahren
11 dritten „
11 ersten „
10 vierten „
852
503
344
100
948
533
367
103
793
463
301
80
< Das noch fehlende
| vierte Vierteljahr des
j Jahres 1907 wird hier-
1 an nichts ändern.
Zusammen
1799
1 951
1637
Nach den Verlusten in den einzelnen Kreisen geordnet,
wurden betroffen:
©
S
2
3
©
2
im Kreise
der
betroffenen
Gehöfte
der ^
erkrankten k.
Pferde —
der ge¬
fallenen und
getöteten
Pferde
Von den
erkrankten
Pferden
gefallen und
getötet
in Prozent
1
Delitzsch.
319
360
314
87,22
2
Merseburg ....
275
296
252
85,14
3
Saalkreis.
215
235
203
86,3S
4
Weißenfels, Landkr. .
212
228
193
84,65
5
Eckartsberga . . .
244
266
180
67,67
6
Bitterfeld.
142
147
141
7
Querfurt.
121
127
109
8
Zeitz, Landkr. . . .
97
104
90
86,54
9
Naumburg ....
86
86
71
82,56
10
Mansfelder Seekr. . .
23
25
23
92,00
11
Sangerhausen . . .
23
25
21
84,00
12
Schweinitz ....
18
21
13
61,90
13
Torgau .
9
12
11
91,67
14
Mansfelder Gebirgskr.
6
8
5
62,50
15
Halle, Stadtkr. . . .
4
1 4
4
100,00
16
Liebenwerda....
1
3
3
100,00
17
Zeitz, Stadtkr. . . .
3
3
3
100,00
18
Weißenfels, Stadtkr. .
1
| 1
1
100,00
19
Wittenberg ....
—
—
Regierungsbezirk
1 799
1 951
1637
83,39
Anmerkung zu Nr. 15. Von den erkrankten Pferden war
1 drei Wochen vor der Erkrankuug nach Halle a. S. eingeführt;
2 andere erkrankte Pferde wurden nicht mit Leitungs-, sondern mit
Brunnenwasser getränkt.
Nachtrag.
Nachdem der Vortrag bereits zum Druck gesetzt war,
ersah ich erst aus eiuer Mitteilung in Nr. 2 der „Landwirt¬
schaftlichen Wochenschrift für die Provinz Sachsen* 4 daß meine
Auffassung von der Rückversicherung, wie ich sie vorgetragen
; habe, nicht ganz zutreffend ist. In der betreffenden Mitteiluug
heißt es: „Lediglich die Höhe des Normalprämiensatzes, welche
für jeden Verein aus seinen Geschäftsresultaten gesondert zu be¬
rechnen und festzustellen ist, wird von dem Kuratorium
der Rückversicherung bestimmt“.
Dies ändert die Sachlage allerdings, denn wenn die Vereine
mit dem Anschlüsse an die Rückversicherung darauf verzichten,
*) Die Veröffentlichung der Nachweisung erfolgt mit Genehmigung des Herrn Departementstierarztes Veterinärrat Dr. Fclisch.
202
BfefcLINEH TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11.
die Höhe der Prämiensätze selbst zu bestimmen, so begeben sie
sich damit des wichtigsten Rechts, das ein Verein überhaupt
besitzt. Tatsächlich ist das Unternehmen auch keine „Rück¬
versicherung“, weil jeder Verein das, was er gebraucht, selbst
aufbringen muß. Da nun jeder Verein einen Reservefond an-
legen muß, so ist er durch diesen schon für solche Fälle ge¬
sichert, in denen die Jahresprämie einmal nicht zur Deckung
der Schadensansprüche ausreicht. Es ist daher nicht ersichtlich,
zu welchem Zwecke die Vereine den fünften Teil ihrer Prämien¬
einnahme zinslos an die sogenannte Rückversicherung abführen
sollen. Bevor ein Verein dieser beitritt, wird erst sehr reiflich
zu erwägen sein, ob und eventuell welchen Vorteil er davon
haben kann. Meine Ansicht von der Zweckmäßigkeit und Nützlich¬
keit der lokalen Viehversicherungsvereine auf Gegenseitigkeit
w r ird hierdurch selbstverständlich nicht berührt.
Berichtigung:
In dem Artikel von Storch über Strabismus B. T. W.
Nr. 10, S. 177, ist in Zeile 12 von unten zu lesen „verlagert“
(nicht vorgelagert).
Referate.
Aus der Praxis.
Von Tierarzt Dasch-Wien.
(Tierärztliches Zentralblatt 1907, Nr. : 2 .)
Dasch berichtet, daß er 45 Fälle von Abschnürung der
Jungen bei Katzen, durch Fremdkörper bedingt, in seiner Praxis
beobachtet hat. 43 mal waren es Trachealringe, meistens von
Gänsen, in je einem Falle ein Stück Blutgefäß und ein Stück
Bindfaden. Bei einem zahmen Star war die Zungenspitze durch
eine Haarschlinge abgeschnürt.
Weiter teilt Dasch einige Fälle von Abschnürungen anderer
Organe mit. Bei einem Hund fand Dasch ein ringförmiges
Hautleiden am Halse, welches nach Angabe des Besitzers
bereits als Ekzem behandelt worden war. Nachdem die Krusten
entfernt und die Haare abgeschoren waren, fand sich eine ring¬
förmige Furche mit verdickten Rändern rings am Halse und in
der Tiefe der Furche fast ein ringförmiges Gummiband, wie es
zum Zuschnüren kleiner Päckchen benutzt wird. Es stellte sich
heraus, daß dieses Gummiband vor einiger Zeit von einem Kind
des Besitzers dem Hunde beim Spielen über den Kopf auf den
Hals gestreift worden war. Nach Entfernung des Bandes und
entsprechender Behandlung trat bald Heilung ein.
Abschnürung des Penis bei Hunden sah Dasch fünfmal.
Der Vorbericht war gewöhnlich, daß aus dem Gliede Blut fließe
oder daß die Hunde Blut urinieren und fortwährend am Gliede
lecken. Bei zweien wurde in der Anamnese auch angegeben,
daß die Tiere bereits wegen Blasenkatarrh und Nierenentzündung
in Behandlung stünden. In allen fünf Fällen war böswillig der
Penis mit Bindfaden abgeschnürt worden. In einem dieser
Fälle war die Schnur 18 mal um den Penis gewunden und hatte
stellenweise bis auf den Rutenknochen durchgeschnürt. Vier
Fälle gingen in Genesung über, der letztere Fall war unheilbar.
Dasch berichtet auch über vier Fälle von Kolik bei Hunden.
Diese Krankheit ist bei Hunden eine Seltenheit. Unter 75 000
Dasch zur Untersuchung vorgeführten kranken Hunden wurde
Kolik nur in den erwähnten vier Fällen beobachtet. Drei Fälle
endeten letal. Bei zwei Fällen lag eine Magendrehung vor
und im dritten Falle fand sich eine Magenperforation durch
ein scharfes Knochenstück vor. Der vierte Fall ging in Genesung
über. Endlich beschreibt Dasch noch einen Fall von Thrombos#
der Schenkelarterie beim Hunde. Die Grundursache dieses bei
Hunden wohl noch nicht beobachteten resp. beschriebenen Leidenl
war in einer Endokarditis zu suchen. Rdr.
Über Verletzungen der Wirbelsäule beim Rinde.
Von Amtstierarzt A. Tapken in Varel.
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 1907 Nr. 35)
Verletzungen der Halswirbel beobachtete Tapken bei einer
Kuh und bei einem Kalbe. Bei der Kuh, die zu Fall gekommen
war und liegen blieb, zeigten sich so bedrohliche Erscheinungen,
daß sie geschlachtet werden mußte. Es war der dritte Hals¬
wirbel gebrochen. Bei dem Kalbe bestand steife Haltung des
Kopfes und Halses. Dann vermochte später das Tier nicht
mehr aufzustehen und hielt die Beine gestreckt. Der Krankheits¬
zustand bestand einige Wochen, dann wurde das Kalb geschlachtet.
Bei der Sektion fanden sich von den Körpern des letzten Hals¬
wirbels und des ersten Rückenwirbels kleinere Stücke ab¬
gesprengt, die zum Teil nekrotisch waren.
Verletzungen der Rücken- und Lendenwirbelsäule haben
ihre Ursache bei Rindern meist im Hinstürzen. Die klinischen
Erscheinungen richten sich nach dem Grade der Läsion. Manche
Tiere können noch mehrere Stunden oder einige Tage nach der
Verletznng aufstehen und sich langsam bewegen, die meisten
Rinder aber bleiben am Boden liegen und zeigen mehr oder
weniger Lähmungserscheinungen, besonders im Hinterteil. Bei
Fraktur des Kreuzbeins sind die sensiblen und motorischen
Lähmungserscheinungen weniger deutlich ausgeprägt. Die
Diagnose läßt sich durch die rektale Untersuchung sichern.
Kombinierte Schweif- und Sphinkterenlähmungen, Hammel¬
schwanz, Tibialislähmung beobachtete Tapken bei zwei Rindern.
Es ist sonach nicht zutreffend, daß der sogenannte Hammel-
scliwanz nur beim Pferde vorkommt. Rdr.
Experimente Ober die Indikationen der Pnenmotomia
nnd der Pnenmektomia bei Hunden.
Von Dr. C. Pausini der Kgl. Tierärztlichen Hochschule in Neapel.
(Öaterr. Mooatsschr. f. Tierheilk. 1907, S. 241 u. 289.)
Nach geschichtlichem Überblick geht Pausini auf die
Indikationen der Pneumotomie ein; hierauf schildert er eigene
Versuche über die Pneumektomie, deren Ausführung er bei Neu¬
bildungen der Lunge, bei Lungenhernien sowie «bei Tuberkulose
(im Beginn und unilateral) befürwortete. Da Chloroform und
Äther zu große Gefahren bedingen können, nahm Pausini zur
Anästhesie seiner Versuchshunde Injektionen mit folgender
Lösung vor: Morph, mur. 0,2 g, Chloral. 20 g, Aqu. dest. 200 g
(hiervon pro kg Körpergewicht 1,5 g subkutan). Vor der
Operation wurde die Tracheotomie gemacht und künstliche
Atmung eingeleitet (mittelst eines modifizierten Zerstäubers nach
Richardson). In einigen Fällen wurde ein IV 2 cm großes
Stück aus der fünften und sechsten Rippe reseziert, um ge¬
nügend Platz zu haben, bei drei anderen Tieren wurde nur aus
einer Rippe ein Stück entfernt, bei den übrigen dagegen nur
der interkostale Schnitt etwas länger ausgeführt. Nach Durch¬
trennen der Pleura nahm Pausini teils partielle, teils totale
Pneumektomien vor. Von zehn (anscheinend gesunden) Hunden
12. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
203
starben sechs während oder mehrere Tage nach der Operation.
Näheres muß im Original nachgelesen werden. — Ans den
Schlüssen sei folgender Satz herausgegriffen: Die Schwierigkeit
der Abtragung wächst mit der Schwere und der Ausdehnung
der Krankheit, weshalb man sofort die partielle oder totale
Exstirpation der Lunge vornehmen soll. Richter.
Zar Kasuistik der Laftsackerkrankungen.
Von Kroistierarzt Reimers-Freiburg, Elbe.
(Deutsche Ticrärziliihe Wochenschrift 1907, Nr. 42.)
Reimers behandelte bei einem Fohlen einen typischen Fall
von Luftsackkatarrh operativ nach der Dieterichs sehen
Methode, indem die obere Öffnung des Luftsacks unmittelbar
hinter dem Muse, jugulomandibularis, die untere Öffnung im
sogen. Viborgschen Dreieck angelegt wurde. Das Drainrohr
bUeb drei Wochen liegen und durch Ausspülung mit adstrin¬
gierenden Desintizientien trat scheinbar Heilung ein. Jedoch
stellte sich sehr bald ein beträchtliches Rezidiv ein. Nach
Rücksprache mit Masch in Wilster öffnete Reimers den Luft¬
sack unterhalb der Vena maxill. externa und setzte daselbst
einen besonders für diesen Zweck aus Silber gefertigten leichten
Tubus ein, der einem kleinen, zusammenlegbaren Traclieotubus
ähnelte. Dieser Traclieotubus wurde, um ein Herausgleiten un¬
möglich zu machen, mit dem Wundrande vernäht. Nach vier
Wochen sistierte der Ausfluß, doch blieb der Tubus acht Wochen
liegen. Nunmehr war völlige Heilung eingetreten. Rdr.
Tuberkul osetilgangs-Resaltate.
Von Prof. Emerich Ujhelyi in Magyarövär.
(Allatorvosi hapok. 1907, Nr 51.)
In der Domäne Hedewär hat Prof. Ujhelyi im Jahre 1898
das von ihm modifizierte Bang sehe Verfahren zur Tilgung der
Tuberkulose unter den Rindern eingeführt. In der Domäne ließ
man an Stelle der früheren Schafzucht Simmentaler Vieh ein¬
stellen und zwar in drei Meierhöfen in ziemlich primitiv um¬
gestalteten Schafstallungen. Stiere wurden aus den besten
Simmentaler Beständen angeschafft, während die Kühe von
ländlichen Kleinzüchtern angekauft wurden; es wurde also eine
Halbblut-Simmentaler Zucht getrieben.
Im Jahre 1898, am Anfang der Tuberkulosetilgung, zählte
der Rindviehbestand 170 Stück, davon 73 Jungvieh; auf Tuberkulin
reagierten von den Erwachsenen 36 Proz., vom Jungvieh 17,8 Proz.
Die Reagierenden wurden in dem von einer lVain hohen Bretter¬
wand separieiten Teil der Stallungen untergebracht. Aber diese
Isolation bewährte sich nicht genügend, denn von den früher
nicht reagierenden 101 Stück reagierten bei der zweiten Unter¬
suchung schon 46 Stück. Jetzt wurden sämtliche Reagierende
in einem Meierhof untergebracht; die hier geborenen Kälber
wurden aber nach 1—2 Tagen in den beiden anderen Meier¬
höfen durch nicht reagierende Ammenkühe aufgezogen. Nach
diesen Maßnahmen gestaltete sich das Resultat der Tuberkulose¬
tilgung immer günstiger, besonders als man auch die Stallungen
vierteljährlich mit Kalkmilch desinfizierte. Die Tuberkulinprobe
wurde jährlich wiederholt und in den letzten Jahren reagierten
nur mehr 1—3 Proz. der untersuchten von über 400 Stück Tieren.
Die künstliche Aufzucht der Kälber ist in Ungarn schwer
durchführbar, hingegen hat sich das Ammensystem sehr gut
bewährt, die Kälber entwickeln sich bei diesen viel besser und
sind widerstandsfähiger gegenüber der Kälberruhr. Dr. Z.
Secacornin.
Von Distriktstierarzt Dorn-Markterlbach.
(Wochenschrift fttr Tierheilkunde und Viehzucht, 51. Jahrg., Nr. 44.)
In der Medizin berichten verschiedene Publikationen über
die gute Wirkung, welche mit der Anwendung des von der
chemischen Fabrik Hofmann-La Roche in Basel in den Handel
gebrachten Präparates „Secacornin“ erzielt worden sind.
Dorn stellte daher einige Versuche in der Rinderpraxis an, um
die wehentreibende Eigenschaft dieses Mittels zu erproben. Er
wandte letzteres subkutan bei Rindern mit Rententio secundi-
narum an. Als Dosen wurden 10, 20 und sogar 50 ccm appliziert.
Die Ergebnisse gipfelten darin, „daß es mit Secacornin nicht
gelingt, den bei zurückgebliebener Nachgeburt er¬
schlafften Uterus zur Kontraktion und Ausstoßung
derselben zu bringen.
Anschließend berichtet Verfasser noch über zwei Versuche
mit Chininum hydrochloricum (10,0 in 50,0 Spiritus sub¬
kutan). Auch dieses Medikament entfaltete die ihm nach¬
gerühmte wehentreibende Wirkung nicht. J. Schmidt.
Beitrag zur Kenntnis des Pseudohermaphroditismus
masculinus.
Von Dr. phil. W. F.euereißen, Amtstierarzt in Chemnitz.
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 1907, Nr. 25.)
Der Pseudohermaphroditismus ist kein seltenes Vorkommnis,
besonders wird er verhältnismäßig häufig beim Schweine be¬
obachtet. Der Pseudohermaphroditismus masculinus (Klebs), bei
dem die Keimdrüsen männlich sind bei mehr oder weniger
weiblicher Bildung der äußeren Geschlechtsteile und Geschlechts¬
gänge, kommt bei weitem am häufigsten zur Beobachtung,
während der Pseudohermaphroditismus muliebris (Klebs) mit
männlicher Bildung der äußeren Genitalien und weiblichen
Keimdrüsen sehr selten ist. Feuereißen beschreibt nun aus¬
führlich einen schön ausgeprägten Fall von Pseudohermaphro¬
ditismus masculinus completus beim Schweine. Bei der
Schlachtung des acht Monate alten Schweines fanden sich bei
der Fleischbeschau zwei normal aussehende Hoden neben einem
wohlausgebildeten Uterus in der Bauchhöhle, durch die Koch¬
probe konnte übrigens kein Geschlechtsgeruch festgestellt werden.
Die anscheinend normal entwickelten Hoden fanden sich beider¬
seits in der Nähe der Nieren.
Der Ductus deferens tritt als stricknadeldicker Strang an
das dem Hoden zugekehrte Ende des Hornes eines völlig normal
entwickelten Uterus. Lateral am Uterushorne im Ligamentum
latum herabziehend, führt dieser Kanal am Gebärmutterkörper
und an der Scheide entlang und verliert sich als festes, band¬
förmiges Gebilde in der Gegend der Einmündung der Vagina
in die männliche Harnröhre. Die Scheide mündet mit einer
starken, aber vermittelst einer Sonde passierbaren Verengerung
in die ungewöhnlich stark entwickelte männliche Harnröhre.
Verfasser beschreibt dann weiter den Musculusurethralis, die Glan¬
dulae urethrales, die Musculi iscliioglandulares, die Cowper sehen
Drüsen, die Musculi bulbocavernosi, die Musculi ischiocavernosi,
den ca. 16 cm langen Penis und das wohlausgebildete Präputium.
Aus dem ausführlich beschriebenen mikroskopischen Befund,
der im Original nachzulesen ist, sei nun hervorgehoben, daß die
Hoden keine Spermatozoen enthielten. Am Schlüsse der Arbeit
berichtet Feuereißen noch kurz über einen Fall von Pseudo¬
hermaphroditismus beim Schafe. Rdr.
204
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11
Tagesgeschlchte.
Geschichte des Militärveterinärwesens in Österreich-
Ungarn.
Von Stabsveterinär Dr. Goldbeck-Schwedt a. 0.
Wenn jemand die Absicht hätte, die Bedeutung der Ge¬
schichte für das Verständnis der menschlichen Einrichtungen
in das rechte Licht zu setzen, so könnte man ihm nur empfehlen,
das Militärveterinärwesen der verschiedenen Staaten und vor
allem Österreichs zu studieren. Während in Frankreich durch
den Advokaten Bourgelat den neu erschaffenen Veterinären
von vornherein eine angenehme soziale Stellung mit in die
Wiege gelegt wurde, ging es in Österreich gerade umgekehrt.
Hier schickte die Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1764
auf Veranlassung des Feldmarschalls Grafen von Daun den
Schmied Ludwig Scotti sowie den Apotheker Mengmann und
einen gewissen Heller zur französischen Veterinärschule nach
Lyon, um sich dort „eine vollkommene Kenntnis der Pferde und
der bei ihnen nötigen Kuren zu erwerben und nach ihrer Zurück¬
kunft in der erworbenen Kunst andere ihnen zugegeben werdende
Landeskinder gründlich zu unterrichten.“
Als diese neuen Lehrer. 1766 die „Pferdekur-Operations¬
schule“ • begründen wollten, erbaten sie ‘zunächst eine Aller¬
höchste Verordnung „daß jene, so die Anatomie betreiben, das
unbrauchbare Fleisch vergraben und dergleichen hieraus kein
Vorwurf erwachsen dürfe.“
Dieses Vorurteil hat den österreichischen Tierärzten bis in
die neue Zeit hinein ungemein viel geschadet. Von vornherein
war zu erwarten, daß sich für einen so wenig geachteten Beruf
auch nur wenig gutes Menschenmaterial heranziehen lassen
würde. In erster Linie lag die Absicht vor, für die Armee
geeignete Personen auszubilden, denen die Behandlung der
Militärpferde übertragen werden könne. Zu dem Zweck arbeiteten
die gesamten Lehrer einen zweijährigen Studienplan aus (ein¬
schließlich Hufbeschlag), der auch im Jahre 1766 von der
Kaiserin Maria Theresia genehmigt wurde.
Diese erste tierärztliche Lehranstalt wurde unter dem
Namen „Pferdekur-Operationsschule“ am 12. Januar 1767
zu Wien eröffnet, und zwar in dem sogenannten Lobkowitzschen
Garten, dem späteren Gußhause auf der Wieden. Während der
Tätigkeit dieser Anstalt, die eine Art vorbereitende Stellung
einnimmt, wurden der Chirurg J. Gottlieb Wolist ein (geboren
1738 zu Flensburg in Schlesien, studierte Chirurgie und Medizin,
erlangte 1775 das Diplom eines Doktor der Medizin und Chirurgie
in Jena) und der frühere Fahnenschmied Franz Schmied nach
der Veterinärscliule zu Alfort geschickt, um dort zu studieren.
Nach ihrer Rückkehr 1767 arbeiteten sie einen Entwurf zu
einer Tierarzneischule aus, die jedoch erst 1777 zur Ausführung
kam. Als Platz für dieselbe wurde der frühere Jesuiten¬
garten in der Rabengasse (Landstraße) ausgesucht. Professor
Dr. Wollstein wurde Direktor, Schmied Oberadjunkt und
Lehrer des Hufbeschlages, Tögel Adjunkt und Lehrer der
Anatomie, Mengmann zweiter Adjunkt und Apotheker. Die
Militärschüler sollten entweder von den Kavallerie-Regimentern
in die Schule geschickt oder von der Schule selbst aus der
Reihe geübter Schmiede für diese Regimenter aufgenommen
werden. Sie durften nicht über 30 Jahre alt und nicht ver¬
heiratet sein, mußten Inländer, stark, gesund, von guter bürger¬
licher Erziehung und der deutschen Sprache, deB Lesens und
Schreibens kundig sein. Die Annahme von Zivilschülern wurde
dem Professor gestattet. Zur Aufrechterhaltung der guten
Ordnung und Disziplin unter den Militärschülern wurde ein
Inspektionsoffizier eingestellt. Vom Jahre 1778 bis 1792 belief
sich die Zahl der Militärschüler auf 178, der Zivilschüler auf
137 und der Ausländer auf 144. Ferner hatten 721 Ärzte und
Wundärzte die Vorlesungen über Tierseuchen besucht.
In dieser Zeit waren 4208 Militärpferde behandelt, von
denen 3665 geheilt, 291 ungeheilt entlassen wurden, 252 starben.
Im Jahre 1795 wurde die Anstalt dem Generalkommando
unterstellt, da man fehlerhafte Einrichtungen derselben annahm.
Der gesamte Lehrkursus sollte jetzt in einem Jahr erledigt
werden, das zweite Jahr diente ausschließlich zur Wiederholung.
Die ausgebildeten Schulschmiede (Fahnenschmiede der Kavallerie-
Regimenter sollten nicht mehr aufgenommen werden) hatten
sich zu einer vierjährigen Dienstzeit zu verpflichten. Als
militärischer Inspektions-Offizier wurde der Oberleutnant Keller
1798, als Major Pögler kommandiert. Letzterer hatte für die
Aufrechthaltung der Ordnung, die Führung des Pferde- und
Mannschaftsstandes, für die Gelder, Verpflegung und alle An¬
schaffungen zu sorgen. Bezeichnend ist es für das Wesen des
ganzen Instituts, daß ihm auch die Kontrolle über die Krankheits¬
diagnosen übertragen wurde. Bei Differenzen zwischen Diagnosen
und den Sektionsbefunden hatte er Anzeige an das General¬
kommando zu erstatten.
Im Jahre 1801 wurde die Tierarzneischule wieder dem
Hofkriegsrate unterstellt. Den wissenschaftlichen Teil kon¬
trollierte der Oberst-Feldarzt Dr. von Mederer.
Jedes Kavallerie-Regiment hatte einen Fahnenschmied in
die Anstalt zu schicken. Dieser mußte das Schmiedehandwerk
erlernt haben, natürlichen Verstand besitzen, der deutschen
Sprache, des Lesens und Schreibens kundig, ledig und von guter
Führung sein. In Ermangelung eines Fahnenschmiedes konnte
auch ein mit den gehörigen Eigenschaften ausgerüsteter Gemeiner
geschickt werden. Fehlte auch ein solcher, so sollte das Institut
ein taugliches Subjekt aufnehmen, für das betreffende Regiment
assentieren lassen und dieses letztere dafür einen weniger ge¬
schickten Fahnenschmied entlassen. Im Jahre 1808 wurde
bestimmt, daß für jedes General- und Militärkommando außer
der Grenze ein in der Tierheilkunde wohl bewanderter Ober¬
arzt mit einer Zulage von jährlich 200 fl. als Veterinärarzt
eingestellt werden solle. Seine Obliegenheiten waren: Unter¬
suchung der Dienstpferde bei der Übernahme, Überwachung der
Marodestallungen, Beaufsichtigung der Schmiedeschulen bei den
Regimentern, Dienstleistungen bei Viehseuchen im Lande, bei
eventuellem Ausmarsch sollte der Veterinäroberarzt zu einem
im Lande bleibenden Regimente oder zur Reserve übertreten.
Der Kursus für diese Ärzte wurde auf zwei Jahre festgesetzt,
und sollten immer acht zugleich im Studium sein.
Im Jahre 1812 wurde das Institut der Wiener Universität
zugeteilt. Die Tätigkeit des Militärkommandeurs wurde auf die
Beaufsichtigung und Aufrechterhaltung der Disziplin unter den
Militärpersonen beschränkt. Zur Ausbildung gelangten eine
ganze Anzahl verschiedener Kategorien:
1. Gemeine Schmiede, nach mindestens 2jähriger Dienstzeit
und nach Ausbildung als Schmiedegeselle. Sie erhielten die
Berechtigung, nach einjährigem Kursus das Schmiedegewerbe
selbständig zu betreiben. 2. Landwirte oder Ökonomen. 3. Offi¬
ziere, Bereiter und Stallmeister. 4. Künftige Physiker. Es
12. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
205
waren dies Mediziner des dritten und Wundärzte des zweiten
Jahrganges des medizin-chirurgischen Studiums. Sie hörten ein
Semester Seuchenlehre und Veterinärpolizei. 5. Vieh- und Fleisch¬
beschauer. 6. Viehhirten und Schafmeister. 7. Jäger. 8. Kur¬
schmiede. Es waren dies ausgebildete Schmiede, welche einige
Jahre beim Militär gedient hatten, des Lesens und Schreibens
kundig waren. Der Kursus dauerte zwei Jahre und umfaßte die
gesamte Veterinärmedizin. Dieselben erhielten nach Vollendung
ihres Studiums, nach Bestehung eines Examens das Recht zur
freien Ausübung der Pferdepraxis und des Hufschmiedegewerbes.
9. Eigentliche Tierärzte. Letztere mußten graduierte Ärzte
oder Wundärzte sein. Der Kursus dauerte ebenfalls zwei Jahre.
Die eigentlichen Tierärzte hatten zwei strenge Prüfungen
vor der medizinischen Fakultät der Wiener Universität zu be¬
stehen und erhielten das Diplom eines Magisters der Tier¬
heilkunde.
Inzwischen waren von 1821 bis 1823 erhebliche Neubauten
und Verbesserungen im Institut vorgenommen worden. Als im
Jahre 1848 die unmittelbare Leitung der Fakultäten an den
Universitäten, den technischen Anstalten und Gymnasien deren
Lehrkörpern übertragen wurde, sollte das Tierarzneiinstitut der
Leitung der medizinischen Fakultät der Wiener Universität
unterstellt werden. Dieses unwürdige Verhältnis wollte der
Lehrkörper des Tierarzneiinstituts nicht ertragen und bat das
k. k. Unterrichtsministerium um Ausscheidung aus der medi¬
zinischen Fakultät. Nach wiederholter Vorstellung erfolgte
letzteres auch im Jahre 1850. Das Institut wurde als Spezial¬
schule erklärt, nicht verwandt mit der Universität und erhielt
die Aufgabe, alle Klassen tierheilkundiger Individuen zu be¬
sorgen, deren der Staat bedurfte. Als letztere wurden an¬
gesehen : a) Kurschmiede, b) Magister der Tierheilkunde, c) Tier¬
ärzte. Für die ersteren beiden blieb es bei den bisherigen
Bestimmungen. Die letzteren mußten die drei Normalklassen
absolviert und entweder das Schmiedehandwerk erlernt haben
oder die Anwartschaft auf ein Bauerngut besitzen. Die Aus¬
bildung derselben dauerte drei Jahre.
Im Jahre 1852, 16. März, wurde das Institut wieder, wie
vor 1812, dem k. k. Kriegsministerium unterstellt. Der Leiter
desselben hieß Studiendirektor. Er mußte gleichzeitig eine
PYofessorenstelle versehen. Ihm unterstand nur der Lehr¬
unterricht und der wissenschaftliche Teil. Die Verwaltung der
Anstalt hatte der Militärkommandant. Der Unterricht für
Jäger und Hundeliebhaber, für Hirten und Schafmeister wurde
1853 eingestellt. Die Anstalt erhielt den Namen „k. k. Militär-
Tierarznei-Institut“. Ihr Zweck war die Heranbildung
von Tierärzten und Hufschmieden für das Heer und Zivil, die
Förderung der Tierheilkunde und die Behandlung kranker Haus¬
säugetiere. Die Bedingungen zur Aufnahme als Militärzöglinge
waren: Österreichische Staatsangehörigkeit, das vollendete 17.
und nicht überschrittene 24. Lebensjahr, der Nachweis über die
Absolvierung des Untergymnasiums oder der Unterrealschule
und über ein untadelhaftes Vorleben. Hinterlegung eines Equi¬
pierungsgeldes im Betrage von 180 fl. Beim Eintritt in das
Institut die Verpflichtung, acht Jahre als Tierarzt im k. k. Heere
zu dienen. Die Studiendauer wurde auf drei Jahre bemessen.
Leider wurde dieses Institut bereits im Jahre 1862 auf¬
gelassen. An seine Stelle trat ein zweijähriger Kursus für die
Militärkurschmiede. Dieselben erhielten Unterricht lediglich über
das Pferd, seine Krankheiten und ihre Heilung. Der Kursus
dauerte zwei Jahre und endete mit einer Prüfung, welche
ursprünglich nur nach dem Austritt aus der Militärdienstleistung
zur Ausübung des Hufschmiedegewerbes berechtigte. Doch schon
damals konnte das k. k. Staatsministerium jenen Kurschmieden
neuen Systems, welche längere Zeit mit Auszeichnung gedient
hatten, die Konzession zur Ausübung der pferdeärzt¬
lichen Praxis erteilen.
Mit dem 27. Juni 1871 traten neue, bis auf die letzte Zeit
gültige organische Bestimmungen für das Heer und Militär-
Veterinärwesen sowie das Militärtierarznei-Institut in Kraft.
Danach ist Zweck des Instituts in erster Linie die Heran¬
bildung von Tierärzten für das Zivil und das k. k. Heer sowie
von Militärkurschmieden für den Bedarf des letzteren.
Bei der mit dem Institut verbundenen Hufbeschlagslehr¬
anstalt wurden Zivil- und Militärbeschlagschmiede ausgebildet.
Die Leitung des Militärtierarznei-Instituts geschah durch die
Direktion.
Diese bestand aus dem Kommandanten und dem Studien-
Direktor. Der Kommandant, ein Stabsoffizier, unterstand in
allen Angelegenheiten dem Reichskriegsministerium. Derselbe
leitete die Anstalt in militärischer Beziehung, sorgte für den
militärischen Dienstbetrieb, die innere Hausordnung und die
Disziplin für die das Studienwesen nicht betreffenden Angelegen¬
heiten der Inspektionstierarznei-Militärschüler usw.
Für die Studierenden vom Zivil wurde bereits damals der
Nachweis der absolvierten sechsten Gymnasialklasse oder Real¬
schule oder eine entsprechende Aufnahmeprüfung verlangt.
Die Militärpersonen waren entweder Schüler des halbjährigen
Kursus für Beschlagschmiede oder Schüler des Kursus für
Militärkurschmiede oder Frequentanten des Kursus für Tier¬
ärzte. In den Kursus für Militärkurschmiede wurden solche
Hufschmiede einberufen, welche sich dauernd gut geführt hatten.
Dieselben erhielten einen zweijährigen Unterricht, und beim
Übertritt zum Zivilstande nach vier Jahren konnte ihnen die
Berechtigung zur Ausübung der pferdeärztlichen Praxis im
Zivilstande erteilt werden.
Die Frequentanten des tierärztlichen Kursus wurden
aus der Reihe der besten Militärkurschmiede genommen und
hatten sich der vorgeschriebenen Aufnahmeprüfung mit Erfolg
zu unterziehen. Ihre Studienzeit dauerte zwei Jahre, und sie
wurden dann zu Militärtierärzten ernannt.
Die militärischen Kommandanten dieses Instituts waren:
Anfangs: 1777—1794 Inspektions-Offiziere.
1795—1798 Rittmeister Keller.
1798-1809 Major Pögler.
1809 Major Keller, f 1824.
1824 Rittmeister Weber v. Wallburg, f 1838.
1838 Rittmeister Prokop Habl, pens. als Major 1852.
1852 Major (dann Oberstlt.) Richard Ritter v. Landgraf,
pens. als Oberst 1864.
1864 Major Bernhard v. Kiß, pens. 1869.
1869 Major, später Oberst Eduard La Croix, bis
Oktober 1882.
1882—1890 Oberst Georg Edler v. Pohl.
1890—1896 Oberst Moritz Scherenberg.
1896—1904 Oberst Johann Patartzi.
1904 bis heute Major Johann Pisulinski.
206
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11.
Studiendirektor waren zunächst Hofrat Professor Dr. Röll,
seit der Begründung bis zum Jahre 1879, sodann Hofrat
Dr. Franz Müller, von 1879 bis 1888, Hofrat Dr. Leopold
Förster, von 1888 bis 1892, Hofrat Dr. Josef Bayer, von 1892
bis beute.
Durch ministeriellen Erlaß vom 27. März 1897 wurde für
die Zivilhörer das Zeugnis über die an einer inländischen Mittel¬
schule (Gymnasium oder Realschule) mit Erfolg bestandene
Maturitätsprüfung verlangt. Die Studiendauer wurde auf
vier Jahre festgesetzt. Im Oktober 1897 wurde das Institut
zur tierärztlichen Hochschule erhoben nnd erhielt Herr
Ilofrat Dr. Bayer in dieser Zeit den Titel Rektor. Für die
Militär8chüler blieb es bei dem alten Verhältnis.
Durch § 17 der Verordnung des k. k. Ministeriums des
Innern vom 21. März 1893, Reichsgesetzblatt Nr. 37, wurde
verfügt, daß nur jene Militärtierärzte zur Physikatsprttfung
behufs Anstellung im öffentlichen Veterinärdienst zugelassen
werden, die dieselbe Vorbildung nach weisen können wie jene
Zivilhörer, welche das Tierarzneistudium gleichzeitig absolviert
haben.
Für Ungarn konnte die in Österreich den Kurschmieden
ausnahmsweise (d. h. in der Regel) erteilte Erlaubnis zur Aus¬
übung der tierärztlichen Praxis bei Zivilpferdeu seit dem Jahre
1888 gemäß §§ 117 und 123 des G. A 7 überhaupt nicht erteilt
werden. Im übrigen erfolgte die Ausbildung der Militärtier¬
ärzte für Ungarn in Budapest, wie für Österreich in Wien.
Doch wurde von jeher insofern eine unterste Grenze der Vor¬
bildung fixiert, als die Militäreleven bei der Aufnahmeprüfung
die Erledigung der achten Mittelschulklasse nachweisen müssen.
(Mittelschulen besitzen in Ungarn acht, nicht wie in Deutsch¬
land neun Klassen.)
Dieser Dualismus in der Ausbildung der Zivil- und Militär¬
schüler Österreichs war auf die Dauer unhaltbar, und man ent¬
schloß sich im Jahre 1905 zur Gleichstellung sämtlicher Hörer
der tierärztlichen Hochschule in bezug auf die wissenschaftliche
Vorbildung. Es wird demgemäß also auch von den Militär¬
tierärzten seit diesem Jahre der Nachweis der Maturitätsprüfung
verlangt.
Seit dem Jahre 1905 wurde von Militär- wie von den Zivil¬
studierenden Österreichs die volle Maturitas als Vorbildung ver¬
langt. Da jedoch im Militärstande selbst Personen mit dieser
Vorbildung nicht in genügender Zahl zu erwarten waren, stellte
man den Nachwuchs durch geeignete Aspiranten aus dem Zivil¬
stande sicher. Dieselben sollen in eignen Internaten, sogenannten
Veterinärakademien, von denen je eine in Wien und Budapest
errichtet wird, auf ärarische Kosten herangebildet werden.
Zur Ausbildung sollen jährlich 30 Militärtierärzte gelangen
20 Militär-Veterinär-Akademiker in Wien, 10 in Budapest. Die
Internate sollen je fünf Jahrgänge umfassen.
Die Ausbildung der Kurschmiede soll nach wie vor durch
zweijährigen Kursus erfolgen, dieselben sollen aber nicht mehr
Kurschmiede, sondern Eskadron- oder Batterieschmiede heißen
im Gegensatz zum gewöhnlichen Militärhufschmied, der nur
einen halbjährigen Kursus absolviert hat. Die Militär-Veterinär-
Akademie in Wien wurde am 22. Oktober 1905 durch den
Sektionschef im Reichskriegsministerium Ritter von Krobatin
in feierlicher Weise eröflhet.
Bericht über die TU. Hauptversammlung des Vereins
der beamteten Tierärzte Frenßens
am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907.
(Fortsetzung aus Nr. 9.)
Bei Wiederaufnahme der Verhandlungen wurde zunächst in
Erwägung gezogen, ob es bei der Kürze der noch zur Ver¬
fügung stehenden Zeit nicht zweckdienlicher sei, Punkt 11 und
12 der Tagesordnung (11. das praktische Jahr, Bischoff-
Falkenberg O.-S.; 12. Überhandnahme des Kurpfuschertums,
Raebiger-Habelschwerdt) zunächst zurückzustellen und
diese eventuell nur im Protokoll zum Abdruck zu bringen. Die
Versammlung erklärte sich auch mit dieser Änderung der
Tagesordnung einverstanden und es erhielt lyinmehr das Wort
zu seinem Vortrag:
Über die Kontrolle des im Verkehr befindlichen Fleisches, insbesondere
des Hackfleisches:
Referent Gundelach-Magdeburg.
Die Kontrolle des im Verkehr befindlichen Fleisches, die
man bekanntlich im Gegensatz zu der eigentlichen oder ordent¬
lichen Fleischbeschau als außerordentliche Fleischbeschau be¬
zeichnet, wird bereits seit Jahren in einer Reihe von Städten
und größeren Orten auf Grund lokaler Anordnungen und nach
Maßgabe der Bestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes vom
14. Mai 1879 ausgeübt.
Nach der allgemeinen ministeriellen Verfügung Nr. 35 vom
17. August d. J. soll künftig auch „überall da, wo es an ent¬
sprechenden Anordnungen bisher mangelt und nicht im Hinblick
auf die Geringfügigkeit des Fleischverkehrs ein Bedürfnis zu
verneinen ist, dafür Sorge getragen werden, daß eine regel¬
mäßige polizeiliche Beaufsichtigung der Fleischverkaufsstellen
und zwar nicht nur der Fleischmärkte, sondern auch der
Fleischerläden und der sonstigen Räumlichkeiten, wo Fleisch
feilgehalten wird, stattfindet“. In Anbetracht der knapp be¬
messenen Zeit, die mir zur Verfügung steht, ist es unmöglich,
die gesamte außerordentliche Fleischbeschau erschöpfend be¬
handeln zu können, ich will mich daher darauf beschränken,
ein Referat über ein kleines, aber sehr wichtiges Kapitel aus
diesem großen Gebiete zu erstatten, nämlich über die Kontrolle
des Hackfleisches.
Bei Ausübung der außerordentlichen Fleischbeschau muß
der Sachverständige sein Augenmerk namentlich dort auf das
Hackfleisch richten, wo es Sitte ist, dasselbe im rohen Zustande
zu genießen. Wenn gerade in den sächsischen Staaten so
häufig Hackfleischvergiftungen beobachtet werden, so liegt; der
Grund vornähmlich darin, daß rohes Hackfleisch daselbst ein
überaus beliebtes Nahrungsmittel bei jung und alt ist.
Bei der Kontrolle des Hackfleisches ist zunächst nach § 20
des Reichsfleischbeschaugesetzes festzustellen, ob es inzwischen
verdorben oder sonst eine gesundheitsschädliche Veränderung
seiner Beschaffenheit erlitten hat, und ferner ist zu prüfen, ob
es im Sinne des § 21 des Gesetzes mit Stoffen behandelt ist,
die nach der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom
18. Februar 1902 verboten sind.
Die Prüfung des Verdorbenseins hat sich speziell auf
die Farbe, die Konsistenz, den Geruch und auf die
chemische Reaktion zu erstrecken. Die Farbe des normalen
Hackfleisches schwankt zwischen hellrosa bis dunkelbraunrot in
den verschiedensten Nuancen und hängt vornehmlich von dem
geringeren oder höheren Gehalt an Muskelfarbstoff ab. So
12. März 1906.
fcERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
20 7
hat das aus dem farbstoffreichen Rind- und Pferdefleisch her¬
gestellte Hackfleisch eine dunkelbraunrote bis hellrote Farbe,
das aus dem farbstoffarmen Fleisch von Mastschweinen zubereitete
Hackfleisch eine blaß- bis rosarote, selbst graurote Farbe.
Auch bedingt der Fettgehalt des Fleisches eine Ver¬
schiedenheit in der Farbe des Hackfleisches. Während daher
das von mageren Tieren stammende Hackfleisch einen dunklen,
hat das von gemästeten Tieren hergestellte einen hellen
Farbenton.
Und schließlich spielt auch der Wassergehalt des
Fleisches eine Rolle bei der Farbe des Hackfleisches. Je wasser¬
reicher ein Fleisch ist, wie bei jungen Tieren, desto heller, je
wasserärmer, wie bei alten Tieren, desto dunkler wird das
betreffende Hackfleisch erscheinen.
Das aus frischem Rindfleisch hergestellte Hackfleisch besitzt
eine lebhaft rote Farbe, die sich mindestens zwölf Stunden hält,
falls die Zubereitung und Aufbewahrung eine zweckmäßige war,
andernfalls schon nach einigen Stunden, meist nach vier bis
sechs Stunden, einen braunen, dann einen grauen oder schmutzig
graubraunen Farbenton Platz macht.
Derartig grau verfärbtes Hackfleisch befindet sich in einem
gewissen, späten Stadium der sauren Gärung, unterscheidet sich
im Geruch und Geschmack nicht von dem natürlich rot aus¬
sehenden, namentlich ist der Nährwert nicht geringer, als das
nicht verfärbte Hackfleisch, im Gegenteil ist es nahrhafter, weil
es eine größere Verdaulichkeit hat. Und aus diesen Gründen
darf der Sachverständige das lediglich grau verfärbte Hackfleisch
als ein verdorbenes nicht bezeichnen, wenn gleich das kaufende
Publikum die Annahme verweigern würde, da es solches für
alt und minderwertig oder für ungenießbar und verdorben hält.
Ich erinnere hier an die Entscheidung des Reichsgerichts
HI. Strafsenats, Urteil vom 28. September 1885, welches lautet:
Die bloße Meinung des Publikums, daß ein an und für sich
unverdorbenes Nahrungsmittel wegen besonderer Eigenschaften
als verdorben zu erachten ist, ist kein Grund für die Annahme
der Verdorbenheit.
Weit wichtiger als die Farbe ist für die Beurteilung des
Verdorbenseins die Konsistenz des Hackfleisches: eine abnorm
weiche und welke, mürbe und schmierige Beschaffenheit berechtigt
ohne weiteres, dasselbe für gennßuntauglich zu erklären. Ich
halte die genannte Konsistenzveränderung für das wichtigste
und untrüglichste Kennzeichen des Verdorbenseins.
Viel weniger Wert besitzt bei der Prüfung des Verdorben¬
seins der Gebrauch des Geruchsinnes. Einmal ist der Geruch¬
sinn bekanntlich individuell sehr verschieden, ja es zeigen sich
nicht allein bei verschiedenen Personen, sondern auch bei ein
und derselben Person zu verschiedenen Zeiten die auffallendsten
Unterschiede, schon leichte katarrhalische Entzündungen der
Nasenschleimhaut (Schnupfen) beeinträchtigen die Geruchs¬
empfindungen erheblich, ferner steht der Geruchsinn unter nicht
geringem Einfluß des Gesichtssinnes, was gerade beim Hackfleisch
von Bedeutung ist.
Aber selbstverständlich hat auch beim Hackfleisch der alte
Satz, daß der Geruch gleichsam als Wächter über die Auf¬
nahme der Nahrung eingesetzt ist, seine volle Bedeutung und
man wird Hackfleisch, das einen stinkenden Geruch hat, sofort
als genußuntauglich bezeichnen können.
Bei Gegenwart eines stinkenden Geruches ist in der Regel
auch eine alkalische Reaktion des Hackfleisches vorhanden, deren
Nachweis durch die Blaufärbung des roten Lackmuspapiers leicht
zu führen ist.
Die bei der Fäulnis des Hackfleisches auftretende Ammoniak -
bildung läßt sich am sichersten durch die Eber sehe Salmiak¬
probe nachweisen, die ich wohl als bekannt voraussetzen darf.
Wenngleich die beiden letzten Methoden nach unseren
jetzigen Kenntnissen nicht mehr für die Diagnose Fäulnis aus¬
schlaggebend sind — es kann faules Fleisch auch einmal sauer
reagieren und die Ebersehe Salmiakprobe kann auch bei
frischem Fleisch z. B. bei Gegenwart von Aromabakterien
positiv ausfallen — so halte ich sie doch für sehr wertvoll und
möchte nicht auf sie verzichten, da sie die anderen Fäulnis¬
erscheinungen, die auf subjektiven Wahrnehmungen beruhen,
absolut objektiv unterstützen.
Darauf ist das Hackfleisch auf den Zusatz von ver¬
botenen Stoffen zu untersuchen. Von den Stoffen, die in der
Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 18. Februar 1902 auf-
geführt sind, haben beim Hackfleisch nur die schweflige Säure
und deren Salze eine praktische Bedeutung. Diese kommen in
zahlreichen Präparaten unter den verschiedensten Namen in
den Handel, wie Meat preserve, Meat preserve crystal, Meat
preserve Pulver, geruchlose Meat preserve Flüssigkeit, Sozolith.
Carnat, Probat, Chromosot, Solid, Treuenit, Stuttgarter Konserve¬
salz, Fleischkonservenfluidum, Universalkonservierungsflüssig¬
keit U8W.
Wie zu erwarten war, hat das Verbot der schwefligen Säure
und deren Salze zufolge gehabt, daß die chemische Nahrungs¬
mittelindustrie andere Konservierungsmittel, die nicht in der
erwähnten Bekanntmachung des Reichskanzlers genannt sind, auf
den Markt gebracht hat und die namentlich aus Natriumphosphat
Benzoesäure, essigsaurer Tonerde und Salpeter bestehen. Solche
Präparate sind: Viandol, Carniform, Hamburger Präservesalz,
Protektorsalz, Securo und andere.
Es würde meines Erachtens nach keinen großen Zweck
haben, diese Mittel in das Verzeichnis der verbotenen Stoffe mit
aufzunehmen, denn die chemische Nahrungsmittelindustrie wird
immer wieder neue, nicht verbotene Stoffe in den Handel
bringen. Aus diesem Grunde ist mir der Vorschlag, der im
Jahresbericht über die Nahrungsmittelkontrolle in Hamburg für
1903/04 gemacht ist, sehr sympathisch, den Begriff„Hackfleisch u
gesetzlich festzulegen und unter dieser Bezeichnung lediglich
frisches zerkleinertes Fleisch zu verstehen, in gleicher Weise,
wie man in der Auslandsfleischbeschau genau bestimmt hat, was
im Sinne des Gesetzes als Schinken, Speck, Därme, Wurst usw.
anzusehen ist.
Von allen diesen Präparaten findet beim Hackfleisch auch
heute noch am meisten das Meat preserve crystal Verwendung,
nur läßt man jetzt auf den Paketen den Namen und die Ge¬
brauchsanweisung fort. Auf den Umhüllungen dieses Präserve-
salzes steht jetzt gedruckt: „Nur zu Reinigungszwecken!
Die Verwendung des Kristalles zu Hackfleisch ist gesetzlich
verboten.“
Das Meat preserve crystal hat also infolge des Verbotes
nur sein Kleid gewechselt.
Dieses Reinigungssalz, wie es nunmehr genannt wird, ist
in den meisten Geschäften, die Fleischerutensilien, Därme usw.
feilhalten, in Paketen von 1 kg bis zum Preise von 50 Pf. ver¬
käuflich, während es früher unter dem Namen Meat preserve
crystal 1 M. kostete, und besteht lediglich aus schwefligsaurein
208
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11.
Natrium. Dieses Natrium sulforosum neutrale, wie der
technische Name heißt t kristallisiert in wasserhellen monoklinen
Prismen, welche sieben Moleküle Kristallwasser enthalten, ist
leicht löslich in Wasser, verwittert an der Luft und geht all¬
mählich in Natrinmsulfat über.
Weil bei dem farbstoffreichen Hackfleisch (Rind- und Pferde¬
fleisch) die graue Verfärbung am schnellsten und auffälligsten
eintritt, so wird Präservesalz namentlich diesem zugesetzt.
Man erkennt das Hackfleisch alsdann auf den ersten
Blick an der leuchtend hellroten Farbe, die dem
natürlichen Fleischrot nicht entspricht, sondern dem Kenner ohne
weiteres als künstlich erzeugt auffällt und die man treffend als
feurigrot bezeichnen kann.
Aber auch dem aus Schweinefleisch hergestellten farbstoff¬
armen Hackfleisch, das sich bedeutend langsamer und unauf¬
fälliger verfärbt, setzt man in vielen Fällen Präservesalz zu,
um es lebhafter rot zu färben.
Der Behauptung in der Denkschrift über das Färben von
Wurst sowie des Hack- und Schabefleisches, ausgearbeitet im
Kaiserlichen Gesundheitsamt, daß es bei dem farbstoffarmen
Kalb- und Schweinefleisch nicht gelingt, eine Verstärkung und
Verschönerung der Farbe hervorzubringen, kann ich auf Grund
meiner Versuche nicht beitreten.
Auch gehacktes Schweine- und Kalbfleisch nimmt nach dem
Zusetzen von Präservesalz eine intensivere Röte an, die aller¬
dings nie feurig wird, sondern stets matter erscheint wie beim
gehackten Rindfleisch, aber immerhin eine bedeutende Ver¬
stärkung und Verschönerung der natürlichen roten Farbe dar¬
stellt.
Ferner erkennt man den Präservesalzzusatz an dem
spezifischen Geschmack, der alkalisch und etwas kühlend
ist und einen längeren Nachgeschmack hinterläßt.
ln einem sogenannten Präservesalzprozeß hat allerdings ein
Sachverständiger bekundet, er habe weder in dem Geruch noch
im Geschmack einen Unterschied gefunden zwischen frischem
Fleisch und solchem, dem Präservesalz zugesetzt worden war.
De gustibus non est disputandum. Aber ich möchte doch daran
erinnern, daß der Geschmacksinn eine solche Feinheit besitzt,
daß wir mit der Zunge viel feinere Unterschiede als vermöge
der genauesten chemischen Methode machen können. Allerdings
spielen hierbei individuelle Anlagen und namentlich auch Übung
eine große Rolle.
Immerhin ist es in jedem Falle erforderlich, die Gegenwart
von schwefligsauren Salzen im Hackfleisch auch chemisch nach¬
zuweisen. Ich empfehle nachstehendes Verfahren:
Setzt man einer Probe Hackfleisch in einem Glaszylinder
käufliche Phosphorsäure zu und befestigt am oberen Teil des
Zylinders z. B. mittelst eines Gummiptropfens in eine schwache
Jodlösung getauchtes und dadurch gebläutes Stärke¬
kleisterpapier, so wird beim Vorhandensein selbst winzig
kleiner Mengen von schweflig-sauren Salzen durch Entwicklung
von schwefliger Säure das Papier entfärbt und zwar ist die
Schnelligkeit der Entfärbung dem Gehalt an schwefliger Säure
proportional.
Es ist empfehlenswert, aus dem zu untersuchenden Hack¬
fleisch Mischproben zu nehmen und zwar eine Probe aus der
Tiefe, da oft an der Oberfläche das Natriumsulfit durch
Sauerstoffaufhahme aus der Luft in Natriumsulfat über¬
gegangen ist, und eine andere Probe von der Oberfläche, da
manche Fleischer nur diese mit Präservesalz bestreuen.
Der deutsche Fleischerverband hat nun erklärt, daß man das
Präseresalz als Konservierungsmittel bei den jetzigen Verkehrs¬
verhältnissen nicht entbehren könne, auch behaupten die
Fleischer, daß der Präservesalzzusatz ein zwingendes Bedürfnis
sei, da andernfalls das Hackfleisch wegen der unmittelbar nach
der Zubereitung auftretenden Verfärbung eine unverkäufliche
Ware wäre.
Ich habe schon erwähnt, daß beim gehackten Rindfleisch
schon nach einigen Stunden, luanchmal schon zwei bis drei
Stunden nach der Zubereitung, eine Verfärbung auftreten kann,
aber nur dann, wenn es hygienisch mißhandelt ist, wenn man
z. B. altgeschlachtetes Fleisch verwendet, es in feuchtem oder
warmem Raume aufbewahrt, Messer, Hackmaschine, Hackklotz
usw. sich in unsauberem Zustande befinden usw. Verwendet je¬
doch der Fleischer frischgeschlachtetes Fleisch oder möglichst
keimfreies, daß heißt nicht von der Oberfläche entnommenes
Fleisch, bewahrt es dann in einem trockenen und kalten Raum,
am besten im Eisschrank auf, so wird das Hackfleisch — pein¬
liche Sauberkeit bei der Herstellung vorausgesetzt — 12 bis
24 Stunden lang seine frische, rote Farbe beibehalten, ohne daß
es eines Atoms des Präservesalzes bedarf. Noch überflüssiger
ist letzteres beim gehackten Schweinefleisch, da bei diesem,
selbst unter ungünstigen Umständen, wie hoher Außentemperatur,
regnerischem und feuchtem Wetter, erst nach 24 Stunden eine
für das Publikum auffällige Verfärbung eintritt.
Hiernach ist die Verwendung von Präservesalz für den
Schlächter absolut entbehrlich, vorausgesetzt, daß er nur so viel
Hackfleisch herstellt, als zur Deckung seines Tagesbedarfs not¬
wendig ist, was wegen der leichten Zersetzlichkeit des Hack¬
fleisches hygienisch unbedingt gefordert werden muß; der Zusatz
von Präservesalz ist ein Unfug und eine Unsitte, die für das
konsumierende Publikum höchst gefährlich werden kann.
Exakte Versuche von Walbaum haben ergeben, daß die
schweflige Säure ein starkes Gift für die Gewebe ist, und daß
bei Menschen schon 10 mg einer 0,04 proz. SC^-Lösung Aufstoßen,
Kopf- und Leibschmerzen, Wärmegefühl im Schlund und Magen,
Sodbrennen und Durchfall liervorrufen.
Diesen Angaben stehen ältere gegenüber, nach denen selbst
mehrere Gramm schwefligsaurer Salze pro Tag für den Menschen
imschädlich sind.
Nach meiner Ansicht ist das Wesentliche, daß die schweflige
Säure und deren Salze auf den Menschen überhaupt toxisch
wirken können — und darin stimmen alle Autoren überein —,
dagegen ist die Frage, in welcher Dosis sie beim Menschen
gesundheitsschädlich sind, irrelevant, denn wer den Betrieb der
Fleischer kennt, weiß, daß sie fragliche Salze nicht nach
Gewicht, sondern nach Gutdünken zusetzen, und daß eine un¬
gleichmäßige Verteilung der Salze, infolgedessen einzelne Partien
des Hackfleisches verhältnismäßig große Mengen enthalten, ein
häufiges Vorkommnis ist.
Hieraus geht hervor, daß die Möglichkeit einer Vergiftung
durch Präservesalz leicht gegeben ist, mag man die toxisch
wirkende Dosis hoch oder niedrig annehmen.
Abgesehen von den toxischen Wirkungen halte ich die Ver¬
wendung des Präservesalzes aus anderen Gründen für überaus
gefährlich. Meine Versuche haben nämlich folgendes Ergebnis
gehabt:
12. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
209
1. Die durch Präservesalz künstlich erzeugte rote Farbe
bleibt trotz der ständig fortschreitenden Zersetzung des
Hackfleisches drei bis vier Tage lang gut erhalten.
2. Das Präservesalz verhütet die Entwicklung der Fäulnis¬
bakterien im Hackfleisch nicht; auch verhindert es nicht
die Ansiedlung von Schimmelpilzen, die üppig auf dem
feurig roten Fleisch gedeihen.
3. Mehrere Tage altes, nicht präserviertes, grau verfärbtes
und bereits übelriechendes Hackfleisch nimmt beim
Zusatz von Präservesalz wieder eine lebhaft rote Farbe
an und verliert den Fäulnisgeruch.
Durch diese Versuche ist doch zur Evidenz bewiesen, daß
das Präservesalz nur eine färbende, aber keine
konservierende Kraft hat und weiterhin geht daraus hervor,
daß der Gebrauch höchst gefährlich ist, da selbst bei
starker Zersetzung des Hackfleisches die für das
Publikum charakteristischen Kennzeichen der Fäulnis
verdeckt werden. Bei Anwendung des Präservesalzes kann
das Publikum ahnungslos faules Hackfleisch genießen, da es
künstlich rot gefärbt und geruchlos gemacht ist, dabei aber
gefährliche Gifte in optima forma enthält.
Der Grund, warum gerade im Hackfleisch so überaus schnell
Zersetzungsvorgänge auftreten, liegt meiner Ansicht nach darin,
daß bei der Herstellung, d. h. bei der Zerkleinerung zwischen
die einzelnen Fleischteilchen Luft und mit dieser zugleich
Fäulnisbakterien gelangen, die nun von zahlreichen Angriffs¬
punkten aus ihre vernichtende, das ist zur Zersetzung führende
Tätigkeit beginnen. Dieser der Bakteriengegenwart zu-
zuschreibende Einfluß wird noch in bedeutendem Maße erhöht,
wenn dem Hackfleisch betrügerischerweise Wasser, um das
Gewicht zu vermehren, oder Abfallstücke, die meist schon
einige Tage alt sind, und daher durchweg einen starken
Bakteriengehalt aufweisen, beigemengt werden, was beides
durch Präservesalz ermöglicht ist, andernfalls von den Fleischern
wegen der rasch eintretenden, augenfälligen Zersetzung ver¬
mieden wird.
Da das Präservesalz kein Konservierungsmittel, sondern
nur ein Färbe- und damit ein Täuschungsmittel ist, kann es
leicht indirekt die Ursache von Massenerkrankungen werden.
Bei der im Jahre 1901 ausgebrochenen Hackfleischvergiftung
in Mägdeburg, woselbst 188 Personen zum Teil unter sehr schweren
Symptomen erkrankt w r aren, ist nachgewiesen, daß die Patienten
mehrere Tage altes, aber mit Präservesalz gefärbtes Hackfleisch
genossen hatten. Das Fleisch stammte von einer Kuh, die vor
und nach der Schlachtung im Schlachthof zu Magdeburg unter¬
sucht und als genußtauglich abgestempelt war.
Meine schon damals in der Zeitschrift für Fleisch- imd
Milchhygiene ausgesprochene Vermutung, daß der Präserve-
salzzusatz in diesem, wie gewiß in manchem anderen Falle,
die indirekte Ursache der Vergiftung gewesen sei, hat in
diesem Jahre durch eine in Oschersleben ausgebrochene Hack¬
fleischvergiftung neue Stützen gefunden.
Es erkrankten daselbst 13 Personen, die sämtlich Hack¬
fleisch genossen hatten, das aus einer Fleischerei von H. be¬
zogen war. Von diesen waren 11 Personen mittelschwer bzw.
leichter erkrankt und in 24 bis 28 Stunden wieder genesen, bei
zwei Personen dagegen hatten Erbrechen, Leibschmerzen,
Diarrhöe und Fieber bis zum vierten Tage angehalten.
Eine in der Königlichen bakteriologischen Untersuchungsstelle
in Magdeburg vorgenommene Untersuchung des beschlagnahmten
Hackfleisches auf die Anwesenheit krankheitserregender Keime
ergab außer zahlreichen Fäulnisbakterien ein negatives Resultat.
Dagegen wurde bei der im städtischen Nahrungsmittel¬
untersuchungsamte in Magdeburg ausgeführten Prüfung auf
schädliche Konservierungsmittel die Anwesenheit von schwefliger
Säure nachgewiesen.
Bei der vom Kreisarzt und Kreistierarzt vorgenommenen
örtlichen Ermittlung in den Betriebsräumen der H. Fleischerei
fanden sich die Maschinen, Messer und die Räume selbst in
unsauberem Zustande und ferner wurde ein Paket Präserve¬
salz vorgefunden.
Ich möchte nebenbei bemerken, daß diese Ermittlung den
besten Beweis liefert, wie notwendig die Revisionen der Betriebs¬
räume der Fleischer sind.
Um nicht mißverstanden zu werden, möchte ich ausdrücklich
hervorheben, daß ich keineswegs behaupten will, daß an allen
Hackfleisch Vergiftungen die Verwendung des Präservesalzes die
Schuld trägt, so ist z. B. bei der im vorigen Jahre in Berlin
ausgebrochenen Hackfleischvergiftung als Ursache das Bakterium
Paratyphi'B ermittelt; daß aber der Präservesalzzusatz die
Ursache von Hackfleischvergiftungen werden kann, ist mir,
wie ich nochmals betonen will, zweifellos.
Die Massenerkrankungen durch Hackfleisch reden jedenfalls
eine deutliche Sprache, und ich gebe dem für unsere Wissen¬
schaft leider viel zu früh verstorbenen Professor Eber recht,
wenn er sagt, daß die Gefährdung, welche dem Menschen aus
dem Genuß durch Zersetzung verdorbener Nahrungsmittel er¬
wächst, größer ist wie durch den Fleischgenuß erkrankter
Tiere, und daß es daher Pflicht der Staatsbehörden sein dürfte,
den Konsumenten vor der ihm von dieser Seite drohenden, viel¬
fach unterschätzten Gefahr, durch eine genaue Kontrolle animaler
Körper- und Organteile, welche als Nahrungs- oder Genu߬
mittel feilgeboten oder in Verkehr gebracht werden, ebenso zu
schützen, wie vor den Folgen des Genusses anatomisch ver¬
änderter Teile.
Was Eber und mit ihm viele, viele Tierärzte seit Jahren
angestrebt haben, die Organisation der außerordentlichen Fleisch¬
beschau seitens der Staatsbehörden, wird jetzt, wie aus dem
erwähnten Ministerialerlaß vom 17. August d. J. ersichtlich ist,
in Preußen mit Energie in Angriff genommen.
Wenn eine unserer Hauptforderungen, die wir im Interesse
der Hygiene unbedingt erheben müssen, d. i. die Kontrolle
der Betriebs- und Aufbewahrungsräume der Fleischer
wegen der Schranken des Nahrungsmittelgesetzes noch nicht
berücksichtigt werden konnte, so wollen wir uns mit den Worten
trösten: Rom ist nicht in einem Tage erbaut und wollen dank¬
bar den großen Fortschritt anerkennen, der jetzt auf diesem
Gebiete geschaffen ist.
Mit sichtlichem Interesse folgten die Zuhörer den von
Demonstrationen begleiteten Ausführungen des Vortragenden,
die sich zum Schluß eines lebhaften Beifalls zu erfreuen hatten.
In seinen Dankesworten betonte der Vorsitzende besonders, daß
der Vortrag um so wertvoller sei, da Kollege Gundelach
auf diesem Gebiete als Spezialist gelte, und daß er es ver¬
standen habe, in eigener Weise das an sich trockene Thema
so anregend und allgemein verständlich zu behandeln.
(Fortsetzung folgt.)
210
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11.
Kurpfuschereigesetz.
Besprochen von Preuße.
In aller Stille ist im Reichsamt des Innern ein Gesetz vor¬
bereitet worden, welches dazu bestimmt ist, der bisher ziemlich
schrankenlos betriebenen Kurpfuscherei und dem Verkehr mit
Geheimmitteln energisch entgegenzutreten. Der den Bundesregie¬
rungen zugegangene Gesetzentwurf betitelt sich: „Vorläufiger
Entwurf eines Gesetzes betreffend die Ausübung der Heilkunde
durch nicht approbierte Personen und den Geheimmittelverkehr“
(vgl. Nr. 8, S. 153); er macht keinen wesentlichen Unterschied
zwischen Personen, die sich mit der Behandlung von Menschen und
solchen, die sich mit der Behandlung von Tieren beschäftigen.
Wir Tierärzte haben daher ein wesentliches Interesse an
diesem Gesetz. — Der Entwurf will zwei verschiedene, aber
eng miteinander zusammenhängende Fragen des öffentlichen
Gesundheitswesens regeln, die schon lange einer einheitlichen
Ordnung bedürfen und von Jahr zu Jahr dringlicher geworden
sind, Kurpfuscherei- und Geheimmittelunwesen. Bis zum Jahre
1869 bestand in fast allen Bundesstaaten ein Kurpfuscherei¬
verbot, welches durch die Reichsgewerbeordnung aufgehoben
wurde. Die Mehrheit der Reichstagsmitglieder nahm damals
an, daß die die Kurierfreiheit beschränkenden Gesetze 1 nicht nur
unwirksam, sondern auch überflüssig und auch unwürdig für die
Bildungsstufe und die Urteilsfähigkeit des Volkes seien, letzteres
bedürfe nicht mehr solcher gängelnder Maßregeln, mit denen
es vor Unglück bewahrt werden solle. Daß dies ein Irrglaube
war, hat sich in der Folgezeit genugsam herausgestellt. Die
Zahl der Personen, die ohne Befähigungsnachweis die Heilkunde
ausüben, ist außerordentlich gewachsen. Es dürfte interessieren,
hier einige Zahlen mitzuteilen, welche in den Erläuterungen zu
dem Gesetzentwurf angegeben sind.
In Berlin wuchs die Zahl der nicht approbierten Kranken¬
behandler von 28 im Jahre 1879 auf 1013 im Jahre 1903, also
um fast 1600 Proz. bei einer Vermehrung der Einwohnerzahl
um 60 Proz. In Preußen betrug die Zahl dieser Personen
im Jahre 1898 2404, 1905 6137. In andern Bundesstaaten
hat die Zahl der nicht approbierten Krankenbehandler gleich¬
falls sehr stark zugenommen. Gegenwärtig dürfte die Zahl
dieser Personen im Gebiete des Deutschen Reiches auf fast
10000 geschätzt werden. Groß ist auch die Zahl der von
Kurpfuschern verfaßten Schriften. In Deutschland sind in dem
Zeitraum von 1888 bis 1901 nachweisbar 1 724 000 von nicht
approbierten Krankenbehandlern verfaßte Bücher zum Preise
von über 14V 2 Millionen Mark verkauft worden. Ein einzelner
Kurpfuscher hat z. B. von seinem Reklamebuch über 1000 000
Exemplare abgesetzt. Es gelangen über 50 000 in zahlreichen
Exemplaren verbreitete Zeitschriften zur Ausgabe. Sehr groß
ist auch die Zahl der prahlerischen Anzeigen über Fähigkeiten
und Leistungen. Aus einer Berliner Zeitung sind im Ver¬
laufe von drei Monaten über 200 solcher Anzeigen gesammelt
worden. In einem bekannten Kurpfuscherprozeß wurde fest¬
gestellt, daß der Angeklagte monatlich über 5000 M. für Reklame¬
zwecke ausgegeben hatte und ein Jahreseinkommen von 160000 M.
bezog. Ein bekannter Schäfer hatte zeitweise täglich 800
Patienten, für jede Raterteilung beanspruchte er 3 M. In bezug
auf die tierärztlichen Kurpfuscher besagen die Erläuterungen:
„Die Kurpfuscher beschränken ihren Betrieb nicht auf die Be¬
handlung von Körperschäden und Krankheiten bei den Menschen,
sondern ziehen in umfassender Weise auch die Heilbehandlung
von Tieren in dem Bereich ihrer Tätigkeit. Dabei kommen
nicht allein private, mehr oder weniger pekuniäre Schädigungen
des einzelnen Tierbesitzers in Betracht, für deren Beseitigung
einzutreten die Staatsgewalt keinen unmittelbaren Anlaß hätte;
in erheblichem Umfange handelt es sich dabei auch um Interessen
der Allgemeinheit und des öffentlichen Wohles, besonders in¬
sofern, als die Tätigkeit der Kurpfuscher auch hierbei eine
ordnungsmäßige Bekämpfung der Tierseuchen nicht aufkommen
läßt und die in öffentlichem Interesse erlassenen veterinär¬
polizeilichen Maßnahmen in ihrer Wirkung wesentlich beein¬
trächtigt.“ Dieser Standpunkt ist auch wiederholt von den
großen tierärztlichen Körperschaften vertreten worden.
Das Kurpfuscherwesen ist demnach in Deutschland zu
einem bedenklichen Mißstande des öffentlichen Lebens geworden.
Es hat nun nicht an Versuchen gefehlt, durch Verwaltungs¬
maßnahmen oder mit Hilfe der bestehenden Gesetzgebung Ab¬
hilfe zu schaffen. Diese Versuche sind jedoch sämtlich fehl-
geschlagen. Mit kleinen Mitteln ist dem Kurpfuschertum nicht
beizukommen. Um den Kampf wirksam zu fuhren, bedürfte es
eines reichsgesetzlichen Vorgehens. Diesem Erfordernis soll
der vorliegende Entwurf entsprechen. Die Reichsregierung hat
die Durchführung der darin vorgesehenen Maßnahmen nach
reiflichster Erwägung als den einzig praktisch gangbaren Weg
angesehen, um hier zum Ziele zu gelangen. Von dem Deutschen
Ärzteverein ist die Wiedereinführung eines allgemeinen Verbotes
der Kurpfuscherei verlangt worden. Ein solches Verbot besteht
auch in zahlreichen anderen Staaten, so in Österreich-Ungarn,
Frankreich, Rußland, Italien, Schweden, Norwegen, Belgien,
Holland, Vereinigte Staaten von Amerika, Brasilien usw. Nach
Ansicht der Reichsregierung würde ein allgemeines gesetzliches
Verbot höchstens dahin führen, die Ausübung der Kurpfuscherei
der Öffentlichkeit noch mehr zu entziehen und sie in verborgene
Winkel hineinzutreiben, wo sie dann, weil unbeaufsichtigt, um
so üppiger gedeihen und um so größere Schädigungen hervor-
rufen würde. Im übrigen sind in den Staaten, welche ein all¬
gemeines Kurpfuschereiverbot besitzen, die Verhältnisse auch
nicht wesentlich günstiger wie in Deutschland. Es ist sodann
eine Erweiterung des § 35 der Gewerbeordnung in Erwägung
genommen worden. Dieser gibt bez. verschiedener Gewerbe den
Behörden die Befugnis, den Gewerbebetrieb wegen Unzuverlässig¬
keit des Gewerbetreibenden zu untersagen. Da aber jede
Krankenbehandlung durch Kurpfuscher als unzulässig zu be¬
zeichnen ist, so kann von einer Aufnahme des Kurpfuscherei¬
verbots in den § 35 G.-O. nicht die Rede sein. Wenn dies
geschehe, würde denjenigen Kurpfuschern, welchen ihr Gewerbe¬
betrieb nicht untersagt wäre, von seiten des Publikums der
Nimbus einer besonderen Vertrauenswürdigkeit gegeben werden.
Als einziger gangbarer Weg bleibt daher nur der Erlaß eines
Sondergesetzes übrig, wodurch auch der Vorteil geschaffen wird,
den mit der Kurpfuscherei so eng verbundenen Geheimmittel¬
verkehr gesetzlich regeln zu können.
In gleicher Weise, wie die Kurpfuscherei, muß auch das
Geheimmittelwesen beurteilt werden; äuch dieses hat schwere,
wirtschaftliche und gesundheitliche Nachteile im Gefolge. Große
Summen werden hier vergeudet. Der Umsatz an Geheimmitteln
und Spezialitäten soll in Deutschland allein im Jahre 1898/99
30 Millionen M. betragen haben. Die Geheimmittel bestehen
nicht immer aus unschädlichen Stoffen, sondern sie enthalten oft
auch schädliche, selbst stark giftige Substanzen. Die Mißstände
12. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
211
des Geheimmittelwesens sind daher schon seit langem Gegen¬
stand der Erörterung in den gesetzgebenden Körperschaften
gewesen. Es sind auch bereits im Reiche verschiedenste Ma߬
nahmen in Anwendung gekommen, die zweifellos auch eine heil¬
same Wirkung ausgeübt haben. Die hiernach geschaffene Rechts¬
lage war jedoch eine sehr verschiedene und der Wunsch nach
einer umfassenden außergesetzlichen Regelung ist immer leb¬
hafter hervorgetreten. Diesem soll nun auch der vorliegende
Entwurf gerecht werden. Letzterer bezieht sich nicht nur auf
solche Mittel und Gegenstände usw., die zur Verhütung von
Krankheiten, Leiden und Körperschäden der Menschen, sondern
auch der Tiere bestimmt sind. Nicht nur der Verkehr, sondern
auch das öffentliche Ankündigen und Anpreisen solcher Mittel usw.
soll verboten werden können.
Was nun die Einzelbestimmungen betrifft, so verweise ich
hierin auf den Gesetzestext in Nr. 8 der B. T. W.
Zu den einzelnen Paragraphen ist folgendes zu bemerken:
Der § 1 sieht eine Meldepflicht vor, jedoch nicht bei dem be¬
amteten Arzt oder Tierarzt, sondern bei der Polizeibehörde.
Er trifft in erster Linie die gewerbsmäßigen Krankenbehandler,
d. li. also solche, deren Tätigkeit auf einen fortgesetzten Erwerb
gerichtet ist. Gelegentliche Hilfeleistungen fallen nicht unter
das Gesetz. § 2 bezweckt eine Aufsicht über die im § 1 ge¬
nannten Gewerbetreibenden. Der § 3 nennt bestimmte Arten
der Behandlung, welche für Kurpfuscher allgemein verboten sein
sollen. In erster Linie ist hier die Fernbehandlung genannt,
und zwar sowohl von Menschen als auch von Tieren. Die ge¬
legentliche briefliche Behandlung einer Person oder eines Tieres,
welche bereits von dem Behandler untersucht sind, soll nach
der Begründung nicht verboten sein. Daß mit dem Schwindel
der Fernbehandlung einmal gründlich aufgeräumt werden soll,
ist nur mit Freude zu begrüßen, jetzt hat sie sich zu einem
umfangreichen Geschäftsbetrieb entwickelt, der in gesundheit¬
licher und vermögensrechtlicher Beziehung sehr schädigend wirkt.
Da» Verbot der Fernbehandlung soll sich nach der Begründung
nicht auf die Ärzte beziehen, da für diese das Verbot schon
besteht und die ärztliche Standessitte eine Fernbehandlung
nur ganz ausnahmsweise zuläßt. Mißständen kann auch im
Disziplinaryege entgegengetreten werden. Was für die Ärzte |
gilt, gilt auch für die Tierärzte, nur mit dem Unterschied, daß
Tierärzten, die gegen die Standessitte verstoßen, disziplinarisch
nichts anzuhaben ist. Es wird sich dies aber ändern, sobald
wir erst Tierärztekammern haben.
Die Behandlung unter Anwendung von Betäubungsmitteln,
die Behandlung mittelst Hypnose und mittelst mystischer. Ver¬
fahren, kann durch Beschluß des Bundesrats auch bei Tieren
untersagt w r erden. Warum der, namentlich bei Behandlung
mittelst mystischer Verfahren, ausgeübte Schwindel erst durch
einen besonderen Bundesratsbeschluß verboten werden soll, ist
nicht recht einzusehen. Nach der Begründung soll erst ab¬
gewartet, ob nach dieser Richtung hin ein Bedürfnis hervortreten
wird. Ebenso wie für ein Verbot der Fernbehandlung ist jedoch
ein Verbot der Behandlung mittelst mystischer Verfahren ein
Bedürfnis schon jetzt anzuerkennen. Der letzte Abschnitt des
§ 3 bestimmt, daß die Weiterbehandlung bei anzeigepflichtigen
Krankheiten durch die Polizeibehörde untersagt werden kann.
Warum hier wieder diese Milde? Warum wird hier nicht auch
ein Verbot der Behandlung durch Kurpfuscher ausgesprochen.
Die Behandlung seuchekranker Tiere durch Kurpfuscher hat
schon oft genug zur Weiterverbreitung der Seuchen beigetragen.
Es ist daher nicht richtig, w'enn man es der Polizeibehörde über¬
läßt, ein Behandlungsverbot auszusprechen. Man weiß ja doch
aus Erfahrung, wie milde oft die unteren Polizeibehörden hier¬
über denken.
Der § 4 bildet gewissermaßen eine Ergänzung des § 35
der Reichsgewerbeordnung. Während nun nach Abs. 1 der
Gewerbebetrieb untersagt werden muß, wenn die Annahme be¬
gründet erscheint, daß durch die Ausübung des Gewerbes das
Leben der behandelten Menschen oder Tiere gefährdet oder
deren Gesundheit geschädigt wird, oder Kunden schwindelhaft
ausgebeutet werden, ist in den Abschn. 2 und 3 bestimmt, „daß
der Betrieb in den hier vorgesehenen Fällen, rechtskräftige
Verurteilung, Aberkennung der Ehrenrechte, untersagt werden
kann. Die Begründung sagt nichts hierüber, weshalb in diesen
Fällen eine mildere Praxis eingreifen soll, wozu doch gewiß ein
Bedürfnis nicht anzuerkennen ist.
Der § 5 handelt von dem Geheimmittelverkehr. Auch hier
ist wieder nur eine Befugnis für den Bundesrat vorgesehen, den
Verkehr mit Mitteln oder Gegenständen, die zur Verhütung,
Linderung oder Heilung von Krankheiten, Leiden oder Körper¬
schäden der Menschen oder Tiere dienen sollen, zu beschränken
oder zu untersagen, wenn von der Anwendung eine Gesundheits¬
schädigung zu befürchten ist, oder wenn ihr Vertrieb auf
Täuschung oder Ausbeutung der Abnehmer abzielt. Allerdings
soll bei der Ausübung dieser Befugnis dem Bundesrat eine
Kommission beigegeben werden, die aus Juristen, medizinischen,
tierärztlichen und pharmazeutischen Sachverständigen bestehen
soll, an deren Votum ist jedoch der Bundesrat nicht gebunden.
Die Geheimhaltung der Zusammensetzung der Bestandteile der
Mittel soll nicht eine notwendige Voraussetzung für das Verkehrs¬
verbot oder die Verkehrsbeschränkung bilden, das Wort Geheim¬
mittel ist im Gesetzestext absichtlich nicht gebraucht worden.
Desinfektionsmittel, kosmetische Mittel, Nahrungs- und Genu߬
mittel, Kräftigungsmittel u. dgl. fallen nicht unter das Ver¬
bot des § 5. Die §§ 6 bis 13 enthalten die Strafbestimmungen.
Die vorgesehenen Strafen sind z. T. recht hohe. Die schwersten
Strafen werden im § 6 an gedroht, Voraussetzung für deren An-
I Wendung ist, daß die unwahren Angaben, die mit Strafe be¬
droht sind, wissentlich gemacht worden sind. Diese Straf¬
bestimmung richtet sich meist nur gegen die Gewerbetreibenden
der im § 1 bezeichneten Art, also die eigentlichen Kurpfuscher.
Die Bestimmungen im § 6 dürften geeignet sein, der bisher
betriebenen schwindelhaften Reklame der Kurpfuscher einen
wirksamen Damm entgegenzusetzen. Der § 7 enthält Straf¬
vorschriften gegen die Fernbehandlung, gegen den, der sich
hierzu öffentlich erbietet. Dies trifft auch approbierte
Ärzte usw. § 7 Abs. 2 interessiert hier nicht, Abs. 3 bedroht
die Ankündigung von Geheimmitteln im engeren Sinne, bei denen
also die Bestandteile usw. geheim gehalten oder verschleiert
werden. Dieses wird als Vergehen behandelt, während der
Verkauf, das Feilhalten, das Ankündigen der gemäß § 5 vom
Bundesrat vertretenen oder im Verkehr beschränkten Mittel
gemäß § 10 nur eine Übertretung darstellen soll. Die Straf¬
vorschrift im § 7 setzt vorsätzliches Handeln voraus. Sie wäre
zweifellos nicht im vollen Umfange gerechtfertigt, wenn nicht
im letzten Absatz noch eine Ausnahme vorgesehen wäre. Auf
Ankündigungen in ärztlichen, tierärztlichen und pharmazeutischen
Fachschriften erstreckt sich § 7 nicht, da, wie die Begründung
212
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11.
ausführt, eine Schädigung des Publikums aus Anzeigen in diesen
Schriften nicht zu befürchten ist. Es werden also Mittel wie
Lumbagin, Maukelan, Mammosan u. a. nach wie vor in tier¬
ärztlichen Zeitschriften angekündigt werden können, nicht aber
in landwirtschaftlichen. § 9 setzt Strafen fest für gewerbs¬
mäßige Behandlung kranker Menschen und Tiere, ohne die nach
§ I vorgeschriebene Anzeige erstattet zu haben. Ist die Be¬
handlung übernommen, wenn Gefahr im Verzüge ist, so tritt
Bestrafung nicht ein. Die Behandlung darf aber nur so lange
fortgesetzt w r erden, bis ärztliche Hilfe zur Stelle ist. Sehr
wichtig ist die Bestimmung im § 12, daß die Verbreitung von
Empfehlungen, Erfolgbestätigungen, gutachtlichen Äußerungen,
Danksagungen und ähnlichen Mitteilungen in einem größeren
Kreise von Personen der öffentlichen Ankündigung oder An¬
preisung im Sinne dieses Gesetzes gleichzuachten ist.
Den Gesetzentwurf können wir Tierärzte nur gutheißen.
Wenn er auch nicht alle Wünsche der Tierärzte erfüllt, so
bildet er doch einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der
Kurpfuscherei, mit dessen Hilfe es wohl gelingen dürfte, diese,
soweit das öffentliche Interesse es erfordert, einzuschränken.
Doktorat an den Tierärztlichen Hochschulen
Österreichs.
Wir hatten schon öfters berichtet, daß die Hörer der tier¬
ärztlichen Hochschule Wiens die Erlangung des Doktortitels
seit Jahren anstreben. Es wurden zu diesem Zwecke zahlreiche
Petitionen bei den kompetenten Stellen und im Abgeordneten¬
hause eingebracht.
Da alle Bemühungen vergeblich schienen, veranstaltete die
gesamte Hörerschaft am 27. Februar eine Kundgebung. In
einer allgemeinen Versammlung versprach Rektor Hofrat
Dr. Bayer sich ins Unterrichtsministerium zu begeben, um
dort Erkundigungen einzuholen, in welches Stadium die An¬
gelegenheit der angestrebten Verleihung des Doktortitels ge¬
kommen sei. Am Montag, den 2. März, versammelte sich die
gesamte Hörerschaft abermals in der Aula, um die Mitteilung
des Rektors über seinen Besuch im Unterrichtsministerium
entgegenzunehmen. Zwei Abgesandte der Hörerschaft begaben
sich ins Rektorat und Rektor Dr. Bayer teilte der Deputation
mit, daß das Doktorat an der tierärztlichen Hochschule
vom Oktober des Schuljahres 1908 an verliehen werden
wird. Gleichzeitig soll die Zahlung eines Kollegiengeldes ein¬
geführt werden. Als Äußerung der Befriedigung über die guten
Nachrichten sangen die versammelten Studenten das Gaudeamus.
Wir erfahren aus dem Unterrichtsministerium, daß an dieser
Stelle die prinzipielle Geneigtheit besteht, den Absolventen der
tierärztlichen Hochschulen Österreichs die Erlangung des Doktor¬
titels zu ermöglichen. Das Ministerium beabsichtigt eine dies¬
bezügliche Verordnung zu Beginn des kommenden Schuljahres in
Kraft treten zu lassen.
Die Modalitäten, unter welchen der Doktortitel an die
Absolventen zur Verleihung kommen soll, sind bisher noch nicht
festgestellt und bilden den Gegenstand eingehender Beratungen
einer hierzu eigens eingesetzten Konferenz unter dem Vorsitze
des Hofrates Dr. v. Kelle.
Wir freuen uns diese günstige Nachricht allen deutschen
Kollegen mitteilen zu können und hoffen, daß es auch diesen
gelingen wird, dieses Ziel bald zu erreichen. N.
Seachengesetz-Novelle.
Die Kommission zur Beratung der Seuchengesetz-Novelle
hat den § 2 mit dem in der Eingabe der Privattierärzte er¬
betenen Zusatz angenommen.
Tierärztliche Gesellschaft zu Berlin (E. V.).
Einladung zur Sitzung am Montag, den 16. März 1908, abends
8 Uhr präzis, im Restaurant „Zum Spaten“, Friedrichstraße 172.
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten:
a) Aufnahmemeldungen der Herren Dr. Behrens, Dr.
Freitag, Gustine, Dr. Schäfer und Weichei;
b) Verschiedenes.
2. Vortrag des Herrn Dr. Marx er (als Gast): „Über Immunisie¬
rung gegen die Rotzkrankheit“.
3. Mitteilungen aus der Praxis.
Kollegen als Gäste willkommen.
Der Vorstand:
I. A.: Dr. Goldstein, Schriftführer.
j Personalien.
! Auszeichnungen: Es wurde verliehen: Dem Korpsstabsveterinär
i /ter/.--Frankfurt a. M. der Rote Adlerorden vierter Klasse, dem Ober-
veterinär Dr. Qoßmann im Train-Bat. Nr. 6 die Südwestafrika-
Denkmünze aus Stahl; den Stabsveterinären JAitje im Ulan.-Regt.
Nr. 20 und Peto vom Remontedepot Neuhof bei Ragnit der Charakter
als Oberstabsveterinär.
Ernennungen: Veterinär beamte: Kreistierarzt Veterinärrat
.S«/f<?rf-Berlin in die Kreistierarztstelle für die Stadtkreise Charlotten¬
burg und Schöneberg mit Amtssitz in Charlottenburg versetzt. —
Schlachthof Verwaltung: Schlachthof Vorsteher He inemann-Gos\ ar
zum Schlachthofdirektor daselbst und Franx Weiß -Wolgast zum
Schlachthofdirektor daselbst.
Niederlassungen: Die Tierärzte Ernst Müller aus Soest in
Brilon i. Westf. und Engelbert Ganter aus Schönwald in Walldorf.
— Verzogen: Tierarzt W. Fischer von Langelsheim a. Harz nach
Schöningcn (Kr. Helmstedt).
Examina: Promoviert: Die Tierärzte G. Bas/rA-Berlin, R.Broll-
Berlin, Carl Deckert-ße rlin, Reinhard Götxe- Quakenbrück, August
Äempa-Gleiwitz, Otto Kupfer- Fürstenberg a. Oder, 1 IVe^er/-Hannover,
zum Dr. med. vet. in Bern; F. Hoffmann , Leiter des Kgl. Auslands¬
fleischbeschauamts ln Breslau zum Dr. med. vet. in Gießen. —
Approbiert: Die Herren Emst Rosenfeld aus Neuwied, Emil
Honigmann aus Alsleben, Andreas Freyer aus Zippnow, Gustav Mader
aus Lewin in Berlin.
In der Armee: Preußen: Versetzt: Die Unterveterinäre
Naueke im Drag.-Ilegt. Nr. 14 zum Feldart.-Regt. Nr. 4, Roclekc im
Feldart.-Regt. Nr. 15 zum Hus.-Iiegt. Nr. 9, Hintxcr im Feldart-Regt.
Nr. 41 zum Drag.-Reg. Nr. 14, Bayer im Feldart -Regt. Nr. 36 zum
Feldart.-Regt. Nr. 35, Bertelsmeyer im Feldart.-Regt. *Nr. 76 zum
Drag.-Regt. Nr. 21, Nickel im Feldart-Regt. Nr. 37 zum Feldart.-Regt
Nr. 10. — Kommandiert: Oberveterinär Fischer im 2. Garde-
Ulan.-Regt. zur Bespannungsabteilung des Garde-Fußart.-Regt. nach
Beendigung seiner Tätigkeit bei der Armee-Konservenfabrik in
Spandau. — Zugang: Oberveterinär der Landwehr Kirsch vom
Bez.-Kdo. II Altona mit dem 1. 4. 08 als überetatsmäßiger Ober-
veterinär auf Probe im Hus.-Regt. Nr. 17 angestellt. — Abgang:
Oberveterinär Hoerauf im Feldart.-Regt. Nr. 35 auf seinen Antrag
mit Pension in den Ruhestand versetzt. — In derSchutztruppe
für Deutsch-Südwestafrika: Unterveterinär der Reserve Hoppe
vom Bez.-Kdo. Wurzen unter Verleihung des Charakters als Ober-
veterinär in der Schutztruppe eingestellt. — Mit dem 29. 2. 08 aus
der Schutztruppe ausgeschieden und in der Armee wieder angestellt
die Oberveterinäre Ernst Schmidt im Feldart.-Regt. Nr. 41 und
Suchantke im Feldart-Regt. Nr. 44. — Oberveterinär Dr. Dieckmann
behufs Übertritts zu den Veterinären der Reserve aus der Schutz¬
truppe ausgeschieden.
Berichtigungen zu Nr. 10: Dem Direktor Dr. Sußdorf ist das
Ehrenkreuz (s. Tagesgeschichte S. 185) nicht das Ritterkreuz der
württembergischen Krone verliehen. Der in Leipzig promovierte
Herr v. Müller ist nicht Unterveterinär, sondern Oberveterinär im
Feld-Artillerie-Regt. Nr. 77.
Vakanzen. (Vgi. Nr. 10.)
Schlachthofstelle: Lübeck: II. Tierarzt zum 1. April. Gehalt
2400 M. Bewerb, sofort an die Verwaltung des öffentl. Schlachthof es.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Sclimaltz in Berlin, — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schont* in Berlin. _
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich Im Verlage von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. Dnrcli jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4.88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert, (österreichische Post-Zeitunga-
Proialiste Nr. 574. Ungarische Nr. 85.)
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Glage Veterinärrat Dr. Lothes Prof. Dr. Peter Veterlnärrat Peters Veterinärrat Preuße Dr. Richter
Professor Dcpartenientstierarzt Kreistierarzt Departemcntsiierarzt Departenientstiorarzt Professor
Hamburg. Cöln. Angermiinde. Bromberg. Danzig. Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder Dr. Schlegel Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel Zündel
Professor Professor Professor Landestierarzt v. Bayern Kreistierarzt
Dresden. Freiburg i. Br. Dresden. München. Mülhausen i. E.
Berliner
Originalbeiträge werden mit 50 Mk., In Petitsatz mit
00 Mk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., Luisenatrafie 56. Korrekturen,
Rezenaions-Kxemplaro und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Jahrgang 1908. Jfä 12 . Ausgegeben am 19. März.
Inhalt: Sonnenberg: Atheromatose des Endocards der linken Herzhälfte bei einer hochgradig tuberkulösen Kuh. —
Jungklaus: Beiträge zu den Tuberkuloseschutzimpfungen. — Ritter: Cystenbildung und Sklerose im laktieren¬
den Euter einer jungfräulichen Ziege. — Referate: Kitt: Neuere Tuberkuloseforschungen. — v. Beteph: Eine neue
Färbungsmethode der Tuberkelbazillen. — Krüger: Zuckerharnruhr. — Zimmer mann: Zwei Fälle von Luxation der Knie¬
scheibe. — Albrecht: Neue Untersuchungen über die Wirkung des Nahrungsfettes auf die Milchproduktion der Kühe. —
Tagesgeschichte: Krueger: Das Diensteinkoramen der Kreistierärzte. — Nachtrag. — Bericht über die VII. Hauptversammlung
des Vereins der beamteten Tierärzte Preußens am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907 (Fortsetzung). — Verschiedenes. —
Bücheranzeigen und Besprechungen. — Personalien. — Vakanzen.
Atheromatose des Endocards der linken Herzhälfte
bei einer hochgradig tuberkulösen Kuh.
Von Tierarzt E. Sonnenberg-Brilon.
Am 31. Juli 1907 wurde ich zur Sektion einer Kuh bestellt, j
die nach langem Siechtum in der Nacht vom 30. zum 31. Juli
verendet war.
Die Kuh, ein
fünf bis sechs Jahre
altes, rotbuntes, v
hochgradig abge¬
magertes Tier der
Niederungsrasse,
hat angeblich Mitte
April regulär ge¬
kalbt und befindet
sich seit zehn
Wochen im Besitze
des Maurers St.in N.
Der Prozeß
am Endocard der
linken Herzhälfte,
den ich für tuber¬
kulös hielt, wurde
von 'Herrn Prof.
Dr. Ostertag als
Atheromatose er¬
kannt.
Die sehr instruktive Abbildung zeigt uns beide Herzhälften.
Links von dem Haken liegt die veränderte linke Herzhälfte,
und zwar die ganze Herzkammer und der erhaltene Teil der I
Vorkammer. Die eine valvula bicuspidalis ist nach oben zurück- :
geklappt. Zwei Klappen der Lnngenarterie sind durch ein
Fädchen verbunden. Von der linken Vorkammer war leider vor
meinem Eintreffen schon der größte Teil abgesclinitten. Das
Herz war durch rigorose Schnitte zerfetzt.
Die Veränderungen am linken Herzen sind nun folgende
Die Herzkammer erscheint fast in toto grangelb und sieht aus,
als wenn sie innen abgebrüht wäre. Das fast 1 mm starke
Endocard ist stark gefaltet und pergamentartig. Die Falten
verlaufen teilweise
in der Richtung
von unten nach
oben, teilweise auch
in Querrichtung.
Teilweise, beson¬
ders nach der Herz¬
spitze zu, zeigen
sie einen unregel¬
mäßigen, maschi-
gen Verlauf. Die
Sehnenfäden er¬
scheinen fast in
toto verdickt. Die
Verdickung der¬
selben ist meist
eine gleichmäßige,
stellenweise aber
auch eine höcke¬
rige.
Die Sehnen¬
fäden der Bikus-
pidalklappen haben ihre normale Beschaffenheit behalten. Da¬
gegen erscheinen die Valvulae bicuspidales verändert. Sie sind
im ganzen etwas verdickt und retrahiert und mit gelblichgrauen,
flachen Auflagerungen bedeckt. Die Größe derselben schwankt
zwischen dem Umfang eines Hirsekorns, eines Stecknadelkopfes
und einer Erbse. Einlagerungen von Hirsekorngröße liegen
214 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 12.
auch auf und zwischen den verdickten Falten. Nach der
Aorteneinpflanzung und dem Vorhof zu findet man zahlreiche,
ebensolche Knötchen im Endocard, das hier sonst keine makro¬
skopische Veränderung zeigt.
Das Endocard des linken Vorhofs hat, so weit es vorhanden
ist, ebenfalls graugelbe Farbe und erscheint stark verdickt.
Die Verdickung, die mehr plattenförmig ist, zeigt sich mit sehr
vielen kleinsten, gelblichen Knötchen durchsetzt. Gegen den
Annulus fibrosus zu tritt die Verdickung des Endocards mehr
zurück. Dafür machen sich die Knötchen desto zahlreicher be¬
merkbar.
Die Knötchen sind feinste Verkalkungen. Beim Darüber¬
streichen und Durchschneiden knirschen sie unter dem Messer.
Von dem sonstigen Befunde an den Körperorganen ist
folgendes zu berichten:
Es besteht Tuberkulose des Brustfells, der Lunge, des
Herzbeutels. Die Bronchialdrüsen und Mediastinaldrüsen bilden
faustgroße, verkalkte Pakete. Die Lunge enthält viele erbsen-
bis apfelgroße, verkalkte Herde und ist im Bereich der Vorder¬
lappen mit dem Brustfell fest verwachsen.
Dann bemerkt man ausgebreitete Bauchfelltuberkulose. Die
Leber ist nicht geschwollen und mit zahlreichen Knötchen und
Knoten durchsetzt. Die Portaldrüse erscheint apfelgroß und
vollständig verkalkt. In der Milzpulpa liegen viele erbsen- bis
bohnengroße, verkalkte Knoten. Der ganze Darmtraktus zeigt
mehr oder weniger ausgedehnte, tuberkulöse Geschwüre und an
vielen Stellen tuberkulöse Entzündung. Die Schleimhaut hat
an den entzündeten Stellen eine tiefrote Farbe und starke
Fältelung. In den geschwollenen Partien liegen zahlreiche
submiliare und miliare, teils grau, teils gelblich gefärbte, käsige
und verkalkte Knötchen.
Die Mesenterialdrüsen haben eine Vergrößerung bis zur
Armdicke erfahren und sind verkalkt.
Die Uterusschleimhaut zeigt sich in toto tuberkulös ver¬
ändert. Man beobachtet an ihr teils geschwürigen Zerfall, teils
tuberkulöse Entzündung.
Endlich ist das Euter und sämtliche Körperlymplidriisen
tuberkulös entartet. An Knochen, Gelenken, im Fleisch und
Gehirn habe ich tuberkulöse Veränderungen vermißt.
Beiträge zu den Tuberkuloseschutzimpfungen.
Von Dr. W. Jungklaus.
Nachdem die Tuberkuloseschutzimpfungen in wissenschaft¬
lichen Instituten besonders auf die Höhe der künstlich erzeugten
Immunität hin mehrfach mit wechselnden, jedoch meist günstigen
Ergebnissen nachgeprüft sind und auch in. der Praxis recht
gute zum Teil vielversprechende Resultate gezeitigt haben, dürfte
jetzt die Reihe an den praktischen Tierärzten im Lande sein,
die Schutzimpfungen nach Möglichkeit zu verbreiten, damit aus
einem recht großen unter den verschiedensten Bedingungen
geimpften Rindermaterial weitere umfassende Beobachtungen
angestellt werden können, vor allem, wie lange der künstlich
verliehene Schutz unter natürlichen Verhältnissen andauert und
wie hoch der Immunitätsgrad gegenüber natürlicher Ansteckung
im allgemeinen zn veranschlagen sein wird. Die auf natürliche
Weise vor sich gehende Infektion mit Tuberkelbazillen ist eben
ganz andersartig als die anf künstlichem Wege erzeugte,
subkutane, intravenöse, stomachale usw. und allein ausschlag¬
gebend für den Wert oder Unwert der Schutzimpfungen.
Ich will im weiteren, um zur Ausbreitung der Tuberkulose¬
schutzimpfungen anzuregen, einige Fingerzeige für die zweck¬
mäßige Ausführung der Schutzimpfungen geben und daneben
verschiedene an einem größeren Impfmaterial gemachte Be¬
obachtungen mitteilen.
Es ist meines Erachtens im Hinblick auf die alljährlich
fast in allen Gegenden wachsende Zahl der Schutzimpfungen
absolut erforderlich, daß die Tierärzte mit der Impftechnik und
mit den Einzelheiten der Tuberkuloseschutzimpfungen gut ver¬
traut sind. Die Folgen einer nicht genügenden Kenntnis des
Schutzimpfungsverfahrens könnten nur gar zu leicht zur Ver¬
wirklichung jener Pläne führen, die v. Behring vor einiger
Zeit mit den Worten andeutete, daß er im Interesse der Ver¬
meidung von solchen Impffehlern, die den Wert der Bovo-
vaccination beeinträchtigen, mit mehreren Vorsitzenden preu¬
ßischer Landwirtschaftskammern die Entsendung eines in Marburg
spezialistisch geschulten Veterinärarztes für solche Gegenden
ins Auge gefaßt habe, in welchen viele Tiere zu impfen sind,
| ohne daß ein geeigneter Impfarzt aus der Nähe zu haben ist.
Diese besondere Schulung ist meines Erachtens nicht un¬
bedingt erforderlich, wenngleich sie natürlich die Arbeit wesentlich
erleichtert und die Erfolge sicherstellt.
Da die v. Behring sehen Impfungen zweifellos, allein
schon wegen der Zubereitung des Impfstoffes, umständlicher
sind, als die Koch-Schützschen Taurumanimpfungen, zu deren
Ausführung man neben der gleich gebrauchsfertig gelieferten
Taurumanemul8ion nur noch eine Pravazsche Spritze braucht,
bedarf das v. Behringsche Impfverfahren einer besonderen
Besprechung.
Das ganze Instrumentarium, welches man für die v. B ehrin g-
schen Bovovaccinimpfungen benötigt, besteht aus einer 10 ccm
fassenden Pravazsehen Spritze, einigen 8—10 cm langen und
1,5 mm dicken recht scharfen Injektionsnadeln, einer kleinen
mit rauher Reibfläche versehenen Reibschale und gleichem
Pistill, einer kleinen Mensur, 1—2 extra je 100 ccm fassenden
Flaschen mit destilliertem oder abgekochtem Wasser sowie den
kleinen den Bovovaccin enthaltenden Tuben und etwas Watte.
Diese wenigen Utensilien lassen sich bequem in einer kleinen
Tasche unterbringen. Weiß man im voraus die Zahl der für
die Impfung in Frage kommenden Tiere, so kann man sich die
erforderliche Menge Bovovaccin schon zu Hause in Emulsion
hersteilen und braucht dann eben nur die Injektionsspritze,
etwas Watte und die Bovovaccinemulsion mit auf den Weg
zu nehmen.
Die sorgfältige Herstellung der Emulsion ist ein Haupt¬
erfordernis; der Bovovaccin muß unbedingt in einer Schale mit
rauher Reibfläche mehrere Minuten lang mit einigen Tropfen
destilliertem oder abgekochtem Wasser unter kräftigem Druck
gründlich zu einem gleichmäßigen Brei verrieben werden. Eine
physiologische Kochsalzlösung braucht man wie früher nicht
mehr zu verwenden, da der Bovovaccin zurzeit im Behringwerk
gleich mit Kochsalz verrieben wird. Eine Verteilung des
Bovovaccinpulvers durch einfaches Schütteln in der erforderlichen
Menge Wasser bleibt immer unvollkommen und kann daher zu
sehr unangenehmen Komplikationen führen. Wirken doch die
eingespritzten Tuberkelbazillen, wenn sie noch in größeren
Klümpchen beisammen liegen, wie Fremdkörper und können
19. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
215
Thrombosen hervorrufen oder es können metastatische Herd-
erkrankungen in den Lungen und in anderen Organen die
immunisierende Wirkung nicht bloß beeinträchtigen, sondern
auch ganz vereiteln! — Es ist hier mehrfach vorgekommen, daß
bei solcher unvollkommenen Verreibung des Bovovaccin hinterher
Zittern der Tiere und wenn das Kalb zurzeit der Impfung an
septischer Pneumonie litt, bald nach der Impfung der Tod
(Lungenhyperämie) eintraten.
Für die I. Impfung verwendet man zweckmäßigerweise,
nicht wie es in der Gebrauchsanweisung des Behring Werkes
heißt, 2 ccm, sondern 5 ccm Wasser, weil dann die Verteilung
der Tuberkeilbazillen eine noch gründlichere wird. Solche
stärkere Verdünnung wirkt auf Kälber mit irgendwelchen leichten
Aflfektionen der Atmungsorgane weniger ungünstig ein als eine
geringe Verdünnung.
Bei Kälbern, welche an septischer Pneumonie leiden, und
das sind hier im Osten besonders in den Monaten Dezember bis
Mai etwa 50 Proz. aller Kälber, verwendet man für die erste
Impfung am besten 10 ccm Wasser und verreibt den Bovovaccin
recht gründlich. Wenn man diese sorgfältig hergestellte Emulsion
möglichst langsam in die Jugularis injiciert, kann man ohne Sorge
selbst ziemlich schwer an septischer Pneumonie leidende Kälber
immunisieren, ohne daß die Gefahr des Kümmerns, einer Ver¬
schlimmerung der Pneumonie oder ein letaler Ausgang zu be¬
furchten ist. Ich habe auf diese Weise zahlreiche Kälber ge¬
impft, die eine Mastdarmtemperatur von 40,2—40,4 C hatten,
grauweißen Nasenausfluß und erschwerte Atmung (Flanken¬
schlagen) usw. zeigten und trotzdem die Impfung gut vertragen
haben. Eine Verschlimmerung der Pneumonie war nicht festzu¬
stellen, doch stieg die Temperatur gewöhnlich an, zuweilen bis
auf 41,6° C, hielt sich dann mehrere Tage in wechselnder
Höhe, um dann wieder herunterzugehen. Das Allgemeinbefinden
war nach allen Bovovaccinimpfungen — auch bei den an sep¬
tischer Pneumonie leidenden Kälbern — ein ungestörtes. Die
Entwicklung der Impflinge hat in keinem Falle etwas zu wünschen
übrig gelassen. Die häufig aufgestellte Behauptung, die geimpf¬
ten Kälber entwickelten sich besser wie die nichtgeimpften,
kann ich nicht bestätigen; geimpfte und nicht geimpfte Kälber
pflegen gleich gut zu gedeihen. Die erwähnte Beobachtung
dürfte auch wohl nur eine subjektive sein und soll auch wohl
nur besagen, daß die Schutzimpfung das Gedeihen der Kälber
in keiner Weise beeinträchtigt.
Nach Verimpfung des Bovovaccin soll bei noch nicht
infizierten Kälbern keine nennenswerte Temperatursteigerung ein-
treten. Andererseits wirkt bei bereits vor der Impfung tuberkulös
infizierten Kälbern die Injizierung der Bovovaccinbakterien wie
eine Tuberkulineinspritzung; jedenfalls ein nicht zu unter¬
schätzender Vorteil, weil man aus der auf die Injektion folgenden
Fieberreaktion auf eine bereits vor der Impfung erfolgte
Infektion schließen kann. Die erste Impfung ist also gleich¬
zeitig eine Tuberkulinprobe. — Auf die zweite Impfung reagieren
die Kälber gewöhnlich fieberhaft, weil die von der ersten
Impfung herrührende Tuberkulinüberempfindlichkeit meistenteils
noch nicht geschwunden zu sein pflegt.
Zwei Kälber, die hier nach der ersten Schutzimpfung wie
auf Tuberkulin reagiert und vorher kein Fieber gezeigt hatten,
erwiesen sich bei der 2y 2 Monate nach der zweiten Impfung
folgenden Sektion (Tod an Rauschbrand) allerdings als völlig
frei von Tuberkulose. Ob zurzeit der Impfung vielleicht doch
irgendein geringgradiger akuter Krankheitszustand bei beiden
Kälbern Vorgelegen hat, ist nicht ausgeschlossen, vielleicht
haben sich auch beide Kälber im Inkubationsstadium der Tuber¬
kulose befunden, und die Impfung hat hemmend oder sogar
kurativ auf den tuberkulösen Prozeß eingewirkt.
Eigene Erfahrungen mit Taurumanimpfuügen habe ich selbst
nur sehr geringe. Die Taurumanimpfung ist insofern einfacher,
als eine Zubereitung des Impfstoffes nicht erforderlich ist, denn
der Tierarzt erhält das Tauruman gleich in gebrauchsfertiger
Lösung in die Hand; leider ist das Tauruman nur acht Tage
haltbar, während man den Bovovaccin vier Wochen lang auf¬
bewahren kann. Fertige Bovovaccin-Emulsionen bleiben, gut
verschlossen und in den Eissschrank gestellt, etwa acht Tage
haltbar. Sehr anerkennenswert ist es, daß das Tauruman nicht
an Laien, sondern ausschließlich an Tierärzte geliefert wird,
eine Bestimmung, die ja schon deshalb dringend erforderlich
ist, weil sich in der Taurumanemulsion frische Tuberkelbazillen
anthropogenen Ursprungs befinden, die leicht auf den Menschen
übertragen werden können; der Bovovaccin ist zwar auch
anthropogenen Ursprungs, aber die Tuberkelbazillen sind stark
abgeschwächt, so daß sie nur noch meerschweinvirulent sind.
Von der Ungefährlichkeit des Bovovaccin habe ich mich selbst
insofern wenigstens überzeugt, als eine nicht unbedeutende
Wunde, die ich mir infolge Fahrlässigkeit mit der Nadel der
gefüllten Spritze unter dem Nagel des Zeigefingers zufügte,
ohne Desinfektion gut verheilt ist.
Wenngleich der Bovovaccin an sich auch wohl als kein ge¬
fährlicher Impfstoff anzusehen ist, würde es doch im Interesse
einer breiteren Einführung der Schutzimpfungen sein, wenn
das Behringwerk den Bovovaccin nur an Tierärzte verabfolgen
würde. Handelt es sich doch bei diesen Schutzimpfungen nicht
bloß darum, mechanisch Tier für Tier zu impfen, sondern die
richtige Auswahl unter den Tieren zu treffen, ob die Kälber
z. Z. der Impfung krank oder gesund sind, u. a. m. Wer
anders soll das alles beurteilen können als ein Sachverständiger?
Jedes Fehlresultat kann die Schutzimpfungen arg in Mißkredit
bringen! Nimmt man aber dem Tierarzt das Recht, die Impfungen
alleine auszuführen und stellt Laien als gleichwertig mit ihm
hin, dann kann es keinem Tierarzt verdacht werden, wenn er
sich um die Einführung der Tuberkuloseschutzimpfungen wenig
kümmert. Die Nachteile würden sich bald zeigen und haben
sich auch schon insofern deutlich bemerkbar gemacht, als die
v. Behringsche Schutzimpfung — die ja wesentlich älter ist als
die Koch-Schützsche Taurumanimpfung — sicher schon viel ver¬
breiteter wäre, wenn man in Marburg den Tierärzten von
vornherein mehr entgegengekommen wäre. Sollte das Bering¬
werk für die Zukunft nicht ausdrücklich hervorheben, daß der
Bovovaccin nur an Tierärzte geliefert wird, so prophezeie ich
der Bovovaccination keine allzuschnelle und allzugroße Aus¬
breitung. Jedenfalls kann von der Provinz Westpreußen gesagt
werden, daß nicht die Landwirte oder die Landwirtschaftskammer
es waren, welche die Bovovaccin- und Taurumanimpfungen aus¬
gebreitet haben, sondern allein die Tierärzte, ja es bedurfte noch
großer Überredungskunst seitens der Tierärzte, um die Land¬
wirte und Züchter dahin zu bringen, die Imgfungen in ihren
Beständen vornehmen zu lassen, selbst wenn diese aus einem
Fonds kostenlos ausgegefülirt wurden.
Aus den mir zugegangenen Berichten über Tauruman¬
impfungen konnte ich entnehmen, daß ganz gesunde Kälber die
216
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
Impfung gut vertragen haben, soweit sich das nach ihrem Aus¬
sehen und ihrer Entwicklung beurteilen läßt. Gewöhnlich traten
nach der Impfung mehr oder weniger hohe Temperatursteige¬
rungen auf, sowie zuweilen geringgradige pneumonische Er¬
scheinungen, welche jedoch immer in kurzer Zeit wieder
sch Wanden. Die Taurumanisierung kränklicher, tuberkulöser
oder gar an septischer Pneumonie leidender Kälber muß dringend
widerraten werden, denn Kämmern oder baldiges Eingehen
werden in den meisten Fällen die Folge der energischen Wirkung
der frischen menschlichen Tuberkelbazillen sein (generalisierte
Tuberkulose, Lungenhyperämie, akute Pneumonie). Bei kränk¬
lichen Kälbern, besonders bei septischer Pneunomie, kommt nach
unseren Erfahrungen die um vieles milder verlaufende v. Beh-
ringsche Schutzimpfung allein in Frage.
Die Zahl der Taurumanimpfungen in Westpreußen ließ sich
leider nicht ermitteln, doch ist sie nicht unbedeutend. Nach Koch-
Schütz wurden hier schon Impfungen im Jahre 1906 vorge¬
nommen.
Bovovaccinimpfungen begannen erst Ende Januar 1907.
Von diesem Zeitpunkt ab bis zum 1. Oktober 1907 wurden in
Westpreußen über 1000 Kälber bovovacciniert, wovon ich selbst |
etwa 500 Kälber geimpft habe. Unter diesen 500 Kälbern hatte
ich nur in einem einzigen Falle einen Mißerfolg. Es handelte
sich um ein 3 Wochen altes fieberfreies Kalb, welches zum
ersten Male lege artis schutzgeimpft war und 1 1 / 2 Stunde nach
der Impfung verendete. Der Bericht lautete, das Kalb habe
plötzlich Schaum vor dem Maule und Atemnot gehabt und sei
kurz darauf tot gewesen. Die Sektion ergab nichts weiter als
ein geringgradiges Lungenödem. (Chok?)
In einem anderen Falle hatte ein Kollege bald nach der
Impfung mehrere Todesfälle zu verzeichnen. Die Kälber hatten
schwer an septischer Pneumonie gelitten, was der Besitzer ver¬
schwiegen hatte. Eine Feststellung der Temperaturhöhe war
vor der Impfung leider nicht erfolgt; ob im vorliegenden Fall
der Bovovaccin richtig verrieben und hinlänglich verdünnt war,
vermag ich nicht zu sagen.
Als Nachteile der v. Behringschen Schutzimpfung sind viel¬
fach die Herstellung des Impfstoffes, die umständlich und schwierig
sei, und die zweimalige Impfung bezeichnet worden. Beides
kann ich ohne weiteres zugeben; im Gegenteil, ich möchte beide
Einwände nicht gelten lassen und unter den heutigen Ver¬
hältnissen eher als Vorteile denn als Nachteile bezeichnen. Die
Anfertigung der Bovovaccinemulsion ist keineswegs schwierig,
aber sie ist doch auch nicht so leicht, um ohne weiteres von
einem Pfuscher oder Laien vorgenommen werden zu können.
Mit Schwierigkeiten ist die Herstellung der Emulsion jedenfalls
nicht verknüpft. Beispielsweise habe ich die Emulsion für
16 Kälber für die zweite Impfung und für 7 Kälber für die erste
Impfung hergestellt und diese 23 Kälber lege artis geimpft.
Herstellung der Emulsion und Impfung erforderten insgesamt
einen Zeitaufwand von noch nicht einer Stunde! Berücksichtigt
man dabei, daß die zum Teil schon recht kräftigen Tiere den
Impfakt durch Unruhe verzögerten, weiterhin die Instrumente
durch eine vorangegangene Impfung in Unordnung und unsauber
waren, und ich selbst nicht gerade zu den geschicktesten gehöre,
dann wird man wohl zugeben, daß das ganze Impfverfahren
keinen nennenswerten Zeitaufwand erheischt.
Von einer zweimaligen Impfung kann man bei der v. Beh¬
ringschen Impfung eigentlich nicht sprechen, jedenfalls nicht in
dem Sinne wie bei der Rotlaufimpfung und der Pasteurschen
Milzbrandimpfung, wo nach 14 Tagen die zweite Impfung zu
erfolgen, hat, ohne daß gewöhnlich neue Tiere zur Impfung
kommen.
Wird z. B. am 1. Januar eine Serie Kälber (im Alter von
14 Tagen bis 3 Monaten) geimpft, so werden diese 3 Monate
später (also am 1. April) zum zweiten Male geimpft. In diesem
Termine werden dann gleichzeitig die inzwischen geborenen
Kälber zum ersten Male geimpft usw., so daß sich die Injektionen
auf vier Impftermine im Jahre verteilen.
Auf diese Weise verringern sich die Impfkosten für den
Besitzer und andererseits wird er die Gelegenheit des Termines
für die Zweitimpfung ausnützen und gleich wieder die inzwischen
geborenen Kälber immunisieren lassen.
Vereinzelt sind hier auch Kälber zur Impfung gekommen,
welche noch nicht das vorschriftsmäßige Alter von 14 Tagen
erreicht hatten; dieselben haben sämtlich die Impfung gut ver¬
tragen, doch macht es bei solchen jungen Tieren oft Mühe, die
Nadel in die kleine Vene einzuführen. Für die erste Impfung
kamen auch mehrfach Tiere in Betracht, die älter wie drei
| Monate waren, einzelne waren sogar schon ein Jahr alt. Auch
von diesen wurde die Impfung anscheinend gut vertragen, doch
traten besonders bei den älteren Tieren oft erhebliche Temperatur¬
erhöhungen ein.
Bei der Ausführung der Tauruman- und Bovovaccinimpfungen
sind hier in Westpreußen die von Ebeling empfohlene Ligatur
an der Brustapertur häufig angewandt worden, dagegen das von
Marks angegebene Wegschneiden eines pfennigstückgroßen
Hautstückchens nicht. Die Kälber wurden durchweg im Stehen
mit langen recht scharfen Injektionsnadeln, deren Spitze etwas
abgeflacht ist, geimpft. Zur leichteren Ausführung der Injektion
wird der Kopf des Kalbes etwas hoch gehoben und mäßig nach
rechts gedreht, wodurch die linke Jugularis gut hervortritt.
Dieselbe hebt sich noch deutlicher ab, wenn man die Gegend
der Einstichstelle mit einem in lauwarmes Wasser getauchten
Wattebausch ab wäscht.
Die Vene wird am besten in der Weise komprimiert, daß
man mit der offenen Hand den Hals umspannt und mit dem
Daumen die Vene gegen die auf der rechten Halsseite liegenden
vier Finger preßt. Im übrigen sind alle für die intravenöse
Injektion geltenden Regeln zu beachten.
Die westpreußische Herdbuchgesellschaft ist eine der
wenigen größeren Züchterveinigungen, welche bisher noch nichts
für die Bekämpfung der Rindertuberkulose in ihren Beständen
getan hatte; sie forderte lediglich über diejenigen Bullen, welche
auf die Auktionen geschickt werden, den Nachweis der reaktionslos
verlaufenen Tuberkulinprüfung, dessen Richtigkeit nur wenig
kontrollierbar war, so daß sich Übelstände aller Art zeigten.
Auf meine Anregung hin beschloß die Herdbuchgesellschaft
im März 1907, von nun an über alle auf die Auktionen ge¬
schickten Bullen und Färsen den Nachweis der bestandenen
Tuberkulinprobe oder den Nachweis der Schutzimpfung mit
Bovovaccin oder Tauruman zu erbringen.
Da nun die Tuberkulinprüfungen infolge der vielen Fehl¬
ergebnisse usw. sehr unbeliebt, beinahe verhaßt sind, wendet
sich der größte Teil der Züchter den Schutzimpfungen za,
welche einen ständig wachsenden Umfang annehmen. Natürlich
nehmen die Besitzer die Gelegenheit wahr und lassen zugleich
mit der Schutzimpfung der Bullen auch die Kuhkälber immu-
19. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
217
nisieren. Dadurch wird schon in wenigen Jahren ein großes
Beobachtnngsmaterial geschaffen sein. Eine größere Zahl von
Züchtern führt auf mein Anraten hin neben den Schutzimpfungen
das Ostertagsche System durch, dessen Innehaltung für den
Erfolg der Schutzimpfungen unentbehrlich sein dürfte.
Die bovovaccinierten und taurumanisierten Bullen und
Färsen erzielen auf den Auktionen gegenüber den nur mit
Tuberkulin geimpften Tieren einen Mehrerlös von 25 M. pro Stück!
Ob die Tuberkuloseschutzimpfungen jemals einen sehr
großen Umfang annehmen werden, möchte ich bezweifeln. Hier
in Westpreußen fanden sich zuerst meist solche Landwirte für
die Durchführung der Schutzimpfungen bereit, welche einen fast
tnberkulosefreien Bestand besaßen und sich denselben durch
Erhöhung der angeborenen Immunität mittelst Schutzimpfungen
erhalten wollten, um bei eventuellem Zukauf von Rindern
die Gefahr der Einschleppung von Tuberkulose durch
Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des alten Be¬
standes fernzuhalten, und andererseits solche Landwirte,
deren Rinderbestände von Tuberkulose schwer heimgesucht sind
und die durch Schutzimpfungen eine Sanierung erhofften. Ob
beide Erwartungen — zum mindesten aber die letzte — sich
ohne Zuhülfenahme des Ostertagschen Verfahrens erfüllen
werden, erscheint mir zweifelhaft.
Das Ostertagsche Tuberkulosetilgungsverfahren dürfte
schon deshalb für den Erfolg der Schutzimpfungen unentbehrlich
sein, weil durch seine Maßnahmen am ehesten verhindert
wird, daß die Kälber sich schon vor der Impfung mit Tuberkel¬
bazillen infizieren. Weiterhin werden auch jene mit offener
Tuberkulose behafteten Tiere bei Zeiten entfernt, welche im¬
stande sind, bei längerem Zusammenbleiben mit schutzgeimpften
Tieren die Tuberkulose auf die Impflinge in gewissem Grade
wenigstens zu übertragen.
Die Tuberkuloseschutzimpfung kann eben, wie auch z. B.
v. Behring sagt, nie eine absolute Immunität schaffen, sondern
immer nur eine relative.
Diese künstlich geschaffene relative Immunität, und selbst
wenn in vielen Fällen auch nur eine erhöhte Widerstands¬
fähigkeit erreicht wird, dürfte ein wertvolles Mittel zur Be-
kämpfung der Tuberkulose sein, zumal in Kombination mit dem
Ostertagschen Tuberkulosetilgungsverfahren und hygienischen
Maßnahmen.
Wünschenswert wäre es, wenn von den praktischen Tier¬
ärzten recht viele Beobachtungen bei dem Behringschen und
besonders auch bei dem Koch-Schützschen Immunisierungs¬
verfahren veröffentlicht würden, hauptsächlich auch Schlacht-
und Sektionsbefunde.
Cystenbildung und Sklerose im laktierenden Euter
einer jungfräulichen Ziege.
Von Tierarzt Ritter-Uffenheim.
Am hiesigen Schlachthof wurde am 25. September v. J. eine
zweijährige, noch jungfräuliche Schweizer Ziege, 24 1 /» kg
Schlachtgewicht, geschlachtet. Bei der Lebendbeschau fiel sofort
das große Euter, besonders aber die Zitzen, auf, welche eine
Länge von ca. 11 cm hatten und dickspindelig, am ehesten dem
Gewichtsstein einer Schwarzwälder Uhr oder einer starken
gelben Rübe, nur dickbauchiger, vergleichbar, waren. Beim
Melken ließ sich ein feiner Strahl durch die engen Strichöffnungen
ansspritzen. Doch fiel mir dabei auf, daß ich die Zitze ganz
und gar zusammendrücken konnte, so daß ich zuletzt einen ganz
schlaffen Hautbeutel in der Hand hatte. Der Inhalt ließ sich
nach oben hinaufdrücken mit solcher Leichtigkeit, daß ich im
ersten Moment glaubte, er sei Luft.
Aus dem Bericht des Besitzers erwähne ich noch, daß die
Ziege im letzten Winter täglich ca. 2 1 Milch gegeben hat. Im
Sommer wurde sie nicht gemolken.
Was die Beschau nach der Schlachtung betrifft, so be¬
stätigte die Untersuchung mir zunächst, daß der Uterus noch
jungfräulich war. Beim Abschneiden der Zitzen entleerte sich
eine bedeutende Menge schmutzig-weißer Milch. Die Striche
bestanden faktisch fast nur noch aus Haut und waren so weit,
daß man sie wie einen Teil eines Fausthandschuhes über die
vier Finger bequem stülpen konnte. Das Euter ließ .sich schwer
schneiden; der Durchschnitt zeigte eine unebene, höckrige
Schnittfläche und aus den Milchgängen quoll die eingedickte
Milch heraus. Die Schnittfläche war nicht, wie sonst beim ge¬
sunden Euter, fein marmoriert, sondern es war Bindegewebe
reichlich zugebildet worden, auf Kosten des nur spärlich, in bis
erbsengroßen Inseln noch vorhandenen Drüsengewebes. Fett¬
gewebe im Euter war bei dem sonst fetten Tier so gut wie
gar nicht zu sehen. Nach Ausspülung aller Milch bot die Schnitt¬
fläche ein buchtiges, schwammartiges Aussehen dar, mich an
das Innere der Herzohren stellenweise erinnernd. Es liegt also
neben Sklerose noch Hohlraum- und Kanalbildung vor, wohl
ähnlich entstanden wie die Hydronephrose, durch unvollständiges
Ausmelken bzw. unterlassenes Melken, was wohl bei dem*Besitzer,
einem reichen hiesigen Reeder, öfter vorkam. Das Euter hatte
ein Gewicht von 5 Pfund.
Referate.
Neuere Tuberkuloseforsckungen.
II. Sammelreferat von Prof. Dr. Kitt in München.
(Monatshefte för praktische Tierheilkunde. XVIII. Band, 8./9. Heft.)
In der Monatsschrift „Deutsche Revue“ veröffentlichte 1906
v. Behring eine Serie von Aufsätzen, in denen er Sinn und
Zweck seiner Tuberkulose-Immunisierungsarbeiten auseinander¬
setzt. Er verbreitet sich zunächst über Immunisierungstheorien.
An Stelle der chemischen Seitenkettentheorie Ehrlichs kon¬
struierte sich v. Behring eine etwas andere, nämlich physi¬
kalische Hypothese, welche annimmt, daß die vitalen Körper¬
elemente eines immunisierbaren Tierindividuums fähig sind, die
Moleküle des Infektionsstoffes in zwei antagonische Substanzen
zu zerlegen.
Was die Immunisierungsmethoden anlangt, so hat v. Behring
bekanntlich mit lebenden Tuberkelbazillen des Menschen in be¬
stimmter Dosierung und bei Verwendung eines bestimmten
Stammes einer Tuberkelbazillenkultur durch intravenöse Impfung
Rinder zu immunisieren vermocht (Bovovaccination). In
einer ausführlichen Arbeit von Römer (Beiträge zur Klinik der
Tuberkulose, Bd. IV, Heft 4) wird über die wichtigsten größeren
Versuchsreihen berichtet, welche in Marburg und auf verschiedenen
landwirtschaftlichen Gütern mit Behrings Bovovaccin ausgeführt
wurden. Es hat sich hierbei wie auch durch die Versuche von
Hutyra, Lorenz u. a. gezeigt, daß die Bovovaccination zumal
in Verbindung mit der einen oder anderen von Bang empfohlenen
Bekämpfungsmaßregel die Tuberkulose in einem Viehbestand
ganz bedeutend verringern kann.
218
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
Die Versuche v. Behrings mittelst Fütterung von Tuberkel¬
bazillen (Bovovaccin) eine Immunisierung herbeizuführen, zeigten,
daß man mit intestinaler Verabreichung lebender Tuberkel¬
bazillen sehr vorsichtig sein muß. Calmette, der Direktor
des Pasteurschen Instituts in Lille, machte durch Fütterung ab¬
getöteter Tuberkelbazillen Ziegen tuberkuloseimmun. Hierzu
teilt v. Behring mit, daß er den gleichen Gedanken hatte und
daß bei stomachaler Einverleibung von willkürlich abgetötetem
Tuberkelvirus sogar Meerschweinchen gegen Tuberkulose immuni¬
siert werden konnten. Es gelang v. Behring sogar ein Präparat
herzustellen, welches mit Hilfe von Chloralhydrat eine so hohe
Resorptionsfähigkeit erlangt hat, daß es auch von den empfind¬
lichsten Menschen bei subkutaner Injektion gut vertragen wird.
Er bezeichnet dieses Mittel als Tulase. Von dieser Tulase
werden zwei Hauptmodifikationen bereitet, die V-Tulase und
die C-Tulase. Letztere findet in emulsionierter Form Verwendung
in der menschenärztlichen Praxis und führt den Namen
„Tulaseaktin“. v. Behring erwähnt noch ein Präparat, das
durch kombinierte KalialaunjavelleWasserbehandlung aus Tuberkel¬
bazillen gewonnen wird und das er Tulon nennt. Dieses Tulon
hat sich beim Menschen bei dem der Skrofulöse eigentümlichen
Ekzemen und Ophthalmien bisher gut bewährt.
Die Idee, mit abgetöteten Tuberkelbazillen gegen Tuber¬
kulose zu immunisieren, ist von verschiedenen Forschem und
unabhängig voneinander gehegt und je nach den verfügbaren
Geldmitteln auch teilweise ausprobiert worden. Kitt beschreibt
in dem vorliegenden Sammelreferat seine eigenen Versuche, dann
die von ‘Paterson, welcher mit abgetöteten Kulturen von
Geflügeltuberkulose experimentiert und schließlich geht er auch
auf die Klimm ersehen Versuche ein, welcher zur Immunisierung
1903 thermisch abgeschwächte Tuberkelbazillen vom Menschen
verwendete, ferner aber mit Tuberkelbazillen arbeitete, die durch
längere Passage durch Molche ihrer Säugerpathogenität beraubt
wurden.
Nach den Vorschriften von Koch und Schütz wird ein aus
Menschentuberkelbazillen hergestellter Impfstoff in Höchst a. M.
fabriziert, der dem Bovovaccin gegenüber den Vorzug hat, daß
er fertig zur Einspritzung als Emulsion verausgabt wird. Dieses
Präparat heißt Tauruman. Indessen macht v. Behring darauf
aufmerksam, daß das Tauruman sowohl für den impfenden Tier¬
arzt wie für das geimpfte Kalb nicht so harmlos ist wie das
Bovovaccin.
In den Revueartikeln verbreitet sich v. Behring neuerdings
über sein Milchkonservierungsverfahren durch Zusatz
von Formaldehyd. Es soll auf 25 000 Teile frischgemolkener
Kuhmilch 1 Teil Formaldehyd zugesetzt werden. Selbst bei
einem Zusatz von 1:10 000 wird der Nährwert nicht verringert.
Wenn Formalinmilch gelegentlich schädliche Wirkung gezeigt
hat, so stellte sich heraus, daß der Formalinzusatz erst erfolgt
war, wenn die Milch bereits schlecht war. Durch Formalinzusatz
kann natürlich eine ursprünglich schlechte oder schlecht gewordene
Milch nicht in gute Kindermilch verwandelt werden. Überdies
hat auch nicht selten eine Verwechslung von Formaldehyd mit
Formalin stattgefunden. Ursprünglich hatte v. Behring für
die landwirtschaftliche Praxis ein Zusatzverhältnis von 1 Teil
Formalin auf 4000 Teile Milch empfohlen. Statt dessen wurde
Formaldehyd verwendet, wodurch eine doppelte Konzentration
herauskam. Endlich muß auch darauf geachtet werden, daß bei
Formaldehydzusatz chemisch reines Formaldehyd benützt wird.
Durch außerordentlich sorgfältig ausgeführte Versuchsserien
großen Stils wurde im Kaiserlichen Gesundheitsamte zu Berlin
durch Kossel, Weber und Heuß die Frage der Identität
oder Differenz der Tuberkelbazillen der Menschen und
der Tiere bearbeitet. Die Versuche haben im großen und
ganzen doch die Koch sehen Anschauungen von dem Dualismus
der Tuberkelbazillen des Menschen und des Rindes bestätigt,
wenn sie auch nicht eine Artverschiedenheit beweisen. Die
beiderlei Tuberkelbazillen sind als Standortsvarietäten aufzufassen
und die genannten Autoren vollziehen die Sonderung nur insoweit,
als sie von einem Typus humanus und Typus bovinus
sprechen. Wurden Rinder mit dem Typus humanus subkutan
geimpft, so trat an der Impfstelle ein Abszeß und Schwellung
der regionären Lymphdrüse ein und es kam zur Heilung, der
Typus bovinus brachte jedoch bei subkutaner Einspritzung
oder bei Fütterung bei Rindern meist disseminierte Tuberkulose.
In einigen wenigen Fällen wurden im Auswurf tuberkulöser
Menschen Bazillenstämme gefunden, die kulturell und auch nach
Verimpfung auf Rinder dem Typus bovinus glichen. Schweine
erkranken nicht nur bei Fütterung mit dem Typus bovinus an
ausgebreiteter Tuberkulose, sondern erlangten auch durch
Menschentuberkelbazillen eine evidente Tuberkulose der Hals-
lymphdrüsen, Mesenteriallymphdrüsen und in einem Falle auch
der Lungen. Kaninchen erkranken durch den Typus bovinus
bald an allgemeiner Miliartuberkulose, während der Typus
humanus bei weitem nicht so schwere und auch nur langsam
sich entwickelnde, selbst wieder abheilende Prozesse bedingt.
Weiter beschäftigt sich das Referat mit den kulturellen und
morphologischen Unterschieden der beiden Typen.
Eine neue Diagnostiziermethode lieferte kürzlich Bonome
mittelst der Präzipitinreaktion. Wenn man frische, käsige
Tuberkeln nimmt und das Gewebe derselben mit Glassand in
5% Glyzerinwasser emulsioniert, dann zentrifugiert und durch
Berkefeldfilter gibt, so erhält man ein klares Filtrat (Plasma¬
filtrat); ebenso kann man aus getrockneten Tuberkelbazillen¬
kulturen ein klares bazillenfreies Filtrat hersteUen. Bonome
fand nun, daß bei Zusatz von Blutserum tuberkulöser Menschen
oder Tiere zu solchem klaren Plasmafiltrat eine mehr oder
minder auffallende Treibung und Niederschlagsbildung (Präzipitin-
ausfällung) zustande kommt, während dies mit dem Serum
gesunder Individuen nicht eintritt.
Zwick u. L. Meyer (Stuttgart) spritzten Menschen¬
tuberkelbazillen in das Euter hochträchtiger Kühe ein.
Das Ergebnis war, wie in dem analogen Nocardsehen Versuch,
daß keine Eutertuberkulose eintrat. Wohl aber erkrankte dann
eins der Saugkälber an Tuberkulose des Darmes und der
Darmlymphdrüsen. Es konnte nachgewiesen werden, daß die
Menschentuberkelbazillen die Ursache waren. Eine in gleicher
Weise mit Rindertuberkelbazillen galaktifer geimpfte Kuh er¬
krankte an progressiver Eutertuberkulose und ihr Saugkalb
acquirierte eine so ausgebreitete Lymphdrüsen- und Serosen-
tuberkulose, daß die höhere Virulenz der Rinderbazillen für das
Rind zweifellos vor Augen trat. Zwick berichtet auch, das
zwei Geschwister frischgemolkene Milch einer mit Euter¬
tuberkulose behafteten Kuh täglich genossen. Beide Geschwister
starben an Tuberkulose, jedoch konnte nachgewiesen werden,
daß es sich bei den Geschwistern um den Typus humanus
handelte. Die Kinder mußten somit die Tuberkulose auf andere
Weise acquiriert haben.
19. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
219
Durch die Versuche von Earlinski, de Jong und
v. Behring, Römer und Kuppel,- Dammann und Müssemeier
ist die Möglichkeit dargetan, daß Menschentuberkelbazillen durch
Ziegenpassage eine erhöhte Virulenz für Ziegen und Kälber er¬
langen. VonKossel, Weber und Heuß ist indes eingewendet
worden, daß bei den Versuchen sich wahrscheinlich Perlsucht¬
bazillen uik eingeschlichen haben. Möller und Gratia haben
nachgewiesen, daß der Typus humanus selbst durch mehrfache
Ziegenpassage in seiner Virulenz nicht gesteigert werden kann.
A. Eber impfte einige Rinder teils subkutan, teils intra¬
peritoneal, teils intravenös mit Tuberkelbazillen vom Menschen
und einige andere Rinder mit Tuberkelbazillen vom Rinde.
Aus der ersteren Serie erkrankten mehrere Rinder. Die Rinder
der anderen Serie erkrankten beträchtlicher. Jedenfalls geht
daraus hervor, daß es Tuberkelbazillen vom Typus humanus
gibt, welche auch für das Rind pathogen sind. Umgekehrt hat
man (Jensen, Fiebiger, Kossel, Weber, Heuß) bei
tuberkulösen Menschen wiederholt Tuberkelbazillen vom Typus
bovinus angetroffen.
Die Möglichkeit gelegentlicher Infektionen des Menschen
durch tuberkulöses Material vom Rinde muß bejaht werden.
Es liegen zahlreiche Beispiele vor, jedoch gibt es nach
F. K. Kleine kein Beispiel, wo nach subkutaner Infektion mit
Perlsuchtbazillen ein Mensch an generalisierter Tuberkulose
gestorben wäre. Anders gestalten sich aber die Wundinfektionen
mit Menschentuberkelbazillen. Ifier greift die Erkrankung
schnell um sich.
Wenn v. Behring behauptet, daß der Kuhmilch eine große
Gefahr für den Menschen innewohne, so steht dem die Mitteilung
von Kounda und Shiga über das vieljährige Bestehen der Tuber¬
kulose bei den Kindern in Japan entgegen, wo fast gar keine
Kuhmilch zur Kinderernährung benutzt wird. Dort kann die
Erkrankung eben nicht mit der Kuhmilch Zusammenhängen.
Ebenso liegen auch nach Kjer die Verhältnisse in Grönland,
wo gar kein Rindvieh existiert, die Tuberkulose unter den
Menschen jedoch außerordentlich verbreitet ist.
Ob man aus den positiven Übertragungsversuchen
von Tuberkulose des Menschen und Rindes auf Affen
den Analogieschluß ziehen darf, daß ebenso der Mensch für
beiderlei Virus empfänglich ist, muß noch als fraglich bezeichnet
werden. Es liegen über die erfolgreiche Infektion von Affen
mehrere Mitteilungen vor.
Eine große Anzahl Forschungen der Neuzeit befaßt sich
mit der Frage über die Art der Infektion, über das
Hauptatrium, insbesondere, ob die Lungentuberkulose
durch Einatmung (aerogen, Spritztröpfcheninhalation)
oder durch Aufnahme der Bazillen mit der Nahrung (ali¬
mentäre, Fütterungsinfektion) erworben wird. Während
früher durch Flügge und seine Schüler der aerogenen Infektion
der Vorrang zugesprochen wurde, geht jetzt mehr und mehr die
Meinung dahin, daß die primäre Lungenschwindsucht in der
Mehrzahl der Fälle hämatogen, d. h. durch vom Darme aufge¬
nommenes und durch den Milchbrustgang ins Blut gelangtes
Virus zustande kommt. Diese Anschauung ist auch von
v. Behring in den Vordergrund gestellt worden. In der Tier¬
medizin hat man auch von jeher diesen Infektionsmodus haupt¬
sächlich angenommen (Bang, Johne, Ostertag, Kitt, Nocard,
Leclainche). Für die alimentäre Genese der Lungen¬
tuberkulose sind besonders die Experimente von Calmette
und Gu^rin beweiskräftig. Sie fütterten Rinder und Ziegen
mittelst Schlundsonde mit Rindertuberkelbazillen, so daß also
eine Infektion vom Rachen oder den Luftwegen her ausge¬
schlossen war und schon nach 24 'Stunden oder nach wenigen
Tagen fanden sich Tuberkelbazillen in den Lungen. Die Tuberkel¬
eruption begann dann nie alveolär, sondern stets zunächst in
den Lungenkapillaren. Das Interessanteste an den von Calmette
und Guerin ausgeführten Versuchen ist, daß wenn die
Fütterung des Tuberkulosevirus nicht in kürzeren Interr
vallen wiederholt wird, sondern — nur einmal eine
kleine Dosis, nämlich für das Rind bis zu 0,25 g frische
virulente Rindertuberkelbazillen per os verabreicht werden, nach
30 - 60 Tagen die zweifellos bestandene Lungeninfektion
ausheilen kann und allenfalls dann die Tiere Immunität
erlangt haben. (Schluß folgt). Rdr.
Eine neue Färbungsmethode der Tuberkelbazillen.
Vom königl. ung. Obertierarzt Ludwig von Beteph-Fiume.
(Allatorvoai Lapok. 1907, Nr. 37.)
Mit den bisher gebrauchten Methoden ist eigentlich nur ein
Teil der Tuberkelbazillen färbbar. Die ungefärbten Teile werden
von Koch als Sporen, von Kitasato als degenerative Partien
angesehen, einzelne betrachten diese als Vacuolen. Beteph
empfiehlt zum vollkommenen Färben der Tuberkelbazillen folgen¬
des Verfahren:
1. Es werden am besten mehrere (3—5) stecknadelkopfgroße
Partikelchen des Untersuchungsmaterials zwischen zwei Deck¬
gläser gleichmäßig zerrieben, dann an der Luft eingetrocknet
über der Flamme fixiert. Auf diese fixierte, gleichmäßige Schicht
tropft man 3—4 Tropfen löproz. Salpetersäure und erwärmt sie
über der Flamme bis zum Dämpfen.
2. Dann wird das Präparat mit Wasser abgespült.
3. Färben mit Löffler schein Methylenblau und Embolfuchsin
(B-tolin), 3—4 Tropfen über der Flamme, wie bei 1.
4. Abwaschen mit GOproz. Alkohol, bis der abfließende
Alkohol rein erscheint.
5. Kurzes Abspülen mit Wasser. •
6. Äbtrocknen; Kanada-Balsam.
Das Präparat soll lichtviolett sein. Zwischen den Leukozyten
bemerkt man die Bakterien, deren Kapsel rosafarbig, die Sporen
(3—6 an der Zahl) stahlgrau oder schwarzviolett, rund oder
ovoid scharf zu unterscheiden sind. Eine Segmentation, wie
z. B. beim Ehrlich sehen oder G abbet sehen Verfahren kann
man nicht bemerken.
Diese eigenartige Konstruktion der Tuberkelbazillen kann
man weiter auch mit der folgenden Färbungsmethode darstellen:
1. Auf das eingetrocknete, fixierte Präparat kommen
3—4 Tropfen einer 15prozentigen Salpetersäurelösung.
2. Abspülen mit Wasser.
3. Färben mit 3—4 Tropfen Karbolfuchsin (Fuchsin 1,
Phenol 5, Alkohol 10,4, H 2 0 100 g), wärmen bis zum Dampfen.
4. Sorgfältiges Abwaschen mit ßOprozentigem Alkohol.
5. Vollkommenes Erbleichen mit Pikronitrin und Kontroll-
färbung.
6. Kurzes Abspülen mit Wasser.
7. Abtrocknen; Kanadabalsam.
In diesem Präparat erscheint die Kapsel der Bakterien
sehr blaß, die Sporen aber in lebhaft roter Farbe; die Plasma
der Leukozyten ist zitronengelb, ihr Kern blaßrot gefärbt.
220
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
Die Bazillen tierischen Ursprungs sind groß, ihre Sporen
und die Zwischenräume sind auch größer wie bei den mensch¬
lichen Tuberkelbazillen, welche kleiner und schmäler sind und
meistens gerade, oder weniger gebogen erscheinen als die tieri¬
schen Tuberkelbazillen. Der Bazillus selbst ist spindelförmig.
Die neue Färbungsmethode (B-tolin) ist par excellence ein
Sporenfärben, während bei den übrigen Verfahren (Koch,
Ehrlich, Ziehl, Spengler) die Sporen in den Bazilluskörpem
ungefärbt blieben. Dr. Z.
Zuckerharnruhr.
Von Oberveterinär B. Krüger.
(Zeitschr. f. Veterinfirk. 1907, S. 488.)
Beim Pferde ist eine echte Zuckerharnruhr bisher nur
selten zur Beobachtung gelangt. Nach Eingehen auf die vor¬
handenen Publikationen teilt Krüger einen Fall von Zucker-
hamruhr mit, den er bei einem 11jährigen Fuchswallach ost¬
preußischer Herkunft genau verfolgen konnte. Nach Beendigung
der Herbstmanöver 1905 konnte sich Patient nicht so schnell
wie die übrigen Pferde erholen; langes, welliges, an den Beinen
struppiges Haar fiel besonders auf, auch während des ganzen
folgenden Sommers. Das Pferd wurde geschoren; ein Katarrh
der oberen Luftwege ging bald vorüber. Im Januar 1907 machte
sich im Nährzustand des Tieres Abmagerung bemerkbar. Später
fiel großes Durstgefühl auf, Patient nahm täglich etwa 52 Liter
Wasser zu sich und schied durchschnittlich in 24 Stunden
27 Liter Ham aus. Das spezifische Gewicht des wasserhellen,
fast geruchlosen Harns schwankte zwischen 1017 und 1051, die
Reaktion war neutral, Eiweiß und Gallenfarbstoff enthielt er
nicht, jedoch lieferte die Untersuchung auf Traubenzucker ein
positives Resultat. Die Quantität des im Harn enthaltenen
Traubenzuckers wurde auf 5,2 Proz. berechnet. — Durch diesen
Befund in Verbindung mit der allmählich zunehmenden Mattigkeit
und Abmagerung bei guter, ja selbst gesteigerter Freßlust, ver¬
mehrtem Durst und Urinabsatz wurde die Diagnose Zucker¬
harnruhr Mitte April gesichert.
Im Verlaufe der Krankheit trat an verschiedenen Stellen
Furunkulosis der Haut ein. Zuletzt bildete sich je ein erbsen¬
großer Furunkel am oberen und unteren Augenlidrande, dann
ein haselnußgroßer in der rechten Nierengegend, zu beiden
Seiten der Kruppe und in der letzten Zeit je ein walnußgroßer
an der rechten und linken Backe sowie auch in der Nabelgegend.
— Patient konnte sich vor Schwäche zuletzt nicht mehr allein
erheben und starb im Coma diabeticum (Mitte Mai) regungslos.
Durch Verabreichung von Natr. bicarbonic. und Natr. chlorat.,
dann Opium in Verbindung mit Mittelsalzen und schließlich
Arsenik war kein Einfluß auf die Krankheit und die Quantität
des Zuckers ausgeübt worden. Richter.
Zwei Fälle Ton Luxation der Kniescheibe.
Von Dr. A.Zimmermann, Dozent in Budapest.
(Österreichische Monatschrift für Tierheilkunde 1907, Seite 3371.)
Ein zwölfjähriges schweres Zugpferd zeigte Hahnentritt,
speziell beim Beginn der Bewegung, was zur Diagnose „un¬
sichtbarer Spat w geführt hatte. , Zimmermann konnte bei der
Streckstellung der Extremität eine Verlagerung der Kniescheibe
nach oben über der inneren Trochlea des Femur feststellen,
während der Condylus internus des Femur bloßgelegt und die
Patellarbänder stark gespannt erschienen. Bei Belastung des
Fußes kehrte die Kniescheibe mit dumpfem Geräusch in ihre
Lage zurück. Das Leiden trug habituellen Charakter. Es
wurde Scharfsalbe versucht. — Ein drei Monate alter
Foxterrier wurde mit der Anamnese eingeliefert, daß er seit
seiner Geburt den linken Hinterfuß nicht recht belastet, sondern
in eingebogener Stellung nach vorn bringt. Es ließ sich die
Kniescheibe an der äußeren Trochlea des Schenkelbeines fühlen
und leicht in ihre normale Lage zurückschieben, was selten von
selbst geschah. Die Verlagerung der Patella war hier eine
kongenitale, wofür entweder mangelhafte Entwicklung des Knie¬
gelenkes (Rhachitis) oder Zerrung der Bänder während des
intrauterinen Lebens in Anspruch genommen wurden.
Richter.
Neue Untersuchungen über die Wirkung des Nahrungs¬
fettes auf die Milchproduktion der Kühe.
Von Prof. Albrecht.
(Wochonichr. für Tierheilkunde and Viehzucht. 51. Jbrg., Nr. 33, 34.)
Albrecht bespricht zunächst die bisherigen Anschauungen
über die Wirkung der Menge und Beschaffenheit des Nahrungs¬
fettes in den an Melkkühe verfütterten Rationen auf die Quantität
und Eigenschaften des Fettes in der von den Kühen gelieferten
Milch. Die Resultate der von Soxhlet, Werner, Morgen,
Einecke u. a. m. angestellten Versuche weichen teils von ein¬
ander ab, teils stehen sie sogar direkt einander gegenüber.
Suchen wir nach einer Erklärung für diese auffälligen Diffe¬
renzen, so finden wir zunächst, daß zu den diesbezüglichen
Untersuchungen zu wenig Milchtiere verwendet wurden, daß die
örtlichen Verhältnisse, die individuelle Disposition der Versuchs¬
tiere zu wenig berücksichtigt, und daß die Art der zur Ver¬
wendung gelangten fettliefernden Futtermittel bzw. deren
Mischungsverhältnisse verschieden gewählt worden sind. Wider¬
sprechende Ergebnisse mußten daher die notwendige Folge sein.
Bei der großen Wichtigkeit der Frage über die Wirkung des
Nahrungsfettes auf die Milchproduktion der Kühe war die Vor¬
nahme großer Versuchsreihen dringend erforderlich. Der deutsche
Landwirtschaftsrat berief hierzu eine aus 10 Mitgliedern be¬
stehende Kommission. Die Versuche wurden nach einem auf¬
gestellten Plan an 10 Anstalten durchgeführt. Im ganzen ge¬
langten 196 Kühe der verschiedensten Schläge zur Beobachtung.
Die Versuchsdauer betrug 3 Monate.
Das verabreichte Futter setzte sich zusammen aus einem
in allen Versuchsperioden gleichbleibenden Grundfutter und einer
Zulage, welche bei der fettarmen Ration aus Roggenfuttermehl
und Stärkemehl, bei der fettreichen aus Reisfuttermehl bestand.
Beide Rationen mußten die gleiche Menge verdaulicher Nähr-
Stoffe enthalten und durften sich nur dadurch unterscheiden, daß
in dem einen Falle eine größere Fettmenge verfüttert wurde,
welche in dem anderen Falle durch eine gleichwertige Menge
verdaulichen Kohlehydrats ersetzt wurde. Die Fettbestimmungen
erfolgten täglich. Im ganzen wurden ungefähr 15 000 einzelne
Fettbestimmungen ausgeführt.
Die geschilderten Versuche ergaben nun, daß der Ersatz
der verdaulichen Kohlehydrate im Futter der Milch¬
kühe durch eine gleichwertige Menge verdauliches
Fett — beide Nährstoffe in vollwertigen Futtermitteln
verabreicht — nicht nur keinen wirtschaftlichen Vor¬
teil bringt, sondern in der Regel die Milchmenge sowie
das Gewicht des ermolkenen Fettes etwas herabsetzt.
Ferner zeigte die Individualität der Tiere einen ganz
19. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
221
unberechenbaren Einfluß auf das Versuchsergebnis;
es ist daher nicht angängig, etwa aus kleinen Versuchsreihen
Schlüsse für die Praxis zu ziehen. Der prozentuale Fett¬
gehalt stieg mit der Abnahme der erzielten Milch¬
menge, er fiel bei Zunahme der letzteren. Schließlich
wurde noch festgestellt, daß sich unter dem Einflüsse des Reis-
mekle8 die Eigenschaften des Butterfettes änderten, es gingen
also Teile des Reismehlfettes in das Milchfett über.
Das für das wirtschaftliche Leben aus den obigen, auf so
breiter Grundlage angestellten Versuchen wichtigste Faktum
besteht endlich darin, daß das in den Futtermitteln enthaltene
und im Handel teure Nahrungsfett durch billigere Kohlehydrate
ersetzt werden kann. Eine Schädigung der Leistungsfähigkeit
der Molkereien ist dabei nicht zu befürchten. J. Schmidt.
Tagesgeschichte.
*
Hedwig Schmaltz.
Der Frau und Mutter stolzen Ehrennamen
Trug sie mit einem frischen Mädchenlachen
Und wußte alle Herzen hell zu machen,
Die in den Bannkreis ihres Wesens kamen.
Ein feiner Geist in goldnen Frohsinns Rahmen,
Wie sollte der nicht rings die Lust entfachen? —
Selbst stark, war sie voll Güte zu den Schwachen,
Das fühlten alle, die ihr Trost entnahmen.
Sie rang mit jedem Leid, bis seine Schwingen
Vor ihrer Seele Sonnenkraft erschlafften;
So konnte lächelnd sie den Tod bezwingen. —
Die lichten Geister, die einst in ihr schafften,
Sie wollen jetzt mit unsern Tränen ringen:
Am Bild der Frohen darf der Schmerz nicht haften!
Charlotte Francke-Roesing, Cöln.
*
M. G. de Bruin f.
Die Tierärztliche Hochschule zu Utrecht hat wiederum
den Verlust eines ihrer vorzüglichsten Dozenten zu bedauern.
Professor M. G. de Bruin, seit September 1893 an der
Hochschule wirksam, ist nach einer Krankheit von 17 Tagen am
7. März gestorben. Eine Infektion, zugezogen bei einer Zahn¬
operation eines Pferdes und begleitet von einer Krankheit
thyphoider Art, machte diesem fruchtbaren Leben ein Ende.
Als er noch Student war, konnte man schon vorher sagen,
daß de Bruin vieles leisten sollte, und nachdem er 1879 als
Tierarzt approbiert war, wurde ihm nahegelegt, Assistent an
der Hochschule zu werden.
Das ist nicht geschehen, und der Verstorbene wurde von der
Stadt Zalt-Bommel (Provinz Gelderland) als Gemeindetierarzt
gewählt. Vierzehn Jahre arbeitete er in Zalt-Bommel und in
der Umgegend, und von Anfang an hatte er sich schon das Ver¬
trauen aller Landwirte und Tierbesitzer in dieser Gegend er¬
worben. Der junge Mann mit dem intelligenten und angenehmen
Antlitz eroberte in kurzer Zeit die Herzen aller, die ihm be¬
gegneten, und arbeitete Tag und Nacht zum Nutzen der Land¬
wirtschaft.
Keine Arbeit war ihm zu schwer, und doch fand er damals
schon Zeit, wissenschaftlich zu arbeiten.
Als im Jahre 1893 die Professur für Geburtshilfe an der
Hochschule vakant war, fiel es der Regierung nicht schwer,
eine Wahl zu treffen, de Bruin war der Mann; jeder sagte
es laut und jeder gratulierte der Hochschule zu diesem neuen
Lehrer.
Und darin hatte man recht; denn wieviel hat er in den
15 Jahren seiner Lehrtätigkeit nicht geleistet ! Es ist in Holland
kein Geheimnis, daß die Dozenten der Tierärztlichen Hochschule
mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, und daß leider
die Lust zur wissenschaftlichen Arbeit nicht immer die Stütze
von der Stelle empfängt, w r ovon man diese hat erwarten dürfen.
| Auch de Bruin hat unter dem Fehlen an Mitwirkung gelitten
I und mir, der den großen Vorzug hatte, intim mit ihm bekannt
| zu sein, hat er oftmals erzählt, wie traurig ihn das stimmte.
Aber doch arbeitete er immer, und sein schönes, in der
deutschen Sprache erschienenes Buch „Die Geburtshilfe beim
Rinde“ ist weit über die Grenzen unsrer Heimat bekannt. In
wenigen Monaten wird auch ein neues Buch von seiner Hand
„Die Geburtshilfe bei den kleinen Haustieren“ in dem Buch¬
handel erscheinen. Weiter war er einer der Redakteure der
„Tijdschrift voor Veeartsenykunde“ und Mitglied der Redaktion
der „Berliner Tierärztlichen Wochenschrift“. Viele deutsche
Kollegen werden seine Artikel oft gelesen haben.
Am Mittwoch, den 11. März, haben wir dem geliebten Ver¬
storbenen die letzte Ehre erwiesen; die Beerdigung fand auf
dem neuen Friedhof Utrechts statt und in der Kapelle hatten
sich die Familie, die Dozenten und Studenten der Hochschule
und viele Freunde und Kollegen versammelt.
Die Regierung war vertreten durch den Herrn Lovink,
General-Direktor der landwirtschaftlichen Abteilung des
Ministeriums für Landwirtschaft, Handel und Industrie, der in
schönen Worten dem Verstorbenen für alles dankte, was er für
die Hochschule und für die Landwirtschaft getan hat. Professor
W. C. Schimmel aus Utrecht sprach im Namen der Dozenten
der Hochschule, und war bisweilen so gerührt, daß es ihm
222
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
schwer fiel, seine Rede zu beenden. Dr. D. A. de Jong sprach
im Namen der Kommission zur Vorbereitung des internationalen,
tierärztlichen Kongresses, Prof. H. M. Kroon aus Deventer im
Namen der holländischen Tierärzte, Dr. M. H. J. P. Thomaßen jr.
in Namen der holländischen Militär-Veterinäre und H. Veenstra
im Namen der Studenten der Hochschule.
Der Sohn dankte im Namen der Familie für die seinem
unvergeßlichen Vater erwiesenen letzten Ehren.
De Bruin war eine Zierde unseres Standes; mit ihm ist
ein edler Mensch hingegangen. Requiescat in pace!
t
Am Freitag, den 6. d. M., nachmittags 2 Uhr, wurde auf
dem Uffkirchhof in Stuttgart-Cannstadt der an einem Schlag plötz¬
lich verstorbene Schlachthofdirektor Schönweiler-Pforzheim in
Anwesenheit der Herrn Oberregierungsrat Beißwänger vom
Kgl. Wtirttembergischen Medizinalkollegium und Direktor Dr.
von Sußdorf der Kgl. Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart,
unter zahlreicher Beteiligung seitens der Tierärzte des Stadt¬
bezirks Stuttgart, der verschiedenen Landesteile, aus Baden
und das Gesamtkorps Suevia, sowie der Angehörigen zur letzten
Ruhe bestattet. Die Einsegnung der Leiche geschah nach
katholischem Ritus. Der Sarg war reich mit Blumen und
Kränzen geschmückt. Kränze wurden unter entsprechenden
Ansprachen am Grabe niedergelegt, von dem Erstehargierten
des Korps Suevia stud. med. vet. Hof Stadt, der insbesondere
hervorhob, in welch väterlicher Weise der Verstorbene für die
studierende Jugend sorgte; weiter von Oberamtstierarzt
Theurer-Ludwigsburg im Auftrag des Altherrnverbandes des
Korps Suevia, von Veterinärrat Kösler-Stuttgart im Namen
des Tierärztlichen Landesvereins für Württemberg und des
Vereins süddeutscher städtischer und Schlachthoftierärzte, von
Stadtrat Völter-Pforzheim im Auftrag der Stadtgemeinde
Pforzheim, von Anstaltstierarzt Eberbach-Karlsruhe im Namen
des Vereins Badischer Tierärzte und von Stadttierarzt Zierer-
Pforzheim im Namen der Schlachthofbeamten dortselbst.
Kösler.
Dem Andenken Nocards.
Das Komitee für die Errichtung des Denkmals Emond
Nocards hat die bei der Denkmalseinweihung gehaltenen Reden
(Deutschlands Vertreter darunter Lydtin) die ein Bild von den
Werken und der Persönlichkeit Nocards gewähren, in einer
vornehm ausgestatteten und mit dem Bilde des Denkmals und
des Denkmalplatzes geschmückten Broschüre herausgegeben und
von derselben 200 Exemplare nach Deutschland überwiesen. Die
Verteilung erfolgt demnächst.
Das Diensteinkommen der Kreistierärzte.
Von Kreistierarzt Krueger-Posen.
In der Nr. 8 der B. T. W. 1908 ist das Referat wieder¬
gegeben, das Herr Kreistierarzt Dralle im Verein der be¬
amteten Tierärzte am 30. November 1907 erstattet hat. Dieses
Referat beschäftigt sich auch jnit meiner Person und beanstandet
die Ziffern, die von mir für das amtliche Einkommen einzelner
Kreistierärzte in meinem Artikel „Gehaltsaufbesserung“ in der
Nr. 41 der B. T. W. 1907 angegeben waren.
Da Herr Dralle in seinem Referat erklärt, daß es jetzt
einmal an der Zeit ist, ehrlich zu sein, kann ich nicht an¬
nehmen, daß er die Absicht hat, etwas aus den Einkommens-
Verhältnissen der Kreistierärzte zu verschleiern, vielmehr ist
mir seine Beanstandung der Ziffern ein Beweis, daß er mit den
Verhältnissen der ostelbischen Kreistierärzte nicht vertraut ist.
Das ist bedauerlich, mir aber verständlich. Wir haben leider
kein Institut, das uns in den Stand setzt, uns über die Ein¬
kommensverhältnisse von Stellen in anderen Bezirken zu in¬
formieren, und es ist mehr oder weniger Zufallssache, ob wir
in einen guten Kreis kommen. Auch auf diesem Gebiete könnte
das von mir in der Nr. 7, Jahrg. 1908 der B. T. W. vor¬
geschlagene Zentralbureau großen Segen stiften dadurch, daß
es für die einzelnen Kreise Zahlen sammelte, um Interessenten
bei Vakanzen Auskunft gegen Entrichtung einer Gebühr
zu geben.
Ehe ich die Äußerungen, die in Verbindung mit meiner
Person stehen, widerlege, möchte ich den Irrtum desj Herrn
Dralle richtig stellen, daß eine Witwe mit drei Kindern im
Alter von 14, 10 und 9 Jahren in dem angenommenen Falle
lediglich auf 504 M. Witwengeld angewiesen ist. Jedes Kind
erhält Vö des Witwengeldes; es würden zu den 504 noch
303 Mark hinzutreten. Mit 807 Mark kann eine Witwe nun
auch nicht sich und drei Kinder unterhalten; im Interesse der
Wahrheit und Klarheit möchte ich aber auf jene 303 Mark be¬
sonders hinweisen.
In dem Artikel in der Nr. 41 der B. T. W. 1907 habe ich
behauptet, daß die Reisegebühmisse in den einzelnen Stellen
sich bewegen zwischen einigen Hunderten bis 10 000 oder
15 000 M. An einer andern Stelle desselben Artikels hatte ich
von einer 15-Millestellung gesprochen.
Die Reisegebührnisse setzen sich zusammen einerseits aus
den Tagegeldern und Reisekosten, die der Staat zahlt, andrer¬
seits aus Gebühren für Verrichtungen außerhalb des Wohnortes,
die von Gemeinden oder Privaten zu zahlen sind. Bei der
„15-Millestellung“ würden noch die Gebühren am Wohnort in
Betracht zu ziehen sein.
Das preußische Landwirtschaftsministerium hat den durch¬
schnittlichen Betrag der von den Kommunalverbänden und
Privaten zu deckenden Kosten auf netto 1500 M. beziffert. Als
Durchschnittsbetrag steigt und fällt natürlich diese Summe ganz
erheblich, je nach den Kreisen. Der einigermaßen mit den
Verhältnissen Vertraute wird sich leicht denken können, daß
hier und da Einnahmen von 5000—6000 M. aus dieser Quelle
verzeichnet werden können. Ich kenne solche Stellen. In
solchen Stellen müßten, um 15 000 M. Reisegebühmisse zu ver¬
zeichnen, die aus der Staatskasse zu zahlenden Tagegelder und
Reisekosten etwa 9000—10000 M. betragen.
Das Ruhebedürfnis der Kreistierärzte im Osten ist nicht so
groß, als daß sie 65 Tage im Jahre „zum Ausatmen“ nötig
hätten oder, anders ausgedrückt, die Kreistierärzte des Ostens
müssen sich in einer Anzahl von Stellen ihr Gehalt viel sauerer
verdienen, als das im Westen der Fall ist. Ich kenne eine
größere Anzahl von Kreistierärzten, die tagaus, tagein ihrem
Amte nachgehen und höchstens an den kirchlichen Festtagen
absolute Geschäftsenthaltung bewahren. Für diese können wir
mit 350 Reisetagen rechnen, wofür 350 X 8 = 2800 M. Tage¬
gelder gezahlt werden. Bei zusammen 10000 M. Tagegelder
und Reisekosten müßten etwa 7000 M. Reisekosten aufkommen
oder bei 350 Reisetagen 20 M. pro Tag. Der Kreistierarzt hat
pro Tag 50 km Landweg zurückzulegen und nicht 100, wie
Herr Kreistierarzt Dralle ausrechnete.
19. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
223
Jene 50 Kilometer legt man im ostelbischen Flachland ohne
Auto mit Pferden in bequem 4V< Stunden zurück.
Wenn man im Sommer um 6, im Winter um 7 Uhr weg¬
fährt, ist man um 12 bzw. 1 Uhr wieder zu Hause und kann
am Nachmittage sich anderen Geschäften und abends schriftlichen
Arbeiten widmen. Die Ausführbarkeit eines solchen Arbeitens
kann niemand bestreiten. Den Kreistierärzten, die sich fern
dem Alkohol halten, für genügenden Ersatz der verbrauchten
Stoffe sorgen und natürlich auch zähe sind, bekommt eine der¬
artige Beschäftigung auch auf die Dauer ausgezeichnet. Sie
sehen gesund und blühend aus und leiden nicht an Nervosität.
Ob diese fernbleiben würde, wenn der Kreistierarzt, anstatt sich
während der Fahrt im bequemen Wagen auszuruhen und die
anzufertigenden Berichte im Geiste zu überschlagen, mit dem
Treten eines Rades sich abmüht oder seine Aufmerksamkeit auf
die Leitung seines Motorrades verwendet, lasse ich dahingestellt.
Daß dem Kreistierarzt bei den heutigen Sätzen nicht all¬
zuviel selbst bei hohen Bruttoeinnahmen, wenigstens in einer
Anzahl von Kreisen, verbleiben kann, glaube ich in meinem
Artikel vom 10. 10. 1907, S. 744, Sp. 2 der B. T. W. nach¬
gewiesen zu haben. Daß es aber Kreistierärzte mit obigen
Bruttoeinnahmen gibt, dafür verbürge ich mich.
Nun werden sicherlich viele Kreistierärzte, besonders die
hochpolitischen, von denen wir nicht wenige haben, diese Er¬
örterung für zwecklos oder gar schädlich erklären.
Wenn ich für Kreistierärzte eine Politik für erforderlich
und nützlich erachte, so ist es die der Offenheit. Wem wollten
wir auch etwas vormachen? Höchstens uns selbst. Die Be¬
hörden sind über unsere Einkommensverhältnisse gut unter¬
richtet Es wäre kurzsichtig, anzunehmen, daß unser Ministerium,
dem unsere Tagebücher seit Jahren hindurch zur Verfügung
stehen, nicht auf das Genaueste informiert wäre. Früher gaben
die Tagebücher B sogar die Gebühren an, die wir von Privaten
und Gemeinden bezogen. Schon im Hinblick auf die Neu¬
besetzung von Stellen ist die genaue Kenntnis der Verhältnisse
für das Ministerium erforderlich. Nach dem Umfang der Ge¬
schäfte und nach der Höhe des sonstigen Einkommens richten
sich aber auch die Stellenzulagen. Sollen diese einigermaßen
gerecht sein, so muß die Staatsregierung jene kennen.
Jeder wird sich schließlich sagen müssen, daß das Finanz¬
ministerium sich derartige bedeutende Ausgabeposten schon aus
Wissensdrang genau ansieht, sie registriert und ordnet, auch
wenn nicht die Pauschalierung seit langer Zeit auf der Tages¬
ordnung des Finanzministeriums stände. Jedem ist sicher bis
aufs Tüpfelchen ausgerechnet, was er aus der Staatskasse
bezogen hat.
Wir können auch ganz ruhig eingestehen, wie viel uns un¬
gefähr Einkommen aus den Reisen verbleibt. Je höher die Summe
ausfällt, um so mehr wird der Staat bei einem ev. Pauschale als
Äquivalent in Form derGehaltserhöhung,inForm eines entsprechend
hohen Reisekostenaversums und in Form von unserer Rangklasse
entsprechenden Tagegeldern uns gewähren. Von unseren Ein¬
nahmen uns etwas abzuknöpfen, daran kann der Staat nicht denken.
Von einer Anzahl guterStellen abgesehen, ist das gar nicht möglich.
Beisen ist beschwerlich, mit erheblichen Unkosten für die eigene
Person verknüpft und erfordert eine besondere Ausstattung mit
Garderobe. Daß nicht alles verbraucht wird, was ausgeworfen,
ist allbekannt. Je höher hinauf, um so mehr bleibt übrig, weil
die Unkosten nicht in gleichem Umfange wie die Einnahmen
steigen. Vorzüglich stehen sich die Gerichtskommissionen
(Richter, Staatsanwalt, Kreisarzt, Katasterkontrolleur, Rechts¬
anwalt), bei denen für recht oft 3—4 Herren an den Kosten
partizipieren, was bei uns fast nie vorkommt. Uns bleibt bei
den miserablen Kilometer- und den niedrigen Tagegeldern herzlich
wenig. Etwas besser ist die Sachlage in Kreisen, in denen
viele Gebühren einkommen. Bei den Kreisärzten ist es aber
auch nach der Seite viel besser bestellt. Letzthin tagte hier
eine Versammlung von Bahnärzten des Eisenbahndirektions¬
bezirkes Posen, in der ein Ministerialkommissar mitteilte, daß
die Bahnärzte des Bezirkes, die zum größten Teil Kreisärzte
sind, z. Zt. Einnahmen von 1500—8000 M. beziehen, und daß
in Zukunft jeder mindestens 3000 M. erhalten soll. Eine nette
Nebeneinnahme aus einer einzigen Quelle.
Wirklich gute Stellen, mit denen uns leider ein Vorwurf
gemacht wird, sind verhältnismäßig selten. Ein lachendes,
blühendes, dichtes Feld präsentiert sich nicht meinen Blicken,
höchstens einige geile Stellen in einer mehr oder weniger
kümmerlichen Saat. Es würde nicht schaden, wenn fruchtender
Dünger auf das ganze Feld gestreut würde, aber nicht etwa in
dem Sinne, daß die guten Stellen umgerissen würden. Dabei
würde der Staat nur ein schlechtes Geschäft machen: anstatt
einer Stelle hat er zwei mit Gehalt, Stellenzulage, Dienst¬
unkostenentschädigung, Tagegeldern, Reisekosten, ev. Pensions¬
und Reliktenbezügen auszustatten. Dabei entsteht auch die
Gefahr, daß die eine von den beiden Stellen eine Pfründe wird,
eine Stelle, in der der Kreistierarzt wenig oder nichts zu tun
hat und sein Gehalt sozusagen umsonst bezieht.
Anstatt nun magere Stellen zu schaffen, könnten die Re¬
gierungen, zumal im Westen, wo wenige Dienstgeschäfte zu
erledigen sind, sehr wohl mehrere Kreise zu einem Bezirk Zu¬
sammenlegen, wie es seitens der preußischen Medizinalverwaltung
mehrfach geschehen ist, so daß der beamtete Tierarzt einiger¬
maßen vollbeschäftigt wird. Es ließen sich damit erhebliche
Ersparnisse machen. Für außergewöhnliche Zeiten müßten, wie
es in Preußen bei Maul- und Klauenseuche geschehen, natürlich
Tierärzte kommittiert werden. Bei der Menge von 400 bis
500 Tierärzten ohne dauernde Stellung kann das gar keine
I Schwierigkeiten bereiten. Bei Choleragefahr geschieht es auch
in der anderen Fakultät. Damit würden auch die Klagen der
Privattierärzte über die Konkurrenz der beamteten Tierärzte
verstummen und leichter würde der Boden zur gegenseitigen
Verständigung gefunden werden.
Die Arbeitskraft der Kreistierärzte dadurch besser aus¬
zunutzen, daß immer mehr Seuchen dem Seuchengesetz unter¬
stellt werden, würde ich nicht für richtig halten. Eine laxe
Bekämpfung der Tierseuchen ist so ziemlich zwecklos, das
Geld dafür kann man sparen, höchstens ist es Füllsel für die
Tasche des Kreistierarztes.
Auch im Interesse eines hinreichenden Nachwuchses müßten
die wirklichen guten Stellen, die Oasen, die dem Wanderer
freundlich winken, nicht vermindert, sondern vermehrt werden.
Wie ich bereits in meinem Artikel vom 13. Februar 1908 in
der B. T. W. andeutete, bieten sie heute fast den einzigen
Anreiz für das Ergreifen unseres Studiums. Die Tüchtigen
stellen sich überall da zum Wettbewerb ein, wo der Erfolg den
höheren Lohn verspricht. Die ^ideal Gesinnten“, die über die
Liebe zum Studium und Beruf materielle Vorteile außer acht
lassen, sind nur in einer verschwindenden Minderheit vorhanden.
224
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
Der Staat wird für die Veterinärbeamtenlaufbahn nur so lange
eine hinreichende Anzahl tüchtiger Bewerber zur Auswahl
haben, so lange die Aussichten auf Sold und Ehre ungefähr die
gleichen sind, wie sie in anderen Laufbahnen bei ähnlichen
Anforderungen an Vorbereitnngszeit, Vermögen und Arbeits¬
leistungen winken. Als Hüter eines 3 l /2 Milliardenschatzes, der
in unseren Viehbeständen sich darbietet, kann der Staat nur
tüchtige Bewerber gebrauchen. Selbst Koryphäen medizinischer
Wissenschaft, wie Koch, Löffler, Behring, bemühen sich,
Mittel und Wege zur Bekämpfung tierischer Seuchen zu ge¬
winnen. Wir brauchen allererste Kräfte, wenn die Aufgaben,
die unserer harren, gelöst werden sollen. Mit den früheren
Anschauungen über Tierheilkunde muß da allerdings gründlich
gebrochen werden, und die Regierungen haben voranzugehen.
Ich meine, daß an den maßgebenden Stellen der Wille dazu vor¬
handen ist.
Speziell in unserem Beamtenstande kommt es mehr noch
als in anderen nicht allein auf das technische Wissen und
Können an, sondern auch auf Intelligenz, Charakter, Zielbewußt¬
sein, gesellschaftlichen Takt. Wir haben im Gegensatz zu
bereits konsolidierten Ständen einen Kampf zu bestehen gegen
Mißtrauen und Vorurteile, wir müssen uns noch durchsetzen und
anderen innere Anerkennung und Achtung abnötigen, so daß es
nimmermehr Vorkommen kann, daß ein Landrat die Besuchs¬
karten eines hochachtbaren Kreistierarztes diesem durch den
Diener zurücksenden läßt. Da könnte man mit Shakespeare im
Heinrich VI. sprechen: „Ich bitte dich, laß mich ein Weilchen
fluchen.“
Nachtrag.
Nach Druck obiger Ausführungen las ich in der Nr. 9 der
B. T. W. auch den Vortrag des Herrn Kreistierarztes Traeger-
Belgard im V. d. b. T. Pr. über die Pauschalierung der Reise¬
kosten und Tagegelder.
Aus dem Vortrag kann man den Eindruck gewinnen, als
ob ich seinerzeit neben Erhöhung des Gehaltes auch Wohnungs-
geldznschuß, Erziehungsbeihilfe und Erhöhung der Tagegelder
beansprucht hätte. Das habe ich nicht getan. Ich habe nur
die verschiedenen Wege beleuchtet, auf denen die Aufbesserung
für den kreistierärztlichen Stand vor sich gehen könnte, und
zwar nur im Hinblick auf die bevorstehende Einkommens-.
Verbesserung der übrigen Beamten. Da für diese zu jener Zeit,
ebensowenig wie heute, völlig klar ausgesprochen ist, in welcher
Weise sie aufgebessert werden sollen, war ich genötigt, die in
den Tageszeitungen angegebenen und erörterten verschiedenen
Wege einer kurzen Besprechung zu unterziehen. Für den kreis¬
tierärztlichen Stand habe ich die Forderungen in der Form
aut — aut erhoben; wenn die Aufbesserungen uns gewährt werden
sollten in der Form et — et, so werde ich mich nicht ablehnend
verhalten.
Ferner habe ich an den Ausführungen des Herrn Kreis¬
tierarztes Traeger, soweit sie meine Person betreffen, den
Umstand zu bemängeln, daß er aus meinem Artikel vom
10. Oktober 1907 den Satz „die mit den Reisekostenliquidationen
für Kreistierärzte und Regierungen verknüpfte Arbeit fällt zum
größten Teile fort“ nicht vollständig zitiert hat. Die wesent¬
lichen Worte „zum größten Teil“ sind unter den Tisch gefallen.
Nun ist mir ja nicht unbekannt, daß auch bei Einführung eines
Pauschales ebenso wie bei andern Beamten der Staat nicht auf
den Nachweis der Zahl, Dauer und Entfernung der Reisen wird
verzichten können. Es ist aber ein großer Unterschied, ob eine
Nachweisung in Form eines Forderungsnachweises eingereicht
werden muß oder in Form einer einfachen Aufstellung. Heute
muß der Kreistierarzt, wenn es amtlich auch nicht ausdrücklich
vorgeschrieben ist, für sich ein Privattagebuch führen, um
jederzeit den Behörden Auskunft über Reisen geben zu können,
und dazu der Regierung zwei Forderungsnachweise einreichen.
Abgesehen von der Art der Aufstellung würde von den drei
Nachweisungen nur eine verbleiben.
Im übrigen hat es mir eine große Freude bereitet, die
ruhigen, ausführlichen und den Kernpunkt der Dinge treffenden
Darlegungen der Herrn Referenten zu lesen. Die Ausführungen
meines Freundes, des Herrn Kreistierarztes Rust, unterschreibe
ich, von dem Passus „crux der Landwirtschaft“ abgesehen,
Wort für Wort.
Wenngleich ich seinerzeit die von mir erhobenen Forderungen
absichtlich nicht scharf präzisiert hatte, vielmehr ausdrücklich
es als Aufgabe deB Vereins der beamteten Tierärzte bezeichnet
hatte, die geeigneten dem Herrn Minister zu unterbreiten, sind
sie ihrem Kerne nach in einer meinen Vorschlägen entsprechenden
und mich voll befriedigenden Form nunmehr zur Kenntnis des
Herrn Ministers gebracht worden.
Die Bezirksärzte in Sachsen.
Gelegentlich der Debatte über die Vollbesoldung der Kreis¬
tierärzte in Preußen interessiert, daß das Königreich Sachsen
beabsichtigt, die dortigen Bezirksärzte voll zu besolden.
Demzufolge ist aus der letzten Zweiten Kammersitzung der
Bericht der Finanzdeputation über Kapitel 56 des ordentlichen
Etats für 1908/09 von Interesse, der eine wesentliche Änderung
der grundsätzlichen Besoldung der sächsischen Bezirksärzte
bringen soll. Es wird der Regierung vorgeschlagen, die Gehalt-
sätze für die Bezirksärzte so hoch zu gestalten, daß in Zukunft
die Ausübung der Privatpraxis wegfallen kann. Desgleichen
sollen die bisher bezogenen Gebühren für die amtlichen Ge¬
schäfte (Atteste!) als Einnahmequelle wegfallen (würden in
die Staatskasse fallen). Vorerst konnte die Finanzdeputation
den Regierungsvorschlag nicht ohne weiteres akzeptieren. Dem¬
gemäß beeilte sich die Regierung, der Deputation eine nähere
schriftliche Auslegung und eine Denkschrift zu übermitteln.
Als Grundsätze wurden seitens der Regierung folgende Normen
aufgestellt: Erhöhung des Gehaltes der Bezirksärzte auf 4500
bis 7500 M., im Durchschnitt 6000 M. (Bekanntlich beginnen
in Preußen die vollbesoldeten Kreisärzte mit 3600 M.; die
Nebeneinnahmen, oft sehr beträchtlicher Art, fallen ihnen aber
zu.) Ausübung der Privatpraxis soll, abgesehen von Konsul¬
tationen mit andern Ärzten und in dringenden Fällen, verboten
sein. An Bureauaufwand soll ferner 800—1200 M., im Durch¬
schnitt 1000 M. bezahlt werden. Fernsprecherauslagen zahlt
die Staatskasse. Da nunmehr die Deputation ebenfalls für die
Bewilligung des Kapitels eintritt, dürfte die Besoldungsänderung
wohl zur Tatsache werden. Dr. G.
Unsere Taxe.
Auf Seite 43, Teil n, des Veterinärkalenders für 1907/08
bietet sich dem Leser ein interessantes Bild: Nachdem das Auge
sieh soeben an den grünen Fluren gelabt, auf welchen die zwar
immer noch bescheidenen, aber doch aus modernen Anschauungen
heraus entstandenen Verhältnisse der preußischen Kreistierftrzte
19. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
225
ihrer Vollendung entgegenreifen, bleibt es wie befremdet an
dieser Stelle haften. Als gehöre es sich so und könne gar nicht
anders sein, steht in Reih und Glied mit den Genossen unserer
weit vorgeschrittenen Zeit, ohne eingefriedigt zu sein von
Kirchhofsmauern, hinter welchen ein ganzes Jahrhundert
schlummert oder doch schlummern sollte: die tierärztliche Taxe
vom 21. Juni 1815. Fürwahr, es ist ein Zeichen treuen Ge¬
denkens und gereicht den Erben eines solchen Vermächtnisses
gewiß zur Ehre, wenn sie mit Sorgfalt genau bis auf den Tag
ein derartiges, vor 100 Jahren gewiß beglückendes Faktum
kommenden Geschlechtern überliefern, aber es ist inzwischen
unbrauchbar geworden, was damals genügte, und Moderduft ent¬
steigt seiner zermorschten. Ruine. „Für das Setzen eines
Klystiers“ oder „das Abstütaen der Ohren bei Pferden“ „erhält
der Lehrer an einer Tierarzneischule“ — von den daneben
stehenden Gebühren gar nicht zu reden —. Mutet es nicht
gerade so an, als wenn nach einem längeren Dornröschenschlaf
bei der Berliner Frühjahrsparade zwischen den neuesten feld¬
grauen Uniformen eine alte Landsknechtsgestalt sich breit
machte? ' Würde da nicht mit Recht ein preußischer Unter¬
offizier befürchten müssen, daß dieser den ganzen Parademarsch
„versauen“ würde.
Jedes Ding zu seiner Zeit. War der Landsknecht früher
am Platz, so war die Taxe von 1815 damals nicht weniger tipp¬
topp, aber gerade deswegen wäre ihr nun die ewige Ruhe zu
gönnen. Auf unsere Zeit muß sie als Gespenst wirken, welches
Alpdrücken verursacht.
Daß nicht schon längst der helle Ton einer Auferstehungs¬
trompete jenes morsche Gefüge in wohlverdienten Staub ver¬
wandelt und aus diesem in zeitgemäßer Form eine neue, brauch¬
bare Taxe erstehen ließ, liegt wohl nur an der unverständlichen
Langmut resp. Gleichgültigkeit derer, die es am meisten angeht.
Was viele vor mir als dringendes Postulat aufgestellt, soll hier
nur wieder einmal berührt werden. Ganz abgesehen davon, daß
eine derartige vorsintflutliche taxmäßige Bewertung unserer
Leistungen dem Stande wohl kaum als Empfehlung dienen kann,
wird es einfach die höchste Zeit, einem Unfug ein Ende zu
machen, der es ermöglicht, daß beispielsweise bei Reisen über
Land von 1—3 (!) Meilen der Fuhrmann 9 M. beanspruchen
darf, während der Tierarzt von dem vielleicht taxkundigen Tier¬
besitzer 4 M. 50 mit Gönnermiene in die Hand gedrückt bekommt.
Welche interessanten Erfahrungen auf diesem Gebiet vor
Gericht zu machen sind, wenn wir genötigt sind, den Klageweg
zu betreten, weiß wohl ein jeder. Kopfschüttelnd und mit der
Miene aufrichtigen Mitleides entläßt uns der Amtsrichter und
legt die durch die Verhandlung auf ihr natürliches Maß
reduzierte Hochachtung vor unserer Standeseinschätzung mit zu
den Akten.
Lieber deutscher Veterinärrat, schaffe Rat!
Kissuth, Kreistierarzt.
Ostertag-Feier.
Die durch einen Aufruf (in der B. T. W. 1907, S. 9(52) ein-
geleitete Abschiedsfeier für den Geheimen Regierungsrat Pro¬
fessor Dr. Ostertag anläßlich seines Ausscheidens aus dem
Verbände der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin und dem
preußischen Staatsdienste hat am 14. März stattgefunden und
einen glänzenden Verlauf genommen. Etwa 140 Teilnehmer
waren erschienen, an Ihrer Spitze Ministerialdirektor Küster
und Geheimer Oberregierungsrat Schröter; viele Kollegen
hatten auch eine weite Reise nicht gescheut. Ministerialdirektor
Küster ließ die erste Rede in ein Hoch auf Se. Majestät
den Kaiser ausklingen, begann sie aber damit, daß er dem Ge¬
feierten in wärmsten Worten die Anerkennung für seine wertvollen
Dienste in seinem bisherigen Wirkungskreise aussprach. Professor
Schmaltz dankte im Namen des Komitees den Anwesenden für
ihre Beteiligung und feierte ebenfalls die Tätigkeit Ostertags,
dessen Übertritt in den Reichsdienst ein Verlust für die Hoch¬
schule, aber ein Gewinn für den Stand sei, da es gelte, einen
wichtigen Posten, eine angemessene Vertretung der tierärzt¬
lichen Forschung und des Veterinärwesens im Reich, zu er¬
obern und diese schwierige Aufgabe nur Ostertag gelingen
könne. Veterinärrat Pauli brachte in gebundener Rede einen
Toast auf die Gattin und die jungen Söhne Ostertags aus.
Direktor Goltz dankte namens des Vereins der Schlachthof¬
tierärzte dem einzigen Ehrenmitglied des Vereins für sein
Wirken im Interesse der Schlachthaustierärzte. Darauf sprach
der Gefeierte allen und für alles seinen Dank aus in einer
längeren Rede, die wehmütig und launig, ernst und interessant,
die Hörer fesselte. Den Beschluß machte nach fünfstündiger
Dauer der Tafelrunde Schlachthofdirektor Brebeck-Bonn mit
einer allerliebsten Ansprache, wie sie eben nur ein Redemeister
des rheinischen Karnevals zu bieten weiß.
Dem Geheimrat Ostertag wird dieses Fest eine stolze
und herzerfreuende Erinnerung bleiben. *
Und nun möge ihm sein neues und schweres Werk gelingen!
S.
Kommers der Studierenden der MilitSr-Veterinär-Akademie.
Wie schon in Nr. 9 mit geteilt, hat die Militär-Veterinär-
Akademie zum erstenmal einen offiziellen Kommers gefeiert,
zum Zeichen, daß das studentische Wesen mit der Genehmigung
der drei Verbindungen Cimbria, Arminia und Obotritia eine
amtliche Anerkennung an der Akademie erlangt hat. Der
Kommers wurde von dem 0. C. der drei Verbindungen und den
„Nichtinkorporierten“ veranstaltet und fand in dem schönen
Saal der Schlaraffia statt; das Präsidium hatte Stud. Grimm-
Cimbria. Neben vielen Aktiven und ehemaligen Militärveterinären
waren als Ehrengäste erschienen der General-Inspekteur
derKavallerie von Kleist mit zwei Adjutanten, der Inspekteur
des Militär-Veterinärwesens Oberst Dreher, der die Anerkennung
der früher „heimlichen“ Verbindungen zur Entscheidung gebracht
hat, der Geheimrat Dr. Schütz von der tierärztlichen Hoch¬
schule (deren Rektor durch einen Trauerfall verhindert war )
und viele andere, sowie Vertreter der Ausschüsse der Studierenden
der tierärztlichen Hochschule, Kaiser Wilhelms-Akademie und
landwirtschaftlichen Hochschule.
Exzellenz von Kleist brachte ein Hurra auf seine Majestät
den Kaiser aus. Die studentische Festrede hielt Stud. Ohmke, in
der er den Dank für die Anerkennung der Verbindungen dar¬
brachte und die Grundsätze bezeichnete, nach denen das
Studententum an der Militär-Veterinär-Akademie sich entwickeln
wolle. Die Stud. Buß und Erb sprachen auf die Gäste und
die Damen. Für die Gäste erwiderte Geheimrat Schütz.
Schlachthof-Direktor Goltz dankte im Namen der „alten Herren“
dem Inspekteur für die Anerkennung der Verbindungen. Oberst
Dreher erwiderte dankend und sprach seine Wünsche für die
künftige Entwicklung seiner Schöpfung aus. Pflege hehrer
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
Vaterlandsliebe, treuer Kameradschaft und Selbstzucht seien
notwendig, damit dem bevorstehenden Veterinär-Offizier-Korps
der nötige Korpsgeist innewohne.
Die Armee geht manchmal schwer an eine Neuerung heran,
aber was sie tut, tut sie ganz und weiß ihrer Schöpfung sofort
Nachdruck und Gewicht zu verleihen. Die Feier dieses glänzenden
Kommerses, nachdem einmal die alten Bedenken gegen studentisches
Wesen gefallen sind, und die Teilnahme der höchsten Vorgesetzten
an diesem Feste, sind dafür wieder ein beredtes Zeichen. S.
Hebung der Stellung der Assistenten an den preußischen tierärztlichen
Hochschulen.
Durch den Staatshaushalts-Etat für 1908 vollzieht sich eine
grundsätzliche Umwandlung der Stellung der Assistenten. Im
Gegensatz zu den Prosektoren und Repetitoren waren die
Assistenten bisher keine Beamten, denn sie erhielten ihre
Remuneration in Form von Stipendien. Dies ist jetzt abgeändert,
die Besoldung der Assistenten erfolgt fortab aus demselben
Etatstitel wie die der Repetitoren. Damit werden die Assistenten
Staatsbeamten und haben den Staatsdienereid zu leisten. Sofern
sie später endgültig in ein Staatsamt eintreten, wird bei der
Pensionierung die Assistentenzeit auf das Pensionsdienstalter
angerechnet. Die Ernennung der Assistenten erfolgt in Zukunft
durch den Minister (bisher durch den Rektor bzw. Direktor).
Titelfrage.
Nach einer Mitteilung der Norddeutschen Presse (Neustet tin)
wurde in der Städtverordnetensitzung zu Könitz über die Amts¬
bezeichnung des Schlachthofleiters verhandelt. Ein Stadt¬
verordneter beantragte, dem verdienten Schlachthofinspektor den
Direktortitel zu verleihen, wie dies in anderen Städten längst
geschehen sei. Der Bürgermeister erklärte sich einem solchen
Titel abgeneigt; denn was nenne sich heute nicht alles Direktor.
Was die Stellung des verdienten Schlachthofvorstehers zu be¬
deuten habe, wüßten alle. Eine Standeserhöhung liege in einem
solchen Titel nicht. Die Städteordnung habe die wirklichen
Auszeichnungen, die verliehen werden können, genau vor¬
geschrieben. Man solle den Schlachthofleiter am liebsten auf
gut deutsch „Schlachthofvorsteher“ nennen, ähnlich wie Bahn¬
hofsvorsteher, eine Bezeichnung, die der Staat ja auch an Stelle
des Fremdwortes „Stationsinspektor“ eingeführt habe. An Stelle
des leeren Titels beschließe man lieber eine Gehaltserhöhung.
Man darf in der Abneigung gegen Titel nicht zu weit gehen,
denn dieselben sind doch immerhin nicht wohl entbehrlich.
Immerhin liegt aber in diesen Ausführungen gerade bezüglich
des Direktortitels viel Wahres. Jedenfalls hat der Bürger¬
meister sehr recht mit seiner Bemerkung, daß man lieber eine
Gehaltserhöhung geben solle. Diejenige Kommune wird sich in
der Tat das größte Verdienst erwerben und die besten Beamten
sichern, welche ihnen durch Bezahlung und Behandlung die
richtige Stellung anweist. S.
Belicht über die YII. Hauptversammlung des Vereins
der beamteten Tierärzte Preußens
am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907.
(Fortsetzung.)
Überwachung der Milohgewinnung und des Milchverkehrs.
Referent: Simon-Otterndorf.
Der fast einstündige Vortrag des Herrn Simon-Otterndorf
gelangt mit Zustimmung des Herrn Referenten hier nur auszugs¬
weise zur Veröffentlichung.
Referent bespricht zunächst die Krankheiten der Kühe,
welche Milch gesundheitsschädlich machen können: Milzbrand,
Maul- und Klauenseuche, Tollwut, die septischen und pyämischen
Erkrankungen, die Euterentzündungen, und fordert den Ausschluß
der Milch dieser Tiere vom Verkauf. Bezüglich der Tuberkulose
wird die Forderung erhoben, daß die Milch von Kühen stammen
muß, die frei von Eutertuberkulose und frei von klinischen Er¬
scheinungen der Tuberkulose sind. Ferner ist die Milch kranker
Tiere vom Genuß auszuschließen, solange nicht feststeht, daß
die Art der Behandlung die Milch nicht schädlich macht, und
ebenso ist die mit alkalischen Konservierungsmitteln sowie die
mit Desinfektionsmitteln versetzte Milch nicht in den Verkehr
zu lassen. Betreffs der Fütterung warnt Referent vor zu hohen
Anforderungen. Er will nur die Futtermittel ausgeschaltet
wissen, von denen erwiesen ist, daß sie der Milch einen schäd¬
lichen Charakter verleihen, denn sonst würde man, wie Oster¬
tag richtig sagt, „den Erwerbszweig zerstören, zu dessen Hebung
man beitragen will“. Die Überwachung der Milohgewinnung
erfordert also — so führt Referent weiter aus — in erster
Linie eine Überwachung der Milchtiere. Für die gewöhnliche
Markt milch dürfte einvierteljährliche Untersuchung der Be¬
stände genügen. Im Anschluß an die klinischen Untersuchungen
hat aber jedesmal eine bakteriologische Untersuchung der
Gesamtmischmilch eines jeden Bestandes durch den Tierarzt
stattzufinden und zwar durch Zentrifugieren und Verimpfen von
Rahm und Bodensatz an Meerschweinchen.
Was die Probeentnahme betrifft, wird auf die hierüber
erteilte Anweisung der bakteriologischen Versuchsstation der
Landwirtschaftskammer für die Provinz Ostpreußen verwiesen.
Im Interesse der Konsumenten stellt Referent weiter die
Forderung, daß die zum Verkauf gestellte Milch schmutzfrei und
in süßem Zustand in den Verkehr kommt. Milch darf bei
dreistündigem Stehen eines Liters in einem Gefäß mit durch¬
sichtigem Boden einen Bodensatz nicht zeigen und darf beim
Kochen oder bei Zusatz von Alkohol nicht gerinnen.
Zur Verhütung der Verunreinigung der Milch mit mensch¬
lichen Krankheitserregern (Typhus, Scharlach, Diphtherie, Ruhr)
hat die Medizinalbehörde die nötigen Vorschriften zu erlassen,
ebenso in den Fällen, in denen infiziertes Wasser zum Spülen
der Gefäße verwendet ist. Der ärztlichen Aufsicht unterliegt
auch der Gesundheitszustand der mit der Gewinnung und dem
Transport der Milch beschäftigten Personen. Im übrigen aber
sind die berührten Fragen die natürlichen Aufgaben des Tierarztes.
Nachdem Referent über Aufbewahrung und Transport der
Milch, über die Beschaffenheit und Reinigung der Milchkannen
sich ausgelassen, spricht er über Fettgehalt und spezifisches Ge¬
wicht der Milch. Die Aufnahme des spezifischen Gewichts in die
Polizeiverordnungen hat nach Ansicht des Referenten wenig
Zweck, da durch dasselbe nur diejenigen Milchverfälschungen
aufgedeckt werden, die durch Zusatz großer Mengen Wasser
oder durch fast völlige Entziehung des Fettes bewirkt werden.
Diese beiden Milchfälschungen kommen aber sehr selten vor.
Dagegen würde gerade die am häufigsten vorkommende Fälschung,
die teilweise Entrahmung der Milch, häufig unentdeckt bleiben;
noch mehr würde dies der Fall sein bei der kombinierten
Fälschung, der teilweisen Entrahmung bei gleichzeitigem Wasser¬
zusatz. Angaben über das spezifische Gewicht sollten daher nur
ausnahmsweise — in den Ausführungsbestimmungen — zur Be-
19. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
227
lehrnng der bei der Milcbkontrolle beschäftigten Polizeiorgane
gemacht werden.
Dagegen wäre der Mindestfettgehalt festznsetzen, aber daß
eine Bestrafung wegen zu geringen Fettgehalts nur eintreten
kann, wenn nachgewiesen ist, daß derselbe künstlich hervor¬
gerufen ist
Referent bespricht dann die erhöhten Anforderungen, die
an die Vorzugsmilch zu stellen sind: Strenge tierärztliche
Kontrolle alle 14 Tage, Untersuchung jeder Kuh vor Einstellung,
reinliche Haltung der Kühe, Überwachung der Fütterung (Grün-
futter zulässig, nur der Übergang allmählich), Filtrieren der
Milch durch Wattefilter, Kühlung, Verkauf in hellen Flaschen,
ärztliche Beaufsichtigung des Personals.
Von der Forderung, daß jede Kuh vor ihrer Zulassung zur
Vorzugsmilchgewinnung der Tuberkulinprobe zu unterwerfen ist,
rät Referent ab und weist darauf hin, daß auch der letzte milch-
wirtschaftliche Kongreß im Haag sie nicht mehr gefordert hat.
An die Milch der Sammelmolkereien sind die gleichen
Forderungen zu stellen, soweit sie als Vollmilch oder Vorzugs¬
milch zum Verkauf kommt. Für die zur Butterbereitung
verwandte Milch sind keine Vorschriften zu erlassen. Denn es I
wäre ein unbilliges Verlangen, wollten wir allen Landwirten,
die ihre Milch zur weiteren Verarbeitung an die Molkereien
liefern, Vorschriften über ihre Stallungen, Viehhaltung, Fütterung
und Pflege machen.
Das Problem der Milchversorgung umfaßt, so schließt
Referent, eine ganze Reihe von Fragen, die einzeln beantwortet
werden müssen und an denen neben dem Molkereifachmann vor
allem der Landwirt, der Milchhändler, der Arzt und der Tier¬
arzt beteiligt sind. Eine Lösung dieser Aufgabe kann nur er¬
folgen, wenn alle diese Berufe Zusammenarbeiten. Es wäre
daher zu empfehlen, am Sitz einer jeden Regierung eine solche
Kommission einzusetzen, welche die Frage der Milch Versorgung
regelt. Referent faßt seine Ausführungen in folgende Leitsätze
zusammen:
1. Die 7. Hauptversammlung des Vereins beamteter
Tierärzte Preußens erblickt in der Versorgung des
Volkes mit gesunder Milch eine wichtige, nationale
Forderung.
2. Die Versammlung ist der Ansicht, daß das
Problem der Milchversorgung nur gelöst werden kann
durch einmütiges Zusammenwirken von Landwirten,
Molkereifachleuten, Ärzten und Tierärzten.
3. Sie empfiehlt daher, am Sitz der einzelnen
Regierungen gemischte Kommissionen aus diesen ver¬
schiedenen Berufsarten einzusetzen, welche einen den
Verhältnissen des Bezirks Rechnung tragenden Ent¬
wurf ausarbeiten.
4. Sie ist der Ansicht, daß es Pflicht der Tierärzte
ist, die vom hygienischen Standpunkte aus an und für
sich wünschenswerten Forderungen auf das praktisch
durchführbare und für die Landwirtschaft erträgliche,
Maß zu beschränken.
5. Als Grundlage empfielt sie den Entwurf für
Preußen, den der Herr Minister für Landwirtschaft
nach Anhörung der Landwirtschaftskammern, der
Handelskammern und anderer geeigneter Sachver¬
ständigen den Oberpräsidien zur Begutachtung über¬
wiesen hat.
Der Vorsitzende spricht dem Referenten für die außerordent¬
liche Leistung und die umfangreichen Arbeiten, die der Vortrag
erfordert habe, verbindlichsten Dank aus. In die Besprechung
der wichtigen Thesen konnte w T egen Zeitmangel leider nicht
eingetreten, soll aber auf Antrag in der nächsten Hauptver¬
sammlung nachgeholt werden,
Nunmehr erstattete der Vorsitzende den Vereinsbericht.
(Fortsetzung folgt.)
Vereinigung für Deutsche Mittelmehrfahrten.
Die Vereinigung für deutsche Mittelmeerfahrten läßt durch
den zweiten Vorsitzenden E. Witte, Charlottenburg, Goethestr. 34,
auf ihre billige Reisegelegenheit nach den Gestaden des Mittel¬
meers im kommenden Sommer hinweisen. Es ist diesmal ein
Besuch der ethnographisch, künstlerisch und landwirtschaftlich
hervorragendsten Stätten des westlichen Mittelmeerbeckens ge¬
plant. Die Reise beginnt am 15. Juli in Genf, führt nach
Marseille, dann über Barcelona nach Malorca, Algier, Tunis,
Karthago, Tripolis, Malta, Syrakus, Kapri, Neapel, Pompeji,
Rom, an die Riviera, und endet am 4. August in Marseille bzw.
Genf. Der Preis der 21 tägigen Rundfahrt einschließlich der
guten Verpflegung, aller Fahrten, der Führung und Besichtigung
ist auf nur 375 M. bemessen. Der ausführliche Prospekt ist
durch den Schriftführer Lehrer Hinz, Charlottenburg, Kirchstr. 35,
zu beziehen.
Bücheranzeigen und Besprechungen.
W. Rickmann, Tierzucht und Tierkrankheiten in Deutsch-
Süd westafrika. Berlin 1908. Verlagsbuchhandlung von Richard
Schoetz, Wilhelm8tr. 10. 364 Seiten. Ladenpreis M. 9.—.
In dem vorliegenden Buche hat der Kaiserliche Veterinärrat
Rickmann, welcher von 1894 bis 1906 als Sachverständiger für
Tierzucht und Veterinärwesen in Deutsch-Süd westafrika tätig war.
seine reichen Erfahrungen in gomeinfaßlicher Form niedergelegt.
Obwohl der Verfasser im Vorwort erwähnt, daß er seine Abhand¬
lung vornehmlich für die Farmer des Landes geschrieben habe,
kann zu ihrem Lobe gesagt werden, daß sie nicht minder wertvoll
für die Tierärzte und alle diejenigen ist, denen das wirtschaftliche
Gedeihen der Kolonie am Herzen liegt. Jeder Satz beweist, daß
der Verfasser einen ausgezeichneten Überblick über alles das besitzt,
was in Sachen der Tierzucht und der Seuchenbekämpfung der
Kolonie von Vorteil ist. Wenn er an einigen Stellen durchblicken
läßt, daß er nicht alles erreicht hat, was er zum Nutzen des Landes
erstrebte, so werden alle Kenner der schwierigen Verhältnisse in
Deutsch-Südwestafrika ihm auch für dieses Zugeständnis Dank
wissen.
Auf dem Gebiete der Tierzucht und der Bekämpfung der Tier¬
seuchen sind noch große Aufgaben zu bewältigen. Den Anfang
hat Rickmann mit großem Geschick gemacht. Sein Lehrbucli ist
ein Markstein in der Geschichte der veterinären Tropenhygiene.
Er hat seinen Nachfolgern in demselben wertvolle Fingerzeige für
ihr zukünftiges Handeln gegeben. Möge ihnen derselbe Erfolg be-
schieden sein, wie dem verdienstlichen Verfasser.
Das Buch zerfällt in zwei Teile, in einen tierzüchterischen und
einen veterinär-technischen.
Im ersten Teil wird die Auswahl und Beschaffenheit einer Farm
sowie die Zucht und Ausnützung der Haustiere besprochen. Nach¬
dem in diesen Kapiteln die Zuchtgrundsätze, die Einrichtung von
Tränken und Kraalen erörtert worden sind, geht der Verfasser
näher auf die Zucht der einzelnen Haustiere einschließlich der
Kamele und des Geflügels ein. Hieran schließen sich Zahnalter-,
Trächtigkeits- und Schlachtgewichtstabellen an.
Der zweite Teil ist den Tierseuchen und Krankheiten gewidmet.
Vorausgeschickt sind Kapitel über die Organisation des Vetorinär-
wesens, Seuchentilgung, die Gewährleistung im Tierhandel und di«*
Fleischbeschau.
*
228
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12.
In der speziellen Besprechung folgen dann: a) die in Deutsch- 1
Südwestafrika bekannten Seuchen und seuchenartig verlaufenden
Krankheiten der Haustiere, b) die in Deutsch-Südwestafrika bisher
nicht bekannten Tierseuchen, c) Zufallskrankheiten, d) Operationen,
e) Instrumente und Medikamente.
In einem Anhänge sind die wirtschaftlich wichtigen Zecken und
ihre Bekämpfung abgehandelt.
Das Buch füllt in der Tat eine große Lücke aus, da es bisher
kein Werk deutscher Zunge gab, welches über Tierzucht und
Seuchenbekämpfung in den Kolonien in übersichtlicher Form hätte
Auskunft geben können. Es sei deshalb nicht nur den Kolonial¬
tierärzten, sondern allen Veterinärmedizinern aufs beste empfohlen.
Knuth.
Neue Eingänge (Besprechung Vorbehalten).
Prof. Dr. Th. Kitt, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie
für Tierärzte und Studierende der Tiermedizin. Zweite verbesserte
Anflage. Mit 140 Textabbild, und 6 Farbentafeln. Ferdinand Enke,
Stuttgart 1908. Preis 12 M.
Prof. Dr. Th. Kitt, Jlakterienkunde und pathologische
Mikroskopie für Tierärzte und Studierende der Tiermedizin.
Fünfte, wiederholt verbesserte und umgearbeitete Auflage. Mit
mehr als 200 Abbild, und 4 kolorierten Tafeln. Moritz Perles,
Wien 1908. Preis 15 M.
Dr.' C. Pomayer, Distriktstierarzt, Das Zurückhalten der
Nachgeburt beim Rind. Mit 9 Abbild. Verlagsbuchhandlung
von Richard Schoetz, Berlin 1908. Preis 2,50 M.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Herausgegeben v. Prof.
Dr. Ludolph Brauer, Band IX, Heft 1: Wolff-Eisner, Die
Ophthalmo- und Kutan-Diagnose der Tuberkulose (kutane
und konjunktivale Tuberkulinreaktion nach v. Pirquet und
Wolff-Eisner) nebstBesprechung der klinischen Methoden
zur Frühdiagnose der Lungen-Tuberkulose. Curt Kabitzscb
(A. Stübers Verlag) Würzburg 1908. Preis brosch. 6 M., geb. 7 M.
Internationales Centralblatt für die gesamte Tuberkuloseforschung
Herausg. v. Prof. Dr. Ludolph Brauer, Prof. Dr. de la Camp,
Dr. G. Schröder. II. Jabrg., Nr. 5, Curt Kabitsch (A. Stübers
Verlag), Würzburg 1908.
Medizinalrat Prof. Dr. Pusch, Die Kindermilchproduktion in
wirtschaftlicher und hygienischer Beleuchtung unter besonderer
Berücksichtigung der im Rassestalle der Tierärztlichen Hochschule
in Dresden gemachten Erfahrungen. Mit 10 Textabbildungen.
Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz, Berlin 1908. Preis 2 M.
Wilhelm Schmidt, Beitrag zur Geschichte des Landes¬
verbandes Preußischer Trichinen- und Fleischbeschauer-
Vereine mit besonderer Berücksichtigung der Bestrebungen des¬
selben für die Fleisch- und Trichinenbeschauer, um Teilnahme an
den staatlichen Wohlfahrtseinrichtungen zu erzielen. Verlagsbuch¬
handlung von Richard Schoetz, Berlin. Preis 0,50 M.
Dr. Crone-Miinzebrock, Entwicklung der Schweinezucht in
Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaft¬
lichen Fragen M. & H. Schaper, Hannover 1908. Preis 2,50 M.
Studien und Mikrophotogramme zur Kenntnis der pathogenen Proto¬
zoen. Herausg. von Privajdozent, Stabsarzt a. D. Th. von Wasie-
lcw'ski. II. Heft (aus den hygienischen Instituten der Universität
Berlin und dem Institut für Krebsforschung zu Heidelberg) Unter¬
suchungen über Blutschmarotzer. Mit 25 Textbildern und
8 Lichtdrucktafeln (70 Mikrophotogramme). Johann Ambrosius Barth,
Leipzig 1908. Preis 12 M.
Felix Hoesch, Königl. ökonomierat: Die wichtigsten Fragen
der Tierzucht und Tierhaltung in der Gegenwart. M. &
II. Schaper, Hannover 1907. Preis 1.50 M.
Verslag van de Werkzaamheden der Rijksseruminrichting 1906.
Wed. S. Benedictus, Rotterdam 1907.
Dr. Fr. Freytag, Die Bedeutung des gelben Knochen¬
markes für die Blutbildung und die „Kerneinheit“ der
Erythrocy ten. Mit 4 Figuren. (Separatabdruck aus der Zeitschrift
für allgemeine Physiologie. Herausg. v. Dr. Max Venvorn. VIII Band,
I. Heft 1908.) Gustav Fischer, Jena.
Dr. Fr. Freytag, Zur Theorie der Blutzellenbildung und
der fixen Zellen der tierischen Organismen. (Separat¬
abdruck aus Zentralblatt für Physiologie. Band XII, Nr. 22.)
Bericht über die Verwaltung des städtischen Schlacht-
und Viehhofes zu Augsburg 1906.
Professor Dr. Ziemann, Wie erobert man Afrika für die
weiße und farbige Rasse. (Beiheft zum Archiv für Schiffs- und
Tropenhygiene. Band XI.} Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1907.
Einzelpreis 75 Pf. Subskriptionspreis 60 Pf.
Preußisches Gewerbesteuer-Gesetz, L. Schwarz & Comp., Berlin.
Preis 60 Pf.
Otto KnUsel, Studien über die sogenannte sterilisierte
Milch des Handels. Ein Beitrag zur Biologie der peptonisierenden
Milchbakterien. (Inaug.-Diss. der vet.-med. Fakultät der Universität
Zürich.) Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz, Berlin 1908.
Ernst Oberwarth und Lydia Rab!nowit8Ch, Ueber die Resorp¬
tionsinfektion mit Tuberkelbazillen vom Magendarm¬
kanal aus. (Sonderabdruck aus der Berliner klin. Wochenschrift,
1908, Nr. 6).
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen: Dem Marstall-Ober-
veterinär Veterinärrat T/mitus-Potsdam der Kronenorden 3. Klasse.
Es wurde ernannt: Professor Dr. M. Schlegel, Vorstand des
tierhygienischen Instituts der Universität Freiburg zum ordentlichen
Honorarprofessor. Dem Königl. Hofstabsveterinär Wille wurde der
Rang eines Stabs-Oberinspektors, dem Bezirkstierarzt Adolf Weigtn-
fAa&r-Starnberg bei seiner erbetenen Versetzung in den Ruhestand
der Titel eines Königl. Kreistierarztes verliehen.
Ernennungen: Der städtische Tierarzt Heinrich LoÄteefr-Duisburg-
Meiderich zum Schlachthofdirektor daselbst. — Versetzt: Die
Kreistierärzte Knicger- Posen nach Ohlau, Hoehne- Ohlau nach Sw'ine-
münde, Ho/f/ic*w*-Swinemünde nach Zabikow’o (Landkreis Posen-
West), BwAo/f-Falkenberg 0 -S. nach Ratibor, Irrgang- Adenau nach
Falkenberg O.S., later-Eupen nach Adenau, Vclmelage- Jülich nach
Eupen; der Bezirkstierarzt Gustav KäppelA lingolfing nach Nörd-
lingen (Schwaben).
Niederlassungen: Die Tierärzte Groninger in Steinhorst (Lüne¬
burg), Georg Loh sc in Lockwitz, Bez. Dresden. — Verzogen: Die
Tierärzte Bente als Assistent des Tierarztes Felting nach Stralsund,
Wilhelm Patdus- Pfarrkirchen als Assistent des Bezirkstierarztes
nach München, Franx Schäfer - Dachsbach nach Herzogenaurach
(Oberfr.), die bczirkstierärztliehen Assistenten Hans Xrämer-Immen-
stadt als Assistent des Tierzuchtinspektors nach Bayreuth und
Gerhard Schmid- Sinsheim als Assistent am Seucheninstitut der
Tierärztlichen Hochschule nach Stuttgart, Schlachthoftierarzt Hans
Eßerf-Graudenz nach München.
Examina: Promoviert: Kreistierarzt BracffcJ-Stuhm zum Dr.
med. vet. in Gießen, Tierarzt Harry Sehirop , Assistent am hygien.
Institut der Tierärztlichen Hochschule zum Dr. med. vet. in Bern
(nicht Zürich, wie in Nr. 10 angegeben). — Die kreistierärztliche
Prüfung haben bestanden: Kommissarischer Gestütstierarzt Peter
Höpermann aus Beberbeck und die Tierärzte Friedrich Ebhardl und
Karl Siedefeder, beide Assistenten an der Tierärztlichen Hochschule
in Hannover. — Approbiert: Die Herren Erwin Baum aus
Deutmannsdorf, Bruno Böhm aus Piskorsine, Rudolf Baase aus
Brunn, Waller Henn aus Braunfels a. Rh., Robert Heymann aus
Breslau, Nathan Hirsch aus Stolp, Franx Ijenxe aus Geseke, Paul
Meyer aus Zöberitz in Berlin; Kurt Schumann in Dresden; Gustav
Bartels aus Steinbke, Albert Bode aus Opperhausen, Adolf Lehr aus
Linden, August Mollmann aus Ankum, Christian Mühlmibruch aus
Othfresen, Friedrich Prasse aus Kühnem, Richard Tang aus Piepers¬
berg, Kurt Weineck aus Saalfeld in Hannover.
Todesfälle: Stabsveterinär a. D. Gustav Theodor Jacobs- Mölln,
Distriktstierarzt Georg Wagner- Unterthingau.
Yakanzen. (v g i. Nr. io.)
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Scbm<z in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz in Berlin. —
Druck von W. BUxenstein, Berlin. ,
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage Ton Richard Schoetz in
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (österreichische Post-Zeitung*-
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit SO lk., in Petitsata mit
60 Bk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmält«, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., LuisenstraSe 56. Korrekturen,
Resensions-Exemplare and Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Ginge Veterinärrat Dr. Lothes Prof. Dr. Peter Veterinärrat Peters Veterinärrat Preuße Dr. Richter
Professor Departementstierarzt Kreistierarzt Departementarierarzt Departementailorarzt Professor
Hamburg. Cöln. Angermünde. Bromberg. Danzig. Dresden.
Med.-Hat Dr. Boeder Dr. Schlegel Dr. I. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel Zündel
Professor Professor Professor Landestierarzt ▼ Bayern Kreistierarzt
Dresden. Freiburg 1. Br. Dresden. München. Mülhausen LE.
Jahrgang 1908. «M 13. Ausgegeben am 26. März.
Inhalt: Marxer: Über Immunisierung gegen Rotzkrankheit. — Blunk: Stumpfer Emaskulator und Ekraseuremaskulator.
— Hott Inger: Die anatomische Diagnose der Tuberkulose im ersten Stadium; Bemerkung zu „Fehldiagnosen
mit der Tuberkulinprüfung“. — Referate: Hendricks: Synovektomie der am Sprnnggelenk gelegenen Sehnenscheide des
dicken Hufbeinbeugers beim Pferd. Heilung. — Schmidt: Sehnen und Periostknochenreflexe beim Pferde; ein Beitrag zur
Diagnostik der Lahmheiten. — Kovänyi: Seuchenhafte Mauke der Pferde. — Home: Enteritis chronica pseudotuberculosa
oder die „Jobnesche Seuche“ konstatiert in Norwegen. — Tageageachiohte: Bericht über die VII. Hauptversammlung des Vereins
der beamteten Tierärzte Preußens am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907 (Fortsetzung). — Internationaler tierärztlicher
Kongreß im Haag im September 1909. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Ober Immunisierung gegen die Rotzkrankheit.
Von Dr. A. Marxer.
Vortrag, gehalten am 16. März 1908 in der Tierärztlichen Gesellschaft
zu Berlin.
Verehrte Herren! Gestatten Sie mir, Ihnen über die Rötz-
immonisienmgsversuche, welche in gemeinschaftlicher Arbeit von
Prof. Dr. E. Levy, Dr. Franz Blumenthal und mir jetzt zu
Ende geführt sind, zu berichten. Wir glaubten zur Herstellung
eines Vaccins Lösungen von chemisch indifferenten Stoffen be¬
nutzen zu müssen, welche durch Veränderung des osmotischen
Drucks imstande sind, die Bakterien abzuschwächen bezüglich
abzutöten, ohne eine tiefgreifende Veränderung der Leibessub¬
stanz und damit eine Beeinträchtigung der für die Immuni¬
sierung wichtigen Antigene zu verursachen. Körper mit solchen
Eigenschaften fanden wir im Glyzerin und Harnstoff. Die Er¬
folge, welche uns die Behandlung von anderen Infektionserregern,
wie von Tuberkelbazillen usw. mittelst dieser Methode gebracht
haben, bestärkten nns noch, ebenso gegen Rotz zu immunisieren,
besonders da gegen diese gefährliche Krankheit eine Immuni¬
sierung nach den üblichen Verfahren bisher nicht geglückt ist.
.Die Ab8chwäclmng der Rotzbazillen in diesen Lösungen ist
proportional der Temperatur und im umgekehrten Verhältnis
zur Dichtigkeit der Emulsion. So sind die Bazillen in einer
Konzentration von 0,1g Bazillen anf 4 ccm 80proz. Glyzerin
in 14 Standen bei 37° abgetötet, während hei einer Konzen¬
tration von 0,004 g Bazillen auf 4 ccm Flüssigkeit dieselben
bereits nach 7y 2 Stunden vernichtet sind. In gleicher Weise
ist die Wirkung rascher bei 37 0 wie bei Zimmertemperatur.
Zur Feststellung der Abtötung der Bazillen verwendet man am
besten die Meerschweinchenimpfung. Um annähernd gleiche
Resultate mittelst Kulturen zu erhalten, muß man eine größere
Menge der Emulsion verarbeiten. Auch müssen die Bazilien
innig mit dem Nährboden vermischt werden, und dieser muß
ein günstiger sein. So kann man von der 10. Stunde ab nur
noch durch Mischen der zn untersuchenden Bazillenemulsion mit
Agar und nacliherigeB Ausgießen, oder durch Aufträgen auf die
Kartoffel, Keime sich entwickeln sehen. Streicht man dieselbe
Flüssigkeitsmenge mittelst Spatels anf in Kolleschen Schalen
erstarrtem Agar aus. so bleibt dieser steril. Die Nährmedien
müssen bis zu 8 Tagen beobachtet werden, da stark abge¬
schwächte Keime längere Zeit brauchen, um sich entwickeln
und vermehren zu können. Nach 14 ständigem Schütteln mit
80 proz. Glyzerin bei 37 0 sind die Bazillen in der oben ange¬
gebenen Konzentration völlig abgetötet. Meerschweinchen ver¬
tragen aber schon zuweilen ganz beträchtliche Mengen nach
einem Schütteln von 7 1 / 2 Stunden in dichter Konzentration.
Unsere Immnnisierungsversuche begannen wir zunächst an
Meerschweinchen. Wir wendeten die subkutane und intraperi¬
toneale Injektionsmethode an. Die Tiere wurden zuerst
durch Vorbehandlung mit abgetöteten Bazillen gegen an sich
tödliche Dosen von abgeschwächten, und später von virulenten
Bazillen zu schützen versucht. Tiere, welche abgesehwächte
sonst tödliche Mengen vertragen haben, können nachher ebenso
wie die Kontrollen an Rotz zugrunde gehen. Ich will damit
sagen, daß es nicht immer gelingt, Meerschweinchen, die auf
diese Weise vorbehandelt sind, vor der nachherigen' Infektion
zu schützen. Ebenso schwierig gestaltet sich die Immunisierung
mit abgeschwächten Bazillen allein. Die Tiere können bis
300 mg abgeschwächte Bazillen bekommen haben und erliegen
trotzdem nachher einer Infektion. Weit günstiger werden die
Resultate, wenn man zur Vorbehandlung abgetötete Bazillen ver¬
wendet. Die beste Immunisierungsmethode ist die subkutane
Vorbehandlung mit größeren Mengen dieser Bazillen. Die sub¬
kutane Immunisierung schützt auch gegen nachherige intraperi¬
toneale Infektion. Sowohl mit abgeschwächten als auch mit
toten Bazillen werden die Resultate gleichmäßiger gut, wenn
der Injektion von virulenten Bazillen eine zweimalige Behand¬
lung vorangegangen war.
230
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
Diese Erfolge ermunterten uns, die Immunisierungen mit
glyzerinierten Rotzbazillen nunmehr bei Pferden vorzunehmen.
Wir begannen auch hier durch Injektion von abgetöteten und
abgeschwächten Bazillen kombiniert und von abgeschwächten
Bazillen allein auf intraperitonealem, intravenösem und subkutanem
Wege einen Schutz zu erzielen. Pferd Nr. 1 erhielt 4 Injek¬
tionen von insgesamt 255 mg abgetöteter Bazillen und ertrug
danach 100 mg abgeschwächte Rotzerreger. Nr. 3 und 4 er¬
lagen trotz der Vorbehandlung mit abgetöteten Bazillen dieser
Injektion von abgeschwächten. Nichtsdestoweniger konnte
Pferd Nr. 1 der Infektion von V 2 cg 2 tägiger Bouillonkultur
nicht widerstehen. Diese Menge virulenter Rotzbazillen
stellt aber mindestens die 100 fache tödliche Dosis dar. Wie
hier, so werden wir auch in folgendem eine Bestätigung der
Meerschweinchenversuche durch die Pferdeimmunisierungen sehen.
Pferd Nr. 18 und 19 erhielten nur abgeschwächte Rotzbazillen
subkutan und intravenös und hatten darauf nach Injektion von
virulenten Bazillen rotzige Veränderungen. Die übrigen Pferde
sind nur mit abgetöteten Bazillen vorbehandelt. Pferd Nr. 2
erhielt in 4 Injektionen 150 mg Bazillen intraperitoneal. 2 l /s mg
virulenter Bazillen machten das Tier rotzkrank. V5000 ist
allerdings schon die sicher tötende Dosis. Weiter bekam Pferd
Nr. 9 in 2 Injektionen 150 mg 2 tägige intraperitoneal, auch
dieses erwies sich aber nicht als immun. Pferd Nr. 8 war
ebenso subkutan behandelt worden. Das Resultat war das
gleiche. Nun wurden die Injektionsmengen erhöht. Den Pferden
5 und 6 injizierten wir in Intervallen von etwa 3 Wochen
300 mg intravenös. In demselben Zeitraum erhielt Pferd Nr. 12
600 mg und Pferd Nr. 17 350 mg subkutan. Diese Pferde waren
sämtlich immun. Die Kontrollen, die 1 10000 mid 1 /2500 Öse. er¬
halten hatten, gingen nach ganz kurzer Zeit an Rotz zugrunde.
Die Kontrollpferde sind vor der Einstellung immer durch negativen
Ausfall der Mallein- und Agglutinationsprüfung rotzfrei befunden
worden. Es muß hier noch hervorgehoben werden, daß alle
unsere immunisierten Pferde nicht an Rotz starben, sondern erst
nach erfolgter Tötung bei der Sektion rotzige Veränderungen
aufwiesen. Also auch die Tiere, die mit abgeschwächten und
kleineren Mengen abgetöteter glyzerinierter Bazillen vorbehandelt
waren, zeigten eine erhöhte Widerstandsfähigkeit.
Wir hatten bei einigen Versuchen bemerkt, daß Bazillen,
welche längere Zeit, als zur Abtötung nötig war, geschüttelt
wurden, eine stärkere Reaktion hervorrufen, wie eben tote, ohne
einen besseren Schutz zu verleihen. Um nun eine weitere Ab¬
schwächung der Bazillenemulsion zu verhindern, und diese Stoffe
auszuschalten, muß man die Glyzerinlösungen verdünnen und
im Kühlen aufbewahren. Es ist dies für die praktische Ver¬
wertung nicht sonderlich bequem. Vorteilhafter sind in dieser
Beziehung die Harnstofflösungen. Sie lassen sich in jedem
geeigneten Moment zur Trockne eindampfen und zu einem gleich¬
mäßigen Pulver verreiben. Die Pulver können, ohne daß eine
weitere Einwirkung erfolgt, lange Zeit auch bei höheren Tempe¬
raturen leicht verwahrt werden. Die Rotzbazillen sind in einer
Konzentration von 0,1 g Bazillen auf 4 ccm 10 Proz. Harn¬
stofflösung nach 17 Stunden sicher abgetötet. Es gelang uns,
mit Bazillenpulvern wie mit Extraktpulvern Meerschweinchen fast
ausnahmslos nach einmaliger Vorbehandlung zu immunisieren.
Die Extraktpulver waren in der Weise gewonnen, daß nach scharfem
Abzentrifugieren der Bazillen aus der Emulsion die jetzt voll¬
ständig klare Flüssigkeit eingedampft und zu Pulvern verrieben
wurde. Die überaus guten Ergebnisse mit den Hamstoffimmun-
pnlvem an Meerschweinchen ließen uns nun eine Versuchsreihe
an Pferden vornehmen, bei welcher wir mit einer einmaligen
Injektion von einer mittelmäßig hohen Dosis und einer zwei¬
maligen Injektion von kleinen Mengen abgetöteter Bazillen einen
genügendenSchutz zu erhalten hofften. Das war aber auch hier nicht
der Fall. Zu einer vollständigen Immunität bedarf es einer ein¬
maligen Vorbehandlung von ganz großen Mengen oder wie bei den
glycirinierten Bazillen einer zweimaligen mit mittelmäßig großen
Dosen. Pferd Nr. 20 erhielt eine einmalige Injektion von 200 mg,
Pferd Nr. 21 von 400 mg Extrakt aus eben noch lebenden Rotz¬
bazillen. Etwa einen Monat nach erfolgter Injektion mit V2500 Öse
virulenter Bazillen wurden die Pferde getötet und hatten Rotz¬
knoten in den Lungen. Die gleichen Sektionsbefunde lieferten
Pferd Nr. 23, welchem am 23. Oktober 1906 400 mg abgetöteter
Ham 8 toffbazillen subkutan einverleibt waren und am 28. No¬
vember 1907 1/2500 Öse virulenter Bazillen, und Pferd Nr. 28.
Dieses hatte am 7. August 1907 375 mg von denselben Bazillen
erhalten. Am 28. Februar d. J. wurden die Pferde getötet.
Eine einmalige Vorbehandlung von 200 mg bis 400 mg Extrakt
sowohl als Bazillenharnstoffpulvern genügt somit nicht zu einem
vollständigen Schutze. Ein Pferd, das auch nur einmal vorbe¬
handelt war, Nr. 27, starb am Tage der Virulenzimpfung inter¬
kurrent. DaB Kontrollpferd Nr. 29 hatte am 28. November 1907
Vsooo Öse erhalten, und war am 10 . Januar 1908 unter hohem
Fieber der Rotzinfektion erlegen. Pferd Nr. 26 behandelten wir
in zwei Injektionen mit insgesamt 185 mg abgetöteter Harn¬
stoffbazillen. Es ist am 4. Dezember an einer Kolik eingegangen
und zeigte bei der Antopsie einen Rotzknoten in der Lunge und
Geschwüre ^auf der Schleimhaut der. Nasenscheidewände. Gleich¬
falls interkurrent ist Pferd Nr. 24 am 18. Januar verendet, etwa
2 Monate nach erfolgter Infektion, nachdem es in zwei Injektionen
300 mg desselben Immunpulvers erhalten hatte. Bei der Sektion
konnten rotzige Veränderungen nicht nachgewiesen werden. Mit
600 mg Bazillen war Pferd Nr. 25 am 23. Oktober 1906 subkutan
immunisiert worden. Es erhielt dann mit den andern Pferden
am 28. November 1907 1 / 25 ro Öse subkutan und wurde am
28. Februar d. J. getötet. Dieses Tier war ebenfalls immun.
Alle Pferde dieser Versuchsreihe standen in meinem Stalle und
wurden aus einem Eimer getränkt. Es kam also auch zur
künstlichen Infektion noch die natürliche hinzu.
Es ist uns somit gelungen, in Bestätigung der Pferde-
versuche mit glyzerinierten abgetöteten Bazillen, mit
toten Harnstoffrotzerregern, Pferde durch eine ein¬
malige Vorbehandlung von 600 mg oder eine zweimalige
von 300 mg vollständig vor der Infektion zu bewahren.
Die Immunität hält mindestens ein Jahr an. Für die Praxis
wird es sich empfehlen, in einem Zwischenraum von etwa
drei Wochen zuerst 100 mg, dann 200 bis 250 mg unseres
Immunpulvers unter die Haut zu spritzen. Die Injektionen
rufen keine nennenswerten Temperaturerhöhungen hervor. Das
Allgemeinbefinden der Tiere ist wenig gestört. Das Immun¬
pulver eignet sich wegen seiner langen Haltbarkeit selbst
bei höheren Temperaturen zur Verwendung in den Tropen.
Unsere Immunisierung gegen Rotz bedeutet einen weiteren Fort¬
schritt in der Bekämpfung der Tierseuchen. Der Impfstoff
(Farase) ist für den Injizierenden gefahrlos und schließt eine
Verschleppung der Seuche völlig aus; Forderungen, welche von
anderen Methoden, wie der Milzbrandschutzimpfung, der Rinder-
26. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
231
tuberkulosebekämpfung mit lebenden Bazillen menschlicher
Provenienz, sowie der Rotlaufimpfung nicht erfüllt werden..
Ich möchte noch vermerken, daß der Agglutinationstiter des
Serams eines Pferdes keinen Schluß auf seinen Immunitätsgrad
zuläßt. Das Serum von Pferd Nr. 25 agglutinierte Rotzbazillen
nur bis zu einer Verdünnung 1:800, und das Tier erwies sich
als immun. Das Serum von Nr. 28 hatte einen Agglutinations-
Wert 1:8000, und dieses Pferd war nicht geschützt. Die Sera
der übrigen Pferde agglutinierten bis 1:1000. Die Aderlässe
sind natürlich vor der Infektion gemacht worden.
Die Rotzkultur, welche zur Injektion unserer Pferde seit
1903 benutzt wurde, hat bis November 1907 nichts von seiner
ursprünglichen Virulenz eingebüßt.
Stumpfer Emaskulator und Ekraseuremaskulator.
Von Oberveterinär Blunk-Wesel.
In Nr. 9 der Tierärztlichen Rundschau wird in einem
Artikel „Ober moderne Hengstkastration“ gesagt: „Alte Hengste,
Tiere mit weitem Samenstrang sind durch Kluppen und mit ge¬
schlossener Scheidenhaut zu kastrieren. Junge Tiere können
durch Torsion kastriert werden. Der Emasknlator ist zu ver¬
werfen. Allgemein die Kluppen wieder zu empfehlen, ist wegen
der Samenstrangfisteln ausgeschlossen.“
Ich glaube nicht, daß diesö Ansicht von den meisten Tier¬
ärzten geteilt wird, denn nach obiger Weise dürften heute die
wenigsten Tierärzte kastrieren.
Zur Begründung dafür, daß der Emaskulator zu verwerfen
sei, heißt es: „Die Blutstillung bei der Kastration mit dem
Emaskulator erfolgt nach dem Prinzip der Forcipressur, allein
die gequetschte Stelle ist nur sehr schmal, und die Zeit der
Quetschung sehr kurz, .... so muß in den meisten Fällen
Nachblutung entstehen, wenn es sich um einigermaßen starke
arterielle Gefäße handelt.“ Vorher wird gesagt: „Die momentane
Aufeinanderpressung der Intima, die Forcipressur, kann
aber nur -bei Venen und ganz kleinen Arterien als wirksame
Methode der Blutstillung gelten, niemals aber bei starken
arteriellen Gefäßen. Hennig hat zahlreiche Versuche gemacht,
durch Zusammenquetschen des Samenstranges in einem Schmiede¬
sehraubstock, und in keinem Fäll ein positives Resultat, d. h.,
daß dadurch, daß die Intima aufeinander haften geblieben, das
Gefäß undurchgängig gemacht wäre.“
Es wird also aus der Tatsache, daß Forcipressur für die
Blutstillung nicht geeignet ist, gefolgert, daß auch der Ernas«
kulator hierzu ungeeignet ist, denn Emaskulatorwirkung sei
Forcipressur. In dieser Folgerung ist die Anschauung, welcher
man übrigens häufiger begegnet, nicht zutreffend, daß die
Wirkung des Emaskulators auf Forcipressur, auf „Aufeinander¬
pressung der Intima“, wie oben gesagt, beruhe. Wohl stellt
die Wirkung der Sandschen Zange und deren Verbesserungen
reine Forcipressur dar, dagegen nicht die des Emaskulators,
denn dies Instrument preßt nicht einfach die Samenarterie von
den Seiten her zusammen, als ob sie in einen Schraubstock ge¬
spannt wäre, sondern die Quetschflächen nähern sich zunächst
mit ihren Kanten und gleiten alsdann übereinander, so daß der
Samenstrang gewissermaßen geschabt wird. Hierbei wird die
Intima nicht wie bei der Forcipressur aneinander gepfeßt,
sondern sie, die spröde Glashaut, wird ähnlich wie bei der
Torsion zersprengt Und vor den Kanten der Quetschbacken her¬
geschoben, so daß sie sich aufrollt und dadurch das Gefäßlumen
verstopft und die Blutung verhindert. Allerdings kommen hin
und wieder Nachblutungen vor; um dies zu verhindern, ist ver¬
sucht worden, den Emaskulator nach verschiedenen Richtungen
hin zu ändern. Auch hat man gute Resultate bei Anwendung
des Emaskulators in Gemeinschaft mit der Zange nach Sand,
Wessel oder Masch gesehen, denn die Wirkung der letzteren
Zangen unterstützt, obgleich sie reine Forcipressur darstellt und
der Emaskulatorwirkung nicht gleichkommt, die letztere.
Wenn Verfasser des eingangs erwähnten Artikels behauptet,
die Verbesserer des Emaskulators sind samt und sonders auf
falscher Bahn, weil kurzdauernde Forcipressur niemals hin¬
reichen kann, ein stark arterielles Gefäß dauernd gegen Blutung
zu verschließen, so kann dies nur für diejenigen Geltung haben,
welche durch Forcipressur die Emaskulatorwirkung verstärken
wollen. Dagegen glaube ich mich bei Konstruktion des Sicherheits-
emaskulators auf richtiger Bahn befunden zu haben. Schon bei
oberflächlicher Betrachtung dieses Instrumentes erkennt man. daß
die Emaskulatorwirkung nicht durch Forcipressur vergrößert,
sondern daß doppelte Emaskulatorenwirkung erreicht wird, denn
die Quetschflächen des unteren Maules drücken nicht einfach
gegeneinander, sondern sie gleiten wie die des Emaskulators
übereinander hin. Jedenfalls kann heute wohl als erwiesen gelten,
daß durch Kastration mittelst des verbesserten Sicherheits-
emaskulators eine Nachblutung ebenso sicher wie durch Torsion
verhindert wird.
Leider ist die exakte Herstellung des Instrumentes sehr
kostspielig. Ich habe deshalb einen stumpfen Emaskulator her-
stellen lassen, der, an Stelle der Sand sehen Zange in Gemein¬
schaft mit dem einfachen, schneidenden Emaskulator angelegt,
die gleiche blutstillende Wirkung ausübt wie der Sicherheits-
emaskulator. Allerdings hat man alsdann wieder die Unbequem¬
lichkeit, zwei Zangen benützen zu müssen, auch wurde ich mehr¬
fach von Besitzern, deren Hengste ich auf einer Seite mit
Sicherheitsemaskulator und auf der anderen Seite mit stumpfem
und einfachem, schneidendem Emaskulator oder mit stumpfem
Emaskulator und krummer Schere (vgl. weiter unten) kastrierte^
gebeten, doch lieber die eine große Zange zu benutzen, da ich
dann nur einmal schneiden brauche. Es macht nämlich auf den
Laien einen viel günstigeren - Eindruck, wenn man elegant mit
einer Zange den Samenstrang durchtrennt, als wenn man zu¬
nächst quetschen und dann noch schneiden müß.
Dies ist nicht unwesentlich, dehn bekanntlich verdankt
mancher Tierarzt seine größere Praxis dem Umstande, daß er
die Besitzer zu behandeln versteht. Kürzlich erzählte mir ein
Kollege, der bisher durch Torsion kastrierte, daß in seiner
Gegend ein sogenannter Kastrierer die meisten Kastrationen
vornähme, da den Besitzern die Torsionsmethode zu lange dauere.
Mehrfach seien die Besitzer, während der Kollege mit dem Ab¬
drehen beschäftigt gewesen wäre, unruhig auf- und abgelaufen,
oder sie hätten wohl gar gefragt: „Sind Sie noch nicht bald
fertig?“ oder: „Dürfen Sie. denn nicht schneiden?“ Dagegen
höre man, wie der dortige Kastrierer arbeitet! — Derselbe soll
durch Abbeißen (!) des Samenstranges am stehenden Pferde
kastrieren! Ob dies wohl von den Kaninchen erlernt ist, die,
wie in der D. T. W. — allerdings mit ? ? ? — zu lesen ist,
auf diese Weise Hasen kastrieren.
Da es aber lange Weile haben wird, bis die Herren Kollegen
sich zu dieser Art der Operation verstehen, komme ich wieder
232
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
auf den stumpfen Emaskulator. Häufig, namentlich auch bei
alten Stieren, benutzte ich denselben ohne den schneidenden
Emaskulator, indem ich, natürlich unter ihm, auf der Hoden¬
seite, den Samenstrang mit einer einfachen Schere abscbnitt.
Da ich auch hierbei niemals die geringste Nachblutung auf-
treten sah, glaube ich, daß ein Teil der Nachblutungen nach
Benutzung des einfachen Emaskulators darauf zurückzuführen
ist, daß die Samenarterie nicht vorschriftsmäßig, wie es trotz
aller Vorsicht leicht geschehen kann, in die tiefste Stelle der
Hakenkonkavität gelangt, und infolgedessen der Arterienstumpf
zu kurz abgeschnitten wird, so daß die nach dem Ende dieses
Stumpfes hin aufgerollte Intima durch den Haken aus der
Arterie herausgeschoben werden muß.
Dies ist bei Anwendung des stumpfen Emaskulators un¬
möglich. Bei diesem Instrumente ist es, wie beim Sicherheits-
emaskulator, gleichgültig, ob die Arterie vorne, hinten oder in
der Mitte liegt, weil ein längerer Stumpf stehen bleibt. Ich
ziehe deshalb den stumpfen Emaskulator dem einfachen, schnei¬
denden vor. Eine größere Gewähr für sichere Bluttstillung
bietet begreiflicherweise die gemeinsame Anwendung des stumpfen
und des schneidenden Emaskulators, kommt doch die Wirkung
der beiden Instrumente der des Sicherheitsemaskulators gleich.
Falls übergroße Vorsicht gebraucht werden soll, kann man
auch den Samenstrang unter dem stumpfen Emaskulator ab¬
drehen, anstatt ihn zu durchschneiden.
Ferner ist der stumpfe Emaskulator im Notfälle als Kluppen¬
zange verwendbar.
Das Instrument kann also benutzt werden:
1. In Gemeinschaft mit einer Schere an Stelle des ein¬
fachen Emaskulators.
2. An Stelle der Sandschen Zange bei Torsion.
3. In Gemeinschaft mit dem einfachen Emaskulator,
wodurch die Wirkung des Sicherheitsemaskulators erzielt wird.
4. Als Kluppenzange (im Notfälle).
Ich will jedoch nicht versäumen, nochmals darauf hinzu¬
weisen, daß die Kastration mit dem stumpfen Emaskulator nie
den eleganten Eindruck macht, als wenn man mit den Sicher-
heitsemaskulator operiert, weil man immer noch den Samen¬
strang mit Schere oder mit einfachen Emaskulator oder durch
Torsion durchtrennen muß.
Ein Intrument, das ich Ekraseur- oder gestielten Emas¬
kulator nennen möchte, stellt die zweite Abbildung dar. Aus
derselben ist ohne weiteres die Handhabe und Einrichtung de«
Instrumentes erkenntlich. Die au den Enden ineinaderliegender
Stangen befindlichen Ifaulteile gleichen genau denen eines
schneidenden Emaskulators. Dieselben werden durch die am
anderen Ende befindliche Drehvorricbtung oder Zangenschenkel
geschlossen und geöffnet.
Das Instrument dient zur unblutigen Kastration von Kühen
und Stuten, sowie zur Entfernung gestielter Neubildungen aus
Scheide, Mastdarm, Maul- und Rachenhöhle, auch findet es zweck¬
mäßiger als irgend ein mir bekanntes Instrument bei der
Kastration von Kryptorchiden Verwendung, wenn sich die Hoden
nicht aus der Operationsöffnung herausziehen lassen. Für das
Instrument wurde das einfache Emaskulatormaul gewählt, da
die Eierstockgefäße verhältnismäßig schwach sind.
Der stumpfe wie der Ekraseur-Emaskulator sind gesetzlich
geschützt. Die Herstellung hat die bewährte Firma Hauptner,
welche bekanntlich Tierärzten Instrumente zu kostenfreiem Ver¬
suche überläßt, übernommen.
Die anatomische Diagnose der Tuberkulose im ersten
Stadium; Bemerkung zu „Fehldiagnosen mit der
Tuberkulinpriifung“.
Von Professor Dr. Robert Hottinger-Sao Paulo (Brasilien).
Die hiesige Munizipalkammer (Sao Paulo) hat die Be¬
stimmung eingeführt, daß sämtliche Milchkühe mit Tuberkulin
geprüft werden sollen und diejenigen Tiere, die sich als tuber¬
kulös erweisen, polizeilich einzuziehen und zu schlachten seien.
Diese Bestimmung besteht seit etwa sechs Jahren und wurden
seit diesem Zeitraum sämtliche Tiere von Zeit zu Zeit geimpft,
und die reagierenden ohne weiteres getötet, das Fleisch in
allen Fällen vernichtet. (!) Die bekannte Tatsache, daß gerade
die besten Kühe leicht an Tuberkulose erkranken und nach
obiger Vorschrift getötet werden mußten, erweckte natürlich
den Groll der Landwirte. Da häufig Tiere auf Tuberkulin
reagierten, die völlig gesund erschienen und sich auch klinisch
keine Anhaltspunkte für die Gegenwart tuberkulöser Erkrankung
nachweisen ließen, wurde wiederholt gerichtliche Klage gegen
die Stadt erhoben. Zu bemerken ist noch, daß die geschädigten
Eigentümer irgendwelche Entschädigung nicht erhielten.
Bei verschiedenen diesbezüglichen gerichtlichen Prozessen
hatte ich Gelegenheit, bei Tieren die Sektion zu machen, die
völlig gesund erschienen, sich im besten Nährzustande befanden
und namentlich klinisch sich keine Anhaltspunkte für die
Diagnose „Tuberkulose 1 * erbringen ließen. Die Tiere gelangten
wenige Tage nach der Impfung zur Sektion. Die zu ent¬
scheidende Frage war einfach: tuberkulös oder nicht, ob eine
sehr geringe tuberkulöse Läsion, welche die Konfiszierung des
Tieres nicht rechtfertigte, vorliege oder nicht, war ohne Belang.
26. März 1906.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
233
In diesem Falle war die Prozeßfrage gleichbedeutend mit
„Gegenwart von Tuberkelbazillen in pathologisch verändertem
Gewebe?“ Diese Frage wurde mit Hilfe der Bazillenfärbung
und des Tierversuchs beantwortet und lautete in allen Fällen
bejahend. Bei einem einzigen Tiere mußte die Frage verneint
werden, und in diesem Falle konnte nachgewiesen werden, daß
ein Irrtum in der Kontrolle der Tiere stattgefunden hatte; das
Tier war als Milchkuh eingetragen, während es sich nach¬
gewiesenermaßen um ein Rind handelte.
Von Interesse sind die Ergebnisse namentlich deshalb, weil
in einigen Fällen nicht die geringste tuberkulöse Veränderung
wahrgenommen werden konnte trotz der größten Mühe und
Nachsuche. In diesen Fällen fiel immer eine sonst normal
erscheinende Darmlymphdrüse durch, auf dem Querschnitte
leichte, lokalisierte, Hyperämie auf. Eine Anschwellung der
Drüse konnte nicht beobachtet werden.
Diese kleine hyperämische Stelle von einigen Milli¬
metern Durchmesser erwies sich als mit Tuberkel¬
bazillen infiziert, wie der nachträgliche Tierversuch erwies.
In den Fällen der Literatur, bei denen nach der positiven
Reaktion der Tiere tuberkulöse Prozesse bei der Sektion nicht
naehgewie8en werden konnten, wurde gewöhnlich zu Möglich¬
keiten Zuflucht genommen, daß Bich sehr kleine Herde in den
Knochen der Beobachtung entziehen könnten.
Dies scheint sehr selten vorzukommen, denn wenn man
berücksichtigt, daß die natürlichen Infektionswege durch Lunge
und Darm gehen, so dürften sich nur in den seltensten Fällefi in
von diesen Organen entfernten Teilen tuberkulöse Veränderungen
finden, die nicht metastatischer Natur sind; ausgenommen sind
natürlich akzidentelle, lokale Infektionen.
Sollte sich bei der Sektion nicht leicht die tuberkulöse Ver¬
änderung nachweisen lassen, so wird ein genaueres Studium der
Lymphfollikel im Gebiete der Lunge und des Darmes, namentlich
des Dünndarmes, meist zum Ziele führen. Aber es genügt
nicht, die Drüsen einfach abzutasten, dieselben sind zu durch-
schneiden. Die Anordnung derselben erleichtert diese Arbeit
sehr, da oft eine ganze Reihe mit einem Schnitt frei gelegt
werden können. Irgendwelche Abweichung vom normalen Bilde
muß als verdächtig gelten, denn Johne hat in Baumgartens
Jahresbericht 1900, S. 331, einen Fall beschrieben, der ebenfalls
atypisch ist, und bei dem von einer lokalen Hyperämie nichts
zu sehen war. Bei Tieren, die nach der Impfung innerhalb ein
bis zwei Tagen getötet werden, dürfte sich die Hyperämie
leichter nachweisen lassen.
Es liegt mir fern, diese Möglichkeit einer versteckten
Knochentuberkulose absolut zu bestreiten, doch sei durch obige
Befunde darauf hingewiesen, daß die ersten Stadien der Infektion
sich nicht immer unter dem bekannten Bilde kleiner oder größerer
Knötchen darstellen müssen. Das hyperämische Läppchen des
Lymphfollikels hätte ebensogut durch irgend einen andern Pilz
erzeugt werden können, im vorliegenden Falle aber liegt die
Wahrscheinlichkeit sehr nahe, daß der darin nachgewiesene
Tuberkelbazillus oder vielleicht die Tuberkulinreaktion die Ur¬
sache war. Eine Diagnose auf rein anatomischem Befinde
hätte in diesen Fällen durchaus negativ lauten müssen, und
man hätte die Zuflucht zu versteckten, unauffindbaren Herden
nehmen können oder, da die Tiere sonst keine Läsionen zeigten,
die Fehldiagnose dem TuberkuliU zuschreiben müssen. Besonders
sei noch auf die Möglichkeit hingewiesen, daß die fraglichen
Tiere gleichzeitig an Aktinomykose, Leberabszeß usw. gelitten
haben könnten. Eine tuberkulöse Veränderung konnte ja nicht
nachgewiesen werden und vielleicht wäre die Versuchung nahe¬
gelegen, die Tuberkulinreaktion auf die Gegenwart obiger patho¬
logischer Prozesse zurückzuführen. Von den Angaben, daß
andere Erkrankungen, wie etwa Leberabszesse nicht tuberkulöser
Natur, auf die Tuberkulinimpfung positiv reagieren, dürften wohl
meist auf dem Nichtfund der tuberkulösen Erkrankung sich
zurückführen. Wenn man nur die typischen Veränderungen
sucht, werden sich allerdings hin und wieder Tuberkulosen-
infektionen der Beobachtung entziehen können, besonders im
ersten Stadium.
Die Frage, nach welcher Zeit überhaupt die Tuberkulin¬
reaktion nach der Infektion des Tieres positiv ausfalle, kann
wohl dahin beantwortet werden, daß das Tier auf Tuberkulin
reagiere, bevor sich makroskopisch leicht nachweisbare Ver¬
änderungen herausgebildet haben. Diese sich bildenden Herde
würden sich vielleicht noch für längere Zeit der Beobachtung
bei der Sektion entziehen, wenn dieselben nicht gerade durch
die Tuberkulinimpfung infolge der eintretenden Hyperämie sich
bemerkbar machen würden.
Für die Beurteilung der Fehlerquellen der Tuberkulin-
impfung wäre es von Wert, die Geschwindigkeit besser kennen
zu lernen, mit der sich gewisse Veränderungen nach der natür¬
lichen Infektion ausbilden. Man ist meist geneigt, ans dem ge¬
wöhnlich sehr chronischen Verlauf der Tuberkulose auf eine
sehr langsame Entwicklung der Tuberkel zu schließen. Dies
hat vielleicht Berechtigung in bezug auf metastasisch sich aus¬
bildende Herde, wenn aber die primäre Infektion einen sehr
guten, ungeschützten Boden findet, dürften sich in kurzer Zeit
sehr ausgeprägte Veränderungen herausgebildet haben. Be¬
sonders günstig erscheint mir in dieser Beziehung die Ausbildung
von Veränderungen in der Lunge, so daß verhältnismäßig bald
nach der Infektion sich die typischen Veränderungen mit
Leichtigkeit bei der Sektion nachweisen lassen; je nach der
Infektion und dem Tiere wird die Zeitdauer kürzer oder
länger sein.
Einen Teil der Fehldiagnosen und wohl der größte Teil
findet sich in der Literatur beschrieben als solche, bei welchen
die geimpften Tiere nicht reagiert haben, sich bei der Sektion
aber als tuberkulös erwiesen. Die Fälle von stark entwickelter
Tuberkulose, welche klinisch bei der nötigen Sorgfalt hätte
nachgewiesen werden können, gehört nicht hierher. Da diese
nachgewiesenermaßen die Reaktion meist atypisch geben,
sollten sie mit besonderer Sorgfalt geimpft und gemessen werden,
wobei die Temperaturmessung sich namentlich auf mehr wie
24 Stunden erstrecken sollte.
Besonderes Interesse scheinen mir die vielen Fälle zu
bieten, bei denen die Sektion in einer Lymphdrüse eiterige
und käsige Herde aufdeckt, bei denen also die tuberkulösen
Veränderungen lokalisiert und verhältnismäßig rezent sind. Die
Temperaturkurve zeigt nicht die geringsten Abweichungen und
doch sollten sich solche Veränderungen der Reaktion entziehen
können; dies erscheint mir nach den bisherigen Erfahrungen
sehr wenig wahrscheinlich.
Beim Studium der Literatur trifft man auf außerordentlich
hohe Fehlerquellen dieser Art, in einem Falle sind sogar über
44 Proz. (!) verzeichnet, verschiedene Angaben sind vorhanden
die über 10 Proz. Fehler nachweisen wollen. Diese Angaben
234
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13
sind entschieden nachznprüfen. Diese große Zahl dürfte sich in
vielen Fällen darauf zurückführen lassen, daß der Impfung
die Sektion nicht in kurzer Frist folgte. Angaben, wie
lange nach der Impfung das Tier noch lebte, bis es zur Sektion
kam, liegen meist nicht vor. Da solche Tiere, da sie ja nicht
reagierten, gewöhnlich nicht unmittelbar nach der Impfung ge¬
schlachtet werdeü, sondern erst geraume Zeit nachher, so liegt
die Annahme nahe, daß diese Zeit genügt haben könnte zur
Ausbildung der lokalisierten Veränderungen.
Die Forderung dürfte nicht ungerechtfertigt sein, daß ge¬
impfte Tiere, die nicht reagiert haben, innerhalb acht
Tagen zur Sektion gelangen müssen, wenn sie noch
als statistisches Material dienen sollen. Aber auch in
diesem Falle muß vorausgesetzt werden, daß ein geübter
Kliniker das Tier vor der Impfung auf Tuberkulose untersucht
hat, nach meiner Erfahrung lassen sich Tiere, die wegen vor¬
geschrittener Tuberkulose keine oder auch nur atypische Reaktion
geben, klinisch als solche erkennen. Es ist aber zu bemerken,
daß namentlich bei Massenimpfungen, die so gern als statisti¬
sches Material verwendet werden, dieser Grundsatz zu wenig
berücksichtigt wird.
Referate.
SjnoTektomie der am Sprunggelenk gelegenen Sehnen-
scheide des dicken tf of beinbeugers beim Pferd. Heilung.
Von Professor Hendricks.
(Atinnles de Bruxelles. Januar 1908.)
Die Sehnenscheidengallen gehören zu den Anomalien, die
beim Pferde am häufigsten auftreten, und es sind daher die
verschiedensten Heilmittel gegen sie in Anwendung gebracht
worden. Der Verfasser hat das von Cagny gegen Flußgallen
angeratene Verfahren nach geprüft, das in einer subkutanen
Einspritzung von 1 g einer 5 prozentigen alkoholischen Guajokol-
lösung in 50 g Terpentinöl besteht, aber meistens sehr starke
Abszedierungen darnach entstehen sehen. Um diese zu ver¬
meiden nimmt er eine Punktion der Galle vor, läßt die Synovia
herrausfließen, und spritzt, wenn die Tasche bald leer ist,
folgende Lösung in sie hinein.
Jodkalium 2 g
Jodtinktur 25—40 „
Aqua destillata 100 „
Darauf knetet er eine Weile die ganze Tasche. Es müssen
natürlich vorher alle antisepstischen Maßregeln getroffen worden
sein. Nachdem die InjektionBflüssigkeit mit den Wandungen der
Galle während 5 Minuten in Berührung gewesen war, läßt er
sie wieder herausfließen bis auf einen kleinen Rest, der in den
Wandungen eine stärkere Reizung bewerkstelligen soll. Die
mit dem Trokar gemachte Wunde wird mit einigen Tropfen
Jodoformkollodium überdeckt.
Bei dem so behandelten Pferd stellt sich nach 24 Stunden,
neben einer starken Schwellung der Sehnenscheide, die heftigen
Schmerz und Lahmgehen zur Folge hat, Fieber und Appetit¬
losigkeit ein. Nach einigen Tagen fängt die Schwellung an
langsam abzunehmen und nach 8 Tagen schon ist das Lahmgehen
verschwunden. Die Sehnenscheide bleibt aber noch etwas ge¬
schwollen, nur ist ihre Konsistenz nicht mehr fluktuierend wie
vordem, sondern derber geworden, was der Einwirkung des Jods
sowohl anf die sezernierende Wandung als auch auf ihr Sekret
znzu8chreiben ist.
Bei seiner Berührung mit dem Jod gerinnt das Fibrin und
setzt sich an den Wandungen der Sehnenscheide ab, diese
scheiden, weil sie sich zu gleicher Zeit entzünden, ein Ent¬
zündungsprodukt aus, welches sie zusammenkleben und zusammen¬
wachsen läßt, durch welchen Umstand der Umfang der Galle
abnimmt. Durch die intensivere Gefäßbildung in den Wandungen
wird das pathologische Exsudat oft vollständig aufgesogen,
was einen Zeitraum von 3 bis 6 Monaten beanspruchen kann.
Es gibt aber auch atypische Fälle, in welchem ein günstiger
Verlauf nicht eintritt, und das nach der Injektion eingetretene
Lahmen fortdauert. Der Verfasser nimmt in diesen Fällen bei
den Tieren eine gewisse Idiosynkrasie an, so daß sie nicht
genug Reaktionskraft besitzen, um das durch die Jodeinwirkung
ausgeschiedene Exsudat aufzusaugen. Bei diesen Tieren gesellt
sich das neu ausgeschiedene Exsudat zu dem, trotz der Punktion,
in der Sehnenscheide noch vorhandenen, hinzu.
Der Verfasser berichtet über einen solchen vorerst unglück¬
lich verlaufenen Fall, der später in seine Behandlung kam.
Bei einem fünfjährigen Percheronpferde waren schon zwei
Injektionen einer Jodlösung in die am Sprunggelenk gelegene
Sehnenscheide des dicken Hufbeinbeugers, und als diese an
Umfang immer mehr zunahm, zwei Monate vor der Untersuchung
durch den Verfasser eine penetrierende Kauterisation gemacht
worden. Auf diese Einwirkungen ging das Pferd immer
schlechter, so daß es seiner Lahmheit wegen zu keinem Dienst
mehj* verwendbar war.
Bei der Untersuchung findet der Verfasser eine enorme
Dilatation der angegebenen Sehnenscheide vor, die sich be¬
sonders an der medialen Fläche des Sprunggelenks bemerkbar
macht. Def Umfäng des Fußes beträgt an der Stelle 64 cifl,
während der des anderen Fußes an der entsprechenden Stelle
nur 44 cm ist. Die Galle hat eine Länge von 32 cm und an
dem am weitesten nach außen ragenden Punkte einen Durch¬
messer von 28 cm.
In Berücksichtigung der Vorbehandlung sieht der Verfasser
von einer Punktion der Galle ab und entschließt sich eine
Radikaloperation vorzunehmen. An der Kulminationsstelle
I schneidet er unter aseptischen Kautelen ein etwa 15 cm langes
und 7 cm breites Hautstück melonenschnitzförmig heraus, punk¬
tiert die Sehnenscheide, läßt eine gewisse Menge Synovia {um¬
fließen und schneidet ein Stück der Sehnenscheidenwand in der
Größe des entfernten Hautstückes heraus. In der nun weit
geöffneten Galle findet er mehrere Fibringerinsel, von denen
eines die Größe einer Kinderfaust hat, die sich wahrscheinlich
durch die Jodeinspritzung gebildet hatten, außerdem noch
mehrere Bindege webstränge, welche die Wandungen verbanden.
Nachdem er diese Stränge herausgeschnitten und die Fibrin¬
gerinsel entfernt hat, näht er die beiden Wundränder der
Sehnenscheide mit fünfzehn Katgutnähten und die der Haut mit
Seide zusammen und legt einen elastischen Trockenverband um
das Sprunggelenk. Schon am nächsten Morgen stützt sich das
Pferd wieder auf den Fuß. Es wird nun täglich ein aseptischer
Trockenverband angelegt und nach 14 Tagen ist die Wunde
verheilt, ohne daß die Temperatur des Pferdes über 37,9° ge¬
stiegen wäre. Damit sich das Entzündungsexsudat schneller
resorbiere, wird von jetzt ab täglich Jodtinktur eingerieben und
nach fünf Wochen zeigt das Pferd keine Spur des früheren
Leidens mehl*. Helfer.
26. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
235
Sehnen- and Perlostknochenreflexe beim Pferde; ein
Beitrag znr Diagnostik der Lahmheiten.
Von Dr. Theodor Schmidt, Adjunkt an der k. k. tierärztlichen
Hochschule in Wien.
(Zeitschrift für TionnedlEin, XI. Bd., 6. Heft.)
Man versteht unter Sehnen- und Periostknochenreflexe
diejenigen Muskelkontraktionen, die bei kurz dauernder
mechanischer Reizung der Sehnen und analoger Teile (Periost,
Faszien) entstehen. Diese Reflexe sind von Erb und West-
phal zuerst im Jahre 1875 näher untersucht und beschrieben
worden. Sie spielen in der Diagnostik der Nervenkrankheiten
des Menschen eine große Rolle, während sie in der Tierheil¬
kunde noch recht wenig gewürdigt worden sind. In der
Veterinärchirurgie kommt zweifellos bei der Diagnostik der
Lahmheiten den Sehnen- und Periostknochenreflexen eine Be¬
deutung zu. Bei vielen Pferden kann man bei aufgehobener
Gliedmaße und bei Anwendung von Druck Muskelzuckungen
auslösen, die als Reflexzuckungen aufgefaßt werden müssen und
mit Schmerzensäußerungen nichts zu tun haben.
Beim Druck mit der Hufzange und beim Beklopfen des
Hufes lassen sich in vielen Fällen, wo keine schmerzhafte
Affektion im Huf besteht, mehr oder weniger starke Zuckungen
in der betreffenden Extremität auslösen. Diese reflektorische
Zuckung bezeichnet Schmidt als „Hufbeinreflex“. Beim Abtasten
der dorsalen Fläche des Fesselbeins im proximalen Drittel kann
man nicht selten reflektorische Zuckungen beobachten. Diesen
Reflex bezeichnet Schmidt als „Fesselbeinreflex“. Auch am
proximalen Ende der medialen Fläche des Metakarpus oder direkt
am Übergange in die mediale Fläche des Karpus können manch¬
mal bei der Palpation reflektorische Zuckungen he^vorgebracht
werden. Schmidt nennt dies „Metakarpalreflex“. Am häufigsten
und am intensivsten können Reflexzuckungen von den Beuge¬
sebnen am Metakarpus, speziell vom oberen Gleichbeinbande
(Muse, interrossens medius) aus ausgelöst werden. Sie sind
klinisch auch von der größten Wichtigkeit, weil sie zu
diagnostischen Irrtümern leicht Veranlassung geben. Es ist un¬
erläßlich, daß die korrespondierenden Stellen an den anderen
Gliedmaßen in derselben Weise geprüft werden, wobei zu be¬
achten ist, daß man nicht mit den Fingernägeln, sondern
mit den Fingerbeeren den Druck ausübt. Für diese reflekto¬
rischen Zuckungen bringt Schmidt den Namen „Beugesehnen-
resp. Gleichbeinbandreflex“ für die klinische Terminologie in
Vorschlag.
Alle diese Reflexzuckungen kommen höchstwahrscheinlich
auf dem Wege der sogenannten „langen Reflexbögen“, also in
mehreren Rückenmarksegmenten durch Vermittlung der Reflex-
kollateralen und Assoziationsbahnen zustande.
Zur Erläuterung der Bedeutung der erwähnten Reflexe in
diagnostischer Beziehung führt der Verfasser einige Beispiele
an, wobei diese Reflexe als Krankheitssymptome gedeutet worden
waren, weil die Untersucher unterlassen hatten, die korrespon¬
dierenden Stellen der anderen Extremitäten zu prüfen, woselbst
sich dieselben Zuckungen auslösen ließen. Weiter gibt der Ver¬
fasser ausführliche Belehrung über die Art der Auslösung der
Zuckungen durch die Untersuchung und über die Unterschiede
dieser Zuckufigen und der durch Schmerz bzw. Krankheits¬
prozesse verursachten Zuckungen.
Rdr.
Seuchenhafte Mauke der Pferde.
Von Tierarzt M. Kov&nyi-Mezöhegyes.
(Allatonrost hapok 1907, Nr. 89.)
In einem Nonius-Stamm des Mezöhegyeser Staatsgestüts
trat seit mehreren Jahren am Beginn des Sommers an den
Extremitäten der Pferde ein eigentümlicher Hautausschlag auf,
der sich sehr schnell bis zum Vorderknie und Sprunggelenk
weiter verbreitete. Anfangs kann man nur zwischen den Haaren
kleine, trockene, feste Krusten wahrnehmen, später erscheinen
größere rundliche, graubraune Krusten an der Hautoberfläche,
welche schon weit von der Ferne bemerkbar sind. Das Leiden
ist mit Juckreiz verbunden. Es verbreitete sich nicht nur
zwischen den Pferden, sondern steckte auch einige Csikös
(Pferdehirten) an, deren Hände an einzelnen hellroten Stellen
Schuppenbildung, feine weiße Krusten und leichte Risse wie
wappenartige Zeichnungen zeigten. In den übrigen Pferde¬
ständen trat das Leiden nicht auf und auch in dem betreffenden
Nonius-Gestüte konnte es nur im Sommer während des Weide¬
ganges beobachtet werden, im Herbst hörte es auf. Aus diesen
Umständen konnte man darauf schließen, daß der Ansteckungs¬
stoff in der Weide sei und deshalb wurde das Gestüt in diesem
Jahre auf eine andere Weide getrieben, nachdem man die bereits
erkrankten Pferde separierte in einem Ausläufer konzentrierte.
Diese Einrichtung hatte zur Folge, daß während der nächsten
zwei Wochen kein einziger neuer Krankheitsfall hinzukam.
Als aber nachher ein dreitägiger Regen entstand, kamen wieder
vier neue Erkrankungen vor.
In den Krusten konnte man nach dem Erweichen in
lOproz. Kalilauge einen mucor-ähnlichen Fadenpilz, d$s licht¬
gelblich-grüne Mycelium, mit vielen rundlichen Sporen unter¬
scheiden. Die Haare erscheinen in der Länge ausgefasert und
in der Querrichtung uneben gebrochen. Die Pilzfäden sind
filzartig geflechtet, die Hyphen teilen sich gabelartig, an ihrem
Ende erscheinen die Sporangien in zweierlei Formen; einzelne
sind mit einer dunkleren Kapsel umgeben und gegen den Rand
bemerkt man in diesen mehrere Sporen, wie zentral gelegen,
während die anderen keine Kapsel besitzen und die Sporen
gleichmäßig verteilt erscheinen.
Bei entsprechender Behandlung lösen sich die erweichten
Krusten ab und die Haare wachsen nach; die Prognose wäre
daher im allgemeinen günstig, wenn infolge des Juckreiz*
keine Komplikationen sich dazugesellen würden, da die Pferde
sich oft wundreiben oder beißen und durch diese Wunden leicht
eine andere Infektion dazutreten kann, welche in einzelnen
Fällen zu größeren Anschwellungen oder sogar zum brandigen
Absterben führte. Der Hautausschlag wurde mit Naphthalin¬
salbe (Naphthalin 30,0, Adeps suillus 50,0) oder mit einer
Schwefelsalbe (Sulfur sublimatus 40,0, Adeps suillus 60,0) mit
Erfolg behandelt, in 8—10 Tagen lösten sich die Krusten los,
dann wurde die Haut mit Kaliseife und Bürste abgewaschen,
mit einer Sublimatlösung abgespült und abgetrocknet. Die
brandigen Stellen heilten unter Verband, auf die Anschwellungen
kam ein Dunstverband mit Sublimatlösung. Dr. Z.
Enteritis chronica pseudotuberculosa bovis oder die
„Johnesche Seuche“ konstatiert in Norwegen.
Von H. Hörne.
(Nonk Veterioirtidaakrift 8 . 12 , 1908.)
Die letzte Nummer der norwegischen Veterinärzeitschrift
bringt die Mitteilung, daß die pseudotuberkulöse Darmentzündung
236
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13.
(Bang) eben auch in Norwegen konstatiert worden ist. Es
handeiter sich um eine junge, einheimische Kuh, die an dauer¬
hafter Diarrhöe gelitten hatte und deswegen endlich als inkurabel
getötet wurde. Bei der Sektion konnten nur pathologische Ver¬
änderungen im Dünndarme aufgefunden werden. Die Schleim¬
haut dieses Darmabschnitts war geschwollen und gefaltet und
präsentierte übrigens die für die genannte Krankheit charakte¬
ristischen Läsionen. In Klatschpräparaten von der Darmoberfläche
(Epithelialschicht) konnte Verfasser zahlreiche acido-resistente
Bazillen auffinden.
Dies ist der erste Fall von der Johne-Frothinghamschen
oder Bangschen Paratuberkulose des Darmes beim Rindvieh, der
in Norwegen bis jetzt konstatiert worden war.
(Autoreferat.)
Tagesgeschichte.
Bericht über die VII. Hauptversammlung des Vereins
der beamteten Tierärzte Preußens
am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907.
(Fortsetzung.)
Vereinsbericht.
Referent: Der Vorsitzende Dr. Peter.
Der Verein ist im Laufe des Berichtsjahres auf 391 Mitglieder
gestiegen. Der Zuwachs beträgt 73. Demgegenüber steht ein
Abgang von 2 Mitgliedern durch Austritt. Auch der Tod hat
unsere Reihen nicht verschont. Wir beklagen den Verlust des
Veterinärrats Flindt, Kreistierarzt in Wiedenbrück (Westf.),
des Kreistierarztes Ulrich in Lauenburg (Pomm.) und des
Dr. Neack, Kreistierarzt in Naugard (Pomm.).
Lassen Sie uns der keimgegangenen Kollegen gedenken
und sie ehren, indem wir uns von den Plätzen erheben.
(Geschieht.)
Der Vorstand war durch rechtzeitige Benachrichtigung in die
Lage versetzt, auf den frischen Gräbern des Veterinärrats Flindt
und des Dr. Noack je einen Kranz mit schwarzer und weißer
Schleife niederlegen und den Hinterbliebenen durch nahestehende
Kollegen das Beileid des Vereins aussprechen zu lassen.
Der Tod des Kreistierarztes a. D. Ulrich ist uns jedoch nicht
ffifih genug zur Kenntnis gelangt, um seinem Namen die vom
Verein zugedachte Ehrung erweisen zu können.
Ich möchte deshalb an die Herren Vertrauensmänner hier
wiederholt die dringende Bitte richten, bei Trauerfällen in ihren
Bezirken umgehend den Vorsitzenden telegraphisch zu benach¬
richtigen und im Einverständnis mit ihm ev. die weitere Be¬
sorgung der Angelegenheit gleich in die Hand zu nehmen.
Die Unterstützungsgelder an die durch die lange, schwere
Krankheit und den Tod des Kollegen N. in Not geratene Familie,
bestehend aus Frau und Kindern, sind auch in diesem Jahre
regelmäßig gezahlt und das von dem früheren Vorstand vor Be¬
gründung der Unterstützungskasse für diesen Notfall begonnene
Werk der Wohltätigkeit ist weiter verfolgt worden. Über das
Resultat dieser Bestrebungen, sowie über den Stand der Unter-
stützungs- und auch der Vereinskasse wird der Herr Schatz¬
meister nachher selbst berichten. Ich bitte die Herren Fisch
und Volmer die bezüglichen Bücher zur Entlastung des Schatz¬
meisters zu revidieren und mir ihren späteren Befund mitzu¬
teilen.
Die Beschlüsse der VI. Plenarversammlung sind Ihren
Weisungen gemäß ausgeführt worden. Herr Dr. Jeß in Charlotten¬
burg hat im Auftrag des Vorstandes an dem XIV. Inter¬
nationalen Kongreß für Hygiene und Demographie teil¬
genommen. Leider ist es Herrn J. nicht möglich, den Bericht
über die gewonnenen Eindrücke, wie beabsichtigt, hier zu er¬
statten, da er bettlägerig krank ist. Es liegt uns am Herzen,
diesem eifrigen Mitarbeiter in Vereinsangelegenheiten die wärmsten
Wünsche für seine baldige Wiederherstellung hiermit zum Aus¬
druck zu bringen.*)
Aus den Fachzeitungen haben wir erfahren, wie rege
die Teilnahme der Tierärzte am Kongreß gewesen ist. Die
aktiven Leistungen beschränkten sich allerdings nur auf zwei
Männer unseres Standes. Es soll deshalb nicht unterlassen
werden, auch in unserm Kreise darauf hinzuweisen, daß die
deutschen Tierärzte in letzter Beziehung auf den internationalen
Kongressen noch nicht genügend hervortreten. Damit ist
Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.**)
In der vorjährigen Versammlung wurde ferner beschlossen,
nur von solchen Fabriken in Zukunft Rotlaufserum zu
beziehen, von denen die von den Kreistierärzten amt¬
lich festgestellten Fälle von Rotlauf bei geimpften
Schweinen hinsichtlich der Entschädigungspflicht ohne
weiteres (d. h. ohne Nachprüfung) anerkannt werden.
In Ausführung dieses Beschlusses sind wir um Anerkennung
dieser Forderung in Verbindung getreten mit:
1. Rotlaufimpfanstalt in Prenzlau,
2. Farbwerke von Meister, Lucius & Brüning in
Höchst a. M.
3. Pharmakol. Institut von Ludwig W. Gans in Frank¬
furt a. M.
4. Seruminstitut Heidelberg.
5. Bakteriologisches Institut der Landwirtschaftskammer
der Provinz Sachsen in Halle.
6. Serum-Laboratorium von Ruete & Enoch in Hamburg.
7. Serum-Gesellschaft m. b. H. in Landsberg.
Wir haben aber allenthalben ablehnenden Bescheid erhalten,
meist lakonisch kurze, teils auch liebenswürdige Antworten. Zur
letzten Kategorie gehört die Erwiderung aus dem Prenzlauer
Institut, die angeführt werden soll, weil sie das größte MAß
von Entgegenkommen zeigt. Herr Direktor Helfers schreibt,
daß das Institut auch die Fälle entschädigt, bei denen die bakterio¬
logische Prüfung negativ ausgefallen ist, aber durch einen schlüssigen
Tatbestand mit Obduktionsbericht (charakteristische Hautröte,
hämorrhagische Nephritis, hämorrhagische Gastroenteritis, Milz¬
schwellung, trübe Schwellung der Leber und des Herzmuskels der
einwandfreie Nachweis vom Vorhandensein des Rotlaufs erbracht
erscheint. Auf Grund des bakteriologischen Befundes allein wird
die Ablehnung der Entschädigung niemals ausgesprochen. Des¬
gleichen wird auch bei Verlusten von Septikämie in Anschluß
von Backsteinblattern oder Rotlauf-Hautnekrose entschädigt, weil
die Tatsache berücksichtigt wird, daß die Septikämie nicht ein¬
getreten sein würde, wenn das Schwein gegen Backsteinblattern
durch die Impfung geschützt gewesen wäre.
*) Dr. Jeß ist inzwischen verstorben.
**) Der weitere Teil des Berichtes kam in der Sitzung nicht
mehr zum Vortrag und wird hier ergänzend hinzugefügt.
26. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
237
Das ist auch die conditio sine qua non des Baktetriolo-
gischen Instituts der Landwirtschafts-Kammer in Kalle, welches
im vergangenen Jahre von mehreren Mitgliedern der Provinz
Sachsen als vorbildlich für die von uns gewünschte Behandlung
der Entschädigungspflicht hingestellt wurde. Halle steht mit
Prenzlau bezüglich Lieferung des Serums in einem Vertrags¬
verhältnis, nach dem es nur im Kammerbezirk Lorenz-Impf¬
stoffe abgeben darf. Es kennt die in diesem Bezirk ansässigen
Kreistierärzte genau und kann es sich leisten, bei der von ihm
anerkannten Tüchtigkeit und Gewissenhaftigkeit diesen Herren
betr. Stellung der Rotlaufdiagnose selbst von der Forderung der
letztgedachten Nachweise abzusehen.
Dies ist aber aus leicht begreiflichen Gründen nicht möglich
für Institute, die im ganzen Lande an ihnen wenig bekannte
Kreistierärzte Serum verkaufen. Auch können und werden sie
niemals uns gegenüber der viel zahlreicheren und darum weit
angenehmeren Abnehmerschaft der Privattierärzte in Vorteil
setzen. Selbst wenn wir einmal ein tierärztliches Serum¬
institut haben würden, könnte dasselbe hinsichtlich Gewährung
der Entschädigung für Rotlaufverluste innerhalb der garantierten
Schutzfrist nicht milder verfahren als das Institut in Prenzlau.
Ich muß noch einen Vorschlag von Enoch u. Ruete im
Verein mit Dr. Kirstein erwähnen. Diese Herren wollten den
als Abnehmer verpflichteten Vereinsmitgliedern das Serum zu
einem verhältnismäßig niedrigen Satz anrechnen, aber den
Handelspreis einziehen und die Differenz dem Vorstand zu
Unterstützungszwecken überweisen. Gleichzeitig forderte diese
Gesellschaft auf, die Kulturimpfung gänzlich fallen zu lassen
und nur mit Serum zu immunisieren, weil durch die Einführung
von abgeschwächten Rotlaufbazillen, die mit latenter Schweine¬
seuche behafteten Impflinge häufig in die akute Form der Seuche
verfielen und zugrunde gingen. Für diesen letzten guten Rat
glaubten wir vom allgemein wissenschaftlichen und tierärztlichen
Standpunkt sofort danken zu müssen.
Aber auch das erste Anerbieten erschien uns kein hin¬
reichendes Äquivalent für die Ablehnung der im Beschluß vom
1. Dezember 06 erhaltenen Forderung. Nach Rücksprache mit
verschiedenen Vereinsmitgliedern gelegentlich der Wanderver¬
sammlung in Düsseldorf haben wir keine Veranlassung gefunden, |
diese Offerte im Eilverfaliren vor das Vereinsforum zu bringen.
Die Angelegenheit wird nunmehr als erledigt betrachtet.
Gleich im Anfang unseres Vorstandsamtes sahen wir uns
vor eine Anzahl neuer Aufgaben gestellt, die wir nach bestem
Können zu lösen versuchten. Die Gesamtheit mag beurteilen,
ob wir den richtigen Weg und die passende Zeit immer ge¬
troffen haben.
Es ist ja einfach an den Vorstand zu schreiben, ich wünsche,
daß ihr sofort eine Eingabe an den Herrn Minister macht, um
rasche Erhöhung der ungewöhnlich niedrigen Reisekosten bei
Ausübung der Ergänzungsbeschau. Nichts leichter wäre
gewesen, diesen bereits im Dezember vorigen Jahres eingegangenen
Antrag in geeigneter Form sogleich an Seine Exzellenz abzn-
senden. Doch fürchteten wir den großen Papierkorb, der in
jedem Ministerium vorhanden ist, besonders zu einer Zeit, in
welcher im Abgeordnetenhaus von seiten der Parteien die
Teuerung des Fleisches zum Teil den Beschankosten zu¬
geschrieben und erwogen wurde, dieselben auf die Staatskasse
abzuwälzen.
Wir ließen deshalb die hochgehenden Wogen sich erst
wieder glätten und trugen später an zuständiger Stelle diesen
allgemeinen Wunsch der Tierärzte persönlich vor. Wir hatten
bei diesem Vorgehen die Genugtuung, die Berechtigung dieses
Wunsches anerkannt zu finden und versichert zu sein, daß die
Besserung der Bezahlung in einem angemessenen Grade an¬
gestrebt würde. Zugleich erhielten wir aber die Überzeugung,
welche Schwierigkeiten dieser Reform im Wege lagen, und
daß dieselbe nicht von heute auf morgen erfolgen könnte. Daß
aber unsere Bitte nicht fruchtlos gewesen war, hat die bald
darauf erfolgte Umfrage des Herrn Ministers über die Art der
Erhöhung dieser Reisekosten bei den Kreistierärzten und solchen
Tierärzten, die Beschau ausüben, klar und deutlich ge zeigt.
Eine andere Aufgabe trat durch die aus verschiedenen An¬
zeichen genährte Befürchtung an uns heran, daß die Rotlauf¬
impfung den Laien staatlich preisgegeben werden
könnte. Daß dieser Gedanke weit um sich gegriffen hat und
zum festeingewurzelten Wunsche bei einigen großen landwirt¬
schaftlichen Korporationen und maßgebenden und einflußreichen
Persönlichkeiten geworden ist, haben die bekannten Verhandlungen
und der Beschluß im Landes-Ökonomie-Kollegium vom Jahre 1906
bewiesen.
Wir müssen mit dem größten Dank anerkennen, daß trotz
dieser starken Bewegung das Ministerium stets an unserer Seite
gestanden hat. Vergleichen wir in dieser Hinsicht den Ministerial-
Erlaß vom 9. 2. 04 über die Impfungen gegen Schweinekrank¬
heiten, wo das Ersuchen, Laienfleischbeschauer zu Laienimpfern
auszubilden, mit schlagenden Gründen, die wir alle kennen, ab¬
gelehnt wird. Und weiterden durch Preußes Mitteilung in der
B. T. W. Nr. 45 vom 7. 11. 07 bekannt gewordenen Bescheid
des jetzigen Herrn Ministers auf den erwähnten Antrag des Landes¬
ökonomie-Kollegiums, daß demselben nicht stattgegeben werden
könne im Hinblick auf die große Gefahr, die mit der Verwendung
von Rotlaufkulturen durch Laien verbunden sei.
Trotzdem ist die Bedrohung dieses tierärztlichen Tätigkeits¬
feldes nicht aus der Welt geschafft. Denn die von unsern Gegnern
angeführten Gründe könnten eines Tages so schweres Gewicht
erlangen, daß auch der Herr Minister ihrer Wirkung sich nicht
mehr entziehen kann.
Es muß deshalb von unserer Seite dafür gesorgt werden,
daß die an einzelnen Stellen laut gewordenen Klagen über
den Mangel an Impftierärzten und über zu hohe Impf¬
honorare verstummen.
Dieser für den ganzen praktischen Erwerbsstand der Tier¬
ärzte äußerst wichtigen Sache sollte es dienen, daß der Vorstand
im April d. J. ein gedrucktes Rundschreiben an die Vertrauens¬
männer abgehen ließ, damit an Orten dringender Gefahr vor¬
gebeugt werden könnte. In diesem Schreiben, daß beim Bureau
des Schriftführers noch in weiteren Exemplaren zur Verfügung
steht, haben wir die Herren gebeten, die Vereinsmitglieder und
auch die andern Kreistierärzte in Wort und Schrift in besonderen
Zusammenkünften oder in den Provinzialversammlungen anzu¬
regen, sich in geeigneter Weise mit den Privattierärzten ihrer
Kreise zur Beratung und Aufstellung geeigneter Abwehrma߬
regeln in Verbindung zu setzen.
Der Umstand, daß dieser nachdrückliche Appell nur an
zwei Stellen einen Ausdruck gefunden hat, nämlich durch Herrn
Rust im. Breslauer Verein und durch mich im Brandenburger
Provinzialverein, beweist, wie gering diese Gefahr im allgemeinen
geschätzt wird. Die ganze Aktion liegt freilich mehr im
288
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
Interesse der Privattierärzte, denn der Kreistierarzt impft der
Regel nach nur in den wenigen Beständen, wo er die Privat¬
praxis ausübt. Aber ich freue mich, hier betonen zu können,
daß wir nichtsdestoweniger an diese wichtige gemeinsame Auf¬
gabe zuerst herangetreten sind, und daß wir sie mit allen Mitteln
weiter fördern werden.
Die Organisation der Rotlaufimpfung ist eine Not¬
wendigkeit! Der Graf Oppersdorf-Oberglogau hat in der
mehrfach erwähnten Sitzung des L. Ö. K. darauf hingewiesen,
daß die Tierärzte selbst dafür sorgen müßten, die beklagten
Übelstände bei der Impfung abzustellen. Prof. Schmaltz hat
in wiederholten Aufsätzen diese Frage besprochen und sich
bemüht, Mittel und Wege anzugeben, auf welche Weise die
Landwirte in diesem Punkte zufrieden zu stellen wären.
Warum legen die Herren Privattierärzte die Hände in
den Schoß, wo es gilt, ihnen siebenmal größere Gewinne zu
erhalten, als ihnen die heißbegehrte Mitwirkung an der
Seuchentilgung jemals einbringen könnte? Auch die vom Vor¬
stand betriebene Erhöhung der Reisekosten bei Ausübung der
Ergänznngsbeschau kommt im wesentlichen den Privattierärzten
zugute. Von beiden Gegenständen liest man in der Tages¬
ordnung des am 7. Dezember er. tagenden Verbandes der
Privattierärzte keine Silbe. Sie halten es für bequemer, daß
wir die Kastanien für sie aus dem Feuer holen, während ihre
Agitation darauf gerichtet ist, uns das alte Arbeitsfeld ab¬
zugraben.
Das soll uns dennoch nicht abhalten, den beschrittenen
Weg weiter zu verfolgen, auch wenn wir Undank ernten. Ich
möchte deshalb auch hier den von mir im Brandenburger Verein
eingebrachten und angenommenen Antrag zur Nachahmung
empfehlen: Es sind Kreis- oder Lokalvereine, bestehend
aus sämtlichen Tierärzten einer oder mehrerer Kreise,
ins Leben zu rufen, welche sich, so bald es notwendig
wird, zur Beratung von Abwehrmaßregeln gegen die
Impfungen durch Laien zusammenfinden. Diese Vereine
sind zugleich geeignet, alle Differenzen interner Natur unter
den Kollegen ohne Aufsehen beizulegen.
Auf eine Interpellation der Abgeordneten v. Dirksen und
Freiherrn v. Gamp bei Beratung des landwirtschaftlichen Etats
in der Frühjahrssession des Landtags über die Abänderung
des Körungswesens hatte der Herr Minister die Zusammen¬
berufung einer Kommission zugesagt, die über alle einschlägigen
Fragen der Landespferdezucht beraten sollte.
Diese Gelegenheit hielt der Vorstand für günstig, an der
maßgebenden Stelle einem alten Wunsche der Kreistierärzte
Ausdruck zu geben, und um die Verleihung des Stimm¬
rechts bei den Hengstkörungen zu bitten.
Die an den Herrn Minister gerichtete Eingabe liegt in
Abschrift hier zur Einsichtnahme vor und soll eventuell auf
Wunsch wörtlich dem Protokoll der heutigen Sitzung angefügt
werden.*)
Am 25. und 26. Oktober hat die zu dem erwähnten Zweck
berufene Landespferdezuchtkommission in Berlin getagt.
Von ihren Beratungen und Beschlüssen ist wenig in die Öffent¬
lichkeit gelangt, so daß sich nicht beurteilen läßt, ob eine
Änderung des bisherigen Zustandes eintreten wird. Eine Antwort
ist auf unsere Eingabe nicht erfolgt, aber ich glaube, daß sie
zunächst einen positiven Erfolg nicht gehabt haben wird, denn
*) cf. Anhang dieses Bericht».
•es gibt auf diesem Gebiet nicht geringe Widerstände zu über¬
winden.*)
Die Landwirte sind nun einmal der Ansicht, daß der Pferde¬
verstand nicht Gemeingut aller Tierärzte ist. Gegen diesen
Einwand läßt sich. nichts sagen. Denn m. E. muß diese Eigen¬
schaft im Menschen präformiert sein; sie gehört zu den An¬
lagen, die von der Natur verschieden ausgeteilt sind. Es gibt
natürlich unter den Tierärzten ebenso wie unter den Land¬
wirten und Offizieren gut beanlagte Pferdekenner und Züchter.
Wir können uns hier u. a. auf die praktischen Erfolge eines
Schwarznecker und Dr. Grabensee berufen. Diese allge¬
mein anerkannten Sachverständigen bilden ein erstklassiges Zeug¬
nis dafür, daß der mit züchterischen Anlagen ausgestattete
Tierarzt mit seinen Leistungen nicht hinter den der anderen
zurücksteht, wenn ihm Gelegenheit gegeben ist, sie zu be¬
tätigen.
Aber eine so weit gehende Anteilnahme an der Pferdezucht
wollen wir im allgemeinen für uns gar nicht beanspruchen. Wir
wollen in der Körkommission nicht die Zuchtrichtung mitbe¬
stimmen, wir können auch davon absehen, ein Zuchttier nach
seiner Qualität beurteilen zu wollen. Unsere Aufgabe soll nur
darin bestehen, die Gesundheit und Widerstandskraft desselben
zu ermitteln. Und wir sind der Meinung, daß dieser für jede
Zucht höchst wichtige Faktor im Schauamt durch eine voll¬
wertige Stimme vertreten sein muß.
Zur Erreichung unseres Zieles kann nur gemeinsame Arbeit
mit den Landwirten führen, bei der sie Gelegenheit haben, den
Nutzen der tierärztlichen Mitwirkung zu erkennen. Ohne auf¬
dringlich zu sein, müssen wir in den landwirtschaftlichen Ver¬
einen, auf üen Tierschauen und Ausstellungen, wo wir stets gspn
gesehene Gäste sind, unsere Kräfte unbesonnen in den Dienst
der Landwirtschaft stellen. Die Früchte werden nicht aus-
bleibeni
Unter diesem Gesichtswinkel ist dauernd dafür Sorge zu
tragen, daß auch die vom Verein mit der Deutschen Landwirt¬
schaft-Gesellschaft seit Jahren geknüpften Beziehungen nicht
erkalten, sondern sich immer wärmer gestalten.
Ich habe jedoch auf der Wanderversammlung in Düsseldorf
in diesem Jahre die betrübende Erfahrung gemacht, daß sich
dieser Gedanke nicht durchweg unter den Mitgliedern Bahn ge¬
brochen hat. Es bedurfte des Aufwands aller Künste, um dort
der großen vornehmen Gesellschaft und der Öffentlichkeit gegen¬
über unser Ansehen noch einigermaßen zu retten. Der Vorstand
*) Durch die erste Dezembernummer der B. T. W. ist mittler¬
weile bekannt geworden, daß die Petition Gegenstand einer leb¬
haften Diskussion bei den Verhandlungen gewesen ist.
Unsere Vermutungen bezüglich des Standpunktes der Land¬
wirte zu der Frage spiegeln sich wieder in den Ausführungen des
Grafen Rantzau. Daß es dieser Redner „geradezu für ein
großes Unglück für die Pferdezucht“ bezeichnen würde,
„wenn in der Hengstkörkommission der Tierarzt stimm¬
berechtigt wäre“, machte uns allerdings starr. Vielleicht ist der
Ausspruch auch nur als eine Hyperbel zu betrachten, zumal Herr
Graf R. nach dem mitgeteilten Wortlaut seiner Rede jede Be¬
gründung für die wenig schmeichelhafte Bemerkung schuldig bleibt.
Mit freudiger Genugtuung dürfen wir dagegen konstatieren,
daß der Herr Minister unsem Wunsch unterstützt, die Herren Ab¬
geordneten v. Dirksen und v. Gamp ganz spontan und aus freier
Überzeugung der vollen tierärztlichen Mitwirkung das Wort reden,
und daß der LandstallmeiBter Dr. Grabensee durch das Beispiel
seiner eigenen Entwicklung den Grafen R. ad absurdum geführt hat.
Der Ref.
26. März 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
239
bemüht sich, ein eindruckvolles Programm aufzustellen, bestellt
unter schwierigen Umständen Vorträge durch hervorragende
Fachgenossen und ladet angesehene Gäste ein. Die Landwirt¬
schafts-Gesellschaft schickt eine bedeutende Persönlichkeit als
Vertreter. Und nun läßt eine größere Zahl von Mitgliedern
durch unmotiviertes Wegbleiben den Vorstand sitzen, so daß
dieser Entschuldigungen stammeln und Vorträge absagen muß.
So kommen wir nicht weiter! Der Vorstand ist blamiert, und
«8 wird nicht lange dauern, daß die D. L. G. den Veranstaltungen
des Vereins während der Wanderausstellungen noch die Bedeu¬
tung beimißt, die ^rir wünschen und über die wir uns freuen
können. Auch der Vorstand erlahmt, die Mühe und die persön¬
lichen Opfer aufzuwenden für ein Unternehmen, das schlaff,
nutzlos und unter Umständen mit einer Blamage im Sande ver¬
laufen kann.
Ober den Verlauf und die Eindrücke der diesjährigen
Wanderversammlung ist in den Fachzeitungen berichtet worden.
Jeder von uns wird überzeugt sein, daß die Verbindung der
Sommerversammlung mit der Wanderausstellung der D. L. G.
aufrecht erhalten werden muß. Nach der diesjährigen Erfahrung
wird aber eine Versammlung nicht zustande zu bringen sein,
wenn die Wanderausstellung außerhalb der preußischen Lande
ntattfindet. Das ist im nächsten Jahr der Fall, für das Stuttgart
als Ausstellungsplatz gewählt worden ist. Es entsteht deshalb
die heute zu entscheidende Frage, soll der Vorstand die ver¬
mutlich geringe Zahl der dorthin reisenden Mitglieder zu zwang¬
losen Vereinigungen einladen und durch Teilnahme an den Ver¬
anstaltungen der D. L. G. in Fühlung mit derselben bleiben.
Oder wollen wir unsere Sommerversammlung im Jahre 1908
ausnahmsweise an einem andern geeigneten Orte abhalten?
Nach kurzer Beratung dieser beiden vom Vorsitzenden ge¬
stellten Anträge wurde einstimmig beschlossen: Die Sommer-
versammlung fällt im Jahr 1908 aus, dagegen hat der
Vorstand Delegierte zur Teilnahme an der Wander¬
ausstellung der D. L. G. nach Stuttgart zu entsenden.
Weiter wurde aus den bereits früher dargelegten Gründen
(cf. Nr. 7, S. 130 d. Ztschr.) vom Vorsitzenden vorgeschlagen,
die Hauptversammlung alljährlich auf den Sonnabend der ersten
Dezemberwoche einzuberufen. Die Versamtalung stimmte der
Festlegung des Termins zu und schloß sich mit großer Mehrheit
dem Antrag des Herrn Schaumkell-Hagen an, nach dem die
Hauptsitzung bis auf weiteres immer am Sonnabend
-vor dem 1. Advent stattzufinden hat.
Die Herren Departementstierärzte sollen durch besonderes
Schreiben gebeten werden, die Abhaltung der dienstlichen Be-
zirksversammlungen von diesem Zeitpunkt nach Möglichkeit fern
zu halten.
Bei Punkt 10 der Tagesordnung angekommen, übernahm
Herr Rust-Breslau vorübergehend den Vorsitz und erteilte zu¬
nächst Herrn Veterinär-Rat Jacob-Luckau das Wort zur Be¬
gründung seines während der Sitzung eingereichten Antrages.
Der Verein wolle beschließen:
Die Vorstandsmitglieder sind berechtigt, alle
Auslagen für Repräsentationszwecke, Reisekosten
usw., welche im Vereinsinteresse entstehen, bei der
; Vereinskasse zu liquidieren.
Der Antragsteller führte hierzu folgendes aus: Mein Antrag, den
ich mir ja schriftlich einzureichen erlaubte, ist aus nachstehenden
Erwägungen hervorgegangen. Als früherer Schriftführer habe
ich die Arbeitslast, Zeitversäumnis und auch die Geldopfer, die
zu bringen waren, schwer empfunden und gesehen, daß nur ein
Vorstand ersprießliches leisten kann, wenn ihm nicht noch große
persönliche Opfer auferlegt werden. Wenn der zweite Absatz
des § 1 der Satzungen wirklichen Wert erhalten und nicht nur
in Kranzspenden und Stiftung von Beiträgen zu Denkmälern
usw. bestehen soll, müssen der Vorsitzende und der Schriftführer
befugt sein, den augenblicklichen Verhältnissen jeder Zeit
Rechnung zu tragen. Als solche kommen in Betracht: Reisen
nach Berlin behufs wichtiger Konferenzen und Fühlungnahme
mit unserem Minister, mit Abgeordneten usw. Hierher ist auch
zu rechnen die Repräsentation des Vereins bei offiziellen Körper¬
schaften, z. B. der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft. Es
wird notwendig sein, daß der Vorsitzende und der Schriftführer
vor der Generalversammlung persönlich konferieren. Das alles
ist nur in mangelhafter Weise möglich, wenn die oben angeführten
Opfer persönlich gebracht werden müssen.
Bei der anerkannten Wichtigkeit des V. b. T. ist es auch
notwendig, für die Versammlungen Redner über wichtige Themata
zu gewinnen. Diese Schwierigkeiten kennt nur der Vorstand.
Es muß demselben hierbei gestattet sein, die Referate entsprechend
zu honorieren. Wenn auch viele Herren es sich zur Ehre an-
rechnen, im Verein zu sprechen, so ist es doch m. E. des Vereins
unwürdig, betteln zu gehen. Denn für viele Referate sind auch
zeitraubende Vorbereitungen nötig. Auch auf diese Weise kann
der Punkt 1 § 1 der Satzungen nur gefördert werden.
Der einzelne kann mit Ausnahme weniger Vereinsmitglieder,
nur durch Zahlung des Beitrags wirken, und daß die Beiträge
richtig angewandt werden, ist Sache des Vorstandes und der
Generalversammlungen. Die Versammlung beschloß ohne Debatte
im Sinne des Antragstellers: Es sind dem Vorsitzenden und
Schriftführer alle notwendigen Auslagen für Reisen
auch zu den Versammlungen zu ersetzen. Dem Vor¬
stand ist Vollmacht zu erteilen über Repräsentation,
Referate usw.
Der wissenschaftliche Hilfsarbeiter im Kaiserlichen Gesund¬
heitsamt, Herr Dr. med. vet. Bohtz, hatte inzwischen das Wort
für eine kurze Bemerkung über Schweinepest erbeten und machte
folgende Mitteilungen:
In der Frage der Ätiologie der Schweinepest nimmt man
jetzt einen anderen Standpunkt ein als früher. Als Erreger
dieser Seuche wird nicht mehr der Bacillus suipestifer ange¬
sehen, sondern ein ultravisibles filtrierbares Wesen. Diese Tat¬
sache wurde bekanntlich zuerst in Amerika festgestellt und in
unserm Kontinent verschiedenfach bestätigt. Es ist auch in
Amerika zuerst gelungen, passiv und aktiv gegen den filtrier¬
baren Erreger der Schweinepest zu immunisieren. Auch im
Kaiserlichen Gesundheitsamt haben wir unabhängig von den
Amerikanern seit Juni d. J. an der Gewinnung eines Immun¬
serums gegen die Schweinepest gearbeitet. Pferde, Rinder und
Esel erwiesen sich bisher als Serumspender nicht brauchbar,
dagegen lieferten vorbehandelte Schweine ein wirksames
Immunserum, welches gesunde Tiere gegen eine künstliche bzw.
natürliche Infektion mit Schweinepest schützt. Unser Immun¬
serum ist aber kein Heilserum, denn bisher hat es offensichtlich
kranke Tiere auch in großer Dosis nicht zu retten vermocht.
AIb Schutzserum leistet es aber bei Seuchenausbrüchen gute
Dienste, wenn man in dem betreffenden Bestände die noch an¬
scheinend gesunden Tiere impft. Nun ist Ihnen inzwischen der
240
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Nö. 13.
Erlaß des Herrn Ministers für Landwirtschaft gewiß zur Kenntnis
gelangt, wonach bei Neuausbrüchen von Schweinepest ein Teil
der Herren Kreistierärzte angewiesen ist, dem Hygienischen
Institute der Berliner Hochschule Nachricht zu geben, ein
anderer Teil dem Kaiserlichen Gesundheitsamte. Ich möchte
Sie nun bitten, bei Ihrer Mitteilung an uns sowohl die Stück¬
zahl des Gesamtbestandes, wie die Anzahl der noch anscheinend
gesunden Tiere anzugeben, wenn möglich klassifiziert in: Schweine,
Läufer und Ferkel. Ich bitte Sie ferner im Interesse der Sache
bei unseren etwaigen örtlichen Untersuchungen und bei den
Impfungen, falls diese nicht durch Tierärzte des K. G. A. aus¬
geführt werden sollten, zugegen zu sein, da es sich dabei regel¬
mäßig auch um die Beachtung veterinärpolizeilicher Gesichts¬
punkte handelt.
Herr Veterinärrat Nevermann schloß sich den Aus¬
führungen des Vorredners an und bat gleichfalls, das Kaiserliche
Gesundheitsamt nach Möglichkeit zu unterstützen. Alsdann hielt
Professor Dr. Peter-Angermünde seinen Vortrag über Lage
und Bestrebungen der Privattierärzte.
(Schluß folgt.)
Internationaler tierärztlicher Kongreß im Haag
im September 1909.
Das holländische Komitee versendet eine erste Mitteilung
über den Kongreß, welche im wesentlichen die Zusammensetzung
des Komitees angibt. Der Prinzgemahl Heinrich der Nieder¬
lande hat das Protektorat des Kongresses übernommen. Es
hat sich ein Ehrenkomitee, ein vorbereitendes Komitee und ein
Exekutivkomitee gebildet.
An der Spitze des Ehrenkomitees steht als Präsident der
Minister für Landwirtschaft, Gewerbe und Handel. Zu den
Vizepräsidenten gehören Minister, ausländische Gesandte, der
Vorsitzende des Abgeordnetenhauses und der Generaldirektor
der Landwirtschaft im Haag. Mitglieder sind unter anderen
die Gouverneure der Provinzen Südholland und Utrecht, die
Bürgermeister vom Haag und von Utrecht, 6 Universitäts¬
professoren, der Direktor der Reichstierarzneischule.
Zu dem Vorbereitungskomitee gehören die Dozenten an der
Reichstierarzneischule, der Direktor des Reichsseruminstitutes
in Rotterdam (Poels), der Chefmilitärtierarzt im Haag, eine
Anzahl hervorragender Tierärzte, darunter der Vorsitzende und
der erste Schriftführer der Niederländischen Tierärztlichen
Gesellschaft, die Vorsitzenden und Schriftführer aller Abteilungen
dieser Gesellschaft, der Vorsitzende und Schriftführer der
Tierärztlichen Hygienischen Gesellschaft, und Vertreter des
Veterinärwesens in den Kolonien.
Ä n der Spitze des Exekutivkomitees steht als Präsident der
Dozent an der Reichstierarzneischule W. C. Schimmel, Mitglied
des Ständigen Ausschusses der internationalen tierärztlichen
Kongresse. Vizepräsidenten sind Distriktstierarzt von Haarlem,
Hengeveld und Dr. Poels; Kassenführer: Dozent vanEsveld;
Generalsekretär: Dr. de Jong, Mitglied des Ständigen Aus¬
schusses der internationalen tierärztlichen Kongresse und Schlacht-
hpfdirektor. i Außerdem sind Schriftführer: Dr. Remmelts, In¬
spektor der Exportfleischbeschau im Haag, und Dr. Marcus,
Dozent; in Utrecht. Mitglieder sind außerdem: Chefmilitärtierarzt
im jH^ag Oberst Overbosch, der Vorsitzende der Nieder¬
ländischen Tierärztlichen Gesellschaft Kroon in Deventer. Der
Dozent an der Reichstierarzneischule Wester und der Inspektor
des Zivilveterinärwesens auf Java Penning. Im Exekutiv¬
komitee ist eine besondere Geschäftsleitung gebildet, an deren
Spitze der Präsident des Komitees steht und der Dr. Marcus
äl8 Schriftführer und der Generalsekretär, sowie der Kassen-
führer des Komitees als Mitglieder angehören.
Das Exekutivkomitee fordert dazu auf, in allen Ländern
nationale Komitees zu bilden. Eine genaue Zeitangabe für den
Kongreß wird deshalb noch unterlassen, weil 1909 auch ein
internationaler medizinischer Kongreß in Budapest stattfindet.
Das Komitee hat sich mit der Kurverwaltung von Scheveningen
in Verbindung gesetzt, um den Mitgliedern des Kongresses den
Besuch dieses Weltbades so angenehm wie möglich zu gestalten.
Auskunft erteilen der Generalsekretär und die Schriftführer.
In Deutschland ist die Bildung des Nationalen Komitees in
die Wege geleitet.
Rheinischer Pferdezuchtverein.
In der Hauptversammlung des Vereins hielt der frühere
Gestütdirektor des Fürstlich Fürstenbergschen Gestüts, jetzige
Schlachthofdirektor Tierarzt Sucko, einen Vortrag über Ver¬
erbung und Aufzucht der Pferde mit besonderer Berücksichtigung
der Schrittpferde, der von Vereins wegen im Druck erscheinen soll.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Korpsstabsveterinär
Plaettner beim Generalkommando des XIV. Armeekorps das Ritter¬
zeichen erster Klasse des Herzoglich Anhaitischen Hausorden»
Albrechts des Bären, dem Korpsstabsveterinär Qualitx beim General¬
kommando des -X. Armeekorps das Ehrenritterkreuz des Groß-
herzoglich Oldenburgischen Haus- und Verdienstordens des Herzogs
Peter Friedrich Ludwig.
Ernennungen: Der Privatdozent der medizinischen Fakultät der
hiesigen Friedrichs-Wilhelms-Universität Professor Dr. Emil Abder¬
halden zum etatsmäßigen Professor an der Tierärztlichen Hoch¬
schule Berlin.
Niederlassungen: Tierarzt Hans Zeincr aus Pasenbach in Neu¬
burg a. d. Kammei. — Verzogen: Die Tierärzte Schade von Berlin,
Grimmstr. 2, nach Ober-Schöneweide, Deulstr. 11, R. Rehfeldi, Ober-
veterinär a. D., von Friesack nach Berlin 0.34, Wilhelm Stolzestr. 8,
Loeicenthal von Fraustadt nach Breslau V, Tauentzienplatz 9.
Examina: Promoviert: Die Tierärzte August Schroeder, Assi¬
stent an der Tierärfctl. Hochschule in Dresden, und Kurt Schumann T
z. Z. Einjähr.-Freiwillig, im Train-Bat. in Leipzig, zum Dr. med. vet.
in Leipzig. — Die kreistierärztliche Prüfung für Preußen hat
bestanden .*• Amtstierarzt Max Äwwwjr-Dresden-A., Gerichtstr. 27. —
Approbiert: Die Herren Karl Dammhahn aus Röglitz, Emst
Hartmann aus Calbe, Gustav Kubitxa aus Karchwitz, Paul Schrödter
aus Zerbst in Berlin; K. Georg Lohse , J. Hugo Heyne, Jacob Schaftitxel,
Christ . Friedr. Karl Wütmann und Kaarle Laurell (aus Finnland)
in Dresden; Fritz Haag aus Görlitz, Edmund Heine aus Eilsdorf,
Alfred Malad aus Spremberg, Wilhelm Weiffenbach aus Waldkappel
in Hannover.
Todesfälle: Tierarzt Carl KUhl-Berlin, Tierarzt Georg Schrödtr -
Fraulautern a. Saar.
Vakanzen. (Vgi. Nr. 10.)
Kreistierarztstelle: Reg.-Bez. Aachen: Jülich zum 1. Maid. J.
Bewerbungen bis 10. April an den Regierungspräsidenten.
Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis:
Spangenberg: Tierarzt zum 1. April d. J. Meldungen an
den Magistrat.
yerantnortlioh für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. 8ebma1ts in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Sehoets in Berlin. —
Druck von W. BOxensteln, Berlin.
Di« „Berliner Tierärztliche Wochenaehrift“ erscheint
wöchentlich im Verlag** von Richard Schoetx in
Berlin SW. 48. Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert. (Österreichische Post-Zeitungs-
* Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Onginaibeiträge werden mit 6o Hk., ln Petltaatx mit
80 Hk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., Luisenstrafle 56. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Glage
Veterinärrat Dr. Lothes
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redaktenr.
Prof. Dr. Peter Veterinärrat Peters
Veterinärrat Preuße
Dr. Richter
Professor
Departeraentstierarat
KreLtierarzt
Departementstierar/.t
Departcraenutiorarzt
Professor
Hamburg.
Cöln.
Angermünde.
Bromberg.
Danzig.
Dresden.
Med.-Rat Dr. Boeder Dr. Schlegel Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel Zfindel
Professor Professor Professor Landestierarzt v. Bayern Kreistierarzt
Dresden. Freiburg i. Br. Dresden. München. Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908. _ M 14 . _ Ansgegeben am 2. April.
I n h alt: Kllmmer: Das Dresdner Tuberkulose-Schutzimpfverfahren für Rinder mit Hilfe nicht infektiöser Impfstoffe.
— Train: Mitteilungen aus der Praxis. — Blunk: Der Ecraseur-Emasculator. — Referate: Joest, Noack und
Liebrecht: Untersuchungen zur Frage des Vorkommens latenter Tuberkelbazillen in den Lymphdrüsen des Rindes und
Schweines. — Lüttschwager: Beiträge zur Kenntnis von der Entstehung der Anthrakosis pulmonum. — Schm ul: Die
histologischen Veränderungen bei der Enteritis pseudomembranacea der Katzen. — Jakob: Maligne Lymphomatöse beim
Hund. — Löte: Über ein Symptom der experimentellen Wut: über das sogenannte prämonitorische Fieber. — Dutroys: Ein¬
seitige Facialislähmung beim Ochsen. — Herrn ans: Untersuchung des Lumbagins Raebiger. — Gergely: Plötzlicher Tod
einer Kuh nach Verfüttern der Eihäute. — Tageogeschichte: Teetz: Die neue Mecklenburgische Taxe für Tierärzte. — Zur
Stejlung der Tierärzte in der Fleischbeschau. — Die Stellung der sächsischen und preußischen beamteten Tierärzte. — Ver¬
schiedenes. — Staatsveterinärwesen: Deutscher Landwirtschaftsrat. — Schöppler: Ein Nürnberger Tierseuchenflugblatt aus
dem 18. Jahrhundert. — Jahresbericht über die Tierseuchen in Deutschland 1906. —Aus der Rede des Reichstagsabgeordneten
Siebenbürger über das Abdeckereiwesen. — Verschiedenes. — Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel: Müller: Die
Bekämpfung der Rindertuberkulose und die Mitwirkung der Molkereigenossenschaften dabei. — Häutehandel und Novelle zum
Reichsviehseuchengesetz. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Das Dresdner Tuberkulose-Schutzimpfverfahren
für Rinder mit Hilfe nicht infektiöser Impfstoffe.
(Vorläufige Mitteilung.)
Von Prof. Dr« M. Klimmer,
Diickior der Seucliunvrrdiulisanstalt a. d. K. Tierärztlichen Hochschule zu Dresden.
Es kann heute als erwiesen angenommen werden, 1., daß
es leicht gelingt, Rindern durch Impfungen mit nicht
rinderpathogenen Tnberkelbazillen verschiedenen Ur¬
sprungs eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen die
Tuberkulose zu verleihen;
2, daß die künstlich erzielte Widerstandsfähigkeit
nicht zeitlebens, sondern nur etwa ein Jahr anhält.
In letzterer Tatsache liegt ein sehr wesentlicher Grund
verborgen, warum die v. Behringsche Bovovaccination
und das Koch-Schützsche Tuberkulose - Schutzimpf¬
verfahren mit dem Tauruman in der Praxis versagt. Ich
brauche hieranf an dieser Stelle um so weniger einzugehen, als
diese Verhältnisse wiederholt von anderer Seite (Hutyra, Eber
etc.) eingehend beleuchtet worden sind. Auch die anderen Mängel
des v. Behringschen und Koch - Schiltzschen Verfahrens
(Tuberkulose-Infektionsgefahr für den die Impfung ausführenden
Tierarzt und dessen Umgebung, Infektion des Fleisches der
Impflinge mit virulenten Tuberkelbazillen, unbequeme, zeit¬
raubende und für den Impfling nicht ganz ungefährliche
Applikationsweise des Impfstoffes), will ich hier übergehen und in
dieser Richtung auf meine ausführliche, im nächsten Heft der
Zeitschrift für Tiermedizin erscheinende Abhandlung verweisen.
Diese hier nur angedeuteten Nachteile der bisher der Allgemeinheit
aUein zugänglich gemachten Tuberkuloseimmunisierungsverfahren
v. Behrings und Koch-Schütz’s zu überwinden, das war die
Aufgabe, die ich mir in erster Linie für die in den Jahren 1903
und 1904 durchgeführten Tuberkulose-Arbeiten gestellt habe;
mit anderen Worten gesagt, ich war bestrebt, ein wirksames
Tuberkulose-Schutzimpfverfahren auszuarbeiten, welches
für den die Impfung ausführenden Tierarzt und dessen
Umgebung sowie für die Impflinge gleich ungefährlich
ist, die Fleisch- und Milchnutzung der Impflinge auch
durch Nachimmunisierungen nicht beeinträchtigt und
die stets schnell und leicht durchzuführende subku¬
tane Einspritzung des gebrauchsfertig abgegebenen
Impfstoffes gestattet, also ein Verfahren, welches mit dem
von v. Behring und Koch-Schütz lediglich die beabsichtigte
immunisierende Wirkung auf Rinder gemein hat.
Wie eingangs hervorgehoben wurde, dauert die durch die
Impfung erzielte Widerstandsfähigkeit gegen die Tuber¬
kulose nur etwa ein Jahr an. Es besteht hier also die gleiche
zeitliche Beschränkung der Schutzwirkung, wie sie uns be¬
züglich der Immunisierungsverfahren gegen andere Infektions¬
krankheiten (z. B. Milzbrand, Rotlauf) schon längere Zeit be¬
kannt ist. Da ein einjähriger Schutz gegen die Tuberkulose,
die hartnäckigste und langwierigste Stallseuche, praktisch
von sehr beschränktem Werte ist, so muß die Widerstands¬
fähigkeit gegen diese Seuche in gleicher Weise, wie dies z. B.
beim Rotlauf geschieht, durch Nachimmunisierungen ver¬
längert werden und damit die Tuberknloseschntzimpfung erst
eine praktische Bedeutung als Tuberkulose-Bekämpfungsmittel
erlangen. Diese alljährlich vorzunehmenden Nachimmu¬
nisierungen können bei Milchtieren, d. h. der Mehr¬
zahl der Rinder, natürlich nicht mit Impfstoffen durchgeführt
werden, welche, wie das v. Behringsche Bovovaccin und das
Koch-Schützsche Tauruman, virulente Menschentuberkel¬
bazillen enthalten (Übergang der virulenten Tuberkelbazillen
jn die Milch), sondern hierzu sind nur nicht infektiöse
Impfstoffe geeignet. Die Lösung der ganzen Tuberkulose-
ßchutzimpffrage hängt somit davon ab, ob es gelingt, einen
nicht infektiösen TuherknloseBchutzimpfstoff herzustellen.
Dieses Ziel suchte ich auf sehr verschiedenen Wegen zu
erreichen, und zwar
242
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
1. mit Hilfe von Menschentuberkelbazillen, welche durch
vorsichtiges, längeres Erhitzen auf 52 bis 53° ihrer Infektiosität
völlig beraubt worden sind („abgeschwächte Menschen¬
tuberkelbazillen“);
2. mit auf gleicher Weise mitigierten Rindertuberkel¬
bazillen;
3. mit avirulenten Tuberkelbazillen;
4. mit den Antigenen der Tuberkelbazillen und ihren
Antikörpern.
Von diesen Verfahren habe ich bisher nur jene mit
avirulenten Tuberkelbazillen und mit abgeschwächten
Menschentuberkelbazillen in die Praxis eingeführt und
auf diese allein soll im Nachfolgenden Rücksicht genommen
werden.
Die abgeschwächten Menschentuberkelbazillen
werden in der Weise gewonnen, daß eine Aufschwemmung be¬
stimmter Menschentuberkelbazillen längere Zeit einer Temperatur
von 52 bis 53 Grad ansgesetzt wird. Die Erhitzung muß
einerseits genügend kräftig durchgeführt werden, um den
Tuberkelbazillen ihre Infektiosität vollkommen zu rauben,
andererseits aber hinlänglich schonend, um ihre immunisierende
Wirkung zu erhalten. Die avirulenten Tuberkelbazijlen
sind aus Kammolchen reingezüchtet worden, die etwa drei¬
viertel Jahr zuvor wiederholt mit Menschentuberkelbazilien, die
ihrerseits vielfach wiederum Molchpassagen durchgemacht
haben, geimpft worden sind.
Beide Impfstoffe vermögen beim Meerschweinchen, be¬
kanntlich dem für Tuberkelbazillen menschlichen Ursprungs
empfänglichsten Versuchstiere, welches in seiner Disposition noch
den Menschen übertreffen dürfte, ferner bei Kaninchen, Mäuse,
Ratten, Hunden, Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden Tuber¬
kulose nicht zu erzeugen, sie sind also für diese Tiere voll¬
kommen apathogen und erlangen auch durch einfache Tier¬
passagen ihre Infektiosität nicht wieder zurück. Sie
werden vielmehr, in der vorgeschriebenen Dosis dem lebenden
Rinderkörpor eingeführt, sehr bald abgetötet und restlos be¬
seitigt. Die erwähnten Tier-, namentlich Meerschweinchen-
Versuche berechtigen zu der Schlußfolgerung, daß die betreffenden
Impfstoffe auch für Menschen sowohl bezüglich des Impf¬
aktes als auch hinsichtlich des Genusses von Fleisch und
Milch der mit den Dresdener Tuberkulose-Schutzstoffen ge¬
impften Rinder vollkommen ungefährlich sind.
Die Dresdner Tuberkulose-Schutzimpfung eignet
sich in erster Linie für die junge Aufzucht. Sie kann aber
auch an älteren tuberkulosefreien Rindern (Tuberkulin¬
probe und klinische bzw. bakteriologische Untersuchung) vor¬
genommen werden. In der Praxis verfahre ich in der Weise,
daß ich die Erstimpfungen auf den Gütern in vierteljährigen
Zeitabschnitten vornehme, dabei die Zweitimpfung der vorher¬
gehenden Serie bewirke und einmal im Jahre die jährlichen
Nachimmunisierungen ausführe. Im übrigen geben die am Ende
abgedruckten Vorschriften weitere Aufschlüsse. Damit die
Kälber nicht vor oder kurz nach der Schutzimpfung (die
Schutzwirkung ist erst ein bis zwei Monate nach der Erst¬
impfung genügend entwickelt) der Tuberkulose anheimfallen,
sind sie vor allem vor einer Milchinfektion zu bewahren.
Auch sonst wird man die schutzgeimpften Rinder ver¬
meidbaren Tuberkuloseansteckungen natürlich nicht ab¬
sichtlich aussetzen. Es wäre dies genau so unsinnig, als wenn
sich ein gegen Pocken immunisierter Mensch grund- und zweck¬
los einer Infektion mit Menschenpocken aussetzte. Für den
praktischen Erfolg genügt es vollkommen, wenn die als tuber¬
kulös erkannten Tiere möglichst ausgemerzt und die in die
Wirtschaftsverhältnisse kaum eingreifenden Vorschriften nacli
Möglichkeit befolgt werden.
Die Impfung ist bei der Verwendung der Dresdner
Tuberkulose-Schutzimpfstoffe außerordentlich einfach. Der
fertig bezogene Impfstoff, welcher nur an Tierärzte abgegeben
wird, ist vor dem Gebrauch kräftig durchzuschütteln, in eine
Pravazsche Spritze aufzusaugen und den Impflingen unter
die Haut zu spritzen. Eine Behandlung der Impfstelle vor
und nach der Impfung ist nicht notwendig.
Die Impfung wird von den Rindern gut vertragen.
Impfabszesse, welche nach der Injektion virulenter Tuberkel¬
bazillen in die Unterhaut aufzutreten pflegen, entstehen nach der
Verwendung der Dresdner Impfstoffe nicht. Sogar tuberkulöse
Jungrinder, die öfters absichtlich der Schutzimpfung unterzogen
worden sind, haben dieselbe ohne jeden Nachteil überstanden.
Bisher konnte sogar festgestetlt werden, daß die zur Zeit der
Erstimpfung örtlich beschränkten tuberkulösen Prozesse zum
Stillstand kamen. Letztere Beobachtungen sind jedoch nicht
hinlänglich zahlreich, um sichere Schlußfolgerungen zu gestatten.
Die Schutzwirkung der schnell und leicht auszuführenden
subkutanen Impfungen ist jener der intravenösen mindestens
gleichwertig, voraussichtlich sogar von nachhaltigerer Wirkung.
Sie läßt sehr häufig eine etwa einjährige Tuberkulinfiberem¬
pfindlichkeit zurück. Infolgedessen ist die Tuberkulinprobe
bei den alljährlich nachzuimpfenden Tieren als Diagnostikum
nicht zu gebrauchen.
Von etwa 000 mit den Dresdner Tuberkulose-Schutzstoffen
geimpften Rindern sind etwa 500 vor der Impfung auf Tuber¬
kulose untersucht und frei befunden worden. Von diesen sind
bisher 27 Stück geschlachtet bzw. an interkurrenten
Krankheiten verendet. In keinem Falle konnten bei der
Untersuchung irgendwelche tuberkulöse Prozesse nachge¬
wiesen werden. Die Erstimpfung lag zum Teil 3 Jahre, zum
größeren Teile kürzere Zeit zurück.
Bei den Immunitätsprüfnngen im künstlichen In¬
fektionsversuch haben die dem Dresdner Tuberkuloseschutz¬
impfverfahren (zweimalige Vorbehandlung) unterzogenen Rinder
gegenüber einer schweren intravenösen Tuberkulose-
infektion, welche ein nicht vorbehandeltes Rind in 4 bis
7 Wochen tötet, eine sehr hohe, vielfach sogar ab¬
solute Widerstandsfähigkeit gezeigt. Die Immnnitäts-
prüfung wurde in der Regel ein viertel Jahr nach beendeter
Schutzimpfung vorgenommen; in je einem Falle lag jedoch eine
Zeit von 2 Monaten nnd 9 Monaten dazwischen. Auch in diesen
beiden Versuchen wurde eine gleich beträchtliche Widerstands¬
fähigkeit gegen eine künstliche Infektion festgestellt. Ein
Unterschied in der Schutzwirkung beider Impfstoffe, der aviru¬
lenten Tuberkelbazillen und der durch Erhitzen abgeschwftchten
Menschentuberkelbazillen konnte nicht festgestellt werden, des¬
halb habe ich auch beide Impfstoffe beibehalten. — Eine aus¬
führlichere Darstellung des sehr umfangreichen Beobachtnngs-
materials werde ich mit den Versuchsprotokollen im nächsten
Heft der Zeitschrift für Tiermedizin veröffentlichen.
Nachdem das Dresdner Tuberkuloseschutzimpfverfahren so¬
wohl in zahlreichen künstlichen Infektiönsversuchen als
2. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
243
auch drei bzw. vier Jahre lang in der Praxis mit
bestem Erfolge erprobt und meine Beobachtungen von
verschiedenen praktischen Tierärzten bestätigt worden
sind, glaube ich nun dieses Verfahren der Allgemeinheit zu¬
gänglich machen zu sollen.
Vorschriften für die Durchführung des Dresdner Tuberkulose-Schutz-
Impfverfahrens mit Hilfe nicht infektiöser Impfstoffe.
1. Das Dresdner Tuberkulose-Schutzimpfverfahren eignet
sich für gesunde junge Rinder im Alter von drei Tagen bis
IV 2 Jahren und tuberkulosefreie ältere Rinder. Kränkelnde
Tiere und gegebenenfalls auch solche Kälber, welche der Milch¬
nahrung ,entwöhnt werden, sind bis zur Genesung bzw. bis
zum überstandenen Absetzen von der Schutzimpfung auszu¬
schließen.
2. Als Impfstoff dient eine gebrauchsfertig bezogene Auf¬
schwemmung von entweder durch Erhitzen völlig abgeschwächten,
nicht mehr infektiösen Menschentuberkelbazillen (TH) oder von
avirulenten Tuberkelbazillen (AT), al^o von Bakterien, die bei
sachgemäßer Anwendung für Menschen und Impflinge gleich
ungefährlich sind. Bei Milchtieren sind vorläufig nur aviru-
lente Tuberkelbazillen zu verwenden.
3. Der Impfstoff wird in eingeschmolzenen Glasröhrchen
gebrauchsfertig von der chemischen Fabrik Humann & Teisler,
Dohna i. Sa., zu einem Preise von 1 M. für eine Dose ein¬
schließlich Verpackung abgegeben. Der Impfstoff ist möglichst
frisch, auf jeden Fall innerhalb der auf der Dosis angegebenen
Zeit (ca. drei Wochen) zu gebrauchen und bis zur Verwendung
kühl und dunkel aufzubewahren. Vor dem Gebrauch ist der
Impfstoff kräftig durchzuschütteln. Hierauf wird der engere
Teil des Glasröhrchens mit einer kantigen Feile angeschnitten
und abgebrochen. Der Impfstoff eines geöffneten Röhrchens ist
noch am selbigen Tage zu verwenden.
4. Der Impfstoff wird aus dem geöffneten Röhrchen in eine
Pravazsche Spritze aufgesogen. Die Spritze, welche möglichst
nur für die Impfungen mit den Dresdner Impfstoffen zu reservieren
ist, muß stets sauber gehalten und vor und nach dem Gebrauch
durch Ausspülen mit einer Desinfektionsflüssigkeit (1 prozentige
Sublimatlösung, 2 prozentige Lysollösung usw.) und hierauf mit
abgekochtem Wasser oder besser noch durch Auskochen
gereinigt werden.
5. Die Impfdosis beträgt 5 ccm des Impfstoffes.
6. Der Impfstoff wird den Bindern unter die Haut gespritzt.
Als Impfstelle eignet sich vornehmlich die linke Halsseite. Eine
besondere Behandlung der Impfstelle vor oder nach der Ein¬
spritzung ist nicht notwendig.
7. Die Impfung ist a) ein Vierteljahr nach der ersten Ein¬
spritzung und b) alljährlich zu wiederholen. Besteht der Verdacht,
daß der junge Impfling schon vor der Schutzimpfung an noch
nicht vorgeschrittener Tuberkulose erkrankt ist (für ältere
tuberkulöse Rinder und für junge mit vorgeschrittener Tuberkulose
ist die Impfung erfolglos), so ist die Impfung zweckmäßiger¬
weise im ersten Jahre in ein viertel jährigen Zwischenpausen
viermal zu wiederholen.
8. Es empfieht sich die Impflinge vor und etwa zwei Monate
lang nach der ersten Schutzimpfung vor einer Tuberkulose¬
ansteckung möglichst zu bewahren. In dieser Richtung kommt
bei der jungen Aufzucht in erster Linie die Ernährung mit ein¬
wandfreier Milch in Frage.
9. Den Kälbern ist entweder Milch tuberkulosefreier Kühe
(zum mindesten solcher Kühe, welche frei von Eutertuberkulose
und sonstiger klinisch feststellbarer Tuberkulose sind) oder ab¬
gekochte bzw. pasteurisierte Milch zu geben. Die Bekömmlich¬
keit und Ausnutzung der abgekochten bzw. pasteurisierten Milch
wird durch Zusatz von 2 g Kochsalz auf einen Liter Milch
wesentlich gebessert.*)
10. Den schutzgeimpften Tieren ist nach Möglichkeit
Aufenthalt und Bewegung im Freien zu geben. Bei Weidegang
ist auf eine ausreichende und kräftige Ernährung der jungen
Aufzucht, namentlich bei dürftigem Gras wuchs und bergigem
Gelände, zu achten.
11. Im Stall läßt man die schutzgeimpften Tiere in Boxen
frei herumlaufen oder stellt sie beim Anbinden direkt hinter
einander auf. Stehen die Rinder in doppelten Reihen mit den
Köpfen gegenüber, so sind den schutzgeimpften Rindern nach
Möglichkeit auch schutzgeimpfte Tiere gegenüberzustellen.
Mitteilungen aus der Praxis.
Von Tierarzt Train (Baruth i. M).
Fibroly8in.
Dem vom Kollegen Herrn Dr. Rah ne-Schönebeck in Nr. 38
der B. T. W. geschilderten Behandlungsfall mit Fibrolysin kann
ich drei Fälle anreihen, in denen das Fibrolysin mir wertvolle
Hilfe geleistet hat. Das Mittel war mir seinerzeit von der
Firma E. Merck, Darmstadt, zu Versuchszwecken gütigst über¬
lassen worden. Das Fibrolysin ist ein wasserlösliches Doppel¬
salz aus 1. Molekül Thiosinamin und V 2 Molekül Natr. salicyl.
Eß kommt zu tierärztlichen Zwecken in sterilisierten Lösungen
in den Handel; die Lösungen befinden sich in der Menge von
11,5 ccm = 1 g Thiosinamin in praktischen Ampullen.
Über Nacht vom 28. zum 29. Januar d. J. erkrankte ein
Schimmel des Gastwirts G. zu B. an einer heftigen Phlegmone
des rechten Vorderschenkels. Der Schenkel war vom Fessel¬
gelenk an aufwärts bis unter die Brust gleichmäßig stark
geschwollen. Im Laufe der Behandlung entleerten sich
14 Abszesse von selbst; 19 tiefer liegende Abszesse mußten
gespalten werden. Am 13. März konnte die Phlegmone als
abgeheilt betrachtet werden; die Abszesse waren ausgeheilt,
neue Abszesse bildeten sich nicht mehr. Leider hatte sich eine
Sklerose über den ganzen Schenkel gebildet: das Pferd konnte
den Schenkel in keinem Gelenk beugen; es schleppte ihn im
Gange mit einem Bogen nach auswärts etwas nach vorn; die
Hufspitze schleifte auf der Erde. Trotzdem das Pferd täglich
geführt und der Schenkel mit zerteilenden Salben gründlich
massiert wurde, war am 15. April keine nennenswerte Besserung
eingetreten. Der Gang war nur eine Wenigkeit freier geworden;
der Schenkel machte jedoch immer noch den Eindruck, als wenn
er hölzern sei. Die Sklerose hatte sich nicht zurückgebildet.
Vergleichende Messungen des linken und des rechten Vorder¬
schenkels ergaben; linker Vorarm (an zwei Stellen gemessen)
45,31 72 cm, rechter 47,35 cm; Vorderfußwurzel links 31, rechts
33 cm; Mittelfuß links 20, rechts 2372 5 Fesselgelenk links 23,
rechts 2872 cm. Da das Pferd wertlos war, wollte der Besitzer
es an den Schlächter verkaufen. Ich riet jedoch noch zu einem
Versuch. Am 15. April machte ich am Halse des Pferdes eine
*) Näheres siehe Kl immer, Veterinärhygiene. Paul Paroy.
Berlin 1908, S. 288.
244
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
subkutane Einspritzung von 11,5 ccm Fibrolysinlösung. Eine
Schwellung oder ein Abszeß an der Einstichstelle trat weder
in diesem, noch in den folgenden Fällen ein; eine Einwirkung
auf die Körpertemperatur, Herztätigkeit, Atmung war nicht
bemerkbar. Das Pferd wurde täglich geführt; eine andere Be¬
handlung wurde nicht eingeleitet. Am 18. April wurde der
rechte Schenkel an denselben Stellen wie am 15. April gemessen;
die Ergebnisse waren 45,33 1 /2 cm; 32,23V 2 , 27 72 cm. Am
19. April wurden wiederum 11,5 ccm Fibrolysinlösung subkutan
eingespritzt. Die am 22. April vorgenommenen Messungen er¬
gaben 45, 32, 32, 21, 25. Bis auf das Fesselgelenk waren die
Umfangverhältnisse etwa normal. Der verhältnismäßig große
Umfang des Fesselgelenks wurde durch zwei Narbenkeloide
verursacht. Die Behandlung des Pferdes konnte nicht fortgesetzt
werden, da der Besitzer das Pferd, dessen Gang sowohl im
Schritt als auch im Trab einwandfrei geworden war, verkaufte.
Er hatte die Freude für das am 15. April noch wertlose Tier
den von seiner Seite angelegten, hohen Kaufpreis beim Verkauf
wieder zu erzielen. Was durch eine vierwöchentliche Be¬
handlung mit anderen Mitteln und mit Massage vergeblich
versucht, nämlich die Sklerose zu bessern, das gelang mit zwei
Fibrolysineinspritzungen fast vollständig, und dieser Fall über¬
zeugte mich von der narbenerweichenden und gegen Bindegewebe¬
wucherung spezifischen Wirkung des Fibrolysins.
Der zweite Fall betraf einen Ochsen des Dominiums P.
Mitte Mai soll der Ochse beim Ausweichen mit der linken Brust¬
seite gegen einen Balken gelaufen sein. Die entstandene Ge¬
schwulst war mit essigsaurer Tonerde angeblich behandelt
worden, wollte aber nicht vergehen. Am 20. Juni untersuchte
ich das Tier. Dicht hinter der linken Schulter befindet sich
eine etwa suppentellergroße, etwas ovale, harte, flache, nicht
vermehrt warme, bei Druck nicht schmerzhafte Verdickung
welche sich mit der Haut verschieben läßt. Das Tier verkürzt
im Gange den Schritt links sehr und lahmt somit stark. Ich
stellte die Diagnose: Tumor fibrosus und spritzte dem Ochsen
11,5 ccm Fibrolysin ein, subkutan am Halse. Am 5. Juli war
die Geschwulst bis auf die Hälfte zurückgebildet. Ich spritzte
noch einmal 11,5 ccm Fibrolysinlösung ein, dieses Mal aber
direkt in die Mitte der Geschwulst. Am 8. Juli war von der
ganzen Geschwulst nur noch ein etwa zweimarkstückgroßes,
ganz flaches Stück zu fühlen und der Ochse verrichtete seine
Zugdienste ohne zu lahmen.
Auf demselben Dominium P. wurde mir am 20. Juni ein
Pferd vorgeführt, welches von dem Nachbarpferd gegen die
Vorderfläche des rechten Sprunggelenks geschlagen worden war.
Es bestand starke Schwellung und Lahmheit. Die vermehrte
Wärme und die Schmerzhaftigkeit sowohl als auch die Lahmheit
wurden durch die gewöhnliche Behandlungsarten zum Verschwinden
gebracht. An der Vorderfläche des Sprunggelenks stellten sich
jedoch querverlaufende Risse ein, welche trotz der Behandlung
mit Chlorzink, Tannoform und Jodoform nicht vernarben wollten,
sondern stets wieder aufbrachen, so daß starke Narbenschwielen
zu befürchten waren. Außerdem war am Sprunggelenk, am
Hintermittelfuß, am Fesselgelenk Sklerose entstanden. Messungen
ergaben für den linken Hinterschenkel: Sprunggelenk 49, Mittel¬
fuß 24, Fessel 30 cm, für den rechten: 52, 26 bzw. 32 cm.
Am 8. Juli wurden zum ersten Male, am 15. Juli zum zweiten
Male 11,5 ccm Fibrolysinlösung subkutan am Halse injiziert.
Die querverlaufenden Risse heilten nunmehr ohne Wucherungen
zu; am 22. Juli zeigte der rechte Hinterschenkel normale Um¬
fangsverhältnisse, nämlich 49 72 , 24 bzw. 30 cm. Die günstigen
Erfolge in diesen drei Fällen sind nach meiner Meinung dem
Fibrolysin zuzuschreiben. Die Heilung wäre vielleicht noch
schneller erfolgt, wenn die Einspritzungen in kürzeren Zwischen¬
zeiten gemacht worden wären; dieses konnte leider infolge der
Praxisverhältnisse nicht ermöglicht werden. Ich aber empfehle
mit gutem Gewissen die Anwendung des Fibrolysins in ähn¬
lichen Fällen.
Jodipln.
Das Jodipin wurde von mir zum ’ erstenmal bei einem
schweren, dänischen Pferde versucht, welches nach dem Jransport
an Lungenentzündung erkrankt war. Von dem Pferdehändler
war diese Lungenentzündung sehr gefürchtet, weil sie ihm schon
häufiger unter seinen Transporten Verluste verursacht hatte.
Ich benutze stets das 25proz. Jodipin und behandelte mit ihm
4 Fälle von Lungenentzündung. In 3 Fällen machte ich nur
eine Injektion von 40ccm, in einem Fall deren zwei. Auffallend
war stets der schnelle Abfall der Fiebertemperatur und die
schnelle Wiederkehr des Appetits. Ferner behandelte ich zwei
schwere Drusepatienten mit Jodipineinspritzungen. Keins der
mit Jodipin behandelten Pferde ist eingegangen. Größere
Schwellungen, wie einige Herren Kollegen nach der Einspritzung
erhalten haben, sind in keinem der von mir behandelten Fälle
eingetreten. Ferner hatte ich in zwei Fällen Gelegenheit, mich
von der auf Eitercoccen spezifischen Wirkung des Jodipins zu
überzeugen. Ein schwerer, dänischer Zuchthengst magerte
rapide ab; Appetit war fast gar nicht vorhanden. Die Diagnose
lautete auf Pyämie. Versuchsweise injizierte ich 40 ccm Jodipin.
Schon am nächsten Tage stellte sich Appetit ein, welcher bis
zu dem am siebenten Tage nach der Infektion erfolgten Tode
des Tieres anhielt. Die Sektion ergab zahlreiche pyämische
Eiterherde (Folge einer überstandenen Druse?). Bei dem
zweiten Versuch handelte es sich um eine Kuh, welche an einer
eiterigen Bauchfellentzündung litt. Nach der Einspritzung von
40 ccm Jodipin stellte sich am nächsten Tage Appetit ein.
Kleins Antiperiostin.
Mit Kleins Antiperiostin habe ich 8 Fälle von veralteten
Überbeinen behandelt. In allen Fällen waren nach Abfallen des
Schorfes, welches etwa 3 Wochen nach der Einreibung erfolgte,
die Überbeine bedeutend kleiner geworden; gänzlich verschwunden
war keins.
Vergotlnine.
Vergotinine wurde in 2 Fällen von Lungendämpfigkeit ver¬
sucht. Der erste Versuch konnte nicht ausgeführt werden, da
das betr. Pferd kein Futter fraß, welchem das Mittel zugesetzt
worden war. Das zweite Pferd erhielt einen Monat hindurch
täglich die vorgeschriebene Menge Vergotinine. Während des
ganzen Monats wurde es voschriftsmäßig gefüttert und nicht
zur Arbeit benutzt. Nach Ablauf des Monats konnte auch nicht
die geringste Besserung wahrgenommen werden. Der körper¬
liche Zustand hatte sich allerdings gebessert; ich schreibe die
Besserung jedoch nicht dem Vergotinine zu, sondern der vier¬
wöchentlichen Ruhe und dem kräftigen Futter.
Euman.
Auf dem Dominium P. herrschte schon seit Jahren die
Schweineseuche. Im vorigen Jahre und in diesem Jahre bis
Ende März wurden die Ferkel in den 3 ersten Lebenstagen
mit polyvalentem Serum (Ostertag-Wassermann) geimpft;
2. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
245
leider ohne Erfolg. Von den 33 in diesem Jahre geimpften
Ferkeln blieben nur 9 als Kämmerer am Leben. Die Schweine¬
zucht sollte wegen der andauernden Mißerfolge aufgegeben
werden. Anf meinen Vorschlag wurden noch Versuche mit dem
von Rnste-Enoch (Hamburg) hergestellten Euman (Serum
gegen chronische Schweineseuche) gemacht. Die Impfungen
hatten überraschende Erfolge. Es wurden bis jetzt geimpft die
9 Kämmerer (pro Tier 5 ccm) und 54 Ferkel (pro Tier 3 ccm
Euman). Der Zustand der 9 Kümmerer besserte sich schnell.
Von den 54 anderen Impflingen ist keins gestorben. Von den
6 Würfen sind nur 5 im Wachstum etwas zurückgeblieben. Die
anderen haben sich gleichmäßig entwickelt.
Bauer S zu M. hatte vor drei Jahren Schweineseuche in
seinem Ferkelbestand. Die vorgenommenen Impfungen mit poly¬
valentem Serum hatten keine Erfolge. Der Bauer verzichtete
deshalb auf die Impfungen, trotzdem infolge der vom Kreise
gewährten Unterstützung die Impfkosten nur sehr minimal
waren. Im April d. J. impfte ich versuchsweise zwölf Ferkel
mit Euman. Die Tiere blieben gesund und entwickelten sich
normal.
G. aus B. hatte eine tragende Sau aus einem Bestände
gekauft, in welchem chronische Schweineseuche herrschte und
beständig geimpft wurde. Wie ich gelegentlich erfuhr, hatte
die Sau neun Ferkel geworfen, welche eingingen; sie sollen
braune Borken und krächzenden Husten gehabt haben. Als die
Sau zum zweiten Male ferkelte, wurden die Ferkel (wiederum
neun) mit Euman geimpft. Der ganze Wurf ist gesund ge¬
blieben und im Alter von acht Wochen im ganzen verkauft
wollen.
Auf Grund meiner Erfahrungen kann ich die Impfung mit
Euman in Beständen empfehlen, in denen chronische Schweine¬
seuche herrscht, und in denen mit polyvalentem Serum erfolglos
geimpft worden ist.
Wurfzeug nach Landestierarzt Blume.
Operationen werden von den auf dem Lande praktizierenden
Tierärzten verhältnismäßig selten auegeführt. Grund hierfür
sind vielleicht die umständlichen Wurfzeuge, welche in den
Kliniken gebraucht werden und zu deren Handhabung eine
größere Anzahl geschulter Hilfskräfte nötig ist. Ich kann den
Kollegen die Anschaffung obigen Wurfzeugs empfehlen. Ohne
die Anwendung des Wurfzeugs vorher gesehen zu haben, habe
ich, der Gebrauchsanweisung folgend, mit Hilfe von drei Leuten*
ein 12 Jahre altes, mittelschweres dänisches Pferd in ganz
kurzer Zeit geworfen, um an ihm eine etwa zwei Pfund schwere,
breit auf der Kastrationsnarbe sitzende Neubildung (anscheinend
Potryomykom) zu entfernen. Die Wunde wurde mit sechs
Wundklammern und sechs Knopfnähten geschlossen. Zum Fest¬
halten des Tieres am Boden waren allerdings fünf Leute nötig.
Mit nur zwei Leuten warf ich z. B. ein 3 / 4 Jahre altes Fohlen
behufs Entfernung einer kleinen Neubildung am Schlauch.
Besonders hervorzuheben ist der Vorteil, daß nur eine Fessel
zum Ab werfen angelegt wird, und daß der Operateur das An¬
legen selbst vornehmen kann, er also nicht auf den oft zweifel¬
haften Mut der Hilfskräfte angewiesen ist. Das Wurfzeug wird
von der Firma Bengen & Co. in einem sehr handlichen Ruck¬
sack geliefert und kann infolge seines leichten Gewichts selbst
auf weiten Radfahrten mitgenommen werden.
Der Ecraseur-Emasculator.
Von Blunk.
ln dem Artikel über stumpfen Emasculator und Ecraseur-
Emasculator in Nr. 13, S. 231 der B. T. IV., ist dem letzten
Abschnitt, der den Ecraseur-Emasculator behandelt, infolge Ver¬
wechselung zweier Klischees eine unrichtige Abbildung beigegeben,
die den Text unverständlich macht. Es icird daher hierunter
der betreffende Abschnitt des Textes mit der richtigen Abbildung
n och mals veröffentlich i.
Ein Intrument, das ich Ekraseur- oder gestielten Emas-
kulator nennen möchte, stellt die zweite Abbildung dar. Aus
derselben ist ohne weiteres die Handhabe und Einrichtung des
Instrumentes erkenntlich. Die an den Enden ineinaderliegender
Stangen befindlichen Maulteile gleichen genau denen eines
schneidenden Emaskulators. Dieselben werden durch die am
anderen Ende befindliche Dreh Vorrichtung oder Zangenschenkel
geschlossen und ^geöffnet.
Das Instrument dient zur unblutigen Kastration von Kühen
und Stuten, sowie zur Entfernung gestielter Neubildungen aus
Scheide, Mastdarm, Maul- und Rachenhöhle, auch findet es zweck¬
mäßiger als irgend ein mir bekanntes Instrument bei der
Kastration von Kryptorchiden Verwendung, wenn sich die Hoden
nicht aus der Operationsöffnung herausziehen lassen. Für das
Instrument wurde das einfache Emaskulatormaul gewählt, da
die Eierstockgefäße verhältnismäßig schwach sind.
Der stumpfe wie der Ekraseur-Emaskulator sind gesetzlich
geschützt. Die Herstellung hat die bewährte Firma Hauptner,
welche bekanntlich Tierärzten Instrumente zu kostenfreiem Ver¬
suche überläßt, übernommen.
Referate.
Untersuchungen zur Frage des Vorkommens latenter
Tuberkelbazillen In den Lympbdrüsen des Rindes und
Schweines.
Von Med.-Rat Prof. Dr. Joest, Amtstierarzt Noack und
Assistent Liebrecht.
(Zeitschr. f. Infektionskr., paras. Krankb. u. Hyg. d. Haust., Bd. III, S. 257.)
In den letzten Jahren ist die Frage, ob in unverändert oder
jedenfalls makroskopisch nicht tuberkulös erscheinenden Lyrapli-
drüsen lebende, virulente Tuberkelbazillen Vorkommen können,
246
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
mehrfach erörtert worden. Namentlich erstreckten sich die
Untersuchungen auf den Menschen, weniger auf Tiere. — Die
Autoren untersuchten nun Lymphdrüsen von mit generalisierter
Tuberkulose behafteten Tieren, wobei das Gewebe ein und der¬
selben Drüse gleichzeitig zu Tierversuchen und zu makro¬
skopischer wie mikroskopischer Prüfung verwendet wurde. Ins¬
gesamt wurden 141 anscheinend nicht tuberkulöse Lymphprüsen
von 94 mit allgemeiner Tuberkulose behafteten Tieren (38 Rindern,
f>5 Schweinen und 1 Ziege) untersucht und zusammengefaßt
folgendes gefunden:
Bei mit generalisierter Tuberkulose behafteten Rindern und
Schweinen finden sich periphere Körperlymphdrüsen oft ver¬
größert, ohne bei der üblichen fleischbeschautechnischen Unter¬
suchung tuberkulöse Veränderungen erkennen zu lassen.
In einzelnen Fällen können in derartigen Lymphdrüsen bei
eingehender Untersuchung unter Zuhilfenahme der Lupe doch
tuberkulöse oder tuberkuloseverdächtige Herde makroskopisch
nachgewiesen werden; die Mehrzahl von ihnen zeigt jedoch selbst
bei genauester makroskopischer Untersuchung (auch mit der
Lupe) nichts Verdächtiges.
Prüft man diese letzteren Lymphdrüsen im Tierversuch, so
zeigt sich, daß die meisten von ihnen tuberkelbazillenfrei sind,
eine Anzahl jedoch enthält lebende, virulente Tuberkuloseerreger.
Beim Rinde ist diese Zahl größer, beim Schwein kleiner. Die
histologische Untersuchung dieser tuberkelbazillenhaltigen,
lediglich vergrößerten Lymphdrüsen ergibt, daß in allen Fällen,
in denen der Tierversuch die Anwesenheit von Tuberkelbazillen
in einer Lymphdrüse anzeigt, spezifisch tuberkulöse Veränderungen
(Epitlieloidzelltuberkel mit Riesenzellen) nachweisbar sind. Die
in diesen Lymphdrüsen vorhandenen Tnberkelbazillen sind somit
nicht latent. Die Zahl der ausgeführten Untersuchungen läßt
den Schluß zu, daß in den Lymphdrüsen mit generalisierter
Tuberkulose behafteter Rinder und Schweine latente Tuberkel¬
bazillen überhaupt nicht Vorkommen, daß vielmehr überall da,
wo sich Tuberkelbazillen im Lymphdrüsengewebe finden, histo¬
logisch auch spezifisch tuberkulöse Veränderungen nachweisbar
sind. Hieraus ergibt sich weiter, daß bei diesen Tieren ein
„lymphoides Stadium der Lymphdrüsentuberkulose“ im Sinne
Bartel8 nicht vorkommt.
Aus den Untersuchungen läßt sich ferner mit großer Wahr¬
scheinlichkeit schließen, daß die in einer im Anfangsstadium
tuberkulöser Erkrankung befindlichen Lymphdrüse vorhandenen
Tuberkelbazillen lediglich auf die tuberkulösen Herde beschränkt
sind, während die histologisch nicht spezifisch verändert er¬
scheinenden Partien des Drüsengewebes frei von ihnen sind.
Die Lymphdrüsen ein und desselben mit generalisierter
Tuberkulose behafteten Tieres können sich in bezog auf ihren
Tuberkelbazillengehalt und dementsprechend in bezug auf das
Vorhandensein spezifisch tuberkulöser Veränderungen verschieden
verhalten.
Die Untersuchungen haben gezeigt, daß latente Tuberkel¬
bazillen in den Lymphdrüsen des Rindes und Schweines nicht
Vorkommen, daß vielmehr da, wo sich Tuberkelbazillen in Lymph¬
drüsen vorfinden, regelmäßig auch spezifisch tuberkulöse Ver¬
änderungen nachweisbar sind. Ein Teil dieser Veränderungen
läßt sich aber mit bloßem Auge nicht erkennen, sie sind
makroskopisch latent, was besonders beim Rind nicht selten
ist. Die in der Praxis der Fleischbeschau übliche makro¬
skopische Untersuchung der Lymphdrüsen auf das Vorhandensein
tuberkulöser Veränderungen reicht nicht aus, um in allen Fällen
solche Veränderungen zu ermitteln. Außer der Anlegung möglichst
weiter Schnittflächen leistet das zuerst von Ostertag empfohlene
Verfahren der Betrachtung der Schnittfläche mit der Lupe gute
Dienste. „Ein noch besseres Verfahren aber ist die Unter¬
suchung eines Quetschpräparates aus der verdächtigen Lymph¬
drüse bei etwa vierzigfacher Vergrößerung. Hierbei sieht man,
wenn es sich um einfache Hyperplasie handelt, überall gleich¬
mäßig durchscheinendes Gewebe. Bei Tuberkulose dagegen ist
das durchscheinende Gewebe durch trübe Partien unterbrochen,
die in der Regel rundlich erscheinen und bei etwas stärkerer
Vergrößerung in der Mitte nekrotische Riesenzellen in Form
brauner oder schwarzer, rundlicher oder ovaler Gebilde erkennen
lassen.“ Schließlich sollte in zweifelhaft bleibenden Fällen auf
Schlachthöfen die eingehendeüntersuchung im gefärbten Schnitt¬
präparat vorgenommen werden, wobei zweckmäßig die Azeton-
Paraffin-SchnelleinbettungBmethode in Anwendung gebracht wird,
die innerhalb weniger Stunden tadellose Schnitte anzufertigen
gestattet. Richter.
Beiträge zur Kenntnis von der Entstehung der
Anthrakosis pulmonum.
Von Dr. med. vet. Lütt Schwager.
(Aus dem pathol. Institut der Tierärztlichen Hochschule in Hannover.)
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 1908. Nr. 1 u. 2.)
In der vorliegenden Abhandlung (Dissertation) kommt der
Verfasser zu folgenden Feststellungen: Der Blutkreislauf spielt
für die Verbreitung des Pigmentes im Körper eine Rolle. An
mehreren Stellen ist in der Wand eines Blutgefäßes Pigment
gefunden worden, ohne daß sich makroskopisch oder ndklft'-
skopiBch eine pathologische Veränderung an der Blutgefäß wand
bemerkbar gemacht hätte. Es muß also ein Übertritt von Pig¬
ment in die Blutgefäße verhältnismäßig leicht möglich sein.
Die Lymphbahnen können als ausschließliche Vehikel deshalb
nicht in Betracht kommen, weil in verschiedenen Fällen die
Pigmentierung von Leber, Milz und Nieren eine bei weitem
größere war, als die der Lymphdrüsen. Es kommen aber auch
die Lymphbahnen mit in Betracht. Dies geht daraus hervor,
daß in Fällen, in welchen der Farbstoff von der Bauchhöhle
aus aufgenommen wurde — nach Fütterung oder intraperitonea¬
ler Injektion von Tusche — die Metastasenbildung eine beson¬
ders reichliche war, weil hier eine ausgezeichnete Resorption
der Tusche durch den Lymphgefäßapparat der Bauchhöhle statt¬
fand. Es muß demnach angenommen werden, daß der Farbstoff
an den Orten seiner Eintrittsstelle in den Körper zunächst von
den Lymphspalten und Lymphgefäßen aufgenommen wird, und
daß er dann, ohne in den Lymphdrüsen vollkommen festgehalten
zu werden, in die Blutbahn übertreten kann. Durch letztere
erfolgt in der Regel seine weitere Verbreitung im Körper.
Rdr.
Die histologischen Veränderungen bei der Enteritis
psendomembranacea der Katzen.
Von Dr. med. vet. Erwin Schmul-Krotoschin.
(Archiv für wisseusch. und prakt. Tierheilkunde. 38. Bd., H. 4 u. 6.)
Sch mul hat eine größere Anzahl von Fällen des sogenannten
Darmkrups bei der Katze histologisch untersucht und gefunden,
daß sich die betreffenden Veränderungen auf Darm, Magen,
Leber und Niere erstrecken. Im Dünndarm ist allen Fällen
gemeinsam eine Kontraktion der Zotten, eine starke seröse
2. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
247
Durchtränkung der Gewebe, eine hyaline Veränderung als Vor¬
stufe zur Nekrose und ein Eintreten der letzteren, von den
Zotten ausgehend, je nach den Fällen nur einen Teil der Darm¬
schichten oder alle ergreifend, ein rapider totaler Untergang der
Epithelien, eine Anämie und hämorrhagische Extravasation inner¬
halb bescheidener Grenzen, eine überall vorhandene Leukozyto-
taxis. Leber und Nieren befinden sich im Zustand der Hyper¬
ämie, der Magen zeigt mindestens katarrhalische Veränderungen.
Die gebildete Pseudomembran ist bald kompakt, bald durch
große Saftlücken in Schichten geteilt und besteht vorwiegend
aus Bakterien, während die Bindesubstanz weder deutliche
Fibrin- noch Muzinreaktion ergibt, vielmehr durch das negative
Verhalten den Farbstoffen gegenüber die Annahme rechtfertigt,
daß sie nach der Exsudation erhebliche Veränderungen er¬
litten hat.
Der Bakterienbelag besteht aus den verschiedensten Arten,
unter denen grampositive Kokken und gramnegative sehr feine
Stäbchen die Überzahl bilden. J. Schmidt.
Maligne Lymphomatöse beim Hand.
Von Dr. H. Jakob, München.
(Wochenachr. lOr Tierheilk. und Viehzucht, 51. Jahrg. Nr. 36.)
Unter der Bezeichnung „Lymphomatöse“ will G. jene Krank¬
heitsformen verstanden wissen, welche sich in Hyperplasie
sämtlicher Lymphapparate äußern, gleichgültig, ob es sich um
wahre Leukämie oder um eine Erkrankung handelt. Er
schildert genau einen solchen Krankheitsfall beim Hund und
geht dann des näheren auf die vitale Untersuchung der Milz ein.
Im Gegensatz zu der jetzt vertretenen Ansicht über die klinische
MÜzuntersuchung vertritt Verf. die Meinung, daß die Diagnose
Milzerkrankung bezw. - Vergrößerung bei Hunden sehr wohl
gestellt werden kann. Der von ihm beschriebene Untersuchungs¬
modus ist folgender: a) Die Inspektion ergibt linkerseits
hinter dem Rippenbogen zunächst eine mäßige, nicht besonders
breite muldenförmige Vertiefung der Bauchwand am Ende des
Epigastriums in der Gegend der Brustweiche, dann je nach der
Milzvergrößerung eine entsprechend große Hervorwölbung des
vorderen Teiles des Mesogastriums, speziell in der Bauch weiche
und der Regio umbilicalis, b) Die Palpation gibt genaueren
Aufschluß. Bei Tiefpalpation von der letzten Rippe in der
Nieren-Lendengegend beginnend fühlt man eine nach abwärts
zur Nabelgegend ziehende, dicht an den Rippenbogen angrenzende,
von diesem jedoch nicht bedeckte und gegen die Umbilikalgegend
sich davon entfernende Geschwulstmasse, die ventralwärts
an Stärke und Verschiebbarkeit zunimmt und einen freien
Zwischenraum zwischen dem eben noch palpablen linken Leber¬
rande übrig läßt, c) Die Perkussion, die entsprechend dem
palpatorischen Befunde eine vollkommene Dämpfung, zuweilen
sogar das Gefühl des Widerstandes erkennen läßt, hilft die
Diagnose sichern. Die Auskultation ist für die Milzuntersuchung
so gut wie wertlos. J. Schmidt.
Über ein Symptom der experimentellen Wnt; über das
sogenannte prämonitorische Fieber.
Von J. Löte.
(Orvosl Hetilap. 1905, Nr. 24.)
Die Temperatur des gesunden Kaninchens ist von so regel¬
mäßigem, charakteristischem Typus, daß Veränderungen dieses
konstanten Temperaturganges als sichere und berechtigte An¬
leitung zur Beurteilung pathologischer Zustände angesehen
werden können, und solche Veränderungen, wie sie im Latenz-
Stadium der Tollwut unter dem Bilde des prämonitorischen
Fiebers auftreten, werden unter normalen Verhältnissen niemals
beobachtet. Löte betont schon seit längerer Zeit, daß die erste
und zuerst nachweisbare Veränderung bei der experimentellen
Tollwut das Fieber sei. Doch darf man dem prämonitorischen
Fieber nicht etwa irgendwelche besondere Bedeutung zuschreiben,
demselben kommt durchaus nicht pathognomonische Bedeutung
zu. Bei unbefangener und eingehender Beobachtung findet man
in diesem Stadium der Erkrankung nebst dem prämonitorischen
Fieber immer noch andere, oft sehr charakteristische Symptome
der Tollwut. Soll man die Bedeutung dieses Fiebers würdigen
können, so muß man wissen, daß beim Entstehen des Fiebers
die verhältnismäßige Virulenz und Stärke des Infektionsstoffes
der entscheidende Faktor ist. Das prämonitorische Fieber ist
also eigentlich nichts anderes, als eine vorübergehende Er¬
scheinung im symptomatischen Stadium der experimentellen Wut.
Dr. Z.
Einseitige Facialisliibmnng beim Ochsen.
Von Dutroys.
(Revue de Toulouse, 1. Januarheft.)
Der Patient war ein fünfjähriger Ochse von großer Statur,
der nach Aussage des Besitzers an Erbrechen leiden sollte.
Dutroy konnte bei der ersten Untersuchung nichts Abnormes
fest stellen, und war der Ansicht, daß es sich bei ihm nur um
ein vorübergehendes Unwohlsein handle. Am nächsten Tage
war er wieder hinzugerufen worden und fand den OchBen liegend
vor. Während des Wiederkäuens schoß von Zeit zu Zeit ein
Bissen aus dem Maule heraus auf den Boden ohne daß es der
Ochse näher zu beachten schien. Das Tier war munter und
hatte noch gute Freßlust. Verfasser ließ die Diagnose noch
dahingestellt und verordnete für die nächsten zwei Tage Be¬
ruhigungsmittel.
Als er wieder nach dem Tiere sah, fand er, daß sich sein
Zustand verschlimmert hatte. Der Appetit hatte etwas nach¬
gelassen und es entfiel ihm jetzt während des Wiederkäuens
mehr Nahrung als vorher. Die Exkremente waren trocken
geballt und von dicklichem Schleim umwickelt. Der Ochse schien
noch ziemlich munter zu sein und hatte 38,2 0 Temperatur.
Als neue Symptome waren aber folgende hinzugetreten:
Das rechte Augenlid bedeckte das halbe Auge, der Blinzknorpel
legte sich zu drei Vierteln über den Augapfel. Das rechte Ohr
hing schlaff herunter und war gefühllos. Aus der rechten
Lippenkommissur floß ein dicklicher, klarer, klebriger Speichel
heraus. Er sah jetzt, daß es sich um rechtsseitige Facialis-
lähmung handelte. Er verordnete dem Ochsen Diät und ließ
ihm 500 g Glaubersalz verabreichen. Des Morgens und Abends
wurden die Backe und die Umgegend des Ohres mit einem
Liniment, dessen Grundsubstanz Brechnußtinktur war, ein¬
gerieben, außerdem wurde zweimal täglich Strychninum sulfu-
ricum in Pulverform verabreicht und außerdem Klistiere zur
Mastdarmentleerung verordnet. Es wurden als Nahrung nur
schleimige Getränke und sehr wenig Futter verabreicht. Nach
zwei Tagen stellte sich schon eine leichte Besserung ein.
Die Behandlung wurde noch acht Tage fortgesetzt, nach
welcher Zeit das Ohr wieder beweglicher geworden war und
sich wieder aufgerichtet hatte. Das Auge war wieder ganz
offen und der Blinzknorpel hatte sich an seinen Platz im innern
Augenwinkel zurückgezogen. Die Exkremente waren wieder
248
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
von normaler Konsistenz. Die innere Medikation wurde noch
zwölf Tage fortgesetzt, nach welcher Zeit das Tier wieder zur
Arbeit verwendet w'erden konnte. Verfasser schreibt die Ursache
der Lähmung dem Umstande zu, daß der Besitzer das Leitseil
dem Ochsen um das rechte Ohr geschlungen hatte, an dem er
nun, um das Tier zu leiten, mit kräftigem Ruck zog und ihm
so an der Stelle eine Wunde beibrachte.
Helfer.
Untersnchnng des Lumbagins Raebiger.
Von Tierarzt Dr. Herrn ans in Waldbeck (Rhld.)
( Aus der medizinischen Klinik der Tierärztlichen Hochachnle in Hannover/.
(Deutsche Tierärztl. Wochenschrift 1908 Nr. 4 und 5).
Der Verfasser kommt in seiner Dissertation zu folgenden
Ergebnissen:
1. Das alte sowie das neue Lumbagin stellen eine Auflösung
von Arzneimitteln dar.
2. Der Hauptbestandteil ist Chinin, und zwar befinden sich so¬
wohl in einer Dosis des alten Lumbagins (50 g) als in einer
Dosis des neuen Lumbagins (30 g) mindestens (10 g) Chinin.
3. In dem alten Lumbagin befinden sich auch noch geringe
Mengen von Antipyrin, die dem neuen fehlen. Es ist zu
vermuten, daß der Zusatz von Antipyrin nur erfolgte, um die
chemische Zusammensetzung des Lumbagins zu verdecken.
4. Zur Lösung der großen Menge von Chinin wurde eine Säure
benutzt.
5. Lumbagin wirkt bei subkutaner Applikation örtlich entzündungs¬
erregend und zuweilen sogar nekrotisierend, beides in gleicher
Weise wie Chinin. Die ordnungsmäßig vorgenommene intra¬
venöse Injektion des neuen Lumbagins bei Pferden führt
keine Veränderung in der Intima der Vene herbei.
Rdr.
Plötzlicher Tod einer Kuh nach Yerfüttern der Eihäute.
Von Tierarzt S. Gergely in Tarnam^ra.
(Allatorvosi Lapok 1907, Nr. 25.)
Verfasser wurde zu einer Kuh gerufen, welche den vorher¬
gehenden Tag leicht gekalbt hat und welche nachher mit einem
großen Teil der Eihäute verfüttert wurde. Nach mehreren
Stunden ist die Kuh plötzlich sehr schwer erkrankt, seitdem
kann sie nicht aufstehen, zeigt Schwachsinnigkeit und ist auf¬
gebläht. Körpertemperatur 41,5 0 C, Puls schwach, Atmen
schwer. Gergely ließ die Kuh mit kaltem Wasser begießen
und machte einen Pansensticli, aber mit wenig Erfolg, denn
Gase entfernten sich nur wenig. Der Herzschlag wurde immer
schwächer, die Temperatur stieg auf 41,8° C, und nach einer
Stunde verendete das Tier. Gergely faßte Verdacht auf
Anthrax und ließ deshalb den Staatsstierarzt zur Sektion kommen.
Bei der Sektion fand man an der Haut und in den Unter-
liantbindegeweben der stark aufgeblähten Kuh nichts Abnormales.
Der Pansen, von viel Gas straff gespannt, im Panseninhalt viel
Futterreste und einige Stücke der Eihaut, von welchen einzelne
größere Stücke sich zwischen den Pansen und den Netzmagen
einkeilten. Die Magenschleimhaut war überall normal, ebenso
auch das Bauchfell.
Die Sektion erwies im übrigen, daß der Tod infolge einer
Lungenkompression zustande kam, welche wieder durch die ein¬
gekeilten Eiliautstücke verursachte Aufblähung hervorgerufen
wurde. Die Untersuchung auf Anthrax gab negatives Resultat.
Dr. Z.
Berichtigung.
In dem Referat aus der ungarischen Literatur B. T. W. Nr. 12,
S. 219, sind einige Druckfehler zu berichtigen. Der Autor ist Herr
v Betegh. Unter Ziffer 3 muß es heißen „Carboifuchsin“ und
unter Ziffer 3 des folgenden Absatzes „Alkohol 10,0“ (nicht 10,4).
In dem letzten Satz auf Seite 219 ist ein Wort mit „Kapsel“ über¬
setzt; darunter ist zu verstehen die Hülle des Bazillus, wie sie
von Koch und Spengler beschrieben worden ist.
Tagesgeschichte.
Die neue Mecklenburgische Taxe für Tierärzte.
Von Tierarzt Teetz, Warin i. Meckl.
Endlich wurde die neue Taxe für Mecklenburgische Tier¬
ärzte im Regierungsblatt veröffentlicht, so daß die Kollegen nun
sehen können, was in dem verschwiegenen Schoße des Mecklen¬
burgischen Landtages geheimnisvoll für sie zurecht gestutzt
wurde. Ich schreibe „geheimnisvoll“, weil über das Ergebnis
der betreffenden Beratungen sowohl aus der Kommission als auch
aus dem Plenum Sicheres an die Öffentlichkeit erst mit der Be¬
kanntmachung durch die Regierung erfolgt, wir also mit der
fertigen Taxe beglückt werden, ohne daß es uns während der Be¬
ratungen in der Kommission möglich ist, irgendeinen berechtigten
Wunsch zu irgendeiner vorliegenden Position vorzubringen.
Es wird von Interesse sein, darauf hinzuweisen, daß auch die
Taxe für Tierärzte zum Ressort der Medizinalkommission in
Rostock gehört. Dieser Kommission gehören, so weit mir bekannt,
Fünf Ärzte als ordentliche und ein Apotheker als außerordent¬
liches Mitglied an. Daß die Interessen der Ärzte bei dieser
Zusammensetzung sehr gut wahrgenommen werden, daß die
Ärzteschaft daher auch (Meckl. Zentralblatt für Ärzte) immer
sorgfältig über alle Dinge, die den Stand betreffen, rechtzeitig
orientiert sind und nötige Beschlüsse und geeignete Schritte zu
deren Durchführung rechtzeitig ergreifen kann, ist also wohl
erklärlich. Uns Tierärzten bleiben alle diese uns betreffenden
Dinge fast ausnahmslos verborgen. Wir müssen nehmen, was
uns von der Medizinalkommission und dem hohen Landtag fix
und fertig vorgesetzt wird. Möge doch endlich einmal die Zeit
kommen, daß auch hier ein Wandel in alten Anschauungen ein-
tritt, daß auch dem tierärztlichen Stande die gebührende Ver¬
tretung und die Rücksicht in ihn betreffende Fragen gegeben
wird, die ihm als einem Stande gebührt, der für ein be¬
sonders landwirtschafttreibendes Land für dieses außerordentlich
wichtig ist.
Im großen und ganzen wollen wir aber noch zufrieden
sein, daß die Regierung während der Beratung ihre schützenden
Hände über uns gehalten hat, und daß wir bei der eigenartigen
Zusammensetzung des Mecklenburgischen Landtages nicht noch
schlechter abgeschnitten haben. Im Landtage sitzen nur Ritter¬
gutsbesitzer und Juristen. Die Rittergutsbesitzer, wie Land¬
leute überhaupt, halten den Daumen auf den Beutel und sehen
sich vor, daß gerade uns Tierärzten nicht zu viel gewährt wird,
weil sie selbst, die Gesetzesmacher, ja in erster Linie als
Zahlende in Betracht kommen; die Juristen sind über unsere
Wünsche wenig informiert, haben auch als Bürgermeister der
Städte für uns wenig Interesse übrig.
Unser einzigster Rückhalt konnte also unter diesen Um¬
ständen nur die Regierung sein, und sie hat wohl mit Hängen
| und Würgen (die Taxe hat schon zwei Landtage beschäftigt!)
2. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
240
aus den Rittern das herausgequetscht, was für uns heraus¬
zuholen möglich war.
Am besten macht sich dies bei der wichtigsten Position,
den Fuhrkosten, bemerkbar; hier sind Ärzte und Tierärzte jetzt
mit 45 Pf. pro Kilometer Landweg gleich gestellt. Es scheint danach
so, als ob die vor zwei Jahren an die Regierungen gerichteten
Denkschriften doch nicht erfolglos abgesandt wurden. Bei den
Kilometergeldern sind wir aber zurückgesetzt und erhalten pro
Kilometer nur 20 Pf., während die Ärzte 377a liquidieren dürfen.
Bei 16 C fehlt in der tierärztlichen Taxe das Wort „und b w ;
es mußte einwandfrei ausgedrückt heißen (A. b und c), wie
in der ärztlichen Taxe. Ob dies nun ein Lapsus oder Absicht
ist? Wer kann’s wissen? Mißtrauisch genug wird man als
Tierarzt, um das letztere anzunehmen. Auf jeden Eall werden
wir von Anfang an 'auf diesen wunden Punkt hinweisen und
überall nun gerade auf die Bewilligung der Kilometergebühr
dringen müssen.
Der Satz für Untersuchung eines Tieres bei Landtouren
(1 bis 3 M.) ist nicht erhöht. Zeitgemäß wäre es gewesen, ihn
auf 1 bis 5 M. zu erhöhen. Jetzt bedeutet diese Position bei der
niedrigeren Kaufkraft des Geldes eine Verschlechterung. In
beiden Taxen fehlt die Gebühr für Abwartung eines Termins;
es sollen also die Sätze der Reichsgebührenordnung für Zeugen
und Sachverständige in Anwendung kommen. Wir werden nun
bei Zeiten darauf achten müssen, daß wir durch die Gerichte
in die richtige Klasse einrangiert werden.
Auf das Selbstdispensieren wurde in der neuen Taxe Bezug
nicht genommen.
Im übrigen wollen wir uns mit dem Erreichten zufrieden
geben; an die Einzelsätze der Ärzte kommen wir doch niemals
heran. Nach meiner Meinung haben wir doch das Wichtigste
erreicht: Wir brauchen bei Fuhrhaltung doch wenigstens jetzt
nicht mehr, wie bisher, von dem Gelde, was wir als Tierarzt
verdienten, zu der Fuhrwerkshaltung zuzahlen. Bisher, wo wir
als Fuhrgeld pro Kilometer nur 20 Pf. liquidieren durften, quälten
wir uns auch als Tierarzt nur für das Fuhrwerk; jetzt wird
das Fuhrwerk doch wenigstens so viel einbringen, daß es sich
selbst erhält.
C. Taxe für die Tierärzte.*)
I. Allgemeine Verriehtongen.
1. Für die erste Beratung in der Wohnung des Tierarztes,
auch wenn sie durch Fernsprecher erfolgt. 1_2 M.
2 . Für jede folgende Beratung in derselben Krankheit in
der Wohnung des Tierarztes, auch wenn sie durch Fern¬
sprecher erfolgt. 1 — 1 50 M.
3. Für den ersten Besuch eines Tieres, wenn es sich am
Wohnorte des Tierarztes befindet. 1—3 m.
4. Für jeden folgenden Besuch in derselben Krankheit . . 1—2 M.
5. Für den ersten Besuch eines Tieres außerhalb des Wohn¬
ortes des Tierarztes bis zu einer Entfernung von 1 km
von demselben.. 50—5 m.
ß. Für jeden folgenden gleichartigen Besuch in derselben
Krankheit..
7. Für den ersten Besuch eines Tieres außerhalb des Wohn¬
ortes des Tierarztes bei einer Entfernung von mehr als
1 km von demselben . . 1_3 jj
8 . Für jeden folgenden gleichartigen Besuch in derselben
Krankheit. 1 -2 M.
9. Für die schriftliche Beratung eines Tierbesitzers wegen
eines oder mehrerer kranken Tiere. 1—3 M.
10 . Für die Behandlung eines kranken Tieres in der Be¬
hausung des Tierarztes für den Tag ohne Verpflegung 1 — 3 M.
11. Unter den Ansätzen für einen Besuch und eine Beratung
ist die Gebühr für die einfache Untersuchung des kranken
Tieres und für die hiernach erteilte Verordnung mit in¬
begriffen.
* Regierungsblatt vom 18. März 1908. A. Allgemeine Bestimmungen,
B. Taxe für Arzte, D. Taxe für Zahnärzte.
Für eine besonders eingehende Untersuchung oder
für eine Untersuchung unter Anwendung des Augen¬
spiegels oder des Mikroskops oder mit Hilfe chemischer
Methoden..
12 . Für die Beratschlagung mehrerer Tierärzte jedem derselben
13. Für jeden als Beistand bei einer tierärztlichen Ver¬
richtung (Operation usw.) hinzugezogenen anderen Tierarzt
14. Für die bei größeren Operationen erforderlichen Neben¬
operationen darf mit Ausnahme der Gebühr für das
Werfen des Tieres keine besondere Gebühr beansprucht
werden.
15. Wenn der Tierarzt mehrere demselben Besitzer gehörige
und auf derselben Landstelle befindliche kranke Tiere
zu besuchen hat, so darf er für das zweite und jedes
folgende Tier nur die Hälfte der unter Ziffer 3 und 4
verzeichneten Gebührensätze bis zum Höchstbetrage von
20 M. einschließlich der Gebühr für das erste Tier be¬
rechnen.
16. Außer auf das Honorar für den Besuch oder die Ver¬
richtung hat, wenn die Entfernung vom Wohnort des
Tierarztes mehr als 1 km beträgt, der Tierarzt Anspruch:
A. auf freie Beförderung oder auf Vergütung der Fuhrkosten:
a) bei Reisen auf Eisenbahnen oder auf Dampfschiffen
erhält er an Fuhrkosten Ersatz des tarifmäßigen
Fahrkartenpreises der II. Klasse der Eisenbahn und
der I. Kajüte des Dampfschiffes, sowie außerdem für
jeden Zu- und Abgang zusammen 1 M.,
b) bei Benutzung des Fahrrades kann er eine Vergütung
von 30 Pf.
und
c) bei Benutzung eines Gefährts anderer Art eine Ver¬
gütung von 46 Pf.
für jedes angefangene Kilometer sowohl der Hinreise als
auch der Rückreise beanspruchen.
Beträgt die Entfernung vom Wohnort des Tierarztes
mehr als 20 km, so sind außerdem die notwendigen
Auslagen für Beköstigung zu erstatten.
B. Bei Reisen auf der Eisenbahn oder auf dem Dampfschiff
(A., a.) auf eine Entschädigung für Zeitversäumnis für
jede angefangene Stunde 1-3 M.
C. Bei anderen Reisen (A., b*) auf Kilometergelder.
Dieselben betragen für jedes zurückgelegte an¬
gefangene Kilometer sowohl der Hinfahrt als auch der
Rückfahrt 0,20 M.
17. Für die Ausstellung eines Attestes.
18. Für ein wissenschaftlich begründetes Gutachten mit aus¬
führlichem Befundschein.
19. Für die vom Besitzer verlangte äußere Besichtigung eines
Kadavers einschließlich der hierüber angestellten Be¬
scheinigung . .
20. Für die vom Besitzer verlangte Öffnung (Sektion) eines
Kadavers nebst Bericht über den Befand:
bei größeren Haustieren.
bei kleineren Haustieren.
bei Geflügel. 1 ,
Für die Obduktion mehrerer Tiere desselben Besitzers für
das zweite und jedes weitere Tier die Hälfte der an¬
gegebenen Sätze. Auch können nur zwei Dritteile der
Gebührensätze beansprucht w'erden, wenn ein schriftlicher
Bericht nicht verlangt wird.
21 . Bei diagnostischen Einspritzungen mit Tuberkulin und
ähnlichen Präparaten:
bei 1 bis 6 Tieren für jedes.
bei 6 bis 30 Tieren für jedes.
für jedes weitere.
22. Für die Schutzimpfang von Tieren:
für die ersten 10 Tiere für jedes.
für die nächsten 10 Tiere für jedes.
für die folgenden Tiere für jedes.
Bei Schutzimpfungen, welche, wie z. B. die
Schutzimpfung gegen Rindertuberkulose, besondere Vor¬
bereitungen und Mühewaltung notwendig machen, können
diese Ansätze um 50 Proz. erhöht werden.
Zu Pos. 21 und 22 sind die Kosten für verbrauchtes
Einspritzungsmaterial und verbrauchten Impfstoff vom
Auftraggeber zu bestreiten, der auch die nötigen Hilfs¬
kräfte zu stellen hat.
II. Besondere Verrichtungen.
23. Für einfache, durch einen einzigen Kunstakt zu voll¬
bringende Operationen, wie Aderlaß, Skarifikation,' Injek¬
tion mit Ausnahme der in Pos. 21 und 22 genannten,
Klistiergeben, Anlegen von Ligaturen und Heften, Absze߬
öffnen, sonstige Inzisionen, Haarseiliegen und dgl. . .
24. Für leichtere Operationen, wie Anwendung der Schlund¬
sonde, des Katheters, des Trokars, Zurückbringen der
Scheide, Amputation des Schweifes und dgl.
*) fehlt: und c.
3—6 M.
2-5 M.
3—10 M.
1—3 M.
5- 25 M.
2-4 M.
6—12 M.
3-6 M.
,50-3 M.
1.50 M.
0,75 M.
0,25 M.
0,50 M.
0,30 M.
0,20 M.
1-3 M.
2-5 M
***
250
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
25. Für schwierige Operationen, wie Tracheotomie, Teno-
tomie, Spatschnitt, Ausschneidung von Geschwülsten,
Entfernung fremder Körper ans dem Schlunde, Ausziehung
eines Backenzahns, Anwendung des Brenneisens und
ähnliches.4—10 M.
26. Für besonders schwierige Operationen, wie Trepanation,
Operation der Hutknorpelfistel, Brüchen, Samenstrang¬
fistel, Harnröhrenschnitt, Nervenschnitt u. dgl. . . . 10—30 M.
27. Für den Gebrauch des Wurfzeuges und für das Wurf¬
geschäft ohne Stellung des Personals.2—4 M.
28. Für die Ausübung der Narkose.1—2 M.
und die. Kosten für die verwendete Arznei.
29. Für die Kastration:
a) eines dreijährigen oder älteren Hengstes .... 10—15 M.
b) eines Hengstes von 2—3 Jahren.5—7,50 M.
o eines Hengstfüllens unter 2 Jahren.3—4,50 M.
d.) eines Klopfhengstes (Cryptorchide). 25—40 M.
e) eines Stieres.4—10 M.
0 einer Kuh.10—20 M.
g) eines Kalbes.1—2 M.
h) eines Ebers.2—6 M.
i) eines Ferkels.0,50—1 M.
k) eines Ferkels mit Hodensackbruch. 1 —2 M.
l) eines sogen. Binnenebers (Ferkel, Cryptorchide) . 2 — 3 M.
30. Für den tierärztlichen Beistand:
a) bei einer einfachen Geburt.5—6 M.
b) bei einer Schwergeburt und bei Geburten mit Kom¬
plikationen oder Zerstücklung.10—30 M.
Bei kleineren Haustieren die Hälfte dieser Sätze.
31. Für die Ablösung der Nachgeburt.3—6 M.
32. Für das Zurückbringen der Gebärmutter.5—15 M.
33 Die Vergütung tür den ersten Verband ist in der Ver¬
gütung für die Operation usw. einbegrifFen, im übrigen
für das Anlegen von Verbänden, wozu besondere Kunst¬
fertigkeit erforderlich.2—6 M
Die Verbandstücke hat der Tierbesitzer zu liefern
oder dem Tierarzt nach dem wirklichen Aufwande zu
ersetzen.
34. Für die Untersuchung eines Tieres auf allgemeine Fehler-
losigkeit.6—12 M
Für die Untersuchung eines Tieres auf Diensttauglichkeit,
Gewährsfehler, Trächtigkeit und Wert.3—9 M.
Bei mehreren Tieren desselben Besitzers für jedes
folgende Tier die Hälfte der vorstehenden Sätze.
Zar Stellung der Tierärzte in der Fleischbeschau.
Daß sich der Tierärzte eine immer tiefer greifende
Unzufriedenheit mit ihrer Stellung innerhalb der Fleischbeschau
bemächtigt, ist nicht mehr zn bezweifeln. Daß diese Mißstimmung
ihre ernsten und berechtigten Gründe hat, läßt sich aus so
nüchternen und unbefangenen Darstellungen, wie sie in letzter
Zeit Zehl-Trebbin und Meier-Ketzin gegeben haben, klar
erkennen. Eine Änderung namentlich in dem Verhältnis des
Tierarztes zu den Laien herbeizuführen, muß ein Hauptziel der
tierärztlichen Bestrebung sein. Zur Unterstützung dieser
Bewegung wird es dienlich sein, ohne großen Kommentar allerlei
kleine Tatsachen zusammenzutragen, w r elche gerade in ihrer
Geringfügigkeit oft außerordentlich bezeichnend und daher
besonders geeignet sind, die Illustrationen des unerfreulichen
Bildes zu vervollständigen.
Hier zwei solche:
I.
In Cronenberg, anscheinend im Rheinland gelegen, wird
nach einer Zeitungsmeldung in der letzten Stadtratssitzung die
Anstellung eines Tierarztes vorgeschlagen. Der Antrag stößt
jedoch auf Schwierigkeiten. Das Kollegium ist einmütig der
Überzeugung, daß ein Tierarzt dringend notwendig sei,
doch wird betont, daß unter keinen Umständen die Fleisch¬
beschauer, die man vor einiger Zeit angestellt habe, darunter
finanziell leiden dürften. Der Antrag wurde schließlich in die
Kommission zurückgewiesen mit dem Vorschlag, den Fleisch¬
beschauern ihr volles Gehalt zu belassen.
So wird der klaren Absicht des Gesetzgebers ins Gesicht
geschlagen. Ist irgendwem ein Fall bekannt, wo auf die
Erwerbsverhältnisse eines Tierarztes von Behörden, Kommunen
und Privaten so zarte Rücksicht genommen worden wäre?
Gewiß nicht! Aber unter den Fleischbeschauern finden sich
offenbar Leute, die man protegieren muß — —
II.
Daß die Bezeichnung der Tierärzte als „Beschauer“ un¬
passend ist, wird auch außerhalb des tierärztlichen Standes von
maßgebenden Stellen nicht bezweifelt. Man sollte annehmen,
daß wenigstens innerhalb des tierärztlichen Standes nicht allein
diese Überzeugung, sondern auch der Wunsch einmütig sei, jene
Bezeichnung zu beseitigen. Wir bedürfen zur Abstellung dieses
Übelstandes ja freilich die Hilfe der Staatsregierung; auch der
Wille der obersten Leitung wird dabei noch, wenn er sich
einmal betätigen wollte, auf zahllose kleine lokale Widerstände
stoßen. Das aber sollte man doch für selbstverständlich an-
sehen, daß die Kollegen wenigstens vor allen Dingen nicht
selber jene Bezeichnung gebrauchen. Dem ist aber nicht so.
Hier liegt das Schreiben eines KreistierarzteB an einen Privat¬
tierarzt vor mit der Adresse: „An den Ergänzungsbeschauer,
Herrn Tierarzt X. w Da muß doch der Wunsch aasgesprochen
| werden, daß die Kreistierärzte in Schreiben an mit Fleisch-
I beschau betraute Tierärzte sich auf die Adresse: „An Herrn
Tierarzt X. u beschränken und das übrige dem Inhalt des
Schreibens überlassen; wenn aus dienstlichen Gründen eine An¬
deutung des Inhalts anf dem Kuvert erwünscht ist, so kann
dieselbe ja leicht durch einen Vermerk, wie etwa „Fleisch¬
beschauangelegenheit“ oder„Ergänzung8be8chau“ und dergleichen,
gegeben werden.
Die Stellung der sächsischen und preußischen
beamteten Tierärzte.
Herr Bezirkstierarzt Deich äußert sich in Nr. 1 der
Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift dahin, daß mein in
Nr. 23 1907 der B. T. W. veröffentlichter Vergleich die Ver¬
wunderung aller sächsischer Bezirkstierärzte erregt habe, und
daß meine Auffassung eine schiefe sei. Ich lese aus seinem
Artikel die Absicht heraus, mir zu unterstellen, daß ich die
Bedeutung der Reform für die sächsischen Bezirkstierärzte
verkannt oder verkleinert habe. Wenn diese Tendenz bei
Herrn Deich besteht, so muß ich sie entschieden zurückweisen.
In meinem Artikel steht kein Wort, welches zu dieser Annahme
auch nur scheinbar berechtigte. Ich bin von der Bedeutung
der Reform für die sächsischen Bezirkstierärzte durchdrungen
und teile das bei ihnen obwaltende Gefühl der Befriedigung
darüber. Ich bin aber ebenso überzeugt, daß auch der Reform
der Stellung der preußischen Kreistierärzte dieselbe Bedeutung
innewohnt. Wenn diese Reform nicht so allgemein mit Be¬
friedigung begrüßt worden ist, wie in Sachsen, so lag dies
daran, daß in Preußen eben weitergehende Wünsche aufgestellt
worden waren.
Auf die Bemerkungen, die Herr Deich über die Rangierung
der beamteten Tierärzte in Preußen und Sachsen macht, will
ich nicht noch einmal eingehen. Wenn er behauptet, die
preußischen Kreistierärzte hätten zurzeit überhaupt keinen be¬
stimmten Rang, so kann ich das nur auf Unkenntnis der
preußischen Rangverhältnisse beziehen. Das einzig Entscheidende
ist folgendes: Die preußischen Kreistierärzte hatten den Wunsch
aufgestellt, eine völlige Gleichstellung mit den Kreis¬
ärzten zn erfahren, die ihrerseits mit den Hauptleuten rangieren.
2. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
251
Diesen Wunsch haben sie nicht erreicht; sie rangieren jedoch
unmittelbar hinter der Klasse der Kreisärzte. Auch die sächsischen
Bezirkstierärzte rangieren nicht in derselben Gruppe mit den Be¬
zirksärzten und Hauptleuten (Gruppe 18), sondern rangieren da¬
hinter (Gruppe 24). Nur sofern sie Veterinärräte sind, rangieren sie
in derselben Gruppe wie die Bezirksärzte; das ist aber auch in
Preußen der Fall. Hiernach bleibt es mir unerfindlich, worin
der Unterschied zwischen der Stellung der sächsischen Bezirks¬
tierärzte und der preußischen Kreistierärzte bestehen sollte.
Ich würde übrigens jenen Vergleich gar nicht angestellt
haben, wenn nicht die Mitteilung der Deutschen Tierärztlichen
Wochenschrift (1907, Nr. 22, S. 319) über die in Sachsen voll¬
zogene Reform dazu genötigt hätte. Da war wörtlich gesagt:
„In Preußen war es nicht möglich, den Kreistierärzten einen
ihrer Stellung angemessenen Rang zuzuweisen; im Königreich
Sachsen aber war es möglich.“ Dieser ungünstigen Beurteilung
der preußischen im Vergleich mit der sächsischen Reform kann
ich nicht beitreten und mußte ihr daher durch jenen Vergleich
widersprechen. Das wird, hoffe ich, auch die Mehrzahl der
sächsischen Bezirkstierärzte billigen. Schmaltz.
Berufungen.
An der tierärztlichen Hochschule zu Berlin ist nun auch
das durch Ausscheiden des Professor Dr. Ostertag verwaiste
Ordinariat neu besetzt worden. Geheimer Medizinalrat Professor
Dr. Frosch, bisher Abteilungsvorsteher im Institut für Infektions¬
krankheiten, übernimmt die Leitung des hygienischen Institutes
und den Unterricht in der Bakteriologie und Hygiene, während
der Unterricht in der Nahrungsmittelkunde dem neu zu er¬
nennenden Abteilungsyorsteher selbständig übertragen werden
wird. Die Nahrungsmittelkunde hat mit dem veterinärhygienischen
Institut nichts zu tun, sie war unter Ostertag sozusagen durch
Personalunion mit diesem Institut verschmolzen. Die Weiter¬
entwicklung der nunmehrigen selbständigen Abteilung für
Nahrungsmittelkunde zu einer eigenen Professur ist wohl zu
erwarten. Die Berufung des Professors der Hygiene war mit
besonderen Schwierigkeiten verknüpft und soll angesichts der
zahlreichen Gerüchte, Vermutungen und Auffassungen, welche
laut geworden sind, noch eine besondere Besprechung erfahren.
Auch in München sind die beiden Vakanzen nunmehr erledigt.
Kitts Lehrstuhl ist durch einen Wechsel innerhalb des Kollegiums
besetzt, indem Prof. Dr. Mayr die pathologische Anatomie
übernommen hat. Gutenäckers Nachfolger ist der bisherige
Prosektor Dr. Moser geworden. Neu berufen, zur Übernahme
der bisherigen Lehrtätigkeit Prof. Mayrs, wurde Dr. Franz
Schmitt, bisher Direktor des bakteriologischen Laboratoriums
der Landwirtschaftskammer zu Stettin (approbiert 1891).
Erklärung.
Herr Professor Dr. Malkmus schreibt in der Deutschen
tierärztlichen Wochenschrift Nr. 11, S. 168 gelegentlich einer
Besprechung der Besetzung des Lehrstuhles der Physiologie an
der tierärztlichen Hochschule zu Berlin folgendes:
Es ist eine gerechte Fügung des Schicksals, daß gerade die Berliner
Hochschule diesen Mangel empfinden muß , denn sie ist es, die einem
von der Hannoverschen Hochschule ausgehenden Antrag auf Zulassung
von Privatdoxenten widerspricht. Vielleicht nimmt man nach den
trüben Erfahrungen nunmehr die Frage nochmals in wohlwollende
Erwägung.
Wir sehen uns genötigt, vor der Öffentlichkeit diese Be¬
hauptung als unwahr zurückzuweisen. Die tierärztliche Hoch¬
schule zu Berlin ist mit der Begutachtung eines Antrages der
tierärztlichen Hochschule zu Hannover auf Zulassung von Privat¬
dozenten niemals, weder dienstlich noch freiwillig, befaßt ge¬
wesen. Sie hat daher auch weder einem solchen Anträge
widersprochen, noch hat sie überhaupt Stellung gegen die Zu¬
lassung von Privatdozenten genommen. Das Gegenteil ist
richtig, denn in einem von uns beschlossenen und schon vor
Jahren dein Vorgesetzten Ministerium überreichten Entwurf
eines endgültigen Statuts unserer Hochschule ist das Institut
der Privatdozenten, in der uns notwendig erscheinenden Begrenzung,
ausdrücklich vorgesehen.
Rektor und Professoren-Kollegium
der tierärztlichen Hochschule zu Berlin.
Dr. Schmaltz.
„Das praktische Jahr“.
Nach Zeitungsmeldungen soll in Bayern die Regierung
beabsichtigen, für die Tierärzte das praktische Jahr, welches in
Bayern bekanntlich vor 1872 schon eingerichtet war, wieder
einzuführen. In dieser allgemeinen Fassung kann die Meldung
nicht richtig sein. Denn derselbe Grund, welcher zur Abschaffung
des praktischen Jahres in Bayern geführt hat, würde auch
der Wiedereinführung entgegenstehen. Die Erteilung der
tierärztlichen Approbation ist reichsgesetzlich geregelt und
kein Bundesstaat ist berechtigt, für sich allein die Approbation
noch an besondere Bedingungen zu knüpfen. Nur für die An¬
stellung als beamteter Tierarzt könnte ein „praktisches Jahr“
zur Vorschrift gemacht werden. Allerdings wäre auch in dieser
Beschränkung die Maßregel schon von großem Einfluß. Es ist
daher zu wünschen, daß Bayern nicht für sich allein und nicht
eher vorgeht, als bis die maßgebenden Instanzen aller Bundes¬
staaten sich über die neue Prüfungsordnung für Tierärzte ge¬
einigt haben. Dann wird es Zeit sein, auch zum praktischen
Jahr eine hoffentlich übereinstimmende Stellung zu nehmen.
S.
Zur Ausbildung der Tierärzte für die Kolonien.
In einer Abhandlung, betitelt „Farmer und Tierärzte in
Südwest“, beklagt die „Deutsche Tageszeitung“, daß das Ver¬
hältnis zwischen den südwestafrikanischen Farmern und den
Tierärzten kein besonders erquickliches sei, sehr zum Nachteil
des tierärztlichen Standes, der sich in Südwestafrika nur mit
wenigen Ausnahmen des Vertrauens erfreue, das ihm zukomme.
Die Ursachen liegen in der mangelhaften Ausbildung der Tier¬
ärzte für den Dienst in den Kolonien, der eine spezifisch
afrikanische Vorbildung erfordere. Der Versuch, in Erkenntnis
dieses Mangels unter Anlehnung an das Institut für Tropen¬
hygiene in Hamburg auch den Veterinären eine zweck¬
entsprechendere Vorbildung mit auf die Reise zu geben, sei nur
eine Halbheit. Wandel würde erst geschaffen sein, wenn die
Ausbildung in Südafrika selbst erfolge. Die Notwendigkeit hierzu
ergibt sich von selbst, wenn man den Charakter der haupt¬
sächlichsten Tierkrankheiten Südafrikas ins Auge fasse, der
Infektionskrankheiten. Mit diesen Krankheiten kann man sich
nur an dem Orte ihres Vorkommens selbst vertraut machen.
Die Kapregierung, wie diejenige Transvaals, würden sicherlich
auf eine Anregung von deutscher Seite hin, deutschen Studierenden
die Tore zu den dort bestehenden, als hervorragend bekannten
Instituten öffnen um so mehr, als die Engländer das größte
Interesse an einem veterinärpolizeilichen Vorgehen nach gemein-
252
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
samera System in den britischen und deutschen Kolonien hätten.
Die Errichtung besonderer deutscher Lehrinstitute in Südwest¬
afrika sei also zunächst nicht notwendig. Bei solcher Ausbildung
wird auch zum Nutzen des Ansehens der Veterinäre das Ver¬
hältnis derselben zum Farmer ein fruchtbareres werden; denn
bei der Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten sei ein
Zusammenwirken beider Vorbedingung.
Gehaltsaufbesserungen.
Die Erkenntnis der Notwendigkeit, die Dienstbezüge der
Beamten den veränderten Zeitverhältnissen in etwas anzupassen,
führt anscheinend in allen größeren Bundesstaaten zu neuer
Regelung auch der Gehälter der beamteten Tierärzte, wobei
nur zu wünschen wäre, daß auch die kleineren Bundesstaaten,
in denen die Beamten z. T. fast unglaublich schlecht gestellt
sind, nicht ganz Zurückbleiben möchten.
Über die neuen Gehaltssätze in Bayern ist bereits in Nr. 10
der B. T. W. berichtet worden. Es steht freilich noch dahin,
ob sich dieselben verwirklichen.
In Preußen ist die Beamtenbesoldungsvorlage leider mit
Rücksicht auf das Reich vertagt worden. Hoffentlich kommt
sie, wenn das Herbsten anhebt. Daß sie dann aber auch für
die Departements- und Kreistierärzte recht erfreuliche Ver¬
besserungen bringt, ist gewiß. Freilich werden die Kreistierärzte
mit der Gehaltsverbesserung auch die Pauschalierung in den
Kauf nehmen müssen. Es wissen das nachgerade so viele, daß
es keinen Zweck mehr hat, es Öffentlich nicht zu wissen; daß
es nach dem Vortritt der Ärzte kommen mußte, war so wie so
gewiß. Erfreulicherweise sind sich die Kreistierärzte schon
darüber klar geworden, daß diese Maßregel neben Einbußen
auch Vorteile haben kann; hoffentlich wird sie solche bringen.
In Baden ist nach einer Mitteilung der Deutschen tierärzt¬
lichen Wochenschrift beabsichtigt, die Gehälter der Bezirkstier¬
ärzte auf 1200—2800 M. festzusetzen. Die badischen Bezirks¬
tierärzte haben daraufhin beim Landtag um völlige Gleichstellung
mit den Bezirksärzten petitioniert, welche 1400—4400 M. be¬
ziehen.
Auch in Württemberg wird eine Aufbesserung dringend er¬
wünscht sein. Hier ist das feste Gehalt noch sehr gering und
steigt nicht über 1400 M. Der höchste Pensionsbezug beträgt
1200 M., für die Witwe 400 M.
Petition der preußischen Kreistierfirzte.
Der Verein der beamteten Tierärzte Preußens hat gegen
die Eingabe des Verbandes der Privattierärzte (vgl. Nr. 7 der
B. T.W.), welche bekanntlich in der Reichstagskommission einen
Erfolg erzielt hat, eine Gegenpetition an den Reichstag gerichtet,
in welcher die Ablehnung des Kommissionsbeschlusses zu § 2
erbeten wird.
Haftpflicht des Staates für seine Beamten.
Dem preußischen Abgeordnetenhause ist ein Gesetzentwurf
zugegangen, welcher die Haftung des Staates festlegt für haft¬
pflichtige Schäden, welche Beamte in Ausübung ihrer Amts¬
tätigkeit verursachen.
Abänderung der Bestimmungen über die Untersuchung ausländischen
Fleisches.
Die Ausführungsbestimmungen D nebst Anlagen a—d zum
Fleischbeschaugesetz sind durch Beschluß des Bundesrates in
mehreren Punkten abgeändert und werden daher in der
jetzigen Fassung durch Bekanntmachung des Reichskanzlers vom
22. Februar 1908 (im Zentralblatt für das Deutsche Reich Nr. 10
vom 5. März 1908) neu veröffentlicht.
Impfstoffe.
Das Pharmaceutische Institut Ludwig Wilhelm Gans in
Frankfurt a. M. bittet mitzuteilen, daß die bisherigen kostenlosen
Versuchsimpfungen mit
Polyvalentem Sehweineseuche-Serum
nach Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Wassermann und Geh. lieg.-Rat
Prof. Dr. Ostertag in Verbindung mit dem
polyvalenten, koimfreien Schweineseuche-Bazillen-
Extrakt zwecks Verlängerung der polyvalenten
S e r u m -1 m m u n i tä t
bei reiner Schweineseuche und in solchen Beständen, in denen die
Serumimpfung allein vorher nicht genügende Immunität verliehen
hatte, vorzügliche Resultate gezeitigt haben, so daß die Abgabe
dieses Impfstoffes künftig nur noch unter Berechnung erfolgt.
Ferner macht das Pharmaceutische Institut Ludwig Wilhelm
Gans darauf aufmerksam, daß, durch diese günstigen Erfahrungen
angeregt, es nun auch
keimfreie Bazillen-Extrakte gegen Kälberruhr
und septische Pneumonie der Kälber
hergestellt hat. Die bisher in kleinerem Maßstabe gemachten Ver¬
suche, die ein gutes Resultat ergeben haben, sollen nunmehr im
großen kontrolliert werden und erbietet sich das Pharmaceutische
Institut Ludwig Wilhelm Gans an solche Interessenten, die sich
verpflichten, die Versuche mit Kontrollen zu machen und eingehenden
Bericht zu erstatten,
kostenlose Versuchsquantitäten
1. von Polyvalentem, keimfreiem Kälberruhr-Bazillen-Extrakt zum
Immunisieren der Kühe vor dem Kalben,
2. von Polyvalentem, keimfreiem Extrakt aus Bazillen der
septischen Pneumonie der Kälber zwecks Verlängerung der
polyvalenten Serum-Immunität
abzugeben.
Der Zweck des ersteren ist, zu erreichen, daß durch die Impfung
der Kühe die Kälber bereits eine Immunität gegen die Kälberruhr
mit zur Welt bringen und somit mehr Widerstand gegen diese
Krankheit haben.
Der polyvalente, keimfreie Extrakt aus Bazillen der septischen
Pneumonie der Kälber dagegen soll gleichzeitig mit dem Serum den
Kälbern eingeimpft werden, um eine längere Immunität zu erzielen
in den Fällen, in denen Serum allein keine genügende Wirkung
entfaltet hat.
Staatsveterinärwesen.
Redigiert von Veterinärrat Preuße.
Deutscher Landwirtschaftsrat.
Am 10. Februar 1908 begann die 36. Hauptversammlung
des Deutschen Landwirtschaftsrats. Auf der Tagesordnung
standen eine Reihe sehr bedeutsamer Verhandlungsgegenstände
u. a. auch die Novelle zum Gesetz betr. die Abwehr und Unter¬
drückung von Viehseuchen. Hierüber referierte der frühere
Reichstagsabgeordnete Dpmänenrat Rettich-Rostock, welcher
! bereits aus Posen über den ersten Entwurf der Regierung an
j derselben Stelle ein Referat erstattet hatte. Er empfahl die
Annahme folgender Resolution:
„Bei dem vorgeschrittenen Stadium der Verhandlung des
Gesetzes im Reichstage verzichtet der Deutsche Landwirtschafts¬
rat darauf, zu allen Einzelheiten des Entwurfs Stellung zu
nehmen und eine Reihe von sonst wünschenswerten Abänderungen
anzuregen. Der Deutsche Landwirtschaftsrat beschränkt sich
darauf, folgende Punkte hervorzuheben; 1, Der Beschluß der
2. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRE x.
253
Reichstagskommission, sämtliche Kosten auf den Staat ab¬
zuwälzen, erscheint geeignet, das Zustandekommen des im In¬
teresse der Seuchentilgung erwünschten Gesetzes zu erschweren.
Eine möglichst reichliche Bemessung der zu gewährenden Ent¬
schädigungen und eine schonende und verständnisvolle Hand¬
habung auf seiten der ausführenden Behörden wird das Gesetz
den Landwirten erträglich machen 2. a) Die Anzeigepflicht bei
der Rindertuberkulose auf die äußerlich erkennbare Form zu
beschränken. § 10 Nr. 12 hat infolgedessen zu lauten:
„Tuberkulose des Rindviehs, sofern sie in äußerlich erkennbarer
Form .. . u U8W. Die einzelnen Anzeichen dieser Tuberkulose
sind in die Ausführungsbestimmungen aufzunehmen, b) Bei
Kindertuberkulose ist die Entschädigung zu bemessen ohne Rück¬
sicht auf den durch die Krankheit verursachten Minderwert —
eventuell im Falle der Ablehnung: Bei Tuberkulose ist nicht 4 / : „
sondern der volle Betrag des gemeinen Wertes zu entschädigen.“
Der Herr Minister für Landwirtschaft erklärte sich in der
Diskussion mit Punkt 1 der Resolution einverstanden. Die Über¬
nahme der gesamten Kosten der Viehseuchenbekämpfung auf die
Staatskasse sei nicht angängig. Der dahingehende Beschluß
der Reichstagskommission sei geeignet, die Annahme des Ge- [
setzes zu gefährden. Der Beschloß zu 2 a sei nach Ansicht des
Herrn Ministers überflüssig, da eine Krankheit selbstverständlich
erkennbar sein müsse, wenn sie zur Anzeige gebracht werden
solle. Der Beschluß, bei Tuberkulose den vollen Betrag als
Entschädigung zu gewähren, verkenne das Ziel des Gesetz¬
entwurfes. Letzterer wolle keine Versicherung gegen Tuber¬
kulose, es sollen nur die Kosten erstattet werden, welche durch
das polizeiliche Eingreifen entstehen. Den Beschluß zu 2b er¬
klärte der Herr Minister für völlig unannehmbar. Auf Antrag
des Herrn von Wangen he im wird folgende Fassung des
Punktes 1 der Resolution angenommen:
„Der Deutsche Landwirtschaftsrat spricht den dringenden
Wunsch aus, daß das Zustandekommen des wichtigen Gesetzes
nicht an Differenzen zwischen den verbündeten Regierungen
und dem Reichstage bezüglich der Kostenfrage scheitern möge.“
2 a wurde unverändert angenommen. 2 b erhielt nächfolgende
Fassung: „Bei Rindertuberkulose ist die Entschädigung im
vollen Betrage des Taxwertes zu bemessen.“ Des weiteren
wurde ein Antrag des Grafen von Rantzau angenommen: „Die
Anzeigepflicht ist auf die Pferde-Influenza auszudehnen.“ Zn
dem Viehseuchengesetzentwurf beantragte von Endell-Posen
noch folgende Resolution:
„Der Deutsche Landwirtschaftsrat beschließt, die Reichs¬
tagskommission ist zu ersuchen um Aufnahme einer Bestimmung
in das Gesetz betreffend die Abwehr und Unterdrückung von
Viehseuchen, wonach es der Polizei gestattet sein soll, öffent¬
liche Wege vorübergehend zu sperren, falls dadurch die Feld¬
arbeit aus gesperrten Gehöften ermöglicht bzw. erleichtert
wird und eine besondere Belästigung des Publikums ausgeschlossen
erscheint.“
Die Verhandlungen im Deutschen Landwirtschaftsrat zeigen,
daß letzterer die Wichtigkeit des neuen Gesetzentwurfs für die
Landwirtschaft durchaus anerkennt, und daß ihm an seinem Zu¬
standekommen sehr viel gelegen ist. Vor allen Dingen wünscht
er nicht ein Scheitern des Gesetzentwurfs an der von der Reichs¬
tagskommission aufgeworfenen Kostenfrage. Der von der Reichs¬
tagskommission gefaßte Beschluß, die gesamten Kosten der Vieh-
seuchenbek&mpfung der Staatskasse aufzuerlegen, ist geradezu
unbegreiflich. Sie mußte sich doch hierbei sagen, daß die Reichs¬
regierung diesem Beschluß nicht nachkommen kann. Denn ab¬
gesehen von der Belastung, welche die Staatskasse hierdurch
erfährt, würde man hiermit ein Prinzip verlassen, welches sich
bisher bewährt hat. In einem am 28. Februar d. J. erschienenen
Leitartikel „Ein Mahnw r ort zum Reichs Viehseuchengesetz 1 weisen
die „Berliner Neuesten Nachrichten“ mit Recht darauf hin, daß
der Kommissionsbeschluß nur scheinbar im Interesse der
Deutschen Landwirtschaft läge. Durch die Annahme dieses Be¬
schlusses im Plenum des Reichstages würde sie Gefahr laufen,
die Segnungen einer gesetzichen Neuregelung, die in ihrem
eigenen Interesse geplant, aufs Spiel zu setzen.
Die Kosten der Viehseuchenbekämpfung bestehen einmal
aus den Kosten der Feststellung der Seuchen und der Kontrolle
der Ausführung der angeordneten Maßnahmen durch die be¬
amteten Tierärzte, ferner aus den Kosten der Durchführung der
lokalen Sperrmaßregeln, der Maßregeln betr. die Tiertransporte
und die Kadaverbeseitigung, und schließlich den Desinfektions¬
kosten. Die ersteren sind bisher von der Staatskasse getragen
worden und sollen dieser auch in Zukunft zur Last fallen. Die
Kosten zu 2 und 3 müssen aber berechtigterweise nach wie vor
von den Interessenten getragen werden, denn die Unterdrückung
der Seuche in einem Viehbestände liegt doch im eigensten Inter¬
esse des Besitzers und es ist daher nur richtig, wenn diesem auch
die Kosten für die Ausführung der Unterdrückungsmaßregeln
auferlegt werden. Sollten auch diese Kosten der Staatskasse
auferlegt werden, so fallen sie der Allgemeinheit zur Last.
Am letzten Tage seiner diesjährigen Tagung hatte der
Landwirtschaftsrat die hohe Ehre, den Kaiser bei sich be¬
grüßen zu können. Es war ein tierärztliches Thema, welches
sich der hohe Herr in erster Linie bei seinem Besuch aus¬
gewählt hatte. Es handelte sich um den Vortrag von Exzellenz
Prof. Dr. Koch über die Maßnahmen zur Förderung der Vieh¬
zucht in Deutsch-Südwestafrika und zur Bekämpfung der afri¬
kanischen Viehseuchen. Die von Koch hierzu aufgestellten
Leitsätze sind bereits auf Seite 155 B. T. W. veröffentlicht. Ich
werde auf diesen Vortrag sowie auf das Korreferat des Kaiser¬
lichen Veterinärrats Rickmann nach Erscheinen des amtlichen
Berichtes noch zurückkommen.
Viehseuchenkommission des Reichstages.
Die Verhandlungen in der Viehseuchenkommission kommen
nur sehr langsam vorwärts. Es ist wohl anzunehmen, daß
die Kommissionsberatungen in diesem Frühjahr kaum ihr Ende
erreichen werden. Findet nur eine Vertagung statt, so können
die Beratungen im Herbst fortgesetzt werden, andernfalls muß
der Gesetzentwurf von neuem eingebracht werden. Bisher
wurde wöchentlich nur eine Kommissionssitzung abgehalten. —
Nach Abschluß der Etatsberatungen dürfte die Kommission öfter
zusammentreten. Eine eigenartige Stellung scheinen die Konser¬
vativen zu dem Gesetzentwurf einzunehmen. Abgesehen von
dem Antrag, die Kosten der Viehseuchentilgung insgesamt der
Staatskasse aufzuerlegen, von welchem vorher schon die Rede
war, hatten sie zu § 3 einen Antrag ein gebracht, der nichts
mehr und nichts weniger bezweckte, als die tierärztlichen Lehr¬
anstalten von den nach § 3 des Entwurfs zu gewährenden Vor¬
zugsrechten auszunehmen. Nach § 3 sollen die Maßnahmen zur
Ermittlung und Unterdrückung von Seuchen, rücksichtlich der
eigenen Viehbestände, nicht nur der Militärverwaltung, sondern
254
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
auch den Vorständen der militärischen Remontedepots, sowie der
landesherrlichen und Staatsgestüte, den Vorständen der tierärzt¬
lichen Lehranstalten und der zu diesen gehörigen Institute und mit
Zustimmung des Reichskanzlers den Vorständen anderer Anstalten
von ähnlicher Art übertragen werden könne. Diese Bestimmung
war vorgesehen, um die Fassung nicht zu behindern und um
Kollisionen zwischen den zuständigen Polizeibehörden und den
beamteten Tierärzten einerseits und den Lehranstalten und
Instituten andererseits zu vermeiden. Bei der Beratung des
§ 3 beantragten nun die Konservativen, den tierärztlichen Lehr¬
anstalten und ähnlichen Instituten die in diesem Paragraphen
vorgesehenen Befugnisse nicht einzuräumen. Warum die
Konservativen die tierärztlichen Institute hiervon ausgenommen
wissen wollten, ist nicht recht klar. Gerade diese und speziell
die in dieser Partei vertretenen Landwirte hätten doch alle
Veranlassung, der Tätigkeit der tierärztlichen Institute zu großem
Dank verpflichtet zu sein. Der freien Forschung an diesen
Instituten haben sie doch in erster Linie die neueren Methoden
und Verfahren zu verdanken, welche der wirksamen Bekämpfung
der Viehseuchen neue Wege gewiesen haben und sollen gerade
diese davon ausgenommen werden tür ihre Viehbestände selbst |
die Veterinärpolizei zu vertreten? Mit besonderer Schärfe
wandten sich denn nun auch die Regierungs Vertreter, Präsident
Bumm und Geh. Rat Ostertag gegen diesen Antrag. Dieser
wäre widersinnig und geeignet, die wissenschaftliche Forschung
zu beschränken. Trotz der Ausführungen dieser Herrn hielt
der Abgeordnete Siebenbürger den Antrag aufrecht. Nach¬
dem der freisinnige Abgeordnete Dr. Struve ihn bekämpft
hatte und er auch von anderer Seite allseitige Ablehnung er¬
fuhr, zogen die Konservativen diesen ominösen Antrag zurück
und wurde daraufhin der § 3 in der Fassung des Entwurfs an¬
genommen. Es wurde noch der Zusatz beschlossen, daß die
Militärverwaltung beim Ausbruch von Seuche anzugeben hat,
welche Maßnahmen sie zur Bekämpfung dieser Seuchen ergriffen
hat. Dr. Struve bezeichnete den Antrag der Konservativen
sehr richtig als von absoluter Wissenschaftsfeindlichkeit
und krassestem Egoismus*) diktiert.
Große Schwierigkeiten schienen auch die Vorschriften der
§§ fi bis 8 betr. Maßnahmen gegen das Ausland zu machen,
doch wurde von allen Parteien deren Notwendigkeit anerkannt.
Zurzeit befindet sich die Beratung bei den §§ 9 und 10.
Ein Nürnberger Tierseuchenflngblatt aus dem 18. Jahr¬
hundert.
Von Dr. Hermann Schöppler-Landau (Pfalz).
Vor dem 18. Jahrhundert kann von einer Tierarzneikunde,
wie wir sie heute kennen, nicht gesprochen werden. Die großen
Tierepidemien des 18. Jahrhunderts dürften nach Baas**) einen
großen Teil dazu beigetragen haben, daß man allmählich auch
der Tierarzneikunde sich besser annahm. Ähnlich wie man sich
, in jener Zeit durch Flugblätter, Belehrungsschriften amtliche
Dekrete, Aufklärung und Schutz vor Seuchengefahr zu ver¬
schaffen suchte, in gleicher Weise glaubte man auch bei Tier-
*) Der Antrag ist natürlich unbedingt abzuweisen, aber auf
prinzipieller Wissenschaftsfeindlichkeit und Egoismus (wie sollte
das tangiert werden) beruht er gewiß nicht; er ist wohl eine, wenn
auch unrichtige, Wirkung der Greifswaldcr Maul- und Klauenseuche-
Verschleppung. Schmaltz.
**) Baas, H., Grundriß der Geschichte der Medizin des heilenden
Standes. Stuttgart 1876. ■
seuchen Vorgehen zu müssen. Schriftstücke und Druckwerke
aus diesen vergangenen Tagen, die auf Tierseuchen Bezug
haben, sind nicht viele auf uns gekommen. Es mag deshalb
gerechtfertigt erscheinen, wenn ich nachstehendes Flugblatt aus
jener Zeit, wie ich die sechs Seiten lange, in Oktavformat er¬
schienene kleine Belehrungsschrift benennen möchte, die ich vor
kurzem erwerben konnte, zur Veröffentlichung bringe.
Nach Kiefhaber*) war im Jahre 1711 „ein häufiger Um¬
fall des Rindviehes, wogegen Hilfsmittel öffentlich bekannt ge¬
macht w r orden sind“, in der Gegend Nürnbergs bemerkt worden.
Auf diese Seuche, die damals durch ganz Europa ihren Zug
genommen, bezieht sich meine diesbezügliche Schrift. An¬
scheinend ist dieselbe, wie ich dies z. B. auch bei manchen
Pestschriften aus diesem Jahrhundert gefunden habe, einer in
Wien ausgegebenen ersten Schrift nachgedruckt worden, so wie
ich mir den im Titelblatt angebrachten Satz: An Tag gegeben'
in Wien/den 12. Octobr. 1711. erkläre, und für die in und um
Nürnberg herrschende Seuche jedoch zu Nürnberg ausgegeben
worden. Die auf dem Titelblatt angebrachte Zeichnung einer
Kuh, die von einer Fliege in den Rücken gestochen wird (siehe
j Abbildung), erinnert an die in Ungarn häutige Erkrankung der
Tiere durch den Stich einer Mttckenart**), und führt mich diese
Darstellung ebenfalls auf den Gedanken, daß dieses kleine Druck¬
werk einer Wiener Flugschrift nachgedruckt worden ist. Vielleicht
kann einer der Leser dieser Mitteilung nähere Auskunft darüber
erteilen, ob meine Annahme und Folgerung richtig ist.
Das Titelblatt der kleinen Schrift lautet:
Hülffs-Mittel /
Welche w-ider gegenwärtigen
häuffigen
Umfall des Rindviechs
ersprießlich zu gebrauchen.
An Tag gegeben / in Wien / den
12. Octobr. 1711.
Nürnberg/
zu finden bey Felßeckerischen Erben
Den Inhalt will ich unverkürzt hier wiedergeben. Nach
einer mäanderartigen Kopfleiste heißt es:
Ob zwar öffters ein Umstand unterschiedliches Vieches in
diesen Ländern sich ereignet hat / ist doch nicht leichtlich zu
gedencken / daß solcher Umstand unter dem Horn-Viech so weit-
läuffig und häuffig/.als anjetzo / geschehen wäre.
Obwohlen nun den Wirthschaffts-Verständigen einige wider
die Zustände des Viechs bekannt zu seyn erachtet wird; auch
*) Kiefhaber, J. C. S., Historisch-chronologisches Verzeichnis
der seit dem Anfang dieses Jahrhunderts bis jetzt in der Reichsstadt
Nürnberg und deren Gebiet herrschend gewesenen Epidemien unter
den Menschen und Tieren. Nürnberg 1796.
**) Siehe z. B. Zi mm ermann, Der Erdball und seine Natur¬
wunder. Bd. IV. Berlin 1892.
2. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
255
daß ein jeder seinen eigenen/und insgesamt«! alle den all¬
gemeinen Schaden zu verhüten trachten werden; So ist doch
gewis / daß weder einerley Mittel allezeit dienlich / noch die in
diesem Viech-Umfall insonderheit Gedeyliche allen bekannt seyen.
Was also zum sichersten zu gebrauchen / und bishero in
gegenwärtiger Viech-Seuche zum nützlichsten erfunden worden/
wird in Kürtze angedeutet:
Erstlich solle das gesunde Horn-Viech von dem Kranken / so
viel möglich / abgesondert gehalten werden / in neblichten Tägen
nicht ausgetrieben / bis die Sonne schon in etwas hoch / und ein-
oder andere Stunde die Hüt-Wayden beschienen / die Feuchte
und Thau genugsam ausgetrücknet habe.
Andertens solle dem gesunden Viech alle änderte Täge ein
kleiner Löffel voll / nemlich bei einem halben Loth / zu Pulver
klein gestossenes Antimonium crudum, oder rohes Spieß-Glaß / ge¬
geben wergen: Dem Jungen aber die Hellfte / welches junge
Viech auch in folgenden Mitteln also zu unterscheiden iBt.
Drittens/ dem Viech/ so schon erkranket/ solle ein grösserer
Löffel voll/ nemlich I Loth des Antimonii crudi, oder rohen Spieß-
Glaß/ mit Kreiden und langen Pfeffer/ dieser beyden zu dem Loth
Antimonii, eines jeden I. Quintlein schwer/untereinander ver¬
menget/ täglich/ bis zur Genesung/ im Futter oder Trank ge¬
reichet/ oder mit Gersten-Mehl und Essig in Kugel angemachet/ in
den Hals gestecket werden.
Viertens/ so fern um die Nasen/ im Gaum/ oder unter der
Zungen/ wie es zu geschehen pfleget/Blattern entstehen/sollen
dieselbe mit Aschen/ Saltz/ Ingber und Pfeffer/ jedes gleich viel,'
bis auf das frische Blut zum öffteren gerieben werden.
Fünfftens/' da sich das Viech schon in etwas erhole/ und die
Nahrung zu gemessen wiederum anfanget/ sollen die Blattern
und durch das Reiben oder sonst daraus entstandene Geschwär/
mit schwartz Wagen-Schmier/ des Tags wenigst zweymal/ fleissig
eingeschmieret und abgeheilet werden.
Sechstens/ weilen die tragenden Kühe von dem Antimonio
zu verschlingen pflegen/solle denenselben/da sie erkranken'an
statt des Antimonii, täglich gegeben werden Grünspan/ Schwefel/
Gaffer und Röttl/ wie die Zimmerleut gebrauchen/ jedes ein halb
Quintl. Die Helffte dieses Pulvers kan auch denen annoch
Gesunden/ sie von der Krankheit zu bewahren/ im Futter oder
Getränk/ oder wie oben gemeldet/ in Kugel gestaltet gebrauchet
werden. Der Knoblauch ist entweders für sich allein/ mit obigen
Mitteln vermischet/ dem Viech sehr ersprießlich/ muß aber ein
ganzes Häubtl gegeben werden.
Ingleichen ist das Stein-Oel / durch die Erfahrnus / sehr er¬
sprießlich befunden worden / daß man desselben einem krancken
Viech 20 Tropffen in einer Ktihe-Milch / und so es ein Melck-
Kuhe ist / in ihrer eigenen Milch des Tags einmal gebe. Da
dann in etlich Tagen sich eine Besserung zeiget / solle man
auch mit denen Tropffen des Stein-Oels abnehmen / also daß
täglich um 5 Tropffen weniger gegeben werden. Nicht weniger
hat auch das Schieß-Pulver / mit Butter zu Kuglen / wie eine
mittere Kösten wäre / angemachet / und dem Viech täglich
zweymal eingegeben / nicht allein dem Krancken offt geholffen /
sondern auch das Gesunde von der Seuche bewahret.
Siebendens / die Geträncke/so dem Horn-Viech gegeben
werden / sollen mit Salvia / Arutten / Osterluzey und Lustock-
Wurtzeln vol eingebrennet werden.
Achtens / das Viech / so umgestanden / solle nicht ins Wasser
geworffen / noch unter flreyem Himmel faulen / sondern mit un¬
gelöschten Kalch bestreuet und tieff eingegraben werden.
Sollen nun mit der Zeit noch andere ersprießliche Mittel
durch die Erfahrnus bekannt werden / versiehet man sich zu
eines jeden schuldigen Liebe gegen den allgemeinen Besten / daß
sie dieselbe anderen getreulich eröffnen und mittheilen werden.
Ein Verfasser vorstehender Schrift ist nicht genannt.
Welche Art von Erkrankung die in der Flugschrift angeführten
Krankheitserscheinungen bekunden, möchte heutzutage mit Be¬
stimmtheit wohl kaum mehr gesagt werden können. Eine
wissenschaftliche Deduktion, ob hier Rotz, Maul- und Klauen¬
seuche oder sonst eine bestimmte Tierkrankheit bekämpft werden
sollte, zu geben, kann nicht Aufgabe dieser Veröffentlichung
sein, die nur einen Beitrag dazu liefern soll, zu zeigen, wie
man bereits im Anfang des 18. Jahrhunderts durch einen
weiteren Kreisen zugänglichen Belehrungsmodus gegen größere
Tierseuchen vorzugehen suchte.
Jahresbericht über die Tierseuchen in Deutschland 1906.
Bearbeitet im Kaiserlichen Gesundheitsamt,.
(Verlag von Juliu* Springer, Berlin.)
Die Rotzkrankheit
Im Jahre 190b sind 398 Erkrankungsfälle gemeldet worden.
21,8 Proz. weniger wie 1905. Es wurden in 8 Monaten 122 Ge¬
meinden und 180 Gehöfte betroffen. 25 Pferde sind gefallen,
511 wurden teils auf polizeiliche Anordnung, teils auf Ver¬
anlassung der Besitzer getötet. Hierbei wurden 139 rotzfrei
befunden. Außerdem wurden in seuchefreien Beständen 77 an¬
steckungsverdächtige Pferde getötet und rotzfrei befunden. Der
Gesamtverlust an Pferden war um 13,8 Proz. geringer wie 1905.
Die räumlich stärkste Verseuchung zeigten die Regierungs¬
bezirke Liegnitz (15 Gemeinden und 19 Gehöfte), Marienwerder
(13 und 14), Lothringen (10 und 21) sowie die Kreise Dieden-
hofen-West (9 und 20), Grünberg (6 und 8), Rosenberg, Westpr.
(5 und 6) und Berlin (26 Gehöfte). In 65 Kreisen = 65,7 Proz.
der überhaupt verseuchten war nur je 1 Gehöft verseucht.
Die höchsten Erkrankungsziffern zeigten die Regierungsbezirke
Stettin (30), Posen (33), Lothringen (40) und Berlin (57). In
acht Regierungsbezirken kam nur je ein Erkrankungsfall zur
Kenntnis. Aus 25,6 Proz. der neu betroffenen Gehöfte wurde
nur je ein Erkrankungsfall gemeldet. Auf je 10000 des
Gesamtbestandes an Pferden kamen im Reiche 0,93 Erkrankungs¬
fälle vor gegen 1,19 im Vorjahre. Innerhalb der verseuchten
Staaten schwanken diese Zahlen zwischen 3,72 (Hamburg) und
0,06 (Sachsen), innerhalb der Regierungsbezirke zwischen 10,96
(Berlin) und 0,05 Königsberg) und innerhalb der Kreise zwischen
122,10 (Diedenhofen-West) und 0,66 (Allenstein). Auf ein rotz¬
krankes Pferd kamen im Reiche 1,55 Verlust an gefallenen oder
getöteten Pferden. Im Auslande war die Rotzkrankheit stark
verbreitet in Österreich, sodann besonders in Ungarn. Hier
fällt die größte Verbreitung (89 Orte und 89 Höfe) auf die
zweite Woche des Monats Mai. In Bulgarien erkrankten
175 Pferde, in Rußland 13 879. Hiervon allein 12 426 im
europäischen Rußland. In Bulgarien wurden 125 Gemeinden
betroffen. In Italien erkrankten 468 Pferde, in Frankreich 571,
in Großbritannien 2016, in Ägypten 232, in Belgien 44, in den
Niederlanden 50, in Dänemark wurden 25 Pferdebestände von
Rotz betroffen. In anderen Staaten kamen keine oder nur
vereinzelte Fälle vor.
256
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
Rotzeinschleppungen aus Rnßland fanden in 10 Fällen statt,
davon entfallen 5 Fälle auf Ostpreußen und je ein Fall auf die
Regierungsbezirke Posen, Oppeln, Liegnitz, Danzig und Stettin.
Im Bezirk Danzig verursachte das eingeführte rotzkranke Pferd
weitere Rotzausbrüche in 3 Kreisen. Aus Ungarn wurde Rotz
in einem Falle in den Regierungsbezirk Liegnitz eingeschleppt,
aus Österreich einmal in den Regierungsbezirk Oppeln, aus
Großbritannien einmal nach Altona und aus Frankreich einmal
nach Elsaß-Lothringen. Innerhalb des Reichs wurde die Rotz¬
krankheit zweimal verschleppt, aus Altona nach Lippe und aus
Hessen nach Baden. In 25 Fällen kamen die Pferde bestimmt
oder wahrscheinlich bereits rotzkrank oder infiziert in den Besitz
der betreffenden Eigentümer.
Die Ermittlung der Seuchenausbrüche fand statt in einem
Fall in Schwaben bei der amtstierärztlichen Beaufsichtigung
einer öffentlichen Auktion, in 9 Fällen in Roßschlächtereien und
in 6 Fällen in Abdeckereien.
In je einem Falle wurde eine Inkubationsdauer von 10 bzw.
14 Tagen festgestellt.
Eine Übertragung auf Menschen ist einmal bei einem Ab¬
decker im Regierungsbezirk Posen beobachtet worden. Der
Mann starb nach 14 tägiger Krankheitsdauer.
Impfungen mit Malleinum siccum (Foth) wurden in Württem¬
berg bei 63 Pferden ansgeführt. 4 Pferde wurden getötet.
Ein Pferd, welches sich schon während des Lebens offensichtlich
rotzkrank gezeigt hatte, hatte nur mit 0,9° über die unmittelbar
vor der Impfung festgestellte Temperatur reagiert, zwei Pferde
erwiesen sich bei der Sektion rotzfrei, von diesen war bei
einem die Malei'nprobe negativ ausgefallen, das andere hatte
mit Temperaturerhöhung über 2° reagiert, die erhöhte Temperatur
fiel aber bereits wieder eine Stunde nach der höchsten Erhebung
sehr rasch, davon mit einer indurativen narkotisierenden Euter¬
entzündung behaftet. Das 4. Pferd reagierte nur mit 0,4° Er¬
höhung. Nach der Tötung stellte zwar der beamtete Tierarzt
die Diagnose Rotzkrankheit, bei der bakteriologischen und
biologischen Untersuchung konnte jedoch diese Diagnose nicht
bestätigt werden. Von den übrigen 59 nicht getöteten Pferden
reagierten nur bei der zweiten Probe mit 2,7° Erhöhung ohne
allgemeine organische Reaktion und mit schnellem Temperatur¬
abfall. Eine 6 Wochen später ausgeführte dritte Probe verlief
negativ. Ein Pferd reagierte mit 1,4° Erhöhung, alle übrigen
mit weniger als 1,4°.
In Elsaß-Lothringen wurden in den Gruben des Fentsch-
tales 264 Pferde malleinisiert, davon reagierten 31 typisch,
*» atypisch und 227 gar nicht. 34 Pferde wurden getötet, diese
erwiesen sich bis auf 2, bei denen der Befund ein zweifelhafter
war, rotzkrank. Ein Pferd mit atypischer Reaktion war rotz¬
frei. In zwei anderen Fällen in Elsaß-Lothringen wurde das
positive Impfergebnis durch die Obduktion bestätigt.
Für auf polizeiliche Anordnung getötete bzw. nach An¬
ordnung der Tötung gefallene 504 Pferde wurden im Berichts¬
jahre 210179,56 M. Entschädigung gezahlt, 11583,60 M.
weniger wie im Vorjahr.
Die Tollwut.
Die Tollwut ist im Jahre 1906 gegenüber dem Vorjahre 1905
etwas zurückgegangen, es sind 21,5 Proz. Erkrankungsfälle
weniger zur Anzeige gelangt, davon unter Hunden 17,8 Proz.
Es sind erkrankt und gefallen oder getötet 681 Tiere und zwar
610 Hunde, 5 Katzen, 9 Pferde, 49 Rinder, 5 Schafe, 1 Ziege
und 2 Schweine.
Es wurden in 6 Staaten 202 Kreise und 621 Gemeinden
betroffen. Die meisten Fälle, 208, ereigneten sich im 2. Viertel¬
jahr, die wenigsten, 129, im vierten.
Die meisten wutkranken Hunde wurden aus den Reg.-Bez.
Breslau (76), Oppeln (74), Posen (53), Köslin (52), sowie aus
den Kreisen Stolpe (24), Neiße (19) und Schlawe (17) gemeldet.
Unter anderen Haustieren ereigneten sich die meisten Fälle
in dem Reg.-Bez. Marienwerder (18), sowie in den Kreisen
Schlochau (10) und Osterode i. Ostpr. (9). Die dem Jahres¬
bericht beigefügte kartographische Darstellung der Verbreitung
der Seuche läßt erkennen, daß wiederum der Osten der Monarchie
am stärksten von der Tollwut betroffen worden ist. Außerdem
sind vereinzelte Tollwutfälle vorgekommen in mehreren Kreisen
des Königreichs Sachsen, in Bayern, Hessen-Nassau und in der
Rheinprovinz. Die betroffenen Kreise waren in der überwiegenden
Mehrzahl Grenzkreise. Von den an Rußland angrenzenden
Kreisen waren nur sehr wenige von der Tollwut verschont ge¬
blieben. An ansteckungsverdächtigen Hunden wurden 1357 ge¬
tötet (gegen 1601 in 1905), 166 Hunde wurden unter polizeiliche
Beobachtung gestellt. Ferner wurden 147 herrenlose,wutverdächtige
Hunde getötet, wovon 122 allein auf Preußen entfallen.
Von ausländischen Staaten kommen für die Verbreitung der
Tollwut besonders in Betracht: Österreich, hier waren die meisten
Orte und Höfe in der dritten Maiwoche betroffen (50 bzw. 53),
ferner Ungarn, die stärkste Verseuchung 146 Orte und 151 Höfe
entfiel hier auf die zweite Augustwoche. In Rumänien erkrankten
250 Tiere, darunter 200 Hunde und 39 Rinder. In Rußland
erkrankten in 2412 Gemeinden 4566 Tiere, hiervon kommen
4035 allein auf das europäische Rußland. In Bosnien und
Herzegowina erkrankten 71 Hunde, in Serbien 36, in Bulgarien
wurden 127 Ortschaften durch die Tollwut betroffen. In Italien
erkrankten 339 Hunde, in Frankreich 2043, in Belgien wurde
in 56 Gemeinden bei 68 Tieren Tollwut festgestellt, in den
Niederlanden bei 51. Die anderen ausländischen Staaten, aus
denen Seuchennachrichten vorliegen, sind wenig oder gar nicht
durch Tollwut verseucht gewesen.
Was die Anlässe zu den Seuchenausbrüchen betrifft, so sind
mehrere Fälle auf Einschleppung aus dem Auslande zurück¬
zuführen; in den Kreis Neiße mehrere Male aus Österreich, in
den Kreis Cleve aus Holland und in einem Falle aus Frankreich
nach Elsaß-Lothringeu. Im Inlande wurde in einem Falle öine
Einschleppung aus Bayern nach dem hessischen Kreis Erbach
konstatiert. Im Kreise Stadt Aschaffenburg hatte ein aus einem
Gehöft trotz Sperre entwichener wutkranker Hund die Seuche
weiterverbreitet.
Die Ermittlung der Tollwut fand in zwei Fällen in Ab¬
deckereien statt.
Über Inkubationsfristen liegen 42 sicher beobachtete Mit¬
teilungen vor. Diese Fristen schwankten zwischen sechs und
105 Tagen bei Hunden, 16 und 87 Tagen bei Rindern. Bei
einem Schweine wurde eine Inkubationsfrist von 45 Tagen er¬
mittelt. Über Tollwuterkrankungen von Menschen liegen nur
wenige Angaben vor. In Ostpreußen erkrankten und starben
drei Personen, im Bezirk Aschaffenburg eine. In Oberfranken
erkrankte ein von einem wutkranken Hunde gebissener Arbeiter
trotz Impfung im Institut für Infektionskrankheiten in Berlin
33 Tage nach dem Biß an Tollwut und starb 2 Tage später.
2. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
257
Wutschutzabteilung am hygienischen Institut der Universität zu Breslau.
Die Breslauer Wutschutzabteilung des hygienischen Instituts
der Universität ist am 28. Juli 1906 eröffnet worden. Von da
bis 31. März 1907 wurden 179 gebissene Personen behandelt.
Die Impfung geschah nach einem von der Berliner Wutschutz¬
abteilung übernommenen Schema. 153 Personen waren von
nachgewiesen wutkranken Tieren gebissen worden. Es ereigneten
sich unter diesen zwei Todesfälle an Wut = 1,3 Proz. Im
ersten Fall trat der Tod bereits am zehnten Tage der Behandlung
ein, dieser Fall kommt demnach für die Beurteilung der Schutz¬
impfung nicht in Betracht; im zweiten Falle kam der Verletzte
vier Tage nach dem Biß zur Behandlung, er erkrankte am
15. Tage nach ihrer Beendigung und starb binnen zwei Tagen
unter den Erscheinungen der rasenden Wut.
Aus der Rede des Reichstagsabgeordneten Siebenbürger
über das Abdeckereiwesen.
(Reichstagssitzung vom 13. u. 20. Januar 1908, vgl. B. T. W. Nr. 5.)
Herr Siebenbürger bezeichnete bei der ersten Beratung des
Reichstags über die Viehseuchengesetznovelle zwei Bedingungen,
von denen der Erfolg des Gesetzes abhängig sei: einmal scharfe
Maßregeln gegen das Ausland, und zweitens eine roichsgesetzliche
Ablösung der Abdeckereiprivilegien. Der Herr Minister v. Beth-
mann hat darauf erwidert, daß eine reichsgesetzliche Ablösung
natürlich nicht in Frage kommen könne, vielmehr der Landes¬
gesetzgebung zu überlassen sei, daß aber durch ein Reichsgesetz,
welches gewisse Minimalforderungen für die Beseitigung von
Kadavern fordere, die Angelegenheit in den Bundesstaaten in Fluß
gebracht werden könne, und daß ein solches Gesetz zu erwarten
sei. Offenbar hat auch Herr Siebenbürger weniger auf das
Reichsgesetz als auf die Regelung an sich Wert gelegt und diese
sehr entschieden und treffend begründet. Er sagte:
Die Forderung der Ablösung der privilegierten Abdeckereien
darf nicht wieder von der Tagesordnung verschwinden. Schon hat
der Abgeordnete v. Lente bei der Beratung des ersten Vieh¬
seuchengesetzes darauf aufmerksam gemacht: es ist aber in den
27 Jahren nichts erfolgt, und der Gegenstand ist auch nie wieder
im Reichstag berührt worden. Die Abdeckereibesitzer üben ihr
Handwerk schikanös aus. Der Abgeordnete Fischbeck hat am
17. April 1907 die Regelung dieser Materie verlangt. Es wäre erfreulich
gewesen, wenn das Viehseuchengesetz nicht eher vorgelegt worden
•wäre, als bis diese Regelung erfolgt war. (Darin wird man dem
Herrn Abgeordneten nicht recht geben können, denn das Viehseuchen¬
gesetz ist immerhin doch viel wichtiger.) Gewiß sind die Abdecker
ehrenwerte Männer, aber die Art ihres Betriebes ist meistens eine
Schweinerei. So wurden aus der Abdeckerei in Staßfurt längere
Zeit große Massen Fleisch als Nahrungsmittel für Menschen an Gast¬
häuser und Schlächter verkauft. Ist es vielleicht appetitlich, daß
ein großer Teil der Fettschweine, die in Berlin auf den Markt kommen,
mit Abgängen aus der Abdeckerei gemästet sind, die sich außer¬
dem mit umfangreichem Verkauf von Zuchtferkeln befassen. Der
Abdecker verkauft außerdem Hundefutter und fabriziert allerlei
Salben. Veterinärrat Schulze-Labes fand bei einer Revision einer
Abdeckerei dort wenig Zeichen des Betriebes, dagegen in der
städtischen Wohnung des Abdeckers eine vollständig eingerichtete
Schlachthalle; in einen vorüberfließenden Bach wurde aller Unrat
hineingeworfen; bei einer andern Revision fand Veterinärrat
Schulze in einer Scheune eine Menge von Fässern, die mit teils
verdorbenem, teils frischem Fleisch vollgepakt waren und offenbar
zur menschlichen Nahrung Verwendung Anden sollten. Auch stehen
die Leistungen der Abdecker mit ihrem Vorteil in gar keinem
Verhältnis. Der Wert der Tierleichen ist enorm gestiegen. Auch
erfüllen die Abdeckereien ihre Aufgabe nicht, durch einwandfreie
Vernichtung Menschen und Tiere zu schützen. Man muß auch die
Art und Weise anselien, wie der Abdecker mit dem gefallenen
Vieh durchs Land zieht; die in manchen Polizeivorschriften ge¬
forderte Wagenbeschaffenheit ist höchst selten vorhanden. Die
Bundesstaaten Baden und Hessen und auch die Provinz Schleswig
Holstein haben diese Frage in großartiger Weise seit langem gelöst.
Dort sind Kreis- und Verbandsabdeckereien gebildet, die ausgezeichnet
wirken, die Verbreitung von Seuchen verhindern, die Verluste
des kleinen Mannes mindern und die Kadaver vortrefflich ausnutzen;
so daß der Erlös der Allgemeinheit zugute kommt. Die Ablösungs¬
kosten mögen jetzt hoch sein: aber sie werden mit jedem Jahr
teurer, umsomehr als schon das Fleischbeschaugesetz den Ab¬
deckern enorme Werte zugewandt hat. Dieselben haben sich auch
organisiert und besitzen ihr eigenes Fachblatt. Nach dem Wort¬
laut der Privilegien kann offenbar der Abdecker für einen nicht ab¬
gelieferten Kadaver nur ein Trinkgeld von 1 bis 2 Taler fordern.
Auf Grund dieser Basis kann die Ablösung herbeigeführt werden.
In der Neuzeit ergangene Gerichtsentscheidungen werden das er¬
leichtern. Nach einer Entscheidung des Kararaergerichts von 1906
hat der Abdecker nur die Sätze des Publikandums zu fordern; An¬
spruch auf den Kadaver hat er überhaupt nicht. Dasselbe Gericht
hat festgestellt, daß der Abdecker nur Anspruch auf Haare, Haut
und Talg und auf Schweine überhaupt nicht hat. Der Abdecker
holt Ferkel z. B. auch gar nicht ab, weil ihm das nicht lohnend er¬
scheint. Das Landgericht Stargard hat wiederholt entschieden, die
Privilegien bezögen sich nur auf Tiere, die abgedeckt seien. Jeden¬
falls besteht aber auch hinsichtlich der Gerichtspraxis eine uner¬
trägliche Unsicherheit. Bis zum Reichsgericht läßt sich die Sache
leider meist nicht durchführen, weil dazu ein Wert von 2 500 M.
gehört. Jedenfalls muß die Ablösung eintreten, und wenn sie
Millionen kostet, auch im Interesse der Seuchentilgung
In bezug auf diese Ausführungen des Abgeordneten Sieben¬
bürger hat später der Abgeordnete Vogt (Württemberg) seine
Verwunderung ausgesprochen, daß so etwas überhaupt in einem.
Bundesstaat noch möglich sei. Der württembergische Abgeordnete
weiß offenbar eben nicht, daß es sich um aus dem 18. Jahrhundert
stammende Privilegien handelt, deren Beseitigung so einfach nicht
ist. Es ist nun aber doch nach diesen energischen Anregungen im
Reichstag, nach dem Hinweis des Herrn Ministers v. Bcthmann
und wesentlich auch mit Rücksicht auf die neuesten und wichtigen
Gerichtsentscheidungen zu hoffen, daß die längst erstrebte Be¬
seitigung der Übelstände endlich eintritt. S.
Nachweisung Ober den Stand der Tierseuchen in Deutschland
vom 15. März 1908.
Die Zahlen bedeuten die Kreiae (Oberamtabeiirke) nsw., eingeklammert die Gemeinden.
Maul- und Klauenseuche.
Regierungsbezirk usw.
bzw. Staat
(* = neu verseucht)
fl
Gegenüber d. 15. Febr.
Kreise
g
'S
i
ÜS
Gehöfte
Kreise
Gemein¬
den
Gehöfte
Preußen:
Königsberg ....
2
2
2
o
- i
_ 2
Gumbinnen ....
o
o
o
- 1
- 1
- 1
Allenstein ....
1
1
1
o
o
°
Danzig.
1
1
1
o
- i
- 1
Marienwerder . . .
2
9
13
— 2
- 12
- 19
Posen .
o
o
o
— 1
- 1
- 1
Bromberg ....
o
o
0
— 1
- 1
- 1
Breslau.
o
o
o
— 1
— 1
— 1
Aachen.
0
0
0
— 1
— 1
— 1
Preußen zusammen
Bayern:
6
! 13
17
- 7
- 19
— 27
Oberbayern....
1
1 j
1
— 6
- 12
— 22
Niederbayern . . .
o
° 1
o
- 1
1 — 1
i _ 1
Schwaben ....
2
3
8
— 1
1 — 6
; - 12
Württemberg:
i
1
Neckarkreis . . .
o
0
o
— 1
i - 1
— 1
Schwarzwaldkreis .
o
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o
— 1
, - 1
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Donaukreis ....
o
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o
— 4
- 8
- 10
Zusammen
9 1
17 |
26
— 24 j
- 48 i
- 74
258
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
Schweineseuche und Schweinepest.
Regierungs¬
bezirk usw.
Kreise »
s
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chte
Ö
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Auf je 1000 1
Gemeinden
waren verseucht
Regierungs¬
bezirk usw.
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1
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Preußen:
Sigmaringen . . .
—
—
Königsberg....
10
34
11
Waldeck.
3
3
Gumbinnen ....
3
13
4
Bayern:
Allenstein ....
4
4
2
Oberbayern ....
9
16
Danzig.
3
4
3
Niederbayern. . .
9
19
Marienwerder . .
11
28
12
Pfalz.
—
—
Berlin.
1
1
1
Oberpfalz.
—
—
Potsdam.
13
98
38
Oberfranken . . .
2
3
Frankfurt.
18
90
33
Mittelfranken. . .
2
4
Stettin.
7
12
6
Unterfranken. . .
1
1
Köslin.
8
22
11
Schwaben.
1
1
Stralsund ....
2
3
3
Württemberg .
1
1
Posen .
24
84
25
Sachsen.
5
11
Bromberg.
12
77
35
Baden .
10
12
Breslau.
22
238
63
Hessen.
5
5
Liegnitz.
18
168
56
Meckl.-Schwerin
7
18
Oppeln.
7
15
5
Meckl.-Strelitz .
2
2
Magdeburg ....
5
17
12
Oldenburg . . .
11
21
Merseburg ....
9
23
10
Saebs.-Weimar.
2
12
Erfurt.
5
24
41
Sach s.-Meiningen
1
4
Schleswig ....
16
45
21
Sach s.-Altenburg
—
—
Hannover .
9
13
21
Sachs.-Kob.-Got.
1
3
Hildesheim ....
3
10
14
Anhalt.
2
2
Lüneburg .
6
15
10
Braunschweig
—
—
Stade.
8
11
15
Schwarzb.-Sond.
—
—
Osnabrück ....
6
13
23
Schwarzb.-Rud.
—
—
Aurich.
1
1
3
Reuß ä. L.
—
—
Münster.
6
16
59
Reuß j. L.
2
5
Minden.
4
7
14
Sc h au mb.-Lippe
2
o
Arnsberg.
10
19
22
Lippe-Detmold .
4
7
Kassel.
12
41
25
Hamburg ....
3
3
Wiesbaden ....
10
38
4L
Lübeck .
—
—
Koblenz.
9
25
24
Bremen.
1
1
Düsseldorf ....
10
33
77
Elsaß.
—
—
Köln.
3
3
10
Lothringen . .
1
1
Trier.
4
4
4
Aachen .
3
3
8
Rotz.
Preußen: In den’ Reg.-Bcz. Königsberg, Allenstein, Stettin,
Oppeln, Arnsberg je 1 (1), Cöln 1 (2), Stadtkreis Berlin 1 (5), in
den Reg.-Bez. Breslau 2 (2), Marienwerder 8 (4), Gumbinnen 4 (4),
Bromberg 5 (5), Posen 6 (6).
Bayern: Im Reg.-Bez. Niederbayern 1 (1).
Sachsen: Kreishauptmannschaft Leipzig 4 (4).
Hamburg: Stadt 1 (1).
Zusammen 39 Gemeinden (42 am 15. Februar 1908), davon 33
auf Preußen '38 im Februar).
Lungenseuche.
Preußen: In den Reg.-Bez. Marienwerder, Potsdam, Frankfurt
je 1 (1), Stadtkreis Berlin 1 (2), im Reg.-Bez. Broiuberg 3 (3).
Sachsen: In den Kreishauptmannschaften Leipzig 2 (2),
Chemnitz 4 (4).
Zusammen 14 Gemeinden (9 am 15. Februar 1908), davon 8 auf
Preußen (9 im Februar).
Verfügung betr Schafräude in Preußen.
Im Jahre 1907 ist in Preußen von der Anordnung eines Heil¬
verfahrens zur Tilgung der Schafräude in 17 Regierungsbezirken
und 64 Kreisen Gebrauch gemacht worden.
Insgesamt wurden 492 Bestände mit 47 862 Schafen einem
solchen Verfahren unterworfen. 43 Bestände mit 449 Schafen
wurden vor Einleitung eines Heilverfahrens abgeschlachtet.
Das Badeverfahren hat bei 177 Beständen mit 18 875 Schafen
Anwendung gefunden. Davon waren am Jahresschluß 147 Bestände
mit 10 654 Schafen geheilt, bei 21 Beständen mit 6 429 Schafen
war das Heilverfahren noch nicht beendet; 315 Schafe in 2 Be¬
ständen sind vor Beendigung des Verfahrens geschlachtet worden;
22 Schafe sind bei dem Badeverfahren eingegangen.
Bei 7 Beständen mit 1455 Schafen ist die Behandlung angeblich
ohne Erfolg geblieben (davon 6 Bestände mit 1275 Schafen im
Kreise Ziegenhain, Regierungsbezirk Kassel.
In 129 Beständen kamen Kreolin-Bäder, in 16 Beständen Kresol-,
in 2 Beständen Bazillol- und in 4 Beständen Arsenik-Bäder zur
Anwendung. In 20 Beständen (davon 19 im Regierungsbezirk Kassel
und 1 im Regierungsbezirk Erfurt) ist Therosot verwendet worden.
Auch in diesem Jahre wird berichtet, daß das Therosot sich im
allgemeinen gut bewährt habe.
Der Schmierkur sind 315 Bestände mit 28 987 Schafen unter¬
worfen worden. Davon sind als geheilt gemeldet 152 Bestände mit
12 220 Schafen, bei 149 Beständen mit 13 357 Schafen ist das Heil¬
verfahren noch nicht beendet, 2 Bestände mit 784 Schafen sind vor
Tilgung der Räude abgeschlachtet, 12 Bestände mit 2461 ohne Er¬
folg geschmiert worden. Als Heilmittel kamen Kreolinimcnt,
Tabakslauge, graue Quecksilbersalbe, Liquor cresolisaponatus als
Liniment, Bacillolliniment, Septoform und Kreolinwasser zur Ver¬
wendung.
Der Gesamterfolg der gegen die Schafräude ergriffenen Ma߬
nahmen erscheint nicht so zufriedenstellend, wie in den Vorjahren.
Während in den ersten 3 Vierteljahren des Vorjahres 113 Gemeinden
mit 291 Gehöften von der Seuche betroffen wurden, ist sie in dem
gleichen Zeitraum des Berichtsjahres in 166 Gemeinden und 607
Gehöften festgestellt worden.
Am Schluß des Jahres blieben 98 Gemeinden und 346 Gehöfte
verseucht gegenüber 69 Gemeinden und 157 Gehöften am Schluß
des Jahres 1906.
Selbst wenn man, wie das bisher geschehen ist, die Behandlung
mit Therosot dem Badeverfahren zuzählt, so ist doch in der über¬
wiegenden Mehrzahl der Fälle von der Schmierkur Gebrauch ge¬
macht worden.
Es scheint, als ob dadurch der Gesamterfolg der Behandlung
ungünstig beeinflußt worden ist. Ich mache daher wiederholt darauf
aufmerksam, daß die Schmierkur nur ausnahmsweise unter den in
dem Erlaß vom 29. Mai 1904 — IGa533IIAng.— bezeichneten
Voraussetzungen zugelassen ist Der Grund der Anwendung der
Schmierkur ist auch fernerhin in jedem Einzelfall in der Nach¬
weisung II anzugeben.
Die beamteten Tierärzte sind anzuweisen, die Art der Be¬
handlung in jedem Fall in der vierteljährlichen Seuchenstatistik
unter Spalte 9, Bemerkungen, der Nachweisung Über Schafräude
kenntlich zu machen.
Hiernach erneuere ich die in den Erlassen vom 29. März 1903,
19. März 1904 und 25. Februar 1905 für die Bekämpfung der Schaf¬
räude getroffenen Anordnungen in vollem Umfange auch für das
laufende Jahr und weise namentlich wiederholt auf die Zweckmäßig¬
keit der unvermuteten Revisionen der Schafbestände in verseuchten
und verdächtigen Bezirken durch die Kreistierärzte hin; in dem
verflossenen Jahre haben diese Revisionen in zahleichen Fällen
zur Ermittlung von Räude geführt.
Der Feststellung des Heilerfolges sowie der sachgemäßen Des¬
infektion der Ställe ist seitens der beamteten Tierärzte besondere
Sorgfalt zu widmen. Wo es irgend möglich ist, sind die infizierten
Ställe während und nach Beendigung des Heilverfahrens längere
Zeit nicht mit Schafen zu besetzen.
Über das Ergebnis des Tilgungsverfahrens ist wiederum in der
in dem Erlaß vom 19. März 1904 vorgeschriebenen Weise bis zum
31. Dezember d. J. pünktlich zu berichten.
Zur Verteilung an die beamteten Tierärzte der von der Schaf¬
räude hauptsächlich bedrohten Kreise füge ich eine entsprechende
Zahl von Abdrücken dieses Erlasses bei. v. Arnim.
2. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
259
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
Die Bekämpfung der Bindertnberknlose und die Mit¬
wirkung der Molkereigenossensehaften dabei.
Vortrag, gehalten auf dem 36. Verbandstag landwirtschaftlicher
Genossenschaften für Ostpreußen in Cranz.
Von Dr. 0. Müller, Direktor der „Bakteriologischen Versuchsanstalt“
der Landwirtschaftskammer, Königsberg i. Pr.
(Königsberger Iand- und forstwirtschaftliche Zeitung. Jahrgang 1907, Nr 45. Souder-
abdruck.)
Nach einer allgemeinen Schilderung über die Tuberkulose
und deren Bekämpfung legt Direktor Dr. Müller die Beteiligung
der Meiereien an der außerordentlichen Verbreitung der Tuberku¬
lose dar. Dieser Teil des Vortrages besitzt auch für die Tier¬
ärzte ein hohes Interesse und sei deshalb hier eingehender
wiedergegeben. Er behandelt zunächst die Übertragung der
Tuberkulose auf die Kälber durch die Eutertuberkulose im all¬
gemeinen und dann durch Verteilung der Milch von den Meiereien
aus. Müller hat in zahlreichen Fällen, in welchen die Misch¬
milchproben Tuberkelbazillen enthielten, die Kälber der be¬
treffenden Bestände, die in der kritischen Zeit mit der fraglichen
Milch ernährt worden waren, der Tuberkulinprobe unterzogen
und bei positivem Ausfall auch vielfach zur Kontrolle Schlach¬
tungen vornehmen lassen. Die Kälber derjenigen Bestände, bei
denen die Mischmilch von Tuberkelbazillen frei befunden war,
zeigten danach entweder überhaupt keine Reaktion oder dieselbe
trat doch nur ganz vereinzelt auf, indem unter den gewöhnlich
30 bis 70 Kälber umfassenden Jungviehbeständen ein auch zwei
Tiere reagierten, nicht anders, als wie man dies mit Rücksicht
a^uf die angeborene Tuberkulose allgemein erwarten muß. In
den Beständen, wo die Gesamtmilch infiziert befunden war und
als Ursache der Infektion Fälle von offener Tuberkulöse, aber
keine Eutertuberkulose, ermittelt wurden, führten die Tuberkulin¬
impfungen der Kälber entweder zu denselben Resultaten, oder
es konnten einige Reaktionen mehr, drei bis vier, in einem Falle
sechs, beobachtet werden. In dem letzteren Bestände wurde
eine Kuh mit Lungentuberkulose, zusammen mit Gebärmutter-
und schwerer Darmtuberkulose ermittelt.
Ganz anders aber fielen die Resultate in den Herden aus,
in welchen Tiere mit Eutertuberkulose die Quelle der Milch-
Infektion bildeten. Hier traten auffällig viele Reaktionen ein,
ganz gleich, ob die Herden groß oder klein, ob die Milch der
eutertuberkulösen Tiere stark oder weniger stark verdünnt war,
die Virulenz einer solchen Mischmilch war so groß, daß einmal
95 Proz., einmal sogar sämtliche Kälber, die mit der Milch
mehr oder weniger lange Zeit gefüttert waren, auf Tuberkulin
reagierten. Die Verdünnung der Milch von Kühen mit Euter¬
tuberkulose durch gesunde Milch ist also nicht von demselben
die Virulenz herabsetzenden Einfluß, wie es offenbar bei der
infizierten Milch von Kühen mit anderen Formen von offener
Tuberkulose der Fall ist. Die Ursache dürfte der ungeheure
Gehalt von Tuberkelbazillen bei Eutertuberkulose sein, so daß
auch verdünnte Milch noch ansteckend wirkt. Eben so wenig
vermag die Zentrifuge die Tuberkelbazillen so aus der Milch
herauszunehmen, daß sie nicht mehr bemerkenswert infektiös
ist. Es bleiben auch nach dem Zentrifugieren in der Mager¬
milch immer noch genügende Mengen zurück, um, wie Müller
wiederholt feststellen konnte, 50 Proz. oder mehr der mit der
betreffenden Milch gefütterten Kälber zu infizieren. Es geht
dieses aber noch weiter. Ein einziger Fall von Eutertuberkulose
ist imstande, auch die Milch einer ganzen Meierei zu infizieren,
nicht nur die Vollmilch, sondern auch alle aus ihr gewonnenen
Produkte. Nach der Verfütterung der Magermilch selbst aus
größeren Meiereien, die durch einen Fall von Eutertuberkulose
infiziert war, konnte Müller öfters 40 und 50 Proz. Reaktionen
bei den betreffenden Kälbern beobachten. In einem Falle waren
sogar nach der Verabreichung von Buttermilch aus einer kleinen
Meierei, deren Milch auch durch eine Kuh mit Eutertuberkulose
infiziert war, bei 60 Proz. der Kälber Reaktionen nachzuweisen.
Durch die Eutertuberkulose sind daher ebenso wie die
Schweine, auch die Kälber gefährdet und speziell diese Form
der Tuberkulose bedingt die große Gefahr, welche die Meiereien
hinsichtlich der Verbreitung der Tuberkulose bilden. Bei den
Niederungskühen größerer und mittlerer Bestände war im Laufe
eines Jahres im allgemeinen unter 3—400 Tieren einmal Euter-
tnberkulose zu finden. Bei dem ausgedehnten Meiereibetriebe
und unter Berücksichtigung der genannten Zahlen, wonach un¬
bedenklich angenommen werden kann, daß nahezu jede, wenigstens
jede größere Meierei einmal oder öfters im Jahre durch einen
Fall von Eutertuberkulose infiziert wird, kann es keinem Zweifel
unterliegen, daß die Meiereien der Ausbreitung der Tuberkulose
ungeheuren Vorschub leisten. Durch das Meiereiwesen ist es
so weit gekommen, daß sich die Gefahren, welche von einer
Kuh mit Eutertuberkulose ausgehen, nicht mehr auf einen
Bestand beschränken, sondern daß sämtliche Teilnehmer der
Meierei in Mitleidenschaft gezogen werden. Es ist hierdurch
so weit gekommen, daß auf diese Weise ein Fall von Euter¬
tuberkulose imstande ist, die Nachzucht einer ganzen Gegend
mit Tuberkulose anzustecken.
Häutehandel und Novelle zum Reichsviehseuehengesetz.
Der Verein Hamburger Reeder hat dem Reichstag bezüglich
der Novelle zum Reichsviehseuchengesetz eine Eingabe unter¬
breitet, in der darauf hingewiesen wird, daß durch die getroffenen
Bestimmungen der Import von Häuten und Fellen in Zukunft
außerordentlich erschwert oder ganz unterbunden sein werde.
Die Kontrolle der Grenzaufsichtsbehörden, insbesondere soweit
es sich um den Verdacht der Seuchengefährlichkeit der einge¬
führten Ware handelt, dürfte Anlaß sein, daß entweder der
Häutehandel bei dem Ankauf der ausländischen Ware zu be¬
sonderen kostspieligen Untersuchungen über die gesundheitliche
Qualität der Ware im Auslande schreiten muß, oder daß er auf
den Import ganz verzichtet. Der Häuteimport werde also durch
die Novelle in eine außerordentliche Unsicherheit versetzt. Der
über Hamburg gehende Import erstreckt sich nach den Dar¬
legungen im „Hamburger Fremdenblatt“ hauptsächlich auf die
Einfuhr von südamerikanischen Produkten. Die Fassung der
Novelle beschwört nun die Gefahr herauf, daß bei dem Ausbruch
einer vielleicht auf einen kleinen Teil eines Ausfuhrlandes be¬
schränkten Seuche ganz allgemein ein deutsches Einfuhrverbot, z.B.
für argentinische Häute, erfolgen könnte, und diese Gefahr be¬
deutet nicht nur eine Bedrohung und Beeinträchtigung des
gesamten überseeischen Häutehandels, sondern auch der deutschen
Seeschiffahrt, die an dem Häute- und Fellimport lebhaft interessiert
sei. Insbesondere ist der Hamburger Hafen erheblich an dem
Einfuhrverkehr mit Häuten und Fellen beteiligt, da im Jahre
1906 von sämtlichen vom Auslande nach Deutschland importierten
Fellen und Häuten etwa 66 Proz. über den Hamburger Hafen
in das deutsche Zollgebiet gingen. Die Bedeutung dieses für
260
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
den Hamburger Hafen wichtigen Einfuhrartikels ist noch um
deswillen eine besondere, weil es sich um ein lohnendes, auf
lange Strecken zu transportierendes Frachtgut handelt.
Die Begründung der Novelle behauptet an keiner Stelle,
daß bekannt geworden wäre, daß durch importierte Häute
und Felle eine Seuche nach Deutschland eingeschleppt worden
sei. Es sei dieses auch eine Unmöglichkeit; denn die meisten
Felle, die vom Auslande über See eingeführt werden, seien
gesalzen und dieselben kommen sowohl auf der Reise, als auch
bei der Weiterverfracbtung mit der Eisenbahn nicht mit lebendem
Vieh in Berührung, so daß eine Übertragung einer Seuche
schlechterdings nicht denkbar wäre.
Der Verein der Reeder petitioniert daher, der Novelle eine
Fassung zu geben, daß der Häutehandel nicht geschädigt wird.
Übernahme der Fleischbeschaugeböhren auf die Bundesstaaten.
Eine vom Zentrum im Reichstage eingebrachte Resolution
forderte eine Fassung des § 23 des Fleischbeschaugesetzes dahin,
daß „die Kosten der amtlichen Untersuchung den Bundesstaaten
zur Last fallen sollen und daß hiernach Gebühren von den nach
§ 1 Verpflichteten nicht sollen erhoben werden dürfen.“ Die
Resolution wurde mit großer Mehrheit angenommen.
Schlachtviehversicherung.
Eine Änderung des Gesetzes über die staatliche Schlachtvieh-
versicheiung im Fürstentum Reuß j. L. ist von dem Landtage in
Gera dahin beschlossen worden, daß in Zukunft auch kleine Schäden,
die bei der Beanstandung von Teilen geschlachteter Tiere entstehen,
von 3 M. an vergütet werden sollen.
Private Schlachtvieh-Versicherungsvereine.
Viehversicherungsvereine müssen bekanntlich ihre Satzungen
einer versicherungstechnischen Prüfung unterziehen lassen. Nach
einer Anordnung des Landwirtschaftsministeriums soll bei jeder
Nengründung eines solchen Vereines an denselben ein Exemplar der
Mii8tersatzungen ausgehändigt werden, die als Grundlage bei Auf¬
stellung des Statuts zu benutzen sind und in die etwa gewünschte
Abänderungen einzutragen wären. Eventuell sollen die vom
Kaiserlichen Aufsichtsamt für Privat-Viehversicherungsvereine ver¬
öffentlichten Satzungen verwendet werden. Die Ortspolizeibehörden
haben Sorge zu tragen, daß diese Mustersatzungen zur Benutzung
gelangen, und den Vorstand darauf hinzuweisen, daß anderenfalls
die Prüfung und Genehmigung nicht in kurzer Zeit erfolgen könne.
Einrichtungen gegen die Fleischteuerung vor 400 Jahren.
Von Obertierarzt Direktor Dr. Tempel-Chemnitz.
(Deutsche Fleischbeschftuer-Zeitung, 1907, Seite 145.)
Gerade zur Jetztzeit bei den Versuchen, einer Fleischteuerung
durch geeignete Maßnahmen vorzubeugen, dürfte die Schilderung
von Einrichtungen weitergehendes Interesse bieten, die zu Beginn
des 16. Jahrhunderts in Mitteldeutschland, namentlich im Erz¬
gebirge, getroffen wurden, um der Hochhaltung der Fleischpreise
entgegen zu wirken. Der Rat der Stadt Chemnitz suchte dieses,
wie Tempel nach „Zöllner, Geschichte der Fabrik- und Handels¬
stadt Chemnitz, 1888, Seite 2^7“ wiedergibt, vor allem durch Ein¬
richtung und strenge Überwachung einer Fleischtaxe zu erreichen.
Einige Schatzherren erhielten den Auftrag im Verein mit Sach¬
verständigen das Fleisch zu schätzen und den Verkaufspreis nach
der Güte desselben festzusetzen. Der Fleischer hatte diese ein¬
zuhalten und das Publikum konnte an den in deu Fleischbänken
aushängenden Tafeln über Qualität und Preis das nähere entnehmen.
Jede Steigerung und Herabminderung der Preise lag demnach in
Händen des Rates.
Fleischpreise und Fleischverbrauch.
Nach dem „Vierteljahrsheft zur Statistik des Deutschen Reichs“
stellt die „Korrespondenz des Handelsvertragsvereins“ eine Durch-
schnittsberechnuug der Fleischpreise aus 30 deutschen Marktstädten
für die Jahre 1900—1907 auf.
Der Doppelzentner Schlachtgewicht bei Rind und Schwein
kostete danach durchschnittlich in den Monaten Januar bis September:
Rindvieh
Schweine
M.
M.
1903
130,5
105,6
1904
133,0
99,7
1905
136,1
126,3
1906
146,2
140,0
1907
151,4
114,2
Die Preise für Rindfleisch sind nach der Zusammenstellung also
andauernd gestiegen, in vier Jahren um 8,3 Proz., diejenigen für
Schweinefleisch schwankten beträchtlich und sind gegenüber 1906 um
18,4 Proz. gefallen.
Im Kleinhandel betrug der Mittelpreis aus 23 Marktorten von
Januar bis September im Durchschnitt für das Kilogramm:
Keule Bauch Schweinefl. Kalbfl. Hammelfl.
1900
1902
1904
1906
1907
135
138
143
159
162
116
118
121
136
138
131
149
131
169
150
132
137
144
163
163
130
132
142
158
162
1907 -f- oder —
gegen 1906
gegen 1900
0/
0
+ 1.9
+ 27,4
%
+ 1,5
+ 19,0
°/o
— 11,2
+ 14,5
0/
Io
+ 0,0
+ 23,5
°/
/O
+ -2,5
+ 24,6
| Die Preise für Rindfleisch, Kalbfleisch und Hammelfleisch bewegten
sich demnach dauernd in aufsteigender Richtung, während sich für das
Schweinefleisch Schwankungen ergaben. Im Großhandel betrug der
Abschlag hierbei gegen das Vorjahr 18,4 Proz., im Kleinhandel da¬
gegen nur 11,2 Proz.; demgegenüber ist die Steigerung des Klein¬
handelpreises beim Rindfleisch geringer als derjenige des Gro߬
handels.
Aufhebung der Fleischsteuer.
Die badische Regierung beabsichtigt die Fleischsteuer, welche
jährlich etwa 800 000 M. cinbrachte, aufzuheben und hat der zweiten
Kammer eine entsprechende Mitteilung zugehen lassen. Die fragliche
Abgabe besteht außer in Baden nur noch im Königreich Sachsen
und im Herzogtum Sachsen-Altenburg.
Einwirkung auf die Fleischer zum Herabsetzen der Fleischpreise.
Der Bürgermeister von Saarburg in Lothringen versammelte die
Schlächter und eröffnete ihnen, daß die Schweinefleischpreise im
Vergleiche zu den Viehpreisen zu hoch seien. Der Preis könne
erst als angemessen gelten, wenn er um 8 Pfennig für das Pfund
j herabgesetzt würde.
Preistafeln in Leipzig.
Das freisprechende Urteil des Schöffengerichts in Leipzig resp.
die Ungültigkeitserklärung der Anordnung, daß seitens der Metzger
Preistafeln auszuhängen seien, ist in der Berufungsinstanz auf¬
gehoben worden. Die Angeklagten wurden nunmehr zu geringer
Geldstrafe verurteilt und die Verordnung für gültig erklärt, da die¬
selbe einen wohlfahrtspolizeilichen Zweck und Wert habe.
Wert des Schlachtviehes.
Im Jahre 1907 belaufen sich die gewerblichen Schlachtungen
auf 3 539131 Rinder, 4 374 842 Kälber, 16 382 985 Schweine,
2186113 Schafe, 489 743 Ziegen und 135 239 Pferde. Nimmt man
den Wert eines Rindes mit nur 300, eines Schweines mit 100, eines
Kalbes mit 50 und eines Schafes mit 25 M. an, so ergibt sich ein
Wert von fast genau drei Milliarden Mark für das im Jahre 1907
gewerbsmäßig geschlachtete Vieh.
Schweinepreise im Auslande.
Der Inhaber der bekannten Importfirma Schaub & Co. in Ham¬
burg Leubc äußerte sich in einem Vortrage über die inländischen
und ausländischen Schweinepreise dahin, daß in Deutschland vor¬
aussichtlich ein Ansteigen der Preise zu erwarten sei, nachdem die¬
selben seit Jahresfrist gering gewesen wären. In Rußland sind
die Preise für Schweine und alle Arten der Schlachttiere hoch,
auch in Ungarn und Österreich, hier als Folge der Sperre gegen¬
über Serbien. In letzterem Lande kosten Schweine geschlachtet
nur 36 M für den Zentner. Der Überschuß wird für den Export
geschlachtet, wobei als Abnehmer besonders Frankreich für den
Speck und Österreich und Deutschland für Schmalz in Frage
2 April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
261
kommen. In Italien kostet heute der Zentner Schlachtgewicht
52—58 M. gegen 45 M. vor wenigen Jahren. In Frankreich herrscht
eine außergewöhnliche Teuerung, in England kosten Schweine
frisch geschlachtet mit Kopf und Füßen 50 M. für den Zentner. Dieses
war auch der Durchschnittspreis im Jahre 1907 in Dänemark, wo
fast 2 Mill. Schweine für den Export geschlachtet wurden. Jetzt ist der
Preis auf 44 M. gesunken. Das hauptsächlichste Ausfuhrland für Däne¬
mark ist England. Wegen der hohen Futterpreise rechnet man auch
in Dänemark wie in Deutschland mit einer Reduktion des Bestandes
und einem Ansteigen der Preise. In Nordamerika, wo bis Oktober 1907
die Preise für den Zentner Lebendgewicht 30 bis 34 M. betrugen,
sind dieselben auf etwa 19 M. gesunken. Die ganze Lage auf dem
Weltmärkte läßt in den meisten Staaten ein bedeutendes Anwachsen
der Schweinepreise und damit der Schweinefleischprelse erwarten,
wovon auch Deutschland nicht unberührt bleiben wird.
Schweinemästereien in der Heide.
Die ersten Haustiere, mit denen die urbar gemachten Heide¬
ländereien bevölkert zu werden pflegen, sind die Schweine und das
Geflügel. Bahnbrechend für die Kultivierung der Heide sind die
Unternehmungen Toepffers gewesen, der über die Urbarmachung
der Heideländereien eine besondere Broschüre verfaßt hat. Toepffer
selbst unterhält auf seinem Gute in'.Logau eine größere Schweinezucht.
Eine Aktiengesellschaft wird nun in der hannoverschen Heide bei
Geestemünde umfangreiche Kultivierungen vornehmen und man hat
hier Stallungen für 3500 Schweine errichtet. Auch die Heidestrecken
im südlichen Teile Oldenburgs sollen in ähnlicher Weise allmählich
der Kultur gewonnen werden.
Handel nach Lebendgewicht.
Eine im Reichstag von konservativer Seite eingebrachte
Resolution fordert, noch in dieser Session ein Gesetz vorzulegen,
durch welches für solche Märkte und marktähnliche Veranstaltungen,
welche dem Handel mit Schlachtvieh in größerem Umfange dienen,
Anordnungen zu treffen sind, welche eine zuverlässige Feststellung
der Viehpreise nach Lebendgewicht gewährleisten.
Nachstehend bringen wir nach der „Vossischen Zeitung“ den
Bericht über die Verhandlung.
Abg. Wachhorst de Wente (ntl.) stimmt dem vom Grafen
Schwerin-Löwitz begründeten Antrag zu. Die Viehpreise seien
jetzt gering und nur die Fleischpreise hoch. Die Produzenten hätten
eine wahre Überproduktion von Vieh geschaffen und die Konsumenten
seien dem deutschen Bauern dafür noch nicht dankbar genug.
(Beifall rechts)
Abg. Fischbeck (Frs. Vpt) weist zu dem Antrag darauf hin,
daß in Berlin die Schweinefleischpreise im Sinken begriffen sind.
An einer zuverlässigen Preisstatistik ist auch die Linke interessiert
Aber es ist doch sehr zweifelhaft, ob dieses Ziel durch die Preis¬
feststellung nach Lebendgewicht herbeigeführt wird. Diese Fest¬
stellung würde z. B. durch Verabfolgung schwer verdaulicher Futter¬
mittel leicht zu Unreellitäten im Viehhandel führen. Aus diesem
Grunde sind auch die Fleischer die entschiedensten Gegner der
Preisgestaltung nach Lebendgewicht Nun bezog sich Graf Schwerin
auf Österreich. Er hat aber nicht erwähnt, daß nirgends so viele
Klagen über eine mangelhafte Preisstatistik geführt werden, wie in
Österreich. Redner äußert Bedenken gegen den Antrag vom Stand¬
punkt der Fleisch Versorgung. (Beifall links.)
Abgeordneter Kobelt (wildliberal) (ist Fleischermeister) spricht
gegen eine Preisstatistik nach Lebendgewicht vom Standpunkt des
Fleischgewerbes. Nach Lebendgewicht ist schon deshalb eine
Preisfestsetzung nicht möglich, weil nicht jedes Stück Fleisch
gleichen Wert hat Nur das Schlachtgewicht berücksichtigt die
verschiedenen Qualitäten des Fleisches. (Lebh. Bravo!)
Damit schließt die Debatte. Die Resolution wurde angenommen.
Durchschnittliches Schlachtgewicht.
Der Deutsche Fleischerverband hat bei den Verwaltungen der
deutschen Schlachihöfe um eine Mitteilung ersucht, wie hoch das
Schlachtgewicht sich im Jahresdurchschnitt stellt. Die Angaben
hierüber sind zurzeit so verschieden, daß bei Feststellung des Fleisch¬
konsums die Berechnung nur nach Schätzungen erfolgen kann.
Bestimmung des 6ewlohte bei der Verzollung dee Viehs.
Nach einer Mitteilung des Finanzministers hat sich bei der Be¬
nutzung der Wagen — ausgenommen der Zentesimal wagen — er¬
geben, daß die Bestimmung des zollpflichtigen Gewichts bis auf
50 g entgegen der Vorschrift wegen der Unruhe der Tiere nicht
möglich ist. Die Wagen sollen daher in Zukunft auch zugelassen
werden dürfen, wenn sie bis auf 0,5 kg geeicht sind.
Forderungen der Viehhändler.
Der Bundestag des Bundes der Viehhändler Deutschlands hat
beschlossen, nachstehende Wünsche den zuständigen Behörden vor¬
zutragen: 1. Schnellere Beförderung der Viehsendung und Ab¬
kürzung der Lieferfrist; 2 die Übergangsstationen haben für
schnellere Weitergabe durchgehender Transporte mit der nächsten
sich bietenden Gelegenheit Sorge zu tragen; 3. die Frachtkosten
für nicht benutzte Quadratflächen sollen nicht allein vom Versender
getragen werden; 4. beim Bau neuer Wagen von 15, 18 und 22
Quadratmeter Bodenfläche sollen möglichst Bremsen eingebaut und
für genügende Ventilation und Beleuchtung der Viehwagen gesorgt
werden; 5. beim Verladen von Ferkeln ist nur die tatsächliche
Stückzahl zu berechnen.
Beförderung von Flelsohwaren als Eilgut zu Frachtgutsätzen.
Ein Gesuch der Handelskammer zu Bielefeld an den Minister
für öffentliche Arbeiten, daß Fleischwaren als Eilgut zu Frachtgut¬
sätzen befördert werden sollen, ist abgelehnt worden. Nach der
Begründung ist ein allgemeines wirtschaftliches Bedürfnis für die
Beförderung als Eilgut nicht vorhanden, da zu den Fleischwaren
besonders sogenannte Dauerwaren, Würste, Schinken u. dgl. ge¬
hören, Artikel, die nicht leicht verderblich sind und eine be¬
schleunigte Beförderung daher nicht erfordern.
Tranaportunfähige Tiere.
Nach einer Anweisung der Eisenbahndirektionen sollen Tiere,
gegen deren Transportfähigkeit Bedenken bestehen, nur dann zum
Transport zugelassen werden, wenn letzterer nach tierärztlicher Be¬
scheinigung von dem Tiere ohne Nachteil ertragen werden kann.
Kosten des Transports der Konflskate.
Seitens der Abdeckerei in Altona wird für den Transport der
Konflskate von den Schlachthäusern der Fleischer nach der Ab¬
deckerei eine jährliche Entschädigung von 400 Mark von der
Fleischer-Innung verlangt. Die Inhaberin der Abdeckerei beruft
sich dabei auf § 15 des preußischen Ausführungsgesetzes vom
28. Juni 1902, welcher bekanntlich besagt, daß die sächlichen
Kosten der Behandlung beanstandeten Fleisches dem Besitzer zur
Last fallen.
Jubiläum der Fleischbeschau.
Am 16. März waren es 25 Jahre her, daß in Berlin die Schlacht¬
vieh- und Fleischbeschau eingeführt wurde. Mit Stolz kann die
Berliner Fleischbeschau auf diese Spanne Zeit zurückblicken, ist
sie es doch gewesen, die in Deutschland vorbildlich gewirkt hat,
und haben doch zahlreiche Tierärzte, die heute in der Fleisch-
hygiene tätig sind und selbst eine führende Rolle spielen, am
Berliner Schlachthofe ihre Lehrjahre verbracht!
Verbot der Einfuhr von Fleisch in die Stadt, das nicht von einem
Tierarzt untersucht Ist.
In Spandau hat man nicht eine Nachuntersuchung des von
nichttierärztlichen Fleischbeschauern untersuchten Fleisches vor¬
gesehen, sondern die Einbringung von Fleisch, das nicht von einem
Tierarzt untersucht wurde, nach einer Polizeiverordnung verboten.
Diese Polizeiverordnung ist von dem Kammergericht anläßlich eines
Übertretungsfalles für ungültig erklärt worden.
Wünsche der Landwirte bei Ausdehnung der Fleischbeschau auf die
Haussohlachtungen.
Die Landwirtschaftskammer für die Provinz Schleswig-Holstein
erkennt die Forderung auf Unterstellung der Hausschlachtungen
unter die Fleischbeschau als berechtigt an, glaubt aber mit Rücksicht
auf die erhöhte Belastung der Fleischproduzenten bei der Zu¬
stimmung vom landwirtschaftlichen Standpunkte aus folgende
fordern zu sollen:
262
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14.
1. Die für die Einführung ausländischen Pökelfleisches gewährte
Erleichterung ist zu beseitigen;
2. die Beschränkung der Beschau des ausländischen Schmalzes
auf Stichproben ist zu beseitigen; •
8. die Kosten der Beschau des inländischen Fleisches sind auf
den Staat zu übernehmen;
4. es ist für Preußen eine obligatorische, mit Staatsmitteln
unterstützte Schlachtviehversicherung einzuführen.
(Amtliche Zeitung des Deutschen Fleischer-Verbandes.)
Sohlaehthofzwang für die Hauesohlachtungen.
In Ohligs ist vorgeschrieben worden, daß anch alle Schlachtungen
Privater nur im Schlachthause stattzufinden haben. Die Bestimmung
ist von dem Bezirksausschuß genehmigt worden.
Zollfreier Grenzverkehr.
Der Vorstand des Deutschen Fleischer-Verbandes hatte in zwei
Eingaben die Einschränkung des zollfreien Grenzverkehrs gefordert
Im Aufträge des Reichkanzlers wurde ihm unter dem 19. Febr. 1908
die Antwort zuteil, daß ein ausreichender Anlaß zur weiteren Ein¬
schränkung der vom Bundesrate bewilligten Vergünstigungen der
zollfreien Fleischeinfuhr im kleinen Grenzverkehr nicht als gegeben
anzusehen ist.
Haushaltungsscheine.
Um zu verhindern, daß für einen Haushalt im kleinen Grenz¬
verkehr mehr als 2 kg Fleisch täglich eingeführt werden, sind in
den Grenzbezirken an der russischen Gienze vom 1. Februar ab
„Haushaltungsscheine“ eingeführt. Auf diesen befindet sich die
Haushaltungsbescheinigung der Ortsbehörde und ein Jahreskalender,
in dem die Einbringung der Fleischer von den Kontrollbeamten
jedesmal vermerkt wird.
Die Strafen im Reichs-Fleischbesohaugeaetz.
Der nichttierärztliche Fleischbeschauer Kl. in Liegnitz war zu
200 M. Geldstrafe oder 50 Tagen Gefängnis verurteilt worden, weil
er ein Kalb in den Verkehr gegeben hatte, bei welchem eine vom
Nabel ausgehende Pyämie vorhanden war. Auf die eingelegte
Berufung hob die Strafkammer das genannte Urteil des Schöffen¬
gerichts auf und erkannte auf Freisprechung, da der Angeklagte
nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig gehandelt habe, ein fahr¬
lässiges Vergehen in dieser Richtung aber nicht von dem Fleisch¬
beschaugesetz geahndet werde. In der Tat sehen die §§ 26 und 27
für die Verfehlung keine Strafe vor, indessen besagt der § 29 des
Reichs-Fleischbeschaugesetzes, daß die Vorschriften des Nahrungs¬
mittel gesetzes unberührt bleiben und somit hätte nach diesem eine
Verurteilung erfolgen können.
Serumtheraple bol Fleischvergiftungen.
Im Institut für Infektionskrankheiten in Berlin ist von Geheim¬
rat Prof. Dr. Wassermann ein Serum gegen Botulismus hergestellt,
welches nach einer Bekanntmachung des Berliner Polizeipräsidiums
an die Ärzte Berlins in den Fällen anzuwenden ist, in welchen es
sich um toxische Wirkungen des Bacillus botulinus handelt.
Fleischvergiftung.
Nach dem Genuß von Schweinefleisch erkrankten in Viersen
fünf Kinder einer Familie, wobei zw'ei Todesfälle vorkamen.
Färben von Wursthüllen.
In einem großen Teile Deutschlands wird das Färben mit
Vesurinfarben, Kesselrot, Bismarckbraun, Kesselbraun bei Wursthüllen
nicht beanstandet. Neuerdings aber wurden von seiten der beauf¬
tragten Chemiker schärfere Seiten aufgezogen. In Berlin wurden
so vor kurzem noch eine ganze Reihe Metzgereiinhaber mit Strafen
von 5—30 Mark bedacht. Einige Prozesse wurden noch verschoben.
Neucstens nun erfolgte Freisprechung seitens des Altonaer Schöffen¬
gerichts, auf Grund dortiger Chemikergutachten. Man sieht also,
wie hier die Gutachten auseinander gehen. Wo der Altonaer
Chemiker sein „licet“ spricht, fällt in Berlin das „Quos ego“. Ein
Wurstfabrikant in Altona hatte Wurst nach Oldenburg geschickt,
wo sie beanstandet wurde. Der Direktor des chemischen Unter¬
suchungsamtes der Stadt Altona, Dr. Reinsch fand im Färben der
Wursthüllen nichts Strafbares; cs würde dem Publikum keine
stärkere Räucherung vorgetäuscht. Ebenso äußerte sich Gerichts¬
chemiker Dr. Langfurth-Altona. L>ie Kosten wurden der Staatskasse
auferlegt. Wer hat nun recht? Berlin oder Altona? Dr. G.
Eine Stempelklemme.
Feuereißen bespricht in der „Zeitschrift für Fleisch- und
Milchhygiene“ eine praktische Neuheit, eine Stempelklemme, die
Tierarzt Heidrich in Augustusburg konstruiert hat. Mittelst der¬
selben kann jeder Stempel an einem beliebigen Stock (Spazierstock,
Regenschirm und dgl. befestigt werden, so daß man bei Mitführung
einer solchen Klemme in der Praxis jederzeit in der Lage ist, hoch¬
hängende Fleischteile ohne Benutzung von Trittleitern abstempeln
zu können. Die Stempelklemme wird von der Firma Max Kor-
mann in Augustusburg, Erzgebirge, in den Handel gebracht.
Stern pelffitectuiag.
Der Fleischer E. aus K. hatte eine Stempelfälschung dadurch
begangen, daß er das Viereck des Minderwertigkeitsstempels von
dem Fleische einer Kuh w^egschnitt und so einen „Tauglichkeits¬
stempel“ daraus herstellte. Er wurde dieserhalb in Elbing ver¬
urteilt.
Ma8tviehau88tellung.
Für .die im Oktober 1908 in Hamburg stattfindende dritte
Mastviehausstellung hat der Kaiser eine goldene Medaille für die
höchste Züchterleistung verliehen.
Amerikanische GroDschlfiohtereien in Frankreich.
Große amerikanische Gesellschaften beabsichtigen Etablissements
für die Verarbeitung von Fleisch und den Fleisch-Engroshandel in
Frankreich zu errichten. Nach einem Bericht der österreichisch-
ungarischen Handelskammer in Paris sind, wie die „Deutsche
Fleischer-Zeitung“ meldet, bereits Vorbereitungen getroffen, um bei
Havre ein größeres Schlachthaus nebst Fabrikanlagen für die Kon¬
servierung von Fleisch, für die Erzeugung von Fleischkonserven
und für die Verwertung der Nebenprodukte zu erbauen. Die Ge¬
sellschaft hofft, täglich 1000 Rinder und eine verhältnismäßige
Anzahl vön Kälbern, Schafen und Schweinen zu schlachten. Der
Transport des frischen Fleisches nach Paris und nach den anderen
großen Städten ist entsprechend vorbereitet worden. Für die Ver¬
wertung der Nebenprodukte und Abfälle ist die Errichtung einer
Talgsiederei, Seifenfabrik, Lederfabrik, Kunstdüngerfabrik usw. in
Aussicht genommen. Bei Bordeaux wird eine andere amerikanische
Gesellschaft in kürzester Zeit mit einem ähnlichen Baue beginnen.
Viehhandel In Chicago.
Im Jahre 1906 beziffert sich, nach dem Jahresbericht der Börse,
die Zufuhr an Schweinen auf 7 808 856 Stück, an Rindern auf
3 329 250 und an Schafen auf 4 805 449 Stück. Die Gesamtzufuhr
hatte einen Wert von 317 467 535 Dollar. Diese Zufuhr bedeutet
einen Rückgang gegenüber 1905. Geschlachtet wmrden 6 076 957
Schweine und 3 464176 Schafe. Zur Anfuhr an ausgeschlachteten
Rindern gelangten 353 286 580, zum Versand 1 138 027 285 Pfund,
an Schmalz 80 397 434 bzw. 421 914 539 Pfund. An Schweinefleisch
kamen 204 641 412 Pfund zur Anfuhr und 804 642 049 Pfund zum
Versand.
BDohsenflelsch.
Die Ausfuhr von Büchsenfleisch aus den Vereinigten Staaten ist
nach dem amtlichen Bericht in den letzten Jahren auf 2 */, Millionen
Dollars Wertes gesunken, gegenüber 9V 3 Millionen im Vorjahre.
Neue Nahrungsinittel-Ufitersuchungsanstatten.
Im Kreise Mettmann-Vohwinkel wird ein Nahrungsmittel-Unter-
suchungsamt eingerichtet. Der Vorsteher erhält ein Gehalt von
6000 M. und wird auf 12 Jahre fest angestellt.
Desgleichen winl die städtische Nahrungsmittel-Untersuchungs¬
anstalt für die Stadt München-Gladbach auf den Landkreis Greven¬
broich (mit Ausschluß der Gemeinden Rheindahlen und Odenkirchen;
ausgedehnt; ferner wird die Nahrüngsmittel-Untersuchungsanstalt
in Rheydt, die Gemeinden Wickrath in die Bürgermeistereien Rhein¬
dohlen und Odenkirchen in sich begriffen als öffentliche Unter¬
suchungsstelle im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes anerkannt.
Im Regierungsbezirk Koblenz werden zwei Nahrungsinittel-
ämtcr errichtet, und zwar je eins in Koblenz und Kreuznach. Koblenz
2. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
26:3
erhielt Koblenz, Koblenz-Land, Adenau, Ahrweiler, Altenkirchen,
Cochem, Neuwied, Zell, Kreuznach: Die Stadt Kreuznach, den
gleichnamigen Kreis, Meisenheim, Simmern und St. Goar.
Dr. G.
Die Nahrungsmittelkontrolle im Reichstage.
Über die Vornahme der Nahrungsmittelkontrolle seitens der
Chemiker sprachen sich verschiedene Redner kürzlich mißbilligend
aus, so der Zentrumsabgeordnete Geisler, der sich über die
Nahrungsmittel-Untersuchunganstalt in Glatz beschwerte. Für die
Bevölkerung sei eine große Belästigung und infolgedessen Auf¬
regung eingetreten. Die Sache sei am besten zu einem großen
Teile der Polizei zu überlassen. Er bittet den Minister, dahin zu
wirken, daß die Untersuchung weniger vexatorisch vor sich gehe.
Desgleichen klagt Guehl (konservativ) über die zu rigorose
Ausübung der Nahrungsmittelkontrolle; ferner Marx (Zentrum) über
die dadurch entstandenen Lasten der Gemeinden.
Über die Kontrolle der animalischen Nahrungsmittel durch Tier¬
ärzte hat sich bis jetzt niemand beklagt; ein erfreuliches Zeichen,
daß die Tierärzte es verstanden haben, diese Kontrolle, da wo sie
eingeführt ist, gewissenhaft aber ohne unnötige Schärfe auszuführen.
Im Gegenteil können wir mit Befriedigung konstatieren, daß ein
bedeutendes Fachorgan der Fleischer, die „Deutsche Fleischer¬
zeitung“, seinerzeit lebhaft für die Ausführung der animalischen
Lebensmittelkontrolle durch geschulte Tierärzte statt durch Chemiker
eingetreten ist. In ihrem unauffälligen Auftreten in den Geschäfts-
läumen, ohne jede Polizeibegleitung, haben von jeher die Tierärzte
es verstanden, auch dio Interessen des Geschäftsinhabers nicht zu
verletzen, was obiges Fachblatt ja auch anerkennt. Dr. G.
Verzeichnis von Nahrungsmittel-Anstalten.
Auch den Polizeitierarzt dürfte ein Verzeichnis aller ein¬
schlägigen Anstalten interessieren. Das Buch gibt Aufschluß üb«r
Besoldung, Verhältnisse, Tätigkeit der Beamten, die oft in Wett¬
bewerb mit dem Polizeitierarzt tätig sind. Das Buch nennt sich:
di$ Anstalten zur technischen Untersuchung von Nahrungs- und
Genußmitteln, sowie Gebrauchsgegenständen von Geh. Rat König
und Prof. Dr. Juckenack (6 Mark, 300 Seiten). Dr. G.
Milchkontrollvereine.
In der Versammlung der Vorstände der Oldenburgischen Milch¬
kontrollvereine am 29. Oktober 1907 wurde der gegenwärtige Stand
der Kontrollvereinsbewegung in Deutschland näher beleuchtet. Der
Referent Pflugradt, Leiter der milchwirtschaftlichen Abteilung
der Versuchsstation, legte dar, daß sich die Kontrollvereinsbewegung
in Deutschland in aufsteigender Linie bewege. Im Jahre 1904 be¬
standen 85 Kontrollvereine, im Jahre 1906 waren dagegen bereits
125 vorhanden. Der Wert der Kontrollvereine wird von den Land¬
wirten selbst verschieden beurteilt. Von einer Seite werden die¬
selben für ein wichtiges Förderungsmittel der Viehzucht gehalten,
von anderer Seite wird betont, daß man die Kontrolle der Wirtschaft
auch ohne den Verein selbst ausfUhren könne. Die Wahrheit
dürfte nach dem Referenten wohl in der Mitte liegen. Als er¬
wünscht bezeichnete Pflugradt die Eintragungen der Leistungen
der Kontrollvereinskühe in die Herdbücher, die Kenntlichmachung
der Tiere und die Aussetzung von Zusatzprämien auf den Tierschauen.
Tierärztliche Kontrolle der Marktmilch.
Bei der polizeilichen Milchkontrolle in Hamburg hatte der
Tierarzt bislang zwar den Nachweis der pathologischen Sekrete,
pathogenen Bakterien, bakteriellen Zersetzungen, der Verschmutzung,
des Vorhandenseins von abweichenden Gewichts- und Geschmacks¬
stoffen in der Milch zu führen, die Zuweisung der Proben erfolgte
indessen nur, wenn ein besonderer Verdachtsgrund diese Unter¬
suchung erwünscht erscheinen ließ, sei es, daß das Publikum bei
der gelieferten Milch einen solchen Fehler zu finden glaubte, sei
es, daß der täglich Marktmilchproben einkaufende Polizeibeamte
oder das chemische Untersuchungsamt entsprechende Abweichungen
entdeckten. Sonst war die regelmäßige Untersuchung lediglich eine
chemische auf Verfälschungen. Trotzdem wurden jährlich viele
Milchproben tierärztlich geprüft und auch öfters Beanstandungen
ausgesprochen. Gelegentlich einer Konferenz der zuständigen
Sachverständigen bei der Nahrungsmittelkontrolle Ende vorigen
Jahres hob Prof. Glage die Erweiterungsbedürftigkeit der Kontrolle
hervor und befürwortete die wahllose regelmäßige Probenentnahme
bei den Milchhändlern für Zwecke der tierärztlichen Untersuchung,
ähnlich wie für die chemische, was allseitige Zustimmung fand.
Es werden daher jetzt täglich einige Proben Mischmilch für die
tierärztliche Untersuchung eingekauft und der bakteriologischen
Station zugewiesen. Das chemische und das tierärztliche Unter¬
suchungsamt üben so nebeneinander eine Milchkontrolle auB, völlig
selbständig, wobei nur nach Bedarf in Verdachtsfällen eine gegen¬
seitige Überweisung von Proben zur Ergänzung der Untersuchung
stattfindet.
Mark Brandenburg (Milchkontrolle).
Die Landwirtschaftskammer hat den Stadtgemeinden das An¬
erbieten gestellt, die Untersuchung der in den Verkehr gelangenden
Milch zu übernehmen und hierzu besondere Chemiker anzustellen.
Die Städte sollten dafür eine Gebühr entrichten, die etwa 500 bis
700 Mark für eine Mittelstadt ausmachte. Ob die Städte darauf ein-
gehen werden, ist fraglich, da die schon vorhandenen Tierärzte
gerne erbötig sein werden, regelmäßige Milchuntersuchungen vor¬
zunehmen, eventuell ohne Entgelt, wie ja in vielen Städten die
sonstige animalische Kontrolle ebenfalls schon seitens der Tier¬
ärzte großenteils unentgeltlich vorgenommen wird. Leider scheint
die Landwirtschaftskammer diesen einfachen Ausweg nicht ge¬
funden zu haben. Dr. G.
Milohunfertuehungen in Leipzig.
Speziell für die Ausführungen bakteriologischer Milchunter¬
suchungen hat die Stadt Leipzig die Einführung bakteriologischer
Milchuntersuchungon in Aussicht genommen. Die Stadtverordneten
werden demzufolge ersucht, für Anschaffungen zunächst 3000 M.
und für Betriebskosten halbjährlich 4000 M. zu bewilligen. Es soll
namentlich die Milch auf das Freisein von krankheitserregenden
Keimen (besonders Tuberkulose und Eitererreger) untersucht
werden. Dr. G.
Dortmund.
Die Gesundheitskommission beschloß die Errichtung eines
städtischen Musterstalles zur Gewinnung von Milch für die städtische
Säuglingsmilchküche. In der Tat dürfte die Aufsicht und auch die
Auswahl der Kühe bei dieser Anordnung eine weit intensivere sein,
als bei Städten, die die Milchlieferung einzelnen Interessenten über¬
tragen, die infolge ihres Einflusses es zu verhindern wissen, daß
nur völlig einwandfreie Kühe eingestellt werden, wodurch mehr
Schaden als Nutzen bei Säuglingsküchen gestiftet wird. Dr. G.
Neuere Patentierungen.
Herstellung einer Sfiuglingsmilch aus Kuhmiloh.
Um das schwerverdauliche Kasein leicht verdaulich zu machen,
muß die Methode so eingerichtet sein, daß die Milch auch nach dem
Kochen leicht verdaulich bleibt. Nach Dr. H. Timpes Verfahren,
D. R. Patent Nr. 190 838 wird die Kuhmilch zunächst von Sahne
und fettfreier Magermilch getrennt und die letztere bei einer
Temperatur von 20 bis 25 0 mit so viel einer konzentrierten Lösung
von Na 4 P,0 7 (Natriumpyrophosphat) versetzt, daß auf ein Liter
Magermilch 3 bis 6 g trocknes Pyrophosphat kommen. Nachdem
die Milch gallertartig geworden ist, wird der Niederschlag durch
Filtration oder Zentrifugieren von der Flüssigkeit getrennt und der
letzteren die Sahne wieder hinzugefügt. Die einzige Veränderung
der Milch besteht also darin, daß das Kasein ohne Hitze oder er¬
höhten Druck zerlegt und der dabei unlöslich gewordene kleinere
Teil abgetrennt wird. Die Milch soll vollständigen Muttermilch¬
ersatz abgeben. Dr. G.
Herstellung löslicher Trockenmilch.
Bereits 3—4 Stunden alte Milch zeigt einen Milchsäuregehalt
von 0,1 bis 0,14 Prozent; durch Eindampfen steigt der Säuregehalt
entsprechend der Konzentration. Ebenso werden bei dem Erhitzen
der Milch gleich nach dem Melken (behufs Hintanhaltung der Säure¬
entwicklung) die löslichen Kalksalze in unlösliche übergeführt
Nach dem Patente wird nun der einzudampfenden Milch vorher
eine genügende Ca-Menge zugeführt, wie sie der durch Erhitzen
unlöslich gewordenen Kalkmenge und der durch Milchsäure aus¬
geschiedenen Kaseinmenge entspricht Da aber nur Kalkmilch Ge-
264 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 14.
schmacks Veränderungen der Milch erzeugt, was z. B. bei Calcium-
saccharat nicht der Fall ist (bekanntlich weiter nichts als eine
Auflösung von Kalkhydrat in überschüssiger Zuckerlösung) so ist
der Kalkzuckerzusatz in jeder Beziehung dienlich. Kalkzucker gibt
an die sich entwickelnde Säure der Milch den Zucker ab, so daß
kein fremder Stoff weiter nötig ist. Statt Oalciumsaccharat können
Verbindungen des Calciums mit den höheren Alkoholen und Zucker-
werten treten. D. R. Patent Nr. 193 264 der Universalmilk Porder
Compagnie Ltd., London. Dr. G.
Milch-Merkblatt.
Das Kaiserliche Gesundheitsamt hat eine Druckschrift als Milch-
Merkblatt herausgegeben, in der in gemeinverständlicher Form die
wichtigsten Punkte hinsichtlich der Milcherzeugung, des Milch¬
verbrauchs, der Zusammensetzung der Milch, der gesundheitlichen
Bedeutung, Gewinnung und Behandlung derselben und der Milchfehler
behandelt werden.
Mllchwlrt8chaftlicher Kongreß.
Der IV. internationale milchwirtschaftliche Kongreß wird in
Budapest abgehalten werden.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Kgl. Hoftierarzt, Korps¬
stabsveterinär a. D., Hofrat Ruoff zu Stuttgart der Titel und Rang
als Geheimer Hofrat, dem Oberstabsveterinär Friedrich Ripke beim
Kemontedepot Bärenklau der König!. Kronenorden IV. Klasse, dem
Schlachthofdirektor S/icr-Wcsel die Landwehrdienstauszeichnung
I. Klasse.
Ernennungen: Tierärztliche Hochschule Berlin. Der Ab¬
teilungsvorsteher am Kgl. Institut für Infektionskrankheiten Ge¬
heimer Medizinalrat Professor Dr. Frosch ist als ctatsmäßiger Pro¬
fessor und Leiter des hygienischen Instituts berufen werden. —
Tierärztliche Hochschule München: Der Anatom, Professor
extraord. Dr. Stoß ist zum ordentlichen Professor befördert, . der
Prof, extraord. Dr. Mayr, bisher Leiter der ambulatorischen Klinik
als Nachfolger Kitts mit dem Lehrauftrag für allgemeine Pathologie,
pathologische Anatomie und Seuchenlehre versehen, der Leiter des
bakt. Institutes der Landwirtschaftskammer zu Stettin, Dr. Franz
Schmitt als Professor extraord. berufen und an Stelle Mayrs mit j
der Leitung der ambulatorischen Klinik, sowie der chirurgischen
Abteilung der Klinik für kleine Haustiere und mit dem Unterricht
in der gerichtlichen und polizeilichen Tierheilkunde beauftragt, der
bisherige Prosektor Dr. Moser zum Professor extraord. ernannt und
äls Nachfolger Ontenückers mit der Leitung der Lehrschmiede und
dem Unterricht in Hufkrankbeiten und Theorie des Hufbeschlages
betraut worden. — Veterinärbeamte: Definitiv zum Kreistierarzt
der Tierarzt AJberi Rahne in Zeven; dem Tierarzt Dr. Hans Bohtx,
wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Kaiserlichen Gesundheitsamt
Berlin, wurde die Verwaltung der Kreis tierarztstelle in Tuchei über¬
tragen; die Tierärzte Albert Vierling aus Weiden und Dr. Ott aus
Weitnau zu Distriktstierärzten in Hemau (Oberpf.) bzw. Unter¬
thingau; Oberveterinär Uhlich- Riesa und Tierarzt August Zettl-
Postau mit den bezirkstierärztlichen Geschäften in Ohrdruf bzw.
Dingolfing (Niederbayern) betraut. — Schlachthof Verwaltung:
Der Tierarzt Hugo Borowy aus Mierunsken zum Schlachthofverwalter
in Briesen. — Versetzt: Kreistierarzt AtsswfA-Tuchel nach Jüterbog.
Niederlassungen: Die Tierärzte E. OerteU Leipzig in Dohna bei
Dresden, Richard Biermann- Briesen in Pudewitz (Prov. Posen). —
Verzogen: Die Tierärzte Dr. Hans Hartwig aus Corbach nach
Leipzig, Körnerstraße 34 11., Theodor f/eften-Oberaudorf nach Frau¬
stadt (Posen), Hans Seuberling- Weßling nach Pfaffenhofen [Ilm]
(Oberbayern).
Promoviert: Die Tierärzte Hans Hartwig aus Corbach uud Matthias
Fuchs in Altenburg zum Dr. phil. in Leipzig, Anton Zieger aus
Strehla a. Elbe zum Dr. med. vet. in Bern, Kreistierarzt Hummel
aus Nakel und die Tierärzte Jacob , Schellhase , Schulx und Schenker
zum Dr. med. vet. in Gießen.
Kuhmeister.
Am milchwirtschaftlichen Institut zu Greifswald findet nach
einer Anzeige in der Milchzeitung im Januar d. J. ein 9 tägiger
Kursus zur Ausbildung von Kuhmeistern statt. Die Teilnehmer er-
' halten Unterricht im Melken, in der Haltung und Pflege des Milch¬
viehs, über Geburtshilfe und das Verhalten bei Erkrankungen bis
I zum Eintreffen des Tierarztes.
Konserviertes Eigelb.
In letzter Zeit kommt vieles Eigelb aus China, das um tropen¬
fest zu bleiben, mit Borsäure nnd Fluorsalzen versetzt ist. Manche
i Fabriken sollen dieses Eigelb auch zu ihren Teigwaren verwenden.
Wo solches nachzuweisen ist, ist demnach das Eigelb zu konfiszieren,
i Bereits haben einige Polizeivcrwaltungen zeitgemäße Warnungen
; ausgesprochen. Dr. G.
Verbitterung von Fischen und Fisobabfillen.
Der Landwirtschaftsminister hat die Landwirtschaftskammern um
Berichterstattung ersucht, in welchem Umfange die Fütterung von
; Schweinen mit Fischen und Fischabfällen stattfinde und ob Ver-
I suche über die Zeitdauer bekannt seien, in welcher das Fleisch
j den bekannten Fischgeruch und Fischgeschmack annebme.
In der Armee: Preußen: Versetzt: Oberveterinär Dr. Albrecht
im 2. Oberelsäss. Feldart.-Regt zum 1. Garde-Drag.-Itegt. — Ver¬
abschiedet: Remontedepot-Oberstabsveterinär Uartleb vom Remonte-
depot Arendsee auf seinen Antrag mit Pension in den Ruhestand
versetzt. — Bayern: Kommandiert: Oberveterinär Karl Rcisencdcr
im 2. Schweren Reiter-Regt in Landshut zum Remontedepot Graßl¬
fing (P. Olching) [Oberbay.].— Sachsen: Befördert: Stabsveterinär
Blumentritt im Ulan.-Regt. Nr. 17 zum Oberstabsveterinär. — In der
SchutztruppefürDeutsch - Südwestafrika: Ausgeschieden:
Oberveterinär Joseph Rau behufs Rücktritt in K. B. Militärdienste.
— Im Beurlaubtenstande: Den Stabsveterinären a.D. Naumann
(Halberstadt), Moricinski (Frankfurt a. M.), Deseier (III Berlin) ist
der Charakter als Oberstabsveterinär verliehen.
Todesfälle: Veterinärrat Matthias Bongarix,' Kreistierarzt in
Bonn, Grenz- und Kontrolltierarzt Joseph HTwutttiN/er-Tittmoning.
Vakanzen.
Stab8tierarztstelle: Nach Ablauf der Meldefrist noch
unbesetzt: Hamburg: Gehalt 9000 M., steigend bis 11000 M.
Kreistierarztstelle: Nach Ablauf der Meldefrist noch un¬
besetzt: Reg.-Bez. Potsdam: Jüterbog-Luckenwalde. —
Aachen: Jülich.
Bezirkotlerarztotelle: Nach Ablauf der Meldefrist noch un¬
besetzt: Gotha: Stadt- und Landratsamtsbezirk Ohrdruf.
Sohlachthofstellen: a) Neu ausgeschrieben: Treptow a. R.:
Schlachthofdirektor zum 1. Juli. Gehalt 2400 M. bis 3600 M. Bew.
bis 18. April a. d. Mag. b) Nach Ablauf der Meldefrist noch
unbesetzt: Bitburg: Tierarzt. 1600 M. — Bremen: IV. Tier¬
arzt. 2400 M. bis 3900 M. — Duisburg-Meiderich: I. Tierarzt.
3000 M. — Erfurt: Schlachthofstierarzt 3400 bis 4900 M. — Essen:
Tierarzt. 3500 M. bis 5750 M. — Freienwalde: Tierarzt. — Gelsen¬
kirchen: Assistenztierarzt 2700M. — Harburg a. Elbe: Assistenz¬
tierarzt 2400 M. — Kattowitz: Schlachthofdirektor 8600 M. —
Königsberg i. Pr.: Zwei Tierärzte. — Bad Kreuznach: Assistenz¬
tierarzt, 2400 M. — Landsberg a. W.: Assistenztierarzt. 2400 M.
— Liegnitz: Assistenztierarzt. 2400 M. — Lippstadt: Verwalter.
2500 M. bis 4000 M. — Lübeck: II. Tierarzt. 2400 M. — Osna¬
brück: II. Assistenztierarzt. 2100 M. — Plauen i Vogtl.: Amtstier¬
arzt und Stellvertreter des Direktors. 4200 M. bis 5700 M. — Prüm
(Rhld.): Verwalter (Tierarzt). 1200 M. bis 1500 M., freie Wohnung usw.—
Pyritz: Schlachthofdirektor. 1800 M. bis 2400 M. — Schwiebus
(Bez. Frankfurt a. O.): Schlachthofleiter. 2400 M. ■— Stettin:
III. Tierarzt bei der Auslandfleischbeschaustelle. 2400 M.
Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis:
Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Brilon
(Westfalen). — Kemberg (Kr. Wittenberg). — Kirchberg-Huns-
I rück. — Langelsheim (Herzogt. Braunschweig). — S pangenberg.
Verantwortlich fflr den Inhalt (ezkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Scbmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung Ton Richard 8choets ln Berlin. —
Druck Ton W. Bfixen*teln, Berlin.
Dl« „Berliner Tlerftrstlicke Wochenschrift“ erechelnt
wöchentlich !m Verlag« von Richard Schoetz ln
Berlin SW. 48, WilhelmBtr. 10. Durch jede» deutsche
Poetamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4^8 für die Wochenschrift, IS Pf. für Bestellgeld)
fk’«! ins Haus geliefert (Österreichische Post-Zeitungs-
Preialtate Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Origlnalheiträge werden mit 60 Hk., ln Pet!t-«atz mit
HO Bk. fitr den Bogen honoriert. Alle Manuskripte.
Mitteilungen und redaktionelli n Anfragen beliebe man
zu «enden an Prof. L»r. Selmi.iltz, Berlin, Ticrärzt
liehe Hochschule. NW , Linooistrafle 5«. Korrekmrnn,
Rezensions-Kxemplaro und Annoncen dagegen an die,
Ve» l.igsbuc Handlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
filage
Veterinilrrat Dr. Lothes
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Prof. Dr. Peter Veterinärrat Peters
Veterinärrat Preuße
Dr. Richter
ProfiMisor
Departemeotstlerarzt
Krei-Ii- rar*!
Departeinentstiuriir/.t
Uepnrtamentstiorar/t
l'rofesHor
Hamburg.
Cöln.
Angennünde.
Bromber^.
Danzig.
Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder Dr. Schlegel Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel ZUndel
Professor Professor Profensor l.andestierar/.t v Bayern Krelstierarat
Dresden. Freiburg i. Br. Dresden. München. Mülhausen i. E.
Jahrgang 190$.
M 15 .
Ausgegeben am 9. April.
Inhalt: Walther: A nwendung des Atoxyils in der Veterinärmedizin. — Wülfel: Ein Fall von atypisch verlaufender
rasender Wut beim Hunde. — Holterbach: Gelberüben Vergiftung. — Zieger: Aus der Praxis für die Praxis. —
Referate: Porcher: Über das osmotische Gleichgewicht im tierischen Organismus. Die Rolle des Kochsalzes. — Bartels:
Beitrag zur Organisation der Rotlaufimpfungen aus Kreiskommunalmitteln. — Voß: Zur Diagnose von Fesselbeinfissuren hei
Pferden. — Piorkowski: Die Opsonine in der modernen Therapie. — Kleine Mitteilungen. — Tageageachlchte: Schmnltz:
Die Berliner Berufungen. — Die Lage der Tierärzte. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Anwendung des Atoxyls in der Veterinärmedizin. ;
Von Korpsstabsveterinär Walther in Leipzig.
Der Herr Geheime Medizinalrat Prof. Dr. Frosch iu Berlin
hat im Kursus fiir Korpsstabsveterinäre die moderne Beurteilung
und Bekämpfung der Infektionskrankheiten in büchst lehrreicher
Weise anschaulich vorgetragen. Auch der Tätigkeit der deutschen
Expedition in Südafrika zur Erforschung der Tropenkrankheiten
der Menschen und Tiere, besonders der Schlafkrankheit, ge¬
dachte der Herr Geheimrat in etwa folgender Ausführung: Die
Aofgabe der deutschen Expedition ist gelöst, nachdem Se. Ex¬
zellenz der Herr Geheimrat Prof. Dr. Koch gefunden hat, wie
man der Schlafkrankheit der Menschen therapeutisch und pro¬
phylaktisch beikommen kann. Vor allem kommt es darauf an,
die Leichtkranken durch Blutnntersnchnng, noch ehe Lymph-
drüsenschwellung eintritt, ausfindig zu machen, ob Tripanosomen
im Blute vorhanden sind. Ist das der Fall, dann maß der Be¬
fallene sich einer fortgesetzten Behandlung mit Atoxyl unter¬
werfen, welches sich allen anderen Mitteln bis jetzt als über¬
legen erwiesen hat. Selbst bei den Schwerkranken, sagt der
Herr Geheimrat weiter, wurde die Mortalität durch Atoxyl auf
mindestens den zehnten Teil herabgesetzt. Es bewährte sich,
kleine Dosen in 3—10tägigen Paußen anzuwenden, denn starke
Dosen hatten Nebenwirkungen, z. B. wurde die Sehkraft mehr
oder weniger angegriffen. Während der Atoxylbehandlung ge¬
lang es, das Blut tripanosomfrei, seinen Träger also unschädlich
zn machen. Außer der therapentischen Atoxylbehandlung kamen
noch prophylaktische Maßnahmen in Betracht: Versetzung der
Bevölkerung zn gewissen Jahreszeiten in die von Glossina pal-
palis freien Gegenden, Vertreibung der Glossina durch Abholzen
der betreffenden Stellen, Ausrottung der Krokodile, von deren
Blut sich die Glossina palpalis nährt. Die Glossina palpalis ist
mit unserer Stubenfliege verwandt und ähnlich; ihr Stich über¬
trägt die Tripanosomen, verursacht die Seuche, die tödlich ver¬
lief und dadurch wurde die ganze Gegend unwirtsam. Die
; Tripanosomen sind tierische Parasiten und gehören zn den
i Protozoen, welche die niederste Tierklasse darstellen. Der
durch den Stich der Glossina palpalis in das Blut überführte
Parasit vermehrt sich hier, wo er die Substanz der roten Blut¬
körperchen aufzehrt.
Es ist hier nicht der Platz, auf die spezielle Tätigkeit
Kochs näher einzugehen, nur so viel darf nicht unerwähnt
bleiben, daß der geniale Forscher Gesundheit und Leben ein¬
gesetzt, um im Dienste des Vaterlandes dessen Kolonien von
einer Seuche zu befreien, die sie zu entvölkern drohte. Seine
Wirkung bestand darin: Die Ausbreitung der Schlafkrankheit
in unseren Kolonien festzustellen, die Art der Übertragung zn
ermitteln, die Wege zu ihrer Einschränkung und etwaigen Ver¬
nichtung zn finden nnd die in Betracht kommenden Behandlungs¬
methoden zu studieren. Dies hat, wie schon gesagt, Se. Exzellenz
in vollkommener Weise gelöst.
Diese günstigen Resultate ließen es als notwendig er¬
scheinen, das Atoxyl auch in der Veterinärmedizin anznwenden.
Das Atoxyl ist eine Arsen-Anilinverbindung Metaarsensäure-
anilid. Die Formel lautet richtig:
NH »-\ >- As0 ONa.
Um so mehr glaube ich das Mittel versuchen zn können,
w weil der wirksame Bestandteil Arsen ist. Jeder Praktiker
schenkt dem Arsen größeres Vertrauen; nicht allein weil es
schon etwa 200 Jahre als Heilmittel im Gebrauch ist, sondern
weil es auch in den verschiedenen Disziplinen der Veterinär¬
medizin schon von Gerlach, Haubner, Hartwig,
Siedamgrotzky, Dieckerhoff u. a. empfohlen und mit gutem
Erfolg angewandt worden ist.
Die Darstellung des Atoxyls sowie dessen chemisch-
physikalisches Verhalten soll uns hier nicht interessieren, nur
so viel, daß das Präparat Im Durchschnitt 40mal weniger giftig
ist als die Solutio Fowleri.
206
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
Von den Versuchen, die im diesseitigen Armeekorps aus¬
geführt wurden, möchte ich einige kurz anführen:
Fall 1 und 2 betrifft Pferde mit Brustseuche. Mitte No¬
vember wurde ich zu einem kranken Pferde gerufen, welches
seit zwei Tagen nicht fraß und sich nicht mehr legte.
Temperatur 40,8° C, Pulse 04, Atemzüge 40 in der Minute,
Atmung erschwert, starkes Heben der Rippen, Aufreißen der
Nasenlöcher. Linkerseits untere Hälfte gedämpfter, rechterseits
voller Schall. Auskultation: verstärktes Bronchial- und
Vesikuläratmen. Husten trocken und schmerzhaft. Die sicht¬
baren Schleimhäute stark gelbrot gefärbt. Im allgemeinen war
der Patient sehr matt und besonders schwach in der Hinter¬
hand. Futteraufnahme gering. Da am zweiten Tage auch das
Nebenpferd erkrankte, wurde Brustseuche mit schwerem
Charakter konstatiert. Die Behandlung geschah nach den be¬
kannten Grundsätzen. Die Krankheitserscheinungen beider
Patienten waren ziemlich gleich. Die Innentemperatur stieg bis
auf 41,2° C. Mit Einverständnis des Besitzers wurde Atoxyl
in 2 prozentiger Kochsalzlösung subkutan angewandt. Verbraucht
wurde in drei Tagen 1,35 g Atoxyl für beide Pferde. Die
Lösung wurde vom Apotheker ausgeführt, was ich auch für
ev. Versuche empfehlen möchte. Nach der Anwendung trat ein
auffallender Erfolg nicht ein. Es konnte nur festgestellt
werden, daß das Atmen ruhiger und der Blutumlauf gleich¬
mäßiger und kräftiger wnrde. Für den erfahrenen Veterinär
hatte es den Anschein, als ob das Atoxyl seine Hanptwirknng
im Blute entfalte, die anderseits dahin zu erklären ist, daß
zweifellos das Atoxyl den roten Blutkörperchen, den Trägern
des Sauerstoffs, eine größere Widerstandsfähigkeit verleiht.
Der Verlauf der Krankheit sowie die Rekonvaleszenz war
normal.
Wenn ich mir auch wohl bewußt bin, daß mit den beiden
Versuchen noch nichts für die Wirksamkeit de9 Atoxyls bei
Brustseuche bewiesen ist, so ermutigen sie jedoch meines Er¬
achtens zu weiteren Versuchen. Besonders wären dieselben
dort angebracht, wo der Blutumlauf unregelmäßig und schwach
und die Respiration einen erschwerten Charakter einnimmt.
Fall 3, Stabsveterinär Rudolph behandelt ein Pferd mit
Hämoglobinnric. Dieser Patient fiel anfangs durch seine Müdig¬
keit auf. Er lag viel, stöhnte beim erschwerten Aufstehen und
zeigte in der Nierengegend sowie im ganzen Hinterteil Schmerzen.
Das Allgemeinbefinden war sonst nicht gestört. Am nächsten
Tage setzte der Patient blutig rubinroten Harn ab, der in den
nächsten Tagen eine dunkelbraune, trübgraue Farbe annahm.
Die Behandlung geschah nach den bekannten Grundsätzen. Im
weiteren Verlauf nahm die Affektion und die Schwäche im
Hinterteil zu, so daß der Patient nur noch mit Unterstützung
auf seinen Beinen gehalten werden konnte. Da eine Heilung
aussichtslos erschien, so gelangte noch das Atoxyl in zweiproz.
Lösung in täglich steigenden Dosen subkutan zur Anwendung.
Der Patient wurde sorgfältig überwacht. Nach der ersten Ein¬
spritzung hatte es den Anschein als ob das Leiden günstig
beeinflußt würde, in weiterem Verlaufe bestätigte sich diese
Erscheinung nicht. Das Pferd starb am 9. Behandlungstage
unter septischen Erscheinungen. Meinen Mißerfolg, sagt
Rudolph, schreibe ich dem Umstande zu, daß das Atoxyl in
einem ganz hoffnungslosen Zustande zur Anwendung kam, wo
andere Mittel versagten. Ich hoffte mit Atoxyl noch Um¬
stimmung bzw. Heilung erzielen zu können.
Die fügenden Versuche führte der Oberveterinär Fischer
beim 2. Llanen-Regiment Nr. 18 an vier an Brustseuche er¬
krankten Pferden in folgender Weise aus:
Fall 4 und 5. Bei 2 Pferden jüngerer Jahrgänge trat keine
nachweisbare Wirkung ein.
Fall 6. Bei diesem Patienten sank die Temperatur nach
5 Stunden von 40,4 auf 39,5 0 C, um dann allmählich wieder
anzusteigen.
Fall 7, hier veränderte sich die Innentemperatur wie folgt:
1. Injektion 0.2 keine,
2. .. 2 X 0,2 von 40,9 nach 2 Std. auf 40,0 0 C,
3.
2 X 0,2
.. 40,6 „ 2 „
„ 39,7°
4.
0,4
,. 40,1 „ 5 „
, 39,5»
5.
0,4
„ 39,7 ,. 4
* 39,0«
6.
0,6
39,3 * 3 „
„ 38,2«
Der letzte Fall beweist besonders, daß das Atoxyl bei Brust¬
seuche imstande ist, in der 2. bis 5. Stunde nach der Injektion
die Körpertemperatur um 0,6—1,1" C herabzusetzen. Weiterhin
war ein Rückgang der Abendtemperatur nach sämtlichen In¬
jektionen zu konstatieren.
Daß man aber auch dem Atoxyl skeptisch, wie allen neueren
Mitteln gegenüber stehen muß, beweisen die Fälle 4 und 5, wo
ein nachweisbarer Einfluß auf den Krankheitsverlauf nicht eintrat.
Sämtliche Versuchspatienten wurden nach den bewährten
Grundsätzen behandelt, die wahrscheinlich auch ohne Atoxyl die
Krankheit glatt zur Heilung geführt hätten. Es darf aber nicht
unbeachtet bleiben, daß der wirksame Bestandteil des Atoxyls
ein allbewährtes Heilmittel ist, welches ohne jede Gefahr für
die Pferde versucht werden kann. Die Kosten hierfür sind be¬
deutungslos.
Ich bin immer der Meinung gewesen, daß die erprobten und
bewährten Mittel in der humanen Medizin auch in der Veterinär¬
medizin nutzbringend angewandt werden können, und daß in
Zukunft die Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier fast
gleiche Bedeutung haben werden.
{Aus dem Veterinärinstitut der Universität Breslau. Direktor: Prof
Dr. Casper.]
Ein Fall von atypisch verlaufender rasender Wut
beim Hunde.
Von Pr. Kurt Wülfel,
I. Assistent des Insttstuta.
Da die Zahl der Tollwutfälle, namentlich in den östlichen
Provinzen, neuerdings recht erheblich ist, dürfte der folgende
Fall von vollkommen atypisch verlaufender rasender Wut beim
Hunde eines allgemeineren Interesses nicht entbehren. Er ist
ein Beweis für die Schwierigkeiten, welchen der Tierarzt bei
der Stellung der Tollwutdiagnose begegnen kann, zumal in der
Praxis eine längere Diagnose der Patienten, wie in der hiesigen
Klinik, nur ausnahmsweise durchführbar ist.
Am 14. August dieses Jahres wurde ein vierjähriger brauner
Jagdhund der hiesigen Poliklinik zugeführt. Derselbe hatte sich
an der linken Oberlippe eine Bißwunde mit anschließender
Phlegmone zugezogen.
Bei Aufnahme des Vorberichts stellte sich heraus, daß der
Hund drei Tage vorher einen anderen Hund des Besitzers ohne
jede Veranlassung gebissen hatte, und hierauf, nachdem er sich
losgerissen, etwa eine halbe Stunde herumgelaufen war. Au
9. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
267
seiner Irrfahrt wurde er von einem Manne, der ihn kannte, an-
gebalten und dem Besitzer wieder zugeführt. Diesen Zeitpunkt
benutzte der zweite Hund des Besitzers, um sich für erlittene
Unbül zu rächen, und brachte ihm den oben erwähnten Biß bei.
Seit dieser Zeit fraß der Hund sehr wenig und zwar nur dann,
wenn ihm die Nahrung von der gesunden Seite des Maules aus
verabreicht wurde. Bezüglich der Wasseraufnahme, des Kot¬
absatzes U8w. konnte durch den Vorbericht nichts festgestellt
werden.
Es stellte sich dann weiter heraus, daß der Hund erst zehn
Tage im Besitze seines jetzigen Herrn war und aus einer
Gegend stammte, in der in letzter Zeit verschiedentlich Tollwut
vorgekommen war.
Als nun dem Patienten zwecks Vornahme der Untersuchung
das Maul zugebunden werden sollte, geriet ihm hierbei zufällig
ein Stück des Bindfadens zwischen die Zähne, worauf er das¬
selbe mit großem Appetit auffraß.
Obwohl die angeführten Erscheinungen zur Begründung des
Verdachtes auf Tollwut nicht genügten, wurde der Hund dennoch,
um ihn für alle Fälle unschädlich zu machen, zur Beobachtung
in die Klinik eingestellt.
Es ergab sich folgender Befund:
„Der oben schon gekennzeichnete Hund ist stark abge¬
magert, der Hinterleib aufgezogen; die Haare stehen auf dem
Rücken gesträubt. Die Augen liegen tief in den Augenhöhlen,
so daß die unteren Augenlieder das Bild des Ektropiums zeigen.
Dieselben sind höher gerötet; auf ihrer Oberfläche befindet sich
ein schleimig-eitriges Sekret. Der Blick ist stier; es macht den
Eindruck, als ob der Patient dem Blick des Untersuchers aus¬
zuweichen sucht.
Im Käfig liegt der Hund teilnahmslos da, stiert nach irgend¬
einer Stelle und schnappt hie und da nach Fliegen. Da diese
aber den Patienten zahlreich umschwärmen, so ist schwer fest¬
zustellen, ob es sich hierbei um Halluzinationen handelt. Auf
Stockschläge reagiert der Patient in keiner Weise. Das ihm
Vorgesetzte Futter (Reis mit Fleisch in reichlicher Menge) frißt
er langsam aber vollständig auf. Wasseraufnahme und Kotabsatz
sind normal, ebenso die Atmung.
In der Nacht vom 14. zum 15. August hat der Hund nach
Aussage des Dieners viel geheult. Am Tage bellt er sehr
häufig längere Zeit, doch ist der Ton hierbei nicht heiser,
sondern vollkommen normal.
Als der Patient am 15. August zwecks Aufnahme eines
ausführlichen Befundes aus dem Käfig genommen wird, macht
er sich frei und Btürmt in den Hof hinaus. Hier jagt er, da
aUe Ansgänge geschlossen, mit vorgestrecktem Kopf und stierem
Blick hin und her. Mit Mühe wieder eingefangen, wird er sofort
in den Käfig zurückgebracht, wo er sein Lager aufsucht und
dasselbe Benehmen zeigt, wie am Tage vorher.
In der Nacht vom 15. zum 16. August hat der Hund weniger
geheult, auch läßt am 16. das immer noch normal klingende
Bellen nach. Das Futter wird jetzt vollständig versagt. Es
fällt aber am 17. August auf, daß sich das Stroh des Lagers
erheblich vermindert hat. An diesem Tage bellt der Hund
überhaupt nicht mehr. Er ist auch in der vorhergehenden Nacht
ruhig gewesen. Der jetzt fast zum Skelett abgemagerte Hund
kann an diesem Tage schlecht aufstehen und schwankt beim
Laufen etwas hin und her.
Am 18. August hat die Lähmung der Nachhand noch zu¬
genommen, so daß der Hund nur mit Mühe aufzustehen vermag,
um sogleich wieder umzufallen.
Abende 6 Uhr fand der Wärter den Hund tot im Käfig
liegen.
Das struppige, verkommene Aussehen des Hundes, der
stiere Blick, die Indifferenz gegen Stockschläge, der Drang zum
Entweichen, das Umherjagen des Patienten mit vorgestrecktem
Kopf und stierem Blick, der perverse Appetit und der dem
Beginn der Paralyse in wenig mehr als 48 Stunden folgende
Tod, im Verein mit dem Vorbericht waren die Veranlassung
die Diagnose auf Tollwut zu stellen, obwohl der Hund so gut
wie keine Beißsucht gezeigt hatte, auch die sonst patho-
gnostischen Erscheinungen einer Bulbärparalyse vollkommen
fehlten, denn noch vier Stunden vor seinem Tode waren bei
dem Patienten Schlingbeschwerden, Speichelfluß, Lähmung des
Unterkiefers und Veränderung der Stimme nicht nachzuweisen.
Die Sektion ergab bis auf den Magen einen negativen
Befund. Im Magen befand sich eine reichliche Menge Stroh.
Die Schleimhaut desselben war in nicht verstreichbare Fftlten
| gelegt, auf deren Höhe Hämorrhagien nachzuweisen waren.
Die in der hiesigen Tollwutstation ausgeführte Untersuchung
des Gehirns ergab das Vorhandensein typischer Negrischer
Körperchen. Die geimpften Kaninchen verendeten unter den
Erscheinungen der stillen Wut.
Es dürfte sich hier demnach um einen Fall der rasenden
Wut handeln, bei der nach Friedberger und Froehner hier
und da einmal die Erscheinungen der Beißsucht ausfallen können.
Gelberiibenvergiftung.
Von Tierarzt Holterbach-Offenburg.
Gelegentlich meines in Nr. 32 dieser Zeitschrift veröffent¬
lichten Artikels über Vergiftung durch gelbe Rüben erhielt • ich
von Herrn Kollegen Eugen Baß-Görlitz eine liebenswürdige
Mitteilung, welche ich im Interesse der allzu mageren Kasuistik
glaube bekannt geben zu sollen.
Darnach hat Kollege Ludwig Böhm in der „Wochen¬
schrift für Tierheilkunde und Viehzucht“ 1883 Nr. 8
über Vergiftung bei weißen Mäusen berichtet. Ich erinnere
mich nun, daß es dieser Mann war, aus dessen Mund ich zum
erstenmal als Student zu meiner großen Überraschung eine
Warnung vor der „giftigen“ Gelberübe vernahm. Böhm, vor
einigen Jahren gestorben, war zwar ein großer Pedant, aber
ein äußerst gewissenhafter, sorgfältiger Beobachter, dessen An¬
gaben sicherlich nicht in Zweifel gezogen werden dürfen.
Ferner soll, nach E. Baß, auch der verstorbene Prof.
Thomassen-Utrecht in einer holländischen Zeitschrift der Ver¬
giftung von Pferden durch Mohrrüben gedenken und darauf
hinweisen, daß derartige Fälle auch in Belgien beobachtet wurden.
Wie man daraus ersieht, ist der Karotismus nur wenig be¬
kannt und wenig beachtet. Daß er aber weit verbreitet ist,
beweist mir eine andere Zuschrift, in der ein Kollege mit ganz
unleserlicher Handschrift (vielleicht hat er die Liebenswürdig¬
keit, mir in einer Postkarte seinen Namen lesbar zu nennen!)
mir zustimmt, daß durch die Schwächung des Organismus der
Tiere ein oft empfindlicher Schaden für die Viehbesitzer er¬
wachse: „Wenn bei uns eine Druseepidemie oder eine
Influenza ausbricht, dann erliegen ihr die Gelberüben-
m
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
pferde fast regelmäßig. Die Druse zieht sich lang hin
und hinterläßt in vielen Fällen ein Kehlkopfpfeifen
oder eine Schwäche der Lunge; die Influenza ist ent¬
weder tödlich oder endet mit Dampf. Auch Koliker
sind dann stets bedenkliche Patienten, wenn ihre Ein¬
geweide und ihr Herz durch Gelberübenverfütterung
desorganisiert sind, bei ihnen stelle ich die Prognose
auch in leichten Fällen vorsichtig, weil schon oft nach
anscheinend sicherer Besserung Bauchfellentzündung
unerwartet den Patienten mitnahm.“
Es sollte mich freuen, wenn meine Anregung fruchtbaren
Boden fände. Ich bin überzeugt, daß der Mißbrauch exzessiver
Gelberübenfütterung weit einschneidendere Nachteile hat, als
man heute noch weiß; wendet sich die Aufmerksamkeit der
„praktischen“ Tierärzte erst einmal diesem Gegenstände zu,
dann werden wir sicherlich überraschende Aufklärungen über
manches noch dunkle Problem erlangen.
Aus der Praxis für die Praxis.
Von Tierarzt Zieger-Strchla a. Elbe.
In letzter Zeit ist das Ferkelfressen der Schweine des
öfteren zum Gegenstände von Abhandlungen gemacht worden.
Die Ursachen dieser pathologischen Erscheinung sind unter
anderem von Nörner, D. T. W. 1906, Nr. 10, eingehend er¬
örtert und darnach mannigfache Maßnahmen in Vorschlag gebracht
werden. Aus seinen Ausführungen geht hervor, daß das Ferkel¬
fressen den perversen Geschmackszuständen zuzurechnen ist.
Holterbach, B. T. W. 1906, Nr. 11, weist neben den von
jeher geltenden Causae morbi des Ferkelfressens noch besonders
auf nervöse Verstimmung und vorübergehende Störung des
Bewußtseins hin. Er beobachtete diesen krankhaften Zustand
bei bösartig veranlagten Mutterschweinen, die mit schmerzhaften
Zuständen am Euter, in den Geburtswegen oder sonstwo behaftet
waren. Broholm, Referat, B. T. W. 1907, stellt die in
Deutschland weit verbreitete Ansicht, daß Wunden und Ver¬
letzungen oder andere schmerzhafte Leiden der Zitzen und des
Euters die Sauen zum Ferkelfressen veranlasse, als unrichtig
hin und sieht auf Grund seiner Beobachtungen überhaupt kein
örtliches Leiden als Ursache des Ferkelfressens an. Die Neigung
zum Ferkelfressen konstatierte er oft bei solchen Sauen, welche
in bezug auf Euter, Zitzen, Magen und Gebärmutter sich der
besten Gesundheit erfreuten. Broholm sieht das Ferkelfressen als
ein Gehirnleiden der Muttertiere an und erkennt in der Raserei
post partum eine Störung der Gehirntätigkeit. Er behandelt
diese Tiere symptomatisch, indem er in großen, eventuell zu
repetierenden Dosen — auf 100 Pfund Lebendgewicht 16—18,0
Chloralhydrat — per os mittels eingeführten Magenrohrs
verabreicht.
Fast jedes Jahr werde ich dieses Leidens wegen konsultiert
und habe des öfteren Gelegenheit genommen, solche Tiere genau
zu beobachten und zu untersuchen. Auf Grund dieser Befunde
kann ich Broholm in seinen Ausführungen nur beistimmen,
indem ich pathologische Zustände weder des Magens, noch des
Euters oder der Gebärmutter zu konstatieren vermochte. Im
letzten Jahrgange fand ich Gelegenheit zwei derartige Fälle
in Behandlung zu nehmen. Das eine Mutterschwein hatte den
ersten, das andere den zweiten Wurf. Bei meiner Ankunft fand
ich die Tiere außerordentlich unruhig und aufgeregt. Sie legten
sich nicht, sondern liefen beständig im Stalle herum. In ihre
Tröge geschüttetes Futter verzehrten sie hastig und mit großem
Appetit. Es waren beide gut genährte und gut entwickelte Tiere.
Das geringste Geräusch, das Ansichtigwerden von Personen,
sowie jede Berührung versetzte sie in eine Art Tobsucht. Mit
erhobenem Kopfe und stierem Blicke stießen sie abnorme,
bellende Töne aus und vollzogen im Verhältnis zu ihrer Beleibt¬
heit auffallend schnelle Bewegungen, so daß ihnen schwer bei¬
zukommen war. Sie wurden sofort aggressiv und bissen rück¬
sichtslos in vorgehaltene Gegenstände. Der Besitzer des einen
Tieres hatte ein totes Ferkel an eine Stange gebunden und
hielt es über den Stall. Sobald das Muttertier das Ferkel sah,
sprang es mit offenem Rachen danach wie ein Hund und zwar
so lange, bis es atemlos zusammenbrach. Ein vorgeworfenes
Ferkel fraß es mit einer derartigen Hast auf, daß es im Nu
verschluckt war. Aus alledem war zu schließen, daß bei diesen
Tieren das Bewußtsein gestört und Wahnvorstellungen vor¬
handen waren.
Ein ähnlicher, aber mehr mit Depressionserscheinungen
einhergehender pathologischer Zustand ist das Strohketschen
der Mutterschweine ante partum und in partu, welches man in
geringerem Maße des öfteren auch bei Mastschweinen beobachten
kann. Die Mutterschweine tragen oft tagelang vor der Geburt
mit einer gewissen Unruhe zu Neste und kauen dabei beständig
Stroh, oder sie kauen erst während des Ferkelns binnen kurzem
große Mengen Strohes und schlucken es ab. Hierdurch und
durch die nachfolgende Futteraufnahme erweitert sich der
Magen oft um das dreifache seiner natürlichen Größe. Bei
diesem enorm gefüllten Magen vermag die mit den Wehen ein-
setzende Bauclipresse derartig auf. das Geburtsgeschäft ein-
zuwirken, daß dieses heroisch rasch erledigt wird und im
Anschluß an die Ausstoßung des letzten Fötus der UteruB mit
noch anhaftenden Plazenten in wenigen Minuten in toto prolabiert.
Dies geschieht, wie ich beobachten konnte, zumeist im Anschluß
an das Strohketschen und zwar fast ausnahmslos kurz nach
vorausgegangener reichlicher Futteraufhahme. Bei der Fleisch¬
beschau findet man alsdann den uns mehrfach vergrößerten,
stark gefüllten Magen oder auch eine bedeutende Anschoppung
eingetrockneten Inhalts in den Poschen des Dickdarms. — Es
ist daher ratsam, Tiere, die sich bereits zur Geburt anschicken,
sorgfältig zu überwachen, ihnen bei eventuellem Strohketschen
daB Stroh zu entziehen oder sie durch Einbinden eines kurzen
Strickes ins Maul über dem Oberkiefer daran zu verhindern
zu suchen, Analog dem Ferkelfressen direkt im Anschluß an
die Geburt beruht auch daB Strohketschen der Mutterschweine
ante partum und in parte nach meinen Beobachtungen auf nervöser
Basis. In beiden Fällen sind Störungen des Zentralnerven¬
systems, insbesondere des Bewußtseins — Wahnvorstellungen —
zu beobachten. Bei dem ersteren tritt die stille Wut (Erethisie),
bei dem letzteren die Tobsucht und Raserei in den Vordergrund.
— Gegen das Strohketschen sowohl als auch gegen das Ferkel¬
fressen der Mutterschweine wende ich seit Jahren mit prompten
Erfolg Pulv. Rhiz. Veratri an, indem ich bis 5 g des Pulvers
mit 1 a Liter siedenden Wassers auf brühen und als Clysma
lauwarm auf ein- oder zweimal verabreichen lasse, ähnlich
der von Kollege Holt erbach-Eigeltingen erwähnten Therapie,
nur daß Holterbach 0,05 Veratri sulf. in 100,0 Aqua dest. als
Clysma empfiehlt. Ich habe mich von der prompten Wirkung
dieses Mittels in oben erwähnten zwei Fällen selbst überzeugt.
9. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT*
269
Nach Aufsetzen der Schweinebrerase applizierte ich das so
bereitete Clysma selbst. Nach etwa 20 Minuten trat unter
starker Erschütterung des ganzen Körpers der betreffenden
Tiere mächtiges Erbrechen ein. Nach dem Brechakt legten
sich die Tiere erschlafft nieder und verfielen in einen apathischen
Zustand. Die herbeigebrachten Ferkel wurden zunächst gar
nicht beobachtet und konnten ungestört das Sauggeschäft ver¬
richten.
Die betreffenden Besitzer versicherten mir, daß die Mutter¬
schweine nach dem Erbrechen dauernd wie umgewandelt, vor¬
sichtig, ja zärtlich mit ihren Ferkeln umgingen.
Ausgehend von der Tatsache, daß das Ferkelfressen mit
starken Erregungszuständen der Muttertiere einhergeht, setzte
ich vor Anwendung der Veratrintherapie große Hoffnung in das
Chloralhydrat und habe es gleichfalls als Klysma in Leinschleim
in wiederholten Dosen 10—20 g verabreicht ohne eine prompte
Wirkung zu erhalten. Broholm wendet Chloral per os an,
wodurch die Wirkung des Mittels eine entschieden zuverlässigere
wird. Doch möchte ich auf Grund meiner Erfahrungen bei
Rindern der Ansicht Broholms, daß Chloralhydrat möglichst
gefahrlos sei, widersprechen. Ich beobachtete zu wiederholten
Malen, daß Kühe, denen ich wegen beängstigenden, starken
Drängens Retensio secundinarum Chloralhydrat in Leinschleim
per os in Dosen von 50—75,0 eingeben ließ, bei der nach¬
folgenden Schlachtung zahlreiche, flächenhafte, subseröse
Blutungen und ikterische Färbung der serösen Auskleidung der
Brüste und Bauchhöhle zeigten. Schon aus diesem Grunde ist
Vorsicht mit der Chloralhydrattherapie bei Schlachttieren nötig,
ganz abgesehen davon, daß die Einführung des Magenrohres
bei Schweinen. — insbesondere bei derartig aufgeregten —■ ganz
erhebliche Hilfskräfte erfordert und daß trotz derselben bei der
mangelhaften Fixierung des Kopfes diese Operation nicht als ge¬
fahrlos bezeichnet werden kann. Den Mutterschweinen und größeren
Mastschweinen verabreiche ich Medikamente per os nur in Form
von Latwergen derart, daß die Tiere nicht angerührt werden
dürfen und in Ruhe mittelst Holzspatel den mit einem Ge-
schmackskorrigens (Syrup) verrührten Brei in die Maulspalte
und zwar am bequemsten von dem linken Maulwinkel aus ein¬
geschmiert erhalten. Mittelgroße Schweine bis zu etwa
130 Pfund fixiere man bei dieser Prozedur in folgender Weise:
Eine kräftige Person erfaßt das betreffende Schwein an den
Ohren, steigt mit einem Bein über den Körper des Tieres, läßt
es bis an eine Wand auf den Hinterfüßen rückwärts gehen
und erfaßt, indem sie die Ohren losläßt, die Vorderbeine des
Tieres.
Auf diese Weise sind auch die in ihren Bewegungen außer¬
ordentlich raschen, mittelgroßen Schweine, die zu schwer sind,
um an den Hinterbeinen von einer Person in die Höhe gehoben
zu werden und bei denen des schmalen Rüssels wegen die
Schweinebremse schlecht hält, bequem hinter den Ohren zu
impfen. — Als Clysma wirkt das Veratrin in gleichen
Dosen wie bei den vorerwähnten Leiden meiner Erfahrung nach
auch vorzüglich bei der Kehlkopfbräune der Schweine. Der
diese Tiere unaufhörlich quälende, trockene, schmerzhafte, oft
bellende Husten und die damit verbundene Atemnot verschwinden
zumeist nach dem Erbrechen sofort. Noch kurz möchte ich des
Ferkeldurchfalls gedenken, dem nicht selten ganze Würfe zum
Opfer fallen. Er tritt gewöhnlich auf, wenn die jungen Ferkel
bei mangelhaftem Einstreuen sich erkälten, oder frühzeitig
Jauche saufen, oder durch Verwöhnung des natürlichen Bornes
der Muttermilch gezwungen sind, alsbald Mehlsuppen oder Kuh¬
milch zu nehmen. Außer Abstellung der Ursachen wende ich
dagegen schon lange die Jodtinktur an, die den Ferkeln von
den ersten Tagen ihres Lebens ohne jeglichen Schaden gegeben
werden kann.
Ich verabreiche Tinct. Jodi bis zu einem Teelöffel auf
einmal bei Durchfall der Ferkel. Eine einmalige Gabe stopft
den heftigsten Durchfall, ohne daß der Appetit dieser Tiere
beeinträchtigt wird. — Bei den vielen mit großer Reklame an¬
gepriesenen neueren Mittel vergißt man leicht die altbewährten.
Berichtigung.
In dem Orginalartikel „Mitteilungen aus der Praxis“ von
Train ist in Nr. 14, S. 245, im ersten Absatz der linken Spalte
ein Wort ausgefallen. Es muß dort heißen: Von 6 Würfen
sind 5 Ferkel im Wachstum zurückgeblieben.
Referate.
Über das osmotische Gleichgewicht im tierischen
Organismus. Die Rolle des Kochsalzes.
Von Porcher.
(Journal de Lyon. Januar 1906.)
Osmotischer Druck der Lösungen. Wird in ein Gefäß mit
destilliertem Wasser ein anderes Gefäß mit halbdurchlässiger
Wandung, das eine wässerige Lösung, z. B. eine Zuckerlösung
enthält, hineingestellt, so steigt die Zuckerlösung bis zu einem
bestimmten Niveau, weil Wasser aus dem ersteren Gefäße durch
die Wandung des letzteren hin durch dringt. Diesen Vorgang
heißt man in der Physik den osmotischen Druck, welcher nicht
durch das Gewicht des gelösten Stoffes, sondern durch die Zahl
der in der Lösung sich befindlichen Moleküle beeinflußt wird.
Zwischen zwei Lösungen von gleichem osmotischen Druck findet
kein Austausch statt und man sagt von ihnen, sie seien isotonisch.
Ist aber die eine Lösung konzentrierter als die andere, so sagt
man die erstere ist hypertonisch, während die letztere hypotonisch
ist. Zwei isotonische Lösungen haben auch den gleichen Gefrier¬
punkt und dieser steht um so tiefer, je größer die Zahl der auf¬
gelösten Moleküle ist. Die Gesetze, welche die Phenomene, die
durch die Variationen des osmotischen Druckes bedingt sind,
regeln, sind auch anwendbar auf den physikalischen Mechanismus
des Stoffwechsels.
Das osmotische Gleichgewicht im Organismus, die ver¬
schiedenen Flüssigkeiten des Organismus, z. B. die Säfte oder
Ergüsse, die Lymphe, die Gehirn- oder Rückenmarkflüssigkeit,
das interstitielle Plasma, die Ödem- oder Ascitesflüssigkeit, die
pleuralen Exsudate haben beinahe dieselbe Konzentration wie
das Blutserum. Ihre chemische Zusammensetzung kann wohl
eine verschiedene sein, aber die Anzahl der in Lösung sich
befindlichen Moleküle ist bei allen beinahe eine gleich große,
diese winzige Verschiedenheit der molekularen Konzentration
zwischen dem Plasma einerseits und den andern Flüssigkeiten
des Organismus andrerseits ist zum Leben unbedingt notwendig,
denn ein absolutes Gleichgewicht würde den Tod bedeuten, da
kein Austausch und infolgedessen auch keine Ernährung mehr
stattfinden könnte. Die Osmose, die zwischen jeder Zelle und
der sie umspülenden Ernährungsflüssigkeit statt hat, weist ganz
270
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15
geringe Schwankungen auf und steht sie in einem bestimmten
Verhältnis zum Gefrierpunkt der Flüssigkeit, der beim Blut¬
serum —0,55° beträgt. Im Organismus findet ein Austausch
der Moleküle nur statt zwischen Flüssigkeiten, die eine
annähernde Konzentration haben.
Welches sind die Stoffe, die zur Herstellung des osmotischen
Gleichgewichts beitragen? Damit einer Substanz die Möglichkeit
gegeben ist, auf den osmotischen Druck direkt eine Wirkung
auszuüben und infolgedessen auch auf den Gefrierpunkt einer
Flüssigkeit einzuwirken, muß diese gelöst sein. Die nicht oder
nur scheinbar löslichen Substanzen, wie z. B. die Fette, die
Colloidsubstanzen, die Eiweißkörper, üben eine äußerst geringe
Einwirkung auf den Gefrierpunkt aus, hingegen wirken die
Kristalloide, wie das Kochsalz, der Harnstoff, die Glykose,
direkt auf. den Gefrierpunkt ein. Die Hauptrolle aber für die
Regulierung der Osmose spielt das Kochsalz.
Vom Durstgefühl. Das Durstgefühl ist hervorgerufen durch
die Notwendigkeit, welche der Organismus in sich fühlt, die
richtige Konzentration, die durch Wasserverlust infolge ver¬
schiedener Ursachen, z. B. durch Schweißabsonderung oder
starke Diarrhöe alteriert worden ist, wieder herzustellen. Das
gleiche Gefühl macht sich auch nach dem Trinken von stark
konzentrierten Zucker- oder Salzlösungen bemerkbar.
Das Kochsalz als hauptsächlichstes Regulierungsmittel des
osmotischen Gleichgewichts. Kochsalz ist in den kreisenden
Körperflüssigkeiten sehr reichlich vorhanden, zu ungefähr 5 bis
6 pro Mille. Eine reine Kochsalzlösung, die den gleichen
Gefrierpunkt wie das Blutserum (£ = —0,55°) hat, müßte im
Liter 9,85 g NaCl enthalten. Das Kochsalz nimmt also 6 / 9 = 2 / a
aller beim lebenden Wesen den osmotischen Druck aktivierenden
Moleküle in Anspruch.
Von der Aufnahme und der Ausscheidung des Kochsalzes.
Wir nehmen das Chlor als NaCl auf und scheiden es in erster
Linie durch den Harn, dann durch den Schweiß, die Tränen
und auch etwas durch die Exkremente, besonders die diarrhöischen,
wieder aus. Diese Ausscheidung steigt und fällt mit der Auf¬
nahme, so daß die Körpersäfte und die Gewebe immer die
gleiche Menge enthalten, ob viel oder wenig Kochsalz auf¬
genommen wird.
Die chemische und physikalische Rolle des Kochsalzes.
Das Kochsalz wird im Magen in seine Bestandteile gespalten
und es bildet sich daraus HCl für den Magensaft und NaOH
für den Bauchspeichel und den Darmsaft. Aber sofort nach der
Resorption bildet sich aus dem HCl und dem NaOH das NaCl
wieder zurück und teilt sich dem Blut mit. Dort hat es ganz
besonders eine physikalische Rolle zu erfüllen, nämlich die das
osmotische Gleichgewicht allüberall im Organismus zu erhalten,
was ihm durch seine leichte Löslichkeit, durch seine wegen
seiner kleinen Moleküle außerordentlichen Beweglichkeit und
seine Leichtigkeit, mit welcher es die lebenden Membrane durch¬
dringt, leicht möglich ist. Bilanz des Kochsalzes bei seinem
Ein- und Austritt unter physiologischen Verhältnissen.
Bei den Herbivoren, deren Nahrung kochsalzarm ist, und
ihr Harn infolgedessen immer den gleichen Kochsalzgehalt auf¬
weist, ist eine Störung in der Kochsalzabsonderung durch die
Nieren leicht festzustellen, jedenfalls viel leichter als beim
Menschen, beim Hund und beim Schwein, bei denen die Koch¬
salzaufnahme, je nach der Nahrung, die genossen wird, sehr ver- !
schieden ist. Wird viel Kochsalz mit der Nahrung aufgenommen,
so wrird der Harn auch kochsalzreicher und umgekehrt.
Bei pathologischen Zuständen dagegen kann eine vermehrte
Kochsalzaufnahme doch keine vermehrte Absonderung zur Folge
haben. Das Kochsalz wird dann einfach zurückgehalten.
Von der Hypochlorurie im Verlauf von Fieber.
Bei vielen akuten Krankheiten vorzüglich bei Pneumonie
tritt eine Hypochlorurie ein, so daß der ausgeschiedene Harn
nur Spuren von Kochsalz enthalten kann, da dieses in den Ge¬
weben zurückgehalten wird. Man kann getrost behaupten, daß
die Kochsalzausscheidung bei fieberhaften Krankheiten im um¬
gekehrten Verhältnis steht zur Fieberkurve, und tritt die poly-
urische Krise im Moment der Konvaleszenz auf. Da das in den
Geweben zurückgehaltene Kochsalz Wasser anzieht, so erklärt
sich, daß bei fieberhaften Krankheiten trotz längerer Inanition
eine Abmagerung des Kranken meist erst bemerkbar wird, wenn
das Fieber vorüber und der Überschuß an Kochsalz ausge¬
schieden ist.
Durchdringung der Gewebe mit Kochsalz. Pathogenie der
Ödeme.
Bei den chronischen Nierenerkrankungen und hauptsächlich
bei der parenchymatösen Nierenentzündung sind die Nieren
kaum oder gar nicht mehr imstande Kochsalz auszuscheiden.
Wenn nun die Kochsalzzufuhr doch fortfährt, so häuft sich das¬
selbe an, und da die Molekularkonzentration des Plasmas die
gleiche bleibt, so zieht es Wasser an, das in die Gewebe hinein¬
dringt, sie durchtränkt und aufquillt. Zuerst bildet sich dabei
ein interstitielles Ödem, das nur durch die Gewichtszunahme
des Kranken festzustellen ist. In einem weiteren Stadium ent¬
steht durch die fortdauernde Vermehrung des Kochsalzes ein
sichtbares Ödem und schließlich Wassersucht.
Von der Kochsalzdiät.
Da bei einem an Kochsalzverhaltung leidenden Kranken,
das Kochsalz schädlich wirkt, so muß die Therapeutik darauf
ausgehen, das Kochsalz ganz von der Nahrung des Betreffenden
auszuschließen. Reicht dies allein nicht aus, gibt man Diuretika
und Purgiermittel noch dazu. Da die Milch sehr wenig Koch¬
salz enthält, so ist die ausscließliche Verabreichung von Milch
bei solchen Kranken, die an der Brightschen Krankheit leiden,
so erfolgreich. Die bei Herz- und Leberkranken auftretende
Wassersucht ist die Folge von mechanischen Störungen und ist
daher die Kochsalzdiät bei diesen Kranken nicht von solcher
Wirkung wie bei den oben erwähnten, aber nichtsdestoweniger
beeinflußt sie die Ödeme günstiger.
Verwendung des künstlichen Serums als Heilmittel.
Seit einigen Jahren wird die physiologische Kochsalzlösung
bei größeren Blutverlusten oder bei stärkeren lang andauern¬
den Diarrhöen häufig unter die Haut oder in die Vene einge¬
spritzt. Dabei ist aber wohl darauf zu achten, daß 1. nur mit
dem Blutserum isotonische Lösungen zur Verwendung kommen,
denn eine hypotonische Lösung würde hämolytisch wirken. Die
richtige Lösung ist 9,35 g Kochsalz auf 1 1 Wasser, die
ihren Gefrierpunkt bei 0,55° hat. 2. Daß die Nieren auch für
Kochsalz durchlässig sind. Aber in keinem Falle dürfte man
Kochsalzlösungen solchen Kranken injizieren, die Wassersucht
oder starke Ödeme oder auch entzündliche Ergüsse haben.
Eine kochsalzarme Nahrung als Unterstützungsmittel ge¬
wisser Medikationen.
9. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
271
Eine osmotisch mit Kochsalz gesättigte Zelle ist nicht gnt
befähigt, andere Salze in sich aufzunehmen. Sobald aber durch
Unterernährung an Kochsalz dem Gewebe ein Teil seines Koch¬
salzes entzogen wird, so hat es die Neigung, um das osmotische
Gleichgewicht herzustellen, andere Salzmoleküle, die man ver¬
abreicht, beispielsweise die Bromsalze, zu bannen. In der
Menschenmedizin ist eine Behandlung mit Bromsalzen verbunden
mit Kochsalzentziehung bei gewissen Nervenleiden von sehr
guter Wirkung.
Das bei fieberhaften Krankheiten in den Zellen aufge¬
speicherte Kochsalz schützt diese gegen manche Gifte, die im
Körper selbst gebildet Bind. Die Hypoehlorurie bei diesen
Krankheiten ist ein Zeichen, daß sich der Organismus gegen
die Gifte verteidigt, denn diese können sich in einer mit Koch¬
salz übersättigten Zelle nicht fixieren. Will man also den
Organismus für eine giftige Substanz empfänglicher machen, so
muß man vorher ein kochsalzarmes Regime durchführen.
Helfer.
Beitrag zur Organisation der Rotlaufiinpfungen aus
Kreiskommunalmitteln.
Von Kreistierarzt Dr. Bartels-Posen.
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 1908, Nr. 7.)
In seinem früheren Wirkungskreise, Kolmar in Posen,
standen dem Verfasser jährlich 300 M. aus Kreiskommunal¬
mitteln zum Zwecke der Impfung von Schweinen zur Verfügung.
Da vor allen Dingen ärmeren Schweinebesitzern genützt werden
sollte, wurde von Verwendung des Geldes zur Impfung gegen
Schweineseuche abgesehen, denn diese Seuche kommt vorwiegend
in größeren Schweinebeständen vor. In Rücksicht auf die be¬
schränkten Mittel wurde auch von der Rotlauf heil- und Rotlauf-
notimpfung abgesehen, vielmehr entschied sich Bartels aus¬
schließlich für die Rotlaufschutzimpfung, und um den Vorteil
der Impfung den wirtschaftlich Schwachen zugute kommen zu
lassen, verfuhr Bartels in folgender Weise: Im Frühjahr
wurden auf Veranlassung des Landratamtes durch Vermittlung
der OrtBschulzen Listen in den Gemeinden, welche notorisch
von Rotlauf heimgesucht wurden, herumgeschickt. In diese
Listen wurden die Namen der Besitzer, sowie die Anzahl der
zu impfenden Schweine eingetragen. Die Ortsschulzen liefern
die Listen an das Landratsamt zurück und dieses verteilt die
Listen an diejenigen Tierärzte, in deren Praxisbezirk die be¬
treffenden Gemeinden gelegen sind. Meistens werden so viele
Impfungen überwiesen, daß sich für den Tierarzt eine besondere
Reise lohnt. Andernfalls kann die Impfung gelegentlich mit
vorgenommen werden, da es ja bei Schutzimpfungen auf einige
Tage früher oder später in der Regel nicht ankommt. Nach
der Impfung gehen die genau berichtigten Listen unter Be¬
rücksichtigung der etwa noch an Ort und Stelle nachträglich
erfolgten Anmeldungen dem Landratsamte wieder zu. Auf diese
Weise wurde jedem Besitzer in den gefährdeten Gemeinden
Gelegenheit gegeben, seine Schweine in den Frühjahrsmonaten
impfen zu lassen. Der Impfschutz reicht dann bis in den
Herbst aus. Der Erfolg dieses Verfahrens war sehr gut, denn
die sonst im zweiten und dritten Kalendervierteljahr stark
verseuchten Gehöfte blieben vom Rotlauf meist ganz verschont;
er trat nur da auf, wo die Besitzer nicht hatten impfen lassen.
Bezüglich der Kosten Verteilung wurde wie folgt verfahren:
Besitzer, die keine Ortsabgaben bezahlen, erhielten ihre Schweine
gratis geimpft, Besitzer, die eine Ortsabgabe von 2,40 M. bis
4 M. entrichten, zahlen 50 Pf. pro Schwein und Besitzer mit
höheren Ortsabgaben 75 Pf. Die Einziehung der Gebühren
und Abführung an die Kommunalkasse liegt den Ortsschulzen
ob. Als Honorar für die Impfung eines Schweines erhält der
Tierarzt 1 M. Reisekosten, Tagegelder, Auslagen für Serum
werden nicht gezahlt.
Durch die Zuzahlung der bemittelteren Besitzer erfährt der
zur Verfügung gestellte Fond immer wieder eine Stärkung. Die
ganze Rechnungslegung gestaltet sich einfach und die aus¬
geworfene Summe kommt in erster Linie den wirtschaftlich
Schwachen zugute. So gelang es z. B. die Bestände der Inst-
leute eines Dominiums durch Einführung der Impfung, ohne daß
Kosten für die Besitzer erwuchsen, derart zu schützen, daß der
Rotlauf, der dort früher stark grassierte, zur Seltenheit wurde.
Selbstverständlich ist das Verfahren nur da am Platze, wo der
Rotlauf stationär ist. Es empfiehlt sich nicht, dieses Verfahren
da in Anwendung zu bringen, wu kein Rotlauf herrscht.
Schließlich wendet sich Bartels noch gegen die Impfung durch
Laien. Rdr.
Zar Diagnose von Fesselbeinfissaren bei Pferden.
Von Oberstabs veterinär Voß.
(Zeitschrift f. Veterinär*. 1907. S. 494.)
Bei Fesselfissuren ist die Lahmheit im Schritt meist unbe¬
deutend, im Trab auffallend stark. In der Ruhe wird das kranke
Bein mitunter in Beugestellung gehalten, oft aber wie das
gesunde belastet. An der Vorderfläche des oberen Endes des
Fesselbeins besteht stets eine Verdickung, die diese Partie
breiter und (von der Seite gesehen) stärker erscheinen läßt.
Sie erstreckt sich gewöhnlich etwa bis zur Mitte des Fesselbeins
und gestattet beinahe die Diagnose par distance. Bei der
Untersuchung umspannt man an dem nach vorn herausgezogenen
Bein das Fesselbein so, daß die Daumen vorn in der Mittellinie
Regen. Durch Daumendruck am oberen Fesselbeinende wird
bei bestehender Fissur heftiger Schmerz ausgelöst. Um die
Fissurlänge festzustellen, führt man den Daumendruck zunächst
am unteren Ende aus, dann nach oben gehend. Kommt man an
den Anfang der Fissur, so zeigt sich Empfindlichkeit, die nach
oben hin bis zum heftigen Schmerz wächst; letzteres ist für die
Diagnose ausschlaggebend. — Bezüglich der Ursachen hält Voß
die Ansicht von Peters für zutreffend, daß der keilförmige
Fortsatz des Mittelfußknochens auf den Ausschnitt der oberen
Fesselbeingelenkfläche nach Art eines Keiles trennend wirkt.
Grobe Insulte scheinen zur Entstehung von Fesselbeinfissuren
nicht notwendig zu sein. Bei einzelnen Pferden muß eine be¬
sondere Disposition angenommen worden; Voß hat Pferde
gesehen, die abwechselnd an allen 4 Beinen erkrankten. Als
häufige Ursache ist wohl ungeschicktes Fahren anzusehen; Voß
hat Fahrer kennen gelernt, die mit langen Leinen fahrend, ihre
Pferde nie in den Zügeln halten, und deren Pferde fast sämtlich
an Fesselfissuren erkrankten. Mitunter leiden beide Vorderfüße
zugleich, was das Bild des Verschlags Vortäuschen kann. Voß
schildert einen solchen FaU näher.
Was die Behandlung angeht, so hat sich zeitiges scharfes
Einreiben am besten erwiesen; nicht so sicher sind Gipsverbände.
Die Heilung erfolgt in 6—8 Wochen und führt in der Regel
zur vollen Gebrauchsfähigkeit.
Richter.
272
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
Die Opsonine in der modernen Therapie.
Von Dr. Piorkowski.
(Deutsche Tierärztl. Wochenschr. Nr. 11, 1908.)
Nack Beschreibung der Technik für die Anwendung der
Wrightsclren Opsoninmethode in der Humanmedizin, die in
England vielfache Erfolge gezeitigt hatte, jetzt aber erst in
Deutschland festen Fuß zu fassen beginnt — gibt Piorkowski
seine diesbezüglichen Versuche bekannt, die er im Laboratorium
angestellt hat, indem er die Opsonine der spezifischen Erreger
von Schweineseuche, Kälberpneumonie und Kälberruhr untersuchte.
Die Opsonine entsprechen allem Anschein nach den
Amboceptoren Ehrlichs und werden dadurch gewonnen, daß
von den spezifiscken Krankheitserregern Kulturen hergestellt,
die dann bei 56° C abgetötet, in physiologischer Kochsalzlösung
emulgiert und keimfrei gemacht werden.
Natürlich waltet auch hier eine reiche Polyvalenz vor und
die Laboratoriumsversuche wie die Erfahrungen aus der Praxis
sind günstig ausgefallen.
Für Immunisierungen sind subkutane Injektionen der Extrakte
ausreichend, die simultan mit den spezifischen Seris zur An¬
wendung gelangen. Für Heilzwecke ist der Bakterienextrakt
allein ausreichend.
Muttertiere, rechtzeitig geimpft — übertragen die Immunität
auf die Nachkommen. Autoreferat.
Kleine Mitteilangen.
Kalk und andere MineraletoffTe in Futtermitteln.
Die vielfach ventilierte Frage, ob ein Kalkzusatz zum Futter,
oder ein bestimmt hoher Gehalt in den Futtermitteln und welche
spezifischen Kalksalze Einfluß auf den Tierkörper, die Milch in der
Qualität und Quantität der Milch haben, hat Prof. Kellner in
Möckern veranlaßt, auch seinerseits experimentell zu verfolgen.
Er kommt zu der Überzeugung, daß die MineralstofFe samt und
sonders in größerer Menge zugeführt, weder in Menge noch in Be¬
schaffenheit auf die Milch einen Einfluß ausüben. Kalkreiches
Futter z. B. erhöht kaum den Kalkgehalt der Milch, was bis jetzt
ja auch bekannt war. Aber auch zugeführte Phosphate in löslicher
Form an Kühen verfüttert zeigt keine Veränderung der Milch an
phosphorsauren Salzen. Höchstens einige Tausendstel Prozent
waren in einigen Fällen Unterschied zu bemerken. Jedoch war
ein bekannter Minimalgehalt von anorganischen Salzen stets nötig,
um den Tierkörper vor Vereinigung mit diesen Stoffen zu schützen.
Da in 10 Liter Milch etwa 18 Gramm Kalk, sowie 15 Gramm
Phosphorsäure enthalten sind, und erfahrungsgemäß nur ein Drittel
des Mineralstoffgehaltes in die Milch übergeht, so müssen also
mindestens 35—60 Gramm Kalk und 30—40 Gramm H 3 Po 4 im
Futter enthalten sein, so weit es zur Milchproduktion dienen soll.
Rechnet man dazu noch den Teil anorganische Salze, der für die
Erhaltung des Skeletts und der Muskulatur unbedingt nötig ist,
nämlich 50 Gramm Ca und 25 Gramm H 3 Po 4 auf etwa 10 Zentner
Lebendgewicht, so kommen nur für eine Milchkuh auf etwa
100 Gramm Kalk und 70 Gramm Phosphorsäure. Fehlt dieses
Quantum, so wird der Körper vor allem die Knochen daraufhin
vom Körper extrahiert und wir erhalten die in manchen Gegenden
autochtone Ossifragilitas der Kühe. Was den NaCl- Gehalt des
Futters anlangt, so sind hierüber die krankmachenden Folgen der
Kochsalzinanition bekannt. Neuerdings angestellte Versuche zeigten,
daß bei NaCl-Mangel Kühe nach 14 Tagen bis 3 Wochen lecksucht¬
artige Tier noch Kochsalz zeigten, die sich allem bemerkbar machten,
was in die Nähe der Tiere kam. Krippen, Wände, Kleider des
Stallpersonals, Erde, Straßenschrautz, Pferdedttnger, wurden gierig
beleckt. Der Zustand konnte 3 Wochen bis ein Jahr bestehen.
Schließlich tritt ein poporöser Schwächezustand ein, glanzlose
Augen, struppiges Haar, Sekretionsverminderung und Kräfteverfall
trat ein. Sobald jedoch wieder NaCl gegeben wurde, erholten sich
die Tiere rasch. Es ergab sich, daß 20 Gramm NaCl nötig sind pro
die zur Erhaltung einer Kuh. Na-, Ka-, Mg-, Fe-, H 3 S0 4 -Mangel ist
indessen beim Futter bis jetzt noch niemals beobachtet worden.
Die Giftwirkung von Agrostenmn Glthago.
Wiederholt wurde auf die toxischen Eigenschaften der Kornrade,
aufmerksam gemacht Und doch scheint nicht immer eine tödliche
Wirkung der Pflanze zustande zu kommen. Denn wenn man die
überaus starke Verbreitung der Kornrade berücksichtigt, muß es
eigentlich wundernehmen, daß nicht mehr nachteilige Wirkungen
bekannt werden. Möglicherweise ist der Standort schuld, möglicher¬
weise das Befallensein von Pilzen; am meisten aber dürfte die
Meinung Fuß fassen, daß Kühe nur in besonderen Fällen die Korn¬
rade verzehren, etwa wenn sie sehr hungrig sind. Dr. Bai er,
Direktor des Nahrungsmittelamtes der Brandenburgischen Land¬
wirtschaftskammer schreibt in Beinern Tätigkeitsbericht 1906/07, daß
ein Besitzer, der Kleievergiftung seiner Kuh vermutete, den Pansen¬
inhalt, sowie die betreffende Kleie ihm zur Untersuchung zugesandt
hatte. Es wurde indessen keine nachteilige Beobachtung bei der
Kleie gemacht. Als wahrscheinlich jedoch nahm Dr. Bai er an,
daß die stark kornradehaltige Kleie die Todesursache der Kuh ge¬
wesen sei. Man muß danach annehmen, daß die Kühe die stehende
Pflanze so viel wie möglich zu meiden suchen, weshalb man denn
eigentlich selten von Vergiftungen mit Kornrade zu hören be¬
kommt.
Darstellung eines Mittels gegen Knochenneubildungen (Antiperiostin).
Nach dem D. R. Patent Nr. 193 219 von Dr. A. Klein-Berlin
wird die Darstellung eines Mittels gegen Knochenneubildungen in
der Veterinärmedizin folgendermaßen vorgenommen:
Man behandelt neutralisierte Kantharidinsäure oder Kanthariden-
tinktur mit einem großen Überschuß von Quecksilberchlorid (Sublimat)
und gepulvertem Jod in der Hitze und befreit das Reaktionsprodukt
von dem freien ungebundenen Jod. Z. B. setzt man zu 100 Gramm
Kantharidentinktur allmählich ein inniges Gemisch von 50 Gramm
Sublimat mit 25 Gramm Jodpulver. Dasselbe löst sich bald, setzt
dann aber nach einigem Stehen einen weißen Niederschlag von
kantharidinsaurem Quecksilber ab. Kocht man indessen das Gemisch
auf, ehe sich das Kantharidat abscheidet, unter Vermeidung des
Jodverlustes, so entsteht eine klare braune Flüssigkeit, aus der,
wenn das ungebundene Jod mit unterschwefligsaurem Natrium ge¬
bunden wird, sofort ein gclblichweißer dicker Niederschlag von
Quecksilber-Jod-Kantharidat ausfällt Dasselbe kann trocken oder
feucht in Alkohol oder andern Mitteln gelöst Anwendung finden
gegen Knochenneubildungen (Exostosen).
Darstellung giftfreier Seife zum Gebrauch In der Veterinärmedizin.
Das schwedische Patent Nr. 23 408 läßt Fett- und Harzsäure
getrennt, oder gemischt mit Aloeextrakt versetzen, mischen und
trocknen. Nach Bedarf kann noch Petroleum, Lavendelöl oder
Alaun zugesetzt werden. Die Seife ist hauptsächlich als Parasiten¬
seife gedacht.
Antistreptokokkenserum.
Die Darstellung des Patents Nr. 191752 für die Farbwerke
Meister, Lucius und Brüning in Höchst am Main betrifft ein
Verfahren, wonach zunächst auf defibriniertem Menschenblute ge¬
züchtete Kulturen virulenter Streptokokken mehreremale durch
Tiere gezüchtet werden, auf Nährbouillon weiter werden wachsen
gelassen und dann mit diesen virulenten Kulturen größere Tiere
zwecks Serumgewinnung behandelt werden.
Neue Tuberkulo8emlttel.
Ein Leberantitoxin, „Paratoxin“ genannt, haben G6rard und
Lemoine zur Tuberkulosebehandlung empfohlen. Diese neue Be¬
handlungsart geht von der Anschauung aus, daß der Leber eine
wichtige bakterizide und antitoxische Wirkung gegenüber Toxinen und
Bakterien zukommt. Die Beobachtung, daß die Galle und die
Gallensäuren, Sekrete der Leber Schlangengift neutralisieren und
Cholestearin wie ein echtes Antitoxin auf Schlangengift wirkt,
brachten Gärard und Lemoine auf den Gedanken, aus Galle
durch Einwirkung von verschiedenen, nicht näher bezeichneten
chemischen Substanzen ein Paratoxin genanntes Mittel herzustellen,
das subkutan per os angewandt beim Menschen gute Erfolge gehabt
haben soll. Nach D. M. Wochenschrift 1908, Nr. 3.
9. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
273
Tuberkel-Sozin.
Edmund Kleba erzeugt „Tuberkel-Sozin“, indem er trockene
4—6 Wochen autolysierte und entfettete Tuberkelbazillen bei 57°
mit Glyzerin auszieht und das Glyzerinextrakt mit Natriumwismut¬
jodid ausfällt Klebs glaubt bei Tuberkulose das Präparat
empfehlen zu dürfen.
T uberfcel-Diagnosticum.
Tuberkel-Diagnosticum-Höchst ist ein speziell der Tuberkulin-
Ophthalmo-Reaktion dienendes Mittel. Es ist Alt-Tuberkulin
(Tuberculinum-Kochii) versetzt mit 95proz. Alkohol, der Nieder¬
schlag vorsichtig getrocknet. Es kommt in Pulverform und ein¬
prozentiger Lösung in den Handel.
Biooltin.
Biocitin ist im wesentlichen reines Lecithin und enthält weitere
Nährstoffe des Eies; es ist ein geruchloses als Tonikum bei den
verschiedensten Krankheiten anzuwendendes Mittel. Dr. G.
Tagesgeschichte.
t
Mathias Bongartz.
Am 26. März er. verschied im Alter von 66 Jahren der
Kreistierarzt und Dozent an der landwirtschaftlichen Akademie
in Bonn-Poppelsdorf Veterinär-Rat Mathias Bongartz. Eine
vor etwa Jahresfrist hervorgetretene Arteriosklerose hat seinem
erfolgreichen Wirken vorzeitig ein Ziel gesetzt.
Im Jahre 1868 approbiert, hat der Heimgegangene durch
vier Dezennien in Bonn der tierärztlichen Praxis obgelegen
und vom Jahre 1895 ab die durch das Ausscheiden Sch eil 8
erledigte Kreistierarztstelle für den Stadt- und Landkreis Bonn
verwaltet. Eminent tüchtig und unermüdlich tätig in seinem
Berufe, ist er lange Zeit der gesuchteste Tierarzt der Rhein¬
provinz gewesen. Dabei ermöglichte es ihm sein Fleiß und
seine große Begabung, trotz der angestrengten praktischen
Tätigkeit auch auf wissenschaftlichem Gebiete stets auf der
Höbe zu bleiben. Immer bemüht, sein Wissen zu erweitern
und zu vertiefen, war sein ganzes Leben ein rastloses
Vorwärtsstreben.
Nach einer fast zwei Jahrzehnte langen praktischen Tätigkeit
erwarb sich Bongartz noch das Fähigkeitszeugnis für die
Anstellung als beamteter Tierarzt in Preußen. Wenige Jahre
nach Beginn seiner amtstierärztlichen Tätigkeit übernahm der
damals beinahe Sechzigjährige den Lehrauftrag für Tiermedizin
an der landwirtschaftlichen Akademie zu Poppelsdorf. Diese
Tätigkeit gewährte ihm besondere Befriedigung. War doch
Bongartz, der über eine vorzügliche Redegabe verfügte, auch
bis dahin bestrebt gewesen, auf wissenschaftlichem Gebiete nicht
nur der Empfangende, sondern auch der Gebende zu sein. Mit
dem Feuereifer eines Jünglings trat er an die neuen Aufgaben
heran, und seine Tätigkeit als Kreistierarzt sowie als tier¬
ärztlicher Lehrer der rheinischen Landwirte ist eine außer¬
ordentlich segensreiche gewesen.
Besondere Verdienste erwarb sich Bongartz um den
tierärztlichen Provinzialverein, in dem er lange Jahre das
mühevolle Amt eines Schriftführers inne hatte. Erfüllt von nie
ermattendem Eifer für seinen Stand und stets bereit, diesem zu
dienen, wies er bei jeder Gelegenheit auf die Solidarität der
tierärztlichen Standesinteressen und die Bedeutung der Vereins¬
organisationen hin. Er selbst bat. kaum jemals eine Versammlung
des Provinzialvereins versäumt und war daher besonders berufen,
die rheinischen Tierärzte zu lebhafterer Betätigung auf diesem
Gebiete anzuregen. An den Debatten über wissenschaftliche
und praktische Fragen nahm Bongartz stets regsten Anteil und
mit besonderer Freude erfüllte es ihn, wenn er jüngeren Kollegen
mit seinen reichen praktischen Erfahrungen an die Hand gehen
konnte. Neben der Erfüllung seiner Berufspflichten bekundete
der Heimgegangene ein sehr reges Interesse für kommunale
Angelegenheiten. Seit einer langen Reihe von Jahren gehörte
er dem Bonner Stadtverordneten-Kollegium an und erfreute sich
— wie die Tagespresse anläßlich seines Todes rühmend hervor-
liob — der vollen Sympathie seiner politischen Gegner.
Mit Bongartz ist ein vorzüglicher Vertreter unseres Standes
aus dem Leben geschieden, dessen hohe Begeisterung für den
tierärztlichen Beruf vielfach vorbildlich gewirkt hat. Die
rheinischen Tierärzte werden ihm ein ehrenvolles und dankbares
Andenken bewahren. Lothes.
Zu dem Poppelsdorfer Friedhofe, der über den Häusern
erhaben sich idyllisch am Fuße des Kreuzberges hinzieht, schritt
am 29. März d. J. ein großer Trauerzug.
Vor dem Leichenwagen, den eine Fülle prachtvoller Kränze
deckte, zogen mit wehenden Fahnen der Kriegerverein, der
Männer-Gesangverein, der katholische Gesellenverein und die
studentischen Vertreter der Rheno-Borussia.
Unter den Leidtragenden, die den näheren Anverwandten
folgten bemerkten wir als Vertreter der Regierung den Ober¬
regierungsrat Fink und den Departementstierarzt Dr. Lothes,
von der Stadt die Herrn Beigeordneten und zahlreiche Mitglieder
des Stadtverordnetenkollegiums, dem der Verblichene lange Jahre
hindurch bis zum Tode angehört hatte, vom Landkreis der
Landrat Graf von Galen, von der landwirtschaftlichen
Akademie Poppelsdorf fast das ganze Lehrerkollegium und von
der Lokalabteilung des landwirtschaftlichen Vereins, dessen
II. Vorsitzender der Verstorbene lange war, der I. Vorsitzende,
Rittergutsbesitzer Engels, und mehrere Vorstandsmitglieder.
Ungefähr zwanzig Tierärzte waren aus nah und fern herbei¬
geeilt und gaben ebenso wie eine große Anzahl Bürger aus
allen Ständen zu erkennen, welch hoher Achtung sich Bongartz
allgemein erfreute. B.
In der Stadtverordnetensitzung widmete Oberbürgermeister
Spiritus dem Verstorbenen einen überaus ehrenvollen Nachruf.
In demselben hob er hervor, daß der Verstorbene durch seinen
Beruf besonders geeignet gewesen sei, in manchen wichtigen
kommunalen Fragen hervorragend mitzuarbeiten. Durch diesen
Beruf sei Bongartz mit weiten Kreisen von Stadt und Land
in Beziehung getreten und die bekannteste und populärste Per¬
sönlichkeit geworden, deren Andenken dauernd werde geehrt
werden.
Hermann Jorns f.
Am 25. März d. J. verschied in Kassel nach kurzer
Krankheit der Oberstabsveterinär a. D. Hermann Jorns im
75. Lebensjahre.
Jorns war am 17. April 1833 zu Ottleben (Kr. Oschers-
leben) geboren, besuchte das Friedrich-Werdersche Gymnasium
in Berlin und bestand das tierärztliche Staatsexamen im
Jahre 1859. In das Ostpr. Artillerie-Regt. Nr. 1 als Roßarzt
eintretend, nahm er teil an den Feldzügen 1866 und 1870/71
und wurde mit dem eisernen Kreuz dekoriert. Nach bestandenem
Examen zum Oberroßarzt ernannt, wurde er 1875 auf ein Jahr
274
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
als Inspizient zur damaligen Militär-Roßarztschnle kommandiert.
Am 1. Mai 1892 schied er aus der Armee, in der er zuletzt
dem Kurhess. Art.-Regt. Nr. 11 angehört hatte.
Der Verstorbene war ausgezeichnet durch eine seltene
Pflichttreue, eine unbedingte Zuverlässigkeit im Amte. In rast¬
loser Tätigkeit hat er sich bis in sein hohes Alter, bis zum
Grabesrande seinem Berufe hingegeben. An allen tierärztlichen
Standesangelegenheiten nahm er das regste Interesse, und wohl
kaum hat eine Versammlung unseres Vereins stattgefunden, die
ihn nicht unter den Anwesenden zählte. Möge er in Frieden
ansruhen von einem arbeitsreichen Leben.
Der Vorstand
des Vereins kurhessischer Tierärzte.
Joseph Imminger.
Aus München kommt die Kunde vom Tode Professor
ImmingerB! Am 2. April erlag er einem Schlaganfalle. Mit
Imming er ist ein Mann von ungewöhnlicher Leistungsfähigkeit
auf dem Gebiete der tierärztlichen Praxis aus dem Leben ge¬
schieden; ein Mann der Dank seiner bewundernswürdigen Be¬
obachtungsgabe, seiner praktischen Veranlagung, seines außer¬
gewöhnlichen Gedächtnisses, seiner Initiative und seiner uner-
müdlichen Arbeitsenergie sich wie wenige zum Lehrer der
Praxis eignete. Hunderte seiner Schüler werden sich zeitlebens
dieses Mannes dankbar erinnern, dankbar, weil er es war, der
sie so trefflich ausstattete, mit der für den praktischen Tierarzt
einzigen haltbaren Rüstung des praktischen Könnens.
So knorrig wie eine Eiche, war er doch innerlich von ebenso
edlem Holz. Das müssen seine Schüler bekennen und alle, die
die Gelegenheit hatten, etwas tiefer in den Mann zu schauen.
Seine Familie und unser Stand trauern an seinem Grabe
und auch die tierärztliche Hochschule in München hat einen
schweren Verlust erlitten, einen Verlust, der sehr tief ein¬
schneidet! Für die tierärztliche Sache fällt er um so schwerer
in die Wage, als es unserem hochverehrten Professor nicht mehr
vergönnt war, seinen nun zu spät gefaßten Plan auszuführen,
in meiner Gemeinschaft ein Lehrbuch der Chirurgie des
Rindes zu verfassen. Gerade auf diesem Gebiete verfügte
der Verstorbene über eine Fülle von Wissen und Erfahrung,
die uns geschrieben nun leider nur sehr fragmentär erhalten
geblieben sind.
Wenn auch das Schicksal seiner Hand viel zu frühe Ruhe
diktierte, der Segen seiner Arbeit ist mit dem Abschiede des
Meisters nicht erloschen. — Ja, sie hat eines ganzen Mannes
bedurft, drum ruhe nun aus, lieber Freund! Dr. N.
Imminger war 1854 geboren, war als Tierarzt zunächst in
Erkheim tätig, dann lange Jahre Bezirkstierarzt in Donauwörth,
schließlich Kreistierarzt in Würzburg und seit acht Jahren Professor
der Chirurgie in München.
Am Sonnabend den 4. April 1908 wurde Imminger zu Grabe
getragen. Den Trauerzug eröffneten mit umflorten Fahnen die Korps
Normannia, Vandalia und Saxo Thuringia und die veterinär-wissen¬
schaftliche Verbindung Alemannia. Im Trauergefolge befanden
sich neben den nächsten Angehörigen das gesamte Professoren¬
kollegium der tierärztlichen Hochschule mit Hofrat Professor
Dr. Albrecht an der Spitze, als Regierungsvertreter Staatsrat
von Schätz, Regierungsrat Landestierarzt Dr. Vogel und Kreis¬
tierarzt Schwarzmeier; von der Universität Gießen waranwesend
Prof. Dr. Gmeiner; ferner Prof. Dr. Kronacher aus Weihen¬
stephan, viele Zivil- und Militär veterinäre, die Assistenten der
tierärztlichen Hochschule. Hofrat Dr. Albrecht widmete dem
Verstorbenen einen herzlich gehaltenen Nachruf.
IX. Internationaler Tierärztlicher Koogrefi, September 1909.
In Baden-Baden wird vom 9. bis 16. April der Ständige Ausschuß
der Internationalen Tierärztlichen Kongresse im Verein mit Delegierten
des Haager Exekutivkomitees unter dem Vorsitze des Vertreters
Deutschlands über folgende Gegenstände beraten und Beschluß fassen:
I. Bericht Uber die Tätigkeit der Geschäftsführung des Ständigen
Ausschusses seit der letzten Tagung. Berichterstatter: Professor
Dr. D. A. de Jong, Leiden.
II. Beratung des Entwurfs eines Statuts der Internationalen
Tierärztlichen Kongresse. Berichterstatter: Hofrat Prof. Dr. Hutyra
und Prof. Dr. v. Ratz, Budapest.
III. Beschlußfassung über den Termin der Abhaltung des
IX. Internationalen Tierärztlichen Kongresses in Haag. Bericht¬
erstatter: Dozent W. G. Schimmel, Utrecht und Dr. D. A. de Jong.,
Leiden.
IV. Aufstellung der Tagesordnung für den IX. Internationalen
Tierärztlichen Kongreß in Haag. Berichterstatter dieselben.
Lydtin.
Die Berliner Berufungen.
Von Professor Dr. Schmaltz.
Die Besetzung der durch den Abgang Munks und Oster¬
tags verwaisten Lehrstühle und Institute ist nach halbjähriger
Zwischenzeit durch die Berufung des Professors Dr. Abderhalden
und nunmehr des Geheimrats Professor Dr. Frosch endlich
erledigt, und zwar in einer Weise, daß die Tierärztliche Hoch¬
schule zu Berlin voll befriedigt sein darf. Die Erscheinungen
aber, welche bei diesen Berufungen zutage getreten sind, legen
eine Besprechung nahe.
Wenn die Tierärztliche Hochschule auf früher nicht gekannte
Schwierigkeiten gestoßen ist, ehe es gelang, die richtigen
Männer zu gewinnen, so hat das zunächst nicht seinen Grund
etwa in besonderen Verhältnissen unsrer Hochschule. Die letzten
Jahre haben vielmehr gezeigt, daß es sich um eine allgemeine
Erscheinung handelt, welche die große ruhmreiche Universität
zu Berlin in ganz derselben Weise betrifft. Es wäre noch vor
einem Dezennium undenkbar erschienen, daß ein Ruf der Berliner
Universität auf eine ihrer vornehmsten Lehrkanzeln, z. B. an
eine Klinik wie die Leydensche, die als eine erste Stelle in
der ganzen Welt gegolten hat, abgelehnt worden wäre. Die
Universität, insbesondere die medizinische Fakultät, hat dagegen
neuerdings zweimal dieselbe Erfahrung machen müssen; sowohl
die Beruftmg zur Leitung der Leydenschen Klinik, wie die
Besetzung des pharmakologischen Instituts ist erst nach -mehr¬
fachen Ablehnungen gelungen. Die Gründe für diese auf den
ersten Blick frappierende Erscheinung wurzeln offenbar im
geistigen und gesellschaftlichen Leben der Großstadt und in dem
veränderten Verhältnis derselben zur Provinz. Die Provinz,
eine größere Zahl ihrer Städte, und namentlich die geistigen
Zentren, die Universitätsstädte, haben sich, was nur mit Freuden
begrüßt werden kann, zu hoher Blüte entwickelt, und die Haupt¬
stadt hat nicht mehr in gleichem Maße wie früher den
Vorrang, namentlich auch im geistigen Leben. Auf der
andren Seite greift das riesenhafte Getriebe der Weltstadt
mehr und mehr auch in das Dasein der Männer der Wissenschaft
ein, durch sein Getöse die Ruhe ihrer stillen Arbeit störend, sie
zersplitternd durch immer vielseitigere Ansprüche, und sie fort¬
reißend in das allgemeine Hasten. Es ist wohl begreiflich, daß
dem, der gewohnt war, sich mit Muße ganz seiner wissenschaft¬
lichen Tätigkeit hinzugeben, graut vor dem Lärm und vor den
zahllosen Verpflichtungen, die ihm das Leben in Berlin not¬
wendigerweise auferlegen muß. Berlin ist ein besserer Platz
für solche, die sich schon zur Höhe hinaufgearbeitet haben, als
für junge Kräfte, die noch ihren ganzen Ehrgeiz in die
9. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
275
Produktion setzen. Andererseits mag auch manchem, der in
einer kleinen Universitätsstadt zur Größe emporgestiegen ist,
bange werden, ob er in dem Gewimmel der Sterne des Berliner
Himmels seinen eigenen Glanz so wird behaupten können. Wer
es mit ansieht, wie die führenden Männer des geistigen Berlins,
in erster Linie der Universität, durch repräsentative Ver¬
pflichtungen fast zerrissen werden, wer an den Strom der
Besucher denkt, der alljährlich die Reichshauptstadt zu über¬
schwemmen pflegt und der nicht geringe Anforderungen an die
Zeit derjenigen stellt, deren Name viele Besucher anzieht, der
wird ein gewisses Sehnen nach der Beschaulichkeit einer stilleren
Stadt und eine gewisse Scheu vor der Weltstadt begreifen lernen.
Dazu kommt auch noch, daß die pekuniäre Seite eine viel größere
Bedeutung gewonnen hat als früher, und daß auch in dieser Hin¬
sicht Berlin besonders hohe Anforderungen stellt.
Von diesen ganz allgemeinen Verhältnissen sind offenbar
auch die Berufungen an die Tierärztliche Hochschule zu Berlin
stark beeinflußt worden. Dies ist namentlich unverkennbar her¬
vorgetreten bei der Besetzung des hygienischen Instituts. Wenn
der Altmeister Kitt sich nicht hat entschließen können, seine
geliebte Vaterstadt München zu verlassen, so wird man das be¬
greiflich finden. Daß aber junge Kräfte wie Joest und
Casper einen Ruf abgelehnt haben, das wäre früher nicht
denkbar gewesen. Neben jenen allgemeinen Gründen hat
hier offenbar insbesondere auch eine gewisse Scheu mitgewirkt,
die Gesamtheit der Aufgaben zu übernehmen, deren Bewältigung
Ostertag bisher gelungen war, und es liegt daher nicht zuletzt
auch in jenen Ablehnungen eine Anerkennung der Vielseitigkeit
und der Summe der Leistungen dieses ausgezeichneten bisherigen
Mitgliedes unserer .Hochschule....
Eine besondere Erörterung fordert es aber heraus, daß
beide Lehrkanzeln nicht mit Tierärzten, sondern mit
Ärzten besetzt worden sind.
In der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift hat Herr
Malkmus darüber folgendes gesagt: „Wenn in früheren Jahren
einmal die Berufung eines Humanmediziners an eine tierärztliche
Hochschule in Frage kam, so erfolgte gerade von der Stelle
aus, die heute derartige Berufungen fördert, eine heftige Kanonade.
Und heute? Ja, eines schickt sich nicht für alle.“
Daß Herr Malkmus diesen Satz auf mich bezieht, ist
nicht zweifelhaft. Ich erinnere mich nun allerdings nur eines
einzigen Falles, wo ich öffentlich gegen die Berufüng eines
Mediziners gesprochen habe; dieser Fall bezog sich auf die
Tierärztliche Hochschule in München, von der ich annahm, daß
man ihr gegen ihren Willen einen Mediziner oktroyieren w’olle.
Ich habe erst später erfahren, daß diese Annahme irrtümlich
war, und habe mich seit der Zeit davon zurückgehalten, die
Berufungen anderer Hochschulen zu besprechen. Das aber ist
vollkommen richtig, daß ich immer der Ansicht gewesen bin,
die Professuren an den tierärztlichen Hochschulen seien mit
tierärztlich vorgebildeten Lehrern zu besetzen; ich hege diese
Ansicht auch heute noch. Aber auch das ist tatsächlich richtig:
eines schickt sich nicht für alle — Zeiten. Eine Ansicht darf
nicht erstarren und zum bedingungslosen Vorurteil werden; nur
der Tor bleibt „unentwegt“ auf seinem Standpunkt stehen, während
rings umher die Ereignisse ihn übereilen, die Menschen sich ändern
und die Umgebung jenes Standpunktes sich verschiebt.
Kürzlich brachte in der Münchener „Jugend“ Otto Ernst
eine reizvolle Besprechung über Theodor Fontane, in der sich
ein Satz findet, den zu zitieren ich mir hier nicht versagen kann,
weil er in diese Erörterung vortrefflich hineinpaßt. „Dieser
konservative Redakteur der Kreuzzeitung“, sagt Ernst von
Fontane, „war eben ein wahrhaft freisinniger und freidenkender
Mann, und wie bei jedem wahrhaft freien Geiste haben sich seine
Anschauungen im Laufe des Lebens gewandelt. Er ärgert und
entrüstet sich über Verschraubtheiten und Eigensinnigkeiten, die
sich Recht oder Prinzip oder Konsequenz nennen, und sagt: Wie
niedrig stehen doch alle diese Dinge, und wie himmelhoch daneben
steht die heitere Freiheit, die heute dies tut und morgen das, —
bloß immer das richtige.“
Ich denke, diese Sätze wird man unterschreiben dürfen.
Auch für uns haben sich die Zeiten gewandelt.
Seit 1902 sind wir — wer wollte das verkennen — in
eine neue Epoche eingetreten, und nicht alles mehr trifft zu
für diese, was für die Vergangenheit mit vollem Recht gegolten
hat. Wir Tierärzte stehen nicht mehr draußen vor dem Tempel
der Wissenschaft, um den Einlaß kämpfend; wir sind heute
Mitglieder der wissenschaftlichen Gesellschaft, und die Hoch¬
schulen können vollberechtigt in den Kreis der anderen treten; die
größere Stärke erlaubt uns, manches zu tun, was früher hätte
mißdeutet werden können. Wenn wir heute den Versuch machen,
mit der Medizin zusammen zu arbeiten, so ist es für jeden ver¬
nünftigen Mediziner ausgeschlossen, uns noch eine Handlanger¬
rolle zuweisen zu wollen. In Frankreich hat sich das gleich¬
berechtigte Zusammenarbeiten schon vor einiger Zeit vollzogen
unter Führung Nocards. Der Unterschied zwischen dort und
hier ist auch manchem unserer medizinischen Größen schon
aufgefallen. An diesem Unterschied waren nicht wir schuld,
sondern ein gewisser Hochmut auf medizinischer Seite. Daß
dieser sich aber nur noch als rückständig erweist — sowohl
jenem Zusammenarbeiten in Frankreich als unsrer eigenen Ent¬
wicklung gegenüber — das haben die Führer doch wohl ein¬
gesehen. Es ist daher wohl an der Zeit, nunmehr den Versuch zu
gemeinsamem Wirken zu machen und dazu darf die Hand auch von
uns geboten werden, denn es ist nicht mehr die eines Bittenden.
Namentlich aber hat die neueste Zeit uns einen ganz neuen
Gesichtspunkt gebracht: wir streben — und die Verhandlungen
| darüber sind in vollem Gange — nach der vollen akademischen
Gleichstellung durch Verleihung des Promotionsrechtes. Wir
wollen (hier dürfte Sachsen die einzige Ausnahme machen)
dieses Recht nicht mit Unterstützung der Universität, und wenn
bei diesen Promotionen Mediziner mitwirken, so sollen sie ganz
zu uns gehören und uns nicht Fremde sein. Wenn wir zeigen,
daß wir bei unseren Berufungen der neuzeitlichen Entwicklung
der tierärztlichen Hochschulen voll Rechnung tragen, daß wir
nur fragen nach der Höhe des Könnens und nicht nach
dem Woher, dann entwinden wir auch etwaigem Widerspruch
die letzten Scheingründe, an die er sich klammern könnte.
Wenn wir uns als vorurteilslos erweisen und jetzt, wo wir
es tun können, ohne uns etwas zu vergeben, Männer von
den Universitäten in unsere Reihen stellen, dann können auch
die Universitäten sich nicht kleiner zeigen und ein Vorurteil
uns gegenüber gelten lassen. In diesem Lichte betrachtet
werden die beiden neuen Berliner Berufungen vielleicht von
nicht zu unterschätzender Wirkung sein.
Es ist auch nicht mehr zu befürchten, daß die Mediziner,
welche zu uns kommen, die tierärztliche Hochschule bloß als
Übergang zur Universität benutzen oder daß unsere Lehrkanzeln
276
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
nur von solchen umworben würden, die anderwärts nicht Unter¬
kommen können. Gäbe es andrerseits einen klareren Beweis dafür,
welche Bedeutung z. B. das hygienische Institut der Tierärztlichen
Hochschule auch in den Augen der Mediziner durch Ostertags
Arbeit erlangt hat, als daß ein Löffler ernsthafter Kandidat
für diese Stelle war? Gegenüber den zahlreichen Gerüchten,
welche öffentlich und namentlich im persönlichen Verkehr der
Tierärzte aufgetaucht sind, möchte ich hier konstatieren, daß
die sachlichen Bedingungen für die Berufung Löfflers auf beiden
Seiten erfüllt waren, daß namentlich die Annahme, Löffler habe
abgelehnt, weil ihn die Universität nicht gleichzeitig zum
Professor machen wollte, nicht zutrifft, und daß schließlich seiner
Berufung im letzten Augenblick ein rein persönliches Hindernis,
das sich nicht überwinden ließ, entgegengetreten ist. Alle
früheren Zeitungsmeldungen waren falsch.* )
Vor allem entscheidend ist meiner Ansicht nach allein dies:
die Einführung der Universitätsreife und die Aussicht auf die vollen
akademischen Rechte stellen an die tierärztlichen Hochschulen
neue Anforderungen, denen ihre bisherigen Einrichtungen
noch nicht in allen Punkten entsprechen. Das ist auch das
Gefühl der Tierärzte im Lande, wenn freilich auch dieses Ge¬
fühl sich vielfach in sehr unrichtiger, ungerechter und über¬
triebener Weise äußert. Und deshalb dünkt mich, daß gerade
unter den Tierärzten die neuen Berufungen nicht den Wider¬
spruch finden werden, den man vielleicht sonst hätte erwarten
können. Man sieht ein, daß bei den Berufungen bisher
nicht in allen Fällen die einzige Rücksicht entschieden hat,
welche entscheiden sollte: das ist die Rücksicht auf die volle
Fähigkeit des zu Buufenden als Forscher und als Lehrer. In
Zukunft muß davor sogar die Frage zurücktreten, ob der neu zu
berufende Professor tierärztliche Vorbildung hat oder nicht.**)
Bei der Vakanz des physiologischen Instituts
bestand von vornherein nur geringe Aussicht, eine speziell tier¬
ärztlich vorgebildete Kraft zu gewinnen. Es mangelt uns an
einem Nachwuchs auf keinem Gebiete so wie auf diesem. Der
Mangel konnte nicht dadurch behoben werden, daß dem Ordinarius
einer andern Hochschule die Berliner Stelle angeboten wurde;
dadurch wäre die Lücke nur an einer Stelle geschlossen worden,
um sie an der andern aufzureißen. Es wurde von vornherein
als Ziel ins Auge gefaßt, in Berlin eine tierärztliche Physiologen¬
schule zu begründen, und als Begründer derselben mußte man
eine junge Kraft von zweifelloser Bedeutung zu gewinnen
suchen. Zwei gleich ausgezeichnete Namen standen an erster
Stelle: Durig und Abderhalden.***) Es ist nicht gelungen, D urig
*) Widersprochen werden muß auch einer Darstellung in der
Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift, welche über die Kandidatur
Löfflers folgendes schreibt:
Der Initiative der tierärztlichen Hochschule entsprang diese
Kandidatur nicht, das Kollegium war vielmehr unbeteiligt. Seit¬
dem den tierärztlichen Hochschulen in Preußen das Recht xu¬
gestanden ist , bei Neuberufungen Vorschläge zu machen , dürfte
dies der erste Fall sein , daß mit einem Herrn verhandelt icurde , der
von der Hochschule nicht in Vorschlag gebracht war. Hoffentlich
bekommt nunmehr die Hochschule wieder die Führung bei den Ver¬
handlungen in die Hand usw.
Es ist nicht Brauch, die inneren Vorgänge bei einer Berufung
zu erzählen, es genügt daher, hier festzustellen, daß auch bei der
Kandidatur Löfflers weder ein Recht der tierärztlichen Hochschule
noch irgendein akademischer Brauch verletzt worden oder sonst
etwas „noch nicht Dagewesenes“ geschehen ist. Schmaltz.
**) Von tierärztlicher Seite ist der B. T. W. soeben ein Artikel
zugegangen, welcher einen anderen Standpunkt vertritt. Der
Artikel ist anonym und daher zur Veröffentlichung ungeeignet. Eine
Anonymität der Redaktion gegenüber muß diese ablehnen.
***) An zweiter Stelle waren genannt der erste Assistent von
Zuntz, Dr. Caspary und Prof. Levy-Berlin.
zu gewinnen, der uns als Schüler von Zuntz und als Professor
an der Hochschule für Bodenkultur in Wien näher stand. Aber
Abderhalden wird nicht minder das oben bezeichnete Ziel für
uns erreichen; über seine allgemeine wissenschaftliche Bedeutung
besteht in Fachkreisen längst kein Zweifel mehr. Es werden
in Berlin an dem hoffentlich bald erstehenden neuen physiologischen
Institut junge Tierärzte die ausgezeichnetste Gelegenheit haben,
auf dem für uns so wichtigen Gebiet der chemischen Physiologie
zu arbeiten. Mögen sie diese Gelegenheit ausnutzen!
Anders als bei der physiologischen Vakanz lagen von vorn¬
herein die Verhältnisse bei der Besetzung der veterinär-
hygienischen Professur. Hier hatte die Berliner Hochschule
ohne weiteres angenommen, unter den tierärztlichen Forschern
einen Ersatz für Ostertag zu finden. Wenn ein dreimaliger
Versuch in dieser Richtung fehlgeschlagen ist, so darf man, ohne
die Gründe dieser Fehlschläge zu untersuchen, mit gutem Ge¬
wissen sagen, daß die Tierärztliche Hochschule gegenüber dem
tierärztlichen Stande ihre Pflicht, wenn wir von einer
solchen sprechen wollen, vollauf erfüllt hatte. Wenn manche
glaubten, noch auf den oder jenen hinweisen zu müssen, so ist zu
| bedenken, daß man manchen nicht von einem Platze nehmen kann,
ohne eine Sache zu schädigen, — vor allem, daß jemand, der an
einem Platz tüchtiges leistet, noch lange nicht an jeden andern Platz
paßt, namentlich nicht zum Lehrer, denn wer lehren will, muß
selber Schule haben. Die Zeit der Autodidakten ist für uns ebenso
vorüber, wie der früher übliche Übergang von einem Lehrfach zu
einem ganz anderen und ähnliche Erscheinungen? Die Hoch¬
schule konnte angesichts des Mißerfolges, wenn sie sich
nicht selbst aufgeben wollte, unmöglich ihre Ansprüche
vermindern; sie hat die allein richtige Antwort mit
einer Steigerung der Ansprüche gegeben. Wenn sich
dabei ihre Blicke zunächst auf Löffler und Wassermann
gerichtet haben, so lag dies besonders nahe, weil beide durch
ihre Forschung schon zu uns gehörten; gegen den Doctor
medicinae veterinariae honoris causa Löffler hätte übrigens
auch das empfindlichste tierärztliche Standesgefühl nichts ein¬
wenden können. Geheimrat Frosch steht uns in dieser Hinsicht
etwas ferner, aber er ist einer der bevorzugtesten Schüler Robert
Kochs. Er bringt in sein neues Amt die ganze Koohsche Schule
mit, und wir dürfen uns der sicheren Hoffnung hingeben, daß aus
dieser Schule zahlreiche junge Tierärzte hervorgehen werden,
die, mit dem vollen methodischen Rüstzeug ausgestattet, der
Zukunft Erfolge auf dem Gebiete der Seuchenforschung abringen
werden. Geheimrat Frosch wird es dabei leichter haben als
Ostertag. Einmal wird von seiner Lehraufgabe die Nah¬
rungsmittelkunde abgezweigt und selbständig einem Abteilungs-
Vorsteher übergeben;*) andererseits ist nicht zu bezweifeln, daß
ein großer Teil der wissenschaftlichen Aufgaben, die namentlich
auch das Ministerium gerade dem Berliner hygienischen Institut
stellen mußte und die die Zeit Ostertags außerordentlich in Anspruch
nahmen, mit Ostertag in das kaiserliche Gesundheitsamt über¬
siedeln. Sein Nachfolger wird daher seine ganze Kraft in den
Dienst des Unterrichts stellen können.
*) Auch hierzu bringt die Deutsche Tierärztliche Wochenschrift
eine falsche Nachricht Sie schreibt: „Wie uns mitgeteilt wird,
ist als Nachfolger von Ostertag auf den Lehrstuhl für Nahrungs¬
mittelkunde Obertierarzt Henschel in Berlin in Aussicht genommen.“
Der Inhalt dieser Mitteilung ist einfach aus der Luft gegriffen.
Die Vorschläge sind dem Herrn Minister kürzlich unterbreitet
worden. Der Name He ns ch eis ist bei dieser Angelegenheit hier
niemals genannt worden.
9. April 1908.
277
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Zur Lage der Tierärzte.
Dem Staatshandbuche für 1908 entnehmen wir folgende
Zahlen;
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(40,5
64
13,5
Man behauptet nun zwar, daß mit Zahlen alles bewiesen
werden könne. In der Regel trifft dies auch zu; wenn aber die
Zahlen eine so deutliche Sprache reden, wie in obiger Tabelle,
beweisen sie nur Eins: daß die beamteten Tierärzte
gegenüber den beamteten Ärzten bis jetzt sehr schlecht
abgeschnitten sind. Zur Orientierung sei erwähnt, daß den
Departementstierärzten ebenso wie den Reg.-Medizinalräten und
Kreisärzten die Möglichkeit geboten ist, den Charakter als Ge¬
heimer Rat zu erwerben, nur mit dem Unterschiede, daß dieser
Titel an die Departementstierärzte nur vereinzelt und in besonderen
Fällen als Auszeichnung verliehen werden soll, wogegen solche ein¬
schränkenden Bestimmungen für die Medizinalbeamten nicht be¬
stehen. Tatsächlich kommt es auch nur äußerst selten vor, daß
Reg.-Medizinalräten oder Kreisärzten, welche die vorgeschriebene
Anzahl von Dienstjahren zurückgelegt haben, der Charakter als
Geh. Med.-Rat vorenthalten wird. Hierbei sind die Kreistierärzte
ganz außer acht gelassen, weil die Möglichkeit, daß sie auch
einmal Geheime Veterinärräte werden können, noch in weiter,
weiter Ferne liegt. Und doch dürfte die Mehrzahl der Kreis¬
tierärzte eine solche Auszeichnung nicht minder verdienen als
der Durchschnitt der Kreisärzte, denn sie stehen jenen in bezug
auf Pflichttreue und tatsächliche Leistungen keineswegs nach.
Natürlich kann ein jeder nur dort seine Wirksamkeit entfalten,
wo ihn das Schicksal hingestellt hat, ob dies aber in einer Stube
oder in einem Stalle geschieht, dürfte an sich und für jeden
einsichtsvollen Menschen vollkommen gleichgültig sein.
Die ungleiche Behandlung der Kreisärzte und Kreistierärzte
in bezug auf Verleihung von Titeln fällt noch mehr auf, wenn
man berücksichtigt, daß die Kreisärzte bei ihrer Ernennung
zum Medizinalrat den Rang der Räte IV. Klasse, die Kreistierärzte
aber bei ihrer Ernennung zum Veterinärrat nur den Rang der
Räte V. Klasse erhalten, so daß, wenn ein Unterschied in der
Bewertung dieser beiden Beamtenklassen durchaus bestehen soll,
dieser schon durch obige Rangunterschiede genügend zum Aus¬
druck kommen dürfte, ohne daß auf die Hervorkehrung des
numerischen Unterschieds ein so großes Gewicht gelegt zu
werden brauchte.
Ähnlich wie mit den Titeln verhält es sich mit den Ordens¬
auszeichnungen. In nachstehender Tabelle sind die Medizinal-
und Veterinärbeamten in bezug auf Ordensdekorationen mitein¬
ander verglichen. Die Angaben sind ebenfalls dem Staatshand¬
buche für 1908 entnommen, enthalten also noch nicht die aus Anlaß
des diesjährigen Ordensfestes an die Medizinal- und Veterinär¬
beamten verliehenen Orden.
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7 Kreisärzte und
5 Kreistierärzte.
278
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
Obiger Tabelle entnehmen wir die überraschende Tatsache,
daß 2,0 Proz. der Medizinalbeamten und nur 0,6 Proz. der
Veterinärbeamten den Roten Adler- bzw. Kronen-Orden 3. Kl.,
83 Proz. der Regierungsmedizinalräte und nur 27 Proz. der
Departements!ierärzte, sowie 14,8 Proz. der Kreisärzte und nur
3,6 Proz. der Kreistierärzte den Roten Adler-Orden IV Kl. be¬
sitzen. Angesichts dieser Tatsache wird selbst den Optimisten
unter den Tierärzten allmählich zu Bewußtsein kommen, daß wir
noch vieles zu erkämpfen haben, ehe wir den Angehörigen der
übrigen Berufe*) auch nur annähernd gleich gestellt sind, und
erinnert man sich hierbei gleichzeitig auch daran, daß die Privat-
und Schlachthaustierärzte bis jetzt überhaupt noch keine Aus¬
sichten auf Titel und Orden haben, wie dies in anderen freien
Berufen von ähnlicher Bedeutung schon längst der Fall ist, ob¬
schon sie für die Allgemeinheit schließlich dasselbe wie
die beamteten Tierärzte leisten und deshalb Auszeichnungen
ebenso verdienen wie jene, sö kann man sich nur darüber
wundern, daß die beamteten und Privattierärzte, anstatt sich
zum gemeinsamen Kampfe um die Hebung ihres Ansehens und
ihrer Stellung zusammen zu schließen, sich schon seit Jahren
aufs heftigste befehden. Eine von beiden Parteien wird in
dem Streit sicher obsiegen, ob der Stand als solcher aber
liieraus Nutzen ziehen wird, erscheint mindestens zweifelhaft.
Allerdings läßt sich nicht bestreiten, daß die Sympathien der
meisten Tierärzte auf seiten der Privattierärzte sind, und daß
letztere nicht nur mutig vorgegangen, sondern auch die geeig¬
neten Schritte zur Wahrung ihrer Interessen an der richtigen
Stelle und zur richtigen Zeit unternommen haben, weshalb ihnen
der Lohn hierfür voraussichtlich nicht vorenthalten bleiben wird,
indessen tut uns Tierärzten gegenwärtig nichts mehr
not, als Einigkeit.
Was könnte und w r as sollte nun zur Beseitigung
der vorhandenen Mißstände und zur Hebung des tier¬
ärztlichen Standes geschehen?
In erster Linie müssen wir darauf hinwirken, daß den Tier¬
ärzten sowohl bei der Zentral- als auch bei der Provinzialinstanz
eine angemessene Vertretung eingeräumt wird. Auf die Be¬
deutung, die ein Tierarzt in der Stellung eines Vortragenden
Rats im Ministerium für die weitere Entwicklung unseres
Standes haben würde, ist bereits wiederholt hingewiesen worden.
Die zurzeit in der Veterinärabteilung des preußischen Landwirt¬
schaftsministeriums befindlichen Herrn Juristen erfreuen sich
zwar wegen ihrer Liebenswürdigkeit und der nachsichtsvollen Be¬
urteilung unserer Schwächen, die wir natürlich ebenso wie alle
übrigen Stände haben, allgemeiner Beliebtheit und Verehrung
seitens der Tierärzte, indessen hängt hiervon allein das Ge¬
deihen eines Standes leider nicht ab, denn sonst würden wir
Tierärzte mit zu den glücklichsten Menschen auf Erden zählen.
Wenn wir in dem Tempo, wie wir es wünschen müssen, weiter
kommen wollen, muß unsere Sache auch von oben kräftig ge¬
fördert werden, und dazu gebrauchen w r ir unbedingt einen das
volle Vertrauen seiner Kollegen besitzenden Tierarzt als Vor¬
tragenden Rat im Ministerium.
Die Vertretung der Tierärzte bei der Provinzialinstanz
kann nur dann als angemessen bezeichnet werden, wenn die
*) Ein Vergleich der Veterinärbeamten mit anderen Beamten¬
kategorien würde ungefähr dasselbe Bild ergeben. Die Medizinal¬
beamten sind hier nur deshalb herausgegriffen, weil ihre Tätigkeit
derjenigen der Veterinärbeamten am meisten entspricht.
Departementstierärzte Regierungs- und Veterinärräte geworden
sind. Über die Notwendigkeit dieser Reform ist schon von berufener
Seite wiederholt geschrieben worden, und die zu ihrer Unterstützung
angeführten Gründe sind so stichhaltig, daß es „Eulen nach
Athen tragen“ hieße, wollte man hierüber noch weitere Worte
verlieren. Man sollte übrigens annehmen, daß die Erreichung
dieses Zieles den Departementstierärzten nicht allzuschwer fallen
könnte, sofern sie nur selber ihre Sache mit dem nötigen Nach¬
druck und der nötigen Zähigkeit betreiben wollten. Von selbst
ist noch niemandem von uns etwas in den Schoß gefallen.
Den Kreistierärzten als den Vertretern bei der Lokalinstanz
muß unbedingt der Rang der Räte V. Klasse verliehen werden,
wenn sie die Stellung einnehmen sollen, die ihnen sowohl nach
ihrer Vorbildung als auch nach ihren Leistungen in der Beamten¬
schaft gebührt. Die jetzige Zwitterstellung zwischen der V. und
VI. Klasse hat das Ansehen der Kreistierärzte unseres Wissens
um nichts gefördert, sie werden nach wie vor zu den Subaltern¬
beamten gerechnet, obschon man an höherer Stelle anderer
Ansicht zu sein scheint, was unter anderm auch daraus hervor¬
geht, daß den Kreistierärzten der Provinz Posen nach dem
| 1. Juli 1905 die ihnen bis dahin gewährte, nur Subaltern¬
beamten gezahlte Ostmarkenzulage entzogen worden ist. An
sich war die Entziehung dieser Zulage für die beteiligten Kreis¬
tierärzte wenig erfreulich, da es sich hierbei um 300 M. jährlich
handelte, aber immerhin ist in diesem Falle zum Ausdruck ge¬
kommen, daß die Kreistierärzte wenigstens nach der Auffassung
des Herrn Finanzministers nicht mehr zu den Subalterabeamten
zählen. Wie uns indes von vielen Seiten bestätigt wird, wird
diese Auffassung nur sehr vereinzelt geteilt, da die höheren
Beamten gewöhnlich erst bei der V. Rangklasse beginnen und
jeder, der sich nicht mindestens in der V. Klasse befindet, im
allgemeinen als Subalterabeamter gilt. Die Referendare können
hierbei nicht in Vergleich gezogen werden, weil sie eine Aus¬
nahmestellung einnehmen und nur vorübergehend in dieser
Stellung verbleiben, um dann sofort in die V. Beamtenklasse
einzurücken. Außerdem gehören sie dem bevorzugten Stande
der Juristen an und würden, selbst wenn sie die niedrigste
Rangstufe bekleideten, deshalb doch die feudalen Herren mit den
höchsten Chancen für die Zukunft bleiben. Man wird daher
aus der Tatsache, daß die Kreistierärzte offiziell noch vor den
Referendaren rangieren, nicht darauf zu schließen berechtigt
sein, daß sie nun auch mindestens das gleiche Ansehen im
Publikum genießen, wie die Referendare. Die Qualität als
höherer Beamter wird vielmehr nur durch Verleihung der
V. Rangklasse beigelegt, eine Tatsache, über die nichts, auch
nicht die Entziehung der Ostmarkenzulage, hinwegtäuschen kann.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die für die Kreisärzte
schon im bevorstehenden Etatsjahre geforderte Pauschalierung
für die Kreistierärzte nicht mehr lange auf sich warten lassen,
vielleicht noch 2, höchstens 3 Jahre, aber dann wird sie wohl
sicher kommen. Sollte die finanzielle Tragweite der Frage
einer angemessenen Rangerhöhung der Kreistierärzte bis jetzt
entgegengestanden haben, so würde dieses Hindernis durch die
Pauschalierung beseitigt werden, und wenn die Pauschalierung
der Preis für die Einrangierung der Kreistierärzte in die
V. Rangklasse sein sollte, so würde man deren recht baldige
Einführung nur dringend wünschen können. Wenn aber die
Kreistierärzte, wie bisher, die Hände in den Schoß legen und
sich nicht tatkräftig rühren, wird die Pauschalierung wahr-
9. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
279
scheinlick auch kommen, ohne daß irgend etwas an der bisherigen
RangsteUung der Veterinärbeamten geändert wird. Das sollten
die Kreistierärzte sich merken!
Die einzigen, die sich in letzter Zeit tatkräftig gerührt und aücli
einen Erfolg zu verzeichnen haben, sind die Privattierärzte. Bis
jetzt ist dieser Erfolg allerdings mehr moralischer als positiver
Natur, aber auch damit ist schon viel gewonnen, da sich
die Reichsregierung den Wünschen des Reichstages bezüglich
der Zulassung von Privattierärzten zu den im Seuchengesetz
vorgesehenen Amtsverrichtungen der Tierärzte nicht verschließen
wird. Die Frage, auf wessen Seite das Recht in dem Streit
zwischen den Privat- und Kreistierärzten liegt, kann hier un¬
berührt bleiben. Jedenfalls muß man anerkennen, daß die
Privattierärzte bislang sehr stiefmütterlich behandelt worden sind,
und wenn sie sich nun zusammengeschlossen haben, um gemein¬
schaftlich Schritte zur Verbesserung ihrer Lage zu unternehmen,
so wird man dies nur mit Freuden begrüßen können. Abgesehen
aber davon verdienen die Privattierärzte auch noch deshalb
Sympathie, weil sie — wie bereits erwähnt — den Mut der
Überzeugung haben und keine Mühe scheuen, ihr Ziel zu er¬
reichen. Zu dieser Energie kann man ihnen nur Glück wünschen,
denn sie’ haben noch vieles, vieles nachzuholen. Sie müssen
ihr Augenmerk auch darauf richten, ebenso wie die Angehörigen
anderer freier Berufe, durch Titel ausgezeichnet zu werden,
weil dadnrch ihr Ansehen im breiten Publikum erheblich steigen
würde. Kein billig denkender Kollege wird leugnen wollen und
können, daß den ältern verdienten Privattierärzten der Titel
„Veterinärrat“ ebenso gebührt, und daß sie diesen Titel nicht
minder verdienen, wie die Kreistierärzte: Beide ziehen an dem¬
selben Strange, beiden liegt in letzter Linie die Pflicht ob, für
die Gesunderhaltung unserer Viehbestände und die Rentabilität
unserer Viehzucht Sorge zu tragen.
Wollen die Tierärzte insgesamt ihre Lage verbessern, so
müssen sie sich in erster Linie darüber klar werden, welche
Mittel andere Stände, die z. T. in den letzten Jahren viel er¬
reicht haben, bei der Verfolgung ihrer Ziele angewandt haben,
denn wie in vielen anderen Dingen, ist auch hier die Geschichte
eine gute und zuverlässige Lehrmeisterin. In dieser Hinsicht
können wir von den Oberlehrern und Ärzten manches lernen,
und wenn wir die Ursachen der Erfolge dieser beiden Stände
ergründen, so finden wir namentlich folgendes:
1. Beide Stände sind vorzüglich organisiert und wenden
nicht unerhebliche finanzielle Mittel zur Vertretung ihrer An¬
sprüche auf;
2. beide Berufe haben sich in den letzten Jahren kräftig
gerührt und zur Geltendmachung ihrer manchmal gerade nicht
allzu bescheidenen Forderungen fleißig die politische Presse
benutzt;
3. beide Berufe haben zeitweise dafür gesorgt, daß der
Andrang zu dem betreffenden Studium gehemmt wurde.
Zu 1: Die Organisation ist namentlich bei den Ärzten
mustergültig. Man denke nur an die Sperrung von Arztstellen
aus Anlaß des umfangreichen und langdauernden Streits mit
den Krankenkassen, sowie neuerdings an die Sperrung der
Stellen von Vertrauensärzten. Ohne mustergültige Organisation
wäre eine solche Maßnahme nicht durchführbar gewesen. Aus
diesem Vorgehen der Ärzte könnten insbesondere die Schlacht¬
haustierärzte eine Lehre ziehen. Wenn sie sich mit den Privat¬
tierärzten in Verbindung setzten und solche Stellen, die ihrer
Meinung nach in standesunwürdigcr Weise dotiert sind, bei
etwaigen Vakanzen ebenfalls sperrten, würden sie hierdurch
mehr erreichen als mit Petitionen an die Staatsbehörden, die
bei dem Selbstverwaltungsrecht der Städte im großen und
ganzen nur geringen Einfluß auf die Gestaltung der Stellung
der Schlachthoftierärzte auszuüben vermögen. Mit Hilfe der
Sperrung würden die Schlachthoftierärzte voraussichtlich sehr
bald und gründlich zum Ziele gelangen.
Nicht minder gut als die Organisation der Ärzte, ist die
Organisation der Oberlehrer. Sie haben seinerzeit durch Samm¬
lung von Beiträgen eine hohe Summe aufgebracht und diese
für ihren damaligen Vorkämpfer Schröder sicher gestellt
für den Fall, daß ihm etwas Menschliches bei der Agitation für
seine Kollegen zustoßen sollte. Es ist neulich seitens des
Kollegen Krüger-Posen der Gedanke angeregt worden, ein
Agitationsbureau zu errichten. Diese Anregung verdient vollste
Beachtung und sollte nicht ohne weiteres fallen gelassen werden.
Nur dürfte die Leitung eines solchen Bureaus nicht, wie Krüger
vorgeschlagen hat, einem Juristen, sondern einem Tierarzte zu
übertragen sein, da nur ein solcher das richtige Verständnis
für die uns bewegenden Fragen haben kann. Jedenfalls ver¬
dient aber . der Vorschlag, seitens des Deutschen Veterinärrats
und der Zentralvertretung beraten zu werden.
Zu 2: .Wie sehr sich die Oberlehrer und die Ärzte in
letzter Zeit gerührt haben, dürfte allgemein bekannt sein, und
wie diese Bewegung sowohl den Oberlehrern wie den Ärzten
genutzt hat, wird sich bei der nächsten Gehaltsaufbesserung
zeigen, ist aber auch dadurch bereits zum Ausdruck gekommen,
daß den Oberlehrern vor nicht langer Zeit zur Hälfte der Titel
„Professor“ mit dem Rang der Räte IV. Klasse beigelegt worden
ist, eine Auszeichnung, die den meisten Oberlehrern bei dem
heutigen Mangel an Lehrkräften durchschnittlich schon mit dem
40. bis 42. Lebensjahre zuteil wird.
Seitens der Tierärzte ist dagegen in den letzten Jahren
recht wenig zur Hebung ihrer Stellung unternommen worden.
Wenn hier und da auch vereinzelte Stimmen laut geworden
sind, die eine Verbesserung unserer Stellung anstrebten, so
fehlte nnserm Vorgehen doch das Planmäßige und System.
Wollen wir aber etwas erreichen, so müssen wir unbedingt
einheitlich und nach einem bestimmten Plane Vorgehen,
denn ebenso, wie eine Truppe ohne einheitliche Führung nie
siegen kann, werden auch unsere Bestrebungen im Sande verlaufen,
wenn — wie dies leider jetzt der Fall ist — die einen hierhin,
die anderen dorthin ziehen.. Zur Leitung unseres Vorgehens
würde sich die oben erwähnte Agitationsstelle vorzüglich eignen.
Wer die politische Tagespresse studiert, ein Studium, das
heutzutage jeder gebildete Mensch betreiben soll, wird bald in
dieser, bald in jener großen Zeitung Abhandlungen über die
Lage und Wünsche der einzelnen Berufsklassen finden und aus
der.Sachkenntnis, mit der die betreffenden Artikel geschrieben
sind, entnehmen können, daß die Verfasser Berufsangehörige
sein müssen. Über die Tierärzte liest man nur äußerst
selten etwas in den Zeitungen, und wenn einmal ein Bericht
über eine Hochschulfeier, einen Kongreß oder dgl. in einer
Zeitung erscheint, so ist er meist so knapp und häufig so un¬
sachgemäß gehalten, daß man fast wünschen möchte, der Artikel
wäre lieber unterblieben. Würden die Tierärzte in ihren eigenen
Reihen Berichterstatter für die Tagespresse halten, so würde
diesem Mangel voraussichtlich abgeholfen sein. Man kann sich kaum
280
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15.
denken, daß die größeren Zeitungen nur Verständnis und Inter¬
esse für die Lage der übrigen Stände, nicht aber auch für die
der Tierärzte haben sollten, vielmehr wird man annehmen
müssen, daß der Grund für dieses mangelhafte Verständnis der
Presse für tierärztliche Angelegenheiten an uns selber liegt.
Wenn wir aber überhaupt etwas erreichen wollen, erscheint
eine ausgiebigere Benutzung der Tagespresse nötig, und dieser
Aufgabe würde wiederum eine Agitationsstelle in erster Linie
gerecht werden können. Außerdem gibt es aber noch andere
Mittel, die Presse für uns zu interessieren, Mittel, die gar nicht
als unerlaubt bezeichnet werden können. Wenn man sich z. B.
einzelnen Redaktionen gegenüber bereit erklärte, die Tierärzte
darauf hinzuweisen, daß bestimmte Zeitungen es übernommen
haben, über wichtige tierärztliche Angelegenheiten ausführlich
zu berichten, und sie zum Abonnement auf diese ZeituDgen auf¬
zufordern, würde sich kaum eine Zeitung weigern, unsern Wünschen
zu entsprechen, und es würde ferner kaum viele Tierärzte geben, die
einer Aufforderung zum Abonnement auf die betreffende Zeitung
nicht Folge leisteten.
Zu 3: Vor nicht langer Zeit brachten die Grenzboten ein
Referat über den Mangel an Ärzten in der Armee. In diesem
Referat war ausgeführt, daß verfügen
1. das Sanitätskorps über 1,1 Proz. Stellen mit Obersten-
und 0,3 Proz. Stellen mit Generalsrang,
2. die Militärjustizbeamten über 6.7 Proz. Stellen mit
G eneralm a j orsran g,
3. die Intendanturbeamten über 20 Proz. Stellen, die im
Endziel Generalinajorsrang und mehr erreichen und
4. das preußische Offizierkorps über 2,6 Proz. Stellen
für Regimentskommandeure und 1,6 Proz. Stellen für
Generale.
Die Benachteiligung der Sanitätsoffiziere gegenüber den
übrigen Offizieren und höheren Militärbeamten, wurde in dem
Referat als Grund dafür angeführt, daß der Bedarf der Armee
an Ärzten nicht gedeckt werde, und ferner wurde zur Behebung
dieses Manquements die völlige Gleichstellung der Militärärzte
mit den übrigen Offizieren gefordert.
Der Verfasser jenes Artikels ist ein kluger Mann, er weiß,
daß man, sobald sich ein Mangel an Personal bemerkbar
macht, Forderungen stellen kann und auch bewilligt erhält.
Das lehrt u. a. auch zur Evidenz die Geschichte der ver¬
schiedenen Streiks. Für uns Tierärzte folgt hieraus als wichtigste
Lehre, daß wir vor allen Dingen dafür sorgen müssen, daß sich
möglichst bald ein Mangel an Personal bei uns bemerkbar macht.
Wer könnte auch einem jungen Manne mit dem Zeugnisse der
Reife bei den Aussichten, wie sie der tierärztliche Beruf heute
bietet, aus ehrlicher Überzeugung dazu raten, Tierheilkunde
zu studieren ?! — Sorgen wir dafür, daß der Zudrang zum
tierärztlichen Studium eine Zeitlang aufhört, sobald ein Mangel
an Studierenden und Tierärzten eintritt, wird man sich unbe¬
dingt dazu bequemen müssen, unseren Ansprüchen mehr als
bisher entgegenzukommen. An diesem Punkte liegt unsere
Hauptstärke. Hat man anerkennen müssen, daß das
tierärztliche Studium als Vorbedingung da’s Abitu¬
rientenexamen erfordert, so soll man sich auch nicht
scheuen, die Konsequenzen hieraus zu ziehen!
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Tierarzt und Direktor
der Zentrallehrschmiede Ottomar Oc^-Hannover der Rote Adlerorden
IV. Klasse, dem Tierarzt Hcnnieh Frendenberg - Gartz a. 0. der
KÖnigl. Kronenorden IV. Klasse. Prof, extraord. Dr. Caspcr Breslau
zum ordentlichen Honorarprofessor ernannt.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Der Tierarzt
Kd. tunk aus Landshut zum Prosektor am Anatom. Institut der
Tierärztl. Hochschule München. — Veterinärbeamte: Die Tier¬
ärzte Dr. Richard Imnulmann , Hermann Skeido definitiv zu KreL-
tierärzten und Friedrich Wulff definitiv zum zweiten Kreistierarzt
in Naugard bzw. Bremervörde bzw. Schleswig. - Versetzt: Die
Bezirkstierärzte Adolf Sfeger-Wegscheid nach Bad Tölz, Robert Streif-
ftc;v/-Naila nach Arnberg. In den Ruhestand: Veterinärrat Lütkc-
miilUr , Kreistierarzt in Ratibor zum 1. Mai 1908; Bezirkstierarzt
Joseph Kaut in Schrobenhausen. — Schlachthof Verwaltung:
Schlachthofinspektor Oenther- Rathenow zum Direktor, Qoslar- Aachen
zum Obertierarzt ernannt. Die Tierärzte Friedr. Schlieeker zum
Schlachthofverwalter in Lippstadt, Hugo Pohl- Stettin zum Schlachthof-
Assistenten in Harburg a. Elbe.
Verzogen: Die Tierärzte Dr. Albert J/ö7/er-Düsseldorf als stell¬
vertretender Distriktstierarzt nach Alpirsbach, Fritz Slolyer- Tilsit
als Assistent am Seruminstitut der Landwirtschaftskammer für die
Provinz Brandenburg nach Prenzlau, Joseph Keller - Bremen
(Schlachthof) nach Herzogenaurath.
In der Armee: Preußen: Befördert: Oberveterinär Stielx im
Drag -Reg. Nr. 14 zum Stabsveterinär: der Studierende Hause von
der Militär-Veterinär-Akademie im Feldart.-Reg. Nr. 23 unter gleich¬
zeitiger Kommandierung auf 6 Monate zur Militär-Lehrschmiede zum
Unterveterinär. — Versetzt: Oberstabsveterinär bergin im Feld¬
art.-Regt. Nr. 36 zum Kür.-Ilegt. Nr. 2: die Stabsveterinäre, HoV/rr im
Fcldart.-Rcgt. Nr. 38 und Rips im Drag.-Regt. Nr. 11 gegenseitig,
Dernbach vom llemontedepot Jurgaitschen zum Remontedepot Arend-
see, (iicsenschlay vom Remontedepot Kattenau zum Remontedepot
Jurgaitschen; die Oberveterinäre Vogler im Train-Bat. Nr. 11 zum
Feldart.-Reg. Nr. 36 zur Wahrnehmung der Stabsveterinärgeschäfte,
Oder/rald im Feldart -Regt. Nr. 8 zum Train-Bat. Nr. 11, Qröfx
Assistent bei der Militär-Lehrschmiede Frankfurt a. M. zum Train-
Bat Nr. 7, Kühn im Train-Bat. Nr. 7 zum Kür.-Regt. Nr. 4, Keren
im Hus.-Regt Nr. 16 als Assistent zur Militär-Lehrschmiede in
Frankfurt a. M., Hark im Hus.-Regt Nr. 15 zum 2 Garde-Feldart -Regt.,
Schtecbs im Feldart.-Regt. Nr. 41 zum Fcldart.-Regt. Nr. 25 (Standort
Graudenz), Biesterfeld im Ulan.-Regt Nr. 14 und Altmann im Drag-
Regt. Nr. 2 gegenseitig, Perl im Drag.-Regt Nr 17 zum Feldart -
Regt. Nr. 34, Dr. Perkuhn im 3. Garde-Feldart.-Regt. unter Rück¬
tritt vom Kommando zur Tierärztlichen Hochschule Berlin zuni
2. Garde-Dragoner-Regiment, Leanhardt im Husaren-Regiment
Nr. 15 zum Jäger-liegt. zu Pferde Nr. 2, dieser mit Wirkung vom
1. Mai 1908. — In eine etatsmäßige Oberveterinärstelle eingerückt:
Oberveterinär flcnnig im Feldart -Regt. Nr. 20; die Unterveterinäre
Bauch im Feldart.-Regt. Nr. 19 zum Hus.-Regt. Nr. 15, Stresow im
Feldart.-Regt. Nr. 23 zum 1. Garde-Ulan.-Regt., dieser nach Ablauf
des Kommandos zur Militär-Lehrschmiede in Berlin, Berndl im
Feldart.-Regt. Nr. 54 zum Drag.-Regt Nr. 17, Stummer im Ulan.-Regt.
Nr. 11 zum Hus -Regt. Nr. 14, Warmbrunn im Hus.-Regt. Nr. 14 zum
Feldart.-Begt. Nr. 54, Bork im 1. Garde-Ulan -Regt, zum Feldart.-
Regt. Nr. 51. — Kommandiert: Oberveterinär Dr. Hobst Her im
2. Garde-Drag.-llegt. als wissenschaftlicher Assistent zum Patholog.
Institut der Tierärztlichen Hochschule Berlin. Zur 1. Remontierungs¬
kommission: Oberveterinär Rode im Train-Bat. Nr. 9; zur 2. Remon¬
tierungskommission: Oberveterinär Mohr im Drag.-Regt. Nr. 20; zur
3. Remontierungskommission: Oberveterinär Brilliny im 1. Leib.-Hus.-
Regt. Nr. 1: zur 4. Remontierungskommission: Oberveterinär Dr. Dreyer
im Feldart -Regt. Nr. 70; zur 5. Remontierungskommission: Ober-
veterinär Heydt, im Train-Bat. Nr. 15. — Bayern: Wieder an¬
gestellt: Oberveterinär Rau von der Kaiserlichen Schutztruppe
für Deutsch-Südwestafrika im 8. Feldart.-Regt. — Versetzt:
Oberveterinär Dr. Maier im 8. Feldart.-Regt. als Assistent zur
Militär-Lehrschmiede. — Sachsen: Versetzt: Die Unter-
veterinäre Susfmann im Ulan.-Regt. Nr. 18, kommandiert als Repe¬
titor bei der Militärabteilung der Tierärztlichen Hochschule und
Emshoff im Hus.-Regt. Nr. 18 gegenseitig zum 1. Juli 1908.
In der Schutztruppe für Deutsch - Südwestafrika: Aus¬
geschieden und in der Armee wieder angestellt: Die Oberveterinäre
Brühlmeyer im Feldart.-Regt. Nr. 7 (Standort Düsseldorf) und Hatcich
im Feldart.-Regt. Nr. 40, Bertram, behufs Übertritts zu den Veteri¬
nären der Reserve. — Im Beurlanbtenstando: Befördert: Unter-
veterinär der Reserve Dr. Friedrichs vom Bezirkskommando III
Berlin zum Oberveterinär.
Todesfall: Professor an der Tierärztlichen Hochschule Josef
Z/nwin^cr-München. _
Vakanzen. (Vgi. Nr. u.)
Schlaohthofstelje: Halle a. S.: Assistenzarzt sofort, Gehalt
200 M. p. Monat und freie möbl. Wohnung. Angebote an die Ver¬
waltung des städt. Schlacht- und Viehhofes.
Besetzt: Die Schlachthofstellen in Harburg und Lippstadt.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Sclinialtz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoets in Berlin. —•
Druck von W. BUxenntein, Berlin.
Di« „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48, Wilbeimstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5.— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 Pt für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert, (österreichische Post-Zeltungs-
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Mk., fn Petitsata xnh
00 Bk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., UuisenstraOe 56. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Vurl.igsbucMiandlitug.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Glage
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Hamburg.
Med.-Rat Dr. Boeder
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Dresden.
Veterinärrat Dr. Lothes
Departementstierarzt
Cöln.
Dr. Schlegel
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Freiburg i. Br.
Prof. Dr. Peter
Kreistierarzt
Angermünde.
Dr. J. Schmidt
Professor
Dresden.
Veteriuärrat Peters
Departementstierarzt
Bromberg.
Reg.-Rat Dr. Vogel
Landestirrarzt v Bayern
München.
Veterinärrat Preuße
Departementstierarzt
Danzig.
Wehrle
Kaiser;. Regiernngsrgt
Berlin.
Dr. Richter
Professor
Dresden.
ZOndel
Kreistierarzt
Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908.
,M. 16 . Ausgegeben am 16. April.
Inhalt: Reimers: Zur Kastration. — Bernhardt: Ein merkwürdiger Fall. — Schaaf: Zur Behandlung des ansteckenden
Scheidenkatarrhs mit Bissulin. — Goldbeck: Die Raebigersche Salbenspritze in der Praxis. — Cornelius: Jodipin
bei Lungenentzündung des Pferdes. — Kyl6n: Eine neue Nasenbremse. — Hennig: In Schnee und Eis. — Referate:
Sieber: Tropenhygiene und Protozoenkrankheiten. — Aus der medizinischen Literatur. — Rißling: Beitrag zur Biologie
normaler Tiersera. —Tagesgeechlchte: Goldbeck: Die Gestüts-Karriere. — Zum Kapitel: „Der Tierarzt beim Körgeschäft“.—
Bericht über die VII. Hauptversammlung des Vereins der beamteten Tierärzte Preußens am 29. und 30. November und
1. Dezember 1907 (Fortsetzung). — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Zur Kastration.
Von Kreistierarzt Reimers, Freiburg-Elbe (Kr. Kehdingen).
Die Kastration unserer männlichen Haustiere wird wohl am
einfachsten mittelst, des EmaskulatorB aasgeführt. Aber es
können bei dieser Methode doch allerlei Bedenken sich er¬
gebeirr man hat auch bei dem ganz korrekt - gearbeiteten
Emasknlator niemals den Grad der Gefäßquetschung in der
Hand, ans dem einfachen Grunde, weil das Spatinm zwischen
Qnetsclihacke und Hakenschneide beim Instrument festgelegt ist.
So kommt es, daß häufig hei kleinen Tieren, also bei wenig
umfangreichen Samensträngen, keine genügende Qnetschnng
und somit eine Nachhlntnng
entsteht, während hei star¬
ken Samensträngen der Sa¬
menstrang nicht in den
Qnetschranm hineingepreßt
werden kann und hei stark
ansgeübten Druck derselbe
zerquetscht oder zerrissen
wird, und so wieder eine
Blutung entsteht. Um nun
diese mit Hecht als sehr un¬
bequem angesehenen Nach¬
blutungen zu vermeiden, wurde außer dem Emasknlator eine
SandBche Zange als Fixations- and Kompressionszange ange¬
wandt. Diese Methode wird wohl von den meisten Tierärzten
in der Praxis angewandt, und ich habe auch dieselbe seit Jahren
als gut schätzen gelernt.
Ganz abgesehen aber von der Unbequemlichkeit, immer
zwei Instrumente zum Entfernen des Testikels nötig zu haben,
ist mir als Übel stand die große Quetschmanschette des
Samenstr&ngstampfes aufgefallen.
Wenn auch ein größerer gequetschter Samenstrangstumpf
vor Blutungen vielleicht eher schützen mag, so bildet er aber
auch ein größeres Hindernis zur glatten Abheilung und damit
eine günstigere Bedingung zur nachträglichen Infektion. So konnte
ich häufig beobachten, daß in den ersten drei bis vier Tagen
nach der Operation die Kastraten sich munter und lebhaft ver¬
hielten, als wenn „nichts passiert“ war. Erst nach zirka acht
bis vierzehn Tagen stellten sich hei einigen Kastraten
Schwellung, gespannter - Gang, getrübtes Allgemeinbefinden,
also Zeichen einer Infektion ein. Durch die erste Kom¬
pressionszange wird sicherlich immer znr Hauptsache die Blut¬
stillung erfolgen. Es lag deshalb der Gedanke nahe, daß eine
gute Quetschzange, mit einer Schneidevorrichtnng versehen,
bessere und sichere Dienste leisten würde.
Mit der Konstruktion
der hier ahgebildeten Zange
ist der Gedanke verwirklicht.
Das Instrument ist von der
Firma Hanptner nach
meinen Angaben hergestellt.
In der ahgebildeten Zange
hat znr Konstruktion der
Qnet8chvorrichtnng das Mo¬
dell der Masensehen Zange
gedient, ein dritter Hebel,
welcher mit dem einen Arm
der Zange durch eine Feder verbunden ist, wirkt als Schneide.
Bei der Ausübung der Operation wird also der bloßgelegte
Samenstrang zuerst gequetscht, dann wird durch einen leichten
Druck auf den dritten Hebel der Testikel glatt abgeschnitten,
indem man darauf achtet, daß die kleine Flügelschranhe den
Banchdecken des Tieres zngewandt ist.
Bei einiger Übung ist die Zange sehr handlich, so daß man
gut mit einer Hand die Zange anlegen und die Kompression
der beiden Hanptschenkel ansführen kann.
Die Zange bietet den Vorteil, daß sie hei kleinen und
großen Tieren gleich sicher wirkt, da immer eine genügende
Quetschung der Gefäße hervorgebracht werden kann. Weiter
282
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
ist es äußerst bequem, nach Öffnung des Skrotums und Frei¬
legen der Testikel mit einem Instrument die Operation voll¬
enden zu können, zumal einem in der Praxis häufig nur wenig
Hilfspersonal zur Verfügung steht Besonders habe ich dies
empfunden bei der Kastration der Bullen, welche ich nicht
niederlegen lasse; bei dem Hin- und Hertrippeln unruhiger Tiere
fällt es schwer, nach dem Fixieren des Samenstranges ein anderes
Instrument, Schere oder Emaskulator aus einem Behälter zu
nehmen, wenn ein Gehilfe zum Darreichen fehlt, und man die
Kompressionszange zwecks Vermeidung von Zerrungen auch
nicht freigeben darf.
Weiter ist ein Vorteil, daß der gequetschte Samenstrang¬
stumpf nicht allzu groß ist, ohne daß die Gefahr einer Blutung
erheblicher ist als bei anderen Methoden.
Ich habe mit dieser Zange vielfach Kastrationen ansgeführt
bei Bullen im Alter von acht Wochen bis zu eindreiviertel Jahren
und bei jüngeren Hengsten; bei allen Tieren ist die Operation
ohne Nachblutung verlaufen und die Heilung ist glatt erfolgt.
Die Konstruktion der Zange trägt einer leicht ausführbaren
Reinigung Rechnung, indem sie sehr schnell und bequem in ihre
einzelnen Teile zerlegt werden kann. Nach Entfernung der
Flügelmutter setzt man ein kleines Metallstäbchen in eine An¬
körnung des Verbindungsbolzens, bei einem leichten Schlage auf
das Stäbchen gleitet der Bolzen heraus und die Schenkel der
Zange sind frei.
Die Zange wird hergestellt von der Instrumentenfabrik
H. Hauptner-Berlin.
Ein merkwürdiger Fall.
Von Dr. Bernhardt - Offenhausen.
Am 26. Oktober 1907 wurde ich zu J. F. R. in G. gerufen,
mit dem Bericht, eine Kuh von ihm habe einen kranken Fuß
und fresse seit Mittag nicht mehr. Einige Minuten nach 4 Uhr
nachmittags kam ich in das betreffende Haus. Beim Betreten
des Stalles lag die betreffende Kuh auf der linken Seite dicht
an der Wand, den Kopf lang ausgestreckt, ruhig da, so daß
ich schon glaubte, das Tier sei verendet. Der linke Vorderfuß
war gerade ausgestreckt, der rechte an den Leib herangezogen,
während die Hinterfüße steif zur Seite gestreckt waren. Da
auf Aufmunterung mit der Peitsche das Tier nicht zum Auf¬
stehen zu bewegen war, ließ ich die Halskette lösen und durch
einige Mann die Kuh auf die andere Seite überwälzen. Da lag
sie nun mit steif ausgestrekten Beinen, lang ausgestrecktem
Kopf, mit zurückgezogenen Augen, offenem Maul, dessen Unter¬
kiefer in eigentümlicher Weise nach rechts gezogen war. Die
linke Hungergrube war stark vorgewölbt, aber nicht gespannt.
Das Atmen ging so ruhig vor sich, daß man es kaum bemerkte.
Temperatur 38,9° C. Puls kräftig und gleichmäßig 60. Beim
Herausziehen des Thermometers aus dem Mastdarm war derselbe
mit Blut beschmiert, ebenso war der After blutig, was beim
Einfuhren des Thermometers, das ich selbst mit Leichtigkeit in
den schlaffen Mastdarm besorgte, nicht zu bemerken gewesen war.
Nach einer Weile fing das Tier an zu schnarchen und lag
da, regungslos, wie schwer betrunken. Mittelst Endophonoskop
untersuchte ich nun das Herz und konnte feststellen, daß der
Herzschlag rhythmisch und kräftig war, beide Herztöne konnte
man deutlich und ohne Nebengeräusche hören, die Zahl der
Herzschläge in der Minute betrug 60. Nachdem ich mich so
vergewissert hatte, daß ein letaler Ausgang nicht überraschend
eintreten konnte, erkundigte ich mich bei dem Eigentümer nach
den näheren Umständen. Man sagte mir, daß das Tier gestern
noch ganz munter gewesen sei, heute morgen, als es zum
Brunnen getrieben wurde, habe es dort nicht getrunken, dagegen
nachher im Stall. Beim Heimgehen vom Brunnen sei die Kuh
mit dem linken Hinterfuß immer nach der Seite getreten. Das
Mittagsfutter habe sie dann nicht angenommen. Ihr letztes
Kalb hatte sie vor 1 Va Jahren, unterdessen hat sie sehr oft ge¬
rindert. Zeichen von Schreckhaftigkeit, von abnormer Kopf¬
haltung, von Unregelmäßigkeiten im Gang hatten die Leute
bisher nicht bemerkt. Das ganze Krankheitsbild glich dem
einer Kuh mit Kalbefieber. Ich schickte nun nach meinem
Instrumentenkasten, um eine Luftinfusion ins Euter zu machen
und den Erfolg davon zu beobachten. Während der Bote nach
meiner 20 Minuten entfernten Wohnung ging, untersuchte ich
den Puls. Ich konnte jetzt 72 Pulsschläge in der Minute
zählen; dabei fiel mir auf, daß einzelne Pulsschläge beinahe
unfühlbar waren. Ich untersuchte nun wieder das Herz mittelst
Endophonoskop und bemerkte, daß der Herzschlag hie und da
aussetzte. Unterdessen erwacht das Tier aus seiner Somnolenz,
und ein krampfartiges Zucken ging durch die Glieder und den
ganzen Körper, besondere auch durch die Muskeln des Halses.
Als ich den Herzschlag wieder untersuchte, haben die Herz¬
töne ihre Reinheit ganz verloren, der Herzschlag klingt
folgendermaßen: — 00 —, zwischen den beiden stark aus¬
geprägten Herztönen bat sich ein gespaltener Ton eingeschoben,
der wie zwei kurze, schnell aufeinander folgende schwache
Schläge klingt. Die krampfartigen Bewegungen wiederholen
sich öfter. Bei nochmaligem Untersuchen des Herzens ist über¬
haupt kein Herzschlag mehr zu hören, sondern nur noch ein
undeutliches wahnsinniges Pochen. Ich mache den Besitzer auf
den Emst der Lage aufmerksam. Er läßt sofort den Metzger
holen. Noch einmal geht ein krampfhaftes Schütteln durch den
ganzen Körper und der Metzger konnte gerade noch das Tier
abstechen, als ich das letzte Herzgeräusch vernehme.
Sektionsbefund: Netz mit Perlknoten besetzt von Haselnuß-
bis Kastaniengröße. Herzbeutel innen mit einigen Tuberkel¬
knoten von Haselnuß- bis Kastaniengröße belegt. Klappen¬
apparat des Herzens vollständig intakt, Zipfel- und Halbmond¬
klappen dünn und gut schließend; vordere Mittelfelldrüse stark
mannsfaustgroß, auf dem Durchschnitt gelbtrocken, hart, beim
Einschneiden knirschend, hintere Mittelfelldrüse sulzig gallertig,
graurot, in den Lungen keine größeren tuberkulösen Herde;
Fleischlymphdrüsen, Leber, Milz, Nieren ohne pathologische Ver¬
änderungen. Zu meinem Bedauern war das Hirn bei der Aus¬
schlachtung, der ich nicht beiwohnen konnte, vom Metzger in
sehr ungeschickter Weise herauBgenommen worden. Man konnte
aber bemerken, daß die harte Hirnhaut an manchen Stellen
verdickt war und auf der Organseite sehr feine rote Wärzchen
aufwies, wie Grieskörner, so daß man beim Darüberstreichen mit
dem Finger das Gefühl hatte, als habe man feine Rauheiten
unter demselben. Die Oberfläche des Kleinhirns war mit etwa
3 mm dicken dunkelroten Blutgerinnseln flächenförmig bedeckt,
die der Unterlage ziemlich fest anhafteten. An der Großhim-
oberfläche konnte nichts Derartiges wahrgenommen werden. Da
das Tier durch Bruststich getötet worden war, so ist mit Sicher¬
heit anzunehmen, daß die Blutgerinnsel auf der Oberfläche des
Kleinhirns bereits im Leben vorhanden waren und durch Druck
16. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
283
die beobachtete Bewegungsstörung des linken Hinterfußes und
das oben beschriebene eigentümliche schiefe Verziehen des
Manies hervorriefen, ebenso ist der soporöse Znstand wohl auf
eine Gesamtreiznng des Gehirns zurückzufiihren. Dagegen glanbe
ich, daß die beobachtete Störung der Herzfimktion dnrch den
Druck zn erklären ist, den die stark vergrößerte und verhärtete
vordere Mittelfelldrüse auf die großen Herzgefäße ausübte, eine
Möglichkeit, welche wahrscheinlich durch die Lage des Tieres
zustande kam.
Zur Behandlung des ansteckenden Scheidenkatarrhs
mit Bissulin.
Von Tierarzt W. Schaar, Hochheim am Main.
Die günstigen Resultate, die in der Humanmedizin bei Er¬
krankungen von Schleimhäuten, insbesondere auch bei Geschlechts¬
krankheiten mit den Sozojodol-Salzen erzielt wurden, sind wohl
darauf zurückzuführen, daß diese Präparate zwei sehr wirksame
Arzneistoffe, Jod und Karbolsäure, in einer zweckmäßigen Ver¬
bindung enthalten. Im Handel sind Sozojodol-Acidum (Para¬
phenolsulfonsäure-Jodid), S.-Hydrargyrum, -Kalium, -Natrium und
-Zincum. Sie alle besitzen eine stark antiseptische und bak¬
terizide Wirkung, wobei in erster Linie S.-Zincum und S.-Hydrar-
gyrum, das übrigens an Giftigkeit bedeutend hinter anderen
Quecksilberverbindungen (z. B. Sublimat) zurückbleibt, genannt
sein mögen. Einerseits die günstigen Erfolge mit diesen
Präparaten in der Humanmedizin, andrerseits die vielfachen
Mißerfolge bei der Behandlung des ansteckenden Scheiden¬
katarrhs .mit den bisher empfohlenen Mitteln ließen es erwünscht
erscheinen, die Sozojödblsalze, die nebenbei den Vorteil der
Geruchlosigkeit besitzen, gegen diese schwer heilbare Seuche
zu versuchen.
Die chemische Fabrik H. Trommsdorff in Aachen stellte
mir auf mein Ersuchen bereitwilligst zu Versuchszwecken Sozo-
jodolsalze, sowie nach meinen Angaben gefertigte S.-Vaginal-
stangen und S.-Pulver zum Einblasen zur Verfügung. Ich zog
jedoch nur S.-Hydrargyrum und S.-Zincum in den Bereich
meiner Untersuchungen und verwandte zunächst als Pulver zum
Einblasen 0,25 Proz. und 0,5 Proz. S.-Hydrargyrum und 1 Proz. I
und 2 Proz. S.-Zincum mit Talkum, und daneben 0,25 Proz. und
0,5 Proz. S.-Hydrargyrum und 1 Proz. und 2 Proz. S.-Zincum-
Vaginalstangen. Von Ausspülungen und der Tamponade mit
wäßrigen Lösungen glaubte ich nach den allgemeinen Erfahrungen
der Praxis Abstand nehmen zu können. Die Vorbehandlung —
möglichste Absonderung der gesunden Tiere von den erkrankten,
Stalldesinfektion, desinfizierende Abwaschungen usw. — war bei
allen Versuchen die gleiche wie bei der seitherigen Behandlung.
Ich gebrauchte zunächst in zwei verschiedenen, von ihren
Besitzern gut gehaltenen Ställen mit ungefähr je zehn Stück
Kühen und Rindern, welche mehr oder weniger alle erkrankt
waren, unter Benutzung des Pulverbläsers Nr. 3357 von
H. Hauptner-Berlin oben genannte Pulver zum Einblasen, und
nebenherlaufend in zwei ähnlichen Ställen die oben beschriebenen
Vaginalstangen. Die Behandlung geschah zunächst in dem Zeit¬
maß, welches Ritzer für Bazillol vorgeschrieben hat, also fünf
Tage lang täglich, die nächsten zehn Tage jeden zweiten Tag
usw. Der Erfolg (die Fälle einzeln anzuführen, halte ich für
zu weitläufig) war ein recht verschiedener. Während ich mit
der Pulverbehandlung erst nach 4—5 Wochen, und auch da nur
teilweise Besserung feststellen konnte, hatte ich mit der An¬
wendung der Salbenstangen bereits nach vier Wochen bei etwa
75 Proz. Heilung, und nach weiteren ein bis zwei Wochen war
es möglich, den Stall frei zu geben, d. h. die Tiere durften
wieder zum Deckakt geführt werden, wobei ich betone, daß in
diesen Ställen neben Kühen nur trächtige Rinder vorhanden
waren. Ich führe dies besonders an, zumal ich Richters*)
Angaben bestätigen kann, daß die Krankheit bei Rindern viel
schwerer heilbar ist als bei Kühen, und meiner Beobachtung
nach gerade bei solchen Rindern, bei welchen die Infektion
nicht durch den Deckakt erfolgt ist. Ich gab dann in den
ersten zwei Ställen die Pulverbehandlung auf und wandte die
Salbenstangen auch hier mit gleich gutem Erfolge an. Aller¬
dings ließ ich zwei Kühe, die schon früher verkalbt und auch
Bchon verschiedene Male umgerindert hatten, als unheilbar zur
Mast aufstellen und der Schlachtbank zuführen.
Reizerscheinungen sind in keinem Falle aufgetreten, Ver-
kalben ist weder während der Behandlung, noch auch nach
dieser mehr vorgekommen. Bei diesen Versuchen blieb es sich
gleich, ob ich die Mittel in der oben angeführten höheren oder
niederen Dosierung, ob ich S.-Zincum oder S.-Hydrargyrum an¬
wandte, weshalb ich die Versuche nur noch mit 1 Proz. S.-Zincum-
und 0,25 Proz. S.-Hydrargyrum-Salbenstangen und schließlich,
weil in der Herstellung billiger, nur noch mit letzteren fort¬
setzte. Bei der Einführung der Salbenstangen verführ ich so,
daß ich erst einen Teil des betreffende^ Stückchens auf den
sichtbaren Knötchen der Scheidenschleimhaut verrieb und dann
erst den Rest in die Tiefe führte. Trotz der teilweise über¬
raschenden Erfolge nahm ich sofort nach den ersten Versuchen
eine längere Behandlungszeit als die bei Bazillol vorgeschriebene
an und behandelte in der Weise, daß ich 7 Tage lang täglich,
die nächsten 14 Tage jeden zweiten Tag und die nächsten drei
Wochen jeden dritten Tag ein Salbenstückchen einführte oder
einführen ließ. Bei leichter Erkrankung kam ich mit etwa
15 Salbenstangenstückchen zum Ziele, während ich in schweren
Fällen 20 und noch mehr gebrauchte. Im Durchschnitt kamen
auf das Tier 15—20 Stückchen bei einer Behandlungsdauer im
allgemeinen 'von 4—6 Wochen.
So habe ich im Laufe der letzten acht Monate über 300
Kühe und Rinder behandelt und zwar sämtlich mit gleichem
Erfolge, wobei ich aber immer daran festhielt, unheilbar er¬
scheinende Fälle möglichst schnell aus dem Stalle zu entfernen.
Was die Beurteilung der Heilerfolge anlangt, so pflichte ich
Richters Ausführungen bei, daß die Heilung eingetreten ist,
wenn „keine entzündliche Rötung und Schwellung mehr vor¬
handen ist, keine Sekretion seitens der Scheidenschleimhaut
mehr stattfindet und Knötchen nur noch hellfarbiger Art in die
sonst normal sich darbietende Schleimhaut eingelagert sind“.
Die Fabrik vervollkommnete dann noch die Salbenmasse
und kam zur Herstellung eines Zäpfchens, das von genügender
Festigkeit ist und doch bei Körpertemperatur schnell schmilzt.
Diese 0,25 proz. S.-Hydrargyrum-Zäpfehen werden von der
Fabrik neuerdings unter dem Namen „Bissulin“ hergestellt, sind
von praktischer Form und bequem einzuführen. Für die Be¬
handlung der Bullen werden dünnere Bissulin-Stifte hergestellt,
welche in dem oben für die Kühe angegebenen Zeitmaß in die
Vorhaut eingeschoben werden. Der Preis der „Bissulin“-
*) Prof. Dr. Richter. Über ansteckenden Scheidenkatarrh der
Rinder. R. T. W. Nr. 43. 1907,
284
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
Zäpfchen für Köhe 100 Stück 12,50 M. nnd der „Bi8sulin“-Stifte
für Bullen 100 Stück 10,00 M. (Tierärzten 40 Proz. Rabatt)
erscheint mir ein angemessener.
Um einer Reinfektion der Bestände vorzubeugen, lasse ich
das Handelsvieh vor seiner Einstellung erst untersuchen, stelle
die Bullen erst wieder in Dienst, nachdem sie durch einen
Probesprung ihre wiedererlangte Gesundheit bewiesen haben
(desgl. bei Neuaufstellung der Bullen), und lasse außerdem so¬
wohl dem männlichen wie dem weiblichen Tiere etliche Stunden
nach dem Sprung und wiederholt in den nächsten Tagen je ein
Bissulin-Zäpfchen bzw. Stift einführen.
Es erübrigt nur noch, nochmals auf die relative Ungiftigkeit
des S.-Hydrargyrum hinzuweisen, wie ja auch nach Creutzer
ein anderes Quecksilberpräparat, das Sublamin von den Rindern
gut vertragen wird. Es ist niemals eine auffällige Reiz¬
erscheinung nach Bissulin aufgetreten; ein weiterer, nicht zu
unterschätzender Vorzug des Mittels ist seine Geruchlosigkeit,
da gerade der dem Bacillol anhaftende Geruch seine Ver¬
wendung in manchen Fällen beeinträchtigt. Verkalben ist, so¬
weit ich in Erfahrung bringen konnte, seither nicht mehr auf¬
getreten, die Kühe haben normal gekalbt, Nachgeburten sind
allerdings des öfteren zurückgeblieben, wobei jedoch in diesen
Fällen nicht entschieden werden kann, ob der ansteckende
Scheidenkatarrh die Ursache ist. Es haben nur noch selten
Rinder und Kühe umgerindert, nnd diese sind später doch stets
t rächtig geworden. ^
Trotz aller dieser Maßnahmen kann man des öfteren bei
dem tückischen Charakter der Seuche nach gewisser Zeit bei
manchen Tieren Kennzeichen des ansteckenden Scheidenkatarrhs
wieder entdecken, und ich stimme deshalb,,Rifthter3 Schlu߬
folgerung ganz bei, in der er sagt: „Bei der Mühe und den
dem Besitzer auferlegten Kosten ist es zweckmäßig, periodische
Behandlung des gesamten Bestandes von etwa sechswöchent¬
licher Dauer halbjährlich vornehmen zu lassen.“ In diesem
Falle dürfte dann meines Erachtens eine Behandlung an jedem
dritten Tage genügen.
Mit diesen Ausführungen will ich kein endgültiges Urteil
über Bissulin fällen, da mir die Zeit der Untersuchung noch zu
kurz und die Zahl der damit behandelten Tiere noch zu gering
erscheint, sondern ich möchte nur durch diese Zeilen die Herren
Kollegen auf Bissulin aufmerksam machen und zu weiteren
Versuchen anregen.
Die Raebigereche Salbenspritze in der Praxis.
Von Stabsveterinär Dr. Goldbeck-Schwedt.
Bei der Bekämpfung des ansteckenden Scheidenkatarrhs der
Kühe, Bullen und Kälber macht man bald die unangenehme Er¬
fahrung, daß die Besitzer in der Energie der Behandlung schon
nach einigen Wochen nachlassen. Es liegt dies naturgemäß
darin begründet, daß die direkten Erfolge der Behandlung nicht
so klar zutage treten, wie bei anderen Erkrankungen und daß
den Besitzern die ewige Wiederholung in der Anwendung der¬
selben Arznei langweilig wird. Hier muß der praktische Tier¬
arzt, der seinen Namen mit Recht führen will, eingreifen, indem
er einen gewissen Wechsel in dem Arzneimittel eintreten läßt.
Darüber muß man sich von vornherein klar sein, mit einer
Behandlung von einigen Wochen ist bei diesem Leiden nichts
zu erreichen, Nach 5—7 Wochen ist man zwar hei energischer
Behandlung meist so weit, daß die unangenehmen Nebenerschei¬
nungen (starker Ausfluß, Verkalben usw.) nachlassen; wer aber
in diesem Stadium mit der Behandlung auf hört, wird bald die
Beobachtung machen, daß das Leiden keineswegs abgeheilt ist
oder daß, wie man so gern behauptet, die Erscheinungen so
geringfügig werden, daß eine Schädigung des Züchters usw. durch
den Katarrh nicht entsteht.
Unmöglich ist es, meines Erachtens, bei der Behandlung
zwischen erkrankten und gesunden Tieren zu trennen. Das
wäre möglich, wenn die Seuche lediglich durch den Deckakt
verbreitet würde; ich habe aber in Schlesien oft genug gesehen,
daß ungedeckte Färsen, sogar Kälber ebensoschwer erkrankten,
als ältere, gedeckte Kühe. Meist leiden sogar Kälber besonders
stark, magern zuweilen ab und vor allen Dingen macht hier,
bei der Enge der Scheide, die Behandlung besondere Mühe und
zeigt nur langsam Fortschritte.
Der oben angedeutete Wechsel der Arzneien, welcher sowohl
zur Anregung des Interesses des Besitzers, als auch zur
Bekämpfung des Leidens selbst wünschenswert ist, läßt sich
leicht durchfuhren, solange man ausschließlich mit Ausspülungen
der Scheide arbeitete. Das Umständliche dieses Verfahrens, die
notwendigerweise hierdurch herbeigeführte Beschmutzung des
Stalles, die doch nicht zur Desinfektion ausreichte, führte zur
Einführung der allen Praktikern wohlbekannten „Salbentherapie“.
Ich selbst konstruierte mir eine einfache Holzspritze nach Art
der Pusterohre der Kinder, später benutzte ich fast ausschließlich
in Gelatinekapseln befindliche Salbenpillen. Die Deckung der¬
selben ist zweifelsohne eine sehr gute, aber man beobachtete
auch Nachteile. Das Einfuhren der Pillen konnte unmöglich
stets selbst von dem Tierarzt ausgeführt werde»,* auf größeren
Gütern war man also genötigt, sich eine Hilfe anzulernen.
Persönlich benutzte ich meist Frauen, wegen ihrer kleineren,
geschmeidigeren Hand und der geringeren Gefahr späterer
Kurpfuscherei. Geschieht nun das Einlegen der Pillen nicht
sehr sorgfältig, so sieht man zuweilen, wie einzelne meist
bestimmte Tiere die ganze Pille herausdrückten. Dann war
Erfolg natürlich nicht zu erwarten. Bei kleinen Tieren, Kälbern
geht auch das Einschieben gar nicht so leicht, trotzdem die
Frauen gute Routine bekommen und endlich — das ist meines
Erachtens die Hauptsache — muß mit der Hand der Frau
immer wieder das Leiden von neuem übertragen werden.
Selbstredend erteilte ich jedesmal die Vorschrift, daß nach
jedem Einlegen bei einer Kuh die Hände in bereitstehendem
Bazillol-usw. Wasser zu desinfizieren seien. Nominell geschah
dies auch, aber welche Zeit wäre wohl erforderlich gewesen,
um nach jeder Kuh die Hand streng zu desinfizieren?
Verletzungen der Scheide habe ich bei dieser Behandlung
nie gesehen, auch sind die Erfolge, trotz der angegebenen Mängel
zweifelsohne gute, aber der Besitzer sieht immer nur dieselbe
Pille, selbst wenn die Salbenzusammensetzung gewechselt wird.
Ich wandte neben Bazillol mit bestem Erfolge eine Sapoform-
aldehydsalbe nach Bengen & Co., Hannover, an, die man in viel
stärkerer Konzentration benutzen kann, als Bazillol.
Nach alledem halte ich die Anwendung der Salbenspritze
nach Raebiger (vgl. B. T. W. 1906, Seite 257 ff. und 639),
besonders in ihrer neuen, zusammenlegbaren Form, für einen
erheblichen Fortschritt der Therapie. Die Anwendung derselben
ist so einfach, daß sie keiner Erläuterung weiter bedarf, die
Spritze selbst ist sehr haltbar und bequem raitzofü^ren; es ist
16. April 1906.
ein leichtes, sie nach jedem Gebrauch bei jeder Kuh zu
desinfizieren. Sodann hat sie noch drei erhebliche Vorteile:
1. Die Arzneien stellen sich sehr viel billiger, so daß der
Preis für die Spritze bald bezahlt ist.
* 2. Der Besitzer bemerkt den Wechsel der Arzneien und wird
angeregt, die Behandlung energisch fortzusetzen.
3. Bei Neuerkrankungen werden die Besitzer eher den Tier¬
arzt konsnltieren, als sich eine Spritze zuzulegen, die doch
immerhin 22 M r kostet. Auch die Pfuscher werden hierdurch
etwas abgehalten.
Jodipin bei Lungenentzündung des Pferdes.
Von Bezirkstierarzt Dr. Cornelius- Dermbach.
Das in der tierärztlichen Literatur neuerdings mehrfach
erwähnte Jodipin habe ich bei veralteter Lungenentzündung eines
Pferdes angewendet. Da das Resultat vielleicht für manche
Kollegen von Interesse sein dürfte, gebe ich den Fall nach¬
stehend bekannt.
Am 9. August v. J. wurde mir eine achtjährige Stute zur
Behandlung vorgeführt. Das Pferd litt an Atemnot und war
sehr abgemagert, obgleich es nach Angabe des Besitzers seine
Futterrationen verzehrte. Ich stellte bei dem Tiere eine ausge¬
breitete Lungenentzündung (Broncho-Pneumonie) fest, die mit
Rücksicht auf den Befund und den Vorbevicht mindestens schon
14 Tage bestanden haben mußte. Ich verordnete Inhalationen
von Terpentindämpfen, Prießnitzsche Packungen und Einreibungen
mit Senfspiritus. Am 15., 20. und 24. August nahm ich aber¬
mals Untersuchungen des Patienten vor, konnte jedoch keine
Aenderung konstatieren, weshalb ich dann einen Versuch mit
-Jedipin vornahm.. Das Pferd erhielt. am, 2. und 7. September
je 75 Gramm 25proz. Jodipin pro us. vet. subkutan; Prießnitzsche
Umschläge und Einreibungen wurden nicht fortgesetzt.
Am 11. September war insofern eine Besserung eingetreten,
als die Atemfrequenz von 42 auf 18 Atemzüge in der Minute
zurückgegangen war. Die cyanotische Verfärbung der Kon¬
junktiven war verschwunden, das Haarkleid wieder glatt und
glänzend, und unter kräftigem Husten wurde reichlicher,
schleimiger Auswurf entleert; es wurden nun nochmals 50 Gramm
Jodipin injiziert und tägliche Bewegung im Freien verordnet.
18. September: Das Pferd ist gesund. Atemzüge 14 in der
Minute, keine Rasselgeräusche in den Lungen, Husten nur noch
künstlich durch Druck auf den Kehlkopf zu erzeugen; Verord¬
nung: langsames Gewöhnen an leichte Feldarbeit und täglich
18 Pfund Hafer.
2. Oktober: Pferd ist gut genährt, die Untersuchung auf
Dämpfigkeit fällt negativ aus.
Ich bin der Überzeugung, daß das Tier ohne Jodipinbehand-
lung verendet oder doch mindestens hochgradig dämpfig ge¬
worden wäre.
Eine neue Nasenbremse.
Von Kreistierarzt E. Kylön, Falköping, Schweden.
Im Jubiläums-Kataloge der Instrumentenfabrik H. Hauptner
in Berlin ist eine yon mir konstruierte Nasenbremse mit Kette
abgebildet (Seite 10, Nr. 284). Diese Bremse besitzt mehrere
Vorteile vor den bis jetzt gebrauchten und zwar:
1. Sie ist leicht anzulegcn.
2. Der Druck wird gleichförmig um die ganze Lippe herum
ausgeübt.
285
3. Das Tier fühlt gar nichts, bis die Bremse in Wirksamkeit
tritt.
4. Meine Bremse ist äußerst wirksam; sie ist ferner von größter
Haltbarkeit, dabei aber im Aussehen fein und zierlich.
5. Sie ist leicht zu reinigen und zu desinfizieren.
(>. Sie ist leicht zu transportieren und auch bequem in der
Tasche zu tragen.
7. Sie hat das Aussehen eines tierärztlichen Instrumentes.
Die Handhabung betreffend, bemerke ich, daß nach Schluß
der Bremse der Knebel links herum gedreht werden muß.
Ich gestatte mir hiermit, den Herren Kollegen in Deutsch¬
land meine Bremse zu empfehlen, in der Überzeugung, daß sie
jeder, der sie einmal angewendet hat, nicht mehr wird missen
wollen.
ln Schnee und Eis.
Von Tierarzt Hermann Hennig-Bukowitz (Kreis Schwetz).
Am Nachmittage des 6. Januar d. J. war auf einem Gute
des Kreises Schwetz ein vier Tage altes Kalb, als es in einen
anderen Stall gebracht werden sollte, dem damit beauftragten
Mann entlaufen und in ein nahes Wäldchen geflüchtet. Trotz
sofortigen Absuohens war das Kalb nicht zu finden, und das
Suchen mußte bei der schnell hereinbrechenden Dunkelheit auf¬
gegeben werden. Am nächsten Tage war von dem Kalb nichts
mehr zu spüren; es war inzwischen frischer Schnee gefallen.
Der Besitzer gab das Kalb verloren. Er hoffte höchstens, daß
es inzwischen von anderer Seite aufgegriffen worden war. Aber
erst 6 Tage später am Sonnabend, den 11, Januar, wurde es
gefunden. Das Kalb war nach einem nahen Gebüsche etwa
eine Meile weit gelaufen und hatte sich dort niedergetan. Von
einem Besitzer war es fast jeden Tag nachmittags bemerkt und
für ein Reh gehalten worden. Dem Betreffenden war schließlich
aufgefallen, daß das Reh immer genau an derselben Stelle stand
und bei näherem Zusehen bemerkte er das Kalb.
Das junge Tier ist an 6 Tage draußen gewesen, starkem
Frost von zeitweise 18° C, kalten Winden und starkem Schnee¬
fall ausgesetzt. Wie mir der Besitzer raitteilte, wäre das Kalb
sehr abgemagert, nur noch „Haut und Knochen“ gewesen und
hätte an starkem stinkenden Durchfall gelitten. Er hätte das
Tier aufgegeben. Es erholte sich aber bald und hat weiter
keinen Schaden genommen als den halben Schwanz infolge Er¬
frierens verloren.
Referate.
Tropenhygiene und Protozoenkr&nkhetten.
Von Dr. Sicbor -Hamburg.
Koch, R. Schlußbericht Ober die Tätigkeit der deutschen Expedition zur
Erforschung der Schlafkrankheit.
(Deutsch, med. Woclienschr. 1907, Nr. 46.)
Die Atoxylbehandiung bringt die- bei der Schlafkrankheit
stark geschwollenen Halslymphdrüsen so znm Schwinden, daß
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
♦*
286
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
sich die Drüsen nach wenigen Wochen nicht mehr zur Punktion
zwecks Stellung der Diagnose eignen.
Die Trypanosomen sind noch in der Blutbahn zu finden,
doch mußte erst eine spezielle Methode zum schnellen und
ständigen Nachweis der Parasiten im Blute erprobt werden.
Das Atoxyl wurde i. R. in Dosen von 0,5 in zehntägiger
Pause verabreicht. Größere Dosen hatten in einigen Fällen
Erblindung zur Folge.
Die „Kranken, bei denen sich während der Behandlung mit
ungenügenden Dosen Trypanosomen im Blute wieder eingestellt
hatten, verloren dieselben sofort und dauernd, wenn wir zur
Subkutanbehandlung mit Halbgrammdosen und Doppelinfektion
übergingen“.
Andere Arsenikpräparate, wie arsenige Säure, Nucleogen,
Arsenferratin u. a. konnten wegen der geringen Wirkung als
Atoxylersatz nicht in Frage kommen. Farbstoffe, wie Afridol-
blau, Afridolviolett, ölsaures Pararosanilin, Parafuchsin-Acetat
und Trypanrot, verursachte nach den Injektionen derartige
Schmerzen, daß von ihrer Anwendung abgesehen werden mußte.
Gelegentlich der Blutuntersuchungen wurden auch andere
Blutparasiten, wie Filaria perstans, Recurrensspirochaeten Malaria¬
parasiten, gefunden.
Die Seuche ist auf deutschem Gebiet am Viktoria-Nyanza
im Shirati- und im Bukota-Bezirk (Landschaft Kisiba) vorhanden.
Koch schließt aus dem Umstande, daß sich in Kisiba, wo
die trpyanosomenübertragenden Glossinen nicht Vorkommen,
15 Frauen infizierten, welche mit bereits (in Uganda) infizierten
Männern verheiratet waren, daß die Infektion (wie bei der
Dourine!) nur durch den ehelichen Verkehr bewirkt
sein kann.
Koch faßt seine Ergebnisse bezüglich der Therapie und der
Prophylaxis dahin zusammen, daß man imstande ist, Trypanosomen¬
kranke mindestens 10 Monate lang trypanosomenfrei zu halten
und damit die Weiterinfektion durch Glossinen zu verhindern.
Schwachinfizierte werden durch eine 4—6 monatliche Atoxyl-
kur dauernd von Trypanosomen befreit, bei Schwerkranken
schwanken die Erfolge nach der Dauer der Behandlung, jeden¬
falls wird auch hier die Mortalität (bis auf 8 Proz.) herabgesetzt.
Die Bekämpfung der Schlafkrankheit muß sich auf die Auf¬
findung und Behandlung der Leichterkrankten und zwar in einem
gloB8inenfreien Lager erstrecken. Die Kranken sollen nur dann
aus dem Lager entlassen werden, wenn wiederholte Blutunter¬
suchungen trypanosomennegativ verlaufen.
Die Glossinen selbst kann man durch Abholzen oder durch
Abschneiden der Nahrungszufuhr vertreiben. Am Viktoria-Nyanza
leben sie fast ausschließlich von Krokodilblut. Die Krokodile
können am besten durch Eingeborene ausgerottet werden, für
welche Prämien für das Sammeln der Krokodileier und die
Ablieferung derselben ausgesetzt werden. In den Gegenden, in
welchen sich die Glossinen von Menschenblut nähren, würde sich
das Abholzen auf die Umgegend der Flußtibergänge, Wasser¬
stellen usw. erstrecken.
A. Breindl. On tbe morphology and life history of Spirochaeta Duttoni.
(Annals of Trop. Med. and Parasit, Vol. I, Nr. 8. November 1907.)
Die Spiroch. Duttoni besitzt einen dunkelgefärbten zentralen
Kern, der von einem leicht gefärbten Periplast umgeben ist. Die über
das zentrale Mark reichende Scheide ist in einen dünnen Faden
ausgezogen, der von verschiedenen Beobachtern als Endgeißel
beschrieben wurde, keine peritrischen Geißeln. Die Färbung
des Zentralkerns ist nicht gleichmäßig, bei einigen Spirochaeten
wechseln dunkle und hellere Stellen ab. Eine undulierende
Membran konnte nicht festgestellt werden. Bevor die Spirochaeten
aus dem Blute verschwinden, erscheint das zentrale Mark in
eine unregelmäßige Anzahl von Granula zu zerfallen. In diesem
Stadium kann man eine oder mehrere Ansschwellungen an der
Spirochaete beobachten. Transversale Teilung ist die Regel,
doch wurde auch, besonders, wenn die Parasiten aus dem Blute
verschwinden, longitudinale Teilung beobachtet Aus dem Um¬
stande, daß zuweilen zwei Spirochaeten dicht beieinander liegend
gefunden wurden, schließt Verf. das Vorhandensein einer Kon¬
jugation. Verf. konnte auch vor Beginn der Krisis in seltenen
Fällen, intrazelluläre Stadien beobachten. Hierbei war das
Blut reich an Spirochaeten, die etwas geschwollen zu sein
schienen, oder sich aufgeknäuelt hatten. Die Mehrzahl der Spiro¬
chaeten wurde in der Milz phagozytiert, so daß die Milz z. Z.
der Krisis vollgestopft von degenerierten Formen erschien.
Einige der Parasiten zeigten merkwürdige Veränderungen: Der
Parasit umgab sich mit einer dünnen Cystenwand; die Cyste
selbst war mit einem sich schwach färbenden Plasma erfüllt.
Die Entwicklung der Spirochaeten verläuft nach Verfasser
folgendermaßen: Bevor die Krisis die Spirochaeten zerstört,
knäueln sich einige zu Schlingen auf, während die Mehrzahl in
der Milz gefressen wird. Einige von ihnen incystieren sich und
zerfallen in sehr kleine Körperchen, aus denen sich die neue
Spirochaetengeneration entwickelt.
Leupold. Piroplasma canis im Bezirk Uaambara in Deutscb-Ost-Afrika.
(Arch. f. Schiff«- und Tropenhygiene 1908, TT. 1.)
Verfasser beobachtete im Bezirk Usambara eine auffallende
Sterblichkeit der Hunde (besonders jünger)' europäischer Ab¬
stammung, welche teils im Bezirk selbst geboren, teils aus den
Nachbarbezirken Bukoba und Udjidji importiert waren. Die
Untersuchung des Blutes ergab fast ausnahmslos die Anwesenheit
von Piroplasma (richtiger Babosia) canis. Von neun Fällen
kam ein einziger zur Heilung.
Auch einheimische Hunde sollen häufig an dem „Homa“-
Fieber, wie die Eingeborenen berichten, erkranken und ein-
gelien. (VgV auch Christophers. Referat in vorl. Nummer.)
Stolowsky. Trypanosoma Theileri im südlichen Deutsoh-Ost-Afrika.
(Arch. f. Schiffs- und Tropenhygiene 1908, H. 1, S. 80.)
Stolowsky fand bei naganakranken Rindern in Station
Mahenge (D.-O.-A.) neben den gewöhnlichen Formen des Tryp.
brucei* auch solche, die sich durch ihre ungewöhnliche Größe
— dreimal so groß und entsprechend dicker — auszeichneten,
also Tryp. Theileri. — Das Vorkommen von Tryp. Theileri wurde
vorher schon von Panse in D.-O.-A. nachgewiesen.
Die Rinder zeigten sonst die Symptome der Tsetse¬
krankheit, an der sie auch verendeten. Die Fälle zeigen, daß
die Tryp. Theileri als komplikatorischer Nebenbefund beobachtet
werden können, ohne selbst Schädigungen hervorzurufen.
Panse. Piroplasmose bei ostafrikanischen Ziegen.
(Arch. f. Schiffs- und Tropenhygiene 1908, Heft 1.)
Panse fand bei Ziegen in Tanja im Blutausstriche kleine
ring- und stäbchenförmige endoglobuläre Parasiten, die sich
nicht auffallend von den bei den dortigen Rindern vorhandenen
sogenannten Jugendformen der Piropl. bigeminum unterschieden.
Über Krankheitserscheinungen, Sektionsbefund, Übertragungs¬
modus ist ihm nichts bekannt geworden.
16. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
287
Christophen. Prelfniinary note on the development of plroplasma oanis
in the tick.
(Brit. Med. Journ., 12. Januar 1907.>
Die Piroplasma des Hundes wird in Südafrika dnrch
Haemophysalis leachi, in Madras durch Rhipicephalns sanguineus
übertragen. Die Infektion erfolgt durch Nymphen und Imagines,
die von infizierten Mutterzecken stammen.
Im Darme sowohl von Nymphen als von erwachsenen
Zecken, die pirosomenhaltiges Blut gesogen haben, findet man
Formen, die denen ähneln, welche sonst in den Blutkörperchen
eingeschlossen sind. Diese gehen in große runde Parasiten mit
deutlichem Chromatinkern über und werden schließlich keulen¬
förmig (ähnlich, wie sie R. Koch beschrieb). Die nun be¬
weglichen Formen wandern aus dem Darme in die Ovarien und
finden sich in der Folge auch in den Speicheldrüsen den hereditär
oder direkt infizierten Nymphen. Aus der Teilung der Keulen¬
formen können birnenförmige Parasiten entstehen, die den in den
Blutkörperchen anftretenden ähnlich sind.
Boyoe. The ftreatment of oleeping sioknoss and other Tryp/by the Atoxyl
and Mercury method.
(Brit. Med. Journ., 14. September 1907.)
Therapeutische Seisuere an Ratten, die mit Tsetse-
Trypanosomen (Nagana) infiziert waren. Von der Annahme
ausgehend, daß die verschiedenen Entwicklungsformen der
Trypanosomen mit verschiedenen Medikamenten behandelt werden
müßten, injiziert B. gegen in die peripherem Blute kreisende
Trypanosomen Atoxyl, während er gegen die Dauerformen, die
sich während einer sogenannten trypanosomenfreien Periode im
Organismus befinden, Sublimat anwendet.
Die so behandelten Ratten blieben am Leben, während die
nur mit'Atoxyl behandelten alle eingingen..
Buchanan. Tho carriage of tnfection by flies.
(Lance! 1907, Nr. 4388.)
Verfasser erbringt den Nachweis, daß Infektionskeime, wie
Milzbrand-, Typhus- und Tuberkelbazillen durch Fliegen über¬
tragen werden können.
Spfelmeyer. Experimentelle Tabes bei Hunden (Trypanosomen Tabes).
(Münch. Med. Wocbenscbr. Nr. 48.)
Die Beobachtung, daß die Schlafkrankheit der postsyphi¬
litischen Paralyse sowohl klinisch wie pathologisch-anatomisch
in vieler Hinsicht ähnelt, veranlaßte Verf. zu den beschriebenen
Untersuchungen. Spielmeyer übertrug nach zahlreichen Ver¬
suchen an Meerschweinchen, Ratten usw. Trypanosome brucei
auf Hunde, welch letztere die Infektion längere Zeit überstanden.
Es gelang ihm, bei diesen Hupden im Zentralnervensystem
frische degenerative Veränderungen nachzuweisen, die denen der
postluetischen Tabes vollkommen glichen.
Der Degenerationsprozeß ist ähnlich, wie bei der Tabes, aus¬
schließlich an das Hinterviertelsystem gebunden und beschränkte
sich hauptsächlich auf das Halsmark. Periphere Nerven zeigten
keine Degenerationserscheinungen, Auch die sensible Wurzel des
Trigeminus und der Opticus wiesen degenerative Prozesse auf.
Verf. bezeichnet wegen der ähnlichen Befunde bei Tabes den
pathologisch-anatomischen Prozeß als Trypanosomen Tabes.
Ans der medizinischen Literatur*
Ein Vorschlag zur Therapie der Tuberkulose.
Von Medizinalrat Dr. G. Schrakamp zu Schönberg i. Mecklbg.
(Fortschritte der Medisin, 1907, Heft 35.)
Für die Tatsache, daß Bauchfelltuberkulose beim Menschen
durch die einfache Laparatomie geheilt werden kann und sogar
tuberkulöse Veränderungen anderer Organe sich durch die ge¬
nannte Operation günstig beeinflussen lassen, fehlt bis jetzt eine
ausreichende Erklärung. Die Entfernung des Exsudats, die
durch die Wundheilung entstehende Hyperämie, das blutige
Exsudat, das Eindringen von Luft und Licht können allein die
Heilwirkung nicht erzielen. Alle diese Faktoren sind bei der
Hauttuberkulose gegeben oder leicht herbeizuführen, genügen
aber nicht zur Heilung. Die besondere Heilkraft, die sonach
vorhanden sein muß, vermutet der Verfasser in dem nach der
Operation in der Bauchhöhle sich bildenden Exsudat. Er nimmt
an, daß das tuberkulös erkrankte Bauchfell im Laufe der Krank¬
heit eine besondere Empfindlichkeit gegen Tuberkelbazillen
erwirbt, wie es z. B. auch auf das Tuberkulin reagiert. Mit
dieser Empfindlichkeit hängt es vielleicht zusammen, daß das
tuberkulöse Bauchfell tuberkulöses Exsudat nicht resorbiert.
Wird nun der Bauchschnitt gemacht, so ist es unvermeidbar,
daß trotz exakten Vernähens einige frische Wundflächen der
Bauchhöhle zügekehrt bleiben. Letztere besitzen aber keine
besondere Empfindlichkeit gegen das tuberkulöse Exsudat, sondern
lassen es durch — es wird von der Wundfläche aufgesaugt.
Das Exsudat verhält sich. ähnlich wie ein unter die Haut ge¬
spritztes Serum.
Die Laparotomie bewirkt sonach, daß tuberkulöses Exsudat
vom Körper aufgesaugt wird, was vor der Operation nicht
möglich war. Da im Anschluß an den Bauchschnitt bei
etwa 25 Proz. der Fälle Heilung beobachtet wird, muß der
Heilfaktor im Exsudat vorhanden sein. Das führt zu dem ver¬
heißungsvollen Satz: „Die Bauchfelltuberkulose wird durch ihr
eigenes Exsudat geheilt“.
Das serös-tuberkulöse Exsudat enthält Tuberkelbazillen,
deren Stoffwechsel- und Zerfallsprodukte und endlich Bestandteile,
wie sie von jeder Serosa unter irgendwelchen Reizungsvorgängen
abgesondert werden. Die wissenschaftliche Forschung hat zu
entscheiden, ob das ganze Exsudat für den Heil Vorgang in
Betracht kommt oder ob nur einzelne seiner Bestandteile daran
beteiligt sind; schließlich besteht auch die Möglichkeit, daß
etwa in dem Exsudat fertige Sera vorhanden sind.
Der Heilungsprozeß bei der Bauchfell tuberkulöse würde sich
nunmehr dahin erklären, daß aufgelöste Tuberkelsubstanz durch
die Bauchwunde resorbiert wird, in die Blutbahn gelangt, und
den Organismus zur Bildung von Antikörpern anregt. Die
Antikörper verhindern die Bildung neuer Tuberkel; die alten
Tuberkel zerfallen, und die Tuberkelbazillen werden durch die
Leukocyten entfernt oder sterben ab.
Die bisherigen Bemühungen, durch den Tuberkelbazillus
selbst oder durch Präparate aus T.B.-Kulturen den Körper zu
immunisieren, waren wenig erfolgreich. Der Vorschlag, den
Kampf auf anderem Wege und zwar vom Tuberkel aus auf¬
zunehmen, erscheint des Versuches wert. Bei Bauchfell¬
tuberkulose ohne flüssiges Exsudat müßte man die Wundflächen
möglichst groß machen, und zu diesem Zweck das tuberkulöse
Peritoneum mehrfach erheblich bis ins gesunde einschneiden und
offen lassen. Ist Exsudat vorhanden, dann könnte man es durch
Punktion entnehmen, durch Filtration von Bazillen befreien und
demselben Menschen in erfahrungsgemäß ermittelten Tagesdosen
subkutan einverleiben. Von tuberkulösen Tieren gewonnenes
Exsudat würde als Heilserum dienen. Aus Perlsuchtknoten des
Rindes ließe sich ein Präparat hersteilen, daß unter Umständen
als Schutz- oder Heilmittel bei Rindertuberkulose Verwendung
2h 8
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
linden könnte. Mit diesen Vorschlägen ist auf der Grundlage
deB operativen Erfolges bei der Bauchfelltuberkulose ein Weg
gezeigt, auf dem das Problem der Heilung der Tuberkulose
seiner Lösung vielleicht näher gebracht werden kann. Möchten
die theoretischen Erwägungen sich praktisch bestätigen!
W.
Das Vorkommen der Rotlaufbazillen In der Gallenblase von Schweinen,
die die Infektion Uberstanden haben.
Von Dr. W. Pitt, städtischem Tierarzt in Königsberg i. Pr.
(Zentr&lbl. für Bakteriologie, Paraaitcnkunde und Infektionskrankheiten 1. Abteil.
Originale 46 Bde, S. 400.)
Die Ansiedlung der Typhusbazillen in der Gallenblase
scheiilt die eigentliche Ursache der andauernden Bazillen¬
ausscheidung bei sogenannten „gesunden Typhusbazillenträgern“
zu sein. Dies veranlaßte den Verfasser zu untersuchen, ob
ähnliche Verhältnisse auch bei Rotlauf der Schweine vorliegen,
d. h* ob die Gallenblase ein Lieblingssitz der Rotlaufbazillen
während und nach der Krankheit bei Schweinen sei. Die Unter¬
suchungen ergaben folgendes:
1. Die Gallenblase kann bei Schweinen, die den. Rotlaut
(leichte und schwere Form) überstanden haben, eine Aufenthalts¬
stätte der Erreger dieser Krankheit Bein;
2. sie können sich daselbst sehr lange halten;
3. sie sind lebensfähig und virulent.
Über den Ursprung des diastatlschen Fermentes im Blut und Ober seine
Beziehungen zum Diabetes mellitus.
Von Privatdozent Dr. W. Schlesinger in Wien.
(Deut«c'..e Medlz. Wochenschrift 34. Jabrg. S. 6930
Verfasser hat systematische Versuche über die vorstehenden
Fragen in größerem Umfang aufgenommen und kommt in einem
vorläufigen Bericht über deren Ergebnis zu folgenden Schlüssen:
Das diastatische Ferment des Blutes stammt zum größeren Teil
aus dem Pankreas. Einfache Beziehungen zwischen Ver¬
mehrung diastatischen Fermentes im Blut und Glykosurie im
Sinne nach einer vermehrten Glykogenausscheidung sind nicht
nachweisbar. W.
Beitrag zur Biologie normaler Tiersera.
Inaugural-Dissertation, Leipzig.
Von Tierarzt Paul Rißling aus Staßfurt.
Die sehr umfangreiche und eingehende Arbeit zerfällt in
zwei Hauptabschnitte und beschäftigt sich zunächst mit den
physiologischen Schwankungen des osmotischen Druckes im
normalen Tierserum mit besonderer Berücksichtigung der
osmotischen Verhältnisse der intraokulären Flüssigkeiten. Speaell
hat Verfasser hier einen Beitrag zur Lösung der Streitfrage zu
erbringen gesucht, ob der osmotische Druck im Serum derselbe
ist wie in den intraokulären Flüssigkeiten (Kammerwasser,
Glaskörperflüssigkeit) oder ob größer oder kleiner. Nach der
einen Meinung soll der osmotische Druck der intraokulären
Flüssigkeiten größer sein als der des Serums, nach der andren
sollen beide gleich sein, während die dritte Ansicht dahin geht,
daß beide meist gleich sind, daß jedoch auch Schwankungen
Vorkommen. Rißling hat diese Verhältnisse bei einer Anzahl
größerer Schlachttiere mit Ausnahme des Rindes einer näheren
Untersuchung unterzogen. Von den fünf für die Bestimmung
des osmotischen Druckes ausgearbeiteten Methoden ist zur Ver¬
wendung gelangt die Blutkörperchenmethode nach Hamburger,
worunter mau folgende versteht: Man untersucht, mit wie viel
Wasser z. B. das Serum verdünnt werden muß, um aus den
zugesetzten Blutkörperchen beginnenden Farbenaustritt herbei¬
zuführen. Macht man nun noch die Konzentration der NaCl-
Lösung ausfindig, in der dasselbe geschieht, so ist diese NaCl-
Lösung isotonisch mit dem verdünnten Serum. Es ist dann
leicht zu berechnen, mit welcher NaCl-Lösung das ursprüngliche
unverdünnte Serum isotonisch ist.
Die zahlreichen Untersuchungen Rißlings haben folgende
Ergebnisse gezeitigt:
1. Bei Untersuchungen über den osmotischen Druck einer
Flüssigkeit von mehreren Tieren muß man Flüssigkeit
und Reagens stets von demselben Tiere benutzen.
2. Bei Vergleichung des osmotischen Druckes zwischen intra¬
okulärer Flüssigkeit und Serum muß man stets die
Flüssigkeiten vom gleichen Tiere benutzen.
:». Der osmotische Druck des Serums mehrerer Tiere einer
Art ist nicht bei allen gleich, sondern Schwankungen
unterworfen; ähnlichen Schwankungen unterliegt auch die
intraokuläre Flüssigkeit.
4. Bei ein und demselben Tier kann der osmotische Druck
der intraokulären Flüssigkeit gleich, größer oder kleiner
sein wie der des Serums.
Der zweite Abschnitt enthält Untersuchungen über den
Gehalt normaler Tiersera an Antikörpern, welche sich auf
Bakterienagglutinine, Hämagglutinine und Hämolysine erstrecken.
Bezüglich der Bakterienagglutinine findet Rißling für die
Sera von Pferd, Rind, Schaf und Schwein, daß dieselben Bchon
normaliter oft eine große Menge von Agglutininen auf ver¬
schiedenen Bakterienarten enthalten, und daß das Agglutinations¬
vermögen gegen eine Bakterienart unabhängig von dem gegen¬
über einer anderen Bakterienart ist. Ein Vorherrschen einer
Bakterienart im Agglutinationscharakter der normalen Sera hat
Rißling nicht erkennen können, ebensowenig wie bestimmte
Sera einen ausgesprochenen Einfluß auf gewisse Bakterienarten
aubüben; es hat sich vielmehr eine — vielleicht scheinbar nur —
wahllose Einstellung auf verschiedene Bakterienarten ergeben.
Nicht agglutiniert wurden in Verdünnung von 1: IQ und
höher:
a) von normalem Pferdeserum: Staphylococcen, Geflügel¬
cholerabakterien und einmal Cholera Vibrionen;
b) von normalem Rinderserum: alle Bakterien;
c) von normalem Schafserum: Staphylococcen, Strepto¬
coccen, Milzbrandbakterien, Geflügelcholerabakterien;
d) von normalem Schweineserum: Staphylococcen,Strepto¬
coccen, Bazillus Proteus, Geflügelcholerabakterien und
Cholera Vibrionen.
Betreffs des AgglutinationsVermögens von Tuberkelbazillen-
8ind Versuche angestellt mit einer Testflüssigkeit in Konzentration
von 1 :10 000 und 1:1000. Dabei hat sich die höhere Kon¬
zentration von 1:1000 als für die Beobachtung zuverlässigere
ergeben, da bei der starken Verdünnung von 1:10000 zuweilen
die Entscheidung darüber sehr schwierig ist, ob eine Agglu¬
tination Btattgefunden hat oder nicht. Das Resultat der mit
Serum von Pferden, Rindern, Schweinen und Schafen angestellten
Untersuchungen ist teils positiv, teils negativ. Jedenfalls ist
auch nach Rißling die Agglutination der Tuberkelbazillen als
diagnostisches Mittel analog der Rotzbazillenagglutination, wie
sie seinerzeit Arloing und Courmont an Stelle der Tuberkulin¬
impfung empfohlen haben, nach den bisherigen Ergebnissen nicht
verwendbar.
16. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
289
Untersuchungen Rißlings über Hämagglutinine haben
gezeigt, daß Blutkörperchen einer Tierart von einem oder
mehreren, bisweilen von allen Serie der übrigen Tierarten agglu-
tiniert werden, mit Ausnahme der Blutkörperchen des Rindes,
auf die kein Serum der anderen Tierarten einen agglutinierenden
Einfluß ausübt. Zur Verwendung ist gelangt Blut von Mensch,
Pferd, Rind, Schwein, Schaf, Kaninchen, Meerschweinchen, Gans,
Ente, Huhn.
Nach Absorption eines Serums mit einer Blutart bleibt der
eventuelle Agglutinationstiter dieses Serums für andere Blut¬
arten derselbe. Daraus schließt Rißling, daß bei dem Phänomen
der Agglutination nicht einheitliche Substanzen, sondern eine
Reihe verschiedener Arten von Agglutininen in Aktion treten,
die auf jede Blutkörperchenart spezifisch abgestimmt sind.
Die Bindung der Agglutinine seitens der Blutkörperchen
erfolgt in einem vielfachen von der eigentlich zur Agglutination
erforderlichen Agglutininmenge, und zwar vermögen die Zellen
der verschiedenen Tierarten das ca. 3—40 fache der eigentlich
erforderlichen Agglutininmenge zu binden.
Iso- oder Autoagglutinine hat Rißling in keinem Falle
nachzuweisen vermocht.
Hämolysine sind von Rißling in allen untersuchten Serum¬
arten mit Ausnahme des Pferdeserums gefunden worden, und
zwar erstreckt sich die hämolytische Wirkung auf eine oder
mehrere Blutkörperchenarten in verschiedenem Grade. Ein Serum
allein jedoch vermag nicht alle Blutkörperchenarten zu lösen.
Weiterhin wird Gänse- und Entenblut von keinem Serum
hämolytisch beeinflußt.
Der von Gürber und Hoeber vertretenen Ansicht, daß
niemals Blutkörperchen einer Blutart, deren Serum die Blut¬
körperchen einer andern Blutart zerstört, von dem Serum eben
dieser anderen Blutart aufgelöst werden, kann sich Rißling nicht
anschließen. Sie trifft nur für die Mehrzahl der Fälle zu. Im
übrigen ist auf das Original der äußerst interessanten Arbeit
zu verweisen. Schmidt-Tetzlaff.
Tagesgeschichte.
Die Gestüts-Karriere.
Von Stabsveterinär Dr. Goldbeck-Schwedt.
Über die Karriere in der preußischen Gestütsverwaltung
sind in letzter Zeit verschiedene Veröffentlichungen erfolgt, die
zu kennen für den Veterinär von Interesse sein dürfte. Es ist
vielleicht zweckmäßig, erst einmal zu sehen, wie unsere west¬
lichen Nachbarn ihre Gestütsbeamten ausbilden.
In Frankreich besteht eine von anderen staatlichen Anstalten
vollkommen getrennte Gestütschule, l’Ecole des Haras du Pin
in dem Orte Le Pin. Dieselbe bildet drei Klassen von Schülern
aus: In der oberen Klasse die oberen Gestütsbeamten, in der
mittleren die unteren Gestütsbeamten, in der untersten Klasse
die Stallbediensteten. Jeder höhere Beamte der Staatsgestütc
muß den vollen Kursus dieser Anstalt absolviert haben.
Die Bedingungen zur Aufnahme sind folgende:
„Die Schüler des höheren Kursus (les öleves officiers de
l’ecole) rekrutieren sich aus den diplomierten Schülern (les
Cleves diplomös) des agronomischen Instituts (Institut Agro-
nomiqne de France).
Sie dürfen ein Alter von höchstens 25 Jahren haben. Vor
ihrer Zulassung müssen sie sich einer Prüfung hinsichtlich ihrer
körperlichen Beschaffenheit und ihrer Ausbildung in der Reit¬
kunst unterziehen. Junge Leute, die untüchtig zum Militärdienst
sind, werden nicht zugelassen.“
Da nur drei Schüler jährlich eingestellt werden, kann man
bei der Auswahl der Aufzunehmenden äußerst streng Vorgehen.
Der Kursus für diese Stufe dauert zwei Jahre, dabei erhalten
die sogenannten „studierenden Offiziere“ einen jährlichen Kosten¬
zuschuß von 1000 Francs neben Unterricht und Wohnung. Ist
die Abgangsprüfung gut bestanden, so werden die Eleven sofort
in die Gestüts Verwaltung als Beamte übernommen, und zwar
als sogenannte „surveillants“ mit einem Gehalt von 2100 Francs
jährlich. Die Beköstigung haben die Studierenden selbst zu
beschaffen. Daneben besteht eine Anzahl freier Schüler, welche
nicht in der Anstalt wohnen und auch Ausländer sein können.
Der Unterricht selbst ist ein verhältnismäßig einfacher, teils
theoretischer, teils praktischer. Es werden gelehrt:
1. Anatomie, Physiologie, Exterieur, Hufbeschlag, Fütterungs¬
lehre usw.
2. Hippologische Wissenschaft (besonders Züchtungskunde).
3. Gestüt-Verwaltungswesen, Rechnungswesen.
4. Reit- und Fahrkunst, Dressierkunde usw.
5. Zeichnen.
6. Englisch.
In Deutschland haben wir bekanntlich eine ähnliche Ein¬
richtung nicht. Hier ergänzen sich die Leiter der Gestüte aus¬
schließlich aus ehemaligen Offizieren berittener Truppen. Der
erste, welcher meines Wissens in beweiskräftiger Form eine
Änderung dieses Verfahrens vorgeschlagen hat, ist Gustav Rau
in seinem Buche „Die Not der deutschen Pferdezucht, Stuttgart,
1907, Verlag von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer).“
Denjenigen Kollegen, welche Rau noch nicht kennen, empfehle
ich, auf diesen interessanten Mann etwas zu achten. Rau ist
Redakteur eines unserer vornehmsten Sportzeitungen, der „Sport-
Welt Berlin“. Die sachgemäße Art, in der dieses Blatt redigiert
wird, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist, daß die
„Sport-Welt“ stets den Bestrebungen der Tierärzte ihr vollstes
Interesse und oft genug sachgemäße Unterstützung gewidmet hat.
Selbst denjenigen Kollegen, welchen der eigentliche Sportbetrieb
fremd ist, werden hin und wieder in den tierärztlichen Zeit¬
schriften Notizen aus der „Sport-Welt“ aufgefallen sein, welche
stetB veterinärfreundliche Tendenz atmeten. Vor einigen Jahren
brachte diese Zeitung auch einen Sportroman mit recht inter¬
essantem Inhalt, dessen Held ein Tierarzt war und der auf
gute Kenntnis und genaue Beobachtung der tierärztlichen Ver¬
hältnisse besonders des Fachstudiums schließen ließ. Der Ver¬
fasser war nicht gezeichnet, doch gehen wir wohl nicht fehl,
wenn wir den genannten Redakteur Rau als solchen aus¬
sprechen.
In dem lesenswerten Buche „Die Not der deutschen Pferde¬
zucht“ führt Rau kurz aus, daß die Ausbildung der höheren
Gestütsbeamten Preußens nicht allein durch den Kavalleriedienst
geschehen dürfe. Von sämtlichen Dirigenten der preußischen
Haupt- und Landgestüte sei nur ein einziger nicht Offizier gewesen
(Landstallmeister Gratfensee, Celle, Tierarzt). Rau erkennt
an, daß der Militärdienst den künftigen Gestütsbeamten wohl
in bezug auf Exterieurkenntnisse und auf den Gebrauchswert des
Pferdes vorbereiten könne, daß er ihm aber nicht das Maß viel¬
seitiger Kenntnisse verschaffe, die zum erfolgreichen Wirken
auf einem selbständigen Posten in der Pferdezucht erforderlich
290
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
seien. Die kurze Studienzeit, welche man den sich für eine
eventuelle Verwendung im Gestütsdienst Meldenden an einer
tierärztlichen Hochschule absolvieren lasse, könne bei dem Mangel
eines genau vorgeschriebenen Lehrganges einen Einblick in die
veterinär-medizinische Wissenschaft nicht gewinnen lassen. Dem
Übertritt in den Gestütsdienst gehe keine Prüfung voran, die
beweisen könne, ob die zum Studium der Materie zur Verfügung
gestellte Zeit auch umordentlich ausgenützt worden sei und
ob ein genügendes Maß von Kenntnis vorhanden ist. Rau ver¬
langt für die Landgestüts-Dirigenten möglichst selbständige Arbeit,
die Vollmacht, auf die in dem betreffenden Landesteile auftretenden
Wünsche einzugehen oder sie unter sachgemäßer Prüfung weiter
zu reichen, gleichzeitig sei aber auch die Vorbildung zu vertiefen.
Er erklärt dann wörtlich folgendes:
„Die Tierärzte verlangen seit langem, daß man sie, wie in
früherer Zeit, bei der Besetzung der höheren Gestütsstellen
heranziehe. Der einzige Gestütsdirigent in Preußen, der nicht
Offizier gewesen ist, war Tierarzt. Er hat aber seine großen
Erfolge in zwei Provinzen mit ganz entgegengesetzten Zucht¬
richtungen nicht erzielt, weil er Tierarzt war, sondern weil er
die besondere Gabe, alle jene Eigenschaften, die den Züchter
machen, besessen hat. Man kann ein großer Veterinär-Mediziner
und für die Leitung eines Landgestüts doch gänzlich ungeeignet
sein, wenn man nicht aus dem engen Rahmen der Wissenschaft
heraustritt. Sicher ist aber, daß veterinär - wissenschaftliche
Kenntnisse für einen Gestütsbeamten unerläßlich sind, und er
wird je eher bestehen können, desto mehr anatomische und
physiologische Kenntnisse er besitzt. Tatsache ist, daß Tier¬
ärzte, wo sie an leitende Stellen des Gestüts wesens gelangt sind,
Hervorragendes geleistet haben. Überall, wo es im Zusammen-*
hange mit dem Pferde etwas zu leisten gab, haben sie sich aus¬
gezeichnet. Zwei der größten deutschen Reitmeister, Stein¬
brecht und Seeger, waren Tierärzte. Man kennt sie in
Deutschland kaum noch. Auch die ganze alte liippologische
Literatur, die so viel Vorzügliches enthält, wird kaum mehr
beachtet. Es könnte viel nützen, wollte man auf sie zurück¬
greifen.“
Rau hält es für gleichwertig, ob der betreffende Gestüts¬
aspirant sich seine Kenntnisse als Offizier, als Landwirt, als
Tierarzt oder sonstwo erworben hat, nur muß der Nachweis
erbracht werden, daß sie vorhanden sind. Zu diesem Zwecke
verlangt er die schriftliche Bearbeitung eines züchterischen
Themas und eine Prüfung, abzuhalten vor einer Kommission,
bestehend aus dem Oberlandstallmeister, einem Professor der
Veterinär-Medizin, einem Professor der landwirtschaftlichen
Hochschule und einigen Sachverständigen der verschiedenen
deutschen Zuchten, etwa Vorstandsmitglieder landwirtschaftlicher
Gesellschaften oder bedeutende Privatzüchter. Vor dieser
Kommission hätte der künftige Gestütsmann auch eine mündliche
Prüfung zu bestehen, die sich über Züchtungskunde, Rassen¬
kenntnis, Geschichte der Pferdezucht, Anatomie, Physiologie,
Botanik, Bodenkunde erstrecken könnte. Sodann wäre erforder¬
lich, daß der Gestütsbeamte nicht fast gänzlich unvermittelt in
die Zucht eintritt, sondern vorher durch Jahre hindurch Ge¬
legenheit gehabt hat, sich mit der Zucht zu beschäftigen, und
zwar bereits als Gestütsbeamter, als Adjunkt der Direktion oder
in einer ähnlichen Stellung.
Rau konzentriert seine Ausführungen in folgenden Vor¬
schlägen :
1. Dem Oherlandstallmeister einen Vize-Oberlandstallmeister
oder zwei General-Inspektoren für Warmblut- und Kaltblut¬
zucht beizugeben.
2. Jedem Gestütsdirektor einen Unterdirektor und einen
Direktor-Aspirant beizugeben. Diese Einrichtung soll Beamte
schaffen, die mit den züchterischen Verhältnissen des Landes
aufs höchste vertraut sind und sich durch jahrelange Arbeit
auf ihre Tätigkeit als Gestütsdirigenten vorbereiten. Außerdem
aber wird es möglich, mehr auf die Züchter einznwirken und
dem Staate einen größeren Einfluß zu sichern.
3. Die Zulassung zur Lautbahn der höheren Gestütsbeamten
von einer Prüfung abhängig zu machen, in der die Vorkenntnisse
für eine Tätigkeit in der Pferdezucht nachzuweisen sind.
4. Zur Laufbahn der höheren Gestütsbeamten nicht nur
Offiziere heranzuziehen, sondern jeden, der hierzu Talent hat,
denn nur angeborenes Geschick und Verständnis für die Zucht
und ein guter Blick für deren Bedingungen lassen ein erfolg¬
reiches Wirken in der Pferdezucht erwarten.
Genau in dem angedeuteten Sinne sprach sich gelegentlich
der Verhandlung über den Gestütsetat im Preußischen Ab¬
geordnetenhause der Abgeordnete von Dirksen aus; derselbe
faßte seine Ausführungen nicht in einem besonderen Anträge
zusammen, sondern bat nur, dieselben an zuständiger Stelle zu
prüfen, damit man vielleicht bei der nächsten Etatsdebatte
darauf zurückkommen könne.
Zum Kapitel: „Der Tierarzt beim KörgescMft“.
Laut Körordnung für das Fürstentum Schwarzburg-Rudol¬
stadt besteht die Prüfungskommission für Zuchtstiere aus dem
zuständigen Bezirkstierarzt' als Vorsitze/iideN üttd"zWör Vtttai
Landrate zu ernennenden praktischen Landwirten.
Alle Jahre findet eine kostenlose „ordentliche“ Prüfung
sämtlicher Zuchtstiere, welche öffentlich vorgehalten werden,
statt; wird inzwischen ein Stier neueingestellt, so begutachtet
der Tierarzt denselben allein.
Im Anfänge meiner hiesigen Tätigkeit vor 18 Jahren suchte
jedes Kommissionsmitglied nach Empfang deB Verzeichnisses
allein und nach Belieben die Stiere in ihren Ställen auf. Nach
Beendigung der Reisen trat die Kommission zur Beratung und
Abstimmung zusammen.
. Die Mißstände dieses Verfahrens traten mir im ersten Jahre
sofort grell entgegen und im zweiten wurde der Kommission
seitens der Behörde ein Wagen zur Verfügung gestellt, so daß
sie nun geschlossen auftreten und die Stiere in ihren Ställen
besuchen konnte.
Aber auch dieses Verfahren hatte seine Übelstände, namentlich
in bezug auf die Festsetzung der Abstuftmg in der Qualität der
einzelnen Tiere behufs Prämiierung.
Jetzt werden alljährlich im Mai die Stiere mehrerer Dörfer
in einem in der Mitte gelegenen Orte zu einer Gruppe zusammen¬
gezogen und die Kommission übt ihr Geschäft in Gegenwart
erschienener Interessenten öffentlich aus. Nachdem die zu¬
getriebenen Stiere gemessen, begutachtet, nach ihrer Qualität
rangiert und die Nationale aufgenommen sind, gibt der Vor¬
sitzende das Ergebnis öffentlich bekannt. — (Allen Beschwerden
und Verdächtigungen über Parteilichkeit und Bevorzugung
einzelner Besitzer ist durch dieses Verfahren der Beden ent¬
zogen.) —- Diejenigen Besitzer, welche ihre Stiere der öffent¬
lichen Besichtigung entziehen, verlieren etwaige Ansprüche auf
16. April 1908.
BERLINER TtERiRZTLICHE WOCHENSCBRIf i.
291
Prämien und haben für die nun notwendig werdende „außer¬
ordentliche“ Prüfung für den Kopf 3 Mark zu entrichten.
Diese öffentlichen Vorführungen haben aus leicht erklärlichen
Gründen günstig auf die Besserung des männlichen Zuchtmaterials
eingewirkt. Unglücksfälle, die anfangs beim Führen über Land
befürchtet wurden, sind nicht vorgekommen und die ursprüngliche
Abneigung der Stierhalter gegen diese Einrichtung ist jetzt fast
beseitigt. Allzuweit abgelegene Orte sucht die Kommission
nach wie vor auf.
Meine ursprüngliche Absicht, mit diesen Tierschauen kleine,
kurze Vorführungen von guten Kühen zu verbinden, hat sich in
einigen Fällen zur Zufriedenheit der Landwirte verwirklicht*
Es konnten mehrfach zwei bis drei Generationen guter Milch¬
kühe zur Anschauung gebracht werden.
Dem Herrn Landrat von Baumbach bin ich Dank schuldig
für sein bereitwilliges Eingehen auf meine Vorschläge.
Eber werden im Fürstentume nicht geprüft und für Pferde¬
zucht eignet sich das Gelände nicht gut; der einzige Deckhengst
in der Oberherrschaft, welcher auch staatliche Unterstützung
genießt, steht unter meiner Aufsicht. Maximilian.
Bericht über die VII. Hauptversammlung des Vereins
der beamteten Tierärzte Preußens
am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907.
Fortsetzung (statt Schluß) aus Nr. 13, S. 240.*)
Lage und Bestrebungen der Privattierärzte.
Unter dem Losungswort „Ein gefährdeter Stand.“ eröffnete
der Schlachthausinspektor La uff-Merzig in Nr. 11 d. „B. T. W.“
d. Jahrg. einen Wortstreit, in dem die Bedrängnis der praktischen
Tierärzte dargetan wird; - In der näohsten Nummer folgte .ein
Aufsatz von Stietenroth und in den späteren Ausgaben der
genannten Zeitschrift reihte sich ein Artikel an den andern über
das gleiche Thema von den verschiedensten Verfassern.
Ais Hauptursache dieser mißlichen Lage der Privattierärzte
wurden die Kreistierärzte und insonderheit der Umstand hin¬
gestellt, daß die Neigung bestehe, immer mehr Krankheiten der
Haustiere unter die Herrschaft des Seuchengesetzes zu stellen.
Dieses Vorgehen führe dahin, daß schließlich die ganze Tier¬
heilkunde verstaatlicht und die Privattierärzte ausgeschaltet
werden.
Die beiden ersten Aufsätze von Lauff und Stietenroth
trugen den Charakter einer nicht zu billigenden scharfen
Provokation, denn sie verfolgten die Methode, Kreistierärzten
arge Fehler ln der Diagnose, also Unwissenheit und Unfähigkeit
vorzuwerfen, um sich selbst ein schönes Relief zu geben.
Gegen dieses bedauernswerte Beginnen habe ich mich als
Vorsitzender d. V. b. T. verpflichtet gefühlt, zuerst das Wort
zu ergreifen.
Meine Ausführungen in Nr. 14 d. B. T. W. sind nicht
gerade mild ausgefallen, denn wie man in den Wald hinein¬
schreit, so schallts heraus. Sie hatten hauptsächlich den Zweck,
zu verhüten, daß bei der zu erwartenden weiteren Polemik in
der Verkleinerung des tierärztlichen Ansehens, das ein gegen¬
seitiges Vorhalten von Schwächen und Fehlern in der Öffent¬
lichkeit erzeugt, fortgefahren würde.
*) Die Raumverhältnisse in Nr. 14 und die Notwendigkeit, in
Nr. 15 zwei längere tagesgeschichtliche Artikel zu veröffentlichen,
haben eine Unterbrechung der Veröffentlichung des Berichtes not¬
wendig gemacht, der erst in Nr. 17 zu Ende geführt werden kann.
In den Erwiderungen der beamteten Tierärzte ist keiner
auf diesen Ton eingegangen und ich habe die Genugtuung
gehabt, daß alle nachfolgenden Veröffentlichungen der Privat¬
tierärzte das persönliche Gebiet ebenfalls vermieden haben.
Meine Bemerkungen trugen mir aber ein paar Entgegnungen
in der Tierärztlichen Rundschau ein, die in einem Falle durch
ihre Verworrenheit in Erstaunen setzten, im anderen durch
unfreiwillige Komik belustigten. Es schien, als wenn man mich
— sei es absichtlich oder unabsichtlich — nicht verstanden
hätte. Jedenfalls ist aber diese Reaktion der Indikator für die
Erregung, welche durch die ersten Artikel in den Kreisen der
Privattierärzte zum Ausbruch gekommen war.
Auf diese ganze Preßfehde im einzelnen einzugehen, ist
nicht meine Absicht.
Ich will nur feststellen, was durch diese Bewegung zutage
gekommen ist, und das ist wichtig genug, daß wir uns darum
kümmern. Ich bin daher der Ansicht, daß der Streit in der
Fachpresse im allgemeinen dem Stande nicht geschadet, sondern
vielmehr Nutzen gestiftet hat. Er wird einen Ausgleich in der
Spannung zwischen Privat- und beamteten Tierärzten herbei¬
führen, so daß sie sich nicht als Feinde gegenüberstehen, wie
es leider anscheinend häufig vorkommt, sondern nebeneinander,
einer dem andern helfend, zum eigenen Wohie des Ganzen
tätig sind.
Es ist müßig, zu fragen, wer den Streit begonnen und
welcher Umstand ihn zum Ausbruch gebracht hat. So viel steht
fest, kommen mußte diese Bewegung der Privattierärzte früher
oder später. Wer kann es ihnen verdenken, daß sie sich zu¬
sammengetan haben, um ihre Interessen zu schützen! Ver¬
binden! .skh doch heute .alle Volksklassen zu diesem Zweck. Der
einzelne ist in unserer Zeit nicht imstande, den Kampf ums
Dasein mit Erfolg zu führen, sondern nur die Vielheit. Wir
können deshalb die Organisation der Privattierärzte zur Geltend¬
machung ihrer Bestrebungen nur billigen. Aber ich muß sagen,
was sie jetzt begonnen haben, geschieht unter völliger Ver¬
kennung ihrer Vorteile und ihrer Ziele.
Die Lage der Privattierärzte ist ja in der Tat in mancher
Beziehung nicht beneidenswert. In vielen Gegenden hat sich
ihre Zahl so vermehrt, daß sie unter Anwendung wenig kollegialer
Mittel einander Konkurrenz machen. Dabei hat die Neuzeit
die Praxis trotz Zunahme des Viehstandes nicht vermehrt, sondern
vermindert.
Jeder Landwirt, der eine Fachschule besucht hat, wird
heute nicht als vollkommen ausgebildet betrachtet, wenn er
nicht verstellt, mit der Injektionsspritze und auch mit dem
Messer zur Behandlung von Tieren umzugehen. Der Gro߬
grundbesitzer oder Gutspächter hat es bei seinen landwirt¬
schaftlichen Studien in der Universität gelernt und führt es gern
selbst aus, denn so ein bißchen Quacksalbern hat Reiz und
spart den Tierarzt. Übt es der Herr nicht selbst aus, so wird’s
vom Inspektor oder vom herrschaftlichen Kutscher oder von
sönst einem heilbegnadeten Kuh-, Schaf- oder Schmiedemeister
verlangt. Es ist eigentümlich, daß diese Sucht zum Selbst¬
kurieren bei vielen gebildeten Landwirten nicht auszurotten ist,
auch wenn die damit erzielten Verluste am Geldbeutel empfindlich
fühlbar werden.
Die Verkürzung der tierärztlichen Praxis erfolgt weiterhin
durch die überhandnehmende gewerbsmäßige Kurpfuscherei,
z. B. die Ausführung der Serumimpfung gegen Rotlauf, der
292
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16 .
Geburtshilfe usw. von Laien, die billiger arbeiten, wie viel auch
Werte bei der Ausführung verloren gehen mögen.
Es kann mithin nicht wundernehmen, daß die Einnahmen
der praktischen Tierärzte gegen früher bedeutend zurückge-
gangen sind.
Aber nicht allein die materielle Lage führt die Unzufrieden¬
heit der praktischen Tierärzte herbei, sondern sie beklagen
sich auch über ihr geringes Ansehen im Vergleich zu den
Kreistierärzten.
Die Stellung der Kreistierärzte hat sich in den letzten
zphn Jahren erfreulich gehoben, und sie haben gegenüber den
Privattierärzten einen Vorsprung erlangt, der diesen empfindlich
fühlbar wird. Sie sehen außerdem, wie die Militär- und Schlacht¬
haustierärzte in der Lebeüsstellung und Haltung vorwärts¬
schreiten, während sie Zurückbleiben.
Daß sich aus diesen Beobachtungen und Erfahrungen ein
bitteres Gefühl entwickeln muß, liegt auf der Hand.
Wir wollen es deshalb den Kollegen nicht nachtragen,
wenn sie, beherrscht von diesen Empfindungen, uns als die
Nächststehenden angegriffen haben. Wir wollen vielmehr, so
weit wir können, helfend an ihre Seite treten.
Es heißt im Leben, daß sich jedermann die Stellung selbst
mache und das gilt auch von einem ganzen Stand.
Wenn sich zwei Kollegen, die ein gemeinsames Praxisfeld
haben, gegenseitig bei ihrem Publikum nicht nur üble Dinge
nachsagen, sondern sich einer bei der Klientel des andern durch
Wort und Schrift unterbietet, so trägt dieses der Würde des
Standes entgegenstehende Verhalten nicht dazu bei, das Ansehen
und die Stellung zu heben. Meine Herren, solche Fälle werden
nifcht nur rtür, sondern vielen Krefstierärzten vorgekommen
sein, daß sich aus diesen Gründen ein Kollege über den andern
bei Ihnen beschwert hat. Die Erfahrung ist vielfältig gemacht
worden, daß sich die Privattierärzte untereinander viel mehr
Schaden zufügen, als sie ein Kreistierarzt jemals geschädigt hat.
Das alte Wort „medicus medicum odit“ wird ja nie seine
Bedeutung verlieren, trotz aller Kammer- und Vereinsarbeit (in
der wir das Heil erblicken), aber bei allen Konflikten müssen
die Formen nach außen hin gewahrt bleiben. Daran fehlt es
uns, leider Gottes, gestehen wir es doch offen ein, an allen
Ecken und Enden.
Ein Kollege sagte neulich im Gespräch pessimistisch zu
mir: „Wären wir besser, so ging’s uns besser.“ Wir wollen
uns doch dieses Wort vor Augen halten.
Zu den Formen, die notwendig sind, gehört allgemein die
korrekte öffentliche Haltung, nicht nur in der einwandfreien
.Lebensführung. Man beurteilt uns nach unserm Verkehr, selbst
nach unserer Kleidung.
Dem Tierarzt stehen ja nicht wie dem Offizier, Richter,
Rechtsanwalt, Arzt, Oberförster, Philologen, Apotheker usw.
von vornherein alle Zirkel offen; nein, er muß vorläufig immer
noch erst beweisen, daß er ein Mensch ist, den man seines
Verkehrs würdigen kann. So geht’s nicht allein dem Privat-
tierarzt, sondern auch dem Kreistierarzt, wie der vom Herrn Dralle
angeführte Fall genügend darlegt. Ich bin aber Bicher, daß der
Wunsch des betreffenden Kollegen hinsichtlich Anerkennung
seiner gesellschaftlichen Qualifikation, mit der Zeit erfüllt wird,
wenn die erwähnten Voraussetzungen bei ihm vorhanden sind.
Warum sollte dies nicht auch dem Privattierarzt unter den
gleichen Vorbedingungen gelingen? Es gibt viele darunter, die
in hocbange8ebener Stellung leben.
Es ist wahr, daß das Seuchengesetz den beamteten Tierarzt
aus dem Gros der Tierärzte herausgehoben und ihm erleichtert
hat, sich eine Stellung zu schaffen. Die Herren dürften aber
doch' nicht vergessen, daß der ganze Stand noch in der Ent¬
wicklung, im Werden ist, und daß die Hemmung des etwas
größeren Fortschrittes einer Gruppe seiner Angehörigen einen
Rückschritt für den ganzen Stand bedeuten würde. Wenn sie
uns der wohl erworbenen heutigen Beamtenqualifikationen ent¬
kleiden und sich damit schmücken wollten, würden sie doch
nicht den Erfolg haben, sich den heutigen Kreistierärzten gleich
gestellt zu sehen, sondern doch höchstens den Schatten der¬
selben, die übrig bleiben würden, nachdem sie der Stellung ihre
Bedeutung genommen haben. Also, was nützt ihnen dies Bestreben.
Die ins Feld geführte Behauptung, daß wir den Privat¬
tierärzten bei unserer amtlichen Tätigkeit die Praxis wegnehmen,
ist nicht zutreffend und oft widerlegt. Ich will die durch die
praktische Erfahrung diktierten Gründe liier nicht wiederholen,
sondern nur erwähnen, daß dieses Zugeständnis mir, der umfang¬
reiche Praxis betreiben muß, von praktischen Tierärzten meines
Kreises rückhaltlos gemacht worden ist. Sollte diese offene
Anerkennung nur für meine Person zutreffen? Ich glaube,
das läßt sich vom allergrößten Teil von uns im gleichen
Maße sagen.
Trotz dieser Anerkennung, die wir wahrscheinlich alle mit
wenigen Ausnahmen besitzen, wollen wir doch noch mehr tun
und uns selbst gegen den Schein verwahren, daß wir die Pri vat-
kollegen bei der Amtstätigkeit schädigen könnten.
Wir wollen sie,, wie von ihren Vorkämpfern verschiedentWch
verlangt worden ist, da, wo wir wissen, daß sie die Praxis
ausüben, bei der amtlichen Untersuchung oder Obduktion der
verdächtigen Tiere zuziehen. Ja, wir wollen ihnen versprechen,
die Behandlung derselben nicht anzunehmen, vorausgesetzt, daß
ihr Besitzer nicht überhaupt beabsichtigt hat, einen Wechsel in
der tierärztlichen Beratung eintreten zu lassen. Die Annahme
der Behandlung wäre ferner noch davon abhängig zu machen,
daß der Besitzer seine Absicht dem bisherigen Tierarzt mitteilte.
Meine Herren, das ist nur eine allgemeine Richtschnur.
Es gibt natürlich dringende Fälle, in denen der anwesende Tier¬
arzt die reklamierte Hilfe nicht versagen kann, in allen anderen
Fällen dagegen müßte sein therapeutisches Eingreifen von dem
Einverständnis, sagen wir mit dem Haustierarzt, abhängen.
Diese Haltung hat natürlich zur Voraussetzung, daß wir in der
Privatpraxis von der andern Seite mit gleicher Rücksichtnahme
behandelt werden.
Bei diesem Verfahren sollte ich meinen, müßte das Ver¬
langen der Privatkollegen gegenstandslos werden. Denn es geht
ihnen durch, unsere Tätigkeit nichts verloren.
Wie große Summen einträglichen ErwerbB stehen sie da¬
gegen im Begriff, auf andern Gebieten zu verlieren.
Ich erinnere an die Rotlaufimpfung, eine Einnahmequelle,
die ihnen doch zu Siebenachtel zufließt. Warum wenden sie
nicht ihre Kräfte Schulter an Schulter mit uns gegen die fort¬
gesetzt drohende Gefahr der Laienimpfung? Ich möchte noch
einmal feststellen, daß unsere Bestrebungen zugunsten einer
Organisation der Impfungen hauptsächlich den Einnahmen der
Privattierärzte zugute kommen. Und ist es nicht in gleichem
Maße der Fall bei der Tätigkeit des Vereins zur Erlangung
16. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
298
einer angemessenen Belohnung für die Reisen bei der Er-
gänzungsbeschau ?
Das Fleisohbeschaugesetz hat dem praktischen Tierarzt die
großen Summen in den Schoß geworfen, dem Kreistierarzt ge¬
ringe Sporteln aus der Prüfung und Überwachung der Beschauer.
Manche Existenz eines praktischen Tierarztes hat erst durch den
Erwerb aus der Fleischbeschau einen festen Rückhalt bekommen.
Einige andere Forderungen, betreffend die Betonung und Be¬
rücksichtigung der Stellung des Tierarztes gegenüber dem Be¬
schauer, müssen ohne weiteres anerkannt und von uns in
kollegialer Weise unterstützt werden. Freilich kann die Unter¬
stützung nur eine moralische sein, da wir auf diese Dinge ganz
wenig und nur indirekten Einfluß haben.
Ein weiteres Unternehmen, bei welchem wir den praktischen
Tierärzten mindestens ebensoviel gute Dienste leisten als uns
selbst, ist der Kampf gegen das Pfuschertum, den wir auch auf
unsere Fahne geschrieben haben.
Meine Herren! Wir werden ja nachher noch Ausführliches
über die Ursachen des Pfuschertums hören. Aber auf einen
Punkt möchte ich mir doch nicht versagen, die Aufmerksamkeit
hinzulenken.
Für diejenigen praktischen Tierärzte, die etwas tun wollen
und können, finden sich trotz der Zunahme unserer Kopfstärke,
wie ich in meiner Erwiderung in der B. T. W. auch schon be¬
merkt habe, auf dem platten Lande noch Auftraggeber, die
unsern Rat für wertvoll genug halten, um dafür zu bezahlen.
Bei den früher geschilderten Kenntnissen des Landwirtes von
tierärztlichen Verrichtungen kommt es aber gar nicht selten vor,
•daß •die. Worte fallen,, soviel - .wie >der Tierarzt. X. verstehe ich
selber. Die Folge von diesem Raisonnement ist, daß X. nicht
geholt wird. Das ist ja, wie bereits ausgeführt, in den meisten
Fällen nur eine Einbildung des studierten Landwirtes, aber in
manchen Fällen hat dieser Ausspruch, was praktische Dinge
anbelangt, eine bedauerliche Berechtigung. Denn man stößt
-doch zuweilen auf bedenkliche Lücken in der tierärztlichen
Kunst. Man möge mir verzeihen, daß ich mir erlaube, auf das
Gebiet der Lahmheiten hinzuweisen, insbesondere der Huf- und
Klauenlahmheiten, die ja bei weitem am häufigsten sind. Es
fehlen hinreichende Würdigung der Huffunktion, der Huf- und
Klauenformen, die richtige Handhabung der Untersuchungszange,
des Huftoessers e tutti quanti. Über Pflege, Fütterung, Haltung,
Beschirrung, Zäumung der Tiere oft nur geringer Schimmer!
Ja, meine Herren, solch ein Praktiker ist hilflos, wie ein
Theoretiker der Schwimmknnst im tiefen W T asser. Es gehören
zum Praktiker auch Körperkräfte und eine robuste Gesundheit,
er muß unbedingt chirurgische Fertigkeiten haben und sich nicht
vor den landläufigen Operationen scheuen oder fürchten, daß die
Weichheit der Hände durch zu häufige Berührung mit Wasser
und Desinfektionsmitteln leide. Ich wollte nur einmal in groben
Umrissen darstellen, aus welchen einzelnen Bestandteilen ein
Praktiker zusammengesetzt sein muß. Wenn diese Mischung
noch durch einen vornehmen gebildeten Stil und sicheres, aber
bescheidenes, keineswegs unterwürfiges Auftreten gehoben, also
gentlemanlike ist, wird dieser Praktiker sein Publikum stets
finden und nie von ihm verlassen werden.
Um die Notwendigkeit einer besonderen Einführung des
jungen Tierarztes in die Praxis ins Rampenlicht zu rücken, hat
der Vorstand einen entsprechenden Vortrag auf seine Tages¬
ordnung gesetzt. Das ist doch eigentlich auch nur im Interesse
deB praktischen Tierarztes.
Meine Herren, so gern wir in diesem vielfachen Sinne an
der Besserung der Lage der Privattierärzte arbeiten wollen, so
können wir jedoch ihren Bestrebungen nicht folgen, mit uns die
Seuchentilgung zu teilen.
Das Ausland strebt danach, sich eine Organisation nach
unserm Vorbild zu schaffen und Deutschland sollte sie lockern?
Das scheint mir nicht denkbar.
Wohin die Zustände treiben können ohne diese bei uns vor¬
handene staatliche Form der ganzen Einrichtung zeigt in
Frankreich das krasse Beispiel des maire d’Astaffort und des
vüterinaire Vidalon, das Jeder in der D. T. W., Nr. 36 d. Jahrg.
nachlesen kann. Durch# die vom Tierarzt Ory im Palais
Bourbon aufgedeckten Mängel und Schäden der Seuchentilgung
ist in Frankreich anerkannt worden, daß der Dienst von einem
Zentralbureau für das ganze Land einheitlich verwaltet und
gestaltet werden muß und daß die Sanitätstierärzte als Beamte
der Republik unabhängig von dem Belieben der Präfekten
gemacht werden müssen.
In Italien hat man seit 1902 ein Seuchengesetz nach dem
Muster des deutschen, aber anscheinend nur auf dem Papier.
Denn der landwirtschaftliche Verein in Mailand faßte in seiner
Sitzung am 5. Januar 1907 den dringlichen Beschluß, eine starke
Agitation zu entfalten, um von der Regierung eilige und wirk¬
same Schutzmaßregeln gegen das Eindringen und die Verbreitung
der Maul- und Klauenseuche zu erlangen. Das zuständige
Ministerium hatte anfangs jede Schutzmaßregel verweigert, da
es sich nur um vereinzelte Fälle handelte, die beim Auftrieb des
Weideviehes in die Alpen auftauchten. Darauf kam eine enorme
Verbreitung der Seuche zustande, als die Rinder im Herbst von
den Alpen zurückgebracht wurden. Ans den zu diesem Thema
in der Versammlung gehaltenen Reden war als Grundton zu
hören, daß die Regierung zu tadeln sei, weil sie nichts getan
hätte, um die beklagenswerte Ausdehnung der Seuche zu ver¬
hindern. (Clinica vet. 1907, 12. Januar.)
Meine Herren! An solchen Zuständen in den Nachbarländern
sollten sich diejenigen einmal ein Exempel nehmen, welche hier
eine, so weittragende Umgestaltung des Modus der Seuchen¬
tilgung zu ihren Gunsten verlangen. Wir sehen daraus, daß es
ohne eine feste zielbewußte Zentralleitung einerseits und ohne
einem wohlorganisierten Stab von verantwortlichen Beamten
anderseits nicht geht.
Höher als das eigene Interesse steht das Staatswohl: Ich
erinnere an die Worte Lydtins in Düsseldorf, dessen universelle
und alte Erfahrung und Kompetenz auf diesem Gebiete wohl
nicht ihres gleichen haben. L. sagt: „Kein Staat kann, falls
er in der Seuchentilgung Erfolg haben will, auf ein dizipliniertes,
ihm fortwährend zur Verfügung stehendes Korps von Tierärzten,
dessen Tätigkeit streng überwacht wird, verzichten.“
Meine Herren! Diesen Standpunkt können wir nicht ver¬
lassen und er wird, darüber bin ich nicht im Zweifel, bei den
verantwortlichen Leitern der Seuchenangelegenheiten unseres
Landes seine Geltung behalten. Jene allein nicht wir, haben
' endgültig darüber zu bestimmen, was zur Wohlfahrt der Land¬
wirtschaft am besten dient.
, Der ganze Streit zwischen Privat- und Kreistierärzten ist
deshalb müßig und wir können darob getrost die Streitaxt
begraben.
294
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
Damit die Kollegen aber sehen, daß wir auch ein Herz für
ihre Klagen haben und daß in demselben die Gefühle werk*
tätiger Kollegialität wohnen, bitte ich nm Annahme nachstehenden
Antrages:
Die heute versammelten beamteten Tierärzte erkennen die
schwierige Lage der Privattierärzte an und erklären sich bereit,
an ihrer Verbesserung hilfreichen Anteil zu nehmen. Die Be¬
teiligung der Privattierärzte an der Seuchentilgung müssen wir
dagegen ablehnen. (Beifall.)
(Fortsetzung folgt.)
Protokoll
der 71. Versammluug des Vereins Thüringer Tierärzte
am 3. November 1907 im Hotel Silber zu Erfurt.
Der Vorsitzende, Veterinärrat Walllnann, eröffnet unter herz¬
licher Begrüßung der erschienenen Kollegen um 11 Uhr die Ver¬
sammlung. Es sind anwesend 24 Mitglieder und als Gäste Ober-
stabsveterinär Körner, Oberveterinär Voll and, Oberveterinär z. D.
Gräbenteich; die Tierärzte Büttner und Dr. John, sämtlich
aus Erfurt. Ihr Fernbleiben hatten entschuldigt Geheimrat Professor
Dr. Esser, Kreistierarzt Voerckel, Hoftierarzt Waith er-Weimar
und die Oberveterinäre Pfefferkorn und Lehmann-Langensalza.
Dem Kollegen Hesse in Stotternheim, Ehrenmitglied des Vereins,
der im Mai d. J. sein SOjäbriges Berufsjubiläum gefeiert hat, werden
nachträglich telegraphisch die Glückwünsche des Vereins übersandt
Es wird ferner beschlossen, Herrn Hesse nachträglich ein Geschenk
zu überreichen. Mit den Vorbereitungen zur Feier des 50jährigen
Berufsjubiläums des Kollegen Kleinschmidt, Erfurt, welches auf
den 10. Mai 1908 fällt, wird der Vorstand beauftragt. Zur Feier
der goldenen Hochzeit des Kollegen Reich, Gotha, die am 25. April
1908 stattfindet, soll eine Deputation, bestehend aus den Kollegen
Wallmann, Krüger und Oppel, zur Gratulation nach Gotha ent¬
sendet werden. Bei der nun stattfindenden Vorstands wähl werden
die- zuletzt im Vorstand tätigen Mitglieder wiedergewählt. Es ist
demnach Departementstierarzt Veterinärrat Wallmann erster Vor¬
sitzender, Schlachthofdirektor Dr. Massig Schriftführer, Kreistierarzt
Ruhe stellvertretender Schriftführer und Bezirkstierarzt Oppel
Kassierer.
In dem Vortrage „Standesinteressen“ führt Kreistierarzt Löwel
ungefähr folgendes aus: ln den Fachzeitschriften war im Früh¬
jahr 1907 ein Federkrieg zwischen Privattierärzten und beamteten
Tierärzten dadurch entstanden, daß die ersteren die Mitwirkung an
der Seuchentilgung erstreben, während die letzteren dieses Gebiet
für sich allein glauben in Anspruch nehmen zu müssen. Obgleich
Referent das Bestreben der Privattierärzte, ihr Arbeitsgebiet zu
erweitern, für berechtigt hält, so bezeichnet er es doch andererseits
für ein Unrecht, in den Wirkungskreis anderer eindringen zu wollen.
Denn die Kreistierärzte gelangen erst nach der Absolvierung einer
schwierigen und kostspieligen Prüfung in ein Amt, in dem häufig
die persönlichen und privaten Interessen denen des Staates hintenan¬
gesetzt werden müssen. Sie verlören häufig ihre Praxis in Ort¬
schaften, in denen sie veterinärpolizeilich tätig seien. Für den
Staat sei es ferner von Wichtigkeit, Organe für die Ausführungen
seiner Verordnungen und Vorschriften zu besitzen, die ihm stets
zur Verfügung stehen und über der er Disziplinargewalt besitzt.
Referent hält es demnach nicht für gerechtfertigt und auch für un¬
zweckmäßig, die Privattierärzte im allgemeinen zur Seuchen¬
tilgung heranzuziehen.
Was nun die Stellung der Tierärzte betrifft, so glaubt Referent
daß in den letzten Jahren vieles erreicht ist, daß wir jedoch weiter
bestrebt sein müßten, unsere Stellung den gestellten Anforderungen
gemäß zu heben. Besonders ließe die Stellung der in kommunalen
Diensten stehenden Tierärzte viel zu wünschen übrig, und es
wäre die Pflicht der gesamten Tierärzte hier helfend und
fördernd einzugreifen. Wenngleich der Verein der Schlachthof¬
tierärzte rührig für seine Mitglieder arbeite, so könne er doch
allein nicht durchdringen, sondern hier müsse die Gesamtheit der
Tierärzte einspringen. Um hier eine wirkungsvolle Tätigkeit ent¬
falten zu können, empfiehlt Referent den Zusammenschluß sämtlicher
Tierärzte zu einem Verbände, wie er unter den Ärzten mit dem
Sitz in Leipzig bereits besteht Zum Schluß spricht Referent über
die Konkurrenz der Tierärzte. Ebenso wichtig wie er die Konkurrenz
auf allen Gebieten des Wissens, des Handels und der Industrie
hält, ebenso verurteilt er ihre Auswüchse. Zunächst wäre es
wichtig, mit allen gesetzlichen Mitteln gegen das Pfuschertum vor¬
zugehen. Es dürfte nieht Vorkommen, daß ein Tierarzt einen
Pfuscher bittet, ihm Ratschläge aus seinem reichen Schatz von
Erfahrungen mitzuteilen oder ihm altbewährte Rezepte zu über¬
lassen oder daß er mit ihm gemeinschaftlich Patienten behandelt
Man stelle sich damit auf dieselbe Stufe mit den Pfuschern und
schade außerordentlich dem ganzen tierärztlichen Stande. Ebenso
verwerflich sei es, in marktschreierischer Weise seine Dienste den
Tierbesitzern anzubieten oder sich mit den Hirten und Hutleuten
in die Kneipe zu setzen, um von ihnen zu erfahren, wo kranke
Tiere sich befinden. Auch die im Inseratenteil der tierärztlichen
Zeitschriften unter der Überschrift „cavete“ jetzt häufig vor¬
kommenden Warnungen vor Übernahme einer Stelle hätten nur
den Zweck, die Konkurrenz auszuschalten. Der Herr Einsender
des Inserats möchte der alleinige Bewerber um die betreffende
Stelle sein. Um diesen und ähnlichen Auswüchsen der Konkurrenz
besser entgegentreten zu können, tritt Referent nochmals für die
Bildung von Tierärztekammern ein.
Die inzwischen stattgehabte Revision des Kassenbestandes
| durch die Kollegen Krüger und Oberländer gibt zu Erinnerungen
keine Veranlassung; es wird dem Kassierer Oppel Entlastung
erteilt.
In dem zweiten Vortrage „Diagnostik und Behandlung der
Kolik“ sagt Referent, Bezirkstierarzt Oppel, daß es für den Prak¬
tiker von der allergrößten Wichtigkeit sei, vor Einleitung der Be¬
handlung die Diagnose sicher zu stellen und die Ursache der Kolik
zu ergründen. Er unterscheidiet 1. als die am häufigsten vor¬
kommende Form, die Krampfkolik. Die Diagnose ist meistens
nicht schwer. Sie tritt häufig während der Arbeit ein. Das Pferd
zeigt große Schmerzen, hat Schweißausbruch, klingende Darm-
geräusche und häufigen Mistabsatz. 2. Überfütterungskolik. Das
Pferd ist sehr voll; der Leib ist in der Rippengegend aufgetrieben
dagegen nicht in der Flankengegend; es treten Unruheerscheinungen
auf; es trippelt hin und her und wirft sich heftig nieder, um bald
wieder aufzustehen. 3. Bei der Verstopfungskolik sind die Schmerzen
in der Regel nicht so groß. Der Puls ist voll, aber wenig be¬
schleunigt, die Darmtätigkeit ist unterdrückt. Die Pferde nehmen
eine gestreckte Stellung ein, ähnlich der eines Schaukelpferdes,
während Schweißausbruch meistens fehlt. Bei der Untersuchung
durch den Mastdarm, die Referent in allen Fällen für unbedingt
erforderlich hält, stößt man auf prall gefüllte Darmabschnitte.
4. Bei der durch Darmverschlingung bervorgerufenen Kolik zeigt
Patient heftige Schmerzen und drahtförmigen Puls. Das Tier sieht
sich häufig nach der erkrankten Bauchseite um. Bei Dickdarm¬
verlagerungen kommt dann noch eine starke Auftreibung des Hinter¬
leibs dazu. 5. Die Wurmkolik, die hauptsächlich bei Fohlen vor¬
kommt und 6. die Steinkolik sind, falls Würmer resp Steine in den
Fäces sich nicht bemerkbar machen, schwer zu diagnostizierende
Formen. 7. Darmentzündung, die nicht sehr häufig vorkommt; zur
Feststellung derselben ist der Vorbericht sehr wichtig. Symptome:
Starker Schweißausbruch, große Schmerzen, zunächst starker Durch¬
fall, dann Stuhlverhaltung; der Hinterleib ist nicht aufgetrieben.
Für die Behandlung ist die Feststellung der Art der Kolik
unerläßlich, da eine jede Form anders behandelt werden müsse.
Bei der Krampfkolik gibt Referent 75 g Opiumtinktur in einer
Dosis. Bei Überfütterungskolik, die in der Regel mit Gasansammlung
im Magen verbunden ist, .hat Referent bei Sektionen den Pylorus
geöffnet, den Zwölffingerdarm dagegen krampfhaft geschlossen
gefunden. Referent empfiehlt deshalb zunächst die Verabreichung
von 75 g Opiumtinktur, um den Krampf im Zwölffingerdarm zu lösen
und dann ein Abführmittel am besten ein Liter Rizinusöl. Die
Verstopfungskolik ist nur mit Abführmitteln zu beheben. Häufig
würde hier der Fehler begangen, daß man gleich mit sehr schnell
und kräftig wirkenden Arzneimitteln vorginge, um den Patienten
möglichst bald hcrzustellen. Durch Einspritzungen von Eserin,
Pylocarpin, Baryum chloratum usw. versuchten viele Tierärzte dio
16. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
295
Verstopfung in einer halben Stunde oder noch kürzerer Zeit zu
beseitigen; dies sei aber durchaus fehlerhaft. Man müsse erst die
Wirkung der per os verabreichten Arzneimittel abwarten. Bei Darm¬
verlagerung sei es ratsam, den Darmstich zu machen; derselbe sei
viel ungefährlicher, als man in der Regel annehme. Die Kanüle
darf jedoch nicht liegen bleiben. Nach der Gasentleerung gibt
Referent den Patienten Gelegenheit zum Wälzen. Später wird Rizinusöl
verabfolgt. Wurmkolik und Steinkolik ist wie die Verstopfungs¬
kolik zu behandeln. Die Darmentzündung behandelt Referent mit
großen Mengen Tinct. Opii simpl. Bisweilen werden an einem
Tage, natürlich in mehreren Portionen, bis 375 g davon verabreicht.
Die Stuhlverhaltung bei der Darmentzündung sei kein ungünstiges
Symptom; es vergingen häufig mehrere Tage, bevor der Abgang
von Exkrementen wieder eintrete.
Der Vorsitzende, Veterinär Wallmann, dankt beiden Vor¬
tragenden im Namen der Versammlung und zeigt alsdann Gyps-
abdrücke von Pferdeschneidezahngebissen, die er persönlich her¬
gestellt hatte. Er erwähnt dabei, daß er öfters Gelegenheit gehabt
hätte, bei Prozessen, die das Zahnalter von Pferden beträfen zur
ev. Sicherung des Beweises bzw. Abgabe eines Obergntachtens
dem Gericht derartige Abdrücke vorzulegen. Dieselben wären stets
mit großem Interesse entgegengenommen worden. Um einen Gyps-
abdruck herzustellen, sei es nötig, die Zähne mit einer Bürste
gründlich zu reinigen und mit Öl zu bestreichen. Auf das so vor¬
bereitete Gebiß ist dann eine Kittmasse — Glaserkitt, Wachs, besser
dagegen sog. Modellkitt — aufzudrücken. In diesen Abdruck wird
nun der Gyps hineingegossen. Die vorgelegten Modelle waren sehr
naturgetreu hergestellt und konnte das Alter der betreffenden
Pferdes daran leicht festgestellt werden.
Um l 3 / 4 Uhr wurde die Versammlung durch den Vorsitzenden
geschlossen.
Das sich hieran schließende Mittagessen war auch von den
Damen besonders gut besucht Vorträge, Tanz und Gesellschafs¬
spiele hielten die Beteiligten bis in die späten Abendstunden zu¬
sammen.
Wallmann, Dr. Massig,
Vorsitzender. Schriftführer.
Beratung des Vieh8euohengesetze8.
Die Anberaumung der nächsten Sitzung der Viehseuchenkom¬
mission des Reichstags wird, wie der Vorsitzende der Kommission
Rimpan erklärte, davon abhängen, ob der Reichstag noch nach
Ostern Zusammentritt. Abgeordneter Rimpan ist bekanntlich als
Schriftführer Mitglied des Reichstagspräsidiums; man darf da¬
nach wohl schließen, daß mit der Herbstvertagung des Reichs¬
tages vor Ostern ernstlich gerechnet wird. — Die Kommission
erledigte bisher die §§ bis 29c des Gesetzes. Während der
Vertagung wird die Regierung eine Aufstellung über die
Seuchen machen. (Berl. N. N.)
Aus dem österreichischen Abgeordnetenhause.
In der Sitzung vom 26. März d. J. beantragte Abgeordneter
Wolf eine Resolution, in der die Regierung aufgefordert wird,
dem Abgeordnetenhause in kürzester Frist, spätestens vor Ab¬
lauf dieses Halbjahres, einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem
die Lostrennung der tierärztlichen Hochschule vom Reichskriegs¬
ministerium und die Unterstellung derselben unter das Unter¬
richtsministerium ausgesprochen wird. Ferner befürwortete Wolf
die Verleihung aller den übrigen Hochschulen eingeordneten
akademischen Rechte an die tierärztliche Hochschule und einen
Neubau derselben.
Den vom Abgeordneten Wolf hinsichtlich der Ausgestaltung
der tierärztlichen Hochschule in Wien geäußerten Wünschen
gegenüber hat im Budgetausschuß der UnterrichtBminister ge¬
äußert, er stimme im allgemeinen zu, obschon er nicht ver¬
schweigen könne, daß die Überführung in das Ressort des
Unterrichtsministeriums gewissen finanziellen Schwierigkeiten
begegne. Doch sei die Unterrichtsverwaltung ernstlich bemüht,
und finde auch bei der Kriegsverwaltung Entgegenkommen, eine
modernere Ausgestaltung der Anstalt in pädagogisch-didaktischer
Richtung durchzuführen. Was das Promotionsrecht be¬
trifft, so habe die Unterrichtsverwaltung dessen Ein¬
führung für die tierärztlichen Hochschulen in Wien
und Lemberg für das Studienjahr 1908—09 bereits in
Aussicht genommen.
Erklärung.
In Nr. 14, S. 251 der B. T. W. war eine Erklärung der
Tierärztlichen Hochschule zu Berlin gegen eine von Professor
Malkmus aufgestellte Behauptung veröffentlicht. Es wird richtig
sein, wenn die Leser der B. T. W. auch erfahren, was der
Genannte dazu zu sagen hat. Er schreibt in der Deutschen
tierärztlichen Wochenschrift anschließend an das Zitat der
Erklärung folgendes:
„Nach dieser Erklärung könnte es scheinen, als ob ich meine
obige Behauptnng aus der Luft gegriffen hätte; dem ist aber
nicht so.
Direktor und Professoren-Kollegium der Tierärztlichen Hoch¬
schule in Hannover haben vor mehreren Jahren an das Vorgesetzte
Ministerium einen begründeten Antrag um Zulassung von Privat¬
dozenten an unserer Hochschule eingereicht; ein schriftlicher Be¬
scheid ist darauf nicht gekommen. Eb ist mir aber aus zuverlässiger
Quelle gesagt worden, unserm Anträge werde nicht stattge¬
geben, weil die Berliner Hochschule nicht zustimmt. Näheres
habe ich nicht erfahren, auch war mir nicht bekannt, daß die
Berliner Hochschule in einem Entwurf eines endgültigen Statuts
in der ihr notwendigen erscheinenden Begrenzung das Institut des
Privatdozenten vorgeschlagen hat. Ich war demnach wohl be¬
rechtigt, diese mir berichtete Nicht-Zustimmung 4ls einen Wider¬
spruch zu bezeichnen.
Nun dürfte die Sache aber nach der Erklärung der Berliner
Hochschule klar sein. Es liegen eben zwei Anträge vor: Der
Hannoversche ist der weitergehende, er erstrebt die sofortige Zu¬
lassung von Privatdozenten, ohne dabei Einschränkungen zu machen,
der Berliner Antrag dagegen will das Institut der Privatdozenten
in Verbindung mit dem definitiven Hochschulstatut und auch nur
in einer der Hochschule notwendig erscheinenden Begrenzung. Es
besteht demnach zwischen den beiden Anträgen keine Übereinstim¬
mung; wie weit sie auseinandergehen, läßt sich nicht ermessen,
ohne die Einschränkung zu kennen, welche der Berliner Hochschule
notwendig erschien, es ist ja denkbar, daß sie Boweit geht, daß das
Institut der Privatdozenten zu einem Nichts zusammenfällt. Wer
die Verhältnisse der preußischen tierärztlichen Hochschulen kennt,
weiß auch die Schwierigkeiten zu ermessen, die dem mit einem
definitiven Hochschulstatut verknüpften Berliner Anträge entgegen¬
stehen. Sie sind sehr schwerwiegend, um nicht zu sagen, zurzeit
unüberwindlich. Nun ist es zu begreifen, wenn unser vorgesetztes
Ministerium bei dem Auseinandergehen der beiden Anträge die
ganze Sache vorläufig ad acta legt.
Nach meinem Empfinden lag nach alledem für Rektor un(j
Lehrerkollegium der Tierärztlichen Hochschule in Berlin nicht „die
Notwendigkeit“ vor, in der Öffentlichkeit meine Behauptung als
„unwahr“ zurückzuweisen, denn sie ist nicht unwahr. Sie ist nur
insofern nicht zutreffend, als die Berliner Hochschule nicht „unserm
Anträge widersprochen“ hat, sondern in einem selbständigen Anträge
etwas anderes vorgeschlagen hat, was für unsere Hochschule nicht
anwendbar ist.
Ziehen wir doch eine Lehre aus dem Vorgänge. Das vereinzelte
Vorgehen der Hochschulen führt selten zum vollen Ziele; die Hoch¬
schulen müssen in gemeinsamen Beratungen ihre Wünsche formu¬
lieren und übereinstimmend den maßgebenden Behörden übermitteln.
Die vor einem Jahre in Eisenach abgehaltene Hochschulkonferenz
hat eine neue Prüfungsordnung in Fluß gebracht, die Beratung des
296
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16.
Instituts der Privatdozenten konnte leider wegen Mangel an Zeit
nicht zu Ende geführt werden. Das Ergebnis der ersten Konferenz
aber ist wohl ermutigend, bald wieder eine erneute zu berufen, um
die noch ausstehenden Fragen zu beraten.“
Ostertag-Feier.
Die Abrechnung der Ostertag-Feier hat einen Überschuß von
33,33 M. ergeben, nachdem allen Herren, welche sich angemeldet
hatten, nachträglich aber an der Teilnahme behindert worden waren,
ihr eingezahlter Beitrag zurückgegeben worden war. Der Überschuß
ist dem Unterstützungsverein für Tierärzte zugewiesen worden.
Naturforscher-Versammlung.
Die diesjährige Naturforscher-Versammlung findet zu Cöln
am Rhein (wie 1889) in der Zeit vom 20. bis 26. September
statt. Die einzelnen Sektionen versenden bereits ihre Auf¬
forderungen.
Verein der Schlaohthoftierärzte der Rheinprovinz.
32. Vereinsversammlung am 16. und 17. Mai 1908 zu Trier
Sonnabend, den 16. Mai, nachmittags 4 Uhr,
im städtischen Schlachthofe,
Tagesordnung:
1. Demonstration folgender feuerungstechnischer Apparate und
Nebenanlagen beim Dampfkesselbetrieb durch Dr. Bützler-
Trier:
a) Wassermesser für das Kesselspeisewasser, b) Vorwärmer
für dasselbe, c) rauchschwache Feuerung, d) Aschenfall,
e) Wasser-Reinigungsapparat, f) Überhitzer, g) Heizeffekt¬
messer, h) Wasser-Kochapparat verbunden mit Speisen-
wärmer im Kesselhause.
2. Wie werden die Betriebskosten in den Schlachthöfeb ver¬
ringert? Berichterstatter: Niens-Oberhausen.
Abends 7 Uhr: Gesellige Zusammenkunft im „Restaurant auf
dem Weißhaus“ bei Trier.
Bonntag, den lt. Mai, vormittags 11 Uhr,
im Kasino, Kornmarkt
Tagesordnung:
1. Geschäftliche Angelegenheiten.
2. Beurteilung tuberkulöser Schlachttiere nach den neuen gesetz¬
lichen Bestimmungen. Berichterstatter: Haffner-Düren.
3. Die städtische Milchkontrolle. Berichterstatter: Plath-
Viersen.
4. Mitteilungen aus der Praxis der Fleischbeschau.
5. Tag und Ort der nächsten Versammlung.
Nach der Sitzung, um 2 Uhr nachmittags, gemeinschaftliches
Mittagsmahl im Gartensaale des Kasinos. Gedeck 3 Mark. Die
Herren Kollegen werden gebeten, unter Benutzung beiliegender
Karte bis zum 12. Mai die Teilnahme am Mittagessen im Kasino
mitzuteilen und zu demselben sowie zu der Zusammenkunft auf dem
Weißhaus ihre Damen mitzubringen.
Gäste sind sehr willkommen.
Trier, den 1. April 1908. Der Vorstand.
I. A.: Dr. Bützler, 1. Schriftführer.
Centralverband zur Bekämpfung des Älkoholiosnus.
Der Centralverband zur Bekämpfung des Alkoholismus zu
Berlin veranstalet auch in diesem Jahre wissenschaftliche Vor¬
lesungen zum Studium des Alkoholismus. Dieselben werden vom
21. bis 25. April im Landeshause, Berlin W., Matthäikirchstr. 20,
stattfinden. Die moderne Alkoholfrage ist ja weit hinaus gegangen
über die alte Trunksuchtsfrage; es handelt sich heute nicht allein
darum, wie behandeln wir den Trinker, sondern wie beugen wir
dem Alkoholismus als individuellem und sozialem Übel vor. Die
Alkoholfrage im modernen Sinne ist ungemein reich verzweigt und
aufs engste mit allen brennenden Fragen der Gegenwart verbunden.
Die Alkoholfrage ist eine medizinisch-hygienische, sie ist aber auch
untrennbar von den nationalökonomischen Fragen, wie sie auf das
innigste auch mit den sittlichen Problemen zusammenhängt. Die
wissenschaftlichen Vorlesungen des Centralverbandes werden die
verschiedenen Seiten der Alkoholfrage zur Erörterung bringen.
Für den Arzt sind aber diesmal zwei Themata von ganz besonderer
Bedeutung. Professor Kassowitz wird über den theoretischen
Nährwert des Alkohols und Dr. Wolf Uber „Alkohol und Geschlechts¬
krankheiten“ sprechen. Während wir alle darin einig sind, daß
der Alkohol in praktischer, also in volkswirtschaftlicher Hinsicht
als Nahrungsmittel völlig außer Betracht kommt, gehen die
Meinungen noch auseinander, ob er in rein theoretischer Hinsicht
noch ein Nahrungsstoff genannt werden darf. Es wird daher sehr
interessant sein, gerade Kassowitz zu hören, der auf Grund seiner
Studien dem Alkohol auch jede theoretische Bedeutung als Nahrungs¬
mittel bestreitet. Auf die Vorlesungen von Gruber - München
über Volkswirtschaft und Alkohol machen wir noch besonders auf¬
merksam.
Eintrittskarte für den 18stündigen Kursus wird nur 5 M. be¬
tragen, für die Einzelstunde 50 Pf., für die Doppelstunde 75 Pf.
Anfragen, Bestellungen usw. sind an die Geschäftsstelle des Central¬
verbandes zur Bekämpfung des Alkoholismus (Berlin) z. H. von
Frau Gerken-Leitgebel, Friedenau bei Berlin, Rubensstr. 37,
zu richten.
Personalien.
Auszeichnung: Es wurde verliehen dem Oberamtstierarzt Theurer-
Ludwigsburg das Ritterkreuz 2. Klasse des Ordens der Württem-
bergischen Krone.
Ernennungen: Tierarzt Bruno Ha/wer-Karlsruhe zum Assistenten
am Tierhygienischen Institut in Freiburg, Tierarzt Georg Schnotx
aus Ansbach, bisher zu Frankfurt a. M., als Tierzuchtinspektor¬
assistent beim Zuchtverband für gelbes Frankenvieh mit dem Sitz
in Gunzenhausen (Mittelfranken'.
Niederlassungen: Tierarzt Johann Franxen in Haaren bei Aachen.
— Verzogen: Die Tierärzte Adolf Anxenhofer- Wertingen und Viktoj
Helfferieh- Pirmasenz als bezirkstierärztliche Assistenten nach Kulm¬
bach (Oberfr.) bzw. Eppingen, Gerhard SrAmt'dJ-Sinsheim nach
Stuttgart.
Approbiert: Die Herren Franx Abromeit aus Gumbinnen, Peter
Conradi aus Elbingen, Emst Lange aus Schirwindt, Otto Sehunk
aus Nassau, Albert Werk aus Pristam, Bruno Wolff aus Berlin in
Berlin; Paul Kurt Albert aus Plauen i. Vogtl. in Dresden.
In der Armee: Wiederanstellung: Oberveterinär Laubü,
bisher in der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika, als über¬
zählig im Feldart.-Regt. Nr. 13. — Verabschiedet: Oberveterinär
Hitxe im Feldart.-Regt. Nr. 22 auf seinen Antrag mit Pension in
den Ruhestand versetzt. — Im Beurlaubtenstande: Abgang:
Stabsveterinär Haas, Landw. 2. Aufgeb. (Calw), der Abschied
bewilligt.
Todesfall: Schlachthofdirektor Karl ÄcÄöniret/er-Pforzheim.
0 _
Vakanzen.
(Vgl. Nr. 14.)
Tierhygienische Abteilung des Kaiser Wilhelm-instltuts zu Bromborg:
Bakteriologisch geschulten Assistenten zum 1. Juli er. Gehalt
1800—2000 M. Bewerb, an den Vorsteher der Abteilung.
Schlachthofstellen: Bremen: IV. Tierarzt zum 1. Juli er. Gehalt
2400 bis 3900 M. Bew. bis 30. April an den ersten Tierarzt für
den Schlachthof. — Pforzheim: Direktor, Gehalt 3600—6000 M.
und freie Wohnung usw. Bewerb, bis 5. Mai an den Stadtrat. —
Plauen i. Vgtl.: II. Tierarzt baldigst Gehalt 2300—3200 M.
Meldungen umgehend an die Direktion.
Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis:
Mengede (Kr. Dortmund): Fleischbeschautierarzt zum 1. Juni er.
Gehalt 3000 M, Wohnungsgeld 300 M., Wegegeld 300 M. Meldungen
bis 1. Mai an den Amtmann,
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inaeratenteil): Prof. Dr. Schraalta in Berlin. — Verlag and Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Sohoeta ln Berlin. —
Druck von \V. Büxenateln, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift* erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard 8ohoets ln
Merlin 8W. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (11.4,88 für die Wochenschrift, 18 PC fUr Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (Österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Orlginalbeiträge werden mit 60 Mit,, In Petitsata m|.
00 Ult. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragou beliebe mau
zu senden an Prof. Dr. Schmält*, Berlin, Tierirzt-
liehe Hochschule, NW., Luisenstraße 56. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schm<z-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
6lage
Professor
Hamburg.
Veterinärrat Dr. Lothes
Departementstierarzt
Cöln.
Prof. Dr. Peter
Kreistierarzt
Angermünde.
Veterinärrat Peters
Departementstierarzt
Bromberg.
Veterinärrat Preuße
Departementsliorarzt
Danzig.
Dr. Richter
Professor
Dresden.
Med.-Rat Dr. Boeder
Professor
Dresden.
Dr. Schlegel
Professor
Freiburg i. Br.
Dr. J. Schmidt
Professor
Dresden.
Reg.-Rat Dr. Vogel
Laudestierarzt v. Bayern
München.
Wehrle
Kaiser!, Regiemngsrat
Berlin.
Zünde!
Kreistierarzt
Mülhausen i. EL
Jahrgang 1908. tJ \°. 17 . Ausgegehen am 23. April.
Inhalt: Holterbach: Brennesselvergiftung. — Hleronymi: Ein Fall von Blasensteinbildung beim Wallach, kompliziert
mit eiterig-dipbtheritischer Cystitis. — Dvoracek: Bericht über die erzielten Erfolge mit dem Ilundestaupe-
serum von dem Pharmazeutischen Institut L. W. Gans in Frankfurt a. M. — Pfeil: Durchschlagender Erfolg
mit keimfreiem Schweineseuchebazillenextrakt. — Referate: Cadeac: Allgemeine Betrachtungen über die Darm¬
entzündungen. — Lungwitz: Neue Beweise für die Tragranderweiterung belasteter gesunder Hufe. — Hugentoblcr: Die
Veränderungen des Hufknorpelfesselbeinbandes und der Zchenbinde, sowie ihre Beziehungen zur Schalenbildung und Ver¬
knöcherung der Hufknorpel. — Schaffner: Über Heilung und Prophylaxis der Schweinepest, Schweineseuche und Misch¬
infektion. —- Kleine Mitteilungen. — Tagesgeschichte: Krekel er: Pflichten und Rechte der Schlachthoftierärzte. — Bericht
über die VII. Hauptversammlung des Vereins der beamteten Tierärzte Preußens am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907
(Fortsetzung). — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Brennesselvergiftung.
Von Heinrich Holterbach, Tierarzt in Offenburg i. B.
Der französische Militärveterinär, Major Rohr, macht Mit¬
teilung von einem Leiden, welches in der Fachliteratur nur
selten erwähnt wird, nicht weil es tatsächlich so selten vor¬
kommt, sondern weil es so selten erkannt wird. Ich meine die
(besonders bei Jagdhunden vorkommende) Brenn.efcsel Vergiftung:
In den Monaten September und Oktober 1905 gingen in
der Umgebung von La Fe re ungefähr zehn Hunde und einige
Frettchen plötzlich unter Erscheinungen ein, welche an eine
akute Vergiftung durch ein heftig wirkendes Gift erinnerten
und die Jäger veranlaßten, die Eingeweide dem Laboratorium
der Faculte de Medecine in Paris zur Analyse zu über¬
senden. Dort wurde ermittelt, daß die Todesursache in einer
akuten Brennesselvergiftung zu suchen war, mithin eine Ver¬
giftung ganz anderer Art vorlag, als der Argwohn der Nimrode
vermutet hatte, welche bei der Raubzeugvergiftung mit Strychnin
umzugehen gewohnt sind. Nun erinnerte man sich auch, daß
diese Tiere in ihrem Jagdeifer ein Brennesselgebüsch ab¬
gesucht hatten, welches im August durch ein Hagel¬
wetter vollständig zerschlagen worden war, neu
ausgetrieben hatte und zur Zeit der Jagd im üppigsten
jungen Wachstum stand. Rohr, der dann zur Klarlegung
dieser Verhältnisse verschiedene „Experimente“ angestellt hatte,
kommt zu folgender These:
„Die jungen Triebe der Urtica dioica können bei
Hunden und Frettchen eine sehr akut und tödlich ver¬
laufende Vergiftung erzeugen, welche besonders jungen
und glatthaarigen Hunden verderblich wird.“
Rohrs Erklärung dieses Vorgangs ist etwa folgende:
Wenn die Hunde die Brennesseln durchstreifen, dann dringen
die Brennborsten in die Haut ein (besonders am Bauch und
den Sohlen) und erzeugen dort sofort ein brennendes Gefühl,
das unerträglich werden kann und die Hunde zum Lecken ver¬
anlaßt. Dadurch gelangen die Brennborsten in die Rachenhöhle
und lösen dort eine heftige, bis über den Pharynx reichende
Entzündung aus; auch die oberen Luftwege werden unter
Umständen (man denke an das keu¬
chende Atmen der eifrig suchenden
Hunde während der heißen Sommer¬
monate !) von den Brennborsten besät,
ihre Schleimhaut schwillt an, die Re¬
spiration wird mühsam, es tritt
Dyspnoe und Asphyxie ein.“
Dieser kurze Erklärungs¬
versuch Rohrs scheint mir mi߬
raten zu sein; so einfach ist
der Mechanismus der Brenn-
nesselvergiftung nicht. Ich will,
bei allem schuldigen Respekt vor
einem „Veterinaire-major“ und einer
„Faculte de Medecine“, den Versuch,
wagen, eine bessere Erklärung zu
geben und beginne mit der Betrach¬
tung des anatomischen Baues der
„Brennborste“:
Die als feines haarförmiges Ge¬
bilde erkennbare Brennborste sitzt
dem Blatt (Stengel) der Brennessel
nur ganz lose auf, indem eine Schicht
von zwei Zellenlagen die ganze Ver¬
bindung herstellt; es ist ja einleuch¬
tend, daß diese Verbindung beim
leichtesten Druck stengelabwärts
zerreißen muß. Stengelabwärts! Denn
geschieht der Druck in der Richtung stengelaufwärts, dann legt
sich die Borste, wie aus ihrer Stellung in sehr spitzem Winkel
zum Stengel hervorgeht, an diesen ohne abzubrechen an und
Brennborate der „Urtica dioica 4 *.
(Vergrößerung: 85 mal.)
a) Obere Zellschichte dea Bronn*
neaselblattes;
b) Dünne Verbindung der Brenn¬
borate (B) mit dem Blatte;
c) Blaaenförinige Anschwellung
der Brenuborste, in welcher
sich ein flüssiges Gift befindet;
d) Kanal der Brennborate;
e) Knöpfehenförmiger Verschluß
der Brennborate.
Köpfchen der Bronn¬
borate (150 mal vergr.)
Bei a Einknickung,
welche das Abbrechen
bedingt.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
richtet sich wieder auf. sobald der Druck nacbläßt. Erleichtert
wird dieses Abbrechen wesentlich durch den Umstand, daß die
Borste stark „verkieselt“ ist und dadurch einen hohen
Grad von Sprödigkeit besitzt. Dieser Kieselgehalt ist ferner
wichtig, weil er der Spitze den Charakter einer
„Schneide“ verleiht und sie befähigt, leicht in die
Haut einzudringen.
An der Stelle, wo das Köpfchen der Brennborste, diese ab-
und verschließend, aufsitzt, ist seine Wand durch eine Ein¬
knickung so stark verdünnt, daß es abbrechen muß,
sobald es in die Haut eingedrungen ist. Dadurch wird
der Kanal (denn einen solchen stellt die Brennborste
dar) geöffnet und der Inhalt, welcher in Form einer
klaren Flüssigkeit die blasenförmige Anschwellung
anfüllt, ergießt sich in die Wunde.
Das ist der Mechanismus der Brennesselvergiftung; er
ist einfach und klar. Um so komplizierter ist der Chemismus.
Man weiß schon lange, daß die Brennessel „Ameisen¬
säure“ enthält. Allein diese ist nur der eine Bestandteil des
Giftes, welches die blasenförmige Anschwellung in sich birgt.
Und zwar ist sie der harmlosere Bestandteil. Sie verursacht I
das „brennende“ Gefühl, welches mit dein Stich der jungen,
im Saft stehenden Brennessel verbunden ist. Ältere Triebe
scheinen das Vermögen der „Giftabsonderung“ verloren zu haben
und ungefährlich zu sein. Wenn man aber die außer¬
ordentlich heftige Reaktion erwägt, welche schon der
Stich einer einzigen Brennborste hervorruft, wenn
man ferner bedenkt, daß dabei nur der Inhalt der
blasenförmigen Anschwellung, d. h. eine winzige, nicht
mehr meßbare Menge für diese heftige Reaktion ver¬
antwortlich ist, dann muß man zu dem Schluß kommen,
daß dabei noch ein außerordentlich heftiges Gift mitwlrken muß,
ein Gift, das schon in kleinster Dosis heftige Ent¬
zündung hervorrufen kann. Und in der Tat hat die ver¬
gleichende Forschung der Pflanzenchemie festgestellt, daß neben
der Ameisensäure noch ein dem Schlangengift nahe ver¬
wandtes, mit ihm vielleicht identisches Ferment
(Enzym) in der klaren Flüssigkeit der blasenförmigen
Anschwellung enthalten ist. Und dieses Ferment verursacht
die heftige Entzündung, welche man sich durch die Einwirkung
der Ameisensäure ja niemals erklären könnte. Nun wird uns
begreiflich, daß unter den Tropen (ganz wie bei den Schlangen)
die Brennesseln (z. B. die Urtica Stimulans in Java oder die
Urtica crenulata in Indien und vor allem die Urtica mentissima
auf Timor) die heftigsten Symptome auslösen, welche direkt an
Schlangenbisse und ihren Folgen erinnern und kaum weniger
gefährlich und gefürchtet sind, da sie unter Starrkrampf¬
erscheinungen in kurzer Zeit zum Tode führen.
Damit ist auch das Wesen der Brennesselvergiftung er¬
klärt. Nicht die lokale, durch die Reizung der Borsten als
solche bedingte Entzündung führt zum Tode, nicht durch die
Anschwellung der Luftwege kommt es zur Asphyxie. Diese
Vorstellung ist zu naiv, als daß sie den Ansprüchen der
Wissenschaft genügen könnte. Es handelt sich vielmehr
um eine allgemeine Vergiftung, bedingt durch das
Eindringen eines furchtbaren Giftes in den Saftstrom
des Körpers.
Ist die Brennessel Vergiftung häufig? Eine Frage, die ich
nicht beantworten kann. Dem Tierarzt, der in ruheloser, mühe¬
voller, schlechtlohnender Praxis seine beste Kraft verbrauchen
muß, ist selten der Luxus einer wohlausgestatteten Fach¬
bibliothek möglich. In der mir zur Verfügung stehenden
Literatur finde ich nichts, was zur Beantwortung meiner Frage
dienen könnte. Ich muß also annehmen, daß die Brennessel-
vergiftung selten ist, oder, was der Wahrheit sicherlich näher
kommt, daß sie selten als solche erkannt wird.
Man wird in den meisten Fällen bei einiger Aufmerksam¬
keit erkennen, daß eine Vergiftung vorliegt; doch wird man bei
der Anamnese und dem Sektionsbefund vor einem Rätsel stehen.
Ich erinnere mich einiger solcher Fälle, in denen ich bei Jagd¬
hunden nicht imstande war, den Charakter des Leidens und
seine Ätiologie zu bestimmen. Sie haften lange im Gedächtnis,
weil man stets wieder auf sie zurückkommt und sich in Gedanken
mit ihnen beschäftigt. Wenn ich von einem Falle absehe, der
mir 1889 als neugebackenem Tierarzt vorkam und sicherlich
Brennesselvergiftung war, ist es besonders ein Vorkommnis, auf
welches jetzt durch die Anregung Rohrs ein Licht fällt, welches
ich bis jetzt dafür vergeblich gesucht habe. Ein junger (acht
Monate alter) Teckel wurde mir nach der Jagd in moribundem
I Zustand gebracht, mit der Angabe, das Tierchen habe fleißig
gesucht und sei bis zum Mittag am Rendezvousplatz noch ganz
munter gewesen. Um 5 Uhr habe man es vermißt. Da der
Tag sehr heiß war (September), habe man ihm an einem Fuchs¬
bau, an welchem die letzte Jagd Btattgefunden hatte, nach¬
gespürt, in der Annahme, es sei müde geworden. Gegen 6 Uhr
brachten es Bauern; sie hatten den Hund auf einem Feld liegend
angetroffen, er konnte sich nur taumelnd bewegen und war von
Krämpfen geschüttelt, d. h. er fiel stets auf die Seite.
Ich fand den Patienten tieberlos (38,3), er liegt am Boden
und hat anscheinend die Herrschaft über seine Muskeln verloren.
Die Pupille ist ad maximum erweitert, der Blick starr; der Kopf
kann nicht willkürlich aufgerichtet werden und fällt, wenn man
ihn aufhebt, „wie ein Klotz zu Boden“ und beharrt dann in der
Lage, die er gerade einnimmt. Krämpfe sind nicht vorhanden.
Aus dem Maul spinnt sich ein glasiger Schleim. Die Atmung
ist verlangsamt und wird während der Untersuchung immer
langsamer, bis nach 15 Minuten der Tod eintritt.
Die Sektion ergab: Die Schleimhaut der Rachenhöhle bis
zum Pharynx ist diffus höher gerötet und leicht geschwollen.
Schlund- und Magenschleimhaut vollkommen normal. Beide
Lungen im Zustand einer starken Kongestion; der Herzbeutel
enthält auffallend viel Wasser. Sonstige Veränderungen be¬
standen in Brust-, Bauch- und Beckenhöhle nicht. Leider wurde
das Abhäuten des Hundes nicht gestattet; ebensowenig eine
Einsendung des Kadavers an ein Laboratorium. Als Ursache
nahm man eine „Vergiftung mit einer ätzenden Substanz“ an,
dachte auch daran, ob der Hund nicht vielleicht „giftige Raupen
gefressen haben könnte“. In meinem Tagebuch, in das ich
während der Sektion den Befund eintrug, steht die Bemerkung:
„Todesursache sicherlich eine Vergiftung. Aber welche? Vielleicht
ein Schlangenbiß!?“
Der Artikel Rohrs hat mich eine Woche lang angenehm
und anregend beschäftigt. Ich bin nun sicher, künftighin in
einem so zweifelhaften Fall die Möglichkeit einer Brennessel¬
vergiftung nicht zu übersehen. Und dafür dürfen wir dem
französischen Kollegen aufrichtig danken, daß er uns wieder
auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht hat, wenn auch seine
Erklärung das Wesen der Krankheit nicht entschleierte.
23 April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
21)9
Zum Sehluß ein Wort Uber die eventuell einznsclilagende
Therapie:
Ich würde neben Exzitantien (Kampfer subkutan) auch Kali
hvperraanganicum per os (lproz. Lösung) versuchen.
Aus dem Veterinärinstitut der Universität Breslau.
(Direktor Prof. Dr. Casper.)
Ein Fall von Blasensteinbiidung beim Wallach,
kompliziert mit eiterig-diphtheritischer Cystitis.
Von Erich Hleronymi, II. Assistent.
Am 14. September 1907 wurde in die Klinik des hiesigen
Veterinärinstitutes ein Pferd eingeliefert mit der tierärztlichen
Diagnose Blasensteinbildung.
Die Anamnese ergab, daß das Pferd, Wallach, Halbblut,
ca. 7 Jahre alt, seit ungefähr einem halben Jahr bei angestrengter
Arbeit in schnellerer Gangart lebhaften Harndrang mit schmerz¬
haftem, tropfenweisem, blutigem Harnabsatz zeigt, also die
Erscheinungen der Dysurie und Strangurie. Während der Stall¬
ruhe, die dem Pferde häufig gegeben werden mußte, weil es
nach einem derartigen Anfall arbeitsunfähig war, wurden
Störungen im Harnabsatz und Veränderungen der Harnbeschaffen¬
heit nicht beobachtet. Ein vom Besitzer zugezogener Tierarzt
konstatierte Steinbildung in der Harnblase. Das Pferd wurde
auf seinen Rat der hiesigen Klinik zur Operation überwiesen.
Der Aufnahmebefund ergab gutgenährtes Pferd mit gesunden
Organen.
Die Lokaluntersuchung der Harnblase wurde durch rektale
Palpation vorgenommen. Nach Einführung der Hand bis ungefähr
zur Mitte des Vorarmes in den Mastdarm, fühlt man durch
dessen untere Wand die schlaffe, halbgefüllte, fluktuierende
Harnblase. Bei streichender Bewegung unter leichtem Druck
auf die nicht verdickte Blasenwand, ist unter der Hand ein
harter, kugliger, sehr leicht verschiebbarer Körper fühlbar.
Bisweilen entgleitet er der tastenden Hand und ist erst nach
längerem Suchen wieder palpabel. Mit dem benachbarten Gewebe
scheint er nicht im Zusammenhänge zu stehen. Die Größe und
Form dieses frei beweglichen Körpers ist ungefähr die eines
Hühnereies, die Konsistenz knochenhart. Die Beschaffenheit
der Oberfläche ist nicht zu eruieren. Schmerzen sind bei Druck
nicht auszulösen.
Die Diagnose lautete Harnblasenstein.
Die am nächsten Tage vorgenommene Operation wurde am
liegenden Tier, Rückenlage, in Chldralhydratnarkose, intravenös
40 g, kombiniert mit Chloroform, ausgeführt und zwar als
Sectio perinealis. Nach Füllung der Blase mittelst Katheters
mit warmer Lysollösung, 0,25:100,0, wurde nach der üblichen
Methode verfahren, die Harnröhre vom Perineum aus geöffnet,
und so der Zugang in das Blaseninnere erschlossen. Zunächst
wurde die Extraktion des Steines in toto angestrebt, und zwar
wurde dazu eine Geburtszange für kleinere Haustiere an¬
gewendet. Da der Stein sich aber zur Totalextraktion als zu
groß erwies, mußte die Lithotripsie in der Blase vorgenommen
werden. Es gelang, mit der Zange den Stein in mehrere
haselnußgroße Stücke und zahlreiche kleinere Stückchen zu zer¬
trümmern, die partiell entfernt werden konnten. Zur besseren
Fixierung des Steines wurde bei der Zertrümmerung ein Gegen¬
druck vom Mastdarm aus mit der Hand ausgeübt. Die Blase
wurde während der Operation ständig leicht gefüllt erhalten.
Nach der Entfernung des Steines wurden die kleineren Stein¬
partikel durch Spülung aus.der Blase herausgeschwemmt. Nach
Beendigung der Operation, die ungefähr lVa Stunden dauerte
und die der 1. Assistent, Herr Dr. Wölfel, ausführte, wurde die
Wunde desinfiziert, aber nicht genäht, da beabsichtigt war,
tägliche Blasenspülungen zur Nachbehandlung vorzunehmen, die
sich, im voraus bemerkt, über 28 Tage post operationem
erstreckte.
Das Allgemeinbefinden des Patienten entsprach in den
nächsten Tagen nach der Operation der Schwere des Eingriffes
und der gleich zu beschreibenden, den Heilungsverlauf protra-
hierenden Cystitis. Die Futteraufnahme war vollkommen sistiert,
Patient nahm nur Kleientränke zu sich. Die Temperatur be¬
wegte sich zwischen 38.G 0 —39.6 11 C. Der Puls war dauernd
gut, kräftig; seine Schlagzahl belief sich nie auf mehr als
50 Schläge in der Minute.
Da beobachtet wurde, daß bei täglich einmal ausgeführter
Blasenspülung regelmäßige abendliche Fieberexacerbationen auf¬
traten, w'urde zu einer zweimal am Tage vorgenommenen
Irrigation geschritten,* mit dem Erfolge, daß die Temperatur
nicht mehr über 38.0" C stieg.
Der Harn wurde durch die Operationswunde häufig in
kleinen Mengen unter Stöhnen und Drängen des Patienten ab¬
gesetzt. Aus der Harnröhrenmündung floß der Harn beim
Urinieren nur tropfenweise ab. Die Harnuntersuchung ergab
folgendes Bild:
Die Konsistenz des dunkelgelben, nicht übelriechenden Harnes
ist dickschleimig. Beim Ausgießen ist er nicht nur fadenziehend,
es fließen über den Rand des Untersuchungsgeflißes förmliche
Gallertklumpen ab. Es besteht eine diffuse, flockige, gelblich¬
graue Trübung, die von blutigen Streifen durchzogen ist.
Suspendiert sind im Harn kleine bräunliche Gewebsfetzen,
Schleimklümpchen und sandkorngroße Steinreste. Beim Zentri¬
fugieren des Harnes läßt sich in der Spritze des Zeutrifugen-
röhrchens eine gelblichweiße Schicht gewinnen, die sich bei
mikroskopischer Betrachtung als aus weißen Blutkörperchen
bestehend erweist. Über dieser Schicht lagert ein roter Streifen,
der aus Erythrocyten besteht. Im ungefärbten Präparat sieht
man unter dem Mikroskop fast nur Leukocyten und rote Blut¬
körperchen, ganz vereinzelt Plattenepithelien. Das mit Methylen¬
blau tingierte Trockenpräparat zeigt Unmengen von Staphylococcen
und kurzgliedrigen Streptococcen, die extracellulär liegen. Die
Reaktion des Harnes ist sauer, das spezifische Gewicht beträgt 1035.
Die Untersuchung auf Eiweiß wurde absichtlich unterlassen, da
der positive Ausfall der Reaktion kein Beweis für Albuminurie
gewesen wäre, sondern nur eine Albuminuria spuria vorge¬
täuscht hätte.
Zur Behandlung dieser die Operation komplizierenden
Cystitis purulenta et dipktheritica wurden zur Lokalbehandlung
Lysolirrigationen 0,25: 100,° von ca. 35° C ausgeführt. Nach
vier Tagen wurde nach dem Vorgänge Gmeiners zur Spülung
mit Hydrargyrum oxycyanatum 0,5:1000,° übergegangen, das
nach 20 tägigem Gebrauch, als die Eiterabsonderung der Blasen¬
schleimhaut sich verringert hatte, mit Kalium permanganicum
1:1000 vertauscht wurde. Gleichseitig wurde eine interne
Medikation eingeleitet zum Zweck der Desinfektion der Harn¬
wege und des Harnes und um der Gefahr einer oscendierenden
300
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
Nephritis vorzubeugen. Eß wurde das ebenfalls von Gmeiner
vorgeschlagene Hexamethylentetramin (Urotropin) verabreicht
und zwar in Gaben von 10 g pro die. Die Behandlung der
Operationswunde erstreckte sich auf Waschungen mit dem jeweils
benutzten Blasendesinficiens. Im Anfang wurden die Wund¬
ränder zur Anregung der Granulationen leicht mit Jodtinktur
touehiert.
Die täglich vorgenommenen Harnuntersuchungen ergaben
im Verlauf der nächsten vier Wochen ein deutliches, wenn auch
ganz allmähliches Abklingen der Cystitis. Die Zahl der Leukc-
cyten nahm ab; es traten im mikroskopischen Bild vereinzelte
polygonale Plattenepithelien um die der tieferen Epithelschicht
der Blasenschleimhaut angehörigen geschwänzten Ephithelzellen
auf. Nierenepithelien oder Zylinder wurden nie gefunden. Die
(,'occen im gefärbten Deckglaspräparat verschwanden und lagen
größtenteils intracellulär, ein Zeichen, daß eine lebhafte Phago-
cytose eingesetzt hatte.
Mit dem Fortschreiten der Heilung des Blasenkatarrh
besserte sich auch der Allgemeinzustand und der Appetit stellte
sich wieder ein. Die Verabreichung von Urotropin wurde, als
Patient im ganzen 200 g erhalten hatte, ausgesetzt, da sich
wiederholt Aufregungserscheinungen einstellten, die mit
Depressionserscheinungen (dummkollerartigem Benehmen) ab¬
wechselten und die vielleicht mit der Urotropinbehandlung in
Zusammenhang zu bringen waren.
Die äußere Wunde zeigte von Anfang an gute Heilungs¬
tendenz. Eine R. aktion der Wunde gegen die ständige Be¬
spulung mit Harn wurde in keiner Weise beobachtet. Nach
30 Tagen hatten sich die Harnröhrenöffnung und die Hautwunde
so weit geschlossen, daß gerade noch ein Katheter (zum
menschenärztlichen Gebrauch Nr. 21) eingeführt werden konnte.
Vier Tage vor der Entlassung des Patienten wurde von
jeder Behandlung abgesehen und nur die Harnbeschaffenheit
geprüft, um das Heilresultat feststellen zu können. Der Harn
wurde jetzt nur noch durch die Harnröhrenmündung abgesetzt,
er reagiert alkalisch, besitzt die normalen Durchsichtigkeits¬
verhältnisse, enthält keine Albuinen, keine Leukozyten und roten
Blutkörperchen, selbst nach längerem Zentrifugieren nicht.
Nierenelemente fehlen, spezifisches Gewicht 1036. Eine genaue
Untersuchung der Harnblase per rectum wies keine Konkremente
mehr in ihr nach.
Die extrahierten Stücke des Blasensteines zeigten eine
warzige, zerklüftete, korallenartige Oberfläche von schmutzig
graubrauner Farbe, so daß man nach Beurteilung der Oberfläche
den Stein als Oxalatstein aussprechen konnte. Jedoch war die
Konsistenz brüchig. Eine Schlichtung war auf der Bruchfläche
nicht nachzuweisen. Die chemische Untersuchung des Steines
ergab als Hauptbestandteil, zu 85 Proz., kohlensauren Kalk.
Patient wurde nach einer Krankheitsdauer von 35 Tagen
als geheilt entlassen.
Der Fall erscheint insofern interessant, als die mit kopiöser
Eiterabsonderung, Blutung und Diphtherie der Schleimhaut ver¬
laufenden Cystitiden nur selten eine restituto ad integrum zeigen,
sondern entweder zur Chronizität und Komplikation mit Nephritis
neigen und unheilbar sind, oder schnell zum Exitus letalis durch
Sepsis führen.
Bericht über die erzielten Erfolge mit dem Hunde¬
staupeserum von dem Pharmazeutischen Institut
L. W. Gans in Frankfurt a. M.
Verfaßt von Fr. Dvof&'ek, Amtstierarzt der Künigl. Hauptstadt Prag.
1. Am 5 September 1. J. bekam ich einen 5 Monate alten
deutschen Vorstehhund in Behandlung. Die Körpertemperatur
war 41,7° C, Puls auf 160 und das Atmen geschah oberflächlich
in 90 Zügen. Der Perkussionsschall war beiderseits in den
unteren Partien fast tympanitiscli, in den oberen überlaut. Die
Auskultation ergab in den unteren Partien der Lunge ein
unbestimmtes, in den oberen ein verschärftes Atmen und unten
waren zahlreiche klein und mittelblasige, feuchte Rasselgeräusche
zu hören. Der Hund lag vollkommen teilnahmlos, hatte bereits
vier Tage nichts gefressen und litt sehr an einem starken und
übelriechenden Durchfall.
Diagnose: Katarrhalische Hundestaupe im sehr vorgeschrittenen
Stadium. Der Hund wurde an selbem Tage mit 10 ccm Hunde¬
staupeserum geimpft und bekam außerdem einstündlich einen
Kaffeelöffel von Pepsini 1,0, acidi muriatici 3,0, aq. foeniculi
200,0 und syrup. rubi idaei 30 g. Am folgenden Tage früh war
K. T. gesunken auf 40,5 ll C, P. auf 140 und das Atmen auf 60.
Dem Hunde gab man einige Löffel Rindsuppe mit Eidotter.
Nachmittags zeigte der Hund Freßlust und bekam etwas geschabtes
Rindfleisch mit Eidotter gemischt. Durchfall hat ein wenig
nachgelassen und K.T, war 41° C, Puls und Atmen wie vor¬
mittags. Über Nacht hat sich der Gesundheitszustand des
Hundes bedeutend gebessert, K.T. sank auf 39,2° C, P. 120 und
A. 50. Der Hund bewegte sich, zeigte bedeutende Freßlust
und bekam deshalb dreimal im Tage geschabtes Rindfleisch
mit Eidotter und einen Liter guter abgekochter Milch als
Getränk. Sein Gesundheitszustand besserte sich zusehends und
am folgenden Tage waren die Krankheitserscheinungen fast voll¬
kommen verschwunden; Puls, K.T. und A. fast normal, nur ein
schwacher, mit Auswurf verbundener Husten war noch zugegen.
Der Hund wurde gefuttert wie gewöhnlich mit Reissuppe und
einem Stück gekochtem Rindfleisch nebst Grünzeug, was er
hastig aufnahm, und wurde am selben Tage aus der Behandlung
entlassen.
Der durch diesen sehr guten Erfolg überraschte Eigentümer
ließ seine weiteren zwei Welpen, welche bereits einen Mangel
an Freßfust zeigten und an Hustenanfällen und Verstopfung
litten, auch mit dem Staupeserum impfen und teilte mir drei
Tage nach der Impfung mit, daß alle seine Hunde vollkommen
gesund seien.
2. Ein Foxterrier-Rüde, acht Monate alt, war mit sehr
starker nervöser Staupe behaftet. Selbiger lag vollkommen im
Hinterteile gelähmt da. Puls war sehr schwach, kaum fühlbar,
das Atmen ziemlich langsam und die Körpertemperatur 39,5° C.
Da der Eigentümer den Hund nicht impfen lassen wollte, ver-
ordnete ich Bromnatrium, B. Ammonium und B. Kalium ää 5 g
in 200 g aq. foeniculi gelöst, jede Stunde ein Kaffeelöffel dem
Hunde zu geben, das Hinterteil mit Kampferspiritus einzureiben
und mit Prießnitzumschlägen zu bedecken. Diese Behandlung
wurde durch zwei Tage fortgesetzt, aber ohne jeden sichtbaren
Erfolg. Deswegen benutzte ich am dritten Tage die Ab¬
wesenheit des Eigentümers und impfte den Hund mit 10 ccm
Staupeserum. Der Erfolg war überraschend. Am nächsten
Tage machte der Hund bereits Versuche aufzustehen und nahm
23. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
801
auch etwas rohes geschabtes, mit Eidotter gemengtes Rindfleisch
auf. Am folgenden Tage nachmittags war er bereits imstande, ■
sich zu erheben, konnte aber noch keine Bewegung machen.
Deshalb impfte ich ihn noch einmal mit 10 ccm Staupeserum.
Am nächsten Tage nach der zweiten Impftmg nachmittags ging
der Hund bereits im Zimmer — obzwar er dabei noch ein wenig
im Hinterteile schwankte — herum und zeigte große Freßlust
und erhöhte Aufmerksamkeit. Mit der Angabe, wie er zu füttern
und pflegen sei, ließ ich den Hund aus der Behandlung, und,
wie mir der Eigentümer vor kurzer Zeit mitteilte, ist der Hund
jetzt vollkommen gesund, nur beim stärkeren Laufen oder beim
Springen zeigt sich bei ihm noch eine gewisse Schwäche im
Hinterteile.
3. In diesem Falle erzielte ich mit dem Staupeserum keinen
Erfolg. Am 10. September 1. J. bekam ich einen drei Monate
alten Collie in Behandlung, welcher fast am ganzen Körper
gelähmt, jede halbe Stunde sehr starke Krämpfe bekam. Der
Überbringer teilte mir mit, daß der Hund schon länger als drei
Wochen krank liege, und, weil ich damals auf Urlaub war,
er ihn von einem anderen Kollegen behandeln ließ, welcher aber
jede Hoffnung auf seine Genesung aufgab. Aus den mir vor¬
gewiesenen Rezepten entnahm ich, daß die Behandlung aus¬
schließlich in der Verabreichung von Brompräparaten bestand.
Nach der durchgeführten Untersuchung sagte ich dem
Überbringer offen, daß auch von der Impfung mit Staupeserum
kein günstiger Erfolg zu erwarten sei, und, nachdem der Be¬
treffende den Hund doch geimpft zu haben wünschte, impfte ich
ihn mit 10 ccm Staupeserum, aber der Hund verendete am
selben Tage abends unter starken Krämpfen.
Dieser Mißerfolg ist aber nur dem sehr vorgeschrittenen
Krankheitszustande zuzuschreiben.
4. Noch über einen ungünstigen Erfolg muß ich berichten.
Am 30. September 1. J. wurde ich zu einem sechs Monate alten
Irishsetter gerufen und konstatierte bei ihm sehr umfangreiche
beiderseitige Lungenentzündung. Auf die Frage, warum ich
erst so spät gerufen werde, teilte mir der Eigentümer mit, daß
der Hund bereits 14 Tage krank und in der Behandlung eines
Tierarztes sei, welcher aber nur Diät anordnete und demselben
gewisse Tropfen gab. Der Gesundheitszustand des Hundes
verschlimmerte sich trotz dieser Behandlung so, daß der Kollege
jede Hoffnung auf Genesung aufgab und den Eigentümer zu
mir schickte, um den Hund mit Staupeserum zu impfen. Dem
Wunsche des Eigentümers Folge leistend, obzwar ich ihn auf
die Erfolglosigkeit der Impfung nach der durchgeführten Unter¬
suchung des Hundes aufmerksam machte, impfte ich den Hund
noch am selben Tage mit 10 ccm Staupeserum. Der Hund
verendete aber in der darauffolgenden Nacht. Bei der Sektion
fand ich beiderseitige Lungenentzündung im Stadium der
grauen Hepatisation und in den ergriffenen Lungen zahlreiche
Eiterknoten, deshalb kam ich zu der Überzeugung, daß der
Hund von Anfang an schlecht behandelt war, denn wenn nur
diejenigen Medikamente und Maßnahmen, welche bei der Lungen¬
entzündung gewöhnlich angewendet werden, in diesem Falle
benutzt worden wären, hätte sich niemals der Krankheitsprozeß
so entwickeln können, wie bei diesem Hunde. Ich bin über¬
zeugt, daß auch bei dieser Form der Staupe eine zur richtigen
Zeit durchgeführte Impfung mit dem Staupeserum von gutem
Erfolg begleitet gewesen wäre, wie aus dem folgenden Falle
zu ersehen ist.
5. Am 13. Oktober 1. J. wurde ich zu einem 9 Monate alten,
kurzhaarigen deutschen Vorstehhund gerufen, welcher bereits
6 Tage nichts gefressen hatte, vollkommen teilnahmlos lag und
an einem starken, oft mit Blut gemischten Durchfall litt. Bei
der Untersuchung konstatierte ich Hundestaupe und zwar zugleich
gastrische und pulmonale Form, hauptsächlich äußerte sich
letztere in beiderseitiger Lungenentzündung im Stadium der
Hepatisation. Ich impfte den Hund sofort mit 10 ccm Staupe¬
serum und verordnete zweistündlich einen Kaffeelöffel 3 g tinct.
digitale gelöst in 150 g aq. foeniculi, nachdem zuerst dem
Hunde mit Zucker 0,1 g Kalomel gegeben wurde. Am. nächsten
Tage* zeigte sich in der Lunge eine bedeutende Besserung, der
Hund nahm etwas rohes, geschabtes, mit Eidotter gemengtes
Fleisch auf und trank etwa l U Liter Milch. Nur um. eines guten
Erfolges gewiß zu sein, impfte ich diesen Hund noch einmal
mit 10 ccm Staupeserum. Bei der Untersuchung am nächsten
Tage war die Resorption in der Lunge sehr weit vorgeschritten
und die Magen- und Darmaffektion bereits vollkommen ver¬
schwunden. Der Hund ging im Zimmer lustig herum und zeigte
eine sehr gute Freßlust, so daß ich ihn aus der Behandlung
entlassen konnte.
Die übrigen Dosen des Staupeserums habe ich zur Schutz¬
impfung von Welpen verwendet und kann berichten, daß bis
jetzt keine von ihnen auch nicht kleinste Symptome der Staupe
gezeigt haben.
Aus den Erfolgen, die ich mit dem .Staupeserum, welches
ich von dem Pharmazeutischen Institut L. W. Gans in Frank¬
furt a. M. bezogen, erzielt habe, kann ich schließen, daß selbes
ein vorzügliches Heil- und Schutzmittel gegen alle, hauptsächlich
aber gegen die katarrhalische Form der Hundestaupe bietet.
Eins muß nur beachtet werden! Auf die vollkommene Genesung
eines mit der Staupe behafteten Hundes kann man nur dann
mit Bestimmtheit rechnen, wenn die Impfung so bald als möglich
im Anfangsstadium der Krankheit vorgenommen werden kann.
Aber auch vernachlässigte Fälle der katarrhalischen Hunde¬
staupe lassen sich mit diesem Serum bewältigen, w r enn man die
Impfung wiederholt.
Durchschlagender Erfolg mit keimfreiem Schweine¬
seuchebazillenextrakt.
Von Tierarzt Pfeil-Lechenich.
Ich möchte hier über eine neue Impfmethode bei Schweine-
seuche berichten, die ich in der Lage war auszuprobieren und
die, richtig angewendet, mir von der gleichen Sicherheit zu
sein scheint, wie die Rotlauflmpfung.
Der Schweinebestand, in welchem geimpft- wurde, hatte
schon lange Zeit sehr stark unter Schweineseuche zu leiden.
Abgesehen davon, daß im Anfang ältere Schweine vereinzelt
daran eingingen, erkrankten die jungen Tierchen regelmäßig
unter den typischen Erscheinungen der verheerenden Seuche
und zwar so, daß viele in der ersten Lebenswoche plötzlich
eingingen, oder daß die meisten nach zirka 4— 5 Wochen oder
schon früher unter Husten und Abmagerung den bekannten
HautauBSchlag bekamen und trotz guter Fütterung kümmerten.
Am 30. Juli 1907 wurden 7 Stück 3 Tage alte Schweinchen
mit polyvalentem Schweineseucheserum und keimfreiem Schweine¬
seuchebazillenextrakt (beides von dem pharmazeutischen Institut
Ludwig Wilhelm Gans) geimpft, zwei Konfrontiere, die
302
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
weder Semm noch Extrakt 'bekommen hatten, erkrankten nach
4—5 Wochen an dem chronischen Ekzem, hasteten and kümmerten,
wie die zuvor nicht geimpften, während die geimpften alle
gesund blieben und gut voran gingen.
Am 27. September wurden 19 Stück,
„ 4. Oktober „ 9 „
» ,, ,, 11 ,,
„ 11. Dezember „ 6 „
wie vorstehend geimpft, die alle gesund blieben.
In die Zeit vom 15. Oktober bis 11. Dezember fielen zwei
Würfe, die der Besitzer nicht impfen ließ; dieselben erkrankten
sofort unter den typischen Erscheinungen der chronischen
Schweineseuche, einige davon gingen in den ersten Lebens¬
wochen ein.
Aus diesen Impfversuchen geht zur Evidenz hervor, daß
diese neue Impfmethode den jungen Tierchen einen sicheren
Schutz gegen die Ansteckung der Schweineseuche verleiht und
dürfte mit diesem Fortschritt der Schweineseuche der Schrecken
genommen sein.
Berichtigung.
In dem Originalartikel „Aus der Praxis für die Praxis“ von
Zieger in Nr. 15, S. 268, muß es im dritten Absatz der rechten Spalte
heißen: Bei diesem tritt die stille Wut (Erethisie), bei jenem die
Tobsucht und Raserei in den Vordergrund. S. 269 im 4. Absatz
der linken Spalte ist ein Wort ausgefallen und ein Druckfehler —
anstatt Brust — Brüste — unterlaufen. Es muß dort heißen: Ich
beobachtete zu wiederholten Malen, daß Kühe, denen ich wegen
beängstigenden, starken Drängens bei Retensio secundinarum Chloral-
bydrat in Leinschleim per os in Dosen von 50,0—75,0 eingeben ließ,
bei der nachfolgenden Schlachtung zahlreiche, flächenhafte, sub¬
seröse Blutungen und ikterische Färbung der serösen Auskleidung
der Brust- und Bauchhöhle zeigten. Desgleichen muß es heißen
wie im gleichen Absatz vorher: In partu anstatt in parto. S. 269
rechte Spalte ist Verwöhnung anstatt Verwährung des natürlichen
Bornes der Muttermilch gedruckt worden.
Referate.
Allgemeine Betrachtungen Aber die Darmentzündungen.
Von
Prof. Cadöac.
(Journal de Lyon. 30. September 1907.)
Die Darmentzündungen sind entweder partielle oder meistens
generelle Entzündungen der Darmschleimhaut, von denen erstere
das Werk von Parasiten oder Fremdkörpern, letztere dasjenige
von Bakterien oder ihren Toxinen sind. Die verschiedenen
reizenden Gifte haben ihre Wirkung größtenteils schon ein¬
gebüßt, bis sie in den Darm gelangen, so daß die Darmepithelien
nur oberflächlich von ihnen affiziert werden, aber doch noch so,
daß sie den Boden für sekundäre Infektionen vorbereiten,
nämlich für die toxisch-infektiösen Darmentzündungen. Die
Pflanzengifte bringen es gewöhnlich zu einer allgemeinen Ver¬
giftung, die sich mehr auf das Nervensystem, als auf den Ver¬
dauungsapparat erstreckt. Die Hauptrolle bei der Darment¬
zündung spielen die Bakterien, die sich, sobald der Boden
durch Fremdkörper, Parasiten, Gifte usw. vorbereitet ist,
ansiedeln.
Physiologisch ist der Darm gegen diese Eindringlinge gut
geschützt; das Epithel, der reichlich sezernierte Schleim, die
antiseptisch wirkende Galle, der reiche Lymphapparat der Darm-
schleimhaut, die Phagozythen und die Darmperistaltik, welche
die reizenden Stoffe schnellstens fortzuschaffen sucht, leisten den
im Darm so massenhaft vorhandenen Bakterien den Haupt¬
widerstand. Diese leben hier gewöhnlich als ganz harmlose
Saprophyten und ist es eine physische, chemische oder dynamische
'Störung des Organismus, die es ihnen ermöglicht, in ihn ein¬
zudringen. Erkältung, reizende Mittel, wie der Brechweinstein,
Entkräftung durch Überarbeitung schwächen die den Bakterien
entgegenstehenden Schutzmittel ab und lassen so die Tür für
die Darmentzündungen und ihre Folgen, die Allgemeininfektionen,
auf. Organische und nervöse Störungen, Verstopfüngen und
Darmverlagerungen bilden die Ursache der Einwanderung der
Keime vom Darm aus in den Organismus, der, obwohl fort¬
während von ihnen bedroht, doch so lange Sieger bleibt, als
nur eine geringere Zahl in ihn eindringt. Wird er aber von
ihnen überschwemmt oder liegt der Phagozythismus darnieder,
so muß er unterliegen.
Mit dem Alter des Tieres verlieren die Darminfektionen an
Intensität, d. h. sie treten um so heftiger auf, je jünger das
Tier ist; es scheint sich daher der Organismus an die von ihm
beherhergten Keime zu gewöhnen. Die Akklimatisation ist
nichts anderes als die Angewöhnung des Menschen oder des
Tieres an die Bakterien eines Landes.
Als Bakterienflora des Darms kommen folgende vier
Familien hauptsächlich in Betracht: die Staphyloooccen, die
Streptococcen, die Kolibazillen und das bipolare Bakterium, zu
welchem sich noch der NekroBebazillus gesellen kann. Alle
diese hausen gewöhnlich als Saprophyten, sind aber jederzeit
bereit, auch pothogen zu wirken und ist die Enteritis das erste,
aber nicht das einzige Anzeichen dieser Änderung, denn sie
durchwandern auch den Darm und können Läsionen in allen
Organen hervorrufen. Oft auch durchwandern sie den Darm
ohne gerade eine hochgradigere Entzündung darin hervorgerufen
zu haben, so daß die Enteritis sowohl die Folge als auch das
Vorspiel von lokalen oder generellen Infektionen des Organismus
sein kann. Die auf die Enteritis einsetzende Diarrhöe übt eine
heilsame Wirkung auf den Organismus aus, weil durch sie die
toxischen Stoffe mitsamt den Bakterien ausgeschieden werden.
Zu jeder Blutinfektion kann die Enteritis als Komplikation hin¬
zutreten; diese neue Entzündung bereitet ihrerseits den Boden
für weitere Blutinfektionen vor durch Auflockerung der Epi-
thelien und Erweiterung der Blutgefäße, welche Zustände die
Resorption von toxischen Stoffen und Bakterien erleichtern. Es
bildet sich also zwischen der Blutinfektion und der Enteritis
ein Circulus vitiosus aus. Die Infektion des Pfortaderblutes
hat eine toxische Hepatitis zur Folge, die sich vorerst durch
ikterische Färbung der Schleimhäute kennzeichnet. Dauert der
Zustand fort, so tritt zu den verschiedenen Autointoxikationen
noch die Autointoxikation durch die Galle, d. i. der toxische
Ikterus hinzu, der sich beim kranken Tiere durch Ab¬
stumpfung, nervöse Depression, Muskelschwäche, Seh- und
Zirkulationsstörungen dokumentiert. Weiterhin treten sekundäre
Störungen an den Nieren (Albuminurie), Lungen, Pleuren und
Gelenken auf.
Die aus den bakteriellen Gärungen sich bildenden toxischen
Stoffe sind nicht allein die Urheber der Autointoxikation des
Darmes, es kommt noch eine weitere Vergiftung hinzu, die in
der Insuffizienz der Darmdrüsen ihre Ursache hat, da die Darm¬
wand auch toxische Stoffe ausscheidet. Wird die Darmtätigkeit
unterdrückt, so sind die Darmdrüsen in ihrer Arbeit gestört,
und hat dies die gleiche Folge wie wenn andere drüsige Organe
ausgeschaltet werden. Die verschiedenen Autointoxikationen
des Darms rühren zugleich von dieser Drüseninsuffizienz, von
23. April im
ßEfiLlNEB TIErAbZTLICSE WOCHENSCBfilPT.
den ans der Nahrung stammenden Giften die sich zn den vier
schon angegebenen und näher zu besprechenden Bakterien¬
familien und ihren Toxinen hinzugesellt haben, her.
1. Der Streptococcus darf ganz gut als „das Bakterium
für alles“ benannt werden. Schon einige Stunden nach der
Geburt tritt er im Darm auf, um ihn nie mehr zu verlassen.
Jedes Tier reagiert auf ihn je nach seinem mehr oder weniger
günstigen Gesundheitszustand d. h. er gewinnt um so mehr an
EinwirkungBkraft als der Darm an Widerstandsfähigkeit verliert.
Seine verschiedenen Typen sind imstande auch verschiedenartige
klinische Enteriten hervorzurufen.
2. Der Staphylococcus pyogenes mit seinen verschiedenen
Varietäten bildet eine Familie, deren Virulenz sich leicht erhöht.
Er produziert Stoffe, welche die Infektion dank einer sofortigen
toxischen Wirkung, die eine Lähmung der Vaso-Dilatatoren er¬
zeugt, begünstigen. Seine pathologische Wirkung ist sehr ver¬
schiedenartig.
3. Das Bakterium coli commune oder der Kolibazillus ist
der Vertreter der im Darme die Herrschaft ausübenden Bakterien¬
familie, soll doch der Hund und besonders der Mensch 12 bis
15 Millionen jeden Tag durch den Darm ausscheiden. Mit dem
ersten Schluck Milch zieht er in diesen ein um ihn nie mehr
zu verlassen. Er ist sehr polymorph, lebt sowohl aerob als
auch anaerob, produziert Toxine und erzeugt Auto-Intoxikationen
und Infektionen, welche letztere bei allen Tierarten sich durch
diarrhöische und ruhrartige Enteriten kennzeichnen, und sich
vom Darme aus auch auf die Leber und alle anderen Organe
erstrecken können, während die Gelenke jederzeit von ihnen
verschont bleiben.
,, Die durch seine Toxine bewirkte Auto-Intoxikation ist noch
viel gefährlicher. Auf experimentellem Wege ruft sie beim
Kaninchen Symptome hervor die in zwei Phasen auftreten. Die
erste Phase ist gekennzeichnet durch Muskelschwäche mit Muskel¬
zittern, Mydriasis, Anästhesie der Haut, fortschreitende Somnolenz
bis zum Koma, die zweite außerdem noch durch konvulsivische
Zuckungen, durch reflexe Überreizung und durch Diarrhöe, ja
man kann sogar oft eine zum Tode führende tetanische Krisis
beobachten. Seine Toxine wirken sehr schädigend auf den Darm
und weisen diejenigen Tiere, die an der von jenen verursachten
Blutvergiftung eingegangen sind, eine ausgesprochene Darm¬
entzündung auf, die von Geschwüren und Schorfen durchsetzt
ist. Der Kolibazillus hat nicht nur die Fähigkeit, den Organismus
zu infizieren und zu vergiften, er kann auch die durch die
Darmepithelien dargestellte Schutzwehr zerstören, sich zu allen
anderen Infektionen hinzugesellen und neuen den Weg bereiten.
4. Die ovoiden oder bipolaren Bakterien oder Pasteurella
sind gewöhnlich saprophytische Darmbewohner, stammen alle
von einem einzigen Bakterium ab, können pathogen werden, und
durch Passagen durch den lebenden Organismus an Virulenz
gewinnen und je nach der Tierart, bei der sie sich angesiedelt
haben, ein besonderes Aussehen annehmen. Eigentlich greifen
sie den Darm nie direkt an, sie haben aber eine besondere Vor¬
liebe für das Blut und die Synovialhäute der Gelenke und der
Sehnen. Sie treten zwar nicht gleich so ohne weiteres in
Szene, sondern passen mehr wie alle anderen Bakterien den
günstigen Moment der aus physischen, chemischen oder bak¬
teriellen Ursachen resultierenden Depression des Organismus
ab, um ihn zu überfallen. Besonders gefährlich sind ihre.Toxine.
303
Wie gezeigt, sind diese pathogen gewordenen Saprophyten
die hauptsächlichsten Infektionsquellen für den Darm, die Organe
und den ganzen Organismus. Alle Bedingungen, welche die
Invasion dieser Darmbakterien gewährleisten, sind die Ge¬
legenheitsursachen der Darmentzündungen, der Darm-, Leber¬
entzündungen und verschiedener anderer Krankheiten. Die
lebenden Ursachen dieser Krankheiten dagegen sind die be¬
ständigen Bewohner des Darms. Der Verdauungsschlauch ent¬
hält also selbst die Keime vieler Krankheiten, die je nach dem
Grade und der Art der Prädisposition unter den verschiedensten
Formen ausbrechen, jedesmal wenn der Mensch oder das Tier
infolge eines Schwächezustandes die Infektion zuläßt. Es be¬
steht ein fortwährender Kampf zwischen diesen Bakterien und
dem Organismus und können fast jeden Tag Darmentzündungen
und generelle Infektionen ansetzen, die meistens bald wieder
verschwinden, sobald die Diffusion der saphrophytischen oder
pathogenen Keime aufhört. Es sind weder das äußere Milieu
noch die Nahrung und die Getränke, die man im allgemeinen
als Ursache dieser sporadischen und endemischen Krankheiten
anklagen muß, sondern der Organismus selbst, denn er trägt
fortwährend ihre Keime in sich und deren Entwicklung hängt
nur von ihm ab, die Gelegenheitsursachen von früher sind die¬
jenigen Ursachen, welche heute die Infektion vorbereiten und
sehen wir uns infolgedessen gezwungen, die Lehren der alten
Pathologie wieder zu ihrem Hechte kommen zu lassen.
Helfer.
Nene Beweise für die Tragranderweiternng belasteter
gesunder Hofe.
Von Prot Dr. Lungwitz in Dresden.
(Monatabefte f. praktische Tierheilkunde, XIX Bd. 4. Heft)
Um die von manchen Seiten angezweifelte Erweiterung des
belasteten Hufes am Tragrande in der hinteren Hälfte auf noch
andere Weise als wie mit dem elektrischen Klingelapparat zu
beweisen, hat Lungwitz einen Apparat konstruiert, der die
Bewegungsveränderungen des Hufes vergrößert. Der Apparat
besteht aus einem aus Aluminiumschienen zusammengesetzten
Rahmen, der sich um den Huf herumlegen läßt. An den beiden
Enden des Rahmens befindet sich je ein Ansatzstück mit stumpfer
Spitze, und zwar zeigen diese Spitzen auf den Tragrand. Die
eine Spitze kann der Länge nach in beliebiger Stellung fest¬
geschraubt werden. Die andere befindet sich an einer ver¬
schiebbaren Zahnstange, welche schlittenartig gepaßt ist und
durch zwei Federn in Spannung gehalten wird. Sie gibt auf
Druck nach und kehrt von selbst in die frühere Stellung zurück.
Dem Endstück der Schlittenschiene sitzt eine Scheibe auf, die
durch Teilstriche in zehn gleiche Teile geteilt ist Jeder dieser
Teile ist wieder in 20 gleiche Teile durch Striche geteilt, so
daß also die ganze Scheibe 200 Teilstriche zeigt. Die Achse
im Mittelpunkt der Scheibe ist unter der Scheibe mit der vorhin
erwähnten Zahnstange mittelst Zahntriebes verbunden, während
der oberhalb der Scheibenfläche heransragende Teil der Achse
einen Zeiger trägt, der mittelst Stellschräubchens festgehalten
wird. Gibt nun die Zahnstange (unterhalb der Scheibe) um
1 mm nach, so läuft der Zeiger auf der Scheibe um 20 Teil¬
striche vorwärts.
Mittelst besonderer Steckzwecken, die in die Hufwand ein¬
geschlagen werden, wird der Apparat am Hufe befestigt und
die vorhin erwähnten Spitzen werden angesetzt. Lungwitz
304
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17,
gibt ausführlich an, wie dieses Ansetzen zu erfolgen hat. Dies
geschieht zunächst am aufgehobenen Hufe. Nun liest man den
Zeigerstand ab. Hierauf wird der Apparat wieder abgenommen
und an den entsprechenden Stellen am belasteten Huf wieder
angelegt. Der Unterschied der Zeigerstellung ergibt nun, ob
eine Verengerung oder Erweiterung des Hufes stattgefimden
hat. Der Apparat kann übrigens gleich gut bei beschlagenen
als unbeschlagenen Hufen angewendet werden. Lungwitz hat
drei Gruppen von Versuchen angestellt. I. Versuche zur Fest¬
stellung des Unterschiedes der Hufweite am Tragrande der
Trachtengegend an der entlasteten und belasteten Gliedmaße.
U. Versuche zur Feststellung des Einflusses des Hornstrahles
auf das Tragrandverhalten am Hufe. HI. Versuche am vorwärts¬
schreitenden Pferde. Die Versuche haben ergeben, daß
1. der gesunde Huf sich in der Tragrandgegend der
hinteren Hufhälfte bei der Belastung erweitert.
2. Die Erweiterung beträgt am stehenden und schritt¬
gehenden Pferde im Durchschnitt 1 mm.
3. Bei unbeschlagenen und jungen Pferden ist sie größer
als bei beschlagenen und älteren Tieren.
4. Das Mitsttitzen des Hornstrahles begünstigt die Huf¬
erweiterung am Tragrande.
5. Die Erweiterung ist in der Eckwandgegend am größten,
sie verringert sich nach vorn zu und verliert sich ungefähr dort,
wo der Huf am Tragrande die größte Weite hat, d. i. in der
Mitte. Zuweilen reicht sie um ein geringes weiter nach vorn
über die Mitte hinaus.
6. Beim Abschwingen kehrt der am Tragrande erweiterte
Huf beim schrittgehenden Pferde entweder in seine Ruhelage
zurück, oder er verengert sich geringgradig in seiner hinteren
Hälfte, um die Ruhelage erst unmittelbar nach dem Abschwingen
wieder einzunehmen.
7. Es ist bestimmt anzunehmen, daß diese Bewegungen bei
gesunden Hufen trabender und galoppierender Pferde er¬
heblicher sind und daß sie, wenn auch nicht in allen, so doch
in den meisten Fällen, sich so verhalten, daß beim Stützen der
Tragrand seine Ruhelage verläßt und sich nach außen bewegt,
beim Abwickeln über die Ruhelage hinaus nach innen geht
und unmittelbar nach dem Abwickeln erst in seine Ruhelage |
zurückkehrt.
8. Die Ansicht, daß sich bei der Hufbelastung die Huf¬
sohle, besonders der Strahl, senkt, findet in den Versuchen
Bestätigung.
9. Die in der Hufbeschlagspraxis bewährte Theorie, bei
gesunden wie kranken Hufen möglichst viel Punkte zum Tragen
heranzuziehen, besteht nach den ausgeführten Untersuchungen
zu Recht. Die mit dem geschlossenen Hufeisen und den Huf¬
unterlagen sowohl wie die mit der Schonung des gesunden
Strahles in der Hufzubereitung gemachten guten Erfahrungen
finden in diesen Untersuchungen aufs neue ihre Erklärung.
Lungwitz kommt zum Schluß noch darauf zu sprechen,
daß den Scheuerstellen an den Schenkelenden der Hufeisen eine
besondere Beweiskraft nicht beizulegen ist. Was das Verhalten
der Hufbeinbeugesehne gegenüber den Hufbewegungen an¬
belangt, so ist dies nach Lungwitz, Meinung bisher falsch ge
deutet worden.
Es wird ganz richtig behauptet, daß, sobald die Sehne des
Flexor profandus angespannt wird, am Tragrande des Hufes
der „äußere Rand jeder Seite unter dem Ansteigen der Eck¬
streben wand- und Sohlenteile, sowie unter gleichzeitiger Ver¬
engerung und Hebung der hornigen Strahlschenkel und Ver¬
dichtung des zeitigen Strahles gegen die Medianlinie des Hufes
tritt, das ist sich verengert“. — Diese Bewegungen sollen nun
im Momente des stärksten Durchtretens im Fessel eintreten
(Lechner). Das Umgekehrte ist aber der Fall! Die genannte
Anspannung der Sehne erfolgt am stärksten im Momente des
Abstemmens. Beim Durchtreten im Fessel wird die tiefe Beuge¬
sehne entspannt.*) Das, was also die Anhänger der sogen.
Hufrotationstheorie als Beweis für die Tragrandverengerung
bei der Hufbelastung anführen, ist Beweis für die Tragrand¬
verengerung im Zustande des Abstemmens bzw. Abschwingens,
also eine Bestätigung des Hufverhaltens im Sinne der oben an¬
gegebenen Versuche. Rdr.
Aus dem veterinär-chirurgischen Institut der Universität Zürich.
Die Veränderungen des Hnfknorpelfesselbeinbandes and
der Zehenbinde, sowie ihre Beziehungen zur Schalen-
bildung und Verknöcherung der Uufknorpei.
Von Dr. Jean Hugentobler, Tierarzt, Henau (St. Gallen).
(Schweizer Archiv für Tierheilkunde, 49. Bd., Heft 3 und 4.)
In dieser sehr umfangreichen, interessanten Arbeit, welche
zu einem kurzen Referat kaum geeignet ist, schildert H. unter
Erwähnung aller früheren Theorien und Behauptungen seine
zahlreichen Untersuchungen (ca. 250 Pferde dienten als klinisches
Material). Elf sehr gut ausgeführte Tafeln liefern dem Leser
den wünschenswerten Aufschluß über normale und pathologische
Hufstellung, sowie Beschaffenheit der Zehenbinde und des Huf¬
knorpelfesselbeinbandes. Aus des Verfassers Schlußfolgerungen
dürften nachstehende das meiste praktische Interesse besitzen:
Die Hufknorpelfesselbeifibänder und die Zehenbinde erfahren
beim Abwickeln oder Abrollen des Hufes eine mehr oder weniger
starke Anspannung. Letzere ist ungleich und übermäßig groß
bei steiler Fesselstellung, langen Hufen mit- niedrigen Trachten,
Abweichung der Fußachse. Wiederholte abnorm starke Bean¬
spruchung führt zur Verdickung dieser Bänder. Mit der Ver¬
knöcherung des Hufknorpels erhält das Hufknorpelfesselbeinband
sowohl an seiner unteren, als auch an seiner oberen Ansatzstelle
am Hufknorpel eine solidere Insertion und weiterhin hochgradige
Verdickung.
Die Zugwirkung des veränderten und dadurch weniger
elastischen Hnfknorpelfesselbeinbandes wie der Zehenbinde führt
an den Fesselbeinansatzstellen zu einer Periostitis mit Knochen¬
neubildung. Der Exostosenbildung muß eine Bandverdickung
vorausgehen; auch Osteophyten können sich einstellen. Dieselben
bilden dann jene Auftreibungen, welche wir als Leist oder Schale
bezeichnen.
Mit der Zunahme des Eigengewichtes des Pferdes und dem
vermehrten Gebrauch desselben zum schweren Zuge nehmen die
Bandveränderungen zu. Ganz schwere Lastpferde, die nur zum
Schrittdienst verwendet werden, sind am häufigsten mit solchen
Bandverdickungen an einer oder mehreren Gliedmaßen behaftet
In der Regel findet man bei zehenenger Stellung das laterale
und bei der zehenweiten Stellung das mediale Hufknorpelfessel¬
beinband stark verdickt.
Beim raschen Abwickeln des Hufes im Trabe wird der be¬
sprochene Bandapparat weniger und nur kurz angespannt als
*) Das kann unmöglich richtig sein, denn die Sehne ist in
diesem Augenblick belastet. Schmaltz.
23. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
305
beim langsamen Abrollen im Schritt während des schweren
Zages. Vor allem führt auch die diagonale Verschiebung des
Körpergewichtes zu Zerrungen der lateralen Hufknorpelfessel*
beinbänder. Diese Verschiebung beginnt im Momente, wo der
Rumpf auf dem stützenden Fuße nach der noch unbelasteten
Gliedmaße balanziert wird. Sie ist besonders bei schwerziehenden
Pferden mit breiter Brust und entsprechend weiter Gliedmaßen*
Stellung, im langsamen Schritt auf ansteigender Straße deutlich
sichtbar. Infolge dieser Art der Körperbewegung geschieht bei
der zehenengen Stellung das Abwickeln nicht direkt über die
laterale Seitenwand, sondern über die Hufzehe oder bei boden¬
weitem Fußen sogar über die innere Seitenwand, wodurch die
Zerrung der lateralen Bandstränge begünstigt wird.
Soll den Veränderungen von Hufknorpelfesselbeinband und
Zehenbinde vorgebeugt werden, so sind abnorme Zerrungen und
Dehnungen derselben möglichst zu vermeiden. Durch richtiges
Beschneiden der Hufe und Anbringungen eines rationellen Be¬
schlages soll möglichst regelmäßiges Fußen und Abrollen zu er¬
zielen gesucht werden. Diese Bedingungen erfüllt natürlich einzig
der glatte Beschlag. Griff- und Stolleneisen können nur ungünstig
einwirken; Zekenricktung am Vordereisen übt günstigen Einfluß aus.
Die beschriebenen Band- und Knochenveränderungen stellen
Berufskrankheiten dar. Sie können nicht völlig verhütet werden,
weil sich weder die Gebrauchsart der Zugpferde noch auch
deren Stellungsanomalien wirksam ändern lassen. Die durch die
genannten Leiden eventuell hervorgerufenen Lahmheiten sind
analog den chronischen Sehnenentzündungen zu behandeln.
J. Schmidt.
Über Heilung und Prophylaxis der Schweinepest,
Schweineseuche und Mischinfektion.
Von V. Schaffner, Tierarzt im Hus.-Regt. Nr. 3 in Jaworow.
(Öaterr. Monatsschr. f. Tierheilk. 1907, 8. 347.) ’
Schaffner gibt seine Behandlungsmethode bekannt, die in
der Verabreichung von Formal in besteht. Behandlung von
Saugferkeln im Alter von 2 Tagen bis 6 Wochen: Am ersten
Tage für ein Stück 7a 1 Kuhmilch mit Wasser verdünnt (4:1);
diesem Quantum werden 14 g Formalin (40 Proz.) zugesetzt;
das Gemisch wird (bei 37° C) mit der Saugflasche verabreicht;
Formalin wird jeden zweiten Tag zugesetzt. Bis zu drei
Wochen wird die Menge allmählich auf 2 1 erhöht.
Behandlung von 2—6 Monate alten Schweinen: Es wird
Kleie- oder Schrottrank mit 7a Proz. Formalinlösung, 74 1 P ro
Schwein und Tag, als Heilmittel und als Prophylaktikum zwei¬
mal in der Woche verabreicht. Schweinen, welche kein Futter
mehr aufnehmen, wird 7 4 1 der Lösung eingegeben. — Alle
Tiere, die nicht über 41,5° C Innentemperatur aufwiesen,
wurden nach durchschnittlich 8 Tagen als geheilt befunden.
Bei mehr ausgesprochener Schweinepest ist die Behandlungs¬
dauer 3—5 Tage, bei Schweineseuche 5—8 Tage und darüber.
Der Heilerfolg ist bei der Schweineseuche nicht so günstig.
Im Anfang erzielte Schaffner infolge Verwendung schwächerer
Konzentrationen weniger gute Resultate. Richter.
Kleine Mitteilungen.
Gefährliche Nebenwirkungen bei Yohimbin.
Abermals werden nachteilige Wirkungen bei Anwendung von Yo¬
himbin bekanntgegeben. Daeis fand durch Tierexperimente, daß in der
Darmwand Hämorrhagien hervorgerufen werden, daß hämorrhagische
Blutungen entstehen können. Eine Brunst erzeugende Wirkung konnte
vom Verfasser nicht nachgewiesen werden, wohl aber sei das Präparat
imstande die Brunst zu erhöhen und zu verlängern. In der
Humanmedizin habe sich das Yohimbin bei Hebung menstrueller
Störungen bewährt. B. Kl. W. 1907, Nr. 42. Dr. G.
Gefahr beim Arbeiten mit Karzinomen.
In Brüssel starb der Krebsforscher Roguette durch Karzinom¬
infektion; vor einiger Zeit war ein Mitarbeiter von Roguette
ebenfalls an Karzinomatose infolge Ansteckung gestorben. Dr. G.
Tagesgeschichte.
Pflichten und Rechte der Schlachthoftierärzte.
Vortrag, gehalten auf der Versammlung des Vereins der Schlachthof¬
tierärzte Westfalens am 1. Dezember 1907 zu Hagen von Schlachthof-
Direktor Krekeler- Recklingshausen.
Verehrte Herren! In meinem Vortrage möchte ich etwaB
näher auf unsere Stellung als städtische Beamte eingehen.
Die Pflichten, die wir als städtische Schlachthoftierärzte zu
erfüllen haben, sind ohne Zweifel recht viele und schwere.
Als Leiter der Schlachthöfe haben wir eine große Ver¬
antwortung für die Untersuchungen der zahlreichen Schlacht¬
tiere, für die Tätigkeit der Trichinenschauer, der Hallenmeister,
Maschinenmeister und des sonstigen Schlachthofpersonals, für
den ordnungsmäßigen Zustand an und in den Gebäuden und
Räumen des Schlachthofes, für die Maschinen und Apparate,
für ordnungsmäßiges Verhalten der Metzger und des Publikums
in den Schlachthofräumen, für die Buchführung, für die
Schlachthofkasse usw.
Auch die übrigen an dem Schlachthof angestellten Tierärzte
haben für die zahlreichen Untersuchungen der Schlachttiere und
als zeitweilige Vertreter des Schlachthofdirektors eine erhebliche
Verantwortung. Dann ist die Stellung der Tierärzte am
Schlachthof eine recht unangenehme dadurch, daß wir die Pflicht
haben, in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit zu ver¬
treten, welches mit dem Spezialinteresse der Metzger nur allzu
oft im Widerspruch steht. Für Erfüllung dieser Pflicht ernten
wir sehr oft Haß und Feindschaft bei den Metzgern.
Ferner ist der lange Dienst von des Morgens früh bis
Abends in den nassen, kalten, zugigen und geräuschvollen
Räumen der Schlachthöfe, besonders in den Wintermonaten, sehr
aufreibend und ungesund, so daß eine frühe Invalidität des
Schlachthoftierarztes unausbleiblich ist. Jeder Kollege, welcher
längere Jahre Schlachthofdienst gemacht hat, wird das durch
eigene Erfahrung bestätigen können.
Endlich haben wir, um eine Schlachthoftierarztstelle be¬
kleiden zu können, ein langes, kostspieliges Studium durch¬
zumachen und mußtefl vor diesem Studium bis 1903 die Prima-
reife und seit 1903 die Universitätsreife erlangt haben. Auch
wird bei der Anstellung als Schlachthoftierarzt verlangt, daß
sich der Bewerber schon in anderen tierärztlichen Stellen
tüchtig bewährt hat; besonders an den leitenden Schlachthof¬
tierarzt in einer Mittel- und Großstadt werden bei Besetzung
der Stelle hohe Ansprüche gestellt. Fragen wir nun: Stehen
mit diesen Pflichten und Anforderungen der Rang, die Besoldung
und sonstigen Rechte im Einklang? Leider müssen wir darauf
antworten: Nein; bis jetzt durchaus nicht.
Alle übrigen städtischen Beamten, die ein ähnlich langes
Studium wie wir Tierärzte durchgemacht haben, haben eine
wesentlich* bessere Stellung als die städtischen Tierärzte. Wenn
fler städtische Tierarzt ansehen muß, wie Juristen, Polytechniker
usw. nach eben bestandenem Staatsexamen in städtischen
Stellen sehr hohe Gehälter beziehen, Anfangsgehalt meistens
306
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
6000 M., ohne weiteres als städtische Oberbeamte gelten, ja
meistens zum Magistrat gehören, und wie wiederum städtische
Mittelbeamte, Polizeibeamte, Bureaubeamte, Kassenbeamte ohne
besondere Mühe und Kosten, in der Regel mit Elementarschul¬
bildung dieselbe Gehaltsskala oder noch eine höhere erreichen,
als der städtische Tierarzt, so muß er sich doch sehr zurück-
gesetzt und in seiner Ehre gekränkt fühlen und einsehen, daß
das lange Studium und das viele Geld, welches er dafür hat
opfern müssen, doch eigentlich ganz umsonst gewesen ist.
Unsere lange Tor- und Ausbildung, sowie unsere große
dienstliche Verantwortung wird doch viel zu wenig berücksichtigt.
Es besteht ohne Zweifel für die städtischen Tierärzte ein großes
Mißverständnis zwischen Leistung und Lohn, wie es bei den
übrigen städtischen Beamten nicht der Fall ist; im Gegenteil,
die Städte bezahlen im allgemeinen in der Industriegegend besser
als der Staat.
Welches mögen nun die Gründe sein, weshalb die städtischen
Tierärzte so unangemessen besoldet werden ? Stichhaltige Gründe
sind meines Erachtens gar nicht vorhanden. Vor einer Reihe
von Jahren waren die Schlachthoftierärzte keine vollbesoldeten
Beamte. Die Städte rechneten bei der Gehaltsfestsetzung für
den Schlachthoftierarzt mit der Aussicht, daß der Schlachthof¬
tierarzt noch erhebliche Einnahmen aus der Privatpraxis haben
würde. Sie verlangten auch nicht, daß der Tierarzt während
der Schlachtstunden am Schlachthof anwesend war, sondern er
sollte in der Hauptsache die Oberaufsicht im Schlachthof aus¬
üben und die Ergänzungsbeschau. Wegen Unzuträglichkeiten,
die durch Ausübung der Privatpraxis sich vielfach herausge¬
stellt hatten, und damit der Tierarzt sich ganz dem städtischen
Dienste widmen sollte, ist es später üblich geworden, den
Schlachthoftierärzten in den Mittel- und Großstädten die Privat¬
praxis zu verbieten. Außerdem ist durch die Bestimmungen
des Fleischbeschaugesetzes die dienstliche Arbeit des Schlacht¬
hoftierarztes derartig gewachsen, daß die Kräfte derselben jetzt
durch den Schlachthofdienst fast vollständig in Anspruch ge¬
nommen sind und oft sogar übermäßig angestrengt werden.
Die früheren Einnahmen aus der Privatpraxis sind daher
in den Mittel- und Großstädten fast überall in Fortfall ge¬
kommen, der Schlachthoftierarzt ist jetzt einzig und allein auf
sein Gehalt angewiesen.
Er ist vollbesoldeter Beamter geworden und hätte dement¬
sprechend auch das Gehalt ein angemessenes werden müssen.
Das ist nun leider nicht geschehen. Die städtischen Verwal¬
tungen haben sich mit ganz wenigen Ausnahmen bis heute noch
nicht dazu verstehen können, dem Schlachthoftierarzt ein Gehalt
zu geben, wie es seiner dienstlichen Verantwortung und seinem
Bildungsgang entsprechend angemessen wäre.
Der Einwand kann nicht gemacht werden, daß die Mittel
für eine angemessene Besoldung fehlen. Bei den anderen Be¬
amten wird für die Mittel zur angemessenen Besoldung derselben
gesorgt, dasselbe dürfen die städtischen Tierärzte auch bean¬
spruchen. Gerade für die Schlachthoftierärzte sind am aller¬
leichtesten die Mittel zu beschaffen, ohne die Kommunalsteuern
erhöhen zu müssen, da die Städte Gebühren für die Schlachtungen
und Untersuchungen erheben. Sie können ja nach Bedarf die
Gebühren erhöhen und ermäßigen. Ob in einem Schlachthof
z. B. 80000 Mark oder 81000 Mark zur Bestreitung der Aus¬
gaben aufgebracht werden müssen, macht fast gar keinen Unter¬
schied in den Gebühren bei den zahlreichen Schlachtungen. Bei
Festsetzung des Schlachthofetats werden die voraussichtlichen
Einnahmen in der Regel knapp und die Ausgaben reichlich ver¬
anschlagt, so daß meistens jährlich mehrere Tausend Mark
Überschuß vorhanden sind, aus denen die Mittel zu einer ange¬
messenen Besoldung des Tierarztes genommen werden können.
Auch sind die Schaugebühren in den Schlachthöfen äußerst gering
gegenüber den Schaugebühren außerhalb der Schlachthöfe, wenn
man rechnet, wie viel Tiere der Schlachthoftierarzt für sein
Gehalt untersuchen muß. Die Gebühren können mit Leichtigkeit
um 5 bis 10 Pfennig pro Stück erhöht werden, was bei den vielen
Schlachttieren im Jahre eine erhebliche Summe ausmacht. Das ist
aber in den meisten Schlachthöfen gar nicht einmal nötig, da ohne¬
dies Überschüsse erzielt werden mit den bestehenden Gebühren.
Es fehlt demnach durchaus nicht an Mitteln. Die starke
Konkurrenz bei Besetzung von Schlachthoftierarztstellen kann auch
kein Grund für eine unangemessene Besoldung sein. Es wäre
ja besser, wenn die Konkurrenz schwächer wäre. Viele Kollegen
melden sich,- die noch gar nicht oder doch nur ganz kurze Zeit
an einem Schlachthof tätig waren und daher keine Aussicht
haben, die Stelle zu bekommen. Dieselben vermehren oft unnötig
die Zahl der Bewerbungen. Andere Kollegen wieder, welche
sich melden, haben gar nicht die ernste Absicht, die Stelle anzu¬
nehmen, daher öfters die große Zahl der Bewerbungen.
Bei anderen städtischen Stellen geht es aber genau so. Ist
eine städtische Stelle für einen Juristen, Techniker oder Mittel¬
beamten ausgeschrieben, so melden sich regelmäßig eine ebenso
große Menge Bewerber. Die Konkurrenz bei anderen städtischen
Stellen ist mindestens ebenso stark wie bei den tierärztlichen
Stellen.
Die Einwendung wird vielfach gemacht, daß die Schlacht¬
hoftierärzte in den Nachbarstädten auch keine besseren Gehälter
hätten und daß aus diesem Grunde sich eine bessere Besoldung
nicht genügend begründen lasse, da es üblich sei, bei Gehalts¬
festsetzungen die Gehälter der Nachbarstädte als Maßstab an¬
zulegen. Dies scheint tatsächlich das Haupthindernis zu sein,
weshalb es mit der Besoldung nicht besser wird. Keine Stadt
will den Anfang machen mit einer angemessenen Besoldung des
Schlachthoftierarztes. Diejenigen Städte, die sich zu einer an¬
gemessenen Besoldung und Rangstellung des Schlachthoftierarztes
bereit gefunden haben, sind leider noch äußerst wenige. Er¬
freulicherweise läßt sich aus der letzten Zeit melden, daß die
Stadt Remscheid mit gutem Beispiel in dieser Richtung voran¬
gegangen ist, indem sie dem Schlachthofdirektor vor einiger Zeit
ein angemessenes Gehalt bewilligt hat: ein Anfangsgehalt von
6000 Mark und ein Endgehalt von 7000 Mark, außerdem freie
Wohnung, Licht und Brand.
In kleineren Städten von etwa 6000 bis 15 000 Einwohnern
läßt sich wegen der geringeren Zahl der Schlachtungen aus den
Schlachthofgebühren öfters allein nicht gut ein ausreichendes
Gehalt für den Schlachthoftierarzt aufbringen. In diesen Städten
ist der Tierarzt ein nicht voll besoldeter Beamter, vorausgesetzt,
daß die betreffende Stadt dem Schlachthoftierarzt die Privat¬
praxis nicht verbietet, sondern dafür sorgt durch Beschränkung
der DienBt8tunden auf etwa 3—4 Stunden täglich, daß dem¬
selben genügend Zeit zur Privatpraxis zur Verfügung steht.
Andernfalls müßte dort der nötige Zuschuß aus der Stadtkasse
zu einer ausreichenden Besoldung gewährt werden.
In Mittel- und Großstädten, wo die Arbeit des Schlachthof¬
tierarztes so groß ist, daß seine ganze Kraft in Anspruch ge-
23. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
307
nommen wird, und wo Privatpraxis er nicht ausüben kann und
darf, da muß das Gehalt so beschaffen sein, daß er „Standes-
gemäß“ davon leben kann. Ferner muß das Gehalt in richtigem
Verhältnis stehen zu dem Gehalt der anderen städtischen Be¬
amten derselben Stadt. Die offizielle Unterscheidung in Ober-,
Mittel- und Unterbeamte kennt man in vielen Städten nicht
An der Gehaltsskala des voll besoldeten städtischen Tierarztes
sieht man, welchen Rang er unter den anderen städtischen Be¬
amten einnimmt. Die Gehaltsskala muß unter allen Umständen
höher sein als die derjenigen städtischen Beamten derselben
Stadt, die sonst allgemein beim Staat und in anderen Städteu
zu den Mittelbeamten gerechnet werden; z. B. Obersekretäre,
Rendanten, Polizeiinspektoren usw., denn ohne Zweifel richtet
sich bei einem voll besoldeten Staats- und städtischen Beamten
das Gehalt nach dem Rang und umgekehrt der Rang nach dem
Gehalt.
Für einen vollbesoldeten, den Schlachthof leitenden Tierarzt
in einer Mittelstadt dürfte, wenn man die Besoldung anderer
akademischer, städtischer Beamten und die der städtischen
Mittelbeamten in Berücksichtigung zieht, ein Anfangsgehalt von
4500 Mark und ein Endgehalt von 6500 Mark, Steigerung jähr¬
lich 100 bis 150 Mark neben freier Dienstwohnung ein ange¬
messenes sein.
Ein solches Gehalt würde dann in der Regel immer noch
um etwa 1000 Mark hinter dem Anfangs- und Endgehalt anderer
städtischer Oberbeamten—städtischer Bauinspektoren, Assessoren,
usw. — Zurückbleiben und etwa um 1000 Mark dem Anfangs¬
und Endgehalt der ersten städtischen Mittelbeamten voraus sein;
wenigstens sind diese Verhältnisse so in den Industriestädten
Westfalens.
i Auch müßten die Reisekosten und Tagegelder bei Dienst¬
reisen schon des Ansehens wegen die der Oberbeamten und
nicht die der Mittelbeamten sein, wenn man den Bildungsgang
des städtischen Tierarztes berücksichtigt, was auch um so
leichter geschehen kann, da Dienstreisen bei dem städtischen
Tierarzt zu den größten Seltenheiten gehören. Es kommt vor,
daß derselbe mehrere Jahre keine einzige Dienstreise macht.
Was ferner die Pensionsverhältnisse des städtischen Tier¬
arztes anbetrifft, so sieht es damit noch ungünstiger aus. Die
meisten Schlachthoftierärzte kommen erst mit dem 30. bis
35. Lebensjahre in eine etatsmäßige städtische Stelle. Um sich
erst genügend im tierärztlichen Fach auszubilden und auf Grund
dessen eine Schlachthoftierarztstelle aasfüllen zu können, sind
viele Schlachthoftierärzte erst 5 bis 10 Jahre lang* in der
Privatpraxis tätig gewesen, was für die Tätigkeit am Schlacht¬
hof sehr nützlich ist. Diese Jahre werden aber bei der Pen¬
sionierung gar nicht angerechnet, trotzdem die Städte doch
großen Nutzen davon haben, wenn sich die Tierärzte erst ge¬
nügend Erfahrung im tierärztlichen Fach gesammelt haben.
Dieser Übelstand ist sehr zu beklagen. Die städtischen Tier¬
ärzte kommen auf diese Weise um 5 bis 10 Jahre den anderen
städtischen Beamten gegenüber im Dienstalter zu kurz.
Bei den Juristen z. B., welche bei den Städten angestellt
sind, zählen schon die Referendarjahre bei der Pensionierung
mit, bei den Bureaubeamten die Assistentenjahre, gleichgültig,
wo die Betreffenden in diesen Jahren tätig gewesen sind. Bei
den meisten städtischen Beamten zählt das 22. bis 25. Lebens¬
jahr schon als erstes Dienstjahr. Diese Beamten erreichen mit
Leichtigkeit drei Viertel des Gehaltes als Pension, während der
städtische Tierarzt bei der späten Anstellung und bei der frühen
Invalidität, die bei dem aufreibenden und ungesunden Schlacht -
hofdienste in sicherer Aussicht steht, in der Regel kaum einhalb
bis ein Drittel des Gehalts als Pension erreichen wird. Ist nnü
das Gehalt ein unangemessenes, so fällt die Pension und bei
Todesfall die Reliktenversorgung noch viel ungünstiger ans.
Es ist daher dringend nötig, daß das Gehalt ein ange¬
messenes wird und daß wegen der späten Anstellung namentlich
auch das Anfangsgehalt nicht zu niedrig ist.
Bekanntlich gibt es nun auch noch verschiedene andere er¬
hebliche Übelstände in der Stellung der städtischen Tierärzte,
die ich heute nicht weiter erwähnen will, da die Gehalts- und
Rangfrage zurzeit die wichtigste ist.
Wie sollen wir nun diese ungünstigen Besoldungsverhält¬
nisse, welche für die städtischen Tierärzte fast überall noch
bestehen, beseitigen ?
Erfreulicherweise ist in den letzten zwei Jahren von den
Schlachthoftier&rzten schon vieles getan, um hierin Wandel zu
schaffen. Ein kleiner Fortschritt ist in einzelnen Städten auch
schon zu bemerken. In den meisten Städten ist aber bis heute
noch wenig oder gar nichts erreicht. Der Verein preußischer
Schlachthoftierärzte hat eine Denkschrift an den Herrn Land¬
wirtschaftsminister und die Königlichen Regierungen gesandt,
worin auch auf die schlechte Besoldung der Schlachthoftierärzte
hingewiesen ist. Dieses Rundschreiben scheint von den hohen
Behörden durchweg gut aufgenommen und die darin vorge¬
tragenen Wünsche als berechtigt anerkannt zu sein.
Ferner sind ähnliche Rundschreiben den königlichen
Regierungen und den städtischen Verwaltungen von dem west¬
fälischen, rheinischen und schlesischen Schlachthoftierärzteverein
zugegangen.
Vom Verein aus kann daher meiner Ansicht nach nichts
wieder augenblicklich nach dieser Richtung hin unternommen
werden. Jetzt ist die Reihe an jedem einzelnen Kollegen in
seiner Stadt danach zu streben, daß das, was in dem Rund¬
schreiben gewünscht wird und zur Kenntnis der Behörden
gebracht ist, in die Wirklichkeit umgesetzt wird. Ohne Anträge
und ohne Anregrungen des einzelnen Kollegen in seiner Stadt
werden die Rundschreiben allmählich wieder in Vergessenheit
geraten.
Es war hohe Zeit, daß die städtischen Verwaltungen darauf
aufmerksam gemacht wurden, daß die jetzigen Besoldungs- und
Rangverhältnisse der städtischen Tierärzte in Rücksicht auf ihren
Bildungsgang, ihre amtliche Tätigkeit und ihr Verhältnis zu den
anderen städtischen Beamten sehr unwürdige sind. Das Ansehen
der städtischen Tierärzte hat unter den ungünstigen Besoldungs¬
verhältnissen schon sehr gelitten.
Auf die andern Beamten des Schlachthofs, die Metzger,
die anderen Staats- und städtischen Beamten und auf die Be¬
wohner der Stadt und Umgegend macht es einen sehr schlechten
Eindruck, wenn die Besoldung des städtischen Tierarztes im
Vergleich zu den anderen städtischen Beamten so auffallend
niedrig ist. Bei Gelegenheit von Stadtverordnetenbeschlüssen
betreffend Besoldungsordnung der städtischen Beamten pflegen
von Zeit zu Zeit die Gehälter der städtischen Beamten öffentlich
in den Lokalblättern zu stehen und es kann dann jeder Bewohner
der Stadt und Umgegend sehen, welche Stelle der städtische
Tierarzt mit seiner Gehaltsskala unter den anderen städtischen
Beamten einnimmt.
308
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
Daß andere städtische Oberbeamte, welche um mehrere
Tausend Mark dem städtischen Tiearzt sowohl im Anfangs- als
auch Endgehalt voraus sind, tief auf diesen herabsehen müssen,
ist doch ganz natürlich und ebenso, daß die ersten städtischen
Mittelbeamten meist mit Elementarschulbildung, Obersekretäre,
Rendanten usw., die eine gleich hohe oder noch höhere Gehalts¬
skala haben, als der Schlachthofdirektor, sich ranglich demselben
gleich oder noch für mehr halten müssen und auch vom
Publikum und anderen Beamten dafür gehalten werden, ist
ebenso leicht erklärlich. Ein solches Mißverhältnis muß für das
allgemeine Ansehen des Tierarztes ohne Zweifel sehr schädlich
sein und auch ungünstig auf die amtliche Stellung desselben
einwirken. Da nun die eine Stadt sich in ihren Einrichtungen,
besonders was Gehälter betrifft, sich immer nach Nachbarstädten
zu richten pflegt, so ist jeder Erfolg eines Kollegen in einer
Stadt immer ein Gewinn für alle anderen, besonders für die
Nachbarstädte. Es wäre daher zweckmäßig, wenn Kollegen,
welche einen Erfolg erzielt haben, das alsbald in einer tier¬
ärztlichen Fachzeitung mitteilen oder doch wenigstens dem
Vereinsvorstand anzeigen wollten, damit die Tierärzte in anderen
Städten Kenntnis davon erhalten und diesen Fortschritt bei
eventuellen Anträgen verwerten können. Die großen Städte
Westfalens dienen den anderen westfälischen Städten in der
Regel als Beispiel und wäre es daher von großem Vorteil, wenn
in diesem möglichst bald die für einen Tierarzt angemessenen
Rang- und Gehaltsverhältnisse geschaffen würden. So lange
dort noch nichts Befriedigendes erreicht ist, haben die Tierärzte
in den Mittelstädten auch wenig Aussicht. Bei der Regelung
ist meiner Ansicht nach das Hauptgewicht darauf zu legen, daß
der vollbesoldete städtische Tierarzt mit seiner Gehaltsskala
unter allen Umständen über die ersten städtischen Mittelbeamten:
Rendanten, Polizeiinspektoren, Obersekretäre usw. kommt und
nicht zu weit von anderen städtischen Oberbeamten derselben Stadt.
In der Hoffnung, daß die städtischen Tierärzte aus den
ungünstigen und unangemessenen BesolduUgsverhältnissen heraus¬
kommen, schließe ich meinen Vortrag.
Bericht Aber die VII« Hauptversammlung des Vereins
der beamteten Tierärzte Preußens
am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907.
Fortsetzung aus Nr. 16, Seite 291—294.
Lage und Bestrebungen der Privattierflrzte. (Fortsetzung.)
Die maßvollen Ausführungen des Referenten (Prof. Peter)
fanden allgemeine Zustimmung. Die empfohlene Resolution
wurde einstimmig zum Beschluß erhoben.
Hierauf erhielt unter allgemeiner Spannung der Vertreter
der Privattierärzte, Herr Arnous-Berlin, das Wort.
Der Redner sagte etwa folgendes:
„Zunächst möchte ich meinen besten Dank dafür zum Aus¬
druck bringen, daß Ihr verehrlicher Verein meiner Bitte, an
Ihrer Sitzung als Gast teilnehmen zu dürfen, Gewähr gegeben
hat und ich danke dem Herrn Vorsitzenden für seine freund¬
lichen Worte der Begrüßung, die er so liebenswürdig war, an
mich zu richten. Daß Sie, meine geehrten Herren, mich als
den Vorsitzenden des Verbandes der Privattierärzte in Preußen
mit einer Einladung zu Ihrer Sitzung beehrt haben, wird auch
in dem Verbände, dem ich angehöre, nicht ohne günstige
Wirkung auf die Beruhigung der leider zu erregten Gemüter
bleiben. Es ist wirklich für unsern ganzen Stand sehr zu be¬
klagen, daß von beiden Seiten so heftige Worte gefallen sind,
das liegt aber einzig und allein daran, daß es eben nicht allen,
denen das Wohl und Wehe unserer Sache am Herzen liegt,
glückt, sich rede- und federgewandt zu äußern. Viele der nun
schon fast zum Stichwort gewordenen Redewendungen, wie z. B.
„der gefährdete Stand“, sind eben gar nicht so böse gemeint,
wie es im ersten Augenblicke scheint. Meine Herren! Lassen
wir nun endlich die Streitaxt ruhen, seien wir eingedenk, daß
wir alle einem geachteten Stande angehören und daß wir nur
durch festen Zusammenschluß Ersprießliches für uns und für die
Allgemeinheit erreichen können. Wenn ein Unbeteiligter unsere
Preßfehden verfolgt, so muß er unwillkürlich zu der Auffassung
kommen, daß der beamtete Tierarzt etwas ganz anderes als
ein praktischer Tierarzt, daß er aus anderen Bornen Wissen¬
schaft geschöpft habe, die dem Praktiker verschlossen blieben.
Wir sind alle Tierärzte, nur gemeinsame Arbeit kann uns
vorwärts bringen. Es ist auch nicht etwa bei den Privat¬
tierärzten ein Mißgönnen den beamteten Tierärzten gegenüber
die Veranlassung zu allen Differenzen gewesen, auch nicht die
Sorge um den Erwerb allein, darüber werden ja Klagen in
jedem Stande laut, das ist alles nicht der treibende Punkt bei
der ganzen Bewegung, sondern das Gefühl, daß der Privat¬
tierarzt in seinem Ansehen herabgedrückt wird, wenn immer
mehr und mehr bei allen möglichen Anlässen der beamtete
Tierarzt zugezogen wird — nicht durch Schuld des Betreffenden,
sondern durch einen gewissen Akt der Gewöhnung. Das muß
im Publikum falsche Vorstellungen erwecken, und darunter leidet
das Ansehen des ganzen Standes und des Praktikers ganz be¬
sonders. Wir wollen den beamteten Tierärzten absolut nicht
das nehmen, was sie besitzen, wir möchten nur, daß die be¬
amteten Herren Kollegen unsere Interessen an maßgebender
Stelle nachdrücklicher vertreten wie bisher. Es soll nicht bei
jeder Gelegenheit für den Beamten das reserviert werden, was
eben so gut von einem Privattierarzt besorgt werden kann.
Der Hauptzweck aller unserer Bestrebungen muß eben dahin
gerichtet sein, daß der beamtete und der Privattierarzt seine
durch fachwissenschaftliches Studium erworbenen Kenntnisse
nach bestem Wissen zu Nutz und Frommen der Allgemeinheit
anwendet, dann kann der Erfolg nicht ausbleiben. Und nur,
wenn wir geschlossen Schulter an Schulter marschieren, werden
wir eine weitere Hebung unseres Standes erreichen, so daß wir
unseren schweren Beruf freudigen Herzens ausüben können.“
Diese versöhnliche Erwiderung, die sich harmonisch der ge¬
faßten Resolution anschloß, fand den ungeteilten Beifall der
Versammlung, den der Referent in warmen, entgegenkommenden
Worten Ausdruck verlieh.
ßesohfiftliohes.
Dieser übernahm nun wiederum den Vorsitz und bat den
Vereinskassierer, Veterinärrat Ziegenbein-Oschersleben, um
Erstattung des Kassenberichts, der folgendes ergab:
1. Einnahme bis zum 27. November 1907 . . 3311,26 M.
2. Ausgaben für Vereinszwecke. 1326,54 „
mithin Bestand 1984,72 M.
Dieser setzt sich zusammen aus:
1. Habelschwerdter Sparkasseneinlage . . . 1525,34 M.
2. Oscherslebener Sparkassenannahme . . . 400,00 „
3. Barbestand. 59,38 „
zusammen 1984,72 M.
Hierzu kommen noch die Zinsen aus Habelschwerdt für 1907
und gegen 350 Mitgliederbeiträge für 1907, so daß die
23. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
309
finanziellen Verhältnisse des Vereins als gute bezeichnet werden
können.
Die Kassenrevision wurde von den Herren Fisch und
Vollmer vorgenommen, alles in bester Ordnung und Richtigkeit
befunden und daraufhin dem Hexrn Kassierer mit herzlichem
Dank für die große Mühewaltung und seine tadellose Buch¬
führung die Entlastung erteilt.
Dann gab der Vorsitzende bekannt, daß das Vereinsmitglied,
Herr Kreistierarzt Veterinärrat Roskowski zu Fraustadt heute
sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum begehe und daß an
den Jubilar ein herzliches Glückwunschtelegramm zur Ab¬
sendung gelangen solle. (Allgemeine Zustimmung und Beifall.)
Die anschließende Aufnahme einer Reihe von neuen Mitgliedern
hatte das erfreuliche Resultat, daß nun der Verein die Kopf¬
zahl von 400 besitzt.
Nach der früher genehmigten Absetzung der Punkte 11
nnd 12 von der Tagesordnung konnte die Sitzung um 5 Uhr
nachmittags geschlossen werden. Wenn sonst das Programm
trotz allen Fleißes nicht ganz erledigt werden konnte, war doch
das Ziel erreicht, das sich der Vorstand in der Hauptsache
gesteckt hatte.
In seinen Schlußworten rühmte der Vorsitzende die Aus¬
dauer und das Interesse, die alle Teilnehmer während der Ver¬
handlungen bekundet hätten. Es sei für alle Mühen der schönste
Lohn, konstatieren zu können, daß die Tagung einen so würdigen
und anziehenden Verlauf genommen habe. Der Dank dafür
gebühre in erster Linie den Referenten, die der Aufforderung
des Vorstandes bereitwilligst entsprochen und die mühevolle
Bearbeitung der Vorträge übernommen hätten. Er fühle sich
aber auch verpflichtet allen denjenigen zu danken, die sich an
der Besprechung beteiligt und schließlich allen Mitgliedern, die
durch ihre Gegenwart zu dem glänzenden Erfolg des Tages
beigetragen hätten.
Im Anschluß an das Protokoll der Hauptsitzung soll das
mündlich nicht erstattete Referat „das praktisch eJahr“ von
Bischoff, Falkenberg O.-S. angefügt werden (siehe unten).
Herr Räbiger verzichtete auf Veröffentlichung seines gleich¬
falls in der Sitzung unerledigten Referats und Protokolls und
erklärte sich bereit, über den gleichen Gegenstand in der näch¬
sten Hauptversammlung zu referieren.
Das praktische Jahr.
Referat von Kreistierarzt Bischoff-Falkenberg.
Meine Herren! Meine Ausführungen über das praktische
Jahr sollten im wesentlichen eine Ergänzung des Referates vom
Herrn Kollegen Peter darstellen. Zu meiner Freude kann ich
mich kürzer fassen, als ich wollte, da die Herren Referenten
vor mir schon eine Reihe von Punkten berührt hatten, die auch
mir zur Besprechung nötig erschienen. So kann ich das Kapitel
vom „Schwimmen im Golde und übertriebener Selbsteinschätzung“,
welches fast sämtliche Herren gebührend abweisend kritisiert
haben, ganz überschlagen. Die gefaßte Resolution und die
freundlichen, sachlichen Worte des Herrn Vertreters der Privat¬
tierärzte lassen nun hoffen, daß dem Zeitungskampf, der ent¬
schieden nicht zu unserm Vorteil gewirkt hat, endlich ein Ein¬
halt getan wird. Doch glaube ich Dicht, daß wir mit Re¬
solutionen allein etwas erreichen. Ich bin der Ansicht, daß
man die Ursache des Übels aufsuchen und diese gemeinsam be¬
kämpfen soll, um so eine langsamere, aber um so sicherere Sa¬
nierung dieser ungesunden Verhältnisse zu erreichen. Daß nach
dieser glücklichen Annäherung der beiden streitenden Parteien
sofort eine Besserung eintreten wird, dürfte wohl niemand er¬
warten, denn zunächst bleiben die bestehenden Verhältnisse und
Vorbedingungen dieselben: Die sogenannten guten Stellen sind
besetzt, und bleiben es, und Jahr um Jahr steigt die Zahl der
approbierten Tierärzte. Zwar werden nach der Einführung der
Pensionierung der Beamten, der zahlreichen Schlachthoftierärzte,
diese Kollegen nicht mehr wie bisher als hochbetagte Greise
in den Sielen sterben und wird so eine etwas raschere Ver¬
jüngung eintreten, die aber den Verhältnissen kaum genügen
dürfte. Denn die jährliche Mehrproduktion an Tierärzten, gegen
die sich nichts machen läßt, übersteigt reichlich die freiwerden¬
den Stellen. Daß mithin der Kampf ums Dasein auch in unserem
Stande schwerer w'erden muß, ist erklärlich und dem schönen,
verlockenden Wunsch, bald große Einnahmen zu erzielen und
dieselben Ansprüche an die Annehmlichkeiten des Lebens zu
stellen, als Kollegen, die schon jahrzehntelang gekämpft und
gearbeitet haben, wird keine Organisation, kein System gerecht
werden können. Ist einerseits der Grund der schwieriger
I werdenden Verhältnisse in einer allmählich fühlbar werdenden
Überfüllung unseres Faches zu suchen, so finde ich einen weiteren
schwer in die Wagschale fallenden Grund vor allem in der weit
beschwerlicheren und aufreibenderen Ausübung der praktischen
Tierheilkunde — im Gegensatz zur Beamtentätigkeit und Fleisch¬
beschau — ferner in der Scheu vor der Aufnahme des Kon¬
kurrenzkampfes und der hieraus resultierenden Landflucht nach
den großen Städten.
Der Ergründung des „Warum“ dieser gerade für den tier¬
ärztlichen Beruf befremdlichen und bedenklichen Erscheinung
und deren Bekämpfung sollen meine weiteren Ausführungen
dienen.
Bei dieser Gelegenheit muß nun aufs neue nachdrücklich
betont werden, daß die praktische Tierheilkunde das Rückgrat
der gesamten tierärztlichen Wissenschaft sein und bleiben muß,
wenn wir nicht verlieren wollen, und daß die Vertreter dieser
Richtung gerade die Pfeiler des tierärztlichen Standes sind.
Was würde der Landwirtschaft, von der ja alle drei Gruppen
der Tierärzte leben, ein hervorragend in der Veterinärpolizei,
pathologischen Anatomie, Bakteriologie und Fleischbeschau ge¬
bildeter Tierarzt nützen, der keine Geburtshilfe leisten, keinen
Uterus reponieren, nicht operieren, und keine sichere Diagnose
intra yitam stellen kann?!
Der Landwirt verlangt mit vollem Recht Tierärzte, die in
jeder Hinsicht praktisch ausgebildet sind, zu fassen, und seinem
erkrankten Tierbestand Hilfe bringen können. Vor dem be¬
amteten und die Fleischbeschau ausübenden Tierarzt hat er gewiß
alle Hochachtung. Man kann es ihm aber nicht verargen, wenn
er diesen Kollegen lieber gehen wie kommen sieht, da es sich
hierbei um Durchführung gesetzlicher Maßregeln, damit ver¬
bundener Einschränkung 'der Bewegungsfreiheit usw. handelt,
die von dem Betroffenen meist als drückend und lästig empfunden
werden.
Eine Landwirtschaft, die leistungsfähig ist, deren Viehstapel
der Erhaltung wert sind, ist die Grundlage, auf der unser Beruf
basiert. Sorgen wir daher vor allem dafür, daß die Landwirt¬
schaft volles Vertrauen zu unseren praktischen Leistungen hat
und daß sie die überhandnehmende Kurpfuscherei an den Nagel
! hängt, dann wird sich für uns alles zum besten wenden.
310
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
Es muß doch zu denken geben, daß die Landwirtschaft, an
ihrer Spitze die Kammern, nach Geburtshelfern und anderen
Surrogaten für Tierärzte rufen!
Glauben Sie, daß das nur aus Verbilligungsrücksichten oder
wegen Mangel an Tierärzten geschieht? Ich nicht, und die
Herren, die junge Vertreter gehabt haben, gewiß auch nicht.
Die minimale praktische Ausbildung, die der junge
approbierte Tierarzt aus der Studienzeit mit ins praktische
Leben hinübernimmt, ist ein Hauptmoment für die Abnahme der
Lust und Liebe zur Ausübung der praktischen Tierheilkunde.
Der junge Anfänger kennt das meiste nur aus Büchern, ist in
der Rindvieh- und Schweinepraxis fast jeder praktischen Übung
bar, er ist daher zaghaft und unentschlossen, kurzum, er ist
dem Konkurrenzkampf nicht gewachsen. Und da in demselben
heute auf keine Schonung mehr zu rechnen ist — denn die
Kollegialität wächst bei den Ärzten und Tierärzten sprich¬
wörtlich im Quadrat der Entfernung — so muß der unerfahrene
junge Kollege ohne jede praktische Schulung im Konkurrenz¬
kampf unterliegen.
War das früher auch so? Mehr oder weniger ja. Aber
Kammern, Tages- und Fachzeitungen beschäftigten sich noch
nicht so eingehend mit den tierärztlichen Fragen und die Fort¬
schritte der Wissenschaft, die sich in den letzten Dezennien
überstürzten, hatten ein langsameres Tempo. Auch war die
Besetzung des Landes mit Tierärzten eine dünnere, die Werte
der zu behandelnden Objekte noch geringere, so daß man über
die Klippe des Anfanges, des „Sicheinarbeitens“ leichter hin¬
wegkam.
Heute ist das ganz anders! Tierärzte in Menge, ständiges
Steigen der Werte, überall Belehrung und Unterricht in tier¬
ärztlichen Dingen, durch die Presse, Kammern, Winterschulen usw.
Der gut orientierte Landwirt verlangt sofort eine tüchtige Kraft
und läßt alles andere ihm nicht sogleich Genügende beiseite liegen.
Es muß daher der junge Kollege, wenn er heute in die
Praxis tritt, auf jedem Gebiet, besonders dem kurativen, gründ¬
lich bewandert und praktisch geschult sein, wenn er draußen
seinen Mann stehen soll.
Und hier liegt vieles im Argen.
Unsere tierärztlichen Hochschulen, deren wissenschaftliche |
Leistungen höchst anerkennenswerte sind und deren Ruf weit
über die Grenzen des Vaterlandes hinaus geht, geben jedem
Jünger der Veterinärmedizin ein überreiches Maß von Wissen¬
schaft mit auf seinen weiteren Weg. Uud hierauf können wir
stolz sein und blicken dankerfüllt auf unsere Alma mater.
Das, was sie aber nur im minderen Maße oder gar nicht
mitgeben oder nur in einzelnen Zweigen, was sie vielleicht zur¬
zeit auch nicht mitgeben können, das ist die praktische Be¬
tätigung dessen, was sie lehren, die praktische Schulung eines
jeden einzelnen.
Hier ist nicht der Platz dazu, und ich fühle mich auch
nicht dazu berufen, darüber zu polemisieren, welche Hochschule
mehr für die praktische Ausbildung sorgt und ob diese Frage
auf die Frequenz der Hochschulen von Einfluß ist.
So viel steht aber fest und lehrt täglich die Erfahrung
draußen, daß wir das praktische Jahr oder sonst ein Über-
gangsstadium zwischen Studienzeit und Praxis, wie es die
Mediziner auch notgedrungen einführen mußten, mehr bedürfen
denn je. Es ließe sich hierfür eine große Zahl krasser Bei¬
spiele anführen.
Nur wenn wir die praktische Seite unseres Berufs mehr
zur Geltung kommen lassen - sei es während der Studienzeit
oder nach vollendetem Staatsexamen — ist ein heilsamer Fort¬
schritt auch hach der gewinnbringenden Seite, die doch schließlich
als die lebenserhaltende die ausschlaggebende ist, zu erwarten.
Hier sind die Wege geboten, um dieses Ziel zu erreichen.
1. Die Schaffung einer besonderen Professur für die Schulung
auf praktischem Gebiete durch einen anerkannten, draußen groß
gewordenen Praktiker. Seine Stellung müßte die denkbar freieste
sein, nicht verknüpft und eingeengt durch andere Materien.
Eigene Lust und Liebe zur Landpraxis müßte er besitzen, um
sie auf die Jugend überzuimpfen.
2. Die Einführung eines praktischen Semesters oder Jahres.
a) Unter Überweisung an ausgewählte, anerkannte Land¬
praktiker oder auf dem Lande praktizierende Beamte bzw. Schlacht¬
hofleiter (Dezentralisation);
b) unter Überweisung an ein auf dem platten Lande zu
errichtendes Institut unter gleicher Leitung (Zentralisierung).
Diese beiden Formen, von denen das der Dezentralisation
bei richtig getroffener Auswahl entschieden den Vorzug ver¬
dient, denn nicht in einem Institut, sondern auf dem platten
Lande beim Landpraktiker, lernt man Landpraxis, während die
Zentralisation mit Internat und Massenbetrieb eben aus diesem
Grunde sich weniger empfiehlt, setzen aber größere Kosten für
den Staat und für die Eltern der Studierenden voraus.
Es ist daher zurzeit wenig Aussicht vorhanden, etwas Der¬
artiges zu erreichen. Denn nach Einführung der Maturitas
will man nicht schon wieder neue Anforderungen stellen. Und
doch will mir eine derartige Belastung des Staatssäckels und
des elterlichen Geldbeutels billiger erscheinen, wie ein beständiger
Wechsel der Anfangsstellung, eine Irritierung des Publikunis,
eine verunglückte Karriere, die enttäuscht, verbittert und —
abschreckt.
Sollte, wie vorauszusehen, auf diesen Wegen nichts zu
erreichen sein, dann müßten wir an dritter Stelle noch einmal
an den allbewährten Korpsgeist der deutschen Tierärzte
appellieren, der bisher nie versagt hat.
Denn ich kann es mir nicht denken, daß sich nicht tüchtige
| Privatpraktiker oder praktizierende Beamte und Schlachthofleiter
finden würden, die unentgeltlich junge Kollegen acht Wochen
in die Praxis und vier Wochen in die praktische Fleischbeschau
einführen würden. Ein dürftiger Notbehelf, aber doch etwas! —
Hierbei wäre vorauszusetzen, daß sich die einzuführenden
Herren selbst einlogieren, beköstigen, sich den Anordnungen
des Einführenden willig fügen und die Verpflichtung eingehen,
sich im Bereiche der Praxis desselben nicht niederzulassen.
Nur in der Praxis kann man die Praxis lernen. Hier
könnte der Anfänger mit eigenen Augen sehen, was ihm gelehrt
worden ist; hier lernt er alle die kleinen Praktiken und Hilfs¬
griffe kennen, die die Praxis ohne Laboratorium und Wärter
benötigt. Hier lernt er den Verkehr mit den Kollegen und dem
Publikum, die richtige Zeiteinteilung, die Buchführung, das
Selbstdispensieren, die richtige Ausstattung für eine Landpraxis.
Vor allem aber lernt er seine eigene Kunst schätzen und lernt
das eiserne Pflichtgefühl und das Standesbewußtsein kennen,
das den älteren Kollegen innewohnt und innewohnen muß, wenn
er es zu etwas bringen will.
In dieser Zeit würde sich auch jeder bewußt werden, ob
er sich zur Land- oder Schlachthofpraxis eignet. Denn ich
23. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
311
habe viele Herren kennen gelernt, denen eine falsche Wahl
schweres Geld gekostet hat.
Den Hochschulleitungen wäre anheimzustellen, eine Auswahl
unter den sich freiwillig zur Verfügung stellenden Herren zu
treffen und hei dem Abgänge der jungen Kollegen die freiwillige
Übernahme einer zunächst nur vierteljährlichen Volontärzeit
warm zu empfehlen.
Bei einer derartigen praktischen Ausbildung würde sicher
eine Gesundung der Verhältnisse eintreten, da durch die prak¬
tische Schulung die Abneigung und Scheu vor der Praxis und
die Furcht vor der Erfolglosigkeit im Konkurrenzkampf für
den Anfänger überwunden ist. Heben wir die Praxis wieder
mehr aufs Schild, bei voller Höhe der Wissenschaft, dann
werden wir nicht nur unserem Nachwuchs und dem ganzen
Stande, sondern auch der deutschen Landwirtschaft, auf der wir
fußen, unendlichen Nutzen bringen.
Noch ist es Zeit! Lassen wir erst einmal die Pioniere des
Kurpfuschertums in unsere, von unserem Ministerium in hoch
anzuerkennender Weise stets gehaltene Position Bresche legen,
dann vae victis.
Lassen Sie mich daher meine Resolution, die ich Ihnen
zur Annahme empfehle, ganz kurz dahin zusammenfassen:
Die Einführung des praktischen Jahres oder eines vor¬
läufigen anderen Übergangsstadiums zwischen Studium und
Praxis ist zur Förderung der Ausübung der praktischen Tier¬
heilkunde und zur erfolgreichen Bekämpfung des Kurpfuschertums
dringend geboten. (Schluß folgt.)
Erleichterung de« Eintritte« der Militärveterinäraspiranten.
Die Militärveterinäraspiranten hatten bisher grundsätzlich
am 1. Oktober einzutreten. Sie können sich dabei den Truppen¬
teil wählen. Unter besonderen Umständen darf der Zeitpunkt
des Eintrittes bis zu 14 Tagen überschritten werden. Nunmehr
ist bestimmt, daß Bewerber, welche die Reifeprüfung im Früh¬
jahr abgelegt haben, auch in der Zeit vom 1. bis 14. April des¬
selben Jahres eingestellt werden können. Der Eintritt darf
nur als Einjährigfreiwilliger erfolgen, und zwar bei einem
Truppenteil, der von der Inspektion des Militärveterinärwesens
auf ein entsprechendes Gesuch an diese bezeichnet wird. Die
Kommandierung zur Lehrschmiede in Berlin und die Übernahme
zur Akademie wird künftig halbjährlich erfolgen. In dieser Ab¬
änderung liegt eine wesentliche Verbesserung der Eintritts¬
bedingungen, die mit Freuden zu begrüßen ist.
Verband der Privattierärzte in Preußen.
Die seinerzeit für den 26. April 1908 festgesetzte General¬
versammlung ist auf einen späteren, noch bekannt zu gebenden
Termin verlegt worden. J. B. Arnous.
Genossenschaftliches.
Der Stand und Umsatz der Wirtschaftsgenossenschaft deutscher
Tierärzte, E. G. m. b. H. zu Posen, gestaltete sich im ersten Viertel¬
jahr 1908 gegenüber dem in 1907 wie folgt:
Monat
Zahl der
Mitglieder
Zahl der
Warenausgänge
1907 | 1908
Wert der
Warenausgänge
1907
1908
1907 i 1908
Januar . .
340
443
369
526
10 444,78! 11 527,24
Februar . .
347
448
421
, 517
10 321,20i 15 927,36
März . . .
355
457
534
| 571
15 554,52 116 893,79
Im ganzen .
355 1
457
1324
1614
36 320,50 | 44 348,39
Marks-Posen.
Verein Rheinischer Tierärzte.
Frühjahrsversammlung am Sonnabend, den 2. Mai d. J.,
vormittags 11 Uhr, im Restaurant des „Zoologischen Gartens“
liierselbst.
Tagesordnung:
1. Geschäftliche Mitteilungen •
2. Vereinsangclegenhciten: Aufnahme neuer Mitglieder, Neuwahl
des Schriftführers, Neuwahl des Vorstandes der Schell-
stiftung u. a. m.
3. Vortrag des Polizciticrarztes Dr Peters über: „Die kon-
junktivale Tuberkulinreaktion bei Rindern“.
4. Mitteilungen aus der Praxis.
Um 2 Uhr gemeinsames Mittagessen.
Köln, den 11. April 1908.
Der Vorstand. I. A.: Dr. Lothes.
Frfihjahr8ver8ammlung des Vereins der Tierärzte im Reg.-Bez. Düsseldorf
am Sonntag, den 3. Mai, mittags 12 Uhr, im Hotel Heck
zu Düsseldorf, Blumenstraße.
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten.
2. Aufnahme neuer Mitglieder.
3. Bericht der Kommission über den eventuellen Abschluß mit
einer Haftpflichtversicherung.
4. Bericht der Kommission betreffend Aufstellung einer neuen
Gebührenordnung im Regierungsbezirk Düsseldorf.
5. „Milchgewinnung“, Vortrag des Herrn Dr. Bettendorf.
6. Mitteilungen aus der Praxis.
In Anbetracht der Wichtigkeit der Tagesordnung, namentlich
des Punktes 5, bittet der Vorstand um recht zahlreichen Besuch.
Nach Schluß der Versammlung gemeinschaftliches Mittagessen, zu
welchem die Damen der Kollegen recht freundlichst eingeladen sind.
I. A.: Bettelhaeuser, Schriftführer.
80. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Köln 1908.
Die 80. Naturforscherversammlung findet, wie bereits in voriger
Nummer mitgeteilt werden ist, in diesem Jahre in der Zeit vom
20. bis 26. September in Köln statt. Vorsitzende sind Professor
Dr. Tielmann und der Stadtverordnete Chemiker Theodor Kyll.
Die allgemeinen Sitzungen werden auf Montag und Freitag den 21.
und 26. anberaumt. Vorträge werden dabei halten Professor Heim-
Zürich über Deckenbau der Alpen, Major v. Parsefal-Berlin über
Motorballons, Professor Stadler-München über Albertus Magnus
als Naturforscher, Professor Hassert-Köln und Professor Rubner-
Berlin. Donnerstag den 24. findet eine Gesamtsitzung der beiden
wissenschaftlichen Hauptgruppen statt, wobei Professor Wiener-
Leipzig und Professor Doflein-München über Trypanosomen
sprechen werden. Die Abteilungssitzungen sollen am 21. nachmittags
und am 22. und 23. vor- und nachmittags stattfinden.
In der 31. Abteilung (praktische Veterinärmedizin) sind Ein¬
führende Veterinärrat Dr Lothes, Schlachthofdirektor Kühn au
und Tierarzt Nehrhaupt; Schriftführer Kreistierazt Frank, Tier¬
ärzte Heyden und Dr. Rusche. Dr. Lothes (Käsenstr. 8) bittet,
Vorträge und Demonstrationen bis zum 10. Mai bei ihm anmelden
zu wollen; bei späterer Anmeldung kann eine Gewähr, daß der
Redner zum Wort kommt, nicht mehr übernommen werden. Ganz
besonders dankbar w äre man für Vorträge über Gegenstände, welche
sich zur Besprechung in kombinierten Sitzungen verwandter Ab¬
teilungen eignen.
Von der Universität Freiburg i. B.
Verzeichnis der Vorlesungen und Übungen des Vorbereitungs¬
kurses für den staatstierärztlichen Dienst, welcher im Sommer¬
semester 1908 am tierhygienischen Institut der Universität Freiburg
abgehalten wird.
Geh. Hofrat Prof. Dr. Schottenus: Desinfektionspraxis, ein-
stündig; Donnerstag von 10—11 Uhr.
Prof. Dr. Schlegel: Seuchenlehre, dreistündig; Montag und
Mittwoch von 3—4 Uhr, Samstag von 9—10 Uhr; Demonstrationen
und Übungen in der Feststellung von Seuchenfällen, zweistündig;
Donnerstag von 2—4 Uhr; Übungen in der Abfassung von Gut¬
achten und Berichten, einstündig; Samstag von 10—11 Uhr; Kurs
der Bakteriologie, fünfstündig; Mittwoch und Freitag von 9 bis
312
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17.
11 1 /, Uhr; Technik der diagnostischen, sowie der Schutz- und
Heilimpfungen, einsttindig; Montag von 9—10 Uhr: Animalische
Nahrungsmittelkunde, zweistündig; Dienstag von 10—11 Uhr und
Donnerstag von 9—10 Uhr.
Amtmann Dr Klotz: Veterinärpolizeiliche Verweltungskunde
und Veterinärgesetzgebung, zweistündig; Montag und Donnerstag
von 5—6 Uhr.
Zuchtinspektor Hink: Staatliche und genossenschaftliche Ein¬
richtungen zur Förderung der Tierzucht, einstündig; Montag von
10—11 Uhr; Gesundheitspflege der Haustiere, einstündig; Mittwoch
von 4—5 Uhr.
Bezirkstierarzt Schuemacher: Anleitung und Übung in der
Beurteilung der Zucht- und Nutztiere, einsttindig; Montag von 8
bis 9 Uhr.
Schlachthausyerw'alter Motz: Praktische Anleitung zur Aus¬
übung der Fleischbeschau, zweistündig; Dienstag von 3-4 Uhr und
Freitag von 2—3 Uhr.
Ökonomierat A. Schmid: Enzyklopädie der Landwirtschaft,
zweistündig; Dienstag von 9—10 Uhr und Mittwoch vou 8—9 Uhr.
Fakultative Hilfsdisziplinen: Hygiene, zweistündig; Montag und
Freitag von 4—5 Uhr; Allgemeine Pathologie, fünfstündig; Montag
bis Freitag von 11—12 Uhr, Mittwoch von 12—1 Uhr.
Das Sommersemester beginnt am 1. Mai und schließt am
31. Juli 1908.
Die Vorlesungen und Übungen finden im neuen tierhygienischen
Institut, Bismarckstraße 26, statt und werden zu denselben auch
Ausländer (Nichtbadener) zugelassen.
Auch ein Standesheber?
Aus Gönnern a Saale wurde mir folgende Annonce übersandt:
Habe mich in Gönnern als praktischer Tierarzt
niedergelassen.
Vorläufige Wohnung Poststr. 7, Tel.-Nr. 16.
Emil Honigmann, approb. Tierarzt.
Das wäre nichts Besonderes, wenn das Haus Poststr. 7 nicht
von einem gewissen Schlenstedt bewohnt w’ttrde und die Tel.-
Nr. 16 nicht auch die seinige wäre. Dieser Schlenstedt, der die
Tierheilkunde seit Jahren ausübt, ohne jemals die Approbation er¬
worben zu haben, in unserem Sinne also Kurpfuscher ist, ist der¬
selbe, der es schon fertig gebracht hat, einen Tierarzt als Assistenten
zu engagieren, ohne ihm mitzuteilen, daß er selbst nicht Tierarzt
sei, und gegen den der Vorstand des Vereins für den Regierungsbezirk
Merseburg schon einmal eine Warnung in der B. T.W. veröffentlichte.
Der erst in letzter Zeit approbierte Tierarzt Herr Emil Honig¬
mann aus Alsleben a. S., dem dies alles und noch manches andere
nicht unbekannt sein kann, da er schon früher vielfach mit Schlen¬
stedt verkehrte und auch schon vor Erlangung der Approbation
die Absicht hatte, sich mit Schlenstedt zur Ausübung der Praxis
zusammen zu tun, hat nun keinen Anstand genommen, bei diesem
Wohnung zu nehmen, dessen Telephon als das seinige zu betrachten
und dies auch zu veröffentlichen.
Herr Honigraann hat zw\ar seine Niederlassung in Gönnern
als praktischer Tierarzt vorschriftsmäßig angezeigt, wie weit seine
Gemeinschaft mit Schlenstedt aber geht, ergibt sich aus folgendem:
1. Der Schw’eine-Versicherungsverein in Gönnern hatte die
Impfung der versicherten Schweine gegen Rotlauf dem Schlen¬
stedt übertragen. Dieser durfte sie nach einer für den Regierungs¬
bezirk Merseburg erlassenen landespolizeilichen Anordnung nicht
vornehmen, sie wurde daher von dem Tierarzt Honigmann und
zwar mit dem Kutscher des Schlenstedt zusammen ausgeführt.
2. Der Tierarzt Honigmann benutzt das Fuhrwerk des Schlen¬
stedt; er fährt und geht mit diesem zusammen zur Praxis.
3. Der Tierarzt Honigmann besucht mit Schlenstedt öffent¬
liche Lokale und wird von ihm als sein Assistent bzw. Vertreter
vorgestellt!
Kommentar überflüssig!
Der Vorsitzende des tierärztlichen Vereins
für den Regierungsbezirk Merseburg.
Dr. Fel i sch-Merseburg.
I Anmerkung.
I Ich habe, meinem allgemeinen Grundsatz folgend den obigen
Artikel des Herrn Departementstierarztes Veterinärrats Dr. Felisch
aufgenommen, obwohl derselbe einen Angriff auf einen Kollegen
enthält, dem ich in dieser Form und Schärfe nicht beitreten kann.
Der Umstand, daß dieser Kollege erst vor kurzer Zeit die Tier¬
ärztliche Hochschule zu Berlin verlassen hat, und daß er mir hier als
ein honoriger und besonders tüchtiger Student erschienen ist, gibt
mir Veranlassung, den Lesern der B. T. W. auch die ganz eigen¬
artigen Umstände dieses Falles mitzuteilen, da zur eigenen Be¬
urteilung desselben die Kenntnis jener Umstände meiner Ansicht
nach denn doch unerläßlich ist.
Der von Herrn Dr. Felisch benannte Herr Schlenstedt
betreibt zu Gönnern eine umfangreiche Praxis, ohne die tierärztliche
Approbation erworben zu haben. Trotzdem kann das Wort „Pfuscher“
auf ihn schlechtweg nicht angewandt werden, weil er tatsächlich
Tiermedizin studiert hat. Er hat zu Berlin und, wenn ich nicht
irre, auch zu Stuttgart den vorgeschriebenen Studiengang voll¬
ständig durcbgemaCht, ist in das Staatsexamen eingetreten und hat
lediglich die Schlußprüfung nicht bestanden; er hat dann leider
infolge widriger Familienverhältnisse die Beendigung des Examens
unterlassen. Er ist bei dem Korps Salingia aktiv gewesen, und
obwohl ihm selbstverständlich die Würde eines A. H. nicht
hat zuteil werden können, haben seit jeher Angehörige
dieser angesehenen Verbindung mit Herrn Schlenstedt
verkehrt, der sich im bürgerlichen Leben nichts hat zuschulden
kommen lassen und sich jetzt in einer, dem Vernehmen nach, guten
Situation befindet. Auch Herr Honigmann ist bei der Salingia
aktiv gewesen; er stammt außerdem, wenn ich nicht irre, aus der
nächsten Nachbarschaft des Ortes Cönnern. Dadurch finden seine
Beziehungen zu Herrn Schlenstedt eine an sich sehr natürliche
Erklärung. In der Betätigung dieser Beziehungen an sich kann ich
unter den obwaltenden Umständen noch keine Verletzung der
Standesehre erblicken. Meiner Ansicht nach wird abzuwarten sein,
was Herr Tierarzt Honigmann beabsichtigt. Vielleicht will er an
Stelle des Herrn Schlenstedt treten. Wenn er damit dessen nicht-
approbierte Tätigkeit beendete, so könnte das ja womöglich noch
als ein gutes Werk ausgelegt werden. Schmaltz.
Personalien.
Auszeichnung : Es wurde verliehen dem Oberveterinär a. D.
A T <?ttrwcr»m-Wismar das Mecklenburgische Militär -Verdienstkreuz
II. Klasse «am roten Bande, dem Tierarzt Lfe/tclhäuscr-Duisburg die
Landwehr-Dienstauszeichnung I. Klasse.
Ernennungen: Distrikts- und Grenztierarzt Eduard Diem-l&wrg-
hausen zum Bezirkstierarzt in Dingolfing, die Tierärzte Franz,
«Sr/m/ir-Herzogenaurach zum Distriktsticrarzt in Bischofsheim [Rhön]
(Unterfr ) Dr. Albert A/ö/fer-Düsseldorf zum stellvertretenden Distrikts¬
tierarzt in Alpirsbach (Württ.), C. Haupt zum städt. Tierarzt am
Schlachthof I in Gelsenkirchen. — Versetzt: Bezirkstierarzt Emil
HW/fyärder-Nabburg auf Ansuchen nach Hofheim. — Ruhestands¬
versetzung: Bezirkstiorarzt Otto Bc^/wau/i-Vohenstrauß in den
djiuernden Ruhestand.
Niederlassungen: Tierarzt Wilhelm Tr aufm arm aus Wimpfen in
Stühlingen (Baden). — Verzogen: Amtstierarzt Dr. A. bennstctll
von Dohna i. S. nach Weimar, Hummelstr. 1.
Approbiert: Die Herren Oskar Banwwsky aus P.akuß, Arthur
Locire aus Widminnen in Berlin.
In der Armee: Im Beurlaubtenstande: Abgang: Ober-
veterinär der Reserve Friedrich Voltx (Landwehr 2. Aufgebots,
Nürnberg) der Abschied bewilligt.
Vakanzen.
(Vgl. Nr. 14.)
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmalta in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Scboeti in Berlin. —
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
Die „Berliner Herbstliche Wochenschrift* erscheint
wöchentlich im Verlege tob Richard Schoets in
Berlin 8W. 48, WUhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe mm Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich QL 4,88 für die Wochenschrift, 12 PI für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 80 Mu, fn Petltsats mfc
00 Mk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte^
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
su senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierirst»
liebe Hochschule. NW., Luisenstrafie 50. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr, Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Glage
Professor
Hamburg.
Veterinärrat Dr. Lothes
Departementstlerarxt
Cöln.
Prof. Dr. Peter
Kreistierarzt
Angermünde.
Veterinärrat Peters
Departementstierarzt
Bromberg.
Veterinärrat Preuße
Departementstierarzt
Danzig.
Dr. Richter
Professor
Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder
Professor
Dresden.
Dr. Schlegel
Professor
Freiburg i. Br.
Dr. j. Schmidt
Professor
Dresden.
Reg.-Rat Dr. Vogel
Landestierarzt v. Bayern
München.
Wehrte
Kaiser!. Regienmgsrat
Berlin.
ZUndel
Kreistierarzt
Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908.
tM. 18 . Ausgegeben am 30. April.
Inhalt: Reinecke: Ein Beitrag zur kutanen und konjunktivalen Tuberkulinreaktion beim Rinde. — Tagesgeschlchte: Die
Ablehnung der Anerkennung des Schweizer Dr. med. vet in Sachsen. — Bericht über die VII. Hauptversammlung des Vereins
der beamteten Tierärzte Preußens am 29. und 30. November und 1. Dezember 1907 (Schluß). — IX. Internationaler Tierärztlicher
Kongreß im Haag, 14.—19. September 1909. — Storch: Tierschutz und Tierschutzverein. — Staats veterinär wesen: Wenzel:
Der infektiöse Scheidenkatarrb und seine Bedeutung für die nassauische Viehzucht — Viehseuchenkommission. — Tierseuchen
in Deutschland 1906. — Wild- und Rinderseuche. — Maßregel zur Bekämpfung der Geflügelcholera. — Verschiedenes. —
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel: Helfer: Unzulässigkeit des Kürzung der Fleischheschaugehühren durch die
Gemeinden. — Deutschlands Vieh- und Fleischeinfuhr im Jahre 1907. — Bericht über die Schlachtvieh- und Fleischbeschau
im Königreich Sachsen für das Jahr 1906. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Besprechungen. — Personalien.—
Vakanzen. *
(Aus dem Veterinärinstitut der Universität Leipzig.)
Ein Beitrag zur kutanen und konjunktivalen Tuber¬
kulinreaktion beim Rinde.
Von Obenneterinär Reinecke.
Obwohl" uns durch die bedeutsame Eptcfeckung R.' Kochs
ein wirksames diagnostisches Hilfsmittel für die Erkennung der
Tuberkulose gegeben ist, haben sich in der Humanmedizin die
diagnostischen Tuberkulininjektionen als zu gefährlich nicht
einbürgern können. In neuerer Zeit scheint nun, nachdem durch
von Pirquet eine neue Art der Applikation angegeben ist,
auch jener hadernde Umstand beseitigt zu sein.
Das Prinzip der allerneuesten Reaktion, von welcher seit
etwa zehn Monaten in der medizinischen Literatur die Rede ist,
und welche nach ihrem Entdecker die von Pirquetsche
Tuberkulinreaktion benannt ist, basiert auf den klinischen
Studien des genannten Forschers über „Vaccination und
vaccinelle Allergie“.*) Er ging von Beobachtungen, die er bei
der Kuhpockenimpfang gemacht, aus und stellte fest, daß bei
der ersten Vaccination eine andere Reaktion eintritt als bei der
Revaccination. Die Ansischt, daß einige Jahre nach der Erst¬
impfung vollständige Immunität bestehe, sei nicht ganz richtig,
und die Reaktionslosigkeit einer in diesem Zeiträume wieder¬
holten Impfung werde dadurch vorgetäuscht, daß man ge¬
wöhnlich erst nach acht Tagen den Impfbefund revidiere.
Nehme man aber die Untersuchung bereits in den ersten vier¬
undzwanzig Stunden nach der Impfung vor, so finde man bei
schon früher geimpften Individuen regelmäßig eine schwache
Reaktion in Gestalt einer kleinen Papel. Es handelt sich hier¬
bei sicherlich um eine spezifische Antikörperreaktion. Bei
Personen, die früher noch nicht geimpft waren r trete diese
Reaktion hingegen niemals ein. v. Pirquet schließt hieraus,
*) C. von Pirquet: Klinische Studien über Vaccination und
vaccinelle Allergie (Franz Deutike. Leipzig-Wien 1907.)
daß diese ganz regelmäßig auftretende Erscheinung umgekehrt
darauf schließen lasse, daß bei Eintritt der Frühreaktion der
Organismus schon einmal geimpft oder mit anderen Worten
infiziert wurde und darum Antikörper beherberge.
Dasselbe .was für -die Vaccination gesagt ist, gelte auch
für die Tuberkulose.*) Der schon einmal infizierte Körper gebe
auf die Applikation eines kleinen Quantums Tuberkulin ebenfalls
eine solche Frühreaktion, der gesunde Organismus nicht. Damit
sei ein Diagnostikum für die Tuberkulose gegeben, das aller¬
dings mit dem Alter der Untersuchten immer mehr an Wert
verliere, da unter Erwachsenen beinahe jeder Mensch einmal
mit Tuberkulose infiziert worden sei.
Die Anwendung des Tuberkulins zu dem bezeichneten Zwecke
ist einfach und ungefährlich. Man bringt einige Tropfen verdünntes
Tuberkulin (meist wird eine 25prozentige Lösung von Kochschem
Alttuberkulin benutzt) auf die Haut des Armes und ritzt diese
dann leicht an, so daß das Tuberkulin eindringen kann. Nach
ein bis zwei Tagen entsteht bei tuberkulösen Individuen eine
flache Papel, bisweilen mit Urticaria oder Bläschenbildung.
Eontrollimpfungen mit einigen Tropfen steriler physiologischer
Kochsalzlösung oder einer öprozentigen Glyzerin- und 0,1 proz.
Karbolsäurelösung (entsprechend der Glyzerin-Karbolsäurekon¬
zentration der Tuberkulinlösung) ermöglichen es, durch Vergleich
der etwa auftretenden meist minimalen Wundreaktionen mit der
spezifischen Reaktion ein einwandfreies Bild zu gewinnen. Die
zu setzenden Skarifikationen sollen möglichst oberflächlich sein,
da sonst sich etwa bildende stärkere Blutkrusten die spezifische
Reaktion verdecken können.
Autor hat mehrere hundert Impfungen ausgeführt und fest¬
gestellt, daß 88 Proz. der geimpften tuberkulösen Kinder positiv
reagierten, 12 Proz. dagegen nicht. Bei letzteren handelt es
*) C. v. Pirquet. Über eine neue Methode der Tuberkulose¬
diagnose. Berliner medizinische Gesellschaft. Sitzung vom
8. Mai 1907.
314
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18
sich um kachektische und miliartuberkulöse Individuen. Bei
Skrofulöse, Knochen- und Gelenktuberkulose soll die Reaktion
meist lebhafter sein, desgleichen nach wiederholten Impfungen.
- Durch eine Reihe von Sektionen ist der Ausfall dieser
„Allergieprobe“ kontrolliert worden.
Die Angaben v. Pirquets sind dann von mehreren deut¬
schen und französischen Autoren nachgeprttft und bestätigt
worden. Fehldiagnosen bei dem Vorhandensein anderer Leiden
konnten beispielsweise in Fällen von skrofulösem Ekzem und
Keratitis nach Masern beobachtet werden. Bei Erwachsenen
soll, wie P. Abrami und Et. Burnet*) an einer großen An¬
zahl von Fällen konstatierten, die Reaktion unregelmäßig in
ihrem Auftreten und ihrer Intensität, daher keineswegs zur
Diagnose der Tuberkulose verwendbar oder den klinischen Hilfs¬
mitteln gleich zu erachten sein. Ähnliche Beobachtungen hat
auch v. Pirquet gemacht. Bei seinen Versuchen reagierten
Erwachsene und größere Kinder, die frei von Tuberkulose waren.
Die günstigen Resultate, welche diese neue Methode in
der Tuberkulosediagnose anscheinend gezeitigt, haben dann zu
weiteren Experimenten in der Lokalanwendung des Tuberkulins
geführt Nicht lange nach den Veröffentlichungen v. Pirquets,
bereits am 15. Mai des vergangenen Jahres, machte Wolff-
Eisner in der Sitzung der Berliner medizinischen Gesellschaft
die Mitteilung, daß durch Einträufeln einer lprozentigen
Tuberkulinlösung in den Lidsack bei tuberkulösen Individuen
nach 6 bis 24 Stunden eine Reaktion auftritt, die sich in mehr
oder weniger stärkerer Rötnng der Konjunktivs, in stärkeren
Graden von Schleim- bzw. Fibrinexsudationen und sogar Auf¬
lockerung der Konjunktivs mit starker seröser Durchtränkung
der Schleimhaut (Chemosis) präsentiert. Dieser Vorgang wurde
von ihm als „Konjunktlvalreaktion“ bezeichnet.
Unabhängig hiervon hat der französische Forscher Calmette
nach Applikation 1 prozentiger Tuberkulinlösung auf die Augen¬
schleimhaut dieselben Beobachtungen gemacht und die Methode
an einer Reihe tuberkulöser sowie gesunder Individuen durch¬
geprüft. Von ihm wurde die Bezeichnung „Ophthalmoreaktion“
eingeführt.
Auch diese neue Methode ist von verschiedenen Seiten nach¬
geprüft und als brauchbares diagnostisches Hilfsmittel bei
Tuberkulose empfohlen worden. Weiterhin wird die Unschäd¬
lichkeit hervorgehoben. Eine Störung des Allgemeinbefindens
wurde in keinem Falle beobachtet.
Diese nur kurz skizzierten Ausführungen über die Ent¬
stehung der Kutan- und Ophthalmodiagnose der Tuberkulose
sowie ihre Anwendung in der Humanmedizin dürften wohl zur
allgemeinen Orientierung genügen. Die Literatur**) über diese
neuesten Ergebnisse der Tuberkuloseforschung ist in der kurzen
Zeit seit der Entdeckung bereits derartig angeschwollen, daß
eine ausführliche Zusammenstellung den Rahmen dieser Ab¬
handlung überschreiten würde.
Für uns dürften die Verwendung der Reaktionen in der
Tierheilkunde und die Ergebnisse der an tuberkulösen und
tuberkulosefreien Tieren vorgenommenen Impfungen von größerem
Interesse sein. Zuerst sind es französische Forscher gewesen,
welche kurz nach den Veröffentlichungen v. Pirquets und
*) Societe de biologie. Sitzung vom 13. und 20. Juli 1907.
**) Eine ausführliche Abhandlung findet sich in den Beiträgen
zur Klinik der Tuberkulose. Band IX. Heft 1: Wolff-Eisner,
Die Opbthalmo- und Kutandiagnose der Tuberkulose.
Wolff-Eisners die Methoden bei Haustieren in Anwendung
gebracht haben. So berichtet Valide (1), daß er Untersuchungen
an Rindern, Pferden und Meerschweinchen vorgenommen habe>.
Zunächst wurde mit solchen Tieren experimentiert, die frei von
Tuberkulose waren. Er trug mit einem kleinen, weichen Pinsel
einige Tropfen Rohtuberkulin, das mit der gleichen Menge ge¬
kochten Wassers verdünnt war, auf eine rasierte und skarifi-
zierte Hautstelle auf. Es traten meist keine nennenswerten
Reaktionen ein. Ganz ausnahmsweise entstand eine oberfläch¬
liche Entzündung an den Rändern der skarifizierten Stelle, die
übrigens sehr schnell vorüberging. Er macht besonders darauf
aufmerksam, daß eine Gegend des Tierkörpers gewählt werden
müßte, welche von den Tieren weder mit den Zähnen, noch den
Füßen oder Hörnern erreicht werden könne. Am besten eignen
sich als Operationsfelder die Flächen des Widerristes.
Im Gegensatz hierzu hat V. indem er unter derselben Be¬
dingung 25 tuberkulöse Tiere prüfte, nach 24 Stunden eine sehr
deutliche kutane Reaktion erhalten. Die Haut war in einer
Ausdehnung von mehreren Millimetern an den skarifizierten
Rändern verdickt und zeigte Erhabenheiten, die je nach der
Intensität der Reaktion schmerzhaft und dunkelrot waren.
Lagen die Skarifikationen nahe genug nebeneinander, so ent¬
stand bisweilen eine kutane Quaddel, die bei Palpation schmerz¬
haft war. Am deutlichsten trat die Reaktion zwischen der
36. und 48. Stunde in Erscheinung und war noch ausgeprägt
nach 4 bis 5 Tagen.
Valide schlägt für dieses Phänomen die Bezeichnung
„Cutirdaction“ vor. Merkliche Temperatursteigerungen hat
er im Verlaufe der Probe nicht feststellen können. Die Re¬
aktionen traten am deutlichsten auf, wenn die Skarifikationen
die Oberhaut und eine dünne Schicht der Haut derart'betitafen,
daß ein leichtes Aussickern von Blut stattfand. In einzelnen
Fällen kam es nach Verlauf von 36 Stunden zur Bildung sehr
schöner ödematöser Quaddeln, welche später einen mehr papu¬
lösen Charakter annahmen. Nach dem Zusammenfällen ließen
die Papeln fest anhaftende Epidermismassen zurück, deren Ent¬
fernung schmerzhaft war und dann in den nackten Teilen eine
nässende Stelle zeigten. Diese Erscheinungen sollen häufig
mehrere Tage fortbestanden haben und die Reaktion dann 10,
15 oder 20 Tage lang deutlich erhalten geblieben sein. Wurde
das Tuberkulin in die tieferen Schichten der Haut eingeimpft,
so herrschte eine ödematöse Schwellung der skarifizierten
Haut vor.
Das Aufträgen von Tuberkulin auf stark rasierte Haut¬
stellen (ohne Skarifizierung) scheint die Reaktion nicht Zustande¬
kommen zu lassen.
Weiterhin wird hervorgehoben, daß die Intensität der
Kutireaktion bei tuberkulösen Tieren keineswegs stets im direkten
Verhältnis steht zur Schwere der tuberkulösen Veränderungen.
So erhielt Valide bei 7 Rindern, die nur mit einer leichten
Tuberkulose der Eingeweide behaftet waren, an Intensität
ebenso deutliche Reaktionen wie bei Rindern, welche seit zwei
und drei Jahren sowohl Träger ausgebreiteter tuberkulöser
Läsionen als offener Lungentuberkulose waren.
Versuche bei gleichzeitiger Anwendung der subkutanen
Tuberkulininjektion und der Kutireaktion zwecks Feststellung
der Temperaturverhältnisse ergaben, daß die Reaktions¬
erscheinungen seitens der Haut sehr undeutlich waren oder
vollkommen ausblieben. Desgleichen verhinderten zwei oder
30. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
315
drei Tage vor der Kntireaktion ausgeführte Tuberkulininjektionen
die Manifestation der ersteren. Im Gegensatz hierzu soll bei
einigen tuberkulösen Rindern, welche seit fünf Tagen in voller
Kntireaktion standen, die subkutane Injektion von Tuberkulin
glänzende thermometrische Reaktionen geliefert haben. Wurde
die Kntireaktion mehrere Wochen nach erfolgter subkutaner
Injektion von Tuberkulin wiederum vorgenommen, so trat sie
stets in der typischen Form auf, und zwar nicht nur nach ein»
maliger Injektion innerhalb dieser Zeit, sondern auch nach mehr¬
maliger Verabfolgung größerer Mengen, in einem Falle bis zu
500 ccm Rohtuberk ulin.
Die weiteren. Versuche des genannten französischen Forschers
an Haustieren bestätigen auch das Resultat, welches Wolff-
Eisner mit der Ophthalmoreaktion bei tuberkulösen Menschen
erhalten hat. Er verdünnte einen Teil Tuberkulin mit 10 Teilen
physiologischer Kochsalzlösung und instillierte von dieser Lösung
gesunden Tieren 2 oder 3 Tropfen in das Auge. Es trat hier¬
auf keine wahrnehmbare Reaktion ein.
Derselbe Versuch, bei tuberkulösen Tieren ausgeführt, ließ
von der 6., 8. oder 12. Stunde ab eine typische Reaktion hervor¬
treten. Erscheinungen: Tränenfluß, leichte Ptosis, lebhafte I
Kongestion und häufig Ödem der Konjunktiva und besonders
des Blinzknorpels. Die Reaktion war bisweilen so heftig, daß
kleine submuköse Eccliymosen entstanden. Nach 22 bis 24 Stunden
wurde das Vorhandensein eines schleimig-eitrigen Sekretes
konstatiert. Diese Erscheinungen waren wie bei der Kuti-
reaktion noch nach 36, 48 Stunden und selbst 3—4 Tagen zu
sehen. Deutliche Temperatursteigerungen wurden nicht beob¬
achtet. Es wird empfohlen, zum Vergleich jedesmal das nicht¬
geimpfte Auge mit zu untersuchen.
Am Schlüsse seiner Ausführungen hebt Vallöe hervor, daß
die Erscheinungen der Kntireaktion gegenüber denjenigen der
Ophthalmoreaktion dauerhafter seien, und die letzteren in der
Praxis leicht vorgetäuscht werden könnten.
Ähnliche Resultate wie Vallee haben auch Moussu (2) und
Ligniäres (3) erhalten. Ersterer hat die Hautprobe bei gesunden,
tuberkulösen und solchen Rindern vorgenommen, welche an
chronischem Durchfall, eitrigen Entzündungen und Aktinomykose
litten. Bei letzteren Krankheiten stellte er den Versuch
aus dem Grunde an, weil nach subkutanen Tuberkulininjektionen
hier bisweilen Reaktionen wie bei dem Vorhandensein von
Tuberkulose beobachtet sind.
Das Ergebnis seiner Versuche war folgendes: Bei gesunden
Rindern traten keinerlei Reaktionen auf, während bei solchen
Tieren, die mit Tuberkulose behaftet waren, im allgemeinen die
bereits von Vallöe geschilderten Erscheinungen sich zeigten.
Es blieb die Reaktion völlig aus bei zwei an klinischer Tuberkulose
erkrankten Rindern. Bei Tieren mit feiner pigmentfreier Haut
waren die Reaktionserscheinungen prägnanter, als bei solchen
mit grober und pigmentierter Haut. Die an chronischen
Diarrhöen und eitrigen Entzündungen leidenden Tiere rea¬
gierten nicht, während bei einem an Aktinomykose erkrankten
Rinde eine zweifelhafte Reaktion eintrat.
Versuche an drei tuberkulösen Hunden fielen negativ aus.
Brachte Moussu reines oder verdünntes Glyzerin, sowie
Terpentinöl auf skarifizierte Hautstellen, so zeigten sich keinerlei
Reaktionserscheinungen, wie man sie bei Tuberkulose findet
Das Ergebnis der Versuche Ligniäres (4) stimmt im End¬
resultat auch mit denjenigen Vallöes überein. Dieser Autor ist
jedoch insofern von dem ursprünglichen v. Pirquetschen Ver¬
fahren abgewichen, als er im Gegensatz zu der bisher üblichen
Methode des Skarifizierens der Haut, diese letztere Manipulation
nicht als Grundbedingung für das Gelingen der Probe be¬
trachtet. Nach seinen bisherigen Untersuchungen tritt die
Reaktion bei tuberkulösen Rindern noch konstanter in Er¬
scheinung, wenn in die frisch rasierte Haut 5 bis 6 Tropfen
Rohtuberkulin etwa l f 2 Minute lang eingerieben werden. Die
Reaktions erscheinungen glichen den bereits von Valide be¬
schriebenen. Seine Methode, welcher er die Bezeichnung:
„dermo - röaction“ gibt, soll sich der Kutanreaktion gegenüber
noch insofern auszeichnen, als sie ohne Mißerfolg selbst in
Zwischenräumen von 24 Stunden wiederholt werden kann.
In dieser Abhandlung führt Lignieres dann noch aus, daß er,
ohne die subkutanen Tuberkulininjektionen, welche immer noch
als gutes diagnostisches Hilfsmittel bestehen bleiben werden,
verwerfen zu wollen, doch glaubt, daß eine gleichzeitige An¬
wendung der „ophthalmo-cuti-dermo-rdaction“ in gewissen Fällen
infolge ihrer Einfachheit in der Applikation, des schnellen Er¬
gebnisses und der Zuverlässigkeit die klassischen Tuberkulin-
I injektionen verdrängen wird.
Hinsichtlich der Bewertung der Ophthalmoreaktion steht er
ebenfalls auf dem Standpunkte Vall4es. Bei seinen Versuchen
wurde ein Tropfen Rohtuberkulin in den Konjunktivalsack ein¬
geträufelt. Die Herstellung einer Verdünnung hält er für über¬
flüssig, da sich das Tuberkulin sofort mit der Tränenflüssigkeit
mischt. Weder die cuti-röaction noch die cuti-dermo-röaction
sollen das Zustandekommen der Augenreaktion, sowie der
klassischen Tuberkulinreaktion hindern. Ligni&res ist der
Ansicht, daß sich die Kuti- und Ophthalmoreaktion bei der
praktischen Anwendung gegenseitig kontrollieren und ergänzen.
Die bezeichneten Methoden lieferten immer ein positives Er¬
gebnis bei tuberkulösen Tieren, ein negatives dagegen stets bei
solchen, die frei von Tuberkulose waren. Bei Aktinomykose
können nach seinen Erfahrungen sowohl die subkutane Tuber¬
kulinprobe als auch die ophthalmo-cnti-dermo-röaction ein
positives Resultat abgeben.
Im Anschluß an diese mehr detaillierten Ausführungen möchte
ich nun noch kurz einen Versuch anführen, den Guerin (5)
bzw. Guörin und Delattre (6) über die Ophthalmoreaktion an¬
gestellt haben. Es handelte sich darum, auf einer Pachtung, die
einen Bestand von 15 Rindern hatte, die Ausbreitung der
Tuberkulose festzustellen. Von neun mit Tuberkulin subkutan
geimpften Rindern reagierten vier, wovon eins mit klinischer
Tuberkulose behaftet war. Sechs Tage später wurden alle
fünfzehn Tiere der Augenprobe unterworfen. Verwendet wurde
hierzu Tuberkulin, das mit der gleichen Menge destillierten
Wassers verdünnt war. Von dieser Flüssigkeit wurde mit einem
Pinsel etwas in das Auge eingetragen. In der Folge stellten
sich von der achten Stunde ab bei den vier Rindern, welche
reagiert hatten, die bekannten Erscheinungen an den Augen ein.
Bei dem mit klinischer Tuberkulose behafteten Tiere war die
Reaktion gering. Bei den sechs übrigen nicht vorgeprüften
Rindern war der Ausfall der Augenprobe positiv in einem
Falle, zweifelhaft in einem weiteren und negativ in den vier
anderen Fällen. Auf .die später bei diesen sechs Tieren vor¬
genommene subkutane Injektion von Tuberkulin reagierte nur
das erstere, welches positive Augenreäktion gezeigt hatte.
Ganz anders als durch die angeführten Autoren wird der
816
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18,
Wert der Lokalreaktionen von Arloing (7) und Vander¬
heyden (8) beurteilt.
Arloing untersuchte Rinder, Ziegen, Hunde, Kaninchen und
Meerschweinchen, die auf subkutane Tuberkulininjektionen rea¬
giert hatten. Das Auftreten einer spezifischen Reaktion konnte
er weder nach Vornahme der Haut — noch der Augenprobe
feststellen und erhielt auch keine anderen Resultate als er ver¬
schiedene Tuberkulinsorten verwendete.
Hierauf erwiderte Valide, daß Arloing in 12 von 19
Fällen andere Tierspezies zu seinen Versuchen benutzte als er,
und daß die Reaktion nur bei natürlich infizierten, dagegen
nicht bei experimentell infizierten Tieren positiv ausfiele.
Dieser letztere Einwand Valides erscheint, wie auch
Wolff-Eisner bemerkt, nicht berechtigt, da es keinen Grund
dafür gibt, warum bei experimentell infizierten Tieren die Re¬
aktion anders auBfallen sollte als bei natürlicher Infektion.
Nach Valide sollten weiterhin die Versuche Arloings insofern
nicht ganz einwandfrei sein, als letzterer nur die oberfläch¬
lichen Schichten der Haut skarifizierte, während er Wert darauf
legte, daß eine leichte Blutunterlaufung zustande kam. Dieser
Widerspruch steht aber den Ergebnissen, die Lignieres mit
der Dermor^action erzielte, diametral gegenüber.
Zu demselben negativen Ergebnis wie Arloing gelangte
auch Vanderlieyden bei Prüfung der Methoden auf ihren
praktischen Wert hin. Seine Versuche sind an Milchkühen an¬
gestellt und in folgender Weise gegliedert:
Gruppe 1.
Prüfung der skarifizierten Haut ohne Verwendung von
Tuberkulin.
Gruppe 2.
Prüfung der skarifizierten Haut tuberkulosefreier Tiere
unter Anwendung von Tuberkulin.
Gruppe 3.
Prüfung der skarifizierten Haut tuberkulöser Tiere
unter Anwendung von Tuberkulin.
Es wurde in allen Versuchsreihen die Haut, nachdem sie
rasiert und gründlich desinfiziert war, an verschiedenen Stellen
des Körpers wie dem Grunde der Ohren, der Backe, der Wamme,
dem Euter und der Widerristgegend durch 3—4 Einschnitte
skarifiziert Das für den Versuch gebrauchte Tuberkulin war
von Professor Heymans aus Gent und Dr. Poels aus
Rotterdam bezogen. Die teils tief, teils flach angelegten
Skarifikationen wurden in einigen Fällen mit Rohtuberkulin, in
anderen mit verdünntem Tuberkulin behandelt. Die Besich¬
tigung der Impfstellen fand nach 24 und 48 Stunden statt
In allen drei Versuchsreihen stimmten die Hauterscheinungen
mit geringgradigen Schwankungen überein, und zwar zeigte sich
in den meisten Fällen nach 24 Stunden leichte Schwellung der
Wundränder, die bei tiefen Schnitten intensiver war. Sonst
konnte weder eine Verdickung noch erhöhte Empfindlichkeit
an den skarifizierten Hautstellen nachgewiesen werden. Nach
48 Stunden waren die Schnittwunden hier und da mit einer
feinen braunroten Kruste bedeckt und nach Verlauf von drei
bis vier Tagen war kaum noch etwas zu sehen. Sonst wurden
keinerlei der früher beschriebenen Reaktionserscheinungen weder
bei gesunden noch tuberkulösen Kühen beobachtet Im all¬
gemeinen schien das Tuberkulin Poels einen etwas stärkeren
Reiz auf die Wunden auszuüben als das Hey man sehe Präparat.
Die in Gruppe 3 geprüften Tiere hatten zuvor auf sub¬
kutane Injektion von Tuberkulin reagiert, zwei derselben waren
mit klinisch nachweisbarer Tuberkulose behaftet
In ähnlicher Anordnung wie in den vorstehenden Versuchen
hat Vanderheyden auch die Augenprobe angewandt und ist
hierbei ebenfalls zu einem absolut negativen Resultat gekommen.
Die Tuberkulinlösungen, von welchen je 3 Tropfen in das zu
prüfende Auge eingeträufelt wurden, waren aus einem Teile
Tuberkulin Poels mit 10 Teilen Wasser bzw. einem halben Teile
Tuberkulin Heymans mit 10 Teilen Wasser bergestellt Die
Besichtigung sämtlicher Versuchsrinder geschah nach 6, 9 und
24 Stunden.
Nur bei einer nichttuberkulösen Kuh, welche Tuberkulin
Poels in der angegebenen Verdünnung erhalten hatte, zeigte
sich vorübergehend schwacher Tränenfluß und leichte Entzündung
der Konjunktiva.
Auf Grund seiner Versuche glaubt Vanderheyden sich
zu der Schlußfolgerung berechtigt, daß weder die Haut- noch
die Augenprobe einen praktischen Wert für die Feststellung der
Tuberkulose habe.
Faßt man die Resultate, welche aus den soeben näher
skizzierten Literaturangaben hervorgehen, zusammen, so muß
man zu der Überzeugung gelangen, daß sich bis heute schwerlich
ein abschließendes Urteil über den Wert der kutanen und kon-
junktivalen Tuberkulinreaktionen beim Rinde gewinnen läßt.
Den Vorteil würden allerdings die Lokalreaktionen bieten,
daß sie das ganze Verfahren der Tuberkulosediagnose wesent¬
lich vereinfachten, wohingegen als Nachteil in Betracht käme,
daß leicht Fehldiagnosen bei sonst vollständiger Sicherheit der
Reaktionen durch traumatische Einwirkungen oder Verunreini¬
gungen, welche die skarifizierte Haut oder das Auge betreffen,
hervorgerufen werden können.
Bei den sich widersprechenden Urteilen erschien es
wünschenswert, die beiden Methoden selbst einmal auf ihren
praktischen Wert hin nachzuprüfen, und sei es mir nun noch
gestattet, kurz über einige Versuche zu be¬
richten, die ich im Aufträge des Herrn
Professor Dr. Eber, dem ich auch an dieser
Stelle für seine gütige Unterstützung danken
möchte, ausgeführt habe.
Die Skarifikationen wurden bei den ersten
Versuchen mit einer kleinen Impflanzette,
später mit einem besonders hierzu konstruierten
Instrumente, das nach Art eines Schneppers
aus acht aneinandergereihten kleinen Lanzetten
angefertigt war, vorgenommen. Die einzelnen
Messerchen liegen 5 Millimeter von einander
entfernt, und es läßt sich durch eine ver¬
stellbare Metallplatte die Länge der Schneiden
regulieren. Dieses Instrument bietet den
Vorteil, daß man mit einer Operation 8 Impf-
sebnitte gleichzeitig setzen kann und sich
letztere nach Belieben verschieden tief aus¬
führen lassen.
Als Impfstelle wurde bei der Haut¬
impfung die Gegend des Widerristes be¬
nutzt und nach Möglichkeit eine weiße Hautstelle gewählt. Die
Impfung geschah, nachdem die Haut sorgfältig rasiert und mit
Alkohol gereinigt und Äther entfettet war. Zur Unterstützung
30. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
317
bei dem Impfgeschäft bedurfte es nur eines Gehilfen, welcher
den Kopf des Tieres fixierte. Die Skarifikationen wurden in den
einzelnen Versuchsreihen verschieden tief angelegt. Bei der
größeren Zahl der Impflinge wurde die Haut derartig geritzt,
daß einige Tropfen Blut aus den Schnittwunden heraussickerten.
Das Tuberkulin, welches mit Hilfe eines sterilen Pinsels
in die Wunde eingetragen wurde, war mit der gleichen Menge
gekochten Wassers verdünnt. Zur Verwendung gelangte
Tuberkulin, das vom Veterinärinstitut zu Leipzig und von den
Höchster Farbwerken hergestellt war.
Für die Augenprobe wurde das Tuberkulin im Verhältnis
2 : 10 und 3; 10 mit 0,75 Proz. Kochsalzlösung verdünnt und
hiervon 7 bis 8 Tropfen mit Hilfe einer Tropfflasche in das
Äuge eingeträufelt.
Die Besichtigung der geimpften Tiere erfolgte bei der Augen¬
probe 7—8, 24 und 48 Stunden nach Instillation der Tuberkulin¬
verdünnung, bei der Haut probe meist 24, 48 und 62 Stunden
nach der Impfung.
Zur Untersuchung gelangten insgesamt 30 Rinder verschie¬
denen Alters und zwar wurden 24 davon der Hautprobe mit
Tuberkulin, vier gleichzeitig der Haut- und Augenprobe mit |
Tuberkulin und je eins gleichzeitig der Augenbrobe mit Tuber¬
kulin und der Hautprobe mit abgekochtem Wasser unterworfen.
Ein Kontrolltier erhielt nur abgekochtes Wasser auf die skari-
fizierte Haut. Bei der Augenprobe ist jedesmal das linke Auge
für den Versuch mit der Tuberkulinverdünnung benutzt, w ährend
das rechte Auge in jedem Falle nach Instillation der gleichen
Menge physiologischer Kochsalzlösung zur Kontrolle diente. Wie
aus den Tabellen ersichtlich ist, wurde bei Rind Nr. 1, 2
und 4 bis 11 Tuberkulin L. (im Veterinärinstitut der Universität
Leipzig hergestellt), bei Rind Nr. 12 bis 31 Tuber¬
kulin H. (in den Höchster Farbwerken hergestellt) benutzt.
Von den Versuchsrindern waren zwei (Nr. 9 und 14) mit
klinisch feststellbarer Tuberkulose behaftet. Zwei Jungrinder
(Nr. 10 und 11) waren vor längerer Zeit im Veterinärinstitut
mit tuberkulösem Material, das vom Menschen stammte, infiziert
worden. Die übrigen Tiere zeigten keinerlei Erscheinungen,
welche auf das Vorhandensein von Tuberkulose schließen ließen.
Ton sämtlichen geimpften Rindern erwiesen sich bei der
Schlachtung sechs als tuberkulös und weitere sechs Rinder hatten
auf später ausgeführte subkutane Tuberkulininjektionen positiv
reagiert.
Die Kontrolle wurde bei Rind Nr. 1 bis 19 durch Schlachtung,
bei Nr. 20 bis 31 durch nachfolgende Tuberkulininjektion aus¬
geübt.
Von den 25 der Hautprobe allein unterworfenen Rindern
zeigte keines eine typische Reaktion. Bei einem Rinde (Nr. 10)
wurde leichte Schwellung der Haut und der Schnittränder, bei
drei anderen (Nr. 5, 23 und 28) leichte Rötung der rasierten
Hautstellen wahrgenommen. Diese vier Rinder erwiesen sich
bei der Schlachtung bzw. subkutanen Tuberkulinprobe als frei
von Tuberkulose. Von den 21 keinerlei Reaktion zeigenden
Tieren wurden zwei auf Grund des Schlachtbefundes und sechs
auf Grund einer späteren subkutanen Tuberkulinprobe als tuber¬
kulös erkannt.
Von den fünf Rindern, bei welchen die Au gen probe zur
Anwendung gelangte, zeigten zw r ei (Nr. 14 und 15) auf dem
mit Tuberkulin behandelten Auge leichten Tränenfluß und Rötung
der Lidbindehaut, bei einem dritten Rinde (Nr. 11) war Tränen¬
fluß, leichte Rötung und Schwellung der Konjunktivalschleimhaut
einschließlich der Schleimhaut der palpebra tertia zu konstatieren.
Die Erscheinungen waren jedoch sehr flüchtig und durchweg
nach ca. 24 Stunden verschwunden. An den zur Kontrolle mit
physiologischer Kochsalzlösung behandelten Augen waren keinerlei
entzündliche Erscheinungen anfgetreten. Die bei Nr. 12, 14,
15 und 16 gleichzeitig mit Tuberkulin vorgenommene Hautprobe
war vollkommen negativ ausgefallen.
Von diesen fünf Versuchsrindern erwiesen sich nach der
Schlachtung vier als tuberkulös und zwar fanden sich bei Nr. 11
und 14 ausgebreitete, bei Nr. 12 und 16 geringgradige tuber¬
kulöse Veränderungen vor. Demnach hatten zwei der mit
Tuberkulose behafteten Rinder (Nr. 11 und 14) leichte Reaktions¬
erscheinungen gezeigt, während die beiden anderen ebenfalls
tuberkulösen Tiere (Nr. 12 und 16) nicht reagierten.
Eine Kuh (Nr. 15), bei welcher sich in gleicher Weise
Rötung der Konjunktivalschleimhaut und Tränenfluß gezeigt
hatten, erwies sich nach der Schlachtung als tuberkulosefrei.
Das Gesamtresultat war demnach folgendes: Von 25 der
Hautprobe allein unterworfenen Rindern hatte eins leichte
| Reaktionserscheinungen seitens der Haut gezeigt. Dieses Tier
war längere Zeit zuvor mit tuberkulösem Material, das vom
Menschen stammte, infiziert worden, erwies sich aber nach der
Schlachtung als frei von Tuberkulose. Mit Tuberkulose be¬
haftet waren von den übrigen keine Reaktion zeigenden 24 Tieren
acht Tiere und zwar zwei auf Grund des Schlachtbefundes, die
sechs anderen auf Grund der Nachprüfung durch subkutane
Tuberkulinjektion.
Von fünf Rindern, bei denen die Augenprobe (in vier Fällen
kombiniert mit der Hautprobe) vorgenommen war, hatten drei
leichte Entzündung der Konjunktivalschleimhaut auf dem mit
Tuberkulin behandelten Auge gezeigt. Hiervon waren auf Grund
des Schlachtbefundes tuberkulös zwei Tiere. Zwei Rinder,
welche ebenfalls bei der Schlachtung tuberkulös befunden
wurden, hatten keinerlei Reaktion gezeigt. Interessant ist, daß
bei dem einzigen gesunden Tiere ebenfalls die entzündlichen
Erscheinungen am Auge auftraten. Die Hautimpfung lieferte
in allen Fällen ein vollkommen negatives Resultat.
Die in den eigenen Versuchen erzielten Resultate
lassen es somit zweifelhaft erscheinen, daß die ku¬
tane und konjunktivale Tuberkulinprobe für die
Diagnose der Rindertuberkulose eine ähnliche Be¬
deutung erlangen wird wie die subkutane.
Literatur.
1. Valiec, Sur un nouveau procede de diagnostic experimental de
la tuberculose et de la morve. Bulletin de la Societe de M6de-
cinc veterinaire. Juni 1907. Pag. 308 et 326.
2 Moussu, Sur la cuti-r£action ä la tuberculine. Bulletin de la
Societe de M6decine veterinaire. Juillet 1907. Pag. 373.
3. Lignieres, Sur un nouveau mode de r&iction de la peau a
la tuberculine et son utilisation dans lediagnostic de la tuber¬
culose. Bulletin de la Societe de Medecinc veterinaire. No-
vembre 1907. Pag. 514.
4. Lignieres, Le diaguostik de la tuberculose des animaux,
notamment des bovides, par l’emploi simultane de l’ophthalmo
et de la cuti-dermo-rüaction. Bulletin de la Societe de Mede-
cine veterinaire. Novembre 1907. Pag. 517.
5. Guerin, Receuil de M6decine veterinaire d’Alfort. Aout 1907.
6. Guerin et Delattre, Note sur Tophthalmo-reaction ä la
tuberculine. Bulletin de la Societe de Medccine veterinaire.
Juillet 1907. Pag. 375.
7. Arloing, Societe de Biologie. 1907 No. 27.
318
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
8. Vanderheyden, La cutirgaction et rophthalmor£action ä la
tuberculine chez la bete bovine. Annales de Mgdecinc vetgri-
naire. 56 E. Annöe 1907. Pag. 611.
(Die Tabellen folgen in nächster Nummer).
Vorläufige Mitteilung.
Auch Herr Kreistierarzt Sahn er-Homburg hat Anfang März in einem
größeren Viehbestände Versuche mit der Ophthalmoreaktion vor-
genommen. Ein Bericht hierüber wird binnen kurzem erscheinen.
Ebenso liegt über den gleichen Gegenstand eine Arbeit von
Herrn Dr. Wülfel, Assistenten am Veterinär-Institut der Universität
Breslau, bereits im Satz vor.
Tagesgeschichte.
t
Am 20. März 1008 verschied in dem hohen Alter von beinahe
85 Jahren der Tierarzt Hinrich Sindt in Nortorf-Holstein
Am 21. April 1823 als Landmannssohn in Stronsdorf-Holstein
geboren, konnte ihm bis zn seiner Konfirmation nur Volkssclml-
unterricht zuteil werden. Durch späteren Privatunterricht er¬
reichte er 1842 die Reife, als Eleve der Tierarzneischule zu
Kopenhagen eingeschrieben zu werden. Nach bestandenem
Staatsexamen und Absolvierung des praktischen Halbjahres 1845
ließ er sich als approbierter Tierarzt zunächst in seinem Ge¬
burtsorte nieder, um schon 1847 nach Nortorf zu übersiedeln.
Während des Feldzuges 1849/50 unterbrach er die Praxis, um
als Freiwilliger bei der Artillerie einzutreten. Nach Beendigung
des Krieges hat er seine tierärztliche Tätigkeit in Nortorf
wieder aufgenommen und während weiterer 55 Jahre durch
seine ruhigen, besonnenen Umgangsformen eine ausgedehnte
und erfolgreiche Praxis inne gehabt.
Die Mitbegründung des tierärztlichen Vereins in Holstein
hat Sindt mit erlebt, später zur Erweiterung des Vereins¬
gebietes auf Schleswig mitgewirkt und namentlich an der Ein¬
richtung der Unterstützungskasse für Hinterbliebene von Kollegen
tätigen Anteil genommen. Wenn der Verstorbene auch, mit
Rücksicht auf sein Alter, seit einigen Jahren von der Privat¬
praxis hat zurücktreten müssen, dem Vereine ist er bis zu
seinem Lebensende als Mitglied treu geblieben und hat seiner
Zeit alljährlich die Generalversammlungen besucht.
Dem Verschiedenen ist auch die Pension der vormärzlichen
Offiziere zunutzen gekommen und ihm nicht allein vergönnt
gewesen, daß 60 jährige Jubiläum als Tierarzt, sondern auch
mit seiner Lebensgefährtin das Fest der goldenen Hochzeit zu
feiern, aus welchem Anlaßse die Ehejubiläumsmedaille dem Paare
verliehen worden ist. In Ehren sein Andenken!
Per Vorstand des tierärztlichen Vereins in Schleswig-Holstein.
I. A.j Eil er, Schriftführer.
t
Verspätet.
Am 3. März d. J. starb in seiner Vaterstadt Pyritz in
seinem 91. Lebensjahre und im Kreise seiner Familie unser
lieber Freund und ehemalige Kollege, der Königl. Kreistierazt
a. D. Herr Friedr. Rathke, Ritter des Königl. Roten Adler¬
ordens IV. Kl. und des Königl. Kronenordens III. Kl.
Anno 1841 als Tierarzt approbiert wurde Rathke nach
Erlangung des Fähigkeitszeugnisses das Amt als Königl. Kreis¬
tierarzt des Kreises Pyritz übertragen, welches derselbe lange
Jahre hindurch verwaltet hat. 1891 feierte Rathke im Kreise
seiner Vereinsgenossen, seiner städtischen Behörden und der
Spitzen des Kreises Pyritz sein 50jähriges Jubiläum als Tier¬
arzt, wobei ihm der Königl. Rote Adlerorden IV. Kl. verliehen
und ihm von seinen Freunden und Kollegen zum Andenken ein
silberner Pokal dediziert wurde.
Außer seiner erfolgreichen tierärztlichen Tätigkeit hat sich
Kollege Rathke langjährige große Verdienste um seine Vater¬
stadt Pyritz bis in sein hohes Alter hinein als Stadtverordneten-
Vorsteher und um den Kreis Pyritz als Kreistagsdeputierter
unter allgemein anerkannten Erfolgen erworben, war deshalb
auch von den gesamten Insassen der Stadt und des Kreises
hochgeachtet und geehrt. Dem ehemaligen tierärztlichen Verein
Stettin-Stralsund war Rathke ein eifriges tätiges Mitglied, be¬
teiligte sich sehr oft mit seinen bedeutenden Erfahrungen an
den sachgemäßen Debatten und war seinen Standesgenossen
jederzeit ein liebenswürdiger Kollege und pflichttreuer Berater
in allen Lebensverhältnissen.
Sein Andenken wird seinen Standesgenossen stets in ehren¬
der Erinnerung verbleiben.
Möge der liebe dahingeschiedene Freund und Kollege unter
Gottes Schutz sanft in der Muttererde ruhen. C. M.
Denkmal für Professor M. G. de Bruln.
In Holland hat sich ein Komitee gebildet, um dem um die
Tierheilkunde hochverdienten Professor M. G. de Bruin ein
Denkmal zu errichten.
Beiträge für dasselbe sind an Herrn Stabsveterinär
A. Frederikse in Amersfoort zu übermitteln.
Ich hoife, daß sich auch recht viele deutsche Kollegen an
dieser Sammlungbeteiligen, damit dem verstorbenen berühmten, vor¬
trefflichen Lehrer und Mensch ein ihn und die Nachwelt ehren¬
des Denkmal gesetzt werden kann. A. Hoefnagel.
Die Ablehnung der Anerkennung des Schweizer
Dr. med. vet. in Sachsen.
Im Leipziger Tageblatt vom 31. März findet sich ein
Artikel über den Dr. med. vet., der folgendes ausführt:
In der Finanzdeputation der Zweiten Kammer ist die Frage
angeregt worden, ob nicht denjenigen Tierärzten, die in Deutsch¬
land die Approbation, dagegen in Ermangelung der Universitäts¬
reife in Bern oder Zürich die Promotion erreicht haben, der
Dr. med. vet. anerkannt werden sollte. Zur Unterstützung
dieser Anregung wurde zweierlei angeführt: einmal daß der
Doktortitel in der Schweiz doch unter ganz vollwertigen, den
in Deutschland ähnlichen Bedingungen erworben werde, wenn
auch der Dispens von der Universitätsreife zulässig sei; zweitens,
daß die Universität zu Leipzig es geradezu abgelehnt habe,
einen Tierarzt, der in der Schweiz bereits den Dr. med. vet,
erworben und dann nachträglich die Keifeprüfung abgelegt hatte,
nochmals zum Dr. med. vet. zu promovieren, mit der Begründung,
daß die Wiederholung der Promotion eine Beleidigung der
Universität Bern sein würde. (Sehr gut! S.) Die Anerkennung
soll auch nur für diejenigen in Frage kommen, die bis zum
Schluß des Jahres 1908 promovieren, während für spätere
Promotionen die Anerkennung ausdrücklich von vornherein aus¬
geschlossen sein soll. (Sehr richtig! S.)
Das sächsische Kultusministerium hat sich aber
gegen die Anerkennung ausgesprochen, wie in dem Be¬
richt der Finanzdeputation des Näheren, aus^eführt wird. Daa
30. April 1908.
fefcbtlüEfc tüSfeifizTtictife WöcäENseiüttff.
31Ö
Kultusministerium hat zur Begründung unter andern folgendes aus¬
geführt: Nach den Verordnungen vom 27. 12. 1878 und 14. 6. 1879
dürfen in Sachsen die auf Universitäten des Deutschen
Reiches erworbenen akademischen Würden ohne weiteres, die
im Auslände erworbenen nur mit besonderer Genehmigung des
Kultusministeriums geführt werden. Seit langem ist der Grund¬
satz befolgt worden, die Führung ausländischer Doktortitel nicht
zu gestatten, wenn sie unter Verhältnissen erlangt worden sind,
die ihre Erwerbung an der Landesuniversität unmöglich gemacht
hätten. In Verfolg dieses Grundsatzes ist vor mehreren Jahren
mit den Unterrichtsverwaltungen der meisten deutschen Hoch¬
schulstaaten die Abrede getroffen worden, daß man die Er¬
laubnis zum Gebrauche solcher akademischer Würden, die von
reichsdeutschen Hochschulen nicht verliehen werden, versagen und
auch mit der tierärztlichen Doktorwürde, obgleich sie an
einer reichsdeutschen Universität, nämlich in Gießen,
schon seit langer Zeit verliehen wird, keine Auenahme(ü?)
machen wolle. Sind demgemäß bisher die in der Schweiz zu
Doktoren der Tiermedizin promovierten sächsischen Tierärzte
mit ihren Gesuchen um Erlaubnis zur Führung ihres Doktor¬
titels schon deshalb, weil dieser Titel in Sachsen (!!) weder
existierte, noch erworben werden konnte, ausnahmslos abgewiesen
worden, so wird allerdings nach Einführung der inländischen
Veterinärpromotion ein schlechthin ablehnender Standpunkt nicht
mehr festzuhalten, die Führung des Titels vielmehr in der Hegel
dann zu gestatten sein, wenn dieser nicht unter leichteren als
hierzulande vorgeschriebenen Bedingungen erworben wurde. Des
weiteren wird dann ausgeführt, daß allerdings die philosophische
Fakultät zu Leipzig Dispense erteile, daß daher auch in ge¬
eigneten Fällen ein im Auslande von Immaturen er¬
worbener Dr. phil. anerkannt worden ist, daß dagegen die
Promotionsordnung der drei anderen Fakultäten Dispense grund¬
sätzlich nicht kenne und daher ein ausländischer Doktor, der im
Inlande von der medizinischen Fakultät verliehen wird, nur beim
Vorhandensein des Reifezeugnisses anerkannt werden könne. —
Der Artikel des Leipziger Tageblatts findet die Haltung
des sächsischen Kultusministeriums ganz konsequent und sehr
richtig. Darüber kann man wohl verschiedener Meinung sein.
Jedenfalls ist es doch bemerkenswert und höchst auffällig, das
zwischen dieser Auffassung des sächsischen Kultusministeriums
und derjenigen der sächsischen Landesuniversität ein ganz unlös¬
barer Widerspruch besteht; denn die medizinische Fakultät
hat in überaus charakteristischerWeise den Doktor der
Veterinärmedizin von Bern als innerlich gleichwertig
anerkannt. Ebenso besteht ein völliger Gegensatz zwischen der
Auffassung des sächsischen Kultusministeriums und der des
preußischen Kultusministeriums. Das preußische Kultusministerium
hat bekanntlich durch den Mund mehrerer seiner Vertreter
die unzweideutige Absicht zu erkennen gegeben, daß, wenn erst
In Preußen selbst der Doktor der Veterinärmedizin werde ver¬
liehen werden, man dann auch denjenigen, welche ihn früher
in der Schweiz erworben hatten, die Anerkennung nicht mehr
grundsätzlich versagen werde. Ich finde diesen Standpunkt
zwar nicht konsequenter, aber jedenfalls viel humaner.
Man sollte meinen, dass die Unterrichtsverwaltungen selbst
alle den Wunsch haben sollten, aus dieser Angelegenheit endlich
herauszukommen; denn sehr schön sind die Gründe nicht,
mit denen man den Dr. med. vet. trotzdem er In Deutschland
das Bürgerrecht seit langem hatte, zu erdrosseln versucht hat.
In den von der Finanzdeputation berichteten Ausführungen,
die anscheinend auf das sächsische Kultusministerium zurück-
ztiführen sind, wird ja mit erfreulicher Offenheit zugegeben, mit
welcher Art von Logik der Dr. med. vet. behandelt
worden ist. Es wird zunächst festgestellt, daß man sich ver¬
abredet habe, die Doktortitel nicht zu genehmigen, welche von
reichsdeutschen Hochschulen nicht verliehen werden; und
dann wird sehr nett gesagt, daß man auch mit dem tierärzt¬
lichen Doktortitel keine Ausnahme machen wolle, obgleich er
an einer reichsdeutschen Universität (Gießen) verliehen werde.
In Wirklichkeit ist damit also zugegeben: man hat mit dem
tierärztlichen Doktortitel, im Gegensatz zu allen
anderen, eine Ausnahme gemacht, denn man hat seine
Genehmigung grundsätzlich versagt, obwohl er an einer deutschen
Universität erworben werden konnte. Es wiederholt sich dann
dasselbe Spiel, welches auch einmal im preußischen Abgeordneten¬
hause stattfand; nachdem ausdrücklich festgestellt ist, daß die
Verabredung der Unterrichtsverwaltungen sich auf die Un¬
möglichkeit des Erwerbes in Deutschland gründe, wird im
nächsten Absatz ganz harmlos, als ob das kein Gegensatz wäre,
plötzlich die Begründung auf die (frühere) Nichtverleihung in
Sachsen gestützt. Mit keinem Worte ist doch in jenem Ab¬
kommen davon die Rede gewesen, daß ein Doktortitel, um die
Anerkennung zu erlangen, auch in jedem einzelnen Bundes¬
staat müsse erworben werden können.
Genug von dieser Begründung, die keine ist. Nur den
Wunsch möchten wir aussprechen, daß die am tierärztlichen
Unterrichts wesen beteiligten Bundesregierungen jene leidige
Verabredung zu unsern Ungunsten recht bald durch ein Über¬
einkommen zu unseren Gunsten gut machen mögen, wodurch
den tierärztlichen Hochschulen das selbständige Promotions¬
recht und danach den früher in der Schweiz auf Grund guter
Dissertationen promovierten Tierärzten die Anerkennung zu¬
teil wird. Schmaltz.
Bericht Ober die VII. Hauptversammlung des Tereius
der beamteten Tierärzte Preußens
am 29. und 30. November nnd 1. Dezember 1907.
(Schluß).
Der Hauptsitzung schloß sich sofort das Festmahl an, das
einige 70 Teilnehmer vereinigte. Der Vorsitzende brachte das
Kaiserhoch aus. Schriftführer Bischoff begrüßte teils in stark
pointierten, teils launigen Worten die Gäste: Geheimer Regierungs¬
rat Prof. Dr. Ostertag, Veterinärräte Buch und Klebba,
den Vertreter der Privattierärzte Kollegen Arnous und den
Zuchtdirektor Marks-Posen. Aus dem Rahmen des Vereins
griff er Herrn Veterinärrat Nevermann heraus, dem sich die
Kreistierärzte als einzigen Fachvertreter im Ministerium rack¬
haltslos anvertrauten, besonders da er bei seiner verantwort¬
lichen Stellung Dienst und wirkliche Kollegialität in schätzens¬
werter Weise zu wahren und zu trennen wisse. Redner sprach
die Hoffnung und den Wunsch aus, daß der Kollege Never¬
mann den Kreistierärzten dauernd in seiner Stellung erhalten
bleiben möge. In sein Hoch auf die Genannten schloß dann
Sprecher noch die 3 anwesenden Damen ein.
Geheimrat Ostertag erwiderte dann in seiner bekannten,
herzlichen Weise. Er ließ vor seinem geistigen Auge den
320
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
Entwicklungsgang der tierärztlichen Beamtenlaufbahn vorüber¬
ziehen. Seine Freude über die erzielten Fortschritte zum Aus¬
druck bringend und die hohe Verantwortlichkeit dieses Dienst¬
zweiges besonders würdigend, gab er der festen Hoffnung Raum,
daß mit der Zeit auch noch die weiteren Wünsche der Kreis¬
tierärzte in Erfüllung gehen würden. Er werde sich jederzeit
auch in seiner neuen Stellung als einer der unsrigen betrachten
und fühlen, wie bisher. Sein Hoch galt dem neuen Vorstande,
der heute seine Feuerprobe bestanden habe und dessen Tätig¬
keit im verflossenen Vereinsjahr gewiß allgemeine Anerkennung
gefunden haben würde.
HerrVeterinärratNev ermann dankte für die gute Beurteilung
seiner Tätigkeit und widmete dem Vorsitzenden freundliche
Worte, dessen Wohl zu trinken er die Tischgesellschaft aufforderte.
Herr Arnous trank in scherzhafter, aber aufrichtig gemeinter
Rede auf ein baldiges gutes Einvernehmen zwischen beamteten
und pr ivaten Tierärzten, zu dem ja heute zu aller Freude und im
Interesse des ganzen Standes die Wege gebahnt und geebnet seien.
Nach 7 Uhr löste die beginnende Theaterstunde die gemein¬
same Tafel auf und hielt nur einige kleine Gruppen weiter zum
leisen Abtrunk zusammen.
Sonntag, den 1. Dezember 1907, vormittags 11 Uhr, fanden
sich die Teilnehmer fast vollzählig im hygienischen Institut der
Tierärztlichen Hochschule zu dem Vortrage des Herrn Geheim¬
rats Ostertag ein. Keiner wollte sich die Gelegenheit ent¬
gehen lassen, den beliebten Dozenten, dessen Lehrtätigkeit an
der Hochschule bekanntlich durch die Berufung ins Kaiserliche
Gesundheitsamt ihren Abschluß gefunden hat, noch einmal zu
hören. Seine trefflichen Ausführungen, über Milchhygiene
und Milchuntersuchung, in denen sich Ostertag wieder als
Meister des jeden Zuhörer unwillkürlich begeisternden Vortrags
zeigte, soll hier nicht veröffentlicht werden, sondern gewisser¬
maßen als ein Erinnerungsblatt an diese uns von Ostertag ge¬
haltene letzte Vorlesung allen Kreistierärzten im Sonderdruck
zugehen. Am Schluß des Vortrags feierte der Vorsitzende den
hochverehrten Lehrer und Freund der beamteten Tierärzte in
herzlichen Worten. Er dankte zunächst für die meisterhafte
Behandlung des exekutierten Themas. Mit Spannung sei die
Versammlung seinen lichtvollen Worten und Demonstrationen I
gefolgt. Jeder unter uns schätze sich glücklich und erinnere
sich mit Freude, früher in diesem Institut unter Ostertags
Leitung wissenschaftliche Arbeit betrieben und gelernt zu haben.
Mancher habe hier auch in schwierigen Fällen vertrauensvoll
Rat gesucht und stets in zuvorkommendster Weise erhalten. Ein
inniges Bedauern mache sich daher geltend bei dem Gedanken,
daß diesem angenehmen Verhältnis ein Ende bereitet sei. In
eine neugeschaffene, für die Tierärzte wichtige Reichsstelle be¬
rufen, stände Geheimrat Ostertag im Begiff, diese Stätte seiner
Entwicklung und Erfolge zu verlassen. Die Spuren seines
Wirkens würden aber an der Hochschule Zurückbleiben. Denn
wo er Hand angelegt habe, sei Neues entstanden. Mit seinen
Schöpfungen, besonders mit diesem Institut werde der Name
Robert Ostertag für immer verbunden sein. Wenn nun auch die
beamteten Tierärzte den Rücktritt des Professors Ostertag von
seinen Lehramt als einen Verlust empfänden, so sei es doch tröstlich
zu wissen, daß der Geheimrat Ostertag keineswegs ihnen ent-
sondem vielmehr nähergerückt sei. „Wir bearbeiten jetzt das¬
selbe Gebiet und wollen Zusammenarbeiten,“ habe er
gestern abend in seiner Tischrede selbst gesagt. Das sei ein Wort,
das wir uns alle einprägen und beherzigen wollen. „Wir zweifeln
nicht,“ so schloß der Sprecher, „daß Sie in Ihrer neuen Stellung
durch Ihre glänzenden Gaben und unerschöpfliche Arbeitski aft
der Wissenschaft und dem tierärztlichen Ansehen große Dienste
leisten werden. Unsere herzlichsten Wünsche mögen Sie auf
diesem ehrenvollen Wege begleiten, die wir bekräftigen wollen
durch den Ruf: unser verehrter Herr Geheimrat Ostertag
lebe hoch!“
Die Versammlung gab dem Ruf dreimal begeisterten Wieder¬
hall, mit dem diese spontane, von Herzen kommende Abschieds¬
ovation ausklang. Zur allgemeinen Freude durften wir den
Gefeierten zum Frühschoppen im Pschorrbräu begleiten, wo wir
in ungezwungener fröhlichster Laune noch einige Stunden zu-
saramenblieben.
Hiermit fand die VII. Hauptversammlung ihren Abschluß.
Wir glauben annehmen zu dürfen, daß alle Teilnehmer mit
Befriedigung die Heimreise angetreten haben und wünschen,
daß der Vereinsleitung die vielseitig gewährte Unterstützung auch
weiterhin zuteil werden möge.
Dr. Peter, Bisclioff,
Vorsitzen der. Schriftführer.
Anhang.
Gesuch des Vereins beamteter Tierärzte Preußens um Erlangung der
Stimmberechtigung bei den Hengstkörungen.
Angermünde, den 28. Juni 1907.
Seiner Exzellenz dem Königlichen Staatsminister und Minister
für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.
Herrn v. Arnim-Criewen.
Euer Exzellenz erlaubt sich der Unterzeichnete Vorstand
des Vereins beamteter Tierärzte Preußens nachstehende Bitte
ganz gehorsamst zu uhterbreiten.
Durch die ( jüngsten Verhandlungen des Abgeordnetenhauses
beim landwirtschaftlichen Etat ist zur öffentlichen Kenntnis
gelangt, daß eine Neuregelung des Körungswesens bevorsteht,
und daß, zur Beratung der Grundlagen dieser Maßnahmen eine
Kommission eingesetzt werden soll.
' Den übrigen fünfgliedrigen Schauämtern zur Körung der
Hengste ist den Tierärzten bisher im Gegensatz zu den übrigen
Mitgliedern nur eine beratende Stimme eingeräumt worden.
Im Interesse des erfolgreichen Zusammenwirkens aller
Kommissionsmitglieder und der möglichst treffsicheren Erreichung
der vorgesteckten Zuchtziele liegt es jedoch, daß die verschieden¬
artigen Kenntnisse, welche die Tierzucht erfordert, unabhängig
und gleichwertig zur Geltung kommen.
Eure Exzellenz bitten wir daher ganz gehorsamst, bei den
kommissarischen Vorberatungen dahin wirken zu wollen, daß
den beamteten Tierärzten in Zukunft die Stimm¬
berechtigung in den Schauämtern zuerkannt werden
möge.
Die Aufgabe des Tierarztes bei den Hengstkörungen besteht
hauptsächlich darin, die Gesundheit und Widerstandskraft
der Zuchttiere zu ermitteln. Auf die Feststellung dieser
Eigenschaften ist ein um so höherer Wert zu legen als die
Verbesserung der Rassen und Schläge nicht selten durch Inzucht
angestrebt werden muß. Selbst wenn der tierärztliche Einfluß
auf die Körungen mit der bezeichneten Aufgabe sein Bewenden
haben soll, ist sie doch ein hinreichend wichtiger Faktor, um
bei dem Gesamtvotum mit einer vollwertigen Stimme betont zu
werden.
30. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRß 1.
321
Die Tierärzte sind aber verlüde ihrer Fachausbildung
weiter befähigt, gleich wie die andern Mitglieder des Schauamts,
die speziellen Merkmale eines Zuchttieres zu erkennen
und richtig einzuschätzen, so daß ihre Stimme auch nach
dieser Richtung ins Gewicht fällt.
Der zutreffende Einwand, daß die Mitbestimmung des Zucht¬
zieles einer Gegend nicht Sache des Tierarztes ist, dürfte unserer
Bitte nicht entgegenstehen. Denn diese Frage kommt bei den
Körungen des Privatdeckhengstes nicht wesentlich in Betracht,
sondern ihre Beantwortung ergibt sich in erster Linie aus den
Erfordernissen des Staates und der Landwirtschaft, nach denen
sich die Schauämter notwendigerweise richten müssen.
Indes auch die von einem Schauamt selbst gewollte Auf¬
stellung einer besonderen Zuchtrichtung würde durch die etwa
entgengesetzte Meinung des Tierarztes bei dem in den übrigen
Mitgliedern vorhandenen starken Gegengewicht nicht im geringsten
angefochten werden können.
Es dürfte mithin ein triftiger Grund, den Tierärzten die Stimm¬
berechtigung in den Schauämtern zu versagen, kaum vorliegen.
Andererseits würden wir in der Förderung und Verwirk¬
lichung unseres ehrerbietigst vorgetragenen Wunsches eine volle
Anerkennung der tierärztlichen Mitwirkung erblicken und des
drückenden Gefühls enthoben werden, bei den Körungen eine
nebensächliche Rolle zu spielen.
Der Vorstand des Vereins beamteter Tierärzte Preußens
Prof. Dr. Peter, Kreistierarzt-Angermünde,
Vorsitzender,
Rust, Kreistierarzt-Breslau, Nutt, Kreistierarzt-Brakel,
Bi sch off, Kreistierarzt-Falkenberg Ob./S.,
Dr. Bartel, Kreistierarzt-Colmar,
Veterinärrat Ziegenbein-Oschersleben, Kreistierarzt a. D.
Auf diese Eingabe ist am 25. Februar er. die nachstehende
Antwort eingegangen:
Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und
Forsten. Geschäft s-Xr. I A a 1-20.
Berlin W. 9, den 19. Februar 1908.
Erlangung der Stimmberechtigung der beamteten
Tierärzte bei den Hengstkörungen.
Gesuch vom 28. Juni 1907.
Dem Vorstande erwidere ich auf die Eingabe vom 28. Juni
v. J. ergebenst, daß bei der Beratung des Körwesens in der
Sitzung der Bundespferdezuchtkommission vom 25.—26. Oktober
v. J. fast Einstimmigkeit darüber geherrscht hat, daß eine
gesetzliche Regelung dieser Materie nicht zu empfehlen ist.
Ich beabsichtige daher nicht, dieser Frage näher zu treten;
auch muß ich wegen der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse
in den einzelnen Provinzen davon absehen, einzelne das Kör¬
wesen betreffende Angelegenheiten durch Erlaß von Normativ¬
bestimmungen zu regeln. I. V.: v. Conrad.
An dem Vorstand des Vereins der beamteten Tierärxtc l'rcußms, H. seines Vorsitzenden,
des Herrn Professor Dr. Feier in Angermünde.
IX. Internationaler Tierärztlicher Kongreß im Haag,
14.—19. September 1909.
II. Tagung des ständigen Ausschusses vom 14.—16. April 1908
in Baden-Baden.
Erschienen waren:
von Frankreich: Herr Prof. Arloing-Lyon, Direktor der Tier¬
ärztlichen Hochschule zu Lyon;
von Österreich: Herr Ministerialrat Binder im Ackerbauministerium
Wien;
von Belgien: Herr Prof. Degive, Direktor der Tierärztlichen Hoch¬
schule in Brüssel;
von Rußland: Herr Staatsrat Prof. Dr. Happich an der Universität
zu Jurjew (Dorpat);
von der Schweiz: Herr Sanitätsrat Prof. Dr. Heß an der Universität
in Bern;
von Ungarn: Herr Hofrat Prof. Dr. Hutyra, Rektor der Tier¬
ärztlichen Hochschule in Budapest;
von Holland: Herr Prof. Dr. de Jong von der Universität Leiden
(Holland);
von Schweden: Herr Medizinalrat Kjerulf in Stockholm;
von Deutschland: Herr Geheimer Oberregierungsrat Dr. Lydtin,
Baden-Baden;
von Norwegen: Herr Direktor Dr. Malm, Kristiania;
von Italien: Herr Prof. Dr. Perroncito an der Universität Turin;
von Ungarn: Herr Prof. Dr. von Rasz, Budapest;
von Holland: Herr Prof. Schimmel von der Tierarzneischule zu
Utrecht;
von Bulgarien: Herr Ministerialrat Tuleff, Sofia.
Außerdem wohnte der österreichische Veterinärkonsulent
Hanka von München den Verhandlungen als Gast bei.
Entschuldigt hatten sich die Delegierten von Dänemark,
England und der Kapkolonie.
Als Mitglieder des Organisationskomitees des Haager Kon¬
gresses waren die Ausschußmitglieder, die Herren Dr. de Jong
und Schimmel, letzterer an Stelle des leider zu früh ver¬
storbenen Thomassen, erschienen. Zur Verhandlung über die
zootomische Nomenklatur war auch Herr Prof. Dr. von Sußdorf-
Stuttgart eine Zeitlang anwesend.
Nach Begrüßung der Mitglieder des Ausschusses durch den
deutschen Vertreter, zugleich Vorsitzenden, wurde, im Anschluß
an den von dem Vorsitzenden und dem Generalsekretär er¬
statteten Geschäftsbericht, eine Kommission, bestehend aus den
Herren Binder-Wien und Leclainche-Toulouse, erwählt,
um ein einheitliches Formular für die internationalen Seuchen¬
nachweise dem nächsten Kongresse zur Beschlußfassung vorzu¬
legen. Nach dem Geschäftsbericht sind sämtliche Regierungen
der zivilisierten Staaten von den Satzungen und von der Kon¬
stituierung des Ständigen Ausschusses in Kenntnis gesetzt
worden» Außerdem erhielten sie den Bericht über den achten
Kongreß und die daselbst gefaßten Resolutionen, einschließlich
derjenigen über die Doktoratspromotion. Die in der ersten
Tagung des Ausschusses genehmigten Satzungen sind in den
drei Kongreßsprachen gedruckt, versendet und verteilt worden.
Weiter ist aus dem Geschäftsbericht hervorzuheben, daß eine
Umfrage über die auf die Tagesordnung des Haager Kongresses
zu stellenden Verhandlungsgegenstände stattgefunden hat. Zum
ehrenden Andenken an den durch Tod ausgeschiedenen Prof.
Dr. Thomassen erhob sich die Versammlung von den Sitzen.
Hutyra berichtete dann über den von ihm und seinem
Kollegen von Rasz ausgearbeiteten Entwurf der Satzungen
der internationalen tierärztlichen Kongresse. In der Haupt¬
sache wurde der Entwurf genehmigt, jedoch die vorgesehene
Bildung von Sektionen dahin abgeändert, daß, unter Aufrecht¬
erhaltung der Beschlüsse des VIII. Kongresses, die Bildung der
einzelnen Sektionen nach Zahl und Benennung dem Organisations¬
komitee der jeweiligen Kongresse zu überlassen sei. Die be¬
schlossenen Satzungen werden in den drei Kongreßsprachen im
Laufe des nächsten Vierteljahres allgemein bekannt gegeben
werden.
322
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
Längere Verhandlungen veranlaßten die Vorschläge des
Haager Organisationskomitees über die Gegenstände, welche
auf die Tagesordnung des nächsten Kongresses gesetzt werden
sollten. Das Haager Komitee hatte 50 Themata vorgesehen,
gegen 11 in Baden und 26 in Budapest. Wie leicht ver¬
ständlich, waren hier Streichungen vorzunehmen. Der Ausschuß
einigte sich schließlich mit dem Haager Organisationskomitee
dahin, daß etwa 10 Fragen allgemeiner Bedeutung auf der
Tagesordnung der Plenarversammlungen erscheinen sollten. Im
übrigen wurde dem Organisationskomitee freie Hand gelassen,
die vom ständigen Ausschuß genehmigten oder auch andere
Fragen in die Plenar- oder Sektionssitzungen zu verweisen,
vorausgesetzt, daß die Zahl der Fragen in Einklang mit der
Zeit zu deren Verhandlungen gebracht werde. Die Beschlu߬
fassung über zootomische Nomenklatur wurde wegen finanzieller
Schwierigkeiten vertagt.
Der Kongreß soll in der Woche vom 14.—19. September
1909 im Haag tagen. Man erwartet eine große Beteiligung.
Über die Höhe des Mitgliederbeitrages konnte das Organisations-
koraitee Bestimmtes noch nicht mitteilen. Der Ausschuß
empfahl, über den Betrag von 20 M. nicht hinauszugehen.
Am Schluß der Tagung dankte der Vorsitzende den Herren
Berichterstattern für deren Mühewaltung, besonders den Herren
Hutyra und von Rasz, ferner dem Herrn Generalsekretär
Dr. de Jong.
Dem Vorsitzenden dankte Herr Hutyra für die geschickte
und förderliche Leitung der Verhandlungen.
Von der Stadt Baden hatten die Herren Mitglieder Frei¬
karten zum Besuch der Promenade, des Konversationshauses,
der Konzerte usw. erhalten. Der Ausschuß verfehlte nicht,
dafür zu danken.
Unterstatzungsverein für Tierärzte.
Anfügend erlauben wir uns den Jahresbericht des Unter¬
stützungsvereins für Tierärzte zur gefälligen Kenntnisnahme er¬
gebenst zu überreichen.
Der Verein besteht seit dem Jahre 1899. ■
Sein Zweck ist die Unterstützung bedürftiger Tierärzte,
sowie an Hinterbliebene solcher. Er bildet eine Abteilung der
Zentral Vertretung der preußischen tierärztlichen Vereine, steht
jedoch mit dieser nur in losem Zusammenhang. Jeder im
Deutschen Reich approbierte Tierarzt ist zur Mitgliedschaft
berechtigt. Zur Zeit gehören dem Verein etwas über 500 Tier¬
ärzte an, das sind 16—17 Prozent der preußischen Tierärzte,
er ist also noch sehr erweiterungsfähig. Die Leistungen des
Vereins sind zwar schon recht ansehnliche, doch sind die Mittel
immer noch sehr beschränkt und wäre die Beteiligung möglichst
aller preußischen Tierärzte sehr erwünscht, wenn er das Ziel
erreichen soll, welches er sich gestellt hat. In dankenswerter
Weise sind dem Verein bereits viele Zuwendungen gemacht
worden, u. a. auch von nichttierärztlicher Seite. Wer Mitglied
zu werden wünscht, wird gebeten, sich an eines der Vorstands¬
mitglieder zu wenden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 5 M. p. a.
Dem Vorstand des Unterstützungsverein gehören zur Zeit an:
Veterinärrat Preuße in Danzig als Vorsitzender, Veterinärrat
Heyne in Posen als Schatzmeister, Geh. Rat Prof. Dr. Esser
in Göttingen, Prof. Dr. Schmaltz in Berlin und Veterinärrat
Dr. Arndt in Berlin als Beisitzer.
Hochachtungsvoll
Der Vorstand. I. A.: Preuße.
iahresreohnung des Unterstützuigsvefeins für Tierärzte für 1907.
Bestand am Beginn des Jahres 1907.
Konto I Stammkapital.M. 12 352,95
Konto II Reservefonds.„ 2 693,—
Konto III laufender Bestand. „ 161,59
M. 15 207,54
Einnahmen im Jahre 1907.
Mitglicdsbeiträge (444) 4 5 M.M. 2 220,—
Zuwendungen und Schenkungen. 906,20
Zinsen. 552,61
Rückeinnahmen an Porti.„ 55,40
Überschuß beim Ankauf eines Wertpapieres . „ 57,40 _
M. 3 791,61
Ausgaben im Jahre 1907.
Unterstützungen.M. 1085,—
Bankspesen und Kursverluste.„ 14,65
Portoauslagen. 76,69
Rechnungslegung und Formulare. „ 38,85 _
M. 1215,96
Mithin Überschuß „ 2 576,42
Vermögensbestand am Ja hresbeginn „ 15 207,54
Vermögensstand am Jahresschluß M. 17 783,%
Konto 1 Stammkapital.
Bestand am Beginn des Jahres.M. 12 352,95
Zugang. . \ 595,75
Mithin Stand des Konto I M. 13 948,70
Dieser Bestand ist wie folgt angelegt:
3*/a °/o Essener Stadtanleihe Nennwert . . . M. 2 500,—
4 °/ 0 Krotoschiner Stadtanleihe Nennwert . . „ 1 000,—
3Y a % Münchener Stadtanleihe Nennwert. . „ 1 000,—
3V 2 % Posener alte Pfandbriefe Nennwert . „ 3 000,—
4% Hagener Stadtanleihe Nennwert . . . „ 2000,—
37 3 % Oppelener Stadtanleihe Nennwert . . „ 2000,—
Barbestand.„ 2 448,70_
M. 13948,7ü
fhr 2Ötiti M. werden*neue Wertpapiere gekauft werden.
Konto II Reservefonds.
Bestand am Beginn des Jahres.M. 2 693,—
Zugang. „ 341,40
Kontobestand am Jahresschluß M. 3 034,40
Der Bestand ist angelegt:
in 37a % Münchener Stadtanleihe Nennwert. M. 2 000, -
Barbestand. „ 1 034,40 _
M. 3034,40
für 1000 M. soll ein weiteres Wertpapier gekauft werden.
Die 3000 M. übersteigenden 34,40 M. werden auf den
laufenden Bestand per 1908 übertragen.
Konto III laufender Bestand.
Bestand am Beginn des Jahres . . . . . . M. 161,59
Rest des nicht zum Stammkapital und Reserve¬
fonds zugeschlagenen Überschusses . . . „ 639,27
Bestand am Jahresschluß M. 800,86
Hiervon werden gemäß dem Beschluß der General¬
versammlung 500 M. dem Stammkapital zugeführt und
300 M. auf die Rechnung für 1908 übertragen.
Wiederholung.
Konto 1 Stammkapital . .
Konto II Reservefonds . .
Konto III laufender Bestand
M. 13 948,70
ff 3 034,40
„ 800,86
Mithin Vermögensstand am Jahresschluß M. 17 783,96
Preuße, Vorsitzender. Heyne, Schatzmeister.
Tierschutz und Tierschutzverein.
Von Dr. Storch-Schmalkalden.
Wer sich über die Gesamtheit derjenigen Bestrebungen,
deren Zweck es ist, einerseits die Tierquälereien zu verhindern,
anderseits gewissen, der Verfolgung seitens der Menschen be¬
sonders ausgesetzten Tierarten Schutz angedeihen zu lassen,
30. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
323
uniformieren will, der lese den hochinteressanten Vortrag „Tier¬
schutz und Tierschutzverein“ von Kreistierarzt Dr. Storch in
Schmalkalden. Die kleine Broschüre hat in mustergültiger und
populärer Form wohl alle Bestrebungen des Tierschutzes, die
einer sittlich humanen Quelle entspringen, zusammengestellt und
von A bis Z besprochen, wie: Angeln, Anketten der Hunde
Aufsatzzügel, Aussetzen von Hunden und Katzen ... bis Zieh¬
hunde. Auch nichts ist vergessen von dem großen Leidens¬
register unserer Tiere. Jedes Wort kann man unterschreiben
was der Verfasser über Bahntransport der Tiere, über Insekten¬
sammlungen, über Modetorheiten, Polkaschlächter und noch
andere mehr trefflich ausführt. Selbst dem Dohnenstieg spricht
der Autor das rechte Wort ganz in dem Sinne der Mehrheit
unserer Reichstagsabgeordneten, von denen einer bei dem am
10. Januar zur Beratung gestandenem Vogelschutzgesetz sehr
richtig sagte: „Wer es fertig bringt, sich für den Fang der
Vögel im Dohnenstieg auszusprechen, den soll man eine Viertel¬
stunde lang in einer solchen Schlinge — er zieht eine Kramts-
vogelschlinge aus der Tasche — an den Beinen aufhängen und
baumeln lassen.“ Es sind herrliche Worte, welche die Behand¬
lung der Zugtiere, deren zweckmäßigste Haltung und Benutzung, |
die Verhinderung des gewerbsmäßigen Vogelfanges, die Ver¬
wendung tierquäleri8cher Fangvorrichtungen, Überwachung des
Mästens und Tötens des Geflügels, der Fische, Frösche usw.
behandeln.
Die Tierschutzbestrebungen können gar nicht besser ge¬
fördert werden, wenn diese Storch sehe Broschüre die weiteste
Verbreitung erführe. (Preis 30 Pf.) An allen Schulen, besonders
an landwirtschaftlichen, in allen Schulbibliotheken verdient das
Buch eine Heimstätte. Wahrlich, jeder Lehrer, der in der
Schule, sei es beim Religionsunterricht, T sei es in der Natur¬
geschichte, die Pflichten gegen die Tiere behandelt, er kann
sich nicht besser für dieses Kapitel vorbereiten, wenn er
vorher die Storch sehen Ausführungen über Tierschutz sich zu
eigen macht. Dr. Helmich-Northeim.
Personalien.
Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Ostertag hat nun¬
mehr seine Ernennung zum Direktor der Veterinärabteilung
im Kaiserlichen Gesundheitsamt erhalten. Bekanntlich bestand
für diese Abteilung bisher eine Direktorstelle nicht; dieselbe ist
erst durch den am 1. April 1908 in Kraft getretenen Etat
geschaffen worden. Das Veterinärwesen im Gesundheitsamt hat
damit einen bedeutsamen Schritt vorwärts getan. Freilich
genügt diese organisatorische Verbesserung noch nicht; es muß
vielmehr nunmehr auch der Veterinärabteilung ihr wissenschaft¬
licher Wirkungskreis zugewiesen werden. Alle deutschen Tier¬
ärzte werden sich in dem Wunsche vereinigen, daß es der
Energie des nunmehrigen Abteilungsdirektors gelingen möge,
dieses Ziel zu erreichen.
Im preußischen Ministerium ist der ständige veterinär¬
technische Hilfsarbeiter Veterinärrat Nevermann zum
Regierungs- und Veterinärrat befördert worden. Auch diese
Ernennung hat eine allgemeine und grundsätzliche Bedeutung.
Zunächst geht aus derselben hervor, daß der jetzige Inhaber
der Hilfsarbeiterstelle nicht allein endgültig im Ministerium
verbleibt, sondern auch, daß er die sichere Anwartschaft hat,
in die Stellung* eines Vortragenden Rats aufzurücken. Damit
wird ein alter Wunsch der Tierärzte erfüllt werden. Die Er¬
nennung des ersten Regierungs- und Veterinärrats in Preußen
ist aber nicht nur für diesen allein, sondern auch für die
preußischen Departementstierärzte erfreulich; denn man darf
wohl sagen, daß damit der Bann gebrochen ist, und die Hoffnung
aussprechen, daß die Umwandlung der Stellung der Departements¬
tierärzte in die von Regierungs- und Veterinärräten damit eiu-
geleitet ist.
Von einer dritten Ernennung, die ebenfalls des allgemeinen
Interesses nicht entbehrt, ist aus dem Auslande, und zwar aus
Holland zu berichten. Der bekannte Direktor des Schlachthofes
zu Leiden, Sekretär des künftigen internationalen tierärztlichen
Kongresses, Dr. de Jong, ist unter Beibehaltung seines
Amte8 zum außerordentlichen Professor für allgemeine Patho¬
logie an der Universität Leiden ernannt worden.
Dresden. Tierärztliche Hochschule.
Als Mitglieder des Senats für die Zeit vom 1. Mai 1908
bis 30. April 1909 wurden gewählt die ordentlichen Professoren
Obermedizinalrat Dr. Müller, die Medizinalräte Dr. Röder
und Dr. Kunz-Krause.
An dem Fortbildungskursus für praktische Tierärzte, der
in der Zeit vom 6.—16. April d J. stattfand, beteiligten sich
38 Tierärzte.
Nach einem Bericht der Deutschen Tierärztlichen Wochen¬
schrift sind im Staatshaushaltsetat für die Tierärztliche Hoch¬
schule zu Dresden Mittel zur Einrichtung eines opsonischen
Laboratoriums ausgeworfen. Der Forderung ist folgende Er¬
läuterung beigefügt worden, die auch den tierärztlichen Lesern
zur Aufklärung großenteils nicht unerwünscht sein dürfte.
Neben den baktericiden und antitoxischen Substanzen des Blut¬
serums gibt es nach den Forschungen namentlich von Wright
noch eine dritte Art von Schutzstoflfen, welche die eigentümliche
Wirkung haben, die Phagocytose zu fördern. Das geschieht
offenbar dadurch, daß sie die Bakterien in einer bestimmten
Weise beeinflussen, sie gewissermaßen mundgerecht für die
Phagocyten machen. Daher sind diese Stoffe OpsoniDe genannt
worden von bxptovtiv: zum Mahle bereiten. Jede Bakterienart
verlangt ein spezifisches Opsonin, und die Erkennung und
künstliche Erzeugung desselben ist die Aufgabe des opsonischen
Instituts.
Fortschritte der Zahnärzte.
In Berlin hat kürzlich die Generalversammlung des Vereins¬
bundes Deutscher Zahnärzte stattgefünden. Es wurde dabei
offiziös bekannt gegeben, daß die Einführung einer neuen Studien-
ordnung auf den 1. April 1909 festgesetzt ist. Von da ab wird
verlangt werden die Universitätsreife, ein siebensemestriges
Studium und eine vorbereitende praktische Tätigkeit von einem
Semester. Damit werden die Zahnärzte, neben denen freilich die
Zahntechniker immer werden bestehen bleiben müssen, die ihnen
längst gebührende Stellung als ärztliche Spezialisten erreichen.
Von tierärztlicher Seite kann man ihnen dazu nur Glück wünschen;
denn der Widerstand, auf den die Zahnärzte bei ihrem berech¬
tigten Vorwärtsstreben gestoßen sind, hat viel verwandtes mit
den Hindernissen, die auch die Tierärzte haben nehmen müssen.
Die Tagung nahm ferner den Entwurf der Einführung eines
Ehrengerichtes einstimmig an. Nachdem die Ärzte und die
Apotheker längst ihre staatliche Standesorganisation erhalten
haben, ist es selbstverständlich, daß auch die Zahnärzte wie
die Tierärzte eine solche anstreben. Hoffentlich erfolgt die
Einführung derselben für beide recht bald.
324
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
Kolonialinstltut zu Hamburg.
In Hamburg wird am 1. Oktober ein Kolonialinstitut
errichtet. Die Verhandlungen zwischen Hamburg und dem
Reichskolonialamt habeu zu einer Übereinstimmung bezüglich
der Aufgaben und des Aufbaus dieses Instituts geführt. Staats¬
sekretär Dernburg hat in einem Schreiben an den Senat aus¬
gesprochen, daß zwar rein wissenschaftliche Institute auch in
anderen größeren Städten des Binnenlandes gegründet werden
könnten, daß hier aber der Hintergrund des großen Handels¬
und Verkehrsbetriebes fehle, und daß daher Hamburg der ge¬
eignetste Platz für die Vorbildung von Privatpersonen und Be¬
amten sei. Als Lehrgegenstände sind in Aussicht genommen:
Astronomie, Botanik, Zoologie, Geographie, Geologie, Rechts¬
wissenschaft, Völkerkunde, Volkswirtschaft, Tropenmedizin.
Die Vorlesungen werden von Dozenten der Hamburger Lehr¬
anstalten abgehalten werden; nur einzelne Professoren müssen
von auswärts berufen werden. Karl Hagenbeck hat dem
Institut seinen Tierpark zu Vorträgen über die Nutz- und Haus¬
tiere der Tropen zur Verfügung gestellt, während die Hamburg-
Amerikalinie Vorträge über Reederei und Kaibetrieb zugesagt hat.
Deutsche tropenmedizinische Gesellschaft.
Nach Zeitungsmeldungen ist eine tropenmedizinische Gesell¬
schaft begründet worden, die in der Zeit vom 14. bis 16. April
zum erstenmale in Hamburg getagt hat. Auf der ziemlich
reichen Vortragsliste befand sich ein tierärztlicher Vortrag
nicht. Es wäre doch erwünscht, wenn die Kollegen, denen es
ihre Erfahrung gestattet, sich dieser Gesellschaft, anschließen
wollten, weshalb auf ihre Begründung hier hingewiesen werden
soll. Die Versammlung wählte übrigens ihren stellvertretenden
Vorsitzenden Professor Nocht und Professor Plehn (Berlin)
zu Delegierten bei den Londoner Beratungen über die Organisation
der internationalen tropenmedizinischen Gesellschaft, deren
Tagung im Sommer oder Herbst in London stattfindet.
Verurteilung eines Tierarztes wegen Tierquälerei.
Der Tierarzt muß eigentlich selbstverständlich Tierfreund sein;
man versteht sonst nicht recht, wie er sich mit Tierheilkunde zu
schaffen machen kann. Deswegen ist es selbstverständlich, daß
die Verurteilung eines Angehörigen des tierärztlichen Standes wegen
Tierquälerei allgemeines Aufsehen machen und in diesem Stande
als ein Nachteil empfunden werden muß. Dieser Fall ist neulich
eingetreten. Das Schöffengericht zu Perleberg hat gegen den Tier¬
arzt He ege in Kletzke auf eine Strafe von 75 M erkannt, weil
He ege in fünf selbständigen Handlungen Tiere in Ärgernis
erregender Weise und roh mißhandelt habe.
„Tierarzt“ Ludwig in Habelschwerdt.
Der Name des Herrn Ludwig aus Habelschwerdt ist den tier¬
ärztlichen Lesern der B. T. W. nicht unbekannt; zuletzt hat Räbiger
(B. T. W. Nr. 6 S. 104) dem Herrn ja einen besondem Artikel ge¬
widmet. Wieweit der Mißbrauch mit dem tierärztlichen Prädikat
in jener Gegend getrieben wird, ergibt sich aus einer gedruckten
Bekanntmachung der gräflichen Gutsverwaltung zu Altwaltersdorf;
dieselbe versendet die gedruckten Bestimmungen für mietweise
Vieheinstellung auf ihre Jungviehweide und schreibt in § 5: „Der
Eigentümer des Viehs hat dasselbe in der Weideviehversicherung
Hallensia zu Halle zu versichern. Agent: Herr Tierarzt Ludwig
in Habelschwerdt.“ Dieser Mißbrauch des tierärztlichen Prädikats
durch eine gräfliche Gutsverwaltung soll hier doch öffentlich
gerügt werden.
Besichtigung der Berliner städtischen Anstalten.
Der Berliner Magistrat hat die Abgeordneten des Reichstages
zu Besichtigungen der städtischen Anstalten eingeladen Es sind
sieben Führungen geplant, deren erste dem Rudolf Virchow-Krank^n-
haus und dem Vieh- und Schlachthof gegolten haben.
Vermittlungsstelle für Vertretungen im Schiachthofdienst
Der Verein sächsischer Gemeindetierärzte hat in seiner
letzten Sitzung zu Chemnitz beschlossen, eine Vermittlungsstelle
für Angebot und Nachfrage in Vertretungsangelegenheiten zu
schaffen. Bis auf weiteres hat diese Vermittlung Herr Schlacht¬
hofdirektor Gänsehals in Großenhain.
Internationaler Kongreß für historische Wissenschaften.
In Berlin findet vom 6. bis 12. August d. J. ein internationaler
Kongreß für historische Wissenschaften statt, der sich in folgende
acht Sektionen gliedert: Geschichte des Orients; Geschichte von
Hellas und Rom; politische Geschichte des Mittelalters und der
Neuzeit; Kultur- und Geistesgeschichte des Mittelalters und der
Neuzeit; Rechts- und Wirtschaftsgeschichte; Kirchengeschichte;
Kunstgeschichte; endlich historische Hilfswissenschaften: Archiv-
und Bibliothek wesen, Chronologie, Diplomatik, Epigraphik,
Genealogie, historische Geographie, Heraldik, Numismatik, Paläo¬
graphie und Sphragistik. Der geschäftsführende Ausschuß setzt
sich zusammen aus dem Generaldirektor der Königlichen Staats¬
archive Ihr. Köhler, den Universitätsprofessoren Eduard Meierund
U. v. Wilamowitz-Möllendorff, den Privatdozenten Dr. Kasper,
Dr. Schiff und dem Geheimen Kommerzienrat Koppel.
Tierärztliche Gesellschaft zu Berlin. (E. V.)
Einladung zur Sitzung am Montag, den 4. Mai 1908, abends
8 Uhr pünktlich. Demonstrationsabend in der chirur¬
gischen Klinik der tierärztlichen Hochschule.
I. Vereinsangelegenheiten: Verschiedenes.
II. Vorträge und Demonstrationen:
1. Herr Dr. Gasse: „Über das Verhalten der Blutkörperchen
bei chirurgischen Krankheiten der Pferde“.
2. Herr Dr. Silbersiepe: „Die Fesselbeinfrakturen des Pferdes
und ihre Behandlung“.
3. Herr Dr. Schenker: „Über Atrophie und Phthisis bulbi des
Pferdes“. ,
4. Herr Dr. Adloff: „Die eitrige Entzündung des Hufgelenkes
der Pferde und ihre Behandlung“.
5. Herr Prof. Dr. Eberlein: „über Lenicet, ein neues Tonerde¬
acetat“.
(>. Herr Prof. Dr. Eberl ein: „Demonstration einiger wichtiger
Krankheitsfälle“.
Der Vorstand. I. A.: Dr. Goldstein, Schriftführer.
72. Versammlung des Vereins Thüringer Tierärzte
und Feier des 50jährigen Berufsjubiläums des Schlachthaus¬
direktors a. D. Albert Kleinschmidt am 10. Mai d. J. in Erfurt
in den Festsälen der „Ressource-Gesellschaft“. Beginn der Ver-
I Sammlung 10 */ a Uhr.
Tagesordnung:
1. Geschäftliches (Eingänge, Aufnahme neuer Mitglieder usw.).
2. Vortrag: Die Lokalanästhesie, ihre Anwendung und Bedeutung
für die Veterinärpraxis. Referent: Herr Professor Dr. Kärn-
bach-Berlin.
3. Verschiedenes (Besprechung über Betäubungsmethoden bei
Schlachttieren. (Eingcleitet von Veterinärrat Wall mann.)
17a Ehr Festessen mit Damen. Gäste willkommen.
Der Vorstand. I. A.: Veterinärrat Wall mann.
Mittelmeerfahrt.
Die Freie Deutsche Reisevereinigung (unter Geschäftsführung
des Herrn Redakteurs Baum in Duisburg) veranstaltet eine Mittel-
meerfahrt vom 16. August bis 3. September für 350 M. In diesem
Preise ist volle Verpflegung usw. einbegriffen; doch ist damit die
Benutzung gemeinsamer Schlafräume verbunden; wer eine eigene
Kabine für ein Bett haben will, hat 120 M., wer eine Kabine von
zwei bis drei Betten belegt, 90 M. zuzuzahlen. Die Fahrt ist kein
geschäftsmäßiges Unternehmen, da ein etwaiger kleiner Überschuß
der Pensionsanstalt deutscher Journalisten und Schriftsteller zu
München bestimmungsgemäß zugeführt werden muß. Hauptpunkte
der Fahrt sind Marseille, Barcelona, Balearen, Algier, Tunis,
Karthago, Palermo, Taormina, Neapel, Kapri, Monte Karlo, Genua.
Die Reise nach Marseille und von Genua ist nicht im Preise ein¬
begriffen.
30. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
325
Staat8veterinärwesen.
Redigiert von Veterinärrat PreuBe.
Der infektiöse Seheidenkatarrh und seine Bedeutung
für die nassauische Viehzucht.
Von Kreistierarzt Wenzel-Limburg.
Vortrag in der Versammlung der beamteten Tierärzte vom
16. November 1907.
(Amtsblatt der Landwlrtschaltskammer für den Regierungsbezirk Wiesbaden.)
Der Vortragende besprach zunächst einleitend das Wesen
des Scheidenkatarrhs, das hier als bekannt vorausgesetzt werden
kann, und ging dann auf die wirtschaftliche Bedeutung der
Krankheit ein. Infolge der mangelhaften Futterverwertung ver¬
liert, wie der Landwirt sagt, das Vieh den ganzen Schein. Die
Nebenerscheinungen und Folgezustände der Seuche schädigen
den Züchter auf das Schwerste. Hierzu gehört: der Mangel
oder die Verzögerung der Konzeption, der gewaltige Ausfall an
Kälbern, Milch und Butter; die Tiere kommen vielfach zu einer
Zeit zum Kalben, wo sie (in dortiger Gegend) zur Arbeit ge¬
braucht werden; Abortus und Zurückbleiben der Nachgeburt
häufen sich; Brüllerkrankheit, Euterentzündungen, vielleicht auch
Nabelentzündungen zählen zu den Folgezuständen. Da täglich
ungezählte Mengen von Kokken ausgeschieden werden, so ver¬
breitet sich die Seuche in kürzester Zeit, da ja nicht nur die
Bullen, sondern allerlei verunreinigte Gegenstände sie ver¬
schleppen, so daß manchmal plötzlich der ganze Bestand vom
jungen Kalb ab verseucht ist. Auch mit den Stiefeln werden
die im Urin enthaltenen Keime von Stall zu Stall vertragen. So
ist denn hier die Hälfte aller Rinder an chronischem Scheiden¬
katarrh erkrankt, 5—10 Proz. an akutem.
Die landwirtschaftliche Buchführung, die ja mehr oder
weniger in Aufnahme gekommen ist, hat enorme Verluste er¬
geben. Eine Limburgische Gemeinde, die eine Hochburg edelster
Lahnviehzucht ist, hat z. B. bei einer ersten Untersuchung des
Vortragenden nach etwa 6 monatelangem Bestehen der Seuche
150 Patienten aufgewiesen; in der ganzen Zeit war fast keine
Kuh trächtig geworden. Von dem Bestände waren etwa
100 Stück zuchtreif; setzt man alle drei Jahre zwei Kälber im
Werte von nur 60 M., so berechnet sich der Verlust für das
Semester auf 10 M., bei 100 Tieren demnach auf 1000 M.
Durch schlechte Futterverwertung verlor jedes Tier nachweis¬
lich 50 M.; macht bei 150 Tieren 7500 M. Nach dem Melk¬
register gibt eine Kuh in dem betreffenden Ort schlecht ge¬
rechnet 3000 1 durchschnittlich im Werte von 500 M., für das
Halbjahr also von 250 M. oder, wenn man noch etwas Milch¬
ertrag abrechnet, 200 M., und es verbleibt bei den 100 nicht
trächtig gewordenen Kühen ein Schaden von mindestens 20000 M.
Hiernach kann man schon, abgesehen von den Nebenkosten für
Behandlung, Arzneien usw. dieser einen Gemeinde einen Schaden
von 30000 M. in einem halben Jahre infolge der Seuche heraus¬
rechnen.
Für den Bezirk Wiesbaden wären als zweckmäßige Ma߬
regeln vorzuschlagen, daß bei einem Entwurf zur staatlichen
Bekämpfung zunächst die Anzeigepflicht bei akuten Formen und
bei jeder verdächtigen Geschlechtserkrankung eines Zuchtbullen
gefordert würde, daß für erkrankte und verdächtige Tiere ein
absolutes Deckverbot erlassen und die Zwangsbehandlung vor¬
geschrieben würde wie bei der Schafräude, während jede Sperr¬
maßregel zu verwerfen wäre. Da nun aber ein staatliches Ein¬
greifen. zunächst nicht in Aussicht steht, mithin mit eigenen
Hausmitteln gearbeitet werden muß, so sind folgende Gesichts¬
punkte aufzustellen: Bekämpfung der Seuche durch das Kör¬
gesetz und die Bullenhaltungsverträge, Mitwirkung der Land¬
wirtschaftskammer und Selbsthilfe der Landwirte.
Das für Nassau gütige Körgesetz vom 15. Januar 1829,
welches sich den süddeutschen Zuchtprmzipien völlig anpaßt,
bestimmt, in welcher Form sich die anzukörenden Bullen be¬
finden müssen. Der Kreistierarzt hat das zu begutachten; er
darf sich nicht mit einer Beurteilung der äußeren Form be¬
gnügen, sondern hat auch eine genaue Untersuchung vorzu¬
nehmen. Diese muß sich erstrecken auf Entwicklung und
Stellung der Beine, auf die Augen, auf Herz, Lunge und
Verdauungsorgane, besonders aber auf die Geschlechtsorgane.
Diese genaue Körperuntersuchung muß das erste Gebot für eine
Körung sein. Die gesunde Organbeschaffenheit des Bullen ist nicht
nur wegen der Vererbung zu fordern, sondern auch mit Rücksicht
aufdas Tier, das bei der Zuchtverwendung einen erheblichen
Kräfteverbrauch erfährt ; dieser Verbrauch ist bei der Ausführung
der Begattung, beim Aufsteigen und Einstürmen eines Hengstes
oder der Bullen ganz enorm, muß doch ein kolossales Gewicht
durch eine bestimmte Muskelgruppe bei angestrengter Herz-
und Lungentätigkeit gehoben werden. Leider werden häufig
die Jungbullen zu zeitig im Decken probiert, ohne daß eine
Untersuchung der zugeführten weiblichen Tiere stattgefunden
hat; so kommt es, daß ein Bulle oft durch frühzeitigen Sprung
infiziert und verdorben wird, während Stallinfektion selten ist.
Zweckmäßig wäre es immerhin, wenn die Körung von Jung¬
bullen im Stalle des Züchters stattfände, so daß man gleichzeitig
die Seuchenfreiheit des Bestandes feststellen, aber auch die
Mutter kennen lernen und sich überhaupt ein Gesamtbüd von
der ganzen Zucht machen könnte. In den Kaufverträgen, die
eine Gemeinde mit einem Verkäufer abschließt, muß bemerkt
werden, daß der Verkäufer für jede Geschlechtserkrankung des
Bullen mindestens 14 Tage haftet. Der Bullenhalter müßte
sich von dem Resultat der ersten Probesprünge überzeugen und
in Verdachtsfällen den Kreistierarzt zuziehen. Sehr zu be¬
grüßen ist, daß die Landwirtschaftskammer in den verschiedenen
Jungbullenaufzuchtstationen Tiere heranzieht, die nicht allein
zweifellos seuchenfrei sind, sondern auch gediegenes Zucht¬
material versprechen.
Das Körgesetz gibt weiter die Handhabe, erkrankte Tiere
von der Zucht auszuschließen. Die Forderung des Deckverbotes
läßt sich also schon erfüllen; der Landrat ist dazu auf das
Gutachten des Kreistierarztes hin berechtigt. Das Deckverbot
für den Bullen schließt das Deckverbot der Kühe ein. Die
Zwangsbehandlung, das zweite Postulat, tritt dann ganz von
selbst und mindestens halb freiwillig in Kraft, da* unter dem
Druck des Deckverbotes jeder Besitzer ein Interesse daran hat,
seine Tiere wieder deckzulässig zu sehen. Das Körgesetz hat
also ganz ausgezeichnet vorgearbeitet; es garantiert das Deck¬
verbot, die Zwangsbehandlung und die Anzeigepflicht mindestens
des Bullenhalters. Viel mehr kann uns ein Seuchengesetz auch
nicht bieten.
Das Körgesetz sieht des weiteren vor, daß in jedem Frühjahr
eine Revision der Bullen- und Eberstationen stattfindet. Diese
Rundreise hat eine enorme Bedeutung, da sie die einzige offizielle
Besichtigung darstellt, bei der dann meist auch aües klappt bis
auf die Sprungbticher, die meist nicht so ernstlich geführt
werden, wie sie es als Urkunden verlangten. Nach der Besieh-
326
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
tigung fängt dann wieder der alte Schlendrian an; eine zweite
unvermutete Untersuchung im Laufe des Jahres wäre daher
außerordentlich geeignet, das Gewissen der Bullenhalter zu
schärfen. Verschiedene Kreise, z. B. der Oberlahnkreis, haben
eine solche zweite Revision auch mit sehr gutem Erfolge eingeführt.
Leider fehlt im Körgesetz eine strenge Instruktion des Bullen¬
halters, die Kühe vor dem Decken auf Geschlechtskrankheit zu
untersuchen. Von dem Bullenhalter muß daher die Kenntnis der
Symptome verlangt werden. Die Landespolizei hat dafür zu
sorgen, daß diese Vorbedingung im Bullenhaltungsvertrag zum
Ausdruck kommt. Die volle Durchführung der Maßnahmen ist
allerdings nur möglich, wenn der Deckakt auf die Tagesstunden
beschränkt wird, wie dies in Herborn und Kamberg geschehen ist.
Jedenfalls ergibt sich, daß das nassauische Körgesetz mit den
ihm angegliederten BullenhaltungsVerträgen einen ausgezeichneten
Ersatz für die reichsgesetzliche Bekämpfung des Scheidenkatarrhs
gewährt. Die Kreistierärzte müssen dafür sorgen, daß die An¬
forderungen jenes Gesetzes erfüllt werden. Gewissenhafte
Durchführung wird absolut sicher dazu führen, daß jener Feind
der Rinderbestände an Boden verliert, ganz abgesehen von der
Verpflichtung, das Bullenmaterial auf der Höhe zu erhalten. |
In dieser Hinsicht kommt für die Unterstützung bei der Seuchen-
tilgung die Land Wirtschaftskammer selbst in Frage; sie ist mit
Hilfe ihrer Tierzuchtinspektoren aufs beste bemüht, ein den
örtlichen Verhältnissen entsprechendes mustergültiges Rind zu
züchten; sie hat dann auch die Pflicht, daran mitzuwirken, daß
dieser Bestand nicht durch den Scheidenkatarrh wieder zum Verfall
gebracht wird. Instruktionskurse für die Bullenhalter haben sich
bestens bewährt; die Kammer sollte dafür finanzielle Beihilfe
gewähren und ebenso dahin wirken, daß die Gemeinden ihre
Ballen in eigene Zuchtställe in Selbstverwaltung übernehmen.
Zuschüsse an ärmere Gemeinden zur Seuchentilgung und kleinere
Preise an gewissenhafte Bullenpfleger wären ebenfalls empfehlens¬
wert. Die Viehzüchter endlich müssen aufgefordert werden,
mit dem System der Verheimlichung zu brechen. Die Krankheit
ist heilbar; die Behandlung darf aber nur unter der Aufsicht
eines Tierarztes geschehen, da nur dieser die einzelnen Stadien
und die entsprechenden Mittel beurteilen kann. Vor allem aber
soll auch der Viehzüchter größeren Wert auf Sauberkeit im
Stall legen und öfterere Desinfektionen ausfüliren lassen.
Herrscht Sauberkeit im Betriebe, werden die Anordnungen des
Tierarztes befolgt, wird beim Verkauf mit Sorgfalt verfahren
und nicht ein rücksichtsloses Decken bereits erkrankter Tiere
erzwungen, dann hat auch der Viehbesitzer bei der Seuchen¬
bekämpfung sein Möglichstes getan. Wirken alle drei: Aufsichts¬
behörde, Landwirtschaftskammer und Züchter als Verbündete,
dann muß ein Erfolg erzielt werden, der dem Regierungsbezirk
Hunderttausende von Mark jährlich erhält.
Yiehsenchenkommission.
Die Beratungen in der Viehseuchenkommission des Reichs¬
tages gehen in dem gleichen Schneckentempo vorwärts. Ob¬
gleich die Kommission bereits seit einem Vierteljahr tagt, hat
sie doch erst kaum die Hälfte des Gesetzes erledigen können.
Wenn es nach dem Grundsatz ginge: „Was lange währt, wird
gut“, müßte ein geradezu ideales Viehseuchengesetz zustande
kommen. Nach alledem, was über die Verhandlungen der
Kommission an die Öffentlichkeit kommt, scheint dies nicht der
Fall zu sein. Ich habe bereits in Nr. 14 der B. T. W. darauf
hingewiesen, welche Schwierigkeiten bisher gerade von
konservativer Seite bei der Durchberatung des Gesetzes ge¬
macht worden sind. An dem meines Erachtens sowohl inhalt¬
lich wie redaktionell so vorzüglichen Gesetzentwurf werden
fortdauernd Änderungen vorgenommen, von denen man vielfach
nicht gerade behaupten kann, daß sie eine Besserung des Ent¬
wurfs bedeuten. Die Kommissionsberatungen sind bis zum
§ 29 a gediehen. Am 8. April ist der Reichstag in die Ferien
gegangen; nach Ostern tritt er am 28. April wieder zusammen.
Sehr lange wird die Tagung des Reichstages im Früh¬
jahr nicht mehr dauern. Wichtige Bestimmungen des
neuen Gesetzentwurfs stehen noch aus, es ist daher nicht
anzunehmen, daß die Kommissionsberatungen noch im Frühjahr
beendet werden können. Von den beantragten und zur An¬
nahme gelangten Änderungen sind folgende bemerkenswert:
Im § 18 ist festgesetzt worden, daß bei Anwendung veterinär¬
polizeilicher Maßnahmen, wie sie hier vorgesehen sind, außer
den beteiligten Verkehrsinteressen auch noch die wirtschaft¬
lichen Interessen berücksichtigt werden sollen. Dieser Zusatz
dürfte unbedenklich sein. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind
| doch auch bisher stets berücksichtigt worden, so weit die
veterinärpolizeilichen Interessen dies zuließen. Der § 19 des
Entwurfs schreibt Beschränkungen des Personenverkehrs inner¬
halb der Räumlichkeiten (Gehöft, Stall, Standort, Hofraum,
Weidefläche, Viehausstellung, Marktplatz usw.), in dem sich Tiere
befinden, vor. Die Kommission will diese Beschränkung des
Personenverkehrs auch auf öffentliche Wege ausdehnen. Der
§ 21 des Entwurfs sieht in Abs. 2 ein Verbot des freien Umher¬
laufens der Haustiere (bisher nur Hunde) vor. Die Kom¬
mission will hiervon Hunde, Katzen und Geflügel ausgenommen,
wissen. Daß durch "<dhs freie Umherlaufen der Hunde und
der Hühner die Maul- und Klauenseuche verschleppt werden
kann, ist wohl zweifellos. Der Kommissionsbeschluß be¬
deutet daher gerade keine Verbesserung des Entwurfs.
Von nationalliberaler Seite wurde noch ein Antrag
zu den allgemeinen Bestimmungen eingebracht, wonach
während des Herrschens einer Seuche in einem Bezirk Vieh¬
ankäufe in nicht gesperrten Gehöften nicht verboten sein sollen,
wenn der Besitzer schon drei Monate lang Eigentümer des be¬
treffenden Tieres ist. Dieser Antrag wurde angenommen, während
weitere Anträge der Konservativen abgelehnt wurden. Ob vor¬
stehender Antrag als ein besonders glücklicher bezeichnet werden
kann, möchte ich bezweifeln, meines Erachtens ist er geeignet
Umgehungen des Gesetzes und seiner Ausführungsvorschriften
Tür und Tor zu öffnen. Pr.
Tätigkeit der Wutschutzabteilung des Institutes für
Infektionskrankheiten in Berlin in der Zeit vom
1. Januar 1905 bis 31. März 1906.
(Klinisches Jahrbuch 18. Bd , S. Heft.)
In der vorerwähnten Zeit wurden auf der Wutschutzabteilung
in Berlin 534 Personen gegen Tollwut nach der Pasteurschen
Methode schutzgeimpft. Hiervon sind 4 = 0,75 Proz. an Wut
gestorben, von diesen waren drei bereits erkrankt, noch bevor
die Impfung bis zu Ende durchgeführt werden konnte.
361 Personen waren durch Tiere gebissen worden, bei
denen die Krankheit durch künstliche Übertragung auf
Tiere festgestellt worden war. 94 Proz. aller Patienten
waren durch Hnnde gebissen worden, die übrigen von anderen
30. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
327
Tieren. Fünf Personen hatten sich an Menschen infiziert. Unter
den behandelten gebissenen Personen befanden sich auch 18 Tier¬
ärzte, von denen sich neun bei der Sektion wutkranker Tiere
verletzt hatten. Die meisten Patienten stammten aus Schlesien
und der Rheinprovinz. In 21.5 Proz. der Fälle war eine lokale Be¬
handlung eingeleitet worden. Die Schutzimpfung selbst wurde
nach dem bisher üblichen Schema ausgeführt, sie dauerte
stets 21 Tage, und in besonders schweren Fällen folgte einen
Monat nach der ersten Impfung eine zweite von 14 tägiger
Dauer. Die vier verstorbenen Patienten kamen am 2., 3., 6.
und 11. Tage in Behandlung, nur bei zwei derselben war der
Beginn der Schutzimpfung als rechtzeitig zu bezeichnen. Bei
den beiden anderen Patienten war die Behandlung zu spät ein¬
geleitet worden. Von Todesfällen nicht behandelter Personen
sind sechs bekannt geworden, der Tod erfolgte ein bis vier
Monate nach der Verletzung. Im Jahre 1005 wurden 478 ein¬
geschickte Tiergehirne untersucht, von diesen eigneten sich 442
zur Untersuchung, bei 280 der letzteren = 02.6 Proz. wurde
Tollwut festgestellt.
Im ersten Vierteljahr 1906 wurden 110 Personen schutz¬
geimpft, von diesen starb eine.
In den acht Jahren des Bestehens der Wutschutzabteilung
wnrden 2900 Personen behandelt, an denen 25 trotz Schutz¬
impfung starben = 0,86 Proz.
Tierseuchen in Deutschland 1906.
Aus dem Jahresbericht des Kaiserlichen Gesundheitsamtes.
(Berlin, Verlag von Julius Springer.)
Die Maul- und Klauenseuche im Jahre 1906.
Die Seuche hatte gegenüber dem Jahre 1905 im Berichts¬
jahre eine etwas größere Ausbreitung gehabt. Es sind ins¬
gesamt 397 Gehöfte mit 9428 Stück Rindvieh, 8198 Schafen,
7550 Schweinen und 254 Ziegen betroffen worden (gegen
337 Gehöfte in 1905), also 18 Proz. mehr. Die größten Be¬
stände an erkrankten und verdächtigen Klauentieren wiesen auf
die Reg.-Bez. Stralsund (10 459 Stück), Posen (6315), Magde
bürg (1891) und Erfurt (1770), sowie die Kreise Greifswald
(5113), Rügen (2675), Kosten (2238) und Erfurt (1770). Im
übrigen ist in betreff der Verbreitung der Maul- und Klauen¬
seuche im Jahre 1906 bereits im Jahrgang 1907 B. T. W., S. 241
eingehend referiert worden.
Von ausländischen Staaten sind durch Maul- und Klauen¬
seuche besonders betroffen gewesen: Österreich; hier herrschte
sie anfangs des Jahres nur in drei Orten und drei Höfen, im
Frühjahr nahm die Seuche etwas zu, ging jedoch im Laufe des
Monats Mai wieder stark zurück. In den darauf folgenden
Monaten erfolgte dann wieder eine rapide, sehr erhebliche Zu¬
nahme der Seuchenfälle, die größte Verbreitung zeigte die Seuche
in den Monaten Juli und August. Ende Juli waren 50 Ge¬
meinden und 403 Höfe betroffen, Mitte August 35 Gemeinden und
530 Höfe, in der Folgezeit ging die Seuche wieder langsam
zurück, am Jahresscbluß waren 15 Gemeinden und 225 Höfe
betroffen. In Ungarn nahm die Seuche einen ähnlichen Verlauf;
hier waren am Anfang des Jahres 20 Orte und 21 Höfe be¬
troffen, auf diesen Status hielt sich die Seuche bis in den Mai
hinein; im Juni und Juli erfolgte auch hier eine rapide Zunahme,
die höchste Zahl der betroffenen Orte und Höfe (59 und 396)
fiel in die 3. Augustwoche. Im letzten Jahresviertel nahm die
Seuche wieder sehr stark ab, am Jahresschluß waren 5 Orte
und 11 Höfe betroffen. In Rußland waren im Jahre 1906
3078 Gemeinden verseucht, die Zahl der erkrankten Tiere be¬
trug 246 035, hiervon entfallen auf das europäische Rußland 2705
Gemeinden mit 197 538 Tieren, also fast 9 / 10 . In Italien betrug
die Zahl der erkrankten Tiere 94 670, in der Schweiz 1318 bei
110 Seuchenausbrüchen. In Frankreich herrschte die Maul- und
Klauenseuche am Jahresanfang nur ganz geringgradig, später
erlosch sie gänzlich. Im Mai traten wieder einige Fälle auf,
die sich rapide bis zum Jahresschluß vermehrten. Im Dezember
waren 863 Gemeinden und 2110 Ställe betroffen. In Belgien
waren während des Jahres 1906 243 Gemeinden betroffen worden,
in den Niederlanden ereigneten sich nur 11 Ausbrüche, in
Luxemburg 13. In Großbritannien, Dänemark, Schweden und
Norwegen ist die Maul- und Klauenseuche nicht aufgetreten.
Anlässe zu den Seuchenausbrüchen.
Einschleppungen der Seuche aus dem Auslande haben statt¬
gefunden in drei Fällen aus Rußland nach Ostpreußen, aus
Luxemburg einmal in der Umgebung Trier, aus Frankreich durch
Personenverkehr und Gespannvieh nach Elsaß-Lothringen, aus
der Schweiz nach Elsaß-Lothringen vermutlich durch Abfuhr
infizierten Düngers aus dem Baseler Schlachthaus. Mehrfach
kamen auch Verschleppungen aus einem in den andern Bundes¬
staat vor: aus Preußen sechsmal nach Sachsen, darunter vier¬
mal vom Magerviehhof in Friedrichsfelde, je einmal nach Hessen,
Braunschweig und Elsaß-Lothringen, aus Bayern je einmal nach
Sachsen und Württemberg, aus Mecklenburg und aus Oldenburg
je einmal nach Sachsen, aus Baden einmal nach Elsaß-
Lothringen und aus Elsaß-Lothringen dreimal nach Baden.
In 40 Fällen waren die Tiere beim Besitzwechsel bestimmt oder
wahrscheinlich schon erkrankt oder infiziert.
In der Provinz Posen wurde in einem Falle die Seuche
durch unerlaubte Überführung eines Kalbes aus einem verseuchten
Gehöft in einen fremden Stall verschleppt. Durch Nicht¬
beachtung von Sperrmaßregeln, die sich auf den Personenverkehr
bezogen, wurde in Sachsen die Seuche aus einem Gehöft in
drei weitere verschleppt. In Elsaß-Lothringen hat in fünf
Fällen Unterlassung der Anzeige die Seuche verbreitet.
Der Personenverkehr war wiederholt die Veranlassung
zur Weiterverbreitung der Maul- und Klauenseuche. In
zwei Fällen in der Provinz Posen haben vermutlich Schul¬
kinder den Anlaß hierzu gegeben, in einem Falle auch Kirch¬
gänger. Im Reg. - Bez. Magdeburg übertrug ein in einem
Seuchengehöft beschäftigtes Mädchen die Seuche nach dem
elterlichen Hof. Im Bez. München wurde in einem Falle die
Seuche durch Verleihung der Jauchepumpe aus einem ver¬
seuchten Gehöft verschleppt. In einem Falle im Reg.-Bez.
Oberpfalz ist der Wiederausbruch der Seuche auf ungenügende
Desinfektion des Stallbodens zurückznführen.
Die Ermittlung der Maul- und Klauenseuche erfolgte in
sieben Fällen bei der Beaufsichtigung von Viehmärkten, mehr¬
fach in Schlachthäusern, in Berlin, im Reg.-Bez. Potsdam, in
Landsberg in Bayern, in München, Leipzig, Chemnitz und
Stuttgart, auf offener Straße einmal im Kreise Posen-Ost und
einmal in einer Abdeckerei im Reg.-Bez. Schwaben.
In über 50 Fällen wurden Seuchenausbrüche durch polizei¬
lich angeordnete Untersuchung der von der Seuche gefährdeten
Tiere festgestellt. Die sicher ermittelten Inkubationszeiten
schwankten zwischen 24 Stunden und 13 Tagen. Künstliche
Übertragungen des Ansteckungsstoffes der Maul- und Klauen¬
seuche auf die im Seuchengehöft vorhandenen gesunden Rinder
328
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
haben vielfach stattgefunden mit dem Erfolg eines schnelleren
und leichteren Durchseuchens.
Im Reg.-Bez. Magdeburg wurden 42 Ochsen einer
Firma, von deren vier Gehöften drei verseucht waren,
mit Löfflerschem Serum geimpft. Die Tiere waren
abseits vom Seuchengehöft, in einer Feldscheune untergebracht
worden, sie erhielten dreimal je 20 g Serum. Die Impflinge
blieben von der Seuche verschont. Ob sie aber überhaupt mit
dem Seuchenkontagium in Berührung gekommen waren, blieb
zweifelhaft.
Das Verbot der Viehmärkte hat sich als ein erhebliches
Hilfsmittel zur Seuchentilgung erwiesen. Schädigungen auf
wirtschaftlichem Gebiete waren aber hierbei nicht immer zu
vermeiden. Von dem Marktverbot ist in sehr umfangreichem
Maße Gebrauch gemacht worden.
An Entschädigungen sind in Württemberg nur für ein Stück
Rindvieh 220 M. gezahlt worden.
Die Lungenseuche des Rindviehs.
Fälle von Lungenseuche sind im Berichtsjahr nicht auf¬
getreten. Es wurden acht verdächtige Tiere in seuchefreien
Gehöften getötet, welche sich bei der Sektion jedoch frei von
Lungenseuche zeigten. Hierfür wurden 1871,81 M. an Ent¬
schädigungen gezahlt.
In Rußland erkrankten in 1106 Gemeinden 10 230 Rinder
an Lungenseuche, davon 2825 im europäischen Rußland.
Die Pockenseuche der Schafe.
Die Schafpocken traten in vier Gemeinden und vier Ge¬
höften des Reg.-Bez. Allenstein (Ostpr.) auf, gegen 22 Ge¬
meinden und 32 Gehöften im Vorjahre. In den verseuchten
Gehöften befanden sich insgesamt 443 Schafe, von welchen 102
gefallen sind. Die Seuche ist also wieder erheblich zurück¬
gegangen.
Im Ausland herrschte die Pockenseuche ziemlich stark
in Ungarn, hier besonders in der zweiten Jahreshälfte. Am
24. Oktober waren hier 121 Gemeinden und 196 Gehöfte be¬
troffen, gegen Schluß des Jahres ging die Seuche wieder etwas
zurück. In Rumänien erkrankten im Laufe des Jahres 1906
66 486 Schafe an Pocken, von diesen fielen 836 = 1,3 Proz.
In Rußland wurden 1290 Gemeinden betroffen, es erkrankten
75 692 Schafe, von welchen 22 073 fielen, gleich 20 Proz. Hiervon
entfallen 1203 Gemeinden mit 64 569 Erkrankungen auf das
europäische Rußland, also über 93 Proz. aller verseuchten Orte.
In Bulgarien wurden im Jahre 1906 417 Ortschaften durch Schaf¬
pocken betroffen. In Frankreich verseuchten 200 Herden, die
meisten Seuchenfälle fielen hier in den Monat Juni. Es ist
hieraus ersichtlich, daß die Schafpocken im Auslande noch in
erheblicher Ausdehnung herrschen, besonders auch in den an
Deutschland angrenzenden Ländern Rußland und Frankreich.
Es darf daher auch nicht wundemehmen, wenn sie immer
wieder von neuem nach Deutschland eingeschleppt werden. Die
vier im Reg.-Bez. Allenstein festgestellten Pockenausbrüche sind
alle durch Einschleppung aus Rußland veranlaßt worden.
BISschenausschlag der Pferde und der Rinder.
Diese Seuche hat gegenüber dem Vorjahr bei den Pferden
etwas zu, bei den Rindern etwas abgenommeu. Es erkrankten
306 Pferde gegen 224 im Vorjahre und 6308 Rinder gegen 7338.
Die Seuche ist in 1493 Gemeinden und 5932 Gehöften aufgetreten.
Es blieben verschont Mecklenburg-Strelitz, Braunschweig, Anhalt,
Schwarzbnrg-Sondershausen, Reuß ä. L., Schaumburg-Lippe,
Lübeck und Hamburg. Die Seuche trat am stärksten im
2. Vierteljahr, demnach im 1. und am schwächsten im 4. Viertel¬
jahr auf, in letzterem wurden viermal weniger Ausbrüche
ermittelt, wie im 2. Vierteljahr. Die stärkste räumliche Ver¬
breitung hatte die Seuche im Reg.-Bez. Neckarkreis (118 Ge¬
meinden und 414 Gehöfte), im Schwarzwaldkreis (07 und 766),
im DonaukreiB (89 und 351), in Unterfranken (85 und 467),
die stärkst betroffenen Kreise waren Weimar (19 und 95), Roda
(18 und 55), Hammelburg (17 und 205), Meiningen (17 und
175), Backnang (17 und 36) und Laupheim (17 und 36). Dem¬
entsprechend entfallen auch die höchsten Erkrankungsziffern auf
den Schwarzwaldkreis (638) und den Neckarkreis (429). Von
je 10000 Pferden nach der Zählung vom 1. Dezember 1904
erkrankten im Reich 0,7, von Rindern 3,3.
Verschleppungen der Seuche aus einem Bundesstaat in den
anderen fanden mehrfach statt: nach Preußen aus Sachsen-
Weimar, Hessen, Elsaß-Lothringen und Württemberg, nach
Sachsen und Preußen, nach Sachsen-Weimar gleichfalls aus
Preußen. In sieben Fällen waren die Tiere beim Übergang in
neuen Besitz bereits erkrankt oder angesteckt. Ermittelt wurde
die Seuche einmal in einem Schlachthause, einmal gelegentlich
einer Stierkörung und einmal in einer Abdeckerei. In 71 Fällen
wurde die Seuche durch polizeilich angeordnete Untersuchung
gefährdeter Tiere am Seuclienort ermittelt. In Württemberg
erfolgte die Seuchenfeststellung in 171 Fällen auf Grund der
Sprungregister. Die sicher beobachteten Inkubationsfristen
schwankten zwischen einem und 14 Tagen.
Wild- and Binderseache.
Vor zwei Jahren hatte der Herr Minister für Landwirt¬
schaft angeordnet, daß zum Zwecke wissenschaftlicher Unter¬
suchungen über die Wild- und Rinderseuche bei vorkommenden
Fällen dieser Seuche seitens der beamteten Tierärzte 1 Kilo¬
gramm schwere Muskelstücke und die Milz an das Hygienische
Institut der Tierärztlichen Hochschule in Berlin einzusenden
sind. Auf Grund dieser Anordnung sind, wie ein neuerlicher
Erlaß des Herrn Landwirtschaftsministers bekannt gibt, dem
Hygienischen Institut verschiedene Einsendungen zugegangen,
bei denen jedoch die Nachprüfung nur zu einem verhältnis¬
mäßig kleinen Teil Wild- und Rinderseuche ergeben hat. Zur
Sicherung der hiernach anscheinend schwierigen Feststellung der
Seuche hat der Herr Minister die beamteten Tierärzte an¬
gewiesen, in Verdachtsfällen ihr Urteil nur auf Grund der
Impfung von je zwei Kaninchen abzugeben. Diese Tiere sind
für die Erreger der Wild- und Rinderseuche sehr empfänglich.
Sie sterben schon nach Einimpfung kleiner Blutproben erkrankter
Rinder in kurzer Zeit, gewöhnlich binnen 24 Stunden. Der Herr
Minister gibt sodann Anweisung, wie die Impfung auszuführen ist. Die
Beschaffung der Versuchstiere kann zu Lasten der Staatskasse
erfolgen. Abgesehen von diesen Impfungen sind nach wie vor
von allen Tieren, bei denen bis zum 31. März 1909 Wild- und
Rinderseuche festgestellt wird, ein je 1 Kilogramm schweres
Muskelstück und die Milz an das Hygienische Institut der Tier¬
ärztlichen Hochschule in Berlin einzusenden.
Maßregeln zur Bekämpfung der Oeflfigelcliolera.
Für den Regierungsbezirk Posen ist im Hinblick auf die
zurzeit im Bezirk, in den benachbarten Bezirken und im be¬
nachbarten Rußland herrschende Geflügelcholera angeordnet
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFf.
329
30. April 11)08.
worden, daß Händler und Mäster, welche in den Regierungs¬
bezirk Gänse und Enten einführen, verpflichtet sind, a) die mit
der Eisenbahn eingehenden, durch den Bahntransport der Seuchen¬
gefahr ausgesetzten Tiere bei der Ausladung; b) die über die
Landesgrenze auf dem Landwege eingeführten, wegen ihrer
Herkunft zur Seuchenverschleppung geeigneten Tiere, die mit
der Eisenbahn weiterbefördert werden sollen, vor der Verladung
durch den zuständigen Kreistierarzt untersuchen und sich eine
Bescheinigung über deren Gesundheitszustand ausstellen zu
lassen.
Dem Kreistierarzt ist die Ankunft der Tiere
— wenigstens 24 Stunden vorher — anzuzeigen. Die
Ausladung darf nur in Gegenwart des Kreistierarztes er¬
folgen. Letzterem ist über die Herkunft der Sendung jede
gewünschte Auskunft zu geben. Der Kreistierarzt muß über
die Untersuchungen der einzelnen Sendungen Buch führen.
Wird bei der Untersuchung eine Seuche festgestellt, so ist die
vorläufige Einsperrung und Absonderung der kranken und ver¬
dächtigen Tiere, nötigenfalls auch deren Bewachung anzuordnen.
Hierüber ist ein Protokoll aufzunehmen. Die Kosten der
Untersuchung von Sendungen, welche bereits an Mäster ver¬
kauft oder von Mästern fest bestellt sind, trägt die Staats¬
kasse. Die Kosten der zum öffentlichen Verkauf zusammen¬
gebrachten Sendungen fallen dem Besitzer (Händler, Be¬
gleiter usw.) zur Last.
Milzbrand und Notschlachtungen.
Das Königl. sächsische Ministerium des Innern hat unter dem
27. November v. J. die nachstehende Verordnung an die Königl.
Kreishauptmannschaften erlassen:
„Nach § 31 des Reichsviehseuchengesetzes vom ^. Un '
J • M tll 1
(Keichsgesetzblatt S. 410) ist die Schlachtung — d. h. die Tötung
mit Blutentziehung — von milzbrandverdächtigen Tieren verboten.
Dem entspricht es, daß solche Tiere vom Fleischbeschauer auf
Grund der Lebendbeschau von der Schlachtung zurückgewiesen
werden, wie sie ja auch nach § 1, 1 a des Gesetzes über die
staatliche Schlachtviehversicherung vom 25. April 1906 (Gesetz- und
Verordnungsblatt S. 74) von dieser Versicherung ausgeschlossen sind.
Nun kommt, wenn auch nicht häufig, so doch zuweilen der
Fall vor, daß die Annahme des Milzbrandverdachtes irrig war,
sondern das Tier an einer Krankheit leidet, die wenn sie richtig
erkannt worden wäre, weder zur Zurückweisung von der Schlachtung,
noch zum Ausschlüsse von der Versicherung geführt hätte. Tötet
nun der Besitzer das Tier nicht wegen des ausgesprochenen Milz¬
brandverdachtes, sondern es stirbt an der Folge seiner wirklichen
Krankheit, so kann der Besitzer keine Entschädigung auf Grund
des Gesetzes vom 17. März 1886, § 1 (Gesetz- und Verordnungs¬
blatt S. 63) erhalten, und zwar erleidet er diesen Schaden nur in¬
folge der irrigen Erkenntnis des Fleischbeschauers, da er andernfalls
das Tier ganz oder teilweise als Schlachtstück hätte verwerten
können. . |
Daß diesem Mißstande abgeholfen werde, ist um so mehr er¬
wünscht, als er gerade den gewissenhafteren Viehbesitzer trifft, den
weniger gewissenhaften aber zu dem Versuche veranlaßt, dem Übel,
das bei der gewissen Schwierigkeit der Erkenntnis des Milzbrandes
jeden treffen kann, durch Notschlachtung des ihm milzbrand¬
verdächtigen Tieres zu entgehen.
Da hiermit erhebliche veterinärpolizeiliche Bedenken verbunden
sind, es auch überhaupt im Interesse der Seuchenverhütung liogt,
daß milzbrandverdächtige Tiere getötet werden, so will das
Ministerium des Innern versuchsweise hiermit anordnen, daß in
allen Fällen, in denen milzbrandverdächtige Tiere zur Schlachtung
gebracht werden, den Besitzern unter Hinweis auf die vorerwähnten
möglichen Folgen durch den wissenschaftlichen Fleischbeschauer
empfohlen werde, das Tier alsbald töten zu lassen. Eine aus¬
drückliche Anordnung der Tötung darf jedoch nicht erfolgen, da
sie das Viehseuchengesetz für Milzbrand nicht vorsieht
Ist in solchen Fällen die Tötung wegen eines von einem Tier¬
ärzte nach gewissenhafter Überzeugung ausgesprochenen Milzbrand¬
verdachtes erfolgt, so wird das Ministerium des Innern, solange
diese Anordnung besteht, die Gewährung von Entschädigung gemäß
§ 1 des Gesetzes vom 17. März 1886 auch für solche Fälle anweisen,
in denen sich der Milzbrandverdacht nicht bestätigt hat.“
Nachwei8ung Uber den Stand der Tierseuchen in Deutschland
vom 15. April 1908.
Die Zahlen bedeuten die Kreise (OberamUbezirke) u«w. { eingeklammert die Gemeinden.
Schweineseuche und Schweinepest.
Regierungs¬
bezirk usw.
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Gemeinden |
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bezirk usw.
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Preußen:
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—
Königsberg ....
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2
2
Gumbinnen ....
3
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Bayern:
Allenstein ....
4
6
3
Oberbayern ....
9
13
Danzig.
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Niederbayern. . .
5
11
Marienwerder . .
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27
12
Pfalz.
—
—
Berlin.
—
—
—
Oberpfalz.
1
1
Potsdam.
13
110
43
Oberfranken . . .
1
2
Frankfurt.
16
123
45
Mittelfranken. . .
3
3
Stettin.
8
18
10
Unterfranken. . .
3
3
Köslin.
9
24
12
Schwaben.
2
2
Stralsund ....
—
—
—
Württemberg .
3
3
Posen .
25
72
23
Sachsen.
5
7
Bromberg.
12
86
39
Baden .
10
11
Breslau.
23
237
62
Hessen.
6
8
Liegnitz.
19
204
72
Meckl.-Schwerin
5
11
Oppeln.
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25
9
Meckl.-Strelitz .
2
3
Magdeburg ....
5
13
9
Oldenburg . . .
9
21
Merseburg ....
12
27
12
Sachs.-Weimar.
2
11
Erfurt.
4
19
32
Sachs.-Meiningen
1
3
Schleswig ....
12
38
18
Sach s.-Altenburg
1
2
Hannover.
7
12
19
Sachs.-Kob.-Got.
—
—
Hildesheim ....
6
16
22
Anhalt.
2
5
Lüneburg .
6
19
13
Braunschweig
5
19
Stade.
5
11
15
Schwarzb.-Sond.
—
—
Osnabrück ....
5
11
20
Schwarzb.-Rud.
—
—
Aurich.
1
1
3
Reuß ä. L.
1
1
Münster.
8
19
71
Reuß j.L.
2
2
Minden.
6
13
25
Sch au mb.-Lippe
2
3
Arnsberg.
13
21
25
Lippe-Detmold .
4
7
Kassel.
13
34
20
Hamburg ....
4
5
Wiesbaden ....
11
40
43
Lübeck . . . . .
—
—
Koblenz.
7
16
15
Bremen.
—
—
Düsseldorf ....
8
28
65
Elsaß.
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1
Köln.
7
11
37
Lothringen . .
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3
Trier.
7
12
11
Aachen .
5
6
15
Rotz.
Preußen: In den Reg.-Bez. Königsberg, Köslin, Düsseldorf je
1 (1), Köln 1 (2), Stadtkreis Berlin 1 (5), in den Reg.-Bez. Marien¬
werder, Oppeln je 2 (2), Gumbinnen, Posen je 4 (4), Bromberg 8 (9).
Bayern: Im Reg.-Bez. Niederbayern 2 (2).
Sachsen: Kreishauptmannschaft Leipzig 2 (2).
Hamburg: Stadt 1 (1).
Zusammen 36 Gemeinden (39 am 15. März 1908), davon 31 auf
Preußen (33 im März).
Lungenseuche.
Preußen: Im Stadtkreis Berlin 1 (2), in den Reg.-Bez. Posen
2 (2), Bromberg 3 (3).
330
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. i8.
Sachsen: In (len Kreishauptmannschaften Chemnitz 1(1),
Leipzig 2 (2).
Sachsen-Koburg-Gotha: Herzogtnm Gotha 1 (1).
Zusammen 11 Gemeinden (14 am 15. März 1908), davon 9 auf
Preußen (8 im März).
Maul- und Klauenseuche.
Regierungsbezirk usw.
bzw. Staat
(* = neu verseucht)
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Gegenüber d. 15. März
Kreise
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Gehöfte
Kreise
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Gehöfte
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1
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Danzig.
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1
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Preußen zusammen
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Bayern:
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Zusammen
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12
— 2
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Influenza unter den Pferden der Zivilbevölkerung In PreuBen.
A. Bewegung der Seuche und Zahl der gefallenen Pferde.
Die Seuche trat auf in den Monaten und
Gehöften:
Bezirke
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14
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22
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Gumbinnen. . .
28
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19
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8
8
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4
12
9
10
116
Allenstein . . .
21
35
31
20
13
11
3
5
8
5
20
27
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Danzig.
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18
24
31
16
Marienwerder .
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16
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6
5
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Frankfurt a. 0.
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1
1
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1
—
13
Stettin.
—
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—
—
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1
1
—
1
1
Köslin.
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1
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—
—
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Stralsund....
—
—
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—
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1
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Posen.
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2
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Bromberg . . .
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4
3
1
2
1
10
—
2
3
2
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23
Breslau.
10
3
10
7
6
2
3
1
2
2
3
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35
Liegnitz ....
1
—
—
1
—
1
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—
—
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Oppeln.
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10
2
6
6
2
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—
—
1
—
17
Magdeburg. . .
—
—
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—
—
—
2
Merseburg . . .
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11
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1
10
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1
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Summa
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79
72
601
76
69
95
131
155
746
Brust- und Rotlaufseuche unter den Pferden der Militärverwaltung.
A. Bewegung der Seuchen und Zahl der gefallenen Tiere.
Armeekorps-Bezirke
und
Remontedepots
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Die Seuche trat auf in den
Monaten und Quartieren:
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XVIII.
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Remontedepots:
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67 54
45
27
25 23 33
284442
37
177
Verfügung, betreffend Viehseuchenstatistik.
Allgemeine Verfügung Nr. 8 für 1908.
Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.
Geschäfts-Nr. I A nie 833.
Berlin, den 4. Februar 1908.
An sämtliche Herren R^gierungs-Präsidenten und den Herrn Polizei-
Präsidenten in Berlin.
Es ist mir erwünscht, in der vierteljährlichen Viehseuchen¬
statistik eine Übersicht über die von Schweinepest neubetroffenen
Bestände zu erhalten.
Euer Hochwohlgeboren ersuche ich, die beamteten Tierärzte
anzuweisen, in Zukunft die durch Schweinepest neu verseuchten
Gehöfte in der aus der Anlage ersichtlichen Weise mit roter Tinte
in der Spalte Bemerkungen kenntlich zu machen. (Formular A.)
Bestände, in denen neben der Schweinepest auch Schweine¬
seuche herrscht, sind in der Statistik als mit Pest verseucht zu
behandeln.
Die Angaben sind in entsprechenderWeise von den Departements¬
tierärzten in die Generaltabellen zu übernehmen. (Formular B.)
Die Vorschrift tritt zum erstenmal in der Statistik für das
I. Vierteljahr 1908 in Kraft.
Jm Aufträge: Küster.
Einfuhrverbot.
Wegen der Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche in
Belgien *und den Niederlanden wird die Einfuhr von Heu
und Stroh aus diesen Ländern durch die Regierungspräsidenten
der Grenzbezirke verboten.
Abdeckerei-Verhältnisse in Mecklenburg.
Nach einer Erklärung der Schweriner Regierung im Landtage,
unterliegt dem Fronereizwange in Mecklenburg nur das Hauptvieh
(Pferde, Rinder und Kälber), dagegen nicht das Kleinvieh (Schweine,
Schafe und Ziegen), ersteres, wenn es gefallen oder getötet wurde,
geschlachtetes nur insoweit, als das Fleisch zum menschlichen
Genuß als untauglich anzusehen ist oder für Menschen keine Ver¬
wendung finden soll.
30. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
331
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
Unzulässigkeit der Kürzung der Fleischbeschau¬
gebühren durch die Gemeinden.
Von Helfer.
(Deutsche Fletschbeschauer-Zeilung, 1908, Seite 17.)
In der Klagesache der Fleischbeschauer in Masraünster
gegen die Gemeinde wegen Einbehaltung eines Teiles der
Fleischbeschaugebühren (vgl. B. T. W. 1907, Seite 901) ist jetzt
durch das Kaiserl. Landgericht in Mülhausen i. E. das Urteil
gesprochen worden und zugunsten der Fleischbeschauer aus¬
gefallen.
Dem Streit liegt nachstehender Sachverhalt zugrunde. Bis
1903 bezog der Fleischbeschauer die Gebühren direkt von den
Metzgern, bis am 10. Juli 1903 der Gemeinderat den Beschluß
faßte, daß die Gebühren in die Gemeindekasse zu fließen hätten
und dem Fleischbeschauer 800 M. Gehalt zu zahlen seien, von
welcher Summe er noch 250 M. an den Stellvertreter und 50 M.
an den Schlachthausaufseher abzugeben habe, so daß ihm nur
500 M. verblieben. Trotzdem zog der Fleischbeschauer bis zum
31. Dezember 1904 die Gebühren im Betrage von 1500—1600 M.
jährlich für sich selbst ein, erst vom 1. Januar 1905 ab besorgte
die Gemeinde die Einziehung im Sinne obigen Beschlusses. Am
18. Juli 1907 erhob der Fleischbeschauer wegen Auszahlung der
vollen Gebühren Klage. Die Gemeinde machte dagegen geltend,
daß sie nur die erwähnten 800 M. jährlich zu zahlen habe. Der
klagende Fleischbeschauer sei kein Beamter, sondern stehe in
einem Privatverhältnis zu der Gemeinde. Falls er jedoch als
Beamter anzusehen sei, bekleide er ein Gemeindeamt, dessen
Besoldung vom Gemeinderat jederzeit geregelt werden könne.
Zu dieser prinzipiell wichtigen Streitsache hat das Kaiserl.
Landgericht in dem Urteil vom 11. Februar d. J. folgendermaßen
Stellung genommen:
Die Untersuchung der im Fleischbeschaugesetz genannten
Schlachttiere vor und nach dem Schlachten ist ein Akt der
staatlichen Medizinalpolizei, insofern sie dem Schutz der mensch¬
lichen Gesundheit dient, und sie erfolgt durch Polizeiorgane,
denen weitreichende Befugnisse zustehen (Laband, Reichs-
staatsrecht 1907, Bd. I, S. 276). Diese Polizeiorgane führen
die Bezeichnung „Beschauer“ und sind zu solchen approbierte
Tierärzte oder andere Personen, welche genügende Kenntnisse
nachgewiesen haben, zu bestellen. In Elsaß-Lothringen sind
für die Bestellung der Beschauer die Kreisdirektoren zuständig,
welche auch die Beschauer auf ihre Obliegenheiten zu ver¬
pflichten haben. (R.-G. vom 3. Juni 1900, §§ 1, 2, 5, 23, Aus¬
führungsbestimmungen des Bundesrats hierzu vom 30. Mai 1902,
Beilage 22 des Zentralblattes für das Deutsche Reich A §§ 2, 46,
Verordnung des Ministeriums vom 21. Januar 1903, § 1.) Aus
dem Gesagten ist zu folgern, daß die auf Grund des Reichs¬
gesetzes bestellten Fleischbeschauer als öffentliche Beamten
anzusehen sind. (Vgl. Landmann, Gewerbeordnung, § 36
Anmerkung 7, Reichsgericht 20. September 1881, Raeger, S. 133,
Bruech, Gemeindeordnung, § 16, Bern. 22.) Da die Fleisch¬
beschauer Beamte sind, stehen sie in keinem Privatrechts¬
verhältnis zu ihrer Anstellungsbebörde, sondern ihr Verhältnis
ist öffentlich rechtlicher Natur. Wenngleich sich das Feld ihrer
polizeilichen Tätigkeit nnr auf einzelne oder eine geringe Anzahl
von Gemeinden erstreckt, sind sie nicht Gemeindebeamte
im Sinne der Gemeindeordnung, sondern Staatsbeamte, die
aber, da die in Frage stehende Polizeiangelegenheit schon durch
das Gesetz vom 16. und 24. August 1790 (Titel XI, Art. 3
Nr. 4) den Gemeinden anvertraut ist, in Ausübung der Fleisch¬
beschau als Ortspolizeibeamte handeln. Daher bezeichnet
die Ministerialverfügung vom 21. Januar 1903 die Ausführung
der Schlachtvieh- und Fleischbeschau mit Recht als einen Gegen¬
stand der örtlichen Polizeiverwaltung (vgl. Bruech, Gemeinde¬
ordnung, § 18, Bern. 10).
Gemäß § 23 des Reichsgesetzes ergibt sich nach Landes¬
recht, wem die Kosten der amtlichen Untersuchung zufalleD
und bestimmt im Anschluß hieran § 2 der Verordnung des Bezirks¬
präsidenten des Ober-Elsaß vom 26. März 1903, daß die Gebühren
des beschauten Schlachttieres oder Fleisches zu erheben sind.
Auf der andern Seite bestimmt § 65 Ziffer 6 der Gemeinde¬
ordnung vom 6. Januar 1895, daß die sämtlichen Kosten der
örtlichen Polizeiverwaltung, in so weit sie nicht aus Landesraitteln
gedeckt werden, Pflichtausgaben der Gemeinden sind und § 2
Absatz 7 der Bezirksverordnung vom 26. März 1903 spricht aus, daß
die Vergütung der Fleischbeschauer in der Regel aus der Ge¬
meindekasse zu erfolgen hat. Aus § 2 Absatz 6, welcher lautet:
„Die erststehend unter 1 für Laienbeschauer festgesetzten Sätze
können mit Ausnahme derjenigen für Reisekosten unterbesonders
gelagerten Verhältnissen durch Beschluß des Gemeinderats
herabgesetzt werden.“ Ein solcher Beschluß bedarf der Ge¬
nehmigung der Aufsichtsbehörde und aus Absatz 4, welcher
lautet: „Muß der Fleischbeschauer zur Vornahme der Beschau
eine Reise außerhalb der Gemeinde seines Amtssitzes machen,
so stehen ihm für jeden zurückgelegten Kilometer 0,10 M. Ent¬
schädigung zu,“ hat das Gericht entnommen, daß durch den
Absatz 7 eine sachliche Änderung nicht bezweckt war. Die
Überzeugung des Gerichts gründet sich einerseits darauf, daß
dem Fleischbeschauer („ihm“) die Reiseentschädigung zusteht,
andrerseits darauf, daß Absatz 6 von den Sätzen spricht, die
„für“ Laienbeschauer festgesetzt sind, hätte die Gebühr dem
Beschauer nicht zufallen sollen, so hätte voraussichtlich die
Verordnung eine andere Wendung, wie die angewandte gewählt,
z. B. die „für die durch Laienbeschauer vorgenommene Beschau.“
Auch daraus, daß die Verordnung die Reisekosten des Fleisch¬
beschauers „zu den, für Laienbeschauer festgesetzten Sätzen“
rechnet, geht hervor, daß der Fleischbeschauer einen Anspruch
auf die volle Gebühr hat, denn dadurch, daß die Reisekosten,
die „ihm, dem Fleischbeschauer, zustelien“, zu den für die Laien¬
beschauer festgesetzten Sätzen gerechnet werden, wird klar,
daß der Gesetzgeber die Gebühren als etwas dem Beschauer
Gebührendes behandelt wissen will, in gleicher Weise wie die
Reisekosten. Demnach haben die Fleischbeschauer von den
Gemeinden keinen Gehalt zu fordern, sondern sie haben einen
Anspruch auf die von den Tierbesitzern entrichteten oder zu
entrichtenden Gebühren. Dagegen ist das Gericht der Ansicht,
daß durch den streitigen Absatz 7 eine formelle Änderung in
dem bisherigen Verfahren herbeigeführt werden solle. Während
bisher der Beschauer von den Metzgern die Gebühr unmittel¬
bar erhob und ungefähr die Stellung eines Beauftragten nach
§ 695 B. G. G. einnahm, sollte durch die neue Bestimmung der
Beschaugebühr ein öffentlich rechtlicher Charakter verliehen
werden und sollte sie fortan als Gefälle gelten. Diese Änderung
erfolgte im Interesse der Beschauer, denn jetzt konnten die
Gebühren wie die Gefälle beigetrieben werden. Dadurch wuchs
aber gleichzeitig die Autorität des Fleischbeschauers und
332
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
minderte sich seine wirtschaftliche Abhängigkeit von den Vieh¬
händlern und Metzgern. Formell ist danach die Gemeinde
Masmttn8ter Gläubigerin der von den Tierbesitzern geschuldeten
Gebühren, in Wirklichkeit ist sie nur eine Zahlungsstelle,
die das von ihr vereinnahmte Beschaugeld an die Beschauer
abliefern muß (siehe auch Art. 2 des Dekrets vom 1. August 1804).
Aus dem Gesagten ergaben sich vier Folgerungen:
1. Durch das neue Verfahren sollen den Gemeinden keine
neuen Lasten auferlegt werden. Insoweit durch dasselbe Un¬
kosten entstehen, sind sie von demjenigen zu tragen, der die j
Vorteile von dieser Zahlungsart genießt, d. h. von den Fleisch¬
beschauern. Sind mehrere Bezugsberechtigte vorhanden, dann !
fallen die Kosten anteilmäßig den einzelnen zur Last.
2. Nur insoweit die Gebühren bei der Gemeindekasse ein-
gehen oder von derselben beigetrieben werden können, sind sie
an die Beschauer abzuliefern und erleiden die Beschauer, nicht
die Gemeinden den Ausfall, wenn geschuldete Gebühren nicht
beigetrieben werden können.
3. Die Gemeinden haben auf das Einkommen der Fleisch¬
beschauer nur insofern einen Einfluß, als durch Beschluß des
Gemeinderats die Beschaugebühren als solche herabgesetzt und
dadurch die Einnahmen der Beschauer gemindert werden können.
Jede andere Einwirkung, die die Vergütung der Beschauer betrifft,
ist unzulässig. Dieser Beschluß bedarf aber die Genehmigung
der Aufsichtsbehörde.
4. Falls für einen an der Ausübung seines Amtes ver¬
hinderten Fleischbeschauer dessen Vertreter die Beschau vor¬
nimmt, stehen ihm die Gebühren des § 2 zu. Nach dem Gesetz
besteht zwischen dem Beschauer und dessen Stellvertreter
keinerlei Privatverhältnis. Durch die gesetzliche Vorschrift
sollen einerseits die Stellvertreter eine selbstständige, wirtschaft¬
lich von den Hanptbeschauern unabhängige Stellung erhalten
andererseits soll verhindert werden, daß die Hauptbeschauei
die ihnen obliegende Arbeit auf die Stellvertreter abwälzen,
dagegen die Gebühren für sich behalten. Nur durch einen be¬
sonderen Vertrag, inhaltlich dessen der Vertreter dem Haupt¬
beschauer seinen Anspruch ganz oder teilweise überträgt, könnte
ein Ergebnis herbeigeführt werden, welches dem bisherigen Zu¬
stande Rechnung trägt.
Überträgt man das unter 1—4 Ausgeführte auf den vor¬
liegenden Rechtsstreit, so müßte die Beklagte berechtigt sein,
an der dem Kläger geschuldeten Summe die ihr durch die Ge¬
bühreneinnahme- und Ausgabe entstandenen Kosten in Abzug
zu bringen und sie brauchte dem Kläger nur die Beträge aus¬
zuantworten, die aus der vom Kläger in Person vorgenommenen
Beschau ihr eingegangen sind; damit ihre Unkosten von dem
klägerisehen Guthaben in Abzug gebracht würden, hätte die
Beklagte diese spezialisieren müssen. Da sie dies nicht getan
hat, können von Gerichtswegen diese Unkosten nicht weiter be¬
rücksichtigt werden.
Es könnte noch fraglich erscheinen, ob für den gegen¬
wärtigen Rechtsstreit der Rechtsweg überhaupt zulässig ist,
da der Kläger die Beklagte nicht als seine Anstellungsbehörde,
sondern wie jeden andern Privaten, der fremde Gelder erhoben
hat, in Anspruch nimmt, so hält das Gericht den Rechtsweg
für zulässig.
Ohne daß es auf Beweise noch hätte ankommen können,
war wie geschehen, mit Kostenfolge aus § Hl C.P.O. zu erkennen,
gez. Vogt, Eisemann, Dr. Levy.
Parlamentarische Studienreise nach österreichischen Viehmirfcteu.
Eine Kommission des preußischen Landtages hat eine Reise
nach Wien, Budapest und Graz angetreten, um die dortigen Ein¬
richtungen der Viehmärkte zu besichtigen und zu prüfen, ob der
Handel des Viehes nach lebendem (Je wicht statt nach Schlacht¬
gewicht, Vorteile bietet. An der Reise nimmt auch der Abgeordnete
j Stadtrat Fischbeck, der städtische Dezernent für den Berliner Vieh-
1 und Schlachthof, mit noch sechs anderen Herren teil. Zuerst be-
j suchen die Herren Wien, dann Graz und zuletzt Budapest.
Deutschlands Vieh- und Fleischeinfuhr im Jahre 1907.
Nach den „Monatlichen Nachweisen über den auswärtigen Handel
Deutschlands“ sind im Jahre 1907 in das Zollgebiet eingeführt:
Schlachtpferde 11, Kälber unter 6 Wochen 6721, Jungvieh von
6 Wochen bis zu l 1 ., Jahren 13320, männliches Jungvieh über l 1 /..
bis zu 2 1 ,Jahren 40424, weibliches Jungvieh über 1*/, bis zu 2 1 /.,
Jahren 19373, Kühe 69328, Bullen 8863, Ochsen 47843, Lämmer 228,
Schafe 10671, Ziegen 1060, Spanferkel 1129, Schweine 79502, Gänse
7 207373, Hühner aller Art 107207, Enten 27371, Tauben nsw. 3293.
Davon stammten aus:
Niederlande
Österreich- .
Ungarn '
Schweiz 1
Dänemark
Rußland in
Europa
Italien
Schlachtpferde . .
4
_
Kälber
i
unter 6 Wochen .
—
4 259
2148
_
_
Jungvieh von 6
Wochen bis zu
i
1 1 /._> Jahren . . .
Männliches .Jungvieh
über l 1 /., bis zu
—
8 201
2124 2 889
_
_
,
2';., Jahren . . .
—
8 628
521 31 161
—
_
Weibliches Jungvieh
über 1 1 .j bis zu
2' ., Jahren . . .
—
8 360
2646 8177
_
_
Kühe. . .' . . ‘
n _
14 974
6670 47 513’
_
_
Bullen.
—
1 930
609 6 299
—
_
Ochsen . . . .
—
44 242
— 3 448 !
_
_
Lämmer.
— ;
149
— — 1
_
_
Schafe.
9 199i
— 776
_
, _
Ziegen.
—
455
588 -
—
_
Spanferkel ....
—
— !
— —
—
—
Schweine ....
— !
478
— —
78 848 l
_
Gänse.
40 492
946 824
— ' — |
6 124 016
' 87 667
Hühner.
19101 j
39 727 i
9 439;
1984 — !
34 857
10 673
Enten.
— ■
_ _ ,
15 350
, 2 199
Tauben usw. . . .
1
1
1 105 l
1 439
Die Ausfuhr betrug demgegenüber: Schlachtpferde 4398, Kälber
unter 6 Wochen 145, Jungvieh von 6 Wochen bis zu P/j» Jahren 221,
männliches Jungvieh über l 1 A. bis zu 2'/.. Jahren 51, weibliches
Jungvieh über 1 bis zu 2'A, Jahren 188, Kühe 422, Bullen 163,
Ochsen 242, Lämmer 12409, Schafe 43360, Ziegen 352, Spanferkel 1889,
Schweine 25 039, Gänse 53 440, Hühnei 536, Enten 71, Tauben 533.
Die Einfuhr von frischem und zubereitetem Fleisch betrug in
derselben Zeit in Doppelzentnern (100 kg) an Rind-(Kalb-)Fleisch,
frisch 131529, Rind-(Kalb-)Floisch, einfach zubereitet 28256, Schweine¬
fleisch frisch 23 787, Schweinefleisch einfach zubereitet, auch Herz¬
schläge 23 908; Schweineschinken (Vorder- und HinterschinkenA ge¬
pökelt, geräuchert 7134, Hammelfleisch, frisch oder einfach zu¬
bereitet 2615, Ziegen- usw. Fleisch; zum feineren Tafelgenussc zu-
bcrcitctes Fleisch 140; Schweinespeck, Irisch oder einfach zubereitet,
Paprikaspeck 11128; Gänsebrüste,-keulen-,-lebern 1580; Federvieh,
geschlachtet usw. 70 746, Haarwild (Hasen, Kaninchen, Renntiere,
Wildschweine usw.), nicht lebend 10 754, Federwild, nicht lebend
5097, FleiBchextrakt, Fleischbrühtafeln, Fleischbrühe, Fleischpepton
10 315, Suppentafeln 6, Fleisehwürste 218, Schmalz von Schweinen
1 048 051, Oleomargarine 315 350, Schmalz von Gänsen, Rindennark
und andere schmalzartige Fette 5590, Schweine- und Gänsefett
roh 279. Schweineflomen (Fliesen, Liesen, Schmer) 6), Premier jus
59 508, Talg von Rindern und Schafen; Prcßtalg 216 638, Knochen-
fett; Abfallfette 45 367. Davon kamen aus:
80. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
883
Dänemark
Frankreich
Groß- |
britannien :
Niederlande
Österreich-
Ungarn
Vereinigte 1
Staaten 1
Rußland
in Europa
Belgien 1
Italien
Rind- (Kalb-)
.Fleisch, frisch
62 703
1407
6165
55 234
4668
Rind- (Kalb-)
Fleisch, einfach
zübereitet ....
1494
25 011
Schweinefleisch,
frisch.
10 248
1427
11019
Schweinefleisch,
einfach zube¬
reitet, auch Herz¬
schläge .
18 476
!
1920
1 2 259
Schweineschinken
'Vorder- und
Hinterschinken),
gepökelt, ge¬
räuchert .
981
i
j
l
1 832
j
1
38541
i
Hammelfleisch,
frisch oder ein¬
fach zubereitet.
1242
!
i
I
586
!
567
Ziegen- usw.
Fleisch, zum
feineren Tafel-
genusse zuberei¬
tetes Fleisch . .
i
!
1
1
1
i
_
i
|
i
i
ui
1
j
113,
Schweinespeck,
frisch oder ein¬
fach zubereitet;
Paprikaspeck . .
1773
1
j
l
_
1
i
1
7 649
-
-
-
Bericht Ober die Schlachtvieh- und Fleischbeschau
im Königreich Sachsen für das Jahr 1906.
Den Abschnitt über die Schlachtvieh- und Fleischbeschau hat
in dem „Bericht über das Veterinärwesen .im Königreich Sachsen“
för das Jahr 1906 der Landestierarzt Medizinalrat Prof. Dr.
Edelmann bearbeitet. Die Zahl der öffentlichen Schlachthöfe
ist auf 35 angestiegen, an neuen Freibänken wurden 8 errichtet,
so daß die Zahl derselben nunmehr 960 beträgt. Die Schlachtungen
der Jungrinder, Ziegen, Pferde und Hunde haben zugenommen, bei
den übrigen Tieren abgenommen. In Prozenten ergab sich
bei Pferden eine Zunahme von 1,90 Proz., bei Jungrindern von
30,61, bei Ziegen 7,66 und bei Hunden von 3,74 Proz. Die Ab¬
nahme bei den Rindern betrug 1,94, bei den Kälbern 2,45, bei den
Schweinen 0,53 und den Schafen 3,15 Proz. Geschlachtet sind
12 930 Pferde, 233 325 Rinder, 404 372 Kälber, 1112 599 Schweine,
206068 Schafe, 74 153 Ziegen und 3738 Hunde. Notschlachtungen
ergaben sich, auf 100 Schlachtungen berechnet, bei Pferden 4,97,
Ochsen 0,16, Bullen 0,19, Kühen 0,90, Jungrindern 1,39, Kälbern
0,36, Schweinen 0,29, Schafen 0,14, Ziegen 1,37 und Hunden 3,02.
Die Verteilung der Beschau auf die Tierärzte und die Fleiscb-
beschauer war die gleiche wie im vorigen Jahre.
Von den Schlachttieren stammten. 60,15 Proz. Rinder und
58,76 Proz. der Schweine aus dem Königreiche Sachsen. In
Schlachthöfen wurden geschlachtet 67,33 Proz. der Pferde, 51,40
Proz. der Rinder, 63,37 der Kälber, 48,82 der Schweine, 77,71
der Schafe, 9,50 der Ziegen und 35,04 Proz. der Hunde.
Tuberkulose wurde ermittelt bei 34,94 Proz. der Ochsen, 31,74
Proz. der Bullen, 42,61 der Kühe und 17,71 Proz. der Jungrinder.
Von dem Auslande eingeführt sind 25227 kg frisches Schweine¬
fleisch und 6759 kg sonstiges frisches Fleisch, 10018 kg zubereitetes
Rind- und Kalbfleisch, 284719 kg zubereitetes Schweinefleisch,
492 kg Speck, 1223 kg sonstiges Schweinefleisch, 315358 kg Därme,
1400 kg Schweineschmalz, 185532 kg Oleomargarine, 12038 kg
Margarine und 9215 kg sonstiges Fett warmblütiger Tiere.
An Seuchen wurden bei der Fleischbeschau ermittelt: Milz¬
brand 144-, Rauschbrand 14-, Rotz 1-, Maul- und Klauenseuche 18-
Räude der Schafe 1-, Schweinerotlauf 1765-, Schweineseuche 1464-
und Schweinepest 52 mal.
Von den seit Erlaß der Verordnung vom 17. August 1906 auf¬
gefundenen 38 trichinösen Schweinen waren in Sachsen 11, außer¬
halb Sachsen 27 Schweine mit Trichinen angesteckt worden.
Ein als Anhang beigefügter Rückblick auf die ersten fünf
Jahre der allgemeinen Fleischbeschau läßt besonders erkennen, daß
die Beanstandungen der versicherten Rinder und Schweine von
Jahr zu Jahr zugenommen haben und zwar recht beträchtlich. Die
Zahlen betrugen für männliche Rinder 1900 1,98 Proz., 1905 aber
4,21 Proz., fiir weibliche Rinder 1900 8,39 Proz., 1905 14,69 Proz.,
für die Schweine 1900 0,92 Proz. und 1905 1,96 Proz. Der Grund
hierfür liegt zwar einmal in der genauer gewordenen Untersuchung,
aber auch in einer tatsächlichen Zunahme der erkrankten Tiere.
Beides kommt besonders bei den tuberkulösen und finnigen Rindern
in Betracht. Bemerkenswert ist das Ansteigen der Beanstandungen
wegen abnormen Fleischgeruchs, Wässerigkeit, Gelbsucht und
mangelhafter Ausblutung.
Besprechung im Reichs&mt des Innern
über zweifelhafte Punkte, die bei der Durchführung dea Schlachtvieh-
und Flelechbeechaugeeetzes sich ergeben haben. (17. Sitzung am 9.12. 07.)
I.
Es sind Zweifel darüber entstanden, ob getrocknetes Blut als
Fleisch im Sinne des § 4 des Fleischbeschaugesetzes anzusehen ist
und demnach vor der Einfuhr in das Zollinland einer Untersuchung
durch das Fleischbeschauamt unterliegt. Das aus dem Auslande
kommende getrocknete Blut wird dem Vernehmen nach durch
Trocknen frischen Blutes an der Luft oder durch Einwirkenlassen
künstlich erzeugter Hitze gewonnen und fast ausschließlich als
Viehfutter oder als Düngungsmittel verwendet.
Nach eingehender Erörterung der Angelegenheit sprach sich
die Kommission über die fleischbeschautechnische Behandlung des
in das Zollinland eingehenden Blutpulvers übereinstimmend folgender¬
maßen aus:
Das bei einer Temperatur von über 70° C getrocknete Blut
kann als Fleisch im Sinne des § 4 des Fleischbeschaugesetzes nicht
angesehen werden, weil es zum Genüsse für Menschen nicht ge¬
eignet ist; dagegen ist das an der Luft oder bei Hitzegraden unter
70° C getrocknete defibrinierte Blut als Fleisch zu betrachten.
Bedenklich bleibt die Verwendung ausländischen getrockneten
Blutes stets, weil ein genaues Urteil darüber, ob die Erhitzung ge¬
nügt hat, etwa im Blute vorhandene krankheitserregende Keime
abzutöten, nicht gewonnen werden kann. Da aber nach dem, was
bis jetzt bekannt ist, kein Anlaß zu der Vermutung vorliegt, daß
getrocknetes defibriniertes Blut, falls es überhaupt zur Einfuhr in
das Zollinland gelangt, zur Herstellung von Nahrungsmitteln für
Menschen Verwendung findet, so bestehen gegen die Einfuhr einer
derartigen Ware ohne Untersuchung vorläufig grundsätzlich keine
Bedenken. Es wird jedoch empfohlen, daß die Einlaßstellen ins¬
besondere darauf achten, an welche Firmen getrocknetes Blut ge¬
liefert wird. Ergibt sich dabei der Verdacht, daß die Ware als
Nahrungsmittel für Menschen und zu Arzneizwecken verwendet
werden soll, so ist ihre fleischbeschautechnische Untersuchung
— auch auf etwaigen Gehalt an krankheitserregenden Mikroorga¬
nismen — zu veranlassen. Ferner ist es erwünscht, daß von den
Einlaßstellen auch ohne Vorliegen eines Verdachts von Zeit zu
Zeit Proben an die zuständigen Fleischbeschaustellen zur Unter¬
suchung abgegeben werden. Letztere soll nach dem Vorschläge
des Gesundheitsamts daraufhin erfolgen, ob die Ware mit Wasser
vermischt eine dem frischen Blute ähnliche, rote, eiweißhaltige
d. h. beim Schütteln schäumende und beim Kochen Gerinsel aus¬
scheidende Flüssigkeit ergibt. Wenn die Probe positiv ausfällt,
würde das Blutpulver als Fleisch zu gelten haben und nach den
Vorschriften für frischeB Fleisch zu behandeln sein.
n.
Eine Fleischimportfirma hat in Eingaben wegen Abänderung
des § 11 der Anlage a zu den Ausführungsbestimmungen D zum
Fleischbeschaugesetze behauptet, daß durch das Ausschneiden der
Kniekehlendrüsen beim Schweine einer der wertvollsten Teile des
Tierkörpers, der Schinken, für seine Zwecke unbrauchbar gemacht
werde. Der tiefe Einschnitt, der durch die äußere Schwarte in das
Fleisch gelegt werden müsse, mache die spätere Verarbeitung der
Schinken zu Salz- und Räucherschinken unmöglich. Die Schinken
334
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
seien in dieser Beschaffenheit unverkäuflich und nur noch als
Material zur Wurstfabrikation geeignet.
Es wurde empfohlen, die Fleischbeschaustellen mit einer An¬
weisung dahin zu versehen, daß bei ausländischem Schweinefleisch
daB Ausschneiden nur der oberflächlichen Kniekehlendrttsen genüge.
Falls sich diese Drüsen bei Pökelfleisch (Schinken) durch den ersten
kunstgerecht angelegten Schnitt etwa nicht auffinden ließen, sei
von einer weiteren Untersuchung abzusehen, da dann die Annahme
begründet sei, daß die Drüsen von regelmäßiger (geringer) Qröße
und daher gesund seien; denn wären sie krank, so würden sie an-
geschw'ollen, mithin vom Sachverständigen unschwer zu ermitteln sein.
III.
Untersuchungen, w r elche auf Veranlassung bzw. auf Anregung
des Königlich Preußischen Herrn Ministers für Landwirtschaft,
Domänen und Forsten bei mehreren preußischen und außerpreußischen
Auslandsfleischbeschaustellen 4 Wochen hindurch an den eingehenden
Darmsendungen auf ihre Behandlung mit verbotenen Stoffen vor¬
genommen worden sind, haben das Ergebnis gehabt, daß von
651 untersuchten Sendungen 25 Sendungen beanstandet worden sind.
Die Kommission war in ihrer überwiegenden Mehrheit der An¬
sicht, das die gemachten Beobachtungen es gerechtfertigt erscheinen
ließen, der unzulässigen Behandlung der Därme in weiterem Maße
nachzugehen. Zu diesem Zwecke seien gelegentlich in geeigneten
Fällen (etwa bis zu 5 %) die eingehenden Darmsendungen auch
ohne das Vorliegen eines besonderen Verdachts auf verbotene Kon¬
servierungsmittel in erster Linie auf Borsäure zu untersuchen; es
genüge die Untersuchung je einer Stichprobe bei jeder Sendung.
Hierbei wurde eB als selbstverständlich erachtet, daß die Kosten
dieser Untersuchungen der Staatskasse zur Last fallen, falls nicht
verbotene Stoffe gefunden werden.
IV.
Ein Hauptsteueramt hat eine aus Belgien eingegangene Sendung
von Hundefutter (Special Hound Meal, nourriture concassöe pour
chiens) an den Adressaten nicht herausgegeben, vielmehr die Rück¬
sendung der Ware in das Ausland veranlaßt, weil für eine ähnlich
beschriebene Ware, nämlich für ein loses Gemenge von gewöhnlichem
Backw r erk (zerbröckelten Schiffscakes) mit gekochten und hierauf
getrockneten Muskelstückchen, Bindegewebsfetzen, Blutgefäßen,
Lymphdrüsen und Knochenteilen von warmblütigen Tieren, durch
Verfügung des Königlich Preußischen Herrn Finanzministers vom
1. August 1906 die Einfuhr in den freien Verkehr für unzulässig
erklärt worden sei.
Bei der Erörterung der Angelegenheit herrschte ein Verständnis
darüber, daß Hundefutter, bei dem die Fleischteile mit für den
menschlichen Genuß untauglichem Backwerk nicht lose vermischt,
sondern verbacken seien (sogenannten Hundekuchen), in das Zoll¬
inland eingeführt werden dürfe, da das verbackene Fleisch sich als
Nahrungsmittel für Menschen nicht eigne. Dagegen war man der
Ansicht, daß es im allgemeinen nicht zu beanstanden sei, wenn
Hundefutter, das aus einem losen Gemenge von Backwerk mit
getrockneten Flcischstiickchen bestehe, von der Einfuhr ausge¬
schlossen werde, da, wenn auch nicht die Wahrscheinlichkeit, so
doch die Möglichkeit gegeben sei, daß in geeigneten Fällen die
Fleischstückchen von dem Backwerke getrennt und zu Speisezwecken
verwendet würden.
Polizeitierärzte und Fleischkontrolle.
Die von der Behörde geplante Einführung einer schärferen
Kontrolle der Fleischverkaufsstätten hat eine Neuregelung des
Dienstes der Polizeitierärzte notwendig gemacht. Bisher wmrden den
auf dem hiesigen Viehofe tätigen Polizei- und Hilfs-Polizeitierärzten
für die Person und für den Tag 9 M. Diäten erstattet. Aus diesem
Bauschbetrage hat der Polizeipräsident nach einer ministeriellen
Anordnung an die Polizeitierärzte monatige Vergütungen von
275, 300 und 340 M., an die Hilfspolizeitierärzte Tagegelder von
6,50 M., 7,50 M. und 8 M. gezahlt. Nach Festsetzung des Ent¬
wurfs zum diesjährigen Haushaltsetat batte der Polizeipräsident
dem Magistrat mitgeteilt, daß er im Zusammenhang mit der Ein¬
führung einer regelmäßigen Kontrolle der Fleischverkaufsstätten
und Fleischerläden eine audenveitige Regelung des Dienstes der
Polizeitierärzte unter Gewährung einer festen Besoldung vor¬
zunehmen beabsichtige. Er schlug vor, an Stelle der oben auf¬
geführten monatlichen Bezüge und Tagegelder Gehälter nach den
mit dem Dienstalter steigenden Stufen in Höhe von 3200, 3600 und
4200 M. jährlich mit der Maßgabe festzusetzen, daß fünf Tierärzte
ein Gehalt von 3200, fünf ein solches von 3600 und vier 4200 M.
beziehen, und daß ein Aufrücken in eine höhere Stufe nach etwa
fünf Jahren zu erfolgen hat. Die Regelung der Besoldung würde
eine Summe von 50 800 M. beanspruchen. Hierzu treten noch
4490 M. für die Assistenz des Kreistierarztes, für die beiden Aus¬
hilfen, ferner die Vergütung für die Entschädigung der be¬
amteten Kreistierärzte, so daß sich ein Gesamtbetrag von 55 290 M.
ergibt. Da im Etat 1908 nur 41000 M. für Polizeitierärzte aus¬
geworfen w'aren, muß jetzt der Rest nachträglieh bewilligt werden.
Der Magistrat ist mit diesem Arrangement einverstanden und
ersucht die Stadtverordnetenversammlung ebenfalls um ihre Zu¬
stimmung.
Schärfere Untersuchung der Fleischsendungen in Berlin.
Polizeipräsident v. Stubenrauch beabsichtigt nach Zeitungs¬
meldungen, die Untersuchung des von auswärts eingesandten
Fleisches neu zu regeln. In der Zeitung wird das so dargestellt,
als ob sich diese Neuregelung gegen die Freizügigkeit des
Fleisches richten und auf die begrabenen Wünsche der Großstädte
hinsichtlich nochmaliger Untersuchung des schon tierärztlich
untersuchten Fleisches zurückkommen könnte. Das ist selbst¬
verständlich ausgeschlossen, und Herr v. Stubenrauch würde wohl
der letzte sein, um die Frage in diesem Sinne zu betreiben.
Michkontrolle In Brandenbung.
Die Landwirtschaftskammer der Provinz Brandenburg hat die
Initiative ergriffen, um eine einheitliche Milchkontrolle in der
Provinz herbeizuführen, indem sie den Stadtgemeinden das An¬
erbieten gemacht hat., die Untersuchung der in Verkehr kommenden
Milch durch besondere Chemiker zu übernehmen, w'enn die Städte
dafür eine nach ihrer Einwohnerzahl zu berechnende Gebühr
entrichten, die für Mittelstädte etwa 1000 M. betragen würde. Der
Gedanke ist jedenfalls sehr beachtenswert.
Deutsche Seefischerei.
Nach einem Vortrag des Fischereidirektors Lübbert im Nau¬
tischen Verein zu Hamburg hat sich die deutsche Seefischerei erst
in den letzten 20 Jahren aus einem Kleinbetriebe zum Großbetriebe
entwickelt. Sie zerfällt heute in drei Teile: Die Seefischerei mit
140 Kuttern und Ew'ern, den Frischfischfang mit Dampfern, von
denen mehr als 200 in Dienst sind, und die Heringsfischerei, aus¬
geübt von 230 Fahrzeugen, größtenteils Segelschiffen. Dazu kämen
noch etwa 20 Schiffe mit Hilfsmaschinen und dgl. Die Segelfischerei
erstreckt sich auf die Nordsee, besonders in der Nähe der Küsten,
und lag dem in früheren Jahren sehr lohnenden Fang von Sprotten
und Heringen an der Elbemttndung ob. Diese Fische sind hier seit
vier Jahren ausgeblieben, was den Ruin dieser Form der Fischerei
bedeuten dürfte. Die Fischdampfer, welche in Geestemünde v Bremer¬
haven, Nordenham, Hamburg und Altona beheimatet sind, befischen
hauptsächlich den östlichen Teil der Nordsee, das Skagerak und
Kattegat, die isländischen Gewässer, das weiße Meer und den At¬
lantischen Ozean bis Marokko. Sie benutzen das Schaarnetz, ein
Grundschleppnetz. Die Heringsfischerei hat ihr Fanggebiet im nörd¬
lichen und westlichen Teile der Nordsee. Die Heringsschwärme er¬
scheinen hier zuerst im Juni jeden Jahres in der Nähe der Shet¬
landinseln, gehen Bpäter nach dem Süden, bis sie im November
und Dezember im sttdw-estlichen Teile der Nordsee an der englischen
Küste zu finden sind. Das Fischen erfolgt mit 3—5000 Meter langen
Treibnetzen, die 15 Meter hohe Netzwände bilden. Die Heringe
bleiben mit den Kiemen in den Maschen des Netzes hängen.
Deutschland verbraucht jährlich für etwa 100 Mill. Mark Seefische
und deren Produkte, der eigene Fang beträgt aber nur 25 Mill.
Mark Wertes. Schon aus volkswirtschaftlichen Gründen ist deshalb
eine beträchtliche Erweiterung der Seefischerei zu erstreben.
Internationaler Kongreß der Kälteindustrie.
Der erste internationale Kongreß der Kälteindustrie wird Ende
Juni 1908 in Paris stattfinden, und bei der universellen Bedeutung
30. April 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
335
dieser Industrie rocbnet man auf eine außerordentliche Beteiligung
aus allen Weltteilen. Der Kongreß steht unter dem Schutz der
französischen Regierung und wird von den Ministern der Land¬
wirtschaft, des Handels und der Industrie, der Kolonien und der
öffentlichen Arbeiten protegiert. Ehrenpräsidenten sind der ehe¬
malige Präsident der Republik Loubet der ehemalige Minister
de Freycinet Den Vorsitz hat der ehemalige Minister des
Handels und der Kolonien Andr6 Lebon übernommen. Die rege
Beteiligung des Auslandes an dem Unternehmen ist bereits aus den
allenthalben stattfindenden Vorarbeiten ersichtlich. Z. B. hat
England ein Komitee von über 80 Mitgliedern gebildet, aus dem ein
Arbeitsausschuß von 20 Mitgliedern gewählt wurde. In Amerika
vereinigten sich die 12 bestehenden Vereine und Verbände der
Kälteindustrie zu einem großen Gesamtverband, der dann die
Teilnahme am Pariser Kongreß organisieren wird. Italien hat
ebenfalls ein Komitee unter dem Protektorat der Regieruug gebildet
ebenso Rußland und noch etwa 15 andere Länder.
Der deutsche Ausschuß wurde am 5. November in einer zu
diesem Zweck vom Verein deutscher Ingenieure einberufenen Ver¬
sammlung gewählt. Den Vorsitz hat Herr Dr. ing. Carl von Linde,
Professor an der technischen Hochschule in München übernommen,
als Schriftführer wurde Herr Ingenieur Constanz Schmitz in
Berlin gewählt. Der Ausschuß bildete 6 Abteilungen mit 22 Mit¬
gliedern und hat die Vorbereitungen für den Kongreß eifrig in die
Hand genommen. Die Drucksachen stehen auf Wunsch jedem zur
Verfügung, der sich über die Arbeiten des Kongresses unterrichten
möchte. Man wende sich hierfür an die Geschäftsstelle des Aus¬
schusses unter der Adresse: Constanz Schmitz, Ingenieur,
Berlin NW. 52, Calvinstr. 24. Von Tierärzten befindet sich in
dem Ausschuß der Direktor des Schlachthofes zu Straubing Heiß.
Fleischpreise der eäehtisohen SoMaohtviehversicherung.
(Vergl. Nr. 2, S. 47.)
Gemäß § 14 des Gesetzes,
_ , 2. Juni 1898
betreffend, vom 24- Aprll 1906
die staatliche Schlachtviehversicherung
sind vom Verwaltnngsausschnsse der
Unterzeichneten Anstalt hinsichtlich der in der Zeit vom 1. April
bis 30. Juni 1908 stattfindenden Schlachtungen die der Er¬
mittlung der Entschädigungen nach § 2 des angeführten Gesetzes zu¬
grunde zu legenden Durchschnittspreise für die einzelnen Fleisch-
gattungen für je 50 kg Schlachtgewicht wie folgt festgesetzt
worden:
A. Ochsen: (1 kg demnach)
M M
1. vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlacht¬
wertes bis zu 6 Jahren. 77,50 1,55
2. junge fleischige — ältere auBgemästete . . . . 73,50 1,47
3. mäßig genährte junge — gut genährte ältere 67,50 1,35
4. gering genährte jeden Alters.
5. a) magere.
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziflf lb
des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.
B. Kalben und Kühe:
1. vollfleischige, ausgemästete Kalben höchsten
Schlachtwertes.
2. vollfleischige, ausgemästete Kühe höchsten
Schlacht wertes bis zu 7 Jahren .
3. ältere ansgemästete Kühe und gut entwickelte
jüngere Kühe und Kalben.
4. gut genährte Kühe und mäßig genährte Kalben
5. gering bzw. mäßig genährte Kühe und gering
genährte Kalben.
6. a) magere dergl.
b) abgemagerte dergl., soweit sie nicht nach § 1
Ziff. lb des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.
G. Bullen:
1. vollfleischige höchsten Sch lach twertes ....
2. mäßig genährte jüngere und gut genährte ältere
3. gering genährte.
4. a) magere.
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziff. lb
des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.
D. Schweine:
1. vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlacht¬
wertes und zwar der feineren Rassen und deren
Kreuzungen im Alter bis zu l l / t Jahren . .
2. fleischige.
3. gering entwickelte Mastschweine, sowie aus¬
gemästete Schnitteber (Altschneider) und aus¬
gemästete Sauen .
4. nicht ausgemästete Sauen, Schnitteber (Alt¬
schneider), Zuchtsauen und Zuchteber ....
5. a) magere bzw. im Ernährungszustände zurück¬
gebliebene Tiere .
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziff. lb
des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.
M.
(1 kg demnacU
M.
60,—
1,20
48 ,—
—,96
35,—
—,70
73,50
1,47
71,—
1,42
06, -
1,32
59,—
1,18
49,50
— ,99
40,—
—,80
30-
—,60
71,—
1,42
67, -
1,34
62,—
1,24
45,—
— ,90
40,
—,80
59,50
1,13
56,50
1,91
62,50
1,05
40,-
—,80
30,-
—,60
28,—
—,56
, Angebliche Mißstände bei der Flei8chlieferung im franzitaischen Heer.
Nach einer Zeitungsmeldung soll ein Beamter des Kriegs-
ministeriuras entdeckt haben, daß bei der Viehlieferung für die
östlichen Garnisonen %robe Mißbräuche bestehen. Durch Detektive
wurden die Schleichwege dieses unsauberen Handels aufgedeckt.
Große Mengen tuberkulösen und wegen sonstiger Krankheiten be¬
mängelten Viehs sollen vom Pariser Schlachtviehmarkte nach den
Vogesengarnisonen befördert worden sein, denen man sogar frecher¬
weise den Namen „Friedhöfe des Ostens“ beilegte.
Berlin: Auszug aus dem Fleischbeschaubelicht für die Monate Januar bis März 1908.
A.
Schlachthof
B. Untersuchungsstationen
*
Rinder
Jung¬
rinder
Kälber
Schafe
(Ziegen)
Schweine
Rinder¬
viertel
Kälber
Schafe
(Ziegen)
Schweine
Geschlachtet und untersucht.
34030
6 983
41327
113160
307 237
11 776
15 627
971
13082
Es wurden beschlagnahmt: ganz.
1033
182
162
60
1970
72
' 159
25
45
„ „ „ teilweise . . .
14 714
1143
447
11110
63 400
—
—
—
—
In der Zahl der beschlagnahmten ganzen Tiere
sind nicht enthalten:
a) verendete Tiere.
2
5
30
b) ungeborene Tiere.
-
-
37
-
-
-
-
-
--
Wegen Tuberkulose teilweise beanstandet:
„ „ minderwertig . . .
272
24
6
824
3
2
„ „ bedingt tauglich. .
208
27
21
4
375
9
—
—
!
„ „ untauglich ....
47
7
2
1
23
8
—
—
2
Fleischviertel, verschieden beurteilt....
133
10
13
1 * —
88
—
—
-
-
Wegen Finnen minderwertig .
23o |
44
—
7
—
—
—
—
„ „ bedingt tauglich .
50 )
16
4
9
—
—
—
1 —
„ „ untauglich .
• 1
1
:
16
-
-
-
; -
Wegen Trichinen bedingt tauglich ....
—
—
—
—
9
—
—
—
1
„ „ untauglich .
—
—
—
—
15
—
—
—
—
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18.
888
Bücheranzeigen und Besprechungen.
Neue Eingänge (Besprechung Vorbehalten).
Profe88or Dr. Uhlenhirth, Dr. HUbener, Dr. Xylander und Dr. Bohtz,
Untersuchungen über das Wesen und die Bekämpfung
der Schweinepest. (Sonderabdruck aus „Arbeiten aus dem
Kaiserlichen Gesundheitsamte“, Band XXVII, Heft 3.) Julius
Springer, Berlin 1908. Preis 9 M.
Parzer-MUhlbacher, Röntgenphotographio. Anleitung zu
leicht auszuführenden Arbeiten mit statischer und galvanischer
Elektrizität unter besonderer Berücksichtigung der Influenz-
Elektrisiermaschine. 2. neubearbeitete Auflage. Mit 8 Tafeln und
29 Figuren im Text. GuBtav Schmidt, Berlin 1908. Preis 2,50 M #
Eichmann, Photographische Belichtungstabelle Helios.
Gustav Schmidt, Berlin 1908. Preis 2,50 M.
J. Bongert, Bakteriologische Diagnostik mit besonderer
Berücksichtigung der Immunitätslehre, der Sero¬
diagnostik und der Schutzimpfungen für Tierärzte und
Studierende. Zweite, stark vermehrte und verbesserte Auflage.
Mit 16 Abbildungen, 1 Farbendrucktafel im Text sowie 20 Lichtdruck¬
tafeln, enthaltend 111 vom Verfasser hergestellte Photogramme.
Otto Nemnich, Leipzig 1908. Preis geb. 12 M.
Prof. Dr. Zwick, Schema des Blutkreislaufs und Schema
des Blut- und Lymphstroms. 2 Wandtafeln. Verlagsbuch¬
handlung von Richard Schoetz, Berlin 1908. Preis je 7,50 M.
Die Ergebnisse der Schlachtvieh-und Fleischbeschau im
Deutschen Reiche im Jahre 1905. Bearbeitet im Kaiserlichen Ge¬
sundheitsamte. Julius Springer, Berlin 1908. Preis 7,50 M.
Apparate und Transportwagen zur Verwertung und Beseitigung von
Tierkadavern und Scblachthofkonfiskaten. Prüfungsbericht erstattet
vom Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Fränkel, Prof. Dr. Fischer, Prof.
Dr. Stutzer, Dr. H. Thiesing, Ökonomierat Vibrans; mit einer
Einleitung von Dr. M. Hoffmann. (35 Abbildungen.) (Separat¬
abdruck aus „Arbeiten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft“,
Heft 139.) Berlin 1908. Preis 3 M.
Prof. Dr. ßmeiner, Klinische Untersuchungen über die
Wirkung modifizierter Salizylsäuren auf die Harnorgsnej
Arbeiten aus der Medizinischen Veterinärklinik der Universität
Gießen. (Separat-Abdruck aus Folia Urologica I. Band Nr. 7.) Dr.
Werner Klinkhardt, Leipzig 1908. '
Dr. Adolf Benneoke, Studien über Gefäßerkrankungen
durch Gifte. (Habilitationsschrift der Universität Rostock.) Georg
Reimer, Berlin 1908.
The Philippine Journal of Science. Vol. II. Nr. 6. Dezember 1907.
Bureau of Printing, Manila 1907.
E. Merck, Bericht über Neuerungen auf den Gebieten
der Pharmakotherapie und Pharmazie. XXI. Jahrg. 1907.
DarmBtadt 1908.
Inaugural-Dlssertationen.
Max Httcke, Beiträge zur vergleichenden Histologie des
Pankreas der wichtigsten Haussäugetiere (Hund, Katze,
Schwein, Schaf, Ziege, Rind, Pferd) mit besonderer Berücksichtigung
des „Ausführenden Apparates“ und der „Pankreasinseln“. (Veterinär¬
medizin. Fakultät, Zürich.) Mit 25 Abbild. Zürich 1907.
Paul Krage, Vergleichende histologische Untersuchungen
über das Präputium der Haussäugetiere. (Veterinär-medizin.
Fakultät, Zürich.) Mit 4 Tafeln. Zürich 1907.
Paul Schumann, Beiträge zur vergleichenden Histologie
des Enddarmes und des Überganges des Mitteldarmes in den
Enddarm der Haussäugetiere. (Veterinär-medizin. Fakultät,
Zürich.) Mit 4 Tafeln. Dresden 1907.
Alfred Trautmann, Beiträge zur vergleichenden Histologie
des Dünndarmes der Haussäugetiere. (Veterinär-medizin.
Fakultät, Zürich.) Mit 7 Tafeln.
Max Hafemann, Erlischt das Leitungsvermögen moto¬
rischer und sensibler Frosch nerven bei derselben Tempe¬
raturerhöhung. (Philosoph. Fakultät Leipzig) 1908.
Armlnius ßoedecke, Über die Wirkung einiger Salze bei
subkutaner und intravenöser Anwendung. (Veterinär¬
medizin. Fakultät Bern.)
August Schröder, Untersuchungen über den Einfluß der
Kühlung auf die Haltbarkeit und den Keimgehalt der
Milch. (Veterinär-medizin. Fakultät Leipzig.) Leipzig 1908.
Oskar Pröscholdt, Papillärer Akanthom auf der Innen¬
fläche des Pferdeohres. Veterinärmedizin. Fakultät Bern.)
Mit 9 Figuren auf 8 Tafeln.
Josef Kftppeli, Beiträge zur Anatomie und Physiologie
der Ovarien von wild lebenden und gezähmten Wieder¬
käuern und Schweinen. Philosoph. Fakultät, Bern.) Bern 1908.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Schlachthofdirektor
Lery-Brühl die Landwehr-Dienstauszeichnung 1. Klasse.
Ernennungen: Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Oslertag ,
bisher Abteilungsvorsteher im Kaiserlichen Gesundheitsamt, zum
Direktor der Veterinärabteilung, der Hilfsarbeiter im preußischen
Ministerium für Landwirtschaft usw., Veterinärrat Nevermann , zum
Regierungs- und Veterinärrat, Stadttierarzt Franz Bein-Giengen zum
Distriktstierarzt in Altdorf bei Nürnberg, Amtstierarzt Dr. Feuer-
eißen , Stadttierarzt und Leiter der städtischen Fleischbeschau in
Chemnitz, zum 1. Juni zum städtischen Amtstierarzt und stellver¬
tretenden Schlachthof direktor in Plauen i. V., städtischer Tierarzt
Dr. Klawittcr-heipzig zum 1. Juni zum Amtstierarzt und Leiter der
städtischen Fleischbeschau in Chemnitz, Tierarzt Julius Johannsen ,
bisher am Schlachthof zu Göttingen, zum Volontärassistenten am
Veterinärinstitut daselbst, Kreistierarzt Trieur von Jarotschin nach
Berlin (Zentralviehhof) versetzt.
Niederlassungen: Tierarzt A. Tapper in St Johann a. Saar. —
Verzogen: Tierarzt Dr. K. Oerspach , 1. Assistent am tier¬
hygienischen Institut der Universität Freiburg, als Vertreter des
Großh. Bezirkstierarztes nach Rastatt i. Bd.
In der Armee: In Sachsen: Im Beurlaubtenstande: Ab¬
gang: Oberveterinär Dr. Pflücke , Landw. 1. Aufgebots (Dresden II)
der Abschied bewilligt
Todesfälle: Kreistierarzt a. D. Rathke- Pyritz, Tierarzt Hinrich
iSiraft-Nortorf.
Vakanzen.
Kreistierarztstelle: Nach Ablauf der Meldefrist noch un¬
besetzt: Reg.-Bez. Aachen: Jülich.
Tierhygienische Abteilung des Kaiser Wilhelm-Instituts zu Bromberg:
Bakteriologisch geschulten Assistenten zum 1. Juli er. Gehalt
1800—2000 M. Bewerb, an den Vorsteher der Abteilung.
Schlachthofstellen: a) Neu ausgeschrieben: Bremen:
IV. Tierarzt zum 1. Juli er. Gehalt 2400 bis 3900 M. ßew. bis
30. April an den ersten Tierarzt für den Schlachthof. — Halle
a. S.: Assistenzarzt sofort. Gehalt 200 M. p. Monat und freie möbl.
Wohnung. Angebote an die Verwaltung des städt. Schlacht- und
Viehhofes. — Pforzheim: Direktor. Gehalt 3600 bis 6000 M. und
freie Wohnung usw. Bewerb, bis 5. Mai an den Stadtrat. —
Plauen i. Vgtl.: II. Tierarzt baldigst. Gehalt 2300—3200 M.
Meldungen umgehend an die Direktion. — Treptow a. R.:
Schlachthof direktor zum 1. Juli. Gehalt 2400 M. bis 3600 M. Bew.
bis 18. April a. d. Mag. b) Nach Ablauf der Meldefrist noch
unbesetzt: Bitburg: Tierarzt. 1600 M. — Bremen: IV. Tier¬
arzt. 2400 M. bis 3900 M. — Duisburg-Meiderich: I. Tierarzt.
3000 M — Erfurt: Schlachthofstierarzt 3400 bis 4900 M. — Essen:
Tierarzt. 3500 M. bis 5750 M. — Freien walde: Tierarzt. — Katto-
witz: Schlachthofdirektor. 3600 M — Königsberg i. Pr.: Zwei
Tierärzte. — Bad Kreuznach: Assistenztierarzt. 2400M. — Lands¬
berg a. W.: AssisteDZtierarzt. 2400 M. — Liegnitz: Assistenztier¬
arzt. 2400 M. — Lübeck: II. Tierarzt. 2400 M. — Osnabrück:
II. Assistenztierarzt. 2100 M. — Prüm (Rbld.): Verwalter (Tierarzt).
1200 M. bis 1500 M., freie Wohnung usw. — Pyritz: Schlachthor-
direktor. 1800 M. bis 2400 M. — Schwiebus (Bez. Frankfurt
a. 0.): Schlachthofleiter. 2400 M. — Stettin: Öl. Tierarzt bei
der Auslandfleischbeschaustelle. 2400 M.
Stellen fflr ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis:
a) Neu ausgeschrieben: Mengede (Kr. Dortmund): Fleisch¬
beschautierarzt zum 1. Juni er. Gehalt 3000 M, Wohnungsgeld 300 M.,
Wegegeld 300 M. Meldungen bis 1. Mai an den Amtmann.
b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Brilon
(Westfalen). — Kemberg (Kr. Wittenberg). — Kirchberg-Huns-
rück. — Langelsheim (Herzogt. Braunschweig). — Spangenberg.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag and Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoets ln Berlin. —
Druck von W. B dz enstein, Berlin.
JW* „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
vttichentlicb im Verlage von Richard Schoeta ln
Berlin SW. 48, Wilhelmatr. 10. Darcli jedes deutsche
Postamt wird dieselbe com Preise von M. 5,— viertelj&hr-
lieh (M. 4,88 fllr die Wochenschrift, 18 PI fUr Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert, (österreichische Post-Zeitungs-
Preisliate Nr. 674. Ungarische Nr. 85.) #
Berliner
Origlnalbeitrftge werden mit 60 Mk„ fn Petitaata mt,
00 Mk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte^
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
au senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., Luisenstrafie 66. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncun dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Sckmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Glage
Professor
Hamburg.
Veterinärrat Dr. Lothes
Departementstierarzt
Cöln.
Prof. Dr. Peter
Kreisticrarzt
Angermünde.
Veterinärrat Peters
Departcmoutstiurarzt
Bromberg.
Veterinärrat Preuße
Dep&rtementstierarat
Danzig.
Dr. Richter
Professor
Dresden.
Med.-Rat Qr. Reeder
Professor
Dresden.
Dr. Schlegel
Professor
Freiburg i. Br.
Dr. J. Schmidt
Professor
Dresden.
Reg.-Rat Dr. Vogel
Landestierarzt v. Bayern
München.
Wehrle
Kaiser!. Kcgierungsrat
Berlin.
ZUndel
Kreistierarat
Mülhausen i. EL
Jahrgang 1908. _ M 19 . _ Ausgegeben am 7. Mai.
Inhalt: Disselhorst: Artverwandtschaft und biologische Reaktion. — Fenner: Beitrag zu „Anschauungen über die Be¬
kämpfung der Influenza der Pferde“. — Barnick: Ein neuer Verbandhalter. — Reinecke: Ein Beitrag zur kutanen
und konjunktivalen Tuberkulinreaktion beim Rinde. (Tabellen.) — Referate: Fehse: Experimentelle Untersuchungen
und klinische Erfahrungen über die Verwendbarkeit des Novokains in der Veterinärmedizin. — Levy, Blumenthal imd
Marxer: Über Immunisierung gegen die Rotzkrankheit. — GA1: Die immmunisierende Wirkung des Sobernheimschen Serums
bei milzbrandkrankem Hornvieh. — Theiler: Das Katarrhaitieber der Schafe in Südafrika. — Notz: Gelenkwunden. — Aus
der medizinischen Literatur. — Tagesgeschichte: Deutscher und Schweizer Dr. med. vet. — Erwiderung. — Brauch und Mi߬
brauch. — Verschiedenes. — Literarische Notizen. — Personalien. — Vakanzen.
Artverwandtschaft und biologische Reaktion.
Vortrag, gehalten in der 64. Sitzung des tierärztlichen Zentralvereins
der Provinz Sachsen, der anhaitischen und thüringischen Staaten,
am 8. Dezember 1907*)
vom
Vorsitzenden Professor Rudorf Disselhorst,
Direktor der anatom.-physiolog. Abt. am landvr. Inst, der ITniv. Halle a. S.
Hertwig widmet in seinem Werke über allgemeine
Biologie der artgleichen Vereinigung von Zellen zu einem höher
organisierten Individuum ein ganzes Kapitel. Diese Betrachtungen
schließen zugleich in sich die Lehre von der vegetativen
Affinität, wie man die Verwandtschaft der Gewebszellen zu
einander bezeichnet, im Gegensatz zur sexuellen Affinität,
worunter die Verwandtschaft speziell der Keim- oder Fort¬
pflanzungszellen verstanden wird. Artgleich und vegetativ ver¬
wandt sind naturgemäß am meisten diejenigen Zellen, welche
von einer gemeinsamen Mutterzelle abstammen; wir sehen
daher, daß die Eigenschaft der Zelle, sich auf dem Wege
der Fortpflanzung zu vermehren, nicht nur Bedingung ist für
die Erhaltung der Art, sondern für die Erschaffung höherer
Organismen überhaupt. Aus selbständigen Artzellen werden
sie durch gegenseitigen Verband zu Gewebszellen einer höher
organisierten Individualität, und zwar auf Grund ihrer vege¬
tativen Affinität.
Wie man sich nun in das Wesen der sexuellen Affinität
einen Einblick verschaffen kann durch Kreuzung der Gesohlechts-
prodnkte verschiedener Art, so in das der vegetativen durch
das Experiment des Pfropfens oder anderweitiger Verbindung
zweier vegetativer Körper derselben oder verschiedener Art.
Wir wissen ans der Botanik, daß ein Reis, wenn es auf ein
Individuum derselben Art überpfropft wird, mit diesem selbst
dann durch Verwachsung einen einheitlich funktionierenden
Organismus bildet, wenn wir es in abnormer Stellung auf den
*) Das Protokoll wird demnächst hier veröffentlicht.
Grundstock aufpflanzen oder gar, wenn beide Teile überhaupt
nicht zusammengehören, wie z. B. Wurzel und Blatt.
Dem entgegen ist bekanntlich der Erfolg unsicher, ja aus¬
sichtslos, wenn Stücke zweier verschiedener Arten miteinander
verbunden werden; hier darf man nur selten auf einen Erfolg
rechnen, gegebenenfalls um so eher, je näher die zu verbindenden
Arten sich im System stehen. Es läßt sich hieraus mit Recht
die Folgerung ziehen, daß die vegetative Affinität durch
den Grad der systematischen Verwandtschaft be¬
stimmt wird.
Dabei ist nun aber besonders hervorzuheben, daß die
äußeren Merkmale der Pflanzenarten, wie man so oft annimmt,
keinen vollkommen zuverlässigen Maßstab für den Grad der
inneren Verwandtschaft, für die vegetative und sexuelle Affinität,
abgeben. So konnte beispielsweise Vöchting in Tübingen den
Nachweis führen, daß die Rassen des Birnbaums mit dem
derselben Gattung angehörigen und nahe verwandten Apfelbaum
sich nur schwer durch Pfropfen vereinigen lassen, während die
meisten auf der Quitte, welche doch einer verschiedenen Gattung
angehört, vortrefflich gedeihen. Auch die sexuelle Affinität wird
bei diesen Versuchen vermißt, denn Apfel- und Birnbaum lassen sich
durch Übertragung des Pollens nicht miteinander bastardieren.
Vöchting unterscheidet nach diesen und ähnlichen Er¬
fahrungen harmonische und disharmonische Verbindungen, und
versteht unter den letzteren solche, bei denen sich zueinander
passende Fflanzenteile von vornherein abstoßen, so daß es zu
einer Verwachsung nicht kommt. Doch können hierbei Ab¬
stufungen Vorkommen, indem zuweilen eine Verwachsung zwar
zunächst zustande kommt, aber nicht von Dauer ist; nach
längerer oder kürzerer Dauer treten Störungen auf, welche all¬
mählich zum Zerfall fuhren. In manchen Fällen läßt sich die
Disharmonie zweier Arten dadurch überwinden, daß man als
Mittelglied eine dritte Art einschiebt, welche zu den unter¬
einander disharmonischen Arten eine vegetative Affinität besitzt;
338
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
so wird ein aas Stücken dreier Arten zusammengesetzter, ein¬
heitlicher Organismus dargestellt.
Bei den Tieren, bei welchen Pfropfungen und Transplan¬
tationen schwieriger ausgeführt w r erden können, bestehen in
dieser Hinsicht gleichwohl ähnliche Gesetzmäßigkeiten wie bei
den Pflanzen. So lassen sich Stücke von Polypen verschiedener
Art in verschiedener Weise auch für dauernde Zeit lebensfähig
zusammenpfropfen, ebenso geeignete Teilstücke von Frosch¬
embryonen der gleichen Art. Auch bei artungleichen konnte
Born dieselben Ergebnisse zeitigen, so zwischen Rana fusca,
Rana arvalis und Rana esculenta, ja sogar zwischen den
gattungsverschiedenen Rana esculenta und der Feuerunke
(Bombinator igneus). Letztere Verschmelzungsprodukte gingen
jedoch nach längerer Zeit zugrunde, sei es wegen mangelnder
vegetativer Affinität der Zellen oder aus anderen Ursachen.
Nicht im gleichen Maß befriedigend fielen die Versuche Jo es 18
mit verschiedenen • Arten von Regenwürmem aus. Zwar alle
artgleichen Vereinigungen gelangen leicht und waren auch von
Dauer; allein bei 59 Versuchen mit artungleichen blieben die
Stücke nur kurze Zeit vereinigt, um sich dann zu trennen und
zugrunde zu gehen. Nur sehr wenige artungleiche ließen sich
dauernd vereinigen, so daß man diese in analoger Weise, wie
bei den Pflanzen, disharmonische nennen könnte.
Daß man Zellen und kleine Gewebsstücke zwischen Indi¬
viduen derselben Art von einem auf das andere mit Erfolg
verpflanzen kann, ist in der Chirurgie seit langem bekannt und
von großer Bedeutung; geschieht die Übertragung dagegen auf
Individuen einer anderen Art, z. B. vom Hund auf die Katze,
das Kaninchen, die Ziege, das Kamel und umgekehrt, so werden
die verpflanzten Gewebsstücke einfach resorbiert oder gehen in
anderer Weise zugrunde. Auch bei demselben Individuum kann
man nur die gleichen Gewebe von einer Stelle auf die andere
verpflanzen, so Haut auf Haut, Knochen auf Knochen usw.
Würde man aber beispielsweise ein Stück Beinhaut in die Lunge
oder ein Stück Haut auf einen Knochen verpflanzen, so würde
zwar seine Verwachsung möglich sein, aber das fremde Gewebe
würde nach verhältnismäßig kurzer Zeit durch Resorption ver¬
schwinden. Bei bösartigen Geschwülsten ist es anders: hier
wachsen verschleppte Geschwulstkeime (Krebse) in allen Geweben
des befallenen Individuums weiter und ziehen dasselbe mit in
den Bereich der Zerstörung. Dagegen gelingt es bisher nicht,
Geschwulstpartikel auf ein art ungleiches Individuum mit
Erfolg zu übertragen und zum Wachsen zu bringen; so sind bei¬
spielsweise die Transplantationen von menschlichem Krebs auf
Hunde, so oft sie auch versucht wurden, ergebnislos geblieben,
und umgekehrt würde es sich geradeso verhalten. Dieses alles
auf Grund der Artungleichheit der Zellen.
Dagegen ist es P. Bert in neuerer Zeit gelungen, ganze
Körperteile desselben Tieres auf eine andere Stelle des Körpers
zu transplantieren, ohne daß sie zugrunde gehen; er konnte das
3 cm lange Schwanzstück einer Ratte dieser unter die Haut
verpflanzen: es war nach 3 Monaten zu einer Länge von 9 cm
ausgewachsen. Hierzu im Gegensatz fielen die Ergebnisse bei
Verpflanzung von einer auf die andere Art abweichend aus; sie
glückten nur bei naher systematischer Verwandtschaft. So
zwischen Haus- und Wanderratte, nicht aber zwischen Mus
sylvaticus und der Hausratte.
Wenn schon diese Versuche für die Festlegung der Artzu¬
gehörigkeit der Tiere von großem Interesse sind, so ist hierfür
I von geradezu fundamentaler Bedeutung das Verhalten des
Blutes von verschiedenen Tieren bei seiner Ver¬
mischung. Auch hier könnte man harmonische und dishar¬
monische Verbindungen unterscheiden. Es ist bekannt, daß die
Überleitung (Transfusion) von Blut zwischen'Individuen derselben,
oder nahestehender Arten ohne Schaden ausführbar ist; zwischen
ungleichartigen Tieren aber ist sie schon bei geringen Blutmengen
lebensgefährlich, oft tödlich, gleichgültig, ob das Blut direkt
aus dem Gefäßsystem des einen Individuums in das des anderen
überleitet wird oder ob es vorher von seinem Gerinnungsstoff
(Fibrin) befreit wird. Und zwar deshalb, weil durch die Zu¬
führung fremdartigen Blutes die roten Blutzellen des also be¬
handelten Tieres zerfallen, wobei Blutharnen und schwere
Störungen anderer Art auftreten. Auch hier sehen wir wieder
das feindselige Verhalten artungleicher Zellen zu einander.
Man sollte nun erwarten, daß bei so auffälligen Artunter¬
schieden der Zellen auch gewisse anatomische oder morphologische
Unterscheidungsmerkmale an ihnen nachweisbar wären; das ist
aber mit unseren heutigen Hilfsmitteln wenigstens durchaus
nicht der Fall. Vielmehr sehen sich gleichartig funktionierende
Gewebe bei den verschiedensten Arten und Organismen durchaus
gleich, und auch mit den vorzüglichsten Instrumenten sind
Unterschiede zwischen ihnen nicht wahrnehmbar. Man darf sich
demnach durch die äußerliche Ähnlichkeit der Struktur und
durch Übereinstimmung in der Funktion nicht verleiten lassen,
auch eine innere Ähnlichkeit zwischen gleichaussehenden Zellen
und Geweben anzunehmen. Die roten Blutzellen eines Hundes
sind von denen eines Pferdes oder Menschen beispielsweise in
ihrer äußeren Gestaltung nicht zu unterscheiden; sie erfüllen
bei allen Säugetieren die gleiche Funktion, nämlich den Sauer¬
stoff zu binden. Dennoch ist das Hämoglobin, der rote Blut¬
farbstoff, welcher diese Bindung eingeht, wohl bei keinem Säuger
die gleiche Substanz! Und ebenso haben die roten Blutzellen
Arteigenschaften, die wir bisher nfcht festlegen können, und
eben dasselbe gilt für alle anderen Zellarten des Körpers.
Diese von Hertwig zum ersten Male in breiterer Aus¬
führung dargelegten Verhältnisse haben in den letzten Jahren
in der vielfach angewandten Serumtherapie eine wertvolle
Bestätigung gefunden. Die eingehende Beschäftigung mit dem
Blutserum und den Körpersäften hat nämlich gelehrt, daß diese
bei den einzelnen Tierarten hohe Eigentümlichkeiten
besitzen, so daß sie für jede Art ganz spezifische und
charakteristische „biologische Reaktionen“ zeigen. Einige Bei¬
spiele mögen dies dartun.
Spritzt man einem Säugetier artfremdes Blut ein, z. B.
einem Kaninchen Rinderblut, und entnimmt von dem so vor¬
behandelten Kaninchen nach einigen Tagen eine Portion Blut,
so gewinnt man aus diesem nach Ausscheidung des Gerinnstoffes
das Serum. Setzt man diesem nun Rinderblut oder Serum von
reinem Rinderblut zu, so erfolgen zwei typische Reak¬
tionen: erstens löst das letztere die roten Blutzellen
im Rinderblut auf; ferner aber erfolgt im Rinder¬
serum ein feiner Niederschlag von Eiweißkörpern, ein
Präzipitat.
Die Reaktionen sind so fein und zuverlässig, daß man mit
ihrer Hilfe die Herkunft alter eingetrockneter Blutflecke mit
Sicherheit bestimmen kann, daher sie in der gerichtlichen
Medizin eine große Bedeutung haben.
7. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Zugleich besitzen beide Reaktionen, sowohl die Auflösung
roter Blutzellen als auch die Ausfällung des Eiweißpräzipitates
einen durchaus spezifischen Charakter; denn wenn man
dem in der gedachten Weise gewonnenen Kaninchenserum anstatt
Rinderblutserum solches vom Pferd, Hund, Schaf, Meer¬
schweinchen oder anderer Tiere beimischt, so bleiben sie aus.
Nur das Blut nahverwandter Tierarten, in diesem Falle
nur solches von Bovinen verhält sich bei der Fällungs¬
reaktion gleich. So konnte Nutall (nach Hertwig) fest¬
stellen, daß das Blutserum eines Kaninchens, welchem Hundeblut¬
serum injiziert war, mit dem Blute von acht verschiedenen Caniden
Fällung ergab. Eine vollkommene Übereinstimmung in diesen
Reaktionen findet sich auch zwischen Menschen und menschen¬
ähnlichen Affen (Anthropoiden), zwischen Pferd-, und Eselblut¬
serum, zwischen Hund und Wolf.
Aber nicht nur das Blut der einzelnen Tierarten, nein,
auch deren gesamte Körpersäfte und Sekrete sind von¬
einander unterschieden. So z. B. läßt sich durch Einspritzung von
Kuhmilch aus einem Versuchstier ein Serum gewinnen, welches
Kuhmich fällt, und die roten Blutzellen des Rindsblutes auflöst,
auch im Serum des letzteren eine Fällung hervorruft, nicht aber
im Blutserum irgendeines anderen Säugetieres. Auch durch
Injektion von verriebenen Organ- und Gewebsteilen, von Samen¬
fäden, von Zellen aller Art kann man dieselben Ergebnisse ge¬
winnen, nämlich von den so behandelten Tieren Serum abziehen,
mit denen das Serum artgleicher die beschriebenen Reaktionen
gibt. Man nimmt an, daß durch die Einführung artfremder
Stoffe in die Versuchstiere im Blute derselben neue chemische
Körper gebildet werden, und nennt dieselben, wenn sie Blut¬
zellen aufiösen, Hämolysine, und wenn sie im Serum Fällung
erzeugen, Präzipitine.
Es bedarf kaum des Hinweises, daß man in der sinngemäßen
Benutzung der beschriebenen Reaktionen auch ausgezeichnete
Hilfsmittel hat, Verfälschungen tierischer Nahrungsmittel nach¬
zuweisen; für unsera Zweck ist aber bedeutungsvoller, daß
sie (das sogenannte B erdet sehe Verfahren) in hohem Maße
geeignet erscheinen zum experimentellen Nachweis
von Blutverwandtschaft der einzelnen Tierarten.
Hierauf hat schon Friedenthal aufmerksam gemacht, und
man darf die Prophezeiung Abderhaldens ernst nehmen,
wenn er meint, „daß ein planmäßiger Ausbau der erst be¬
gonnenen Forschung noch weitere, die „Art“ und das „Einzel¬
individuum“ charakterisierende Merkmale zutage fördern werde,
und daß die vergleichend biologisch-chemische Forschung auch
berufen sein werde, in Frage der stammesgeschichtlichen Ver¬
wandtschaft die führende Rolle zu spielen“.
Auch Hamburger bekommt bezüglich der großen Bedeutung
dieser Entdeckungen in einer Schrift „Arteigenheit und As¬
similation“ zu ähnlichen Schlüssen, und bezeichnet das Ergebnis
als „das Gesetz von der biochemischen Arteinheit und Art¬
verschiedenheit“. Nach seinen Ausführungen besitzen die ver¬
schiedenen Zellen und Körperflüssigkeiten derselben Spezies
Atomkomplexe, welche Träger der Arteigenheiten sind, die ihnen
allen als Angehörigen eben dieser Spezies zukommen und durch
welche sie sich von allen andern Spezies unterscheiden.
In Zukunft werden wir demnach nicht umhin können, in
tierzüchterischer und allgemein wissenschaftlicher Beziehung
diesen Versuchen die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden; wir
werden sie, die an Feinheit und Zuverlässigkeit nicht über¬
troffen werden können, auch in vergleichende und kontrollierende
Beziehungen zu den bisherigen Kreuzungsversuchen setzen
müssen, welche ja zum Teil denselben Zweck verfolgen, nur
daß sie naturgemäß unendlich kostspieliger und langwieriger
sind. Hätte man die sich im Blute und den Geweben so gesetz¬
mäßig ausgesprochenen Artunterschiede früher gekannt, so wären
vielleicht mühevolle Kreuzungsversuche, wie sie mit unendlichen
Kosten seit vielen Jahren unternommen werden, sofern sie nur
dem Zwecke der Artzugehörigkeit dienen sollen entbehrlich ge¬
wesen. Denn es scheint schon jetzt, daß die Artverwandtschaft
der Tiere mit der neuen Methode in viel größerem Umfang und
größerer Zuverlässigkeit festgestellt werden kann, als durch
Kreuzung: wie oben erwähnt, konnte Nutall durch sie die
Artzugehörigkeit von acht verschiedenen Caniden nach weisen, wäh¬
rend es durch Kreuzung anscheinend bisher nicht gelingen will,
auch nur den Hund mit dem nahestehenden Fuchs zu paaren.
Wenn erst einmal die Ergebnisse der langjährigen Versuche
Ktihns veröffentlicht werden, so wird sich heraussteilen, bis
zu welcher Grenze die Artverwandtschaft zwischen den einzelnen
Tieren durch Kreuzung hat festgestellt werden können; es wird
sich dann auch zeigen, ob sie für solche, bei denen Kreuzungen
aus irgendwelchen Gründen bisher nicht gelangen, durch das
Serumverfahren nicht dennoch zu erweisen ist.
Beitrag zu „Anschauungen Uber die Bekämpfung
der Influenza der Pferde“
in Nr. 3 der B. T. W. 1908, Seite 49.
Von Fenner-Lttbeck.
Bekannt ist, daß seit uralten Zeiten Räucherungen mit
Wachholderbeeren und Wachholderbusch gegen Menschen- und
Tierkrankheiten sowie gegen unreine Luft in Räumen ange¬
wendet sind. Daß durch Wachholderbeerenräucherungen Pferde¬
influenzakeime unschädlich zu machen oder dadurch Influenza¬
infektionen zu verhindern sind, dürfte meines Erachtens durch
die Bekanntgabe des Herrn Oberst Fischer nicht als erwiesen
anzusehen sein. Interessant wäre, ein sachliches Urteil von
seiten der beteiligten Herren Tierärzte bei den von dem Herrn
Oberst veröffentlichten Fällen zu erfahren.
Sagt doch schon im Jahre 1863 Professor Dr. Hertwig
in seinem Handbuch der praktischen Arzneimittellehre für Tier¬
ärzte, S. 164, daß durch den empyreumatischen Rauch der
Wachholderbeeren die Luft in den Ställen zwar verbessert
wird, Ansteckungsstoffe aber nicht zerstört werden.
Diese Angaben Hertwigs stimmen mit meinen eigenen, hier
in Kürze folgenden Erfahrungen betreffs Influenza der Pferde
überein:
Vor etwa 28 Jahren wurden in mehreren Ställen des
Husaren-Regiments, Kaiser Franz Josef von Österreich, König
von Ungarn, Schleswig-Holsteinisches Nr. 16 in Schleswig gegen
die Influenza der Pferde Räucherungen mit Wacholderbeeren
auBgeführt, welche vermittelst eines seitlich durchlochten Koch¬
geschirrs mit Drahtbügel in derselben Weise bewerkstelligt
wurden, wie sie Herr Oberst Fischer beschrieben hat. Diese
Räucherungen wurden auch durchgeführt in noch nicht infizierten
Ställen.
Das Resultat war, daß hierdurch weder eine Weiter¬
verbreitung der Seuche verhindert ist, noch schnellere Ge¬
nesungen und leichtere Erkrankungen erzielt worden sind.
340
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
Recht häufig habe ich in meiner früheren privaten Praxis
Wachholderbeerenräucherungen in dumpfen Pferdeställen vor¬
nehmen lassen und in keinem Falle mit dem sogenannten Mittel
einen Erfolg in der Bekämpfung der Influenza der Pferde gesehen.
Wohl aber habe ich feststellen können, daß der wohl¬
riechende Wachholderbeerenrauch imstande ist, eine vorüber¬
gehende bessere Luft in Pferdeställen zu erzeugen.
Eine Schutz- und Heilkraft gegen die Influenza der Perde
habe ich also mit Wachholderbeerenräucherungen nicht hervor-
rufen können, halte solche Wirkung hiermit nach dem heutigen
Stande der Veterinärmedizin auch für ausgeschlossen.
Ein neuer Verbandhalter.
Von Oberstabsveterinär Barnick.
Als eine empfindliche Lücke im Instrumentarium ist wohl
das Fehlen eines Apparates anzusehen, welches es dem Tierarzt
ermöglicht, an Körperstellen, die sich nach unten zu spitzen,
einen festliegenden und dabei leicht abzunehmenden Verband
anzubringen. Beispielsweise am Unterschenkel, Vorarm, dem so
beweglichen Vorderfußwurzel- und Sprunggelenk. — Viel hängt
oft davon ab, bei geöffneten Sehnenscheiden, Gelenkkapseln wie
überhaupt an Stellen, welche der Einwirkung der Luft entzogen
werden sollen und müßten — einen gutliegenden Verband anzu¬
bringen, der mit antiseptischen adstriegierenden oder ätzenden
Wundmitteln versehen, die Wundränder fixiert, bzw. starke
Schwellung und Wucherungen nicht aufkommen läßt. Mit Auf¬
wand von viel Mühe — und einer Unmenge von Verbandmaterial
— wird sorgfältig der sich auf das untere Gelenk stützende
Verband angelegt — am nächsten Tage hat derselbe sich nach
einigen unruhigen Bewegungen des Patienten jedoch derartig
gelockert,.daß die betreffende Stelle wieder vollständig freiliegt.
Zu Boden fiel die ganze Kunst,
Der Arzt in des Besitzers Gunst!
Derartigen Situationen abzuhelfen, ließ ich einen äußerst
einfachen, leicht transportablen Apparat anfertigen. — Derselbe
hat in der Praxis seine Feuerprobe bestanden und stehe ich
nicht an, ihn der Öffentlichkeit „zu Nutz und Frommen“ zu
übergeben.
Der Apparat besteht aus einer gepolsterten Lederwulst, die
ringförmig oberhalb desjenigen Gelenkes angelegt wird, welches
sich unterhalb der kranken Stelle befindet. An der äußeren
Seite der Wulst ist eine Tasche angebracht, in welche eine
50—60 cm lange, mit Leder überzogene und weichgepolsterte
Schiene von Bandeisen gesteckt wird, auf welche an der Außen¬
seite in ca. 8 cm Entfernung Knöpfe aufgenietet sind, die das
Herunterrutschen der Bindentouren sicher verhindern, sobald die
Schiene miteingewickelt wird. — Bei einer Verletzung am
Sprungbein wie auch am Sprunggelenk, Vorderfußwurzelgelenk
und am Vorarm unter dem Ellbogengelenk leistete der Apparal
vorzügliche Dienste, nur ist es nötig, bis zum Eintritt der ersten
Vernarbung die Patienten durch Hochbinden am Hinlegen zu
verhindern. Angefertigt wird der vollständige Apparat von dei
Universal-Firma H. Hauptner-Berlin.
(Aus dem Veterinärinstitut der Universität Leipzig.)
Ein Beitrag zur kutanen und konjunktivaien Tuber¬
kulinreaktion beim Rinde.
Von Oberveterinär Reinecke.
Tabelle.
Nr. 1 — 8 geimpft am 9. Dezember 1907. Hautimpfung
mit Tuberkulin L. exkl. No.3. Ernährungszustand mittel¬
mäßig. Keinerlei Symptome, die auf das Vorhandensein
von Tuberkulose schließen lassen.
1. Schwarzbuntes, männliches Niederungsrind, 9 Monate alt.
Zustand nach 24 Stunden: Ränder der Schnittwunden verklebt
und mit feinen braungelben Krusten bedeckt. EntzündungB-
erscheinungen oder erhöhte Empfindlichkeit an der Impfstelle
nicht nachweisbar. Zustand nach 48 Stunden: Unverändert.
Zustand nach62Stunden: Impfschnitte kaum noch wahrnehmbar.
Am 12. 12. 07 auf dem städt. Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Frei von Tuberkulose.
2. Schwarzbuntes, männliches Niederungsrind, 10 Monate alt.
Zustand nach 24, 48 und 62 Stunden wie bei Nr. 1. Keinerlei
Entzündungserscheinungen.
Am 12. 12. 07 auf dem städt. Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Frei von Tuberkulose.
3. Schwarzes, männliches Niederungsrind, 8 Monate alt, Hautimpfung
mit gekochtem Wasser, dient als Kontrolltier.
Zustand nach 24 Stunden: Schnittwunden stellenweise mit rot¬
brauner Kruste bedeckt. Entzündungserscheinungen oder er¬
höhte Empfindlichkeit an der Impfstelle nicht nachweisbar.
Zustand nach 48 und 62 Stunden unverändert.
Am 12. 12. 07 auf dem städt. Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Frei von Tuberkulose.
4. Grauweißes, männliches Niederungsrind, 9 Monate alt.
Nur der untere Teil der Impfschnitte ist mit feinen braungelben
Krusten bedeckt. Befund nach 24, 48 und 62 Stunden, sonst
wie bei Nr. 1.
Am 12. 12. 07 auf dem städt. Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Frei von Tuberkulose.
5. Schwarzbuntes, männliches Niederungsrind, 9 Monate alt.
Zustand nach 24 Stunden: Haut leicht gerötet. Wundränder
zeigen durchweg geringe Schwellung und sind mit rotbrauner
Kruste bedeckt. Es besteht erhöhte Empfindlichkeit der
Impfstelle.
Zustand nach 48 Stunden: Haut immer noch leicht gerötet.
Schwellung verschwunden. Zustand nach 62 Stunden: Keiner¬
lei Entzündungserscheinungen mehr nachweisbar.
Am 12. 12. 07 auf dem städt. Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Frei von Tuberkulose.
Die Impfschnitte sind hier etwas tiefer gelegt.. Sie betreffen
etwa die halbe Stärke der Haut.
6. Weißschwarzes (weibliches Niederungsrind. 8 Monate) alt.
Zustand nach 24 Stunden: Wundränder verklebt Keinerlei Ent-
zündungserscheinungen vorhanden. Zustand nach 48 und 62
Stunden ohne Besonderheiten.
Am 12. 12. 07 auf dem städtischen Schlachthofe zu Leipzig
geschlachtet. Frei von Tuberkulose.
Die Impfschnitte sind hier etwas flacher angqjogt Sie betreffen
nur die Epidermis und eine oberflächliche Schicht der Haut.
7. Schwarzbuntes (männliches Niederungsrind. 10 Monate) alt.
Zustand nach 24, 48 und 62 Stunden wie bei Nr. 1. Keinerlei
Entzündungserscheinungen.
Am 12. 12. 07 auf dem städtischen Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Frei von Tuberkulose,
7. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
341
8. Schwarzbuntes (männliches Niederungsrind. 9 Monate) alt.
Zustand nach 24, 48 und 62 Stunden wie bei Nr. 1. Keinerlei
Entzündungserscheinungen.
Am 12. 12. 07 auf dem städtischen Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Frei von Tuberkulose.
9. Schwarz graues w r eibliches Niederungsrind. 7 Jahre alt.
Ernährungszustand schlecht. Haarkleid rauh und ohne
Glanz. Tier hustet häufig.
Hautimpfung mit Tuberkulin L. 9. 12. 07.
Zustand nach 24 Stunden: Wundränder miteinander verklebt.
Keinerlei Entzündungserscheinungen zugegen. Befund nach
48 Stunden ohne Besonderheiten. Nach 62 Stunden sind die
Impfschnitte kaum noch bemerkbar.
Am 12. 12. 07 auf dem städt. Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Befund: Ansgebreitete Tuberkulose der Lungen,
Leber, linken Niere und der Gekröslymphdrüsen.
No. 10 und 11 geimpft am 29. November 1907. Versuchs¬
rinder No. 56 und 55 des Veterinärinstituts. Ernährungs¬
zustand gut. Keinerlei Symptome, die auf das Vor¬
handensein von Tuberkulose schließen lassen.
10. Weißes weibliches Niederungsrind. 14 Monate alt.
Hautimpfung mit Tuberkulin L.
Zustand nach 24 Stunden: Es besteht geringgradige Schwellung
und Rötung der rasierten Haut im Bereiche der Skarifikationen.
Schnittränder etwas geschwollen und mit braungelbem ein¬
getrockneten Exsudate bedeckt. Beim Berühren der Impf¬
stelle läßt sich erhöhte Empfindlichkeit leststellen. Zustand
nach 48 Stunden: Hautrötung noch vorhanden. Schwellung
kaum noch merklich. Zustand nach 72 Stunden: Entzündungs¬
erscheinungen völlig verschwunden.
Am 10. 12. 07 auf dem städt. Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Frei von Tuberkulose.
Das Tier war am 24. 4. 07 mit Milz und Portaldrüse eines tuber¬
kulösen Meerschweinchens (Menschentuberkulose) subkutan
infiziert worden und hatte noch am 5. 11. 07 auf subkutane
Tuberkulininjektion reagiert. Zwei Meerschweinchen, welche
mit Bugdrüse subkutan geimpft und 4 Wochen später ge¬
tötet wurden, erwiesen sich tuberkulosefrei.
11. Grauweißes weibliches Niederungsrind. 14 Monate alt.
Hautimpfung mit gekochtem Wasser. Augenprobe linkerseits
mit 7 Tropfen verdünntem Tuberkulin L. (2 Teile Tuber¬
kulin, 10 Teile physiolog. Kochsalzlösung), rechterseits mit
gleicher Menge physiolog. Kochsalzlösung zur Kontrolle.
Zustand nach 8 Stunden: Linkes Auge zeigt etwas Tränenfluß.
Schleimhaut der Conjunctiva palpebralis leicht gerötet, die
der palpebra tertia außerdem aufgequollen. An der Schleim¬
haut des rechten Auges ist nichts Anormales zu bemerken.
Zustand nach 12 Stunden: Befund derselbe. Zustand nach
24 Stunden: Schleimhaut des linken Auges noch ein wenig
höher gerötet wie rechterseits. Tränenfluß besteht nicht
mehr. Zustand nach 36 Stunden: Entzündliche Erscheinungen
nicht mehr vorhanden. An der skarifizierten Haut war keinerlei
Entzündung nachweisbar.
Am 10. 12. 07 im Veterinärinstitut getötet und obduziert. Befund:
Chronische Tuberkulose des Bauchfells und beginnende
Tuberkulose des Herzbeutels und der Pleura.
Das Tier war am 24.4. 1907 mit tuberkulösem Material von einem
Meerschweinchen (Menschentuberkulose) subkutan und intra¬
peritoneal infiziert worden.
No. 12—16 geimpft am 7. Februar 1908. Hautimpfung
mit Tuberkulin H.; Augenprobe linkerseits mit 8 Tropfen
verdünntem Tuberkulin H (3 Teile Tuberkulin, 10 Teile
physiologischer Kochsalzlösung) rechterseits Kontrolle
mit gleicher Menge physiologischer Kochsalzlösung. Bei
No. 13 nur Hautimpfung. Mit Ausnahme von No. 14 zeigen
die Tiere keinerlei Erscheinungen, die auf das Vor¬
handensein von Tuberkulose schließen lassen.
12. Rotbunter Zugochse (Simmenthaler Abstammung). 6 Jahre alt.
Ernährungszustand mittelmäßig.
Weder an der skarifizierten Haut noch an den Augen irgend¬
welche entzündlichen Erscheinungen wahrnehmbar. Die Be¬
sichtigung geschah nach 7, 48 und 62 Stunden.
Am 10. 2. 08 auf dem städt. Schlachthofe zu Leipzig geschlachtet.
Befund: In der linken Bronchialdrüse etwa zwei hanfkorngroße
tuberkulöse Knötchen, außerdem in der linken Lunge ein etwa
faustgroßer verkäster tuberkulöser Herd.
13. Rotgelber Zugochse (Höhenschlag). 5 Jahre alt.
Ernährungszustand gut.
7. 2. 08 nur Hautimpfung mit Tuberkulin H.
Zustand nach 24, 48 und 62 Stunden wie bei Nr. 1. Keinerlei
Entzündungserscheinungen.
Am 10. 2. 08 auf dem städt Schlachthofe zu Leipzig geschlachtet.
Frei von Tuberkulose.
Die Impfschnitte sind hier etwas flacher angelegt gleich Nr. 6.
14. Rotbunter Zugochse. (PinzgauerAbstammung). 8 Jahre alt.
Ernährungszustand dürftig. Haarkleid rauh und ohne Glanz.
Tier hustet häufig.
Zustand nach 7 Stunden: Rötung der Konjnnktivalschleimhaut
des linken Auges und Tränenfluß. Zustand nach 24 Stunden:
Die Schleimhaut des linken Auges ist noch ein wenig höher
gerötet wie rechterseits. An der skarifizierten Haut keine
Entzündungserscheinungen aufgetreten. Zustand nach 48 und
62 Stunden: Beim Vergleich des linken Auges mit dem
rechten, lassen sich keine Unterschiede mehr feststellen.
Am 10. 2. 08 auf dem städtischen Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Befund: Ausgebreitete Tuberkulose der Lungen
und Pleura. Portaldrüse vergrößert mit stecknadelkopfgroßen
graugelben tuberkulösen Knötchen. Hochgradige Tuberkulose
der Mesenteriallymphdrttsen.
15. Schwarzbuntes weibliches Niedorungsrind 5 Jahre alt.
Ernährungszustand gut.
Zustand nach 7 Stunden: Schwache Rötung der Konjunktival-
schleimhaut des linken Auges und leichter Tränenfluß. Zu¬
stand nach 24 Stunden: Es sind noch dieselben Erschei¬
nungen vorhanden. Zustand nach 48 Stunden: Jetzt ist nichts
Anormales am linken Auge mehr zu konstatieren. An der
skarificierten Haut waren bis zur 62ten Stunde keine Ent-
ztindungserscheinungen aufgetreten.
Am 10. 2. 08 auf dem städtischen Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Frei von Tuberkulose.
16. Schwarzbuntes weibliches Niederungsrind. 6 Jahre alt.
Weder am Auge noch an der skarificierten Hautstelle haben
sich irgendwelche entzündlichen Erscheinungen gezeigt. Die
Besichtigung geschah nach 7, 24, 48 und 62 Stunden.
Am 10. 2. 08 auf dem städtischen Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Befund: In der oberen Mittelfelldrüse 3 etwa
hirsekorngroße tuberkulöse Herde.
No. 17—31, Tiere des Rittergutes Mühlbach bei Wurzen
(die Bestandsnummern sind unten in Klammern beigefügt)
geimpft am 21. Januar 1908. Hautimpfung mit Tuberkulin H.
Ernährungszustand gut. Keinerlei Erscheinungen, die
auf das Vorhandensein von Tuberkulose schließen las sen.
17. Schwarzbuntes weibliches Niederungsrind (Nr. 74). 6 Jahre alt.
Zustand nach 24, 48 und 62 Stunden wie bei Nr. 1. Keinerlei
Entzündungserscheinungen.
Am 27. 1. 08 auf dem städtischen Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Frei von Tuberkulose.
18. Schwarzbuntes weibliches Niederungsrind (Nr. 42). 5 Jahre alt.
Zustand nach 24, 48 und 62 Stunden wie bei Nr. 1. Keinerlei
EntzUndungserschcinungen.
Ara 27. 1. OS auf dem städtischen Schlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Befund: In der unteren Bromhialdrüse mehrere
etwa hirsekorngroße graugelbe tuberkulöse Knötchen.
19. Schwarzbuntes weibliches Niederungsrind (Nr. 75).
Schnittwunden mit stärkerer rotbrauner Kruste bedeckt. Skari¬
fikationen ohne Entzündungserscheinungen. Besichtigung
nach 24, 48 und 02 Stunden.
342
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
Am 27. 1. 08 auf dem städtischen Sehlachthofe zu Leipzig ge¬
schlachtet. Frei von Tuberkulose.
Die Impfschnitte sind hier etwas tiefer angelegt gleich Nr. 5.
20. Schwarzbuntes weibliches Niederungsrind (Nr. 54).
Keinerlei Entzündungserscheinungen. Besichtigung nach 24, 48
und 62 Stunden.
Am 14. 2. 08 mit 10 cbcm Tuberkulinlösung, enthaltend 1 cbcm
Rohtuberkulin H, subkutan, geimpft. Reaktion positiv
(38,4-41,0° C).
21. Schwarzbuntes, weibliches Niederungsrind (Nr. 68), 5 Jahre alt.
Keinerlei Entzündungserscheinungen. Besichtigung nach 24,
48 und 62 Stunden.
Am 14. 2. 08 durch subkutane Tuberkulininjektion nachgeprüft
wie Nr. 26. Reaktion positiv. (39,0—40,5° ('.)
22. Schwarzbuntes, weibliches Niederungsrind (Nr. 90), 5*/ 2 Jahre alt.
Keinerlei Entzündungserscheinungen. Besichtigung nach 24, 48
und 62 Stunden.
Am 14. 2. 08 durch subkutane Tuberkulininjektion nachgeprüft
wie Nr. 20. Reaktionpositiv. (38,8 — 40,2° (•.)
23. Weißschwarzes, weibliches Niederungsrind (Nr. 72), 6 Jahre alt.
Die rasierte Hautstelle ist leicht gerötet. An den Schnittwunden
sonst keinerlei Entzündungserscheinungen nachweisbar. Be¬
sichtigung nach 24, 48 und 62 Stunden. Hautrötung nach
48 Stunden verschwunden.
Am 14. 2. 08 durch subkutane Tuberkulininjektion nachgeprüpft
wie Nr. 20. Reaktion positiv. (38,7—40,4° C.)
24. Schwarzbuntes, weibliches Niederungsrind (Nr. 76), 6 Jahre alt.
Schnittwunden mit feiner braunroter Kruste bedeckt. Keinerlei
Entzündungserscheinungen. Besichtigung nach 24, 48 und
62 Stunden.
Am 14. 2. 08 durch subkutane Tuberkulininjektion nachgeprüft
wie Nr. 20. Reaktion positiv. (38,7—41,1° C.)
25. Schwarzbuntes, weibliches Niederungsrind (Nr. 164b), 5 Jahre alt.
Keinerlei Entzündungserscheinungen. Besichtigung nach 24,
48 und 62 Stunden.
Am 14. 2 08 durch subkutane Tuberkulininjektion nachgeprüft
wie Nr. 20. Reaktion nicht aufgetreten.
26. Schwarzbuntes, weibliches Niederungsrind (Nr. 166b), 7 Jahre alt.
Keinerlei Entzündungserscheinungen. Besichtigung nach 24, 48
und 62 Stunden.
Am 14. 2. 08 durch subkutane Tuberkulininjektion nachgeprüft
wie Nr. 20. Reaktion nicht aufgetreten.
27. Schwarzbuntes, weibliches Niederungsrind (Nr. 73), 6 Jahre alt.
Schnittwunden mit feiner braunroter Kruste bedeckt.
Keinerlei Entzündungserscheinungen.
Besichtigung nach 24, 48 und 62 Stunden.
Am 14. 2. 08 durch subkutane Tuberkulininjektion nachgeprüft
wie Nr. 20.
Reaktion nicht aufgetreten.
28. Schwarzbuntes, weibliches Niederungsrind (Nr. 86), 7 Jahre alt.
Die rasierte Hautstelle ist leicht gerötet.
Die Skarifikationen zeigen jedoch weder Schwellung der
Wundränder, noch sind sie schmerzhaft boim Berühren.
Am 14. 2. 08 durch subkutane Tuberkulininjektion nacbgeprüft
wie Nr. 20.
Reaktion nicht aufgetreten.
29. Schwarzbunte^, weibliches Niederungsrind (Nr. 102), 6 Jahre alt.
Keinerlei Entzündungserscheinungen.
Besichtigung nach 24, 48 und 62 Stunden.
Am 14. 2. 08 durch subkutane Tuberkulininjektion nachgeprüft
wie Nr. 20.
Reaktion positiv (38,6 bis 41,0° C.).
30. Schwarzbuntes, weibliches Niederungsrind (Nr. 14), V. J., 3 1 /., Mo¬
nate alt.
Keinerlei Entzündungserscheinungen.
Besichtigung nach 24, 48 und 62 Stunden.
Am 14. 2. 08 durch subkutane Tuberkulininjektion nachgeprüft
5 ccm Tuberkulinlösung, enthaltend 0,5 ccm Rohtuberkulin
H. Reaktion nicht eingetreten.
31. Schwarzbuntes weibliches Niederungsrind (Nr. 15), V. J., 3 Mo¬
nate alt.
Keinerlei Entzündungserscheinungen.
Besichtigung nach 24, 48 und 62 Stunden.
Am 14. 2. 08 durch subkutane Tuberkulininjektion nachgeprüft
wie Nr. 30.
Reaktion nicht eingetreten.
Die Impfschnitte sind hier etwas flacher angelegt gleich Nr. 6.
Referate.
Experimentelle Untersuchungen und klinische Er¬
fahrungen Aber die Verwendbarkeit des Novokains in
der Veterinärmedizin.
Inaugural-Dissertation Gießen, vorgelegt von Tierarzt
Andreas Fehse aus Vahldorf.
In vorliegender Arbeit hat Fehse es sich zur Aufgabe
gemacht, das Novakain, ein Ersatzpräparat des Kokains, auf
seine Anwendbarkeit in der Veterinärmedizin zu prüfen. In¬
folge der günstigen Resultate, welche man in der Humanmedizin
mit diesem Präparate erzielt hat, speziell wegen der relativen
Ungiftigkeit und des billigen Preises, mußte die Verwertbarkeit
des Novokains in der Veterinärmedizin besonders wertvoU
erscheinen.
Das Novokain ist entdeckt im Jahre 1905 von Einhorn und
wird synthetisch dargestellt von den Höchster Farbwerken, vor¬
mals Meister, Lucius & Brüning. Nach Angabe der Höchster Farb¬
werke ist es das Monochlorhydrat des Para-Aminobenzoyldiäthyl-
aminoäthanols und besitzt die Formel Cj^COO.CaH^N-^H^.
Aus Alkohol kristallisiert, stellt es farblose Nüdelchen vom
Schmelzpunkt 156 °C daT, die ohne Zersetzung zu erleiden, bis
auf 120° C erhitzt werden können. Im Wasser ist es im Verhältnis
1:1, in kaltem Alkohol von 1:30 löslich. Ätzende und kohlen¬
saure Alkalien fällen aus wäßrigen Lösungen die freie Base als
farbloses, bald kristallinisch erstarrendes Öl aus; mit Natrium
karbonat läßt sich dagegen die wäßrige Lösung ohne Trübung
mischen. Die freie Base kristallisiert aus verdünntem Alkohol
mit 2 Molekülen Kristallwasser, aus Äther oder Ligroin in
wasserfreien, glänzenden Prismen. Der Schmelzpunkt der
wasserhaltigen Base liegt bei 51° C., der der wesserfreien bei
58—60° C. Alkaloidreagenzien, wie Kaliumquecksilberjodid, Jod¬
jodkalium und Pikrinsäure erzeugen selbst in stark verdünnten,
wäßrigen Lösungen Niederschläge.
Die Untersuchungen Fehs es erstrecken sich einmal auf die
toxische Wirkung des Novokains im Vergleich zum Kokain, wo¬
bei Fehse an zahlreichen Tierversuchen festgestellt hat, daß das
Kokain bedeutend giftiger ist als das Novokain.
Die toxische Dosis des Kokains beträgt bei Fröschen 0,035,
bei Meerschweinchen 0,015 und bei Hunden 0,018 pro kg Körper¬
gewicht; die niedrigste tödliche Dosis des Kokains beträgt bei
Fröschen 0,42, bei Meerschweinchen 0,045, bei Hunden 0,035 g
pro kg Körpergewicht. Im Vergleich hierzu ruft das Novokain
erst Vergiftungserscheinungen hervor bei Fröschen in der Dosis
von 0,095, bei Meerschweinchen in der Dosis von 0,07 und bei
Hunden in der Dosis von 0,05 g pro kg Körpergewicht, und es
starben regelmäßig Frösche nach Injektion von 1,10, Meer¬
schweinchen nach 0,7 und Hunde nach 0,35 g Novokain pro kg
Körpergewicht.
Hieraus ergibt sich, daß das Kokain, auf die toxische
Dosis berechnet, bei Meerschweinchen und Hunden ca.
7 Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
343
2 1 /*—5 mal, auf die tödliche Dosis berechnet, beim Hunde ca.
10 mal giftiger ist als das Novokain.
Was nun die anästhesierende Wirkung des Novokains an-
betrifft, so ist bei letzterem nur die Dauer der Anästhesie etwas
kürzer als beim Kokain. Das Novokain läßt sich sehr gut mit
Suprarenin kombinieren, wodurch die Wirkung sogar beträchtlich
erhöht wird. Als besonders praktisch erweisen sich hierbei die
von den Höchster Farbwerken in den Handel gebrachten
Tabletten B (1 Tabl. = 0,1 g Nov. -f 0,00045 g Suprarenin. bor.).
Für gewöhnliche Operationen genügen 1—2proz. Lösungen
subkutan oder endermatisch injiziert, während bei Augen¬
operationen 5—lOproz. Lösungen am empfehlenswertesten sind.
Der Eintritt der Anästhesie erfolgt nach 5—15 Minuten. Irgend¬
eine Reizerscheinung am Gewebe oder sonstige Beeinträchtigungen
der Wundheilung hat Fehse niemals beobachtet. Novokain in
Substanz auf die Cornea gebracht, bewirkt nach Fehse nur
eine vorübergehende Gefäßinjektion.
Die praktischen Versuche sind hauptsächlich an Hunden
ausgeführt worden, welche in der Klinik für kleinere Haustiere
der Tierärztlichen Hochschule in Berlin eingestellt waren. Aber
auch bei Pferden hat sich nach Fehse das Novokain gleich
gut bewährt und ist namentlich bei diagnostischen Injektionen
dem Kokain infolge seiner relativen Ungiftigkeit bei weitem
vorzuziehen. Seit dem Sommer 1906 wird in der Klinik für
kleinere Haustiere bei sämtlichen Operationen, wo lokale
Anästhesie erwünscht ist, ausschließlich das Novokain an¬
gewandt, zuweilen noch in Verbindung mit allgemeiner Narkose,
und es hat bisher noch in keinem Falle versagt. Auch toxische
Erscheinungen sind niemals zur Beobachtung gelangt. Ich selbst
habe während meiner Tätigkeit als Repetitor an der Klinik für
kleinere Haustiere persönlich die lokale Anästhesie in letzter
Zeit speziell bei Entropiumoperationen mit ausgezeichnetem Er¬
folge verwandt, da eine allgemeine Narkose mit Morphium in
der Regel nicht ausreicht und bei empfindlichen Tieren die Aus¬
führung der Operation dann infolge der Ungeberdigkeit der
Tiere sehr erschwert wird. Hierbei ist aber eine öproz. Lösung
am Platze, da man nur wenig Flüssigkeit injizieren darf. Von
einer öproz. Lösung genügt die geringste Menge, um fast
augenblicklich eine vollständige Anästhesie herbeizuführen. Auf
die Wundheilung übt auch eine derartige konzentrierte Lösung
nicht den geringsten ungünstigen Einfluß aus. Bei Operationen
in gefäßreichen Gegenden ist die Möglichkeit eines Suprarenin-
zusatzes von großem Wert, da die kapilläre Blutung hierdurch
fast völlig ausgeschaltet werden kann, was dem Operateur den
Vorteil einer größeren Übersichtlichkeit über das Operationsfeld
gewährt.
Weitere Vorteile des Novokains sind einmal die lange Halt¬
barkeit der wäßrigen Lösungen, allerdings nur derjenigen ohne
Suprareninzusatz, und ferner der Umstand, daß man die Lösungen
jederzeit durch Aufkochen sterilisieren kann. Erst nach zirka
5 Monaten tritt in den wäßrigen Novokainlösungen eine schwache
Gelbfärbung ein, ohne daß jedoch die anästhesierende Wirkung
beeinflußt wird.
Berücksichtigt man nun noch den bedeutenden Preis¬
unterschied zwischen Kokain und Novokain — das Novokain ist
etwa um die Hälfte billiger als das Kokain — so ist das
Novokain dem Kokain zum mindesten als ebenbürtig an die
Seite zu stellen, und es wird sich wohl auch infolge seiner
relativen Ungiftigkeit und des niedrigen Preises in der Veterinär¬
chirurgie bald den ihm gebührenden Platz erobern.
Schmidt.
Über Immunisierung gegen die Botzkrankheit.
Von Prof. Dr. Levy, Dr. Blumenthal und Dr. Marxer.
(Zeitschrift für Infektionskr., paras. Krankh. und Hygiene der Haut, B I. III, 8, 294.)
Die Autoren teilen ihre Versuchsergebnisse über Immuni-
sation gegen Rotz mittelst abgeschwächter und abgetöteter
Bazillen mit. Zunächst kommt es darauf an, festzustellen,
innerhalb welcher Zeit die Rotzbazillen durch die verwendeten
Stoffe abgetötet werden, ferner wann sie so weit abgeschwächt
sind, daß sie zwar noch auf Nährböden wachsen aber Meer¬
schweinchen nicht mehr töten. Es wurde zunächst das Glyzerin
versucht, und zwar in 80proz. Lösung, welche sich als die ge¬
eignetste Konzentration erwies. Die Wirksamkeit des Glycerins fiel
verschieden stark ans, je nach der Menge der zugesetzten Bakterien.
So werden Rotzbazillen durch Schütteln in 80proz. Glyzerin
in einer Konzentration von 0,1 g Bazillen auf 4 ccm Flüssigkeit
in 14 Stunden abgetötet, während bei einer Konzentration von
0,001 g Bazillen auf 1 ccm Flüssigkeit schon nach 7 ! / 2 Stunden
die Bakterien vernichtet sind. — Bei den dichteren Emulsionen
werden mehr Stoffe aus den Bazillen herausgeschüttelt, die das
Tier vor den noch lebenden abgeschwächten Mikroben aktiv
schützen; diese Stoffe enthalten subkutan ihre Wirksamkeit
mehr als intraperitoneal. — Weiterhin wurden entsprechende
Versuche mit Harnstofflösungen vorgenommen.
Die Immunisierungsversuche erstreckten sich zunächst
auf Meerschweinchen. Die Immunisierung gelingt sowohl mit
kleinen als auch mit großen Dosen abgetöteter Bazillen. —
Die Schutzimpfung mit abgeschwächten Bazillen erwies sich
als eine sehr schwierige. Große Dosen eignen sich nicht; aber
auch ganz kleine Mengen geben keine konstanten günstigen
Resultate. Die Resultate waren um so besser, je näher man
der Abtötungsgrenze kam. Viel regelmäßiger waren die
Resultate, wenn zur Immunisierung nur abgetötete Bazillen
benutzt wurden.
Bei den folgenden Immunisierungsversuchen an Pferden
machten die Autoren die interessante Erfahrung, daß sich das
Pferd ungleich empfindlicher gegen den verwendeten Rotzstamm
wendet als das Meerschweinchen. Wie in zahlreichen Versuchen
fefltgestellt wurde, betrug die sicher tödliche Dosis für Meer-
schweichen Vinooo Öse einer Agarkultur; dieselbe Dosis tötete
aber auch Pferde innerhalb drei Wochen an akutem Rotz. Zum
Schluß brachten die Autoren noch über Immunisierungsversuche
mit durch Glyzerinlösungen abgetöteten Bazillen an Pferden,
bei denen es gelungen ist, einen vollständigen Schutz gegen die
nachherige Infektion zu erzielen. Zwei Kontrollpferde erlagen
einer subkutanen Injektion; der pathologische Befund wurde
durch Kultur und Tierversuch bestätigt. Andererseits blieben
die mit Organen der getöteten Immunpferde geimpften Meer¬
schweinchen gesund und zeigten nach der späteren Tötung
keinerlei Veränderungen. — Tabellen und Kurven vervoll¬
ständigen die Arbeit. Richter.
Die immunisierende Wirkung des Sobernheimschen
Serums bei milzbrandkrankem Hornvieh.
Von Kgl. ung. Tierarzt Rudolf Gäl-Nemesöcsa.
(All&torvosi hapok 1907, Nr. 45.)
Gäl wurde zur Sektion einer plötzlich verendeten Kuli ge¬
rufen, bei welcher er Anthrax feststellte. Das übrige Hornvieh
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
(33 an der Zahl) wurde dann der Pastenrsehen Schutzimpfung
unterworfen. Am dritten Tag nach der ersten Impfung er¬
krankten drei Tiere: die Temperatur stieg auf 40,8—41° C,
Appetitlosigkeit und Mattigkeit, Puls 80—100 pro Minute,
Atemfrequenz 40—50, das Atmen erschwert; an einem Tier ist
an der Flanke eine kopfgroße Anschwellung entstanden. Diese
Erscheinungen und die Anamnese wiesen auf Anthrax bin. Nun
ließ G«41 telegraphisch das Sobernheimsche Rapidserum be¬
stellen, welches er auf 37,5° erwärmt den drei kranken Tieren
in entsprechender Menge (30— 50 cm 3 ) injizierte, das übrige
Hornvieh bekam je 10 cm 3 subkutan. Die Wirkung des Serums
war eine sehr gute, denn schon in vier Stunden nach der Injektion
konnte man eine Besserung wahrnehmen, die Körpertemperatur
war mit 1° gesunken, die Mattigkeit ließ nach und am nächsten
Tag sind alle drei Tiere genesen, die Anschwellung ist auch
vollkommen verschwunden. Neuere Erkrankungen sind seitdem
nicht vorgekommen. Dr. Z.
Das Katarrhalfieber der Schafe in Südafrika.
Von Dr. A. Th eil er, Pretoria, Transvaal.
(Zeitschrift für Tiermedizin. XI. Band. 4/5 Heft.)
Unter den Schafen in Südafrika kommt während der Regen¬
periode besonders in tiefgelegenen, feuchten Örtlichkeiten eine
Art von Katarrhalfieber vor, welches nicht identisch ist mit dem
in Europa beobachteten. Es ist keine kontagiöse Krankheit,
denn kranke Tiere vermögen danebengestellte Tiere nicht zu
infizieren, wolil aber kann die Krankheit durch Verimpfen von
frischem wie auch defibriniertem Blut kranker Tiere übertragen
werden. Das krankmachende Agens ist filtrierbar und ultravisibel.
Da die Schafe nur nachts auf der Weide infiziert werden, hin¬
gegen gesund bleiben, wenn sie abends vor Sonnenuntergang
in den Stall gebracht und früh nach Sonnenaufgang erst wieder
ausgetrieben werden, so muß angenommen werden, daß der
Träger des Infektionsstoffes ein fliegendes und blutsaugendes
Nachtinsekt, wahrscheinlich eine Mosquitoart ist. Die Bedingungen
des Auftretens des Katarrhalfiebers der Schafe sind im allgemeinen
dieselben, unter welchen die Pferdesterbe beobachtet wird, auch
ist das Verbreitungsgebiet nahezu dasselbe, so daß die land¬
läufige Meinung besteht, beide Krankheiten seien identisch.
Gegenseitige Infektionen mit Schaf- und Pferdeblut — selbst¬
verständlich von kranken Tieren auf gesunde überimpft —
blieben jedoch erfolglos, nur Schafe sind empfänglich.
Nach einer unbestimmten Inkubationsperiode (nach künst¬
licher Infektion etwa vier Tage) stellt sich Fieber ein. Die
Schafe lecken periodisch die Lippen, der zahnlose Oberkiefer¬
rand, das Zahnfleisch, der Rand der Lippen sind gerötet, es
kann sogar zur Losstoßung großer Epithelfetzen an diesen
Stellen kommen, auch findet man Exkorrationen und Schwellung
der Lippen. Die Mucosa nimmt eine bläuliche Farbe an, die
Zunge schwillt und es kommt zu blutigeiterigem Nasenansfluß,
der an den Nasenlöchern anklebt und ein schnarchendes Atmen
verursacht. Vorkopf und Kehlgangsgegend werden ödematös.
Gelegentlich stellt sich auch Durchfall ein. Pathognomisch ist
die Entzündung der Lederhaut der Klauen, die sich aber erst
einstellt, wenn die Veränderungen im Maule im Abheilen sind.
Die Krankheit endet in der Regel nicht letal, wohl aber
magern die Tiere schnell ab und werden anämisch. Nur unter
ganz ungünstigen Verhältnissen kann die Hälfte der erkrankten
Schafe zugrunde gehen.
Bei der Sektion finden sich meist katarrhalische Er¬
scheinungen im Verdauungsschlauch. Fast stets findet man
auf dem Endokard des linken Ventrikels, auch auf dem Epikard
Blutpunkte. Mit dem Überstellen der Krankheit werden die
Schafe Immun. Wiederholte Einspritzungen von virulentem
Blut in immune Schafe führt zur Produktion eines Serums,
welches bei der Simultanimpfung mit Virus zusammen die Seuche
zum Stillstand zu bringen vermag. Rdr.
Gelenkwunden.
Von Bezirksticrarzt Max Notz, Freising.
(WochciiBchr. f. Tieiheilk. u. Viehzucht, 1907, Nr. 51 u. 52.)
Verfasser übergibt seine mit der Behandlung von Gelenk¬
wunden erzielten Resultate den in der Praxis stehenden Kollegen
mit der Bitte um Nachprüfung. Das von ihm eingeschlagene
Verfahren besteht in der üblichen gründlichen Reinigung der
Wunde und deren Umgebung, sodann in der Desinfektion mit
lauwarmem Sublimatw asser (1:1000) und unmittelbar darauf mit
lauwarmer Jod-Jodkalilösung (1:5:1000). Die alleinige An¬
wendung der Sublimatspülung genügt nach Notz nicht, um
eine phlegmonöse Entzündung zu verhüten, ebensowenig als
durch bloße Abspritzung mit Lugol scher Lösung eine Tötung
der Eiterbakterien zu erzielen ist. Gegen Phlegmone ist das
sicherste Schutz- und Heilmittel die Jodlösung, gegen Eiterung
das Sublimat. Nach der Desinfektion wird bei größeren Wunden
vernäht unter Belassung von genügend Öffnung für den Abfluß
von Wundsekret. Bei eiternden Gelenkwunden und solchen
Verletzungen, die nicht gut mit einem Verband geschlossen
werden können, empfiehlt Notz Natrium bicarbonicum, ev. mit
Zusatz von Jodoform (1:100). Dieses Pulver ist täglich 4—6 mal
die Wunde einzubringen und nötigenfalls mit Watte und Heft¬
pflaster in der Lage zu erhalten. Sehr unterstützend sollen
auch noch bei Huf- oder Fessel wunden 2proz, warme Soda-
bäder wirken. Hisichtlich der Anwendung des Natr. bicarbon.
als Wundheilmittel ist darauf zu achten, daß dasselbe stets in
genügender Menge auf die Wunde aufgetragen werde, damit die
sich bildende Lösung nach und nach die ganze Wunde durch¬
dringt. Manchmal ist es sogar geboten, das zu behandelnde
| Tier niederzulegen, wenn am stehenden Tier keine Tiefenwirkung
zu erzielen ist, und es auf die Dauer von 24—30 Stunden in
einer geeigneten Lage zu erhalten und diese Prozedur mehrere
Male mit entsprechenden Pausen zu wiederholen. Eine aus¬
führliche Beschreibung eines trotz seiner Schwere geheilten
Krankheitsfalles illustriert die dem Natr. bicarbon. von Notz
nachgerühmte gute Wirkungsweise. J. Schmidt.
Aas der medizinischen Literatur.
Deutsche medizinische Wochenschrift, 34. Jahrgang , Nr. 15, S. 038.
Über zeitweilige partielle Hyposystolie der Kammern des Säugetier¬
herzens von Prof. H. E. Hering. (Aus dem Institut für experi¬
mentelle Pathologie und der propädeutischen Klinik der deutschen
Universität, in Prag.) Zusammenfassung.
1. Während Inkongruenzen in der Tätigkeit der beiden
Kammern des Säugetierherzens sehr oft schon beobachtet worden
sind, fehlt für das Vorkommen von Hemiextrasystolie und Hemi-
alternans vorläufig noch der Nachweis.
2. Es gibt Kammeralternans des Säugetierherzens, welcher
auf zeitweiliger partieller Hypo-, eventuell Asystolie der Kammern
beruht.
7. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
345
3. An den Kammern eines im Altemans schlagenden Sänge¬
tierherzens können auch Extrasystolen auf einer zeitweiligen
partiellen Hypo-, eventuell Asystolie der Kammern beruhen.
4. Die bei Vagusreizung zu beobachtende Kammerbyposystolie
des Säugetierherzens betrifft beide Kammern, wobei die Hypo-
systolie der einen Kammer anscheinend größer sein kann als
die der andern.
5. Sollte für das Vorkommen von Hemiextrasystolie bei
Vagusreizung oder bei einem im Alternans schlagenden Herzen
auch der Beweis erbracht werden, so könnte jedoch beides zur
Erklärung des bekannten, auf Herzbigeminie beruhenden und
unzutreffend als Hemisystolie gedeuteten klinischen Symptomen-
komplexes nicht herangezogen werden, da es sich in diesen
klinischen Fällen weder um eine derartige Vagusreizung noch
um Alternans handelt.
Dieselbe Zeitschrift S. 041.
Nadel im linken Bronchus; von Dr. H. v. Schrott er. (Aus der
in. med. Klinik der Universität in Wien.) Bei einem zwölf¬
jährigen Mädchen wurde eine vor 21 Tagen in den linken
Bronchus — mit ihrem Kopfe (D. = 9 mm) voraus — einge¬
drungene Nadel von ungewöhnlicher Länge (74 mm) im Wege der
direkten Methode (Tubus L. = 21 cm, D. = 8,5 mm) in einer
Sitzung unter Lokalanästhesie mittelst eingeführter Pinzette
glatt entfernt; keine Reaktionserscheinungen, dauerndes Wohl¬
befinden. Der Sitz der Nadel war durch radioskopische Durch¬
leuchtung genau festgestellt worden.
Dieselbe Zeitschrift S. 647.
Über den diagnostischen Wert der Ophthalmoreaktion bei Typhus
abdominalis; von Dr. Oskar Orszag. (Aus der I. med. Klinik
der Universität in Budapest.) Die von Chantemesse zur Diagnose
bei Typhus ausgearbeitete Untersuchungsmethode der Ophthal¬
moreaktion beruht auf der Reaktionsfähigkeit des Kranken
gegen Typhustoxine. 2 bis 3 Stunden nachdem der Kranke
einen Tropfen Typhustoxinlösung auf die Innenfläche des unteren
Augenlids erhalten hat, werden bei positiver Reaktion an dem
betreffenden Auge Rötung, Tränen, Gefühl von Wärme, Jucken
an der Bindehaut und fibröses Exsudat beobachtet. Verf. faßt
seine über den Wert der Ophthalmoreaktion gesammelten Er¬
fahrungen wie folgt zusammen.
1. Die Chantemessesche Ophthalmoreaktion ist derzeit für
praktische Zwecke nicht verwendbar, da wir über kein be¬
ständiges Typhustoxin mit gleicher Intensität verfügen.
2. Die Ophthalmoreaktion kann sich nach 0 Stunden nich
nur bei Typhösen, sondern auch bei anders Erkrankten positiv
erweisen. Die positive Reaktion ist also in diesem Zeitpunkt
für Typhus abdominalis nicht charakteristisch.
3. Nach 24 Stunden geben die meisten Fälle von Typhus
abdominalis positive Reaktion. Negative Reaktion ist bei
Fiebernden mit größter Wahrscheinlichkeit gegen Typhus abdo¬
minalis zu verwerten.
4. Rekonvaleszenten reagieren etwa in der Hälfte der
Fälle positiv.
5. Bei anderen Krankheiten ist die Reaktion nach
24 Stunden in den meisten Fällen negativ, positive Reaktion
wurde jedoch auch beobachtet.
6. Die Kutanreaktion ist für die Diagnose unbrauchbar.
Therapeutische Monatshefte. 22. Jahrg. Heft 4 , S.175.
Zur Frage nach dem Wert und den Gefahren der Ophthalmoreaktion.
Prof. A. Siegrist, Direktor der Universitätsaugenklinik in
Bern, mißt der genannten Reaktion vom Standpunkte des Augen¬
arztes nicht nur geringen Wert bei, sondern hält sie direkt fiir
gefährlich. Denn ein positiver Ausfall der Reaktion gibt keinerlei
Sicherheit, daß das vorhandene Augenleiden tuberkulöser Natur
ist, sondern besagt nur, daß sich irgendwo im Körper ein tuber¬
kulöser Herd befindet. Ferner kann ein krankes Auge durch
die Anstellung der Ophthalmoreaktion heftigen Schaden nehmen.
Für den inneren Arzt und den Chirurgen liegt die Sache so,
daß nach den bis jetzt erschienenen Arbeiten mit ziemlicher
— wenn auch nicht absoluter — Sicherheit der positive Ausfall
der Reaktion für das Vorhandensein von aktiver Tuberkulose, der
wiederholt negative Ausfall, auch wenn stärkere Lösungen benutzt
wurden, für das Fehlen einer solchen Tuberkulose im Organismus
spricht. Die weitere Frage, ob die O-Reaktion einem gesunden
Auge schaden kann, muß nach dem bisher veröffentlichten
Material bejaht werden.
In derselben Zeitschrift S. 177
nimmt Dr. P. Schultz-Zehden in Berlin zu der gleichen Sache
Stellung. — Nachdem Wolff-Eisner im Mai 1907 die Mitteilung
gemacht hatte, daß die Einträufelung einer 1 proz. Tuberkulin¬
lösung in den Bindehautsack bei Tuberkulösen häufig lokale
Reaktionen hervorruft, hat Vallee diese Beobachtung in der
Veterinärpraxis nachgeprüft, aber wegen der stürmischen Ent¬
zündungserscheinungen, die er beobachtete, zunächst wieder ver¬
lassen. Von ihm stammt die Bezeichnung „Ophthalmoreaktion“
Calmette fand, daß die genannte Reaktion, die beim Menschen
nach Einträufelung von 1 proz. Tuberkulinlösung eintrat, so mild
verlief, daß er sie zu diagnostischen Zwecken empfehlen konnte.
Seitdem ist der Streit um Wert oder Unwert der Ophthalmo¬
reaktion entbrannt. Sobald feststeht, daß bei der Anwendung
der Reaktion ernste Schädigungen entstehen können, muß schon
nach dem obersten Grundsatz „primum non nocere“ vom augen¬
ärztlichen Standpunkte gegen dieses Diagnosticum Front gemacht
werden. Verfasser hat sich deshalb die Aufgabe gestellt, an einem
größeren Material vor allem die Frage zu beantworten, ob durch
die O.-Reaktion Schädigungen des Auges verursacht werden
können und ob diese derart sind, daß man unbedingt vor der
Instillation von Tuberkulin warnen müsse.
Von 150 Fällen in denen der Verfasser das Kochsche Alt-
tnberkulin in lproz. Lösung zur Augenreaktion angewendet
hat, sind 148 ohne jede Schädigung verlaufen. Vorübergehend
sind zwei Patienten durch die Reaktion geschädigt worden.
Mithin kann die konjunktivale Reaktion wegen etwa damit ver¬
bundener Gesundheitsschädigung nicht verdammt werden. Auch
kann Sch. aus seiner Erfahrung heraus die These, daß alle
Augenerkrankungen eine Kontraindikation gegen die Ophthalmo¬
reaktion bilden, nicht anerkennen. Der größte Wert ist auf
die Wahl des Präparates zu legen. Zu den für das Auge
schädlichen Tuberkulinpräparaten rechnet der Verf. 1. das Cal-
mettesche Trockenpräparat; 2. das von den Höchster Farb¬
werken nach den Angaben von Calmette hergestellte trockene
glyzerin- und alkoholfreie Tuberkulin in lproz. Lösung. Ein
abschließendes Urteil über den Wert der Ophthalmoreaktion als
Diagnostikum bei Tuberkulose ist nur mit Hilfe eines einheit¬
lichen Präparates zu gewinnen.
Münchener medizinische Wochenschrift. 55. Jahrgang, Nr. 14, S. 72S.
Zur Prüfung des Eiters mit Milions Reagens; von Dr. L. Dreyer.
(Aus der Breslauer chirurgischen Klinik.) — Nach einer von
Eduard Müller angegebenen Methode lassen sich mit Hilfe
346
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
des Millonsclien Reagens (Lösung von Quecksilber in Salpeter¬
säure, die etwas salpetrige Säure enthält) Eiterproben tuber¬
kulöser und anderer Natur sicher unterscheiden. Hierzu werden
kleine Porzellanschälchen fast bis zum Rande mit Millon scher
Lösung gefüllt. Ein durch gewöhnliche Eitererreger hervor¬
gerufener Eitertropfen bildet in der Flüssigkeit eine zerfließliche
Scheibe, ein Tropfen tuberkulösen Eiters aber ein festes
Häutchen. Einige Minuten später bis längstens nach einer
Viertelstunde färbt sich bei gewöhnlichem Eiter das Millonsche
Reagens lebhaft rot, während es beim tuberkulösen Eiter un¬
gefärbt bleibt. Das Prinzip der Methode erklärt sich aus der
chemischen Eigenart des tuberkulösen und des gewöhnlichen
Eiters. Dreyer hat die Müll er sehe Methode an einem großen
Material nachgeprüft und vollauf bestätigt gefunden. Der zu
untersuchende Eiter muß möglichst frei von Blutbeimengung
und gut tropfbar sein.
Dieselbe Zeitschrift, S. 7.33.
Perhydra8emilchagar, ein neuer Bakteriennfihrboden; von
E. Fraenkel und H. Much. (Aus dem Allgemeinen Kranken¬
haus Hamburg-Eppendorf.) — Bei der Ausschau nach einem
neuen Nährboden, der ähnlich wie die Blutagarnährböden genuine
Eigenschaften enthalten sollte, kamen die Verfasser dazu, aus
steriler Rohmilch, wie die von Römer und Much angegebene
Perhydrasemilch sie darstellt, Nährböden herzustellen.
Die Milch wird so gewonnen, daß vor dem Melken in die
dazu geeigneten Melkgefäße 4 ccm Perhydrol Merck pro Liter
gegeben wird. Dann wird die Milch in so mit Perhydrol be¬
schickte Gefäße gemolken und bleibt bis zur Benutzung (selbst
monatelang) mit dem Perhydrol zusammen. Vor der Benutzung
wird die Perhydrol milch durch die Katalase Hepin von dem
Perhydrol befreit und heißt dann Perhydrasemilch und schmeckt
wie tadellose Rohmilch.
Zur Herstellung der Nährböden wird Perhydrolmilch zen¬
trifugiert; nach Entfernung der oberen Rahmschicht erhält die
übrige Milch einen Zusatz von Hepin. Eine Viertelstunde nach
dem Hepinzusatz ist die Milch vom Perhj'drol befreit. Von
dieser Perhydrase-(Mager-)Milch werden alsdann 2 ccm zu
einem flüssigen Glyzerinagarröhrchen von 45—50° C hinzu¬
gesetzt. Bei vergleichenden Untersuchungen stellten die Ver¬
fasser vier verschiedene Typen von Bakterienwachstum auf
Perhydrasemilchagar fest. Ein ganz vortreffliches Nährsubstrat
bildet er für den Streptococcus mucosus, der schwer züchtbare
Influenzabazillus läßt sich darauf zum Wachstum bringen und
auch für die Züchtung von Typhus- und Paratyphusbazillen ist
er nicht ungeeignet.
Dieselbe Zeitschrift S. 735.
Ein einfacher Nährboden für 6onococcen; von Dr. Piorkowski-
Berlin. Ein Liter frischer Milch wird mit 5 ccm verdünnter
Salzsäure (1:4) versetzt und bei 37° C auf bewahrt, bis das
Kasein ausgefallen ist (16—20 Stunden); statt dessen kann die
Milch auch aufgekocht werden. Dann wird filtriert und das
Filtrat mit lOproz. Sodalösung neutralisiert. Darauf wird zwei
Stunden im Dampf bade gekocht, die Neutralisation von neuem
eingestellt und abermals filtriert. Der Nährboden wird sodann
in Kolben oder Reagenzgläser gefüllt und eine Stunde bei
100° C sterilisiert. Dieser Nährboden kann in flüssigem Zu¬
stand mit gleichen Teilen Bouillon versetzt oder in fester Form
im Verhältnis von 1 Teil mit 2 Teilen Agar-Agar (3 Proz.)
verwendet werden. Der Milchserumnährboden ist außer für
Gonococcen auch für Meningococcen und besonders für Pneumo-
coccen geeignet.
Deutsche Medixinal-Zeitung, 29. Jahrgang, Nr. 29 , S. 317.
Subkutane Ölseifeninjektionen; von Dr. W. Zeuner in Berlin.
Die reinigende und desinfizierende Wirkung der Seifenlösung
ist bekannt. Anch gegen skrophulöse Lymphdrüsen und Gelenk¬
tuberkulose wird Seife äußerlich mit Erfolg angewendet.
Senator hat methodische Einreibungen von Kaliseife als Mittel
zur Förderung der Resorption von Exsudaten in serösen Höhlen
empfohlen. Die Einverleibung größerer Dosen von Seifenlösung
per 08 stört den Chemismus der Verdauung und verursacht
Übelbefinden, Erbrechen und Durchfall; die Injektion von
ölsaurem Natron (l: 10—100 Aqu.) in das Blut bewirkt nach
Kobert und Raßmann einen komatösen Zustand und Still¬
stand des Herzens. Dagegen wird die subkutane Seifeninjektion,
wie Verfasser durch Versuche an Kaninchen nachgewiesen hat,
vom Tierkörper gut ertragen, ist anscheinend schmerzlos und
gestattet die Einverleibung ganz erheblicher Mengen von Seife.
(Ein Kaninchen von 1543 g Gewicht erhielt innerhalb drei
Tagen zweimal je eine Pravazspritze voll unter die Haut ge¬
spritzt.) Es dürfte sich lohnen, durch Tierversuche festzustellen,
ob nicht durch subkutane Injektion von Seifenlösung bei Tuber¬
kulose, Pleuritis, sowie bei anderen Injektionskrankheiten,
namentlich Pyämie und Septikämie, Heilung erzielt werden
könnte. W.
Tagesgeschichte.
t
Verspätet
Im Alter von annähernd 84 Jahren verschied, an den Folgen
eines Influenzaanfalles, am 20. März 1908 in Meldorf-Holstein
der Tierarzt und Kreistierarzt a. D. Claus Haß.
Zu Burg im Dithmarschen am 9. Juni 1825 geboren, wandte
er sich bald nach der Konfirmation dem Studium der Tierheilkunde
zu und bezog die Tierarzneischule in Kopenhagen. Nach be¬
standenem Staatsexamen und Absolvierung des praktischen Halb¬
jahres erlangte er die Approbation als Tierarzt am 29. Oktober 1847
mit dem ersten Charakter. Bei der Erhebung Schleswig-Holsteins
trat er freiwillig als Tierarzt bei der Artillerie ein, wurde aber
schon im nächsten Jahre, 1849, wegen hervorragender Leistungen
ins Hauptquartier berufen, bei welchem er während des ferneren
Feldzuges und bis zur Auflösung der Armee, 1851, tätig ge¬
wesen und später mit der Kriegsdenkmünze bedacht wurde, wie
ihm auch die Pension der vormärzlichen Offiziere zugebilligt
worden ist.
Hiernach hat Haß sich als praktischer Tierarzt in Meldorf
niedergelassen, erwarb 1870 das Fähigkeitszeugnis als beamteter
Tierarzt und wurde ihm 1871 die Kreistierarztstelle für Süder¬
dithmarschen übertragen, die er bis zu seiner freiwilligen
Pensionierung 1905 verwaltet hat. Nach einer umfangreichen
und verdienstvollen Tätigkeit wurde ihm 1902 der Rote Adler¬
orden vierter und beim Übertritt in den Ruhestand der Kronen¬
orden dritter Klasse Allerhöchst verliehen.
1901 konnte Haß mit seiner noch lebenden Lebensgefährtin
das Fest der goldenen Hochzeit in aller Stille feiern und ist es
ihm vergönnt gewesen, sein 60 jähriges Jubiläum als Tierarzt
zn begehen.
7. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
347
Dem tierärztlichen Vereine in Schleswig-Holstein hat er bis
zu seinem Lebensende als Mitglied angehört und in früheren
Jahren anch tätigen Anteil an den Verhandlungen genommen.
Ehre seinem Andenken!
Der Vorstand des tierärztlichen Vereins
in Schleswig-Holstein.
I. A.: Eiler, Schriftführer.
Deutscher und Schweizer Dr. med. vet.
Nachdem nunmehr fast alle deutschen Universitäten den
immatnren Tierärzten den Weg zur Promotion verschlossen
oder doch mit fast unüberwindlichen Schwirigkeiten verbarrika¬
diert haben, scheint denselben Gelegenheit geboten zu werden,
das heiß erstrebte Ziel doch zu erreichen, das ist die Promotion
zum Dr. med. vet. in der Schweiz, und ein Blick in die Pro¬
motionsnachrichten der Fachblätter zeigt, wie viele Kollegen
fast täglich diesen Weg mit Erfolg beschritten haben. An¬
scheinend muß wohl diesen Herren von höheren mit der Re¬
gierung in Fühlung stehenden Kreisen die nahe Anerkennung
dieser Doktorwürde als Ermutigung mit auf den Weg gegeben
worden sein, sonst würden wohl viele vor dem Risiko zurück¬
geschreckt haben. An und für sich betrachtet wäre die Aus¬
sicht für den allgemeinen tierärztlichen Stand wünschenswert
und freudig zu begrüßen, aber ihr fehlt auch die Schattenseite
nicht, und das ist die ideale Konkurrenz, in die sie mit dem
deutschen (Leipzig und Gießen) Dr. med. vet. treten wird, und
aus der, eine — sit venia verbo — Degradierung, dieser bis
jetzt mit Recht den übrigen deutschen Fachdoktorgraden voll¬
ständig gleichbewerteten und stehenden Doktorwürde resultieren
wird. Die Allgemeinheit, die überhaupt den im Auslande er¬
worbenen Doktortiteln, ob mit Recht oder Unrecht bleibe dahin¬
gestellt, skeptisch gegenüber steht, wird alsdann zwischen
deutschen und Schweizern Dr. med. vet. in Bälde keinen Unter¬
schied mehr machen, zumal der Dr. med. vet. bei seiner rela¬
tiven Seltenheit und Jugend für viele doch etwas Fremdes hat,
und sie wird beide gleich bewerten, d. h. als inferiore Grade
betrachten. Unter diesen Gesichtspunkten wird, wie ich fürchte,
die Anerkennung des Schweizer Dr. med. vet. für den Teil der
deutschen Tierärzte, die die deutsche Doktorwürde besitzen,
zum Danaergeschenk werden, dessen Tragweite bei dem nun¬
mehr ständig wachsenden Prozentsätze dieser Kollegen von
nicht zu unterschätzender Bedeutung sein dürfte. Drum videant
consnles! Wir haben ein Recht und die Pflicht, und es ist nur
ein billiges Aequivalent, das man uns für eine um 2 Jahre
längere Vorbildung wohl zugestehen darf, von der deutschen
Regierung zu fordern, daß sie, falls der schweizer Dr. med. vet.
allgemein zur Anerkennung gelangt (die kleinen Bundesstaaten,
in denen dies bis jetzt schon der Fall gewesen ist, sind für die
Allgemeinheit bedeutungslos), dieses nur in einer solchen Form
geschehen läßt, die seinen Ursprung deutlich erkennen läßt.
Dr. med. vet. Jonas-Gelsenkirchen, Städt. Tierarzt.
Anmerkung.
Den obigen Artikel habe ich aufgenommen nach dem Grund¬
satz, jede Meinung zu Wort kommen zu lassen. Ich kann ihn
aber nicht veröffentlichen, ohne ihm einige Bemerkungen hinzu¬
zufügen.
Der Übergang von einer älteren zu einer neuen Epoche,
dessen Markstein für uns die Einführung der Universitätsreife
unzweifelhaft ist, hat überall seine Schwierigkeiten. Um sie
zu überwinden, ist hüben und drüben der entschiedene Wille
notwendig, zu vermitteln. Die Tierärzte, welche vor 1903 in
das tierärztliche Studium eingetreten sind, dürfen nicht in
Gegensatz geraten zu denen, welche später gekommen sind. Die
ersteren dürfen sich nicht auf den Standpunkt stellen wollen,
daß die zwei Jahre Primanerbildung keine Bedeutung hätten; die
letzteren dürfen nicht glauben, daß sie dadurch von vornherein
die Überlegenheit besäßen. Auch in der Promotionsfrage muß
ein Ausgleich geschaffen werden. Ich habe von vornherein die
grundsätzliche Nichtanerkennung des in der Schweiz erworbenen
Dr. med. vet. sehr bedauert. Ich habe ebenso bedauert, daß aus
den hierdurch betroffenen Kreisen gewissse Äußerungen hervor¬
gingen mit der Tendenz, den in Gießen seit langem ohne An¬
fechtung erworbenen Dr. med. vet. gewissermaßen in diese
Schwierigkeiten hineinzuziehen. Ich kann aber ebensowenig zu¬
stimmen, wenn man neben diesem letztgenannten Doktortitel den
in der Schweiz erworbenen derartig auf eine zweite Stufe rücken
wollte, wie dies der Herr Verfasser des obigen Artikels tut.
Gewiß ist es richtig, daß der in Gießen und neuerdings auch
der in Leipzig zu erwerbende Dr. med. vet. unbedingt an die
Universitätsreife geknüpft ist. Das Gerücht von Ausnahmen in
Gießen hat sich als haltlos und unwahr erwiesen; denn trotz
meiner Nachforschungen hat man Belege für die behaupteten
Fälle nicht beizubringen vermocht. Es ist auch richtig, daß das
Ansehen eines Doktortitels im allgemeinen mit der Schärfe seiner
Bedingungen zunimmt, und daß dieser deutsche Dr. med. vet.
sich sogar unter den übrigen deutschen Doktortiteln, den medi¬
zinischen nicht ausgenommen, in dieser Hinsicht einer exklusiven
Stellung erfreut. Das Ansehen dieses deutschen Dr. med.
vet., der ja in naher Zukunft von sehr vielen Tierärzten
getragen werden wird, kann aber für keinen Objektiven
dadurch irgendwie beeinträchtigt werden, daß sich in
ganz Deutschland etwa 150 Kollegen finden, die ihren Doktor¬
titel unter etwas milderen Bedingungen in der Schweiz, die doch
auch vollwertiges deutsches Kulturland ist, erworben haben.
Der Meinung bin ich allerdings, daß diese Promotion in der
Schweiz, sobald erst das tierärztliche Promotionsrecht in größeren
Teilen Deutschlands als bisher geregelt ist, aufhören sollte.
Wer von den Herren, die das Abiturientenexamen noch nicht
nachzuweisen brauchten, promovieren wollte, der kann es bis¬
lang getan haben oder mag es noch schnell tun vor Tores¬
schluß; dann aber muß das aufhören, wenn nicht geradezu zwei
Klassen von Doktorveterinären nebeneinander entstehen sollen.
Aber wenn den bisher promovierten, verhältnismäßig doch
wenigen Herren die von ihnen so redlich und tapfer erkämpfte
Anerkennung endlich wird, so kann das, wie gesagt, den in
Deutschland promovierten Kollegen keinen Abbruch tun. Und
wenn selbst mißgünstige Leute sich bemüßigt sehen sollten,
gelegentlich darauf hinzuweisen, daß unter diesen deutschen
Doktorveterinären sich auch solche befänden, welche den Doktor
im Auslande und ohne Universitätsreife erworben haben, so
könnte man ihnen von oben herab erwiedern, daß erstens dieses
Ausland ein anständiges Nachbarland ist, wo es keinen Schwindel
gibt, und daß zweitens die Doktoren sämtlicher deutscher Fakul¬
täten solche Mischungen aufweisen, die der philosophischen
Fakultät wohl noch in etwas stärkerer Durchsetzung mit Nicht¬
abiturienten wie die Doctores med. vet.
Und wenn wirklich eine gewisse Exklusivität unsres Doktor¬
titels damit verloren geht, nun, so muß sie eben einfach zum
348
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
Opfer gebracht werden. I )as Solidaritätsgefühl in unserm Stande
muß uns über derartiges hinweg helfen. Die Herren, welche
jetzt mit leichter Mühe promovieren, wollen nicht vergessen,
daß diejenigen, welche ohne Universitätsreife promoviert haben,
unvergleichlich viel größere Opfer an Zeit und Mühe und damit
für diese Dekoration eigentlich eine große Leistung aufgewendet
haben. Wenn wir nur innerhalb unsres Standes selbst keine
Unterschiede machen, dann wird für das Publikum ein Unter¬
schied auch nicht bemerklich werden.
Der Herr Verfasser des obigen Artikels geht an sich von
einem richtigen Standpunkt aus, ist aber eben m seiner Folgerung
zu scharf. In einem Punkte hat er recht: wenn die Frage
des tierärztlichen Promotionsrechts innerhalb Deutschlands ent¬
schieden ist, dann muß die Anerkennung ähnlicher im Auslande
erworbener Titel von Stund ab aufhören. Auf der andern Seite
aber müssen wir dann erst recht mithelfen, daß die bis dahin
in der Schweiz promovierten Angehörigen unsres Standes die
ihnen grundsätzlich gebührende Anerkennung erlangen. Wir
können das tun, ohne irgendwelche Befürchtungen hegen zu
müssen, und ich hoffe, daß auch Herr Dr. Jahn bei weiterer
Erwägung sich an meinen Standpunkt wird anschließen können.
Schmaltz.
Erwiderung
auf die Anmerkung de« Herrn Professors Dr. Schmaltz zu dem Eingesandt
„Auch ein Standesheber ?“ in Nr. 17 der B. T. W.
Die betr. Veröffentlichung ist von mir nicht in meiner Eigen¬
schaft als Departementstierarzt, sondern als Vorsitzender des tier¬
ärztlichen Vereins für den diesseitigen Bezirk erfolgt. Ich habe
sie auch vor der Einsendung gelegentlich eines Kollegen-Abends
hier, auf dem etwa 25 Herren anwesend waren, verlesen und fand
sie dabei allgemeinen Beifall. Dies konnte nicht anders sein,
lautet doch der $ 1 der Satzungen des Vereins:
„Der Zweck des Vereins istFörderung der tierärtztlichen
Wissenschaft und der Standesinteressen.“
Daß es sich in der Angelegenheit um ein endinentes Standes¬
interesse handelt, wird niemand in Abrede stellen können.
Wenn Herrr Professor Dr. Schmaltz die Veröffentlichung von
Tatsachen einen Angriff auf einen Kollegen nennt, dem er in dieser
Form und Schärfe nicht beitreten könne, und wenn er dann das
Handeln des Tierarztes Herrn Honigmann und das Verfahren des
Schienste dt zu erklären und zu entschuldigen sucht, so wird
er auch gestatten, daß die Tierärzte des diesseitigen Bezirks und
wie ich glaube annehmen zu dürfen, auch die gesamten
übrigen Tierärzte anderer Ansicht darüber sind als er. Wir, die
wir hier das Treiben des Schlenstedt und die ihm von Tierärzten
und Studierenden zuteil gewordene Unterstützung seit Jahren zu
beobachten Gelegenheit hatten, sind darüber doch wohl besser
unterrichtet als der Gewährsmann des Herrn Professor Dr. Schmaltz,
auch dürfen wir für unsere Angaben die gleiche Glaubwürdigkeit in
Anspruch nehmen, als sie Herr Professor Dr. Schmaltz seinem
Gewährsmann zuteil werden läßt.
Solange in Gönnern a. S. ein Tierarzt nicht vorhanden war,
hatte der Verein keine Veranlassung, sich um Schlenstedt zu
kümmern. Als sich aber im Herbst 1905 Herr Tierarzt Klimm eck
behufs Übernahme der Fleischbeschau dortselbst niederließ — er
ist auch noch in Gönnern und denkt meines Wissens nicht an ein
Fortgehen —, wurde manches bekannt, wogegen eingeschritten
werden mußte, um Schlenstedt in die durch Gesetz festgesetzten
Schranken zu weisen. Dabei wurde gerichtsseitig festgestellt:
1. Daß Schlenstedt sich in zahllosen Fällen Tierarzt genannt
hatte und er diesen Titel nicht führen dürfe;
2. daß er gelegentlich seiner Verheiratung in das .Standesamts¬
register als Tierarzt eingetragen war und dieses zu be¬
richtigen sei;
3. daß er in Übertretung einer für den diesseitigen Bezirk
erlassenen landespolizeilichen Anordnung Schweine mit
Kulturen gegen Rotlauf geimpft hatte.
Dazu kommt noch:
4. Die bereits bekannte Tatsache, daß Schlenstedt einen
jungen Kollegen aus Süddeutschland als Assistenten engagiert
hatte, ohne ihm mitzuteilen, daß er selbst nicht Tierarzt sei.
Wie Herr Professor Dr. Schmaltz in Anbetracht dessen noch
schreiben kann, daß auf Herrn Schlenstedt, trotzdem er die
tierärztliche Approbation nicht erworben habe, das Wort „Pfuscher“
schlechtweg nicht angewandt werden könne, weil er tatsächlich
Tiermedizin studiert hat, ist uns hier im Bezirk unverständlich
und wird es auch wohl allen übrigen Kollegen sein. Für uns gibt
es nur eine Art von Pfuscher und zwar sind solche alle Personen,
die die Tierheilkunde gewerbsmäßig ausüben, ohne die Approbation
erworben zu haben; ob sie Tiermedizin studiert haben oder nicht,
ist dabei ganz gleichgültig. Auf diesen Standpunkt hat sich auch
die Reichsregierung in dem bereits veröffentlichten „Vorläufigen
Entwurf eines Gesetzes, betr. die Ausübung der Heilkunde durch
nicht approbierte Personen und den Gehciramittelverkehr“ gestellt
Nach § 1 des Entwurfs fallen unter das Gesetz: Personen, welche
sich gewerbsmäßig mit der Behandlung von Krankheiten,
Leiden oder Körperschäden an Menschen oder Tieren
befassen, ohne die entsprechende staatliche Anerkennung
(Prüfungszeugnis, Approbation) erbracht zu haben.
Diese Definition des Wortes „Kurpfuscher“ ist so klar, daß
daran nicht zu rütteln ist, und sobald der Entwurf Gesetz geworden
ist, unterliegt auch Schlenstedt den Bestimmungen desselben.
Wohin sollte es auch führen, wenn man zweierlei Kurpfuscher
unterscheiden wollte, und wenn wir diejenigen, die den vor¬
geschriebenen Studiengang durchgemacht, die Approbation aber
nicht erworben haben, gewissermaßen als Kollegen betrachten
sollten? Dazu wird sich der tierärztliche Stand meiner festen
Überzeugung nach niemals verstehen!
Daß Schlenstedt auf mehreren tierärztlichen Hochschulen
als Student immatrikuliert war, ist hier wohl bekannt. Darauf,
weshalb er das Staatsexamen nach Beendigung des Studiums nicht
abgelegt hat, braucht hier nicht eingegangen zu worden. Er hat
es aber auch später, als er wohl dazu in der Lage war und der
verstorbene Professor Dr. Putz Halle a S. ihm zur Ablegung des
Examens die Wege bestens geebnet hatte, nicht nachgeholt.
Ebenso bekannt war hier, daß Schlenstedt bei dem Korps
Salingia aktiv gewesen ist. Es ist bisher absichtlich von hier aus
vermieden worden, dieses Korps öffentlich mit der Angelegenheit
Schlenstedt in Verbindung zu bringen. Nachdem Herr Professor
l)r. Schmaltz dies getan bat, liegt nunmehr für uns kein Grund
mehr vor, auch ferner mit Schweigen darüber hinwegzugehen. Hätte,
wie Herr Professor Dr. Schmaltz annimmt, die Verbindung nur
in einem Verkehr der Mitglieder des Korps mit Schlenstedt be¬
standen, so wäre darüber kein Wort zu verlieren. Leider ist dem
nicht so. Es ist hier vielmehr allgemein bekannt, daß seit der
Zeit, zu der sich Herr Tierarzt Klimm eck in Gönnern niederließ,
sowohl Studierende als auch Tierärzte, die dem Korps Salingia
angehören, für Schlenstedt wiederholt solche tierärztlichen Ver¬
richtungen Vornahmen, die dieser, um sich nicht strafbar zu machen,
selbst nicht ausführen durfte. Von einem Tierarzt sind dem
Schlenstedt sogar Rotlaufkulturen, die dieser nicht mehr direkt
beziehen konnte, auf sehr eigenartige Weise verschafft worden.
Bei aller Hochachtung vor dem Korpsgeist der Mitglieder der
Salingia wird doch kein unbefangen urteilender Tierarzt eine
derartige Unterstützung eines Pfuschers im Kampfe gegen einen
Tierarzt, deren Zweck doch nur war, dem letzteren die Existenz
zu untergraben und so für Schlenstedt wieder freie Bahn zu
schaffen, billigen können. Wenn wir im Interesse unseres Standes
und besonders in dem der jungen, um ihre Existenz ringenden
Kollegen das Kurpfuschertum auf der einen Seite mit allen er¬
laubten Mitteln bekämpfen, können wir auf der anderen keine
Ausnahme davon zugunsten einer Person machen, die zufällig
einmal bei einem Korps aktiv war.
Die Annahme des Herrn Professor Dr. Schmaltz, daß Herr
Tierarzt Honigmann vielleicht einmal an die Stelle des
7. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
349
Schienste dt treten will, könnte, selbst wenn sie Tatsache würde,
die jetzt von Herrn Tierarzt Honigmann mit Schienste dt ein¬
gegangene Gemeinschaft auch nicht rechtfertigen. Ein Arzt würde
es heute überhaupt nicht mehr wagen, sich auf solche Weise eine
Praxis zu verschaffen, und versuchte er es dennoch, so würde das
Ehrengericht ihu derartig strafen, daß er zeitlebens daran denken
müßte. Und ich meine, wir Tierärzte wollen doch hinsichtlich der
Hochhaltung unserer Standesehre nicht hinter den Ärzten zurück¬
stehen. Deshalb wird der Verein auch mit aller Energie das Kur¬
pfuschertum dort bekämpfen, wo es einem Kollegen in den Weg
tritt, und dazu muß er sich, so lange wir keine Ehrengerichte haben,
besonders in einem Falle wie dem vorliegenden, der Fachpresse
bedienen.
Der Vorsitzende des tierärztlichen Vereins für den Regierungsbezirk
Merseburg.
Dr. Felisch-Merseburg.
Anmerkung.
Obwohl ich es nicht für sachlich notwendig halte, die An¬
gelegenheit, auf die sich obige Erwiderung bezieht, weiter in der
Presse zu behandeln, habe ich doch diese Erwiderung, um mich
ihr gegenüber völlig objektiv zu zeigen, wiederum aufgenommen,
muß aber meinerseits, übrigens zum letzten Male, folgendes hin¬
zufügen.
Zunächst verwahre ich mich bezüglich der Worte: „Auch
dürfen wir für unsere Angaben die gleiche Glaubwürdigkeit in An¬
spruch nehmen, als sie Herr Professor Dr. Schmaltz seinem Ge¬
währsmann zuteil werden läßt“, mit Nachdruck dagegen, daß ich
diese Glaubwürdigkeit irgendwie angezweifelt habe. Das kann aus
meiner Notiz in Nr. 17 unmöglich irgend jemand herauslesen. Ich
vermag nur aus den gemachten tatsächlichen Angaben meinerseits
nicht zu dem gleichen Urteil zu kommen, wie Herr Veterinärrat
Dr. Felisch; ich hielt es daher für notwendig, den Lesern der
B. T. W. neben jenen Angaben auch solche ebenfalls tatsächliche
mitzuteilen, die meiner Ansicht nach geeignet sind, die notwendige
Ergänzung des Tatbestandes zu objektiver Beurteilung herbei¬
zuführen.
Ich habe gar keine Veranlassung, Herrn Schlenstedt, den
ich nie gesehen habe, zu entschuldigen; ich bedaure, daß er das
Examen nicht vollendet hat, und kann nicht billigen, wenn er sich
Tierarzt nennt, ohne es zu sein. Für mich handelt es sich aber
nicht um Herrn Schlenstedt, sondern um den jungen Kollegen
Honigmann, den in Schutz zu nehmen ich mich für berechtigt
halte, da ich ihn kenne. Ich kann die Veröffentlichungen des
Herrn Veterinärrat Dr. Felisch als Erklärungen des Merseburger
Vereins nicht akzeptieren, da sie aus einer Beschlußfassung dieses
Vereins nicht hervorgegangen sind. Ganz sicher unrecht aber hat
Herr Felisch mit der Annahme, daß alle Tierärzte sich seinem
harten Urteil anschließen würden. Anders denkt zunächst, wie ich
dagegen behaupte, der ganze R. S. C. — und er hat ja wohl in
der tierärztlichen Gesellschaft eine Stellung und mit seiner Meinung
ein Gewicht. Wenn der R. S. C. Herrn Bruno Schlenstedt, den
ehemaligen Burschen des Korps Salingia, für einen gewöhnlichen
Pfuscher ansähe, dann würde in der fünften Quittung über die
Beiträge zum Rudolstädter Denkmal unter Nr. 302 der Beteiligten
nicht stehen: „Bruno Schlenstedt-Cönnern, Salingiae, 30 M.‘‘
In dieser Angelegenheit hat also zunächst gegenüber Herrn Vetcrinär-
rat Dr. Feilsch und Herrn Tierarzt Klimmeck-Cönnern der R. S. C.
das Wort.
Ich für meine Person möchte nur bemerken, daß man den vor¬
liegenden Fall durch Hinweis auf die gesetzliche Definition des
Pfuschertums eben nicht schlichtweg erledigen kann. Es steht auch
geschrieben, daß vor dem Gesetz alle Preußen gleich sind, und das
hindert uns nicht im mindesten, zwischen ihnen gesellschaftliche
Unterschiede zu machen. Und so bleibt für mich zwischen dem,
der rite ein Studium vollendet hat, und dem medizinisch
ungebildeten Charlatan ein Unterschied bestehen. Ich weiß nicht,
ob es wahr ist, was erzählt wird, daß auch der Vorsitzende eines
Gerichtshofes in dortiger Gegend den gegenüber Herrn Schlenstedt
angewandten Ausdruck Pfuscher mit dem Bemerken zurückgewiesen
hat, daß diese Bezeichnung hier durchaus nicht am Platze sei, da
es sich um einen gebildeten Mann handele. Demnach scheinen die
Ansichten über diesen Fall doch geteilter zu sein, als Herr
Veterinärrat Dr. Felisch annimmt. Das beste wäre schon, wenn
Herr Schlenstedt noch jetzt das Restchen Examen, was er da¬
mals versäumt hat, nachholen wollte. Daß man ihn auch heute
noch für würdig erachten würde, in den tierärztlichen Stand ein¬
zutreten, geht ja auch aus Felisch’s obiger Mitteilung hervor, daß
kein geringerer als der untadelige Pütz sich seinerzeit dafür
interessiert hat.
Im übrigen bedaure ich, Herrn Dr. Felisch, dessen Verdienste
um die Hebung des tierärztlichen Standes ich voll anerkenne, in
diesem einzelnen Punkte widersprechen zu müssen.
Schmaltz.
Brauch und Mißbrauch.
Im Laufe der Jahre ist der B.T.W. eine große Zahl von
Einsendungen zugegangen, die sich auf Fälle beziehen, in denen
ein Tierarzt durch das oder jenes gegen die Standesinteressen
oder die Standessitte verstoßen haben soll. Der eine soll sich
in ungehöriger Weise Praxis gesucht haben; der andere hat
ein reklamehaftes Schild an seine Tür genagelt; der hat Sprech¬
stunden angezeigt an einem Orte, wo er nach der Meinung
eines anderen Kollegen nichts zu suchen hatte; jener hat in den
Gasthäusern der Dörfer seine Adresse ausgestellt, und so fort.
Ich habe diese Einsendungen im allgemeinen öffentlich nicht
berührt, das Material aber sorgfältig angesammelt. Meiner
Ansicht nach ist es noch nicht an der Zeit, diese Fälle von
angeblichen aber verhältnismäßigen geringfügigen Verstößen
öffentlich zu beurteilen. Wenn man Verstöße gegen die Standes¬
sitte feststellen will, so muß vor allen Dingen erst feststehen,
was Standessitte ist, und hierüber dürften die Meinungen in
einer großen Zahl von Fällen doch noch durchaus unklar sein.
Das ist keineswegs ein Mangel im tierärztlichen Stande. Wissen
wir doch, daß die ärztlichen Ehrengerichte Jahre hindurch ihre
meiste Zeit eigentlich dazu verwendet haben, über die Größe
von Türschildern und dergleichen Kleinigkeiten Urteile abzu¬
geben. Unzweifelhaft gibt es eine ganze Anzahl von Punkten —
ich errinnere nur an die Betätigung der Tierärzte im Tierhandel
und das Verhalten zum benachbarten Kollegen —, für welche
erst Normen aufgestellt werden müssen. Diese Normen können
nur dann zur allgemeinen Gültigkeit gebracht werden, wenn sie
von einer maßgebenden Organisation aufgestellt werden, und
dazu sind nur die Tierärztekammern geeignet. Wir wollen
daher die Be- und Verurteilung jener angeblichen oder wirklichen
Verstöße gegen die Standessitte, die nicht ganz klar und kraß
liegen, doch so lange verschieben, bis die Tierärztekammern
geschaffen sind und sozusagen Gesetze gegeben haben. Diese
Gesetze müssen erst da sein, sie müssen erst Zeit zur Ein¬
wirkung haben, und dann erst wird man in der Lage sein,
Übertretungen aufzugreifen, zu verfolgen und zu bestrafen.
Deshalb bin ich auch der Meinung, daß es durchaus kein Mangel
ist, wenn die Tierärztekammern in Preußen vorläufig ohne
Ehrengerichte eingeführt werden. Die Rechtsprechung der
Ehrengerichte müßte ja doch eine völlig Willkürliche sein. Ein
Gericht muß doch Gesetze vorfinden, und wir haben kein Standes¬
gesetz. Mit dem Hinweis auf die allgemeine Bürger- und
Anstandspflicht kommt man bei sehr vielen Spezialfragen eines
bestimmsen Standes nicht aus. Ja, ich würde aus diesem
Grunde es sogar für einen Fehler halten, wenn man die Tier¬
ärztekammern gleich mit dem Ehrengericht bepacken würde.
Dieses Ehrengericht würde sofort von einer Unmasse von Klagen
überschwemmt werden, von denen 99 Prozent die angebliche
350
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
Inkollegialität eines konkurrierenden Nachbars znm Gegenstand
haben würden. Die Ehrengerichte würden ihre Zeit mit einer
Menge unfruchtbarer Untersuchungen verschwenden, vielleicht
auch manche Fehlsprüche fällen. Schaffen wir uns also erst
die festen Formen, und dann mögen wir zusehen, daß jeder
innerhalb derselben verbleibe. S chm alt z.
Fünfzigjähriges Dienstjubiläum.
Am 10. Mai feiert (vgl. Ankündigung des Thüringer
Vereins Nr. 16, S. 294) ein ehrwürdiger Veteran des tierärzt¬
lichen Standes sein fünfzigjähriges Jubiläum als Tierarzt —
Herr Schlachthofdirektor a. D. Albert Kleinschmidt zu
Erfurt. Geboren am 18. August 1833, erwarb er 1858 die Appro¬
bation als Tierarzt I. Kl., diente in den nächsten Jahren unter
den damaligen primitiven Verhältnissen (mit nenn Jahre Monats¬
sold) bei der Truppe in Liebenwalde und Belgard und wurde
1867 Bezirkstierarzt in Apolda. Als im Jahre 1880 der neue
Schlachthof zu Erfurt eröffnet wurde übernahm er die Leitung,
zunächst als Inspektor und dann als Direktor, und behielt sie
bis znr Pensionierung im Jahre 1901.
Es ist dem jetzt im 75. Lebensjahre stehenden Kollegen
vergönnt, sein Jubiläum in vorzüglicher geistiger und körper¬
licher Frische im Kreise seiner Freunde und Kollegen zu be¬
gehen, und wenn er seit seiner Pensionierung mit den jüngeren
Kollegen auch weniger in Berührung gekommen und bekannt
geworden sein mag, so ist er den älteren Kollegen um so be¬
kannter. Denn er ist stets mit großem Eifer für den tierärzt¬
lichen Stand, seine Bestrebungen, seine Anerkennung und
Hebung eingetreten. Vor allem hat seine rege Tätigkeit für
die Erbauung neuer Schlachthöfe in den Städten und die domi¬
nierende Stellung der Tierärzte in ihnen gesorgt, und so manchen
Schlachthofplan hat er durchgearbeitet und eine größere Zahl
von Tierärzten in den Schlachthofbetrieb und die praktische
Ausübung der Fleischbeschau eingeführt. Bei seinem klaren
Einblick in alle einschlägigen Verhältnisse war es ihm möglich,
jungen Kollegen über alle möglichen Fragen wertvolle Auskunft
zu geben und praktische Ratschläge zu erteilen. Man darf
sagen, daß der alte Kleinschmidt zu den Bahnbrechern gehört
hat, welche die Schlachthöfe für die Tierärzte erobert haben.
Kleinschmidt hat aber auch sonst nicht untätig zur Seite
gestanden, sondern weit über seinen engeren Wirkungskreis
hinaus mitgewirkt an der Fortentwicklung des tierärztlichen
Standes. Deshalb sei ihm auch an dieser Stelle ein herzlicher
Glückwunsch dargebracht zur ehrenvollen Vergangenheit und
für einen durch das Bewußtsein treuer Pflichterfüllung ver¬
schönten Lebensabend. Schmaltz.
Einführung der Pauschalierung In Preußen.
Die Pauschalierung der Reisekosten und Tagegelder der
preußischen KreiBtierärzte ist in aller Stille vorbereitet und
sozusagen über Nacht zur Tatsache geworden. Obwohl sie mit
der Beamtenbesoldungsvorlage verknüpft ist, da eine Gehalts¬
aufbesserung ihre grundsätzliche Voraussetzung gebildet hat, so
hat man doch auf jene Vorlage nicht warten wollen und aus Zweck¬
mäßigkeitsgründen die Pauschalierung schon mit Beginn des neuen
Etatsjahres eingeführt, denn der Ministerialerlaß, welcher in
nächster Nummer veröffentlicht und besprochen werden soll, gibt
ihr rückwirkende Kraft vom 1. April dieses Jahres.
So ist diese einschneidende Maßregel rascher gekommen,
als man geglaubt hat, und vielleicht wird man sich auch rascher
und leichter damit abfinden, als nach dem überwiegenden Wider¬
spruch gegen ihre Einführung angenommen werden konnte.
Jener Wiederspruch war im Grunde berechtigt, denn es ist
offenbar das gesundeste Prinzip, bei Dienstverrichtungen, deren
Umfang sich jeder Vorausberechnung entzieht, das einzelne ent¬
stehende Geschäft zu bezahlen. Es bleibt abzuwarten, ob die
Pauschalierung nicht Nachteile im Sinne des Dienstinteresses
bringen wird und ob zutreffendenfalls solche von Aufsichts¬
wegen so einfach zu veriiindem sein werden. Aber andererseits
geben die Männer der Praxis offen zu, daß auch das bisherige
System Nachteile für den Dienstbetrieb hatte, die auch nicht
zu verhindern waren. Vor allem hatte man sich aber schon mit
dem Gedanken vertraut gemacht, daß nach dem Vorgang der
Ärzte die Maßregel doch unvermeidlich geworden war. Es kam
also nur noch darauf an, wie dabei das berechtigte wirtschaft¬
liche Interesse der Kreistierärzte gewahrt werden würde. Und
da muß man wohl zugeben, daß dies, wohl über Erwarten, ge¬
lungen ist. Die Kreistierärzte, welche man erfreulicherweise
nicht versäumt hatte ins Vertrauen zu ziehen, sind dem Ver¬
nehmen nach durchaus befriedigt. Auf die Einzelheiten wird
die Besprechung in nächster Nummer eingehen. Schmaltz.
Gebühren für Zeugen und Sachverständige.
Nach Zeitungsmeldungen wird vom Reichsjustizamt und
Preuß. Justizministerium eine Umarbeitung der Gebührenordnung
für Zeugen und Sachverständige vorbereitet. Da werden die
tierärztlichen Standes Vertretungen rechtzeitig auch ihre Wünsche
Vorbringen müssen. Sind die Sachverständigen-Gebühren doch
fast ausnahmslos bundesstaatlich besonders festgesetzt, so bedarf
die Bemessung der. Zeugengebühren für Tierärzte um so mehr
einer angemessenen einheitlichen Regelung.
Anerkennung des Schweizer Doktor-Titels.
Dem Oberveterinär im 2. Bad. Dragoner-Regiment, Alfred
Hoffmann zu Schwetzingen in Baden, ist von der Regierung
seines Heimatstaates Schwarzburg-Rudolstadt die Genehmigung
zur Führung des in Bern erworbenen Doktor-Titels erteilt. Die
Großherzogi. badische Regierung hat ihm daraufhin die gleiche
Genehmigung innerhalb Badens erteilt.
Personalien.
Zum Staatstierarzt von Hamburg ist der Professor
Dr. Peter, preußischer Kreistierarzt zu Angermünde und
derzeitiger Vorsitzender des Vereins der beamteten Tierärzte
Preußens, ernannt worden. Die Wahl dürfte eine recht glückliche
sein. Die Verhältnisse der vielbegehrten Stelle hatten sich in
letzter Zeit durch persönliche Umstände schwieriger gestaltet.
Diese Schwierigkeiten werden sich nur allmählich wieder ein-
ebnen lassen und die Durchführung einer solchen Aufgabe ist
wesentlich wenn nicht allein von persönlichen Eigenschaften
abhängig. Der neue Staatstierarzt dürfte gerade diese Eigen¬
schaften besitzen.
Sehr erfreuliche Auszeichnungen sind einigen süddeutschen
Kollegen zuteil geworden, die Landestierärzte von Bayern,
Württemberg und Baden haben das Komturkreuz des öster¬
reichischen Franz Joseph-Ordens erhalten.
Der zum Professor in München ernannte Dr. Schmitt-
Stettin hat auf die Übernahme der Professur verzichtet. Es ist
dies binnen kurzem der zweite Fall, daß in München eine voll¬
zogene Berufung nachträglich sich nicht verwirklicht.
7. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
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Anonyme Kritik.
Die Deutsche Tierärztliche Wochenschrift bringt in Nr. 18
eine Auslassung über die Berliner Berufungen, welche sich
gegen meinen Artikel in Nr. 15 der B. T. W. wendet. Der
Artikel trägt die Unterschrift: Tierarzt“ und ist stark
persönlich gegen mich gerichtet. Meiner Auffassung nach deckt
ein Gentleman derartige Angriffe mit seinem Namen. Da im
vorliegenden Falle die geäußerten Ansichten und Trugschlüsse
ans verdeckter Quelle fließen, so entziehen sie sich der Be¬
achtung. Schmaltz.
R. S. C.-Denkmal.
Wie früher mitgeteilt worden ist, beabsichtigen die Ange¬
hörigen des Rudolstädter Seniorenkonvents in Rudolstadt, dem
Ort ihrer jährlichen Zusammenkünfte, ein Wahrzeichen zu er¬
richten. Dasselbe soll bestehen in der Bronzefigur eines
Studenten, die in angemessener Umgebung aufgestellt werden
soll. Das Denkmal ist bereits fertig, und man hofft bestimmt,
daß die Enthüllung bei der diesjährigen Tagung des R. S. C.
wird stattflnden können. In dieser Angelegenheit hat kürzlich
Professor Dr. Eberlein-Berlin (Teutoniae) in Rudolstadt ge¬
weilt. Er ist aus diesem Anlaß von Seiner Durchlaucht dem
Fürsten zur Tafel gezogen worden. Seine Durchlaucht hat sein
warmes Interesse an der Errichtung des Denkmals bekundet und
bei der Enthüllungsfeier sein und seiner Gemahlin Erscheinen
in Aussicht gestellt. Von den auf 15 000 M. zu schätzenden
Kosten sind zwei Drittel durch die bisherigen Sammlungen ge¬
deckt. Es wäre wünschenswert, wenn auch der Rest möglichst
schnell aufgebracht werden würde. Daß er zusammenkommt,
daran ist sowieso ja nicht zu zweifeln. S.
Die Wiener tierärztliche Hochschule.
Überaus betrübende Mitteilungen bringen die Zeitungen aus
Wien von der tierärztlichen Hochschule. Nach dem Bericht
der „Berl. N. N* demonstrierten die Studierenden, etwa 200 an
der Zahl, und verhinderten durch Lärm die Vorlesungen. Die
Studenten überreichten dem Rektor folgende Forderungen: Unter¬
stellung unter das Unterrichtsministerium, Entfernung der Kur¬
schmiede von der Hochschule und Genugtuung für Beleidigung
der Studenten durch diensttuende Wachtmeister. Die Demon¬
stranten schrien: „Weg mit dem Militär, weg mit dem Kriegs¬
ministerium!“ Der kommandierende Rittmeister ließ zwei
Bataillone Infanterie requirieren, die mit gefälltem Bajonett die
Studenten auf die Straße trieben. Die Vorlesungen wurden bis
auf weiteres eingestellt. —
Dieser Vorgang ist für eine Hochschule unter allen Um¬
ständen eine Schmach. Man muß das Vorgehen der Studenten
auf das schärfste mißbilligen. Aber die größere Schuld und
die Verantwortung wird man trotzdem der Verwaltung zuschieben,
die jahrelang handgreiflichen Mißständen zusieht, die die fort¬
währenden Klagen ungehört verhallen läßt und den schon lange
hervorgetretenen Zuckungen wachsender Erregung gegenüber
nicht schleunige Maßregeln, so oder so, ergreift. Mit tiefem
Befremden wird die ganze akademische Welt, wird das gebildete Aus¬
land vernehmen, daß Studenten dem Rektor einer Hochschule in un¬
gehöriger Form Forderungen stellen und daß nicht etwa der Rektor
für berechtigte Zurückweisung sorgt, sondern daß „der
kommandierende Rittmeister“ eingreift. Man wird daraus den
Schluß ziehen, daß der Rektor dieser Hochschule zur völligen
Ohnmacht verurteilt ist und daß er in Dingen, die an den
Lebensnerv seiner Hochschule greifen, das Ermessen eines Ritt¬
meisters schalten lassen muß. Mit Bedauern oder Entrüstung,
je nach der politischen Anschauung, wird man lesen, daß dieser
Kommandant einer Hochschule gegen lärmende Studenten
eine Militärmacht auf bietet, eine Maßregel, die man heutzutage
selbst gegenüber ernstlich revoltierenden Massen auf der Straße
solange als irgend möglich vermeidet und die sogar im viel
verlästerten Rußland nur bei den ärgsten akademischen Exzessen
zur Anwendung gebracht worden ist.
Angesichts dieses überaus traurigen Vorkommnisses kann
man nur den ehrlichen und teilnehmenden Wunsch aussprechen:
Möge die Studentenschaft zur Ordnung zurückkehren. Möge aber
nun auch endlich die österreichische Staatsregierung schleunig den
unhaltbaren Zuständen, die im Auslande seit einem Menschenalter
schon überwunden sind, ein Ende machen. Das Vorgehen der
Studenten wird man mißbilligen, ihre Forderungen von ganzem
Herzen billigen, auf allen hohen Schulen des In- und Auslandes.
Das k. k. Kriegsministerium hat hinreichend bewiesen, daß es die
bessernde Hand — aus welchem Grunde auch immer — an
die Wurzel des Übels nicht legt. Möge endlich das
Unterrichtsministerium an seine Stelle treten, möge dann
die Sorge für Ordnung von dem „kommandierenden Rittmeister“
auf den akademischen Rektor übergehen. Möge vor allem die
Hochschule endlich von dem Anhängsel befreit werden, das zu
ihr nun einmal nicht paßt; möge man für die Ausbildung der
Kurschmiede eine recht schöne Sonderanstalt bauen. Der Wacht¬
meister gehört tatsächlich nicht auf die Hochschule. Das empfindet
die ganze akademisch-gebildete Welt. Schmaltz.
XXXXVill. Generalversaminh»| des Vereins der Tierärzte des Reg.-Bezirks
Wiesbaden
am Samstag, den 23. Mai 1908, im Hotel „Alte Post“ zu Limburg
Beginn der Versammlung vormittags ll 1 /, Uhr.
Tagesordnung:
1. Vcreinsangelegenheiten. (Eingänge, Kassenbericht, Vorstands¬
wahl.)
2. Vortrag: „Südafrikanische Tierseuchen und ihre Bekämpfung“.
(Herr Veterinärrat Rickmann-Höchst.)
3. Mitteilungen aus der Praxis.
4. Anträge und Wünsche.
Um 2 Uhr: Gemeinsames Mittagsmahl unter erwünschter Be¬
teiligung der Damen. Abends: Musikalische Vorträge. — Tanz.
Gäste sind willkommen.
I. A.: Simmerraacher, Schriftführer.
Westpreußisohe Landwirtschaftskammer.
Im Graudenzer Geselligen (Nr. 85 vom 9. April 1908) wird eine
Bekanntmachung der westpreußischen Landwirtschaftskammer mit¬
geteilt, welche Bich auf die Vornahme von Rotlaufimpfungen durch
die von der Kammer beauftragten Tierärzte und auf die Anmeldung
dieser Impfungen usw. bezieht. Darin heißt es unter anderem:
„Hierbei macht die Landwirtschaftskammer darauf aufmerksam, daß
fast alle an Rotlauf erkrankten Schweine bei sofortiger Heilimpfung
mit Rotlaufserura gerettet werden. Die Kammer empfiehlt deshalb
allen Schweinebesitzern, sich eine Impfspritze und Rotlaufserum
vorrätig zu halten, das, küld aufbewahrt, mindestens ein Jahr lang
seine volle Wirkung behält.
Literarische Notizen.
Die B T. W. hat sich seit laugem einer Verpflichtung nicht
genügend zn entledigen vermocht, die in der Veröffentlichung von Be¬
sprechungen zugesandter Werke besteht. Es gehört zu den erfreulichen
Erscheinungen für eine Redaktion, wenn der Stoff stets in über¬
reichlicher Fülle vorhanden ist; aber es ist nicht immer leicht, diesem
Umstande gerecht zu werden, und wir sind seit Jahren genötigt, mit
fast fortgesetzten Verstärkungen des ursprünglich festgestellten Um-
352
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19.
fange» zu arbeiten. Namentlich stellt bei der regen Entwicklung, die
sich in unserm Stande vollzieht, das tagesgeschichtliche Material große
Anforderungen an den Raum. So ist es erklärlich, wenn minder
Wichtiges schließlich immer wieder zurück gestellt wird. Daß aber im
Interesse der Leser längere Besprechungen von Büchern hinter anderem
Stoff zurückstehen, kann man füglich nicht bezweifeln. Es kommt
dazu, daß fast alle Rezensenten dazu neigen, in dem an sich richtigen
Bestreben, den Lesern ein vollkommenes Bild zu geben, ihre Be¬
sprechungen stark auszudehnen. Andrerseits ist allgemein anerkannt,
daß der Wert der Bücherbesprechungen nur ein bedingter ist, da sie
sich nur teilweise als wirklich überlegene und überlegte Kritiken dar-
stellen und darstellen können. So sind schon angesehene Zeitschriften
zu dem Brauch übergegangen, überhaupt nur noch kurze Selbstanzeigen
zu veröffentlichen. Auch die B. T. W. ist gezwungen, der chronischen
Ansammlung verspäteter Rezensionen ein Ende zu machen. Wir haben
seit langem schon jlie neuen Erscheinungen kurz erwähnt. Es sollen
in Zukunft mit tunlichster Beschleunigung bei den geeigneten Büchern
Besprechungen veröffentlicht werden, die sich jedoch auf das kürzeste
Maß zu beschränken haben. Dem Interesse der Leser der B.T. W. dürfte da¬
durch genügt sein, daß die neuen Erscheinungen ihnen mitgeteilt und
immerhin kurz charakterisiert werden. Wenn die Verlagsbuchhandlungen
dadurch ihr Interesse nicht genügend gewahrt glauben, so ist es ihnen
unbenommen, von Einsendungen abzusehen. Daß auch die Verlags¬
buchhandlung der B. T. W. selbst durchaus nicht bevorzugt worden ist,
ergibt die hierunter folgende Zusammenstellung von Erscheinungen
dieses- Verlages. Die Redaktion.
1. Farbige Tierbilder von Wilhelm Kuhnert. 10 Lieferungen
mit 60 Bildern. Preis 20 M. mit Sammelmappe. Berlin. Verlag von
Martin Oldenbourg.
Vor mehreren Jahren ist ein prachtvolles Werk von Haacke und
Kuhnert unter dem Titel: „Das Tierleben der Erde“ veröffentlicht
worden. Es ist ein Ersatz filr das berühmte Werk von Brehm. Der
wissenschaftlich hervorragende Text zeichnet die Lebensbilder der Tiere
iu anziehendster Form, und diese Zeichnung wird wirkungsvoll unter¬
stützt durch die beigegebenen Abbildungen, welche Kunstwerke des
berühmten Tiermalers Wilhelm Kuhnert in wundervollem Dreifarben¬
druck wiedergeben. Jenes Werk ist sehr teuer (Preis der 4 Bände
ca. 80 M). Die Verlagsbuchhandlung hat daher den Plan gefaßt, eine
Auswahl jener Bilder gesondert mit einem ganz kurzen Text auszugeben.
Ausgewählt sind Säugetiere und Vögel .aller Erdteile. Die Bilder sind
alle von höchster Vollendung, wohl das Schönste, was auf diesem Ge¬
biete bisher geboten ist. Bilder wie das Eichhorn und der Baummarder
müssen das Auge jedes Künstlers wie jedes Tierfreundes entzücken,
sowohl durch die Tiergestalten wie durch die landschaftliche Um¬
gebung. Die Bilder sind viel zu schade, um in einer Mappe zu ver¬
schwinden; sie verdienen, zum großen Teil wenigstens, als Zimmer-
schmuck das Auge täglich zu ergötzen; sie sind dafür auch wirkungs¬
voll auf grauem Karton montiert. Ihr Zweck würde noch besser
erreicht sein, wenn die Auswahl vielleicht nach einem andern Prinzip
erfolgt wäre, indem z. B. die Tiere des deutschen Waldes für sich zu-
sammengestellt wären, die man gern an der Wand sehen wird, während
der Flamingo oder das Känguruh dazu weniger anreizen. Die Samm¬
lung bietet ein hervorragendes Anschauungsmaterial für Schüler, und
für diese ist anch der kurze Text zugeschnitten, der nicht ganz dem
Niveau der Bilder entspricht. Aber jedenfalls ist diese Sammlung mehr
als ein Werk für die Jugend. Der Preis ist in Anbetracht der Schön¬
heit und des Wertes der Bilder ein sehr mäßiger zu nennen.
2 . Das Veterinflrwesen der Vereinigten Staaten von Nordamerika,
Reisestudie vom Professor Dr. Ostertag. Berlin. Verlagsbuchhandlung
von Richard Schoctz. Preis 6 M.
Ostertag hat die Gelegenheit erhalten, gelegentlich der Welt¬
ausstellung zu St. Louis, Nordamerika zu bereisen, und hat mit dem
Auge des Sachverständigen das weite Gebiet nach den Erscheinungen
des Veterinärwesens durchforscht. Das Buch bietet, in anziehendster
Weise geschrieben, außerordentlich viel Wissenswertes. Es behandelt
viel Wissenswertes. Es behandelt das Bildungswesen, die Veterinär¬
institute, die staatliche Organisation, die wichtigsten Seuchen und ihre
Bekämpfung und gibt in der zweiten Hälfte eine außerordentlich
wertvolle Übersicht über Viehverkehr, Vieh- und Schlachthöfe, Fleisch¬
beschauwesen und Milchverkehr.
3. Opefationskursus für Studierende und Tierärzte. Von Dr. Pfeiffer,
ordentlichem Professor der Tierheilkunde an der Universität Gießen.
Vierte vermehrte Auflage mit 65 Abbildungen. Ebenda. Preis 4 M.
Der durch seine Kürze und Klarheit sowie durch seine instruktiven
Abbildungen ausgezeichnete Operationskursus hat sich eine besondere
Beliebtheit erworben, was auch die vier Auflagen innerhalb zehn Jahren
beweisen. In der vorliegenden Auflage sind namentlich eine Anzahl
von Operationen neu aufgenommen, welche dem Zwecke der lokalen
und allgemeinen Narkose dienen. Der Verfasser bemerkt dazu sehr
mit Recht: „Das erfreuliche Verständnis für die reale und ideale
Bedeutung gerade der schmerzlosen Ausführung von Operationen auch
bei Tieren, das in immer weitere Kreise des interessierten Publikums
dringt, erleichtert nicht nur dem praktischen Tierarzt die Anwendung
der dankbaren Anästhesierungsmethoden, sondern macht sie ihm in
steigendem Maße zur Pflicht.“
4. Die tierpathogenen Protozoen. Von Paul Kästner, Tierarzt in
Berlin. 161 Seiten Oktav. Ebenda. Preis 5 M.
Der Verfasser, der längere Zeit in Deutsch-Südwestafrika tätig
gewesen ist und dann Assistent im hygienischen Institut der tierärzt¬
lichen Hochschule zu Berlin war, hat es unternommen, eine Lücke in
der veterinärmedizinischen Literatur auszufiillen, welche bisher kein
Werk aufwies, das die durch Protozoen bedingten Tierseuchen in zu¬
sammenhängender und moderner Weise behandelte. Das Werk dürfte
seinem Zweck, die Kenntnis speziell der tropischen Tierkrankheiten
und das Interesse dafür zu fördern, durchaus gerecht werden.
5. Viehseuchen und Herdenkrankheiten in Deutsch-SfldwestafHka.
Ein Leitfaden für Tierärzte, Offiziere und Farmer von H. iakobsen,
Oberveterinär in der kaiserlichen Schutztrappe. 104 Seiten Kleinoktav.
Ebenda. Preis 2,50 M.
Der Verfasser bespricht in Kürze die in Deutsch-Südwestafrika
vorkommenden Infektionskrankheiten und die in den praktischen Ver¬
hältnissen dort anwendbaren Mittel zur Verhütung und Bekämpffing.
Den Wert des Buches vermag nur ein Kenner Afrikas zu beurteilen,
und es sind von solchen verschiedene Urteile ausgesprochen worden.
Doch mag auch dieses Werkchen dazu dienen, die Beachtung des
Veterinärwesens in den Kolonien auch iui Heimatlande zu fordern.
6. Symptome, Wesen und Behandlung der Malaria. Im amtlichen
Aufträge bearbeitet von Dr. Erich Martini, Marineoberstabsarzt.
39 Seiten. Ebenda.
Das Werkchen gibt in vorzüglicher populärer Darstellung ein Bild
von dem Wesen des Wechselfiebers.
7. Professor Dr. Zwick: Schema des Blutkreislaufs beim Rinde,
sowie Schema des Blut- und Lymphstroms beim Rinde. Zwei Wand¬
tafeln im Format von 80:110. Ebenda. Preis je 7,60 M.
Die erste Tafel gibt eine zweckmäßig schematisierte Darstellung
des Blutkreislaufs des Rindes, die zweite zeigt den Blut- und Lymph-
strom in den Körper des Rindes eingeschaltet, halbschematisch, und
gibt namentlich eine instruktive Übersicht anch über die Lage der
wichtigsten Lymphdrüsen. Beide Tafeln sind im Charakter einer
populären Darstellung gehalten.
Das Zurüokhalten der Nachgeburt beim Rinde von Dr. C. Pomayer,
Distriktstierarzt zu Obergiinzburg im Allgäu. 64 Seiten mit 9 Ab¬
bildungen. Ebenda. Preis 2,50 M. — Eine sehr fleißige und gründliche,
für den Praktiker lesenswerte Studie. Sch mal tz.
8. Akademische Freiheit und Vaterlandsliebe. Festrede von
Professor Dr. Schmaltz. Ebenda. Sch mal tz.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Wirklichen Ober-
Regierungsrat Hugo Bi ?/?aö//pe; -Stuttgart, dem Ober-Regierungsrat
Hafner- Karlsruhe und dem Landestierarzt Regierungsrat Dr. Vogcl-
München das Komturkreuz des Kaiserlich Österreichischen Franz
Joseph-Ordens, dem Kreistierarzt a. D. Veterinärrat LiUkemüUer der
Rote Adierorden IV. Klasse, ferner dem Schlachthofinspektor
Ticmann zu Siegen der Titel Direktor.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Tierarzt Schröter-
Ehe zum Dozenten an der deutschen Kolonialschule in Witzen-
hausen. — Der zum Professor extraord. an die Tierärztliche Hoch¬
schule in München berufene Leiter des bakteriologischen Instituts
der Landwirtschaftskammer Stettin Dr. Franx Schmitt hat auf die
ihm übertragene Professur Verzicht geleistet. — Veterinär beamte:
Tierarzt Emst Starfinger definitiv zum Kreistierarzt in Darkehmen,
Distriktstierarzt Fr. Rehaber zum Grenztierarzt in Tittmoning. —
Schlachthof Verwaltung: Die Tierärzte Dr. Ji. Höfling-Lübeck zum
städt. Tierarzt in Bad Oldesloe (Holstein), Chr. Aug. Crohn zum
Schlachthoftierarzt in Lübeck. — Versetzt: Kreistierarzt l*rieur-
Jarotschin in die Krcistierarztstelle auf dem städt. Schlacht- und
Viehhofe in Berlin, Distriktstierarzt PocA/wa»m-Baunach in gleicher
Eigenschaft nach Fürstenzell.
Verzogen: Die Tierärzte Theodor J/ac/rens-Salzhausen nach Elze
(Hannover), Heinrich ZHluff- Wehr nach Durmersheim (Baden), IU. Franx
von Ebeleben nach Oetzsch bei Leipzig und H. Mummenthey nach
Ebeleben.
In der Armee: Preußen: Befördert: Stabsveterinär a. D. Holle
zum Marstall- Oberveterinär in Potsdam mit der ausdrücklichen Ge¬
nehmigung des Ministeriums, den Titel „Stabsveterinär“ weiterführen
zu dürfen. — Verabschiedet: Marstall-Oberveterinär, Veterinärrat
Thinius- Potsdam mit vollem Gehalt in den Ruhestand versetzt. —
Sachsen: Stabsveterinär Rwlolph im Feldart.-Regt. Nr. 77 zum
Oberstabsveterinär. — In der Schutztruppe für Deutpch-
Südwestafrika: Abgang: Oberveterinär Gräbenteich behufs
Wiederanstellung im Bereiche der Kgl. Preuß. Heeresverwaltung.
Todesfall: Kreistierarzt a. D. Claus Haß in Meldorf.
Vakanzen.
(Vgl. Nr. 18.)
Verantwortlieb für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Scbmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung ton Richard Scboetz in Berlin. —
Druck ton W. Büxenstein, Berlin.
Inhalt: Bugge: Intravenöse Injektion und Aderlaß durch eine Hohlnadel mit Stilett. — Hoerauf: Seuchenhaftes Auf¬
treten von akutem Magen-Darmkatarrh bei Wiederkäuern in und bei Otjiinbingwa in Deutschsüdwestafrika
Februar 1907. — Grabe: Eine bisher noch nicht erforschte Schlafkrankheit. — Suckow: Gelberübenvergiftung.
Leefa: Melanosis maculosa der Kalbslunge. — Überfruchtung (Superfoetatio) bei einer Sau.) — Referate:
Ondrafek: Erfahrungen über die Bovovaccination der Kälber gegen Tuberkulose nach Dr. v. Behring. — Zschokke: Zur
Tuberkulosebekämpfung. — Frohner: Tuberkulose kompliziert mit Brustseuche. — Vajda: Dürfen Hühner zwischen Schweinen
gehalten werden? — Dröge: Untersuchungen über das künstliche Kreuzen der Vorderschenkel und die Unempfindlichkeit
beim Treten auf die Krone. — Zimmerraann: Zur Geschichte des Hufeisens in Ungarn (mit Bezugnahme auf die Grabfunde
aus der Arpädenzeit). — Lechner: Der Hufbeschlag und die Schlagfertigkeit der Armee — Zusammensetzung einiger Geheim¬
mittel. — Aus der medizinischen Literatur. — Tagesgeschichte: Pauschalvergütung für die Dienstreisen der Tierärzte. — Das
' neue Beamtengesetz in Bayern. — Gebhardt: Tierärzte I. und II. Klasse? — Tierärzte im Meiereiwesen. — Verschiedenes. —
Literarische Notizen. — Personalien. — Vakanzen.
Intravenöse Injektion und Aderlaß durch eine j ül)er die Händedesinfektion gezeigt haben, ist eine Sterilisation
Hohlnadel mit Stilett. I der Hände fast unmöglich. Außerdem ist zu bedenken, daß
Von Dr Bugge, Kiel. diese Injektionen im Stalle vorgenommen werden, und der
Gelegentlich der Immunisierungsversuche von Pferden, Rindern Operateur im letzten Moment oft selbst verschiedene Handgriffe
und Eseln mit verschiedenen Bakterienarten, gelegentlich zahl- leisten muß, wodurch die Sterilität der Hände und der Injektion
reicher intravenöser Impfungen der Kälber gegen Tuberku- noch mehr in Frage gestellt wird.
lose mit Bovovaccin und Tauruman und der Blutentnahmen bei Mit den Aderlaß-Hohlnadeln von Dieckerhoff und Casper
Serumtieren war mir häufig aufgefallen, daß, obwohl die ge- wurden bei der Blutentnahme von Serumtieren ähhliche Er-
spannte Jugularis mit der Impf- _ fahrungen gemacht. Hier wurden
nadel getroffen war, aus der
sauberen und nicht engen Kanüle
Blut nicht abfloß, oder zuweilen
das Blut nur tropfenweise und
langsam hervorquoll. Wenn auf
eine Drehung der Kanüle dann
das Blut nicht im Strahle hervor¬
schoß, zog ich, ohne noch auf die
Vene zuzustechen, die Impfnadel
heraus. Stets konnte dann in
dem Anfangsteil der Kanüle ein
kleines Hautstück oder Geweb-
stiiek festgestellt werden, das bei
dem Stich durch die Haut und
das darunter liegende Gewebe wie
mit einem Locheisen herausge- aus der Haut heraus. Hierauf er-
stanzt war und sich in der Kanüle festgekeilt hatte. In solchen folgte meist eine umfangreiche Blutung aus der mehrfach durcli-
Fällen traten, ohne daß der Zweck des Versuches gelungen war, stoßenen Venenwand in die Umgebung der Vene, in das lockere
oft Blutungen in die Unterbaut und aus dem Loch der Haut auf Gewebe und die Stoßkanäle der Muskeln usw. Selbst aus der
die Oberfläche derselben auf. Bei einer derartigen Injektion konnte runden Einstichstelle traten größere Blutmengen hervor. Man
die Sterilität nicht immer gewahrt werden, weil man auf das hielt deshalb häufig die intravenöse Injektion für ein besonderes Ge-
Ende der Impfkanüle (Ansatzstück für den Spritzenkonus) den schicklichkeitskunststück; obwohl man die Vene zu treffen imstande
zwar desinfizierten Daumen der rechten Hand bringen mußte, war, wie die Blutungen aus der Vene in ihre Umgebung bewiesen.
Von Bayer und Pfeiffer wird diese Anordnung für die intra- Infolge einer Injektion, bei welcher nach dem Einstich
venöse Injektion angegeben. Wie nun aber die Untersuchungen das Blut nur tropfenweise aus der Nadel abfloß, und bei Be-
oft recht bedeutende Gewebstücke
aus der Haut, Unterhaut, Muskula¬
tur ausgestanzt, die dann entweder
die Hohlnadeln völlig oder teil¬
weise verschlossen. In solchen
Fällen glaubte man häufig die
Vene nicht oder nicht recht ge¬
troffen zu haben und versuchte
nochmals mit der unter der Haut
befindlichen Kanülenspitze die
Vene anzustechen. Wenn nach
mehreren diesbezüglichen Ver¬
suchen aus der verstopften Hohl¬
nadel kein Blut abfloß, so zog
man enttäuscht die Nadel völlig
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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
wegung der Hohlnadel die Vene folgte, — also die Hohlnadel
sich in der Vene befand, — ging mir ein Kalb an nekrotisierender
Lungenentzündung infolge eines eingespritzten ausgestanzten
Hautstückes ein. Bei diesem Tiere war, wie bei den übrigen
Impflingen des Bestandes, die Impfstelle sauber geschoren,
gründlichst gereinigt und desinfiziert worden.
Diese Gründe veranlaßten mich, für die intravenöse Impfung
und für den Aderlaß Impf- und Hohlnadeln zu konstruieren, bei
denen das Herausreißen von Gewebstücken aus der Haut und
Muskulatur usw. und dadurch eine Verstopfung der Kanüle aus¬
geschlossen ist. Es wurde in die Kanüle ein Stilett eingefügt,
das am oberen Ende der Kanüle entsprechend dem Anschliff
der Hohlnadel angeschliffen war, und das am unteren Ende eine
Daumenplatte trug. Die Aderlaß-Hohlnadeln enden in eine Olive,
die zur Befestigung eines Schlauches für die sterilen Entnahme
größerer Blntmengen dienen soll. An dem Konus oder der Olive
befindet sich gegenüber dem Anschliff der Hohlnadel eine kleine
Vertiefung, in welche eine Nase von der Daumenplatte eingreift.
Durch das Eingreifen der Nase in die Vertiefung ist Sicherheit
geboten, daß der Anschliff der Hohlnadel und des Stiletts über¬
einstimmt.
Dieses Instrument teilt auf Druck keilartig das Gewebe
auseinander, erzeugt also einen Stich und setzt nur Gewebs-
trennungen. Mit der offenen Kanüle werden häufig Gewebs-
zerreißungen erzeugt, die das Eindringen der Kanülen
in die Haut und in das darunter befindliche Gewebe
sehr erschweren. Oft genügt nicht der Druck mit dem
Daumen, sondern es muß bei der dicken Haut unserer
Haustiere, besonders der Pferde und Kinder, der Hand¬
teller zur Unterstützung herangezogen werden. Dadurch
und durch die Zerreißung mancherlei Gewebes- und
Nervenfasern beim Durchtreiben der offenen Kanülen
entstehen erhebliche Schmerzen dem Tier. Bei den abge¬
bildeten Kanülen und Hohlnadeln ist ein bedeutend geringerer
Druck notwendig, da eine Zerreißung von Gewebsfasern nicht
stattfindet. Die spitzen Kanülen gleiten leicht durch die Haut.
Die intravenöse Injektion oder der Aderlaß läßt sich meist ohne
besondere Bremsvorrichtung an dem Tiere vornehmen. Selbst
Serumtiere, bei denen in jeder Woche Injektionen usw.
folgen, stehen ohne Bremse. Ochsen habe ich ohne Aderla߬
schnur, nur durch Kompression der Venen mit dem
Daumen bei Festhalten im Ringe oder mit der Nasen¬
zange Blut mit einer 1,5 mm starken Kanüle entnommen. Der
Schmerz des Stiches ist ohne jeden Zweifel unter diesen
Umständen ganz bedeutend vermindert. Nach dem Her¬
ausziehen der Hohlnadel schließen die Ränder des Stich¬
kanals vollständig aneinander. Nachblutungen, wie sie bei den
offenen Hohlnadeln wegen der Substanzdefekte in der Haut,
Unterhaut, Muskulatur und Venenwand Vorkommen, sind ausge¬
schlossen.
Bei Herstellung der Kanülen braucht die Wand des Rohres bei
weitem nicht, so stark genommen zu werden, wie es bei den
offenen Kanülen der Fall sein muß. Die Verringerung der Wand¬
stärke bedingt ein großes Lumen und deshalb sind mit Kanülen
von geringerem Durchmesser recht beträchtliche Blutmengen in
kurzer Zeit zu entnehmen.
Natürlich muß der Aufbewahrung derartiger Kanülen und
Hohlnadeln einige Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es dürfen
in keinem Falle Kanüle und Stilett nach einer Injektion oder
Blutentnahme in einander geschoben und in diesem Zustande bis
zur nächsten Benutzung gelassen werden. Eine solche Be¬
handlung der Instrumente entspricht auch in keiner Hinsicht unserer
hygienischen Erkenntnis. Nach jeder Injektion ist die Kanüle
mit desinfizierenden Flüssigkeiten auszuspülen und mit einem
Stückchen Watte auszuschieben. Die Kanüle wird darauf nach-
getrocknet und schließlich mit Vaseline eingerieben. Bei einer
derartigen Behandlung werden die Instrumente sich stets in
gebrauchsfähigem Zustande befinden und können durch Aus¬
kochen in Wasser oder noch zweckmäßiger in Paraffinöl leicht
sterilisiert und mit Öl versehen werden.
Die Anfertigung und der Vertrieb der durch D. R.-Gebrauchs-
muster geschützten Kanülen ist der Firma H. Hauptner, Berlin,
Luisenstr. 53, übertragen.
Seuchenhaftes Auftreten von akutem Magen-Darm-
katarrh bei Wiederkäuern in und bei Otjimbingwa
in Deutschsüdwestafrika Februar 1907.
Von Obervetcrinär W. Hoerauf.
Geschichtliches. Im Jahre 1891 soll eine ähnliche oder
dieselbe Erkrankung der Tiere (Rinder und Schafe) aufgetreten
sein, wie alte Ansiedler berichten. Gleich dem Jahre 1907 soll
1891 ein großes Heuschreckenjahr gewesen sein (hauptsächlich
bei Omburo und Waterberg [Gewährsmann Herr Missionar
Bernsmann u. a.]. Viele Tiere seien damals eingegangen.
Die Herero nennen die Krankheit Okapirauka, auch Okaplauka.
Anfang 1907 wird von Omaruni dasselbe gemeldet, jedoch
größtenteils gutartiger Verlauf.
In Otjimbingwa ist die Krankheit zuerst am 5. Februar 1907
aufgetreten und zwar unter 10 Ochsen der Polizeistation, die
alle zehn erkrankten, jedoch meist nach 2—4 Tagen wieder
genasen. Eingegangen bei der Polizei nichts.
Von zirka 11 Beständen waren in Otjimbingwa bis
20. Februar 1907 gegen 70 Tiere erkrankt.
Vorkommen. Vorwiegend bei Rindern und Schafen, seltener
bei Ziegen.
In Otjimbingwa sind sowohl Kinder wie Erwachsene an
Durchfall nebst Brechreiz und Erbrechen erkrankt infolge Milch¬
genusses von Tieren der ergriffenen Bestände, jedoch ohne
weitere schlimme Folgen bis jetzt. Eine Farmersfrau teilt mit,
daß ihr die Milch von solch erkrankten Tieren bereits nach
1—2 Stunden gerinne. Verfüttern solcher Milch an Hühner
habe ebenfalls Durchfall erzeugt und das Eierlegen aufgehoben.
Ätiologie. Die Ansiedler nehmen zweierlei an:
1. Einmal, daß das Gras infolge von Regenmangel und
Sonnenhitze in unreifem Zustande abwelke und so eine Ent¬
zündung im Magen und Darme hervorrufe, ausgehend von der
Reizung der Schleimhaut durch zu hohe oder zu niedrige
Temperatur, dann auch durch Fäulnis, Gärung, giftige Be¬
schaffenheit, Unverdaulichkeit oder Schwerverdaulichkeit der
Fnttersubstanzen, schließlich durch raschen Übergang von der
Trocken- zur Grünfütterung und umgekehrt.
2. Die zweite Ansicht ist die, daß das massenhafte Zugrunde¬
gehen von Heuschrecken und eine mutmaßliche Pilzentwicklung
dabei die Krankheitssymptome verursachten. Auch könnten die
Heuschrecken beim Abfressen von Gräsern Krankheitsstoffe ab¬
setzen. Noch wurde eine Zersetzung ihrer Exkremente oder
Abgehen von Krankheitserregern mit dem Kote in Betracht
14. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
855
gezogen. Häutig wird dabei einer sogenannten „roten Heu¬
schrecke“ Erwähnung getan.
Symptome. Störungen in der Verdauung: Seltenes Wieder¬
käuen, Wiederkäuen teilweise aufgehoben, verlangsamte oder
unterdrückte Pansenbewegung, verzögerter Kotabsatz. Kot mehr
oder weniger fest und oft mit blutigem Schleim überzogen.
Wechselnde Hauttemperatur. Flotzmaul weniger feucht. Häufig
Nasenausfluß. Verminderte, selbst fehlende Freßlust. Teilweise
gekrümmte Stellung. Zeitweise sind die Tiere aufgebläht. Kopf
und Vordergliedmaßen häufig leicht angeschwollen, seltener
Kehlgang, letzteres häufiger bei Kleinvieh. (Bei Schafen Kopf
oft stark angeschwollen. Trinken erschwert.) Gespreizte
Stellung. Manchmal auch Zittern am ganzen Körper. Temperatur
meist nicht und in selteneren Fällen wenig fieberhaft erhöht.
Mattigkeit. Sichtbare Schleimhäute unverändert. (Bei Schafen
auch Bindehautkatarrh, sowie zeitweise starkes Aufblähen und
Flankenschlagen, desgleichen leichte Temperaturerhöhungen.)
Zu bemerken ist hier noch, daß in Otjimbingwa von
Kleinvieh fast ausschließlich Schafe erkrankten, die erst sei
Oktober 1906 aus Kapstadt importiert waren, also noch keine
Regenzeit, Graswechsel usw. in dieser Gegend mitgemacht
hatten, und der Nachweis von zahlreichen Piroplasmen im Blute
der Schafe zur Annahme einer Komplikation mit Piroplasmose
berechtigt.
Prognose. In der Regel günstig. Dauer etwa 2—4 Tage.
In schweren Fällen und bei hoher Temperatur Ausgang in
chronischen Katarrh, auch Tod, desgleichen bei Komplikationen
mit anderen Krankheiten.
Pathologische Anatomie. Kaput gegangen sind am
15. Februar 1907 bei Frau Kronewitter ein Bullkalb und eine
2‘/ ä jährige Färse. (Sonst bis 20. Februar 1907 keinerlei
Verluste.)
Die Sektion ergab am 18. Februar 1907 bei der Färse
Löserverstopfung. Pansen ausgedehnt durch Gase und trockene
Futtermassen; im Löser trockenes Futter zwischen den Blättern.
Schleimhaut mit leicht ablösbarem Epithel ausgebreitet oder
fleckig gerötet, verdickt, von Blutungen durchsetzt. Im Lab¬
magen wenig Futterbrei, Schleimhaut verdünnt, streifig oder
fleckig, schiefergrau pigmentiert. Im Dünndarm schleimiger
Inhalt, im Dickdarm trockener Kot. Dünndarmschleimhaut höher
gerötet oder schiefergrau pigmentiert, die Peyersehen Follikel
areoliert.
Blutausstriche. Das Material, dem die Ausstriche am
18. Februar entnommen sind, stammt von der am 15. Februar
verendeten 27a jährigen Färse und läßt infolge teilweise ein¬
getretener Verwesung keine Schlüsse zu, da es in dem Präparate
von Mikroorganismen aller Art wimmelt.
Das Material vom Schafe ist vom lebenden Tiere aus dem Ohre.
Giemsafärbung: In den roten Blutkörperchen zahlreiche
Piroplasmen von 1—4 Stück in einem Blutkörperchen:
Diagnose. Akuter Magen-Darmkatarrh, der bei der
27a jährigen Färse in chronischen Katarrh, resp. in Löser-
ver8topfung übergegangen ist und dadurch zum Tode führte.
Bei den Schafen akuter Magen-Darmkatarrh verbunden mit
Piroplasmose.
Differentialdiagnose. 1. Von einer roten Ruhr der
•Rinder zur Zeit der Grasfütterung (Sommer und Herbst) be¬
richten Zschokke und Heß (Schweiz), die sie auf Coccidien-
Invasion zurückführen bei blutig wäßriger Diarrhöe mit Bildung
diphterischer Membranen. Die Aufnahme der Coccidien erfolgte
mit Futter und Wasser, welches durch sporenhaltigen Kot ver¬
unreinigt ist. Inkubation drei Wochen. Verlauf meist akut,
selten perakut. In leichteren Fällen tritt nach acht Tagen, in
schweren mit blutigem Durchfall nach 2—3 Wochen Heilung ein.
2. Bei Texasfieber oder redwater durch Piroplasma bovis
auch bigeminum setzt nach zehntägigem Inkubationsstadium
stetig steigende, fieberhafte Erhöhung der Körpertemperatur
ein bis auf 41—42°, welohe sich bis zirka zum fünften Tage,
dem Eintreten der Krisis, auf der einmal erreichten Höhe
konstant erhält.
3. Afrikanisches Küstenfieber (Rhodesian redwater): Das
Inkubationsstadium des Küstenfiebers währt zirka 14 Tage und
ebenso lange der fieberhafte Verlauf der Krankheit selbst.
Mortalität = 90 Proz.
4. Bei Rinderpest ist hohes, nicht aussetzendes Fieber
(41—42 Grad vorhanden, desgleichen wäßrig-schleimiger Aus¬
fluß aus Augen, Nase und Scham, außerdem fleckige Rötung
der sichtbaren Schleimhäute, Durchfall, dünnflüssiger, meist mit
Blut vermischter, sehr übelriechender Kot.
5. Bei bösartigem Katarrhalfieber herrscht die Erkrankung
der Augen und Atmungsorgane vor.
6. Bei Ruhr, Durchfall, hohes Fieber, dünne übelriechende
blutige Exkremente. Tod häufig.
7. Bei Wild- und Rinderseuche Erstickungsanfälle. Blut¬
austritt auf die sichtbaren Schleimhäute. Abgang kruppöser
Häute.
Therapie. Herabsetzen der Futterration. Hartes Futter
in kleinen Portionen. Massage des Pansens. Klistiere lauwarm.
Salzsäure. Bei Verstopfung leichte Abführmittel. Glaubersalz,
Darmdesinfizientien.
Prophylaxe. Absondern der kranken Tiere. Verbrennen
des Kotes. Desinfizieren der Tränkevorrichtungen, der Melk¬
gefäße und der Kraale!
NB! Da ich in Otjimbingwa nur auf der Durchreise von
Gibeon nach Deutschland war, fehlten Instrumente und
Gelegenheit zu intensiveren Studien. Zwei Tage konnte ich
beobachten. Vorstehendes soll deshalb lediglich als Unterlage
zu weiterem dienen.
Eine bisher noch nicht erforschte Schafkrankheit.
Von A. Grabe, Tierarzt, Wittstock (Dosse).
Die in Deutschland immer • mehr abnehmende Schafhaltung
bringt es einerseits mit sich, daß heutzutage, wenigstens in den
meisten Gegenden, die Tierärzte kaum noch zur Behandlung
kranker Schafe zugezogen werden, es sei denn, daß Seuchen
oder sonstige, dem Besitzer oder Schäfer unerklärliche Massen¬
erkrankungen die Herden zu verwüsten drohen; andererseits
wird mit einzelnen kranken Schafen meistens kurzer Prozeß
gemacht: es wird schleunigst geschlachtet. Im eigenen Haus¬
halte, besonders auf den Gütern, ist ja immer Verwendung für
Fleisch, daher wird der Ergänzungsbeschauer recht selten zur
Untersuchung eines notgeschlachteten Schafes herangezogen,
wovon die Beschaubücher ja den besten Beweis liefern. Hat
man schon während der klinischen Ausbildung an unseren Hoch¬
schulen kaum Gelegenheit, Schafkrankheiten zu sehen oder gar
zu behandeln, so wird dies später in der Praxis auch nicht
besser, denn ein Schaf ist eben, sofern es nicht gerade ein wert¬
volles Zuchttier ist, ein zu geringes Objekt, als daß der Besitzer
356
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
sich für dasselbe große Kosten macht; der Schäfer „kuriert“
allein, und hilft seine Kur' nicht, so wird kurzer Hand ge¬
schlachtet. Die Gelegenheit aber, wenigstens die pathologisch¬
anatomischen Kenntnisse über Schafkrankheiten zu erweitern,
ist, wie schon gesagt, eine sehr seltene.
So war es auch für mich eine große Seltenheit, als ich im
Herbste v. J. nach dem Rittergute G. gerufen wurde, damit ich
feststellen sollte, welches die Todesursache bei einigen ganz
plötzlich verendeten Schafen wäre. Der Administrator des
Gutes, ein erfahrener, älterer Herr, glaubte Verdacht auf schon
häufig, wenn auch nicht unter der Herde in G., gesehenen Milz¬
brand haben zu müssen, doch wurde dieser durch die kreistier¬
ärztliche Untersuchung nicht bestätigt.
Die Symptome der mir völlig unbekannten Erkrankung
waren folgende: Die Schafe zeigten ganz plötzlich, ohne daß
vorher irgendwelche Krankheitserscheinungen oder sonstige Auf¬
fälligkeiten zu bemerken gewesen wären, sehr große Mattigkeit,
welche nach einigen Minuten in Koma überging; schon nach
einer halben bis längstens einer Stunde trat der Tod ein. Jed¬
wedes andere Symptom fehlte. Derartige Fälle, welche bis
auf einen bald wieder in Genesung übergehenden alle tödlich
verliefen, traten fast täglich ein, so daß bis zum Winter im
ganzen etwa vierzig Tiere starben, während seitdem nur noch
ganz vereinzelte Krankheits- bzw. Todesfälle vorkamen. Eine
medikamentöse Behandlung konnte bei dem so überaus schnellen
Verlaufe nicht erst eingeleitet werden.
Die Obduktion einiger Kadaver hatte übereinstimmend
folgendes Ergebnis: An den Organen der Bauchhöhle waren mit
dem bloßen Auge keine pathologischen Veränderungen wahr¬
zunehmen, dagegen sehr auffällige in der Brusthöhle; die
Pleura, besonders jedoch das Mediastinum, war mit einer gelb¬
lich-weißen Flüssigkeit durchtränkt und durch dieselbe stark
aufgequollen, der Herzbeutel mit ebensolcher gefüllt. Die Herz¬
muskulatur war schlaff und mürbe. Auffällig war das schnelle
Übergehen des Kadavers in Fäulnis.
Da ich aus den angeführten klinischen und anatomischen
Symptomen einen Schluß auf die Art der Krankheit nicht ziehen
konnte, da ferner die mir zu Gebote stehende Literatur auch
keinen Aufschluß gab, die Art und Beschaffenheit des Futters
meines Erachtens ebenfalls nicht als Ursache anzusehen war,
veranlagte ich die Einsendung mehrerer Kadaver an das
Hygienische Institut der Berliner Tierärztlichen Hochschule mit
der Bitte um Untersuchung bzw. um Feststellung der Krankheit.
Herr Kollege Dr. Knuth, der Vorsteher der Abteilung für
Tropenhygiene, glaubte anfangs annehmen zu können, daß es
sich um das bisher in Deutschland noch nicht beobachtete
Heartwater Süd-Afrikas handelte, und erbat sich zu Impfzwecken
Blut von frisch erkrankten Tieren; leider war es jedoch nicht
möglich, solches bei dem stürmischen Verlaufe der Krankheit zu
beschaffen, ich konnte nur Blut von dem schon erwähnten wieder
genesenen Schafe einsenden. Wie mir Herr Dr. Knuth nun
freundlichst mitteilte, waren Impfversuche an Schafen sowohl
mit diesem Blute wie mit filtriertem Materiale von einem der
eingesandten Kadaver insofern negativ, als lediglich leichte
Temperatursteigerungen zu verzeichnen waren. Bei anderen,
aus Mecklenburg und Vorpommern eingesandten Schafen, welche
unter ähnlichen Symptomen sehr schnell verendet sein sollten,
hat Herr Dr. Knuth Bradsot bzw. bradsotälmliche Gebilde nach¬
gewiesen, doch muß diese Krankheit bei den Schafen des
Gutes G. wohl ausgeschaltet werden, wenigstens hat sich, soviel
ich weiß, Bradsot bei diesen nicht nachweisen lassen. Das
Wesen der Erkrankung konnte also bisher noch nieht festgestellt
werden, und es rechtfertigte sich meine Annahme, daß in G. eine
neue oder doch bis jetzt unbekannte Schafkrankheit aufgetreten
ist. Hoffentlich gelingt es jedoch bald, Licht in das Dunkel
zu bringen.
Der Zweck meiner Zeilen soll nun nicht etwa der sein,
allen Kollegen etwas neues zu berichten, denn es wird vielleicht
mancher schon die beschriebenen oder ähnliche Symptome
beobachtet haben; ich will vielmehr anregen, solchen insofern
Beachtung zu schenken, als dem Hygienischen Institute möglichst
viel und frisches Material übersendet und so zur Aufklärung
beigetragen werde. Wenn die von mir beobachtete und kurz
beschriebene Krankheit vielleicht auch in Deutschland nicht neu
ist, so ist sie bisher doch noch nicht beschrieben und erforscht,
und deswegen ist der Kampf gegen dieselbe nutzlos bzw. eine
Prophylaxe unmöglich.
Sollten sich Kollegen für meine Mitteilungen interessieren,
so bin ich gern bereit, auf Anfragen nach besten Kräften zu
antworten; andererseits wäre ich für Nachrichten über Auftreten
der Krankheit in anderen Gegenden sehr dankbar.
Gelberübenvergiftung.
Von Gestütdirektor a. D. Tierarzt Suckow-Berg.-Gladbach.
Mit großem* Interesse lese ich die diesbezügliche Notiz in
Nr. 15 der B. T. W.
Ich möchte folgendes Wissenswerte hinzufügen, unter der
Devise „suum cuique“, und unter Beantwortung der Frage, wem
das Verdienst, zuerst bei Pferden darauf hingewiesen zu haben;
gebührt. Nicht von Tierärzten, auch nicht von Landwirten, bin
ich hierüber in meinem Wissen bereichert worden, sondern von
einem meiner Lehrer, dem ich so eminent vieles für die Praxis
verdanke und dessen Wissen und dessen Art des Vortrags be¬
züglich der hippologischen Disziplin ich in gewisser Beziehung
mit dem allgemeinen Wissen unseres unvergeßlichen, alten
Dieckerhoff vergleichen möchte, wenn man auch gegen meine
Ansicht anstürmen wird. Es ist dies unser Oberlandstallmeister
Exz. Graf Lehndorff.
Im Jahre 1893 besuchte der Graf anläßlich der großen
Lupinschen Auktion alle um Paris gelegenen Gestüte, und ich
hatte die Ehre, den Grafen auf diesen hochinteressanten Ex¬
kursionen begleiten zu dürfen. Als derselbe das mir unterstellte
Gestüt Bel-Ebat bei Bougival-La Celle-St. Cloud besichtigte,
fielen ihm in der Futterkammer einige hübsche Futterkörbe auf.
Auf seine Frage, was macht Ihr denn damit, erwiderte ich:
Darin trägt irgend ein Hofbeamter oder ein Kammerdiener der
Königin die Gelberüben, die Ihre Majestät bei ihren täglichen
Besuchen sämtlichen Pferden, seien es Hengste, Stuten oder
Fohlen, selbst verfüttert. Hierauf meinte Graf Lehndorff, ich
möchte die Königin bezüglich der Verabreichung von Gelberuben
an hochtragende Stuten warnen, weil dieselben hiernach leicht
abortieren können, wenn dieselben auch sonst reichlich beige¬
füttert würden. Letzteres geschah damals. Graf Lehndorff
erwähnte, daß schon im Mittelalter bei Menschen mit konzen¬
triertem Gelberübensafte verbrecherische Manipulationen aus¬
geübt worden seien. Einige Gestütleiter, die mit meinem Ge¬
stüte hinsichtlich des Auswechselns von Stuten und Fohlen im
14. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
357
Konnex standen, und die auf Anordnung ihrer Herren reichlich
Gelberüben beizufüttern hatten, glaubten aus meinem Gestüt
vor meiner Zeit den periodisch seuchenhaften Abortus in ihre
Bestände bekommen zu haben. Es handelte sich um zwei Ge¬
stüte in der Normandie und um ein Nachbargestüt. Ich teilte
den Herren Besitzern und den Gestütleitern mit, worüber Graf
Lehndorff mich belehrt hatte, und zwar mit dem Resultate,
daß mit dem Momente, wo Gelberüben (Mohrrüben)
weniger und an tragende Mutterstuten gar nicht mehr
verabfolgt wurden, überall der unheilvolle Abortus
gänzlich aufhörte. Wie oft mögen demnach in den vielfach
von „blanken Laien“ geleiteten wertvollen Gestüten Verwechs¬
lungen der Ursachen vorgekommen sein!
Melanosis maculosa der Kalbslunge.
Von Tierarzt Leeb-Wurzen.
Bei einem ca. 3 Wochen alten, sehr gut genährten Kalbe
der Niederungsrasse, das im Leben frisch und munter war, fand
ich bei der Fleischbeschau ein äußerst hübsches Bild von
Melanosis maculosa der Lunge, während an den anderen Organen
sowie am Tiere selbst nicht die leisesten Veränderungen fest¬
zustellen waren. So ziemlich über die ganze Lunge verbreitet
fanden sich scharf abgegrenzte, ungefähr 5—50 Pfennigstück
große, tiefschwarze, meist ganz runde Stellen, die sich nicht
über die Oberfläche wie Geschwülste und dergleichen erhoben.
Auf der sonst schön gelblich - roten Lunge hoben sich die
schwarzen Flecken and ffallen und in die Augen springend ab.
An zwei Stellen schienen mehrere solcher Flecken ineinander
verflossen zu sein, da sie ungefähr 2 cm breite und 4 cm lange
Streifen bildeten, die jedoch nicht so tiefschwarz waren, sondern
mehr schwarzbraun bis grau. Ich habe diesen Fall zum ersten
Male gesehen bei Tausenden von untersuchten Kälbern.
Überfruchtung (Superföetatio) bei einer Sau.
Auf dem Rittergute Hohencamern des Herrn Rittmeister
v. Katte warf eine Sau am 23. Februar d. J. 10 Ferkel, von
denen sie eins erdrückte. Die Ferkel waren völlig entwickelte,
kräftige Tiere.
21 Tage später — am 16. März d. J. — warf dieselbe Sau
nochmals 9 Ferkel, ebenfalls gesunde, kräftig entwickelte Tiere.
Diese Ferkel des zweiten Wurfes wurden getötet, da bei einem
event. Versuche der Ernährung durch die Mutter das Gedeihen
der Ferkel des ersten Wurfes in Frage gestellt worden wäre.
Die Ferkel des ersten Wurfes entwickelten sich anfänglich
gut, fingen aber nach 14 Tagen an zu kränkeln, um sich darauf
wieder gänzlich zu erholen.
Es liegt hier der seltene Fall von Überfruchtung vor, wo
beide Serien von Früchten vollkommen ausgetragen wurden.
__ D.
Referate.
Erfahrungen über die Bovovaccination der Kälber
gegen Tuberkulose nach Pr. von Behring.
Von Stadt-Obertierarzt Franz Ondracek in Göding.
(TicÄratliche* Zentralhiatt 1907, Nr. 11.)
In dem Rinderbestande des k. u. k. Familiengutes Göding
konnte das Bangsche Tuberkulose-Tilgungsverfahren nur teilweise
durchgeführt werden. Upi aber den tpit Sorgfalt aufgezogenen
Jungviehbestand möglichst vor der Tuberkulose zu sichern,
wurde vom Juni 1904 an das Behringsche Immunisierungs¬
verfahren allerdings nicht nur bei Absatzkälbem bis zu 3 Mo¬
naten, sondern auch bei Kalbinen bis zu 2 Jahren angewendet,
nachdem sich diese Tiere vorher bei der Tuberkulinprobe als
unverdächtig erwiesen hatten. Absichtlich wurden auch eine
D/ojährige Kalbin und ein 6 Monate alter Jungstier, die beide auf
Tuberkulin reagiert hatten, der Bovovaccination unterworfen.
Beide Tiere reagierten auf die Vaccination sehr heftig und die
Kalbin ging nach etwa 5 Wochen an Marasmus ein. Bei der
Sektion fand sich hochgradige Tuberkulose der enorm ver¬
größerten Bronchialdrüsen im Stadium der Verkalkung und ein
akuter Nachschub von Tuberkulose in der Bauchhöhle. Der
Jungstier fieberte acht Tage lang stark, dann sank aber die
Temperatur allmählich und er erholte sich. Nach 3 Monaten
wurde er der Zweitimpfung mit 5 I. E. unterzogen, wobei keine
Reaktion mehr eintrat.
In dem Rinderbestande wurde sowohl die Tuberkulinprobe
nach Koch, wie auch die Bovovaccination nach Behring fort¬
gesetzt, so daß bis zum 30. Oktober 1906 insgesamt 247 Stück
Jungvieh der Bovovaccination unterzogen worden waren. Bei
der Erstimmunisierung wurden bei 5 Kälbern gefahrdrohende
Symptome (Lungenödem, Schweratmigkeit) beobachtet, die darauf
zurückzuführen sind, daß der Impfstoff erst am 2. Tage nach der
Zubereitung verbraucht wurde, und daß sich wahrscheinlich in der
Emulsion Chlornatriumkristalle ausgeschieden hatten, die sich
in den Kapillaren des kleinen Kreislaufs festgesetzt hatten.
Indessen trat auch bei vollkommen vorschriftsmäßigem Verfahren
bei einzelnen Tieren Schüttelfrost, Steigerung der Pulsfrequenz
und beschleunigtes Atmen auf, was jedoch binnen 2 Stunden
ohne jede Behandlung verschwand.
Bei der am 30. Oktober durchgefiihrten Tuberkulin-Kontroll-
impfung des ganzen Milchvieh- und Jungviehbestandes reagierten
insgesamt 8 Tiere und zwar 4, welche vor 2 1 / 2 und 4, welche
vor 1V 2 Jahren immunisiert worden waren. 0. berichtet
dann noch über einen weiteren unangenehmen Fall nach dem
30. Oktober 1906. Es erkrankte eine 9 Monate alte Kalbe
am 18. Tage nach der Bovovaccination und verendete
5 Tage später. Bei der Sektion wurde akutes Lungenödem,
Rippenfellentzündung, Gehirnödem und enorme Schwellung der
Gekröslymphdrüsen gefunden, in welchen hirse- bis hanfkom-
große weiße Knötchen enthalten w r aren. 0. hielt diese Knötchen
für frische Tuberkeln.
Auf Grund der in Göding gemachten Erfahrungen kommt.
0. zu folgenden Schlüssen:
1. Die bisher vorgenommene y 4 jährliche klinische Unter¬
suchung des Milchviehbestandes ist beiznbehalten, um Fälle
offener Tuberkulose rechtzeitig aufzudecken.
2. Die diagnostische Tuberkulinisierung des ganzen Kinder¬
bestandes ist alljährlich vorzunehmen, um latente Fälle zu er¬
mitteln.
3. Die Bovovaccination der Kälber ist bis auf weiteres ein¬
zustellen und der Ausbau der ■wissenschaftlichen Forschungen
abzuwarten. Rdr.
Zur Tuberkulosebekämpfung.
. Von Prof. Dr. Zschokke-Zürich.
(Schweizer Archiv f. Tierhcilk., 49 Bd., 3. Heft)
Zurzeit befindet sich die Tuberkulosebekämpfung immer
noch in einem wenig erfreulichen Stadium. Die Schwierigkeiten,
358
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
einen wirklich praktischen Weg zu linden, sind bekanntlich
außerordentlich groß. Nach Zschokke leiden die Verfahren
von Bang und Ostertag daran, daß sie entweder praktisch
noch nicht durchführbar sind oder eines ersichtlichen Erfolges
ermangeln. Die Schutzimpfung nach Behring oder Schütz
ist noch nicht genügend erprobt, so daß sie nicht allgemein ein¬
geführt werden kann. Auch die von Nuesch in seiner Mono¬
graphie über Tuberkulose (Verlag von L. Kirsch ne r, St. Gallen)
gemachten Vorschläge sind für die Praxis nicht recht passend,
weil sie zu radikal sind, obwohl sie allerdings als recht be¬
achtlich zu beurteilen sind.
Im Kanton Zürich sind nun aber Maßnahmen getroffen
worden, welche nach Zschokke recht gute sind. Das wesent¬
lichste derselben dürfte folgendes sein:
Die Anzeigepflicht ist so geordnet, daß die Fleischbeschauer
von jedem Tuberkulosefall, der zur Beanstandung des Fleisches
führt, den örtlichen Gesundheitskommissionen, diese wiederum
den Viehassekuranz Vorständen Kenntnis zu geben haben. Nun¬
mehr erfolgt eine Untersuchung des Viehbestandes durch einen
Tierarzt, der über die Gesundheitsverhältnisse zu berichten hat.
Somit ist es ermöglicht, Tuberkuloseherde zu entdecken und
einer Bekämpfung zugänglich zu machen. Letztere besteht aus:
Tötung der klinisch tuberkulösen Rinder (Tuberkulinreaktion
allein genügt nicht), staatlicher Entschädigung für dieselben,
Absonderung der verdächtigen Tiere (in Ermanglung eines be¬
sonderen Stalles genügt ein Bretterverschlag), tierärztlicher
Beaufsichtigung der letzteren. Milch von Tieren mit tuber¬
kuloseverdächtiger Mastitis darf bis zur Feststellung der
Diagnose nur in gekochtem Zustand verwendet werden.
Neben diesen allgemeinen Maßregeln sind noch folgende ge¬
geben: Aufklärung der Landwirte durch Vorträge und Schriften
über den Einfluß der Stallverhältnisse, Aufzucht und Pflege der
Tiere, Auftreten der Tuberkulose, schärfere Bestimmungen bei
der Aufnahme importierter Tiere in die Versicherung, staatliche
Subvention der Tuberkulinimpfung, Versuche über dieBehringsche
Impfung. J. Schmidt.
Tiiberkiilose komplfzert mit Brustseuche.
(Mitteilungen aus der Berliner medizinischen Klinik.)
Von Professor Dr. Fröhner in Berlin.
('Monatshefte für praktische Tierheilkunde, XVJII. Band, 3/4. Heft, 8. 145)
Die bei Pferden sehr seltene Komplikation der Tuberkulose
mit Brustseuche sah Fr. bei einem 8 jährigen Wallach, der der
Klinik wegen Brustseuche zugeführt worden war. Binnen
wenigen Tagen magerte der Patient rapid ab. Es bestand hohes
Fieber und unstillbarer Durchfall. Der Tod trat unter den Er¬
scheinungen der Kachexie ein. Die Sektion ergab ausgebreitete
Tuberkulose des Bauchfells und des Brustfells (Perlsucht), tuber¬
kulöse Knoten in der Leber und in den portalen Lymphdrüsen,
in der Milz, tuberkulöse Knoten und Höhlen in beiden Lungen,
sowie als besonders seltenen Befund frische Tuberkel und tuber¬
kulöse Geschwüre in der Schleimhaut des Blinddarms und Grimm¬
darms. Durch diese wird auch der profuse, unstillbare Durch¬
fall und der rasche Kräfteverfall erklärt. Der Mitteilung ist der
Sektionsbefund in extenso angefiigt. Rdr.
Dürfen Hühner zwischen Schweinen gehalten werden?
Von Tierarzt Dr. Vajda-Temesvär.
(AUatorvoai bapok. 1907. Nr. 44.)
Öfters wurde schon darauf hingewiesen, daß es nicht rat¬
sam sei, das Geflügel in Schweineställe unterzubringen oder dort¬
hin zu lassen, da die Hühner von der Schweineseuche angesteckt
werden könnten oder aber die Geflügelcholera die Schweine an¬
steckt, denn es ist bereits nachgewiesen, daß die bei verschiedenen
Septikämien ursächlich wichtigen bipolaren Bakterien nahe ver¬
wandt und gelegentlich ineinander übergehen können. Klee be¬
hauptet aber, daß Schweine sehr oft an Cholera eingegangene
Geflügel gefressen haben, ohne jede üble Folgen. Nach den
neueren Untersuchungen spielt der Bacillus suisepticus überhaupt
nur eine mindere Rolle beim Entstehen der Schweineseuche und
soll nur in den durch ultravisiblen Krankheitserregern erkrankten
Körpern’ schadhaft wirken. Es liegt übrigens der Gedanke nahe,
daß die bisher als pathogen bekannten Bakterien im gesunden
Körper nicht pathogen wirken, sondern nur nach Erkältung, bei
traumatischen Einflüssen usw. Es wäre deshalb auch nicht billig,
das gesunde Geflügel von den gesunden Schweinen vollkommen
fernzuhalten, denn diese üben keinen schädlichen Einfluß auf¬
einander. Sowie aber eines oder das andere krankhafte Er¬
scheinungen (Appetitlosigkeit, Mattigkeit usw.) zeigt, muß es
sofort entfernt werden, denn die bisher als Saprophyten lebenden
pathogenen Bakterien wirken krankheitserregend, ihre Virulenz
steigert sich und können auf diese Weise auch für die übrigen
Tiere gelegentlich gefährlich werden. Dr. Z.
Untersuchungen über das künstliche Kreuzen der
Vorder Schenkel und die Unempfindlichkeit beim Treten
auf die Krone.
Von Unterveterinär Dröge.
tZeitfchrift für Yeterin&rkuade 1907, Seite 496.)
Dröge hat Untersuchungen darüber angestellt, ob auch
gesunde Pferde sich die Vorderschenkel kreuzen lassen und
längere Zeit in dieser Stellung beharren, und ferner ob auch
bei gesunden Pferden Empfindungstörungen beim Treten auf
die Krone vorhanden sind. Das Ergebnis war folgendes:
Von 372 untersuchten Artilleriepferden verharrten
2 Pferde 3 Minuten
3 „ 2 „
1 Pferd li/ 2 *
17 Pferde 1 Minute
25 „ V 2 *
in der gekreuzten Beinstellung. Ein Pferd, eine Remonte,
behielt diese Beinhaltung sogar 4 Minuten bei; während der
letzten 2 Minuten bewegte diese Remonte den Kopf frei nach
allen Seiten, nachdem sie vorher an der Halfterkette festgeb alten
worden war und nahm Heu aus der Hand, ohne ihre Stellung
zu ändern; wiederholt wurde sie auf die Krone getreten, bis sie
nach 4 Minuten ihre normale Beinstellung wieder einnahm.
Was die Störung der Empfindung beim Treten auf die
Krone betrifft, so konnte auch solche bei 1)0 Pferden nach¬
gewiesen werden. Unter diesen 90 Pferden zeigten 14 nur an
den Vorderbeinen, 26 nur an den Hinterbeinen Empfindungs-
Störungen, während 50 sowohl an der Vorder- als auch an der
Hinterkrone empfindungslos waren.
Unter den 90 Pferden befanden sich 32, die auch in der
künstlich beigebrachten gekreuzten Stellung der Vorderschenkel
kürzere oder längere Zeit verharrten.
Von Interesse ist es, daß der Prozentsatz der gesunden
Pferde, die sich die Vorderschenkel kreuzen und sich auf die
Krone treten lassen, im Winter niedrig (ca. 11 Proz. ist, im
Sommer dagegen viel höher ansteigt (ca. 30 Proz.).
Richter.
14. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
359
Zur Geschichte des Hufeisens in Ungarn (mit Bezug¬
nahme auf die Grabfunde aus der Arpädenzeit).
Von Dozent Dr. A. Zimmermann in Budapest.
Mit 5 Figuren im Text.
(Zeitschrift für Tiermedisin XI, Bsnd 4, 16. Heft)
Die Erfindung des Hufeisens wird von manchen Autoren
den keltischen Völkern zugesprochen, andere Autoren suchen
den Ursprung des Hufeisens bei den Germanen, andere bei den
Assyrern und Ägyptern, manche auch bei den Völkern turanischer
Abstammung (Skythen, Hunnen). Unter Berücksichtigung der
vorhandenen Literaturangaben und der Form der in Ungarn
hier und da ausgegrabenen Hufeisen kommt Zimmermann zu
den Schlüssen, daß
1. das Hufeisen nicht turanischen Ursprungs ist;
2. in den avarischen und ungarischen Grabungen aus der
Zeit der Landnahme (= Besitznahme Ungarns) kommt das
Hufeisen, mit Ausnahme von ein bis zwei Funden — deren
Form aber ihre Benutzung (als Hufeisen) als sehr problematisch
erscheinen läßt — nicht vor, während Steigbügel und Gebisse
kaum fehlen;
3. die den Ungarn verwandten oder in ähnlichen Lebens¬
verhältnissen, wie die Ungarn in ihrer Urheimat gelebt haben,
lebenden mittelasiatischen Nomadenvölker gebrauchen auch gegen¬
wärtig nicht den Hufbeschlag und so kann man annehmen, daß
in ihrer Urheimat das Hufeisen unbekannt war; die ungarische
Bezeichnung des Hufeisens (patkö) ist slawischen Ursprungs;
4. die Hufeisen aus dem Funde der späteren Arpädenzeit
zeigen den germanischen Typus; den Hufbeschlag lernten die
Ungarn höchstwahrscheinlich dann kennen, als sie mit der
deutschen Kultur in Berührung kamen. Rdr.
Der Hnfbeschlag und die Schlagfertigkeit der Armee.
Entgegnung zum Flußerschen „Plattenhufeisen“ als Armeebeschlag
von Hofrat Professor Dr. J. Lephner in Wien.
(Tierärztliches Zentralblatt, 1908, Nr. 0.)
Professor Lechner wendet sich in scharfer Polemik gegen
Flußer, welcher der Meinung ist, daß durch ein von ihm er¬
fundenes Plattenhufeisen die Schlagfertigkeit der Armee wesentlich
gestärkt werde. Lechner hat ein Flußersches Original-
Mustereisen auf mehrere Dutzend Hufe aufprobiert und es war
nicht möglich gewesen, auch nur drei Nagellöcher auf die weiße
Linie zu bringen. Lechner widerlegt die Ansichten Flußers und
weist nach, daß die Erfindung wertlos ist. Der nachfolgende
Satz charakterisiert die Stellung Lechners za dieser „Erfindung“:
„Das Plattenhufeisen Flußers ist das Monströseste, was an
Hufeisenerfindnngen bisher überhaupt vorgekommen ist. Jedem
Sachkundigen wird bei dem Anblick desselben ein fachlicher
Schauer überrieseln und es ist geradezu unfaßbar, ein solches
Unding von Hufeisen zur Hebung der Schlagfertigkeit unserer
Armee anzupreisen.“ Prof. Lechner zitiert schließlich auch noch
das Urteil, welches in der Dresdener Fachzeitschrift „Der Huf¬
schmied“ (redigiert von Prof. Lungwitz) enthalten ist. Im
„Hufschmied“ heißt es nämlich: „Ob wohl der Erfinder wirklich
glaubt, daß sich dieses Platteneisen einführt?“ Rdr.
Zusammensetzung einiger Geheimmittel.
Der bekannte Poudre utärine de Roux (von Veterinär
Roux in Gränoble) ist ein grünliches Pulver, bestehend aus Arte¬
misiakraut (Beifuß) und Ruta graveoleus (Raute, Weinraute) je
60 Gramm, Inula Helenium (Alantwurzelpulver) etwa 20 Gramm,
10 Gramm Kampfer, 10 Gramm Kochsalz.
BirkmortSs Wundkur ist Schwefel-Boraxsalbe, mit Indigo
blau gefärbt und ausschließlich für Pferde und Rindvieh bestimmt.
Bovino enthält zerkleinertes Johannisbrot, Stärkekörner, Linsen,
Hirse, Reis, Mais und diverse Schalenprozente.
Blutmehl ist getrocknetes Tierblut und Torfmull; es soll noch
mit Melasse gemischt werden, ehe es verwendet wird.
Glorein Kießmers diätetischer Futtertrank ist ein wässeriger
Auszug von Malzgerste und Schafgarbe, sowie diversen aromatischen
Kräutern; ferner ist etwas Kochsalz und Holzkohle zugesetzt.
Harlemer Öl ist 50 Gramm Terpentinöl, 35 Gramm sulfuriertes
Leinöl, 15 Gramm Schwefel.
Grape-Nuts sind geröstete Weizen und Gerste, die vorher
schwach eingemälzt waren.
Hornviehpulver ist Red Althaeae, Tinct. Juniperi Cumm. ar.
Sulfur., Red. Gentian, Magnes. sulf., Stib. sulf. nigr., Sun Foenu.
Graeci.
Hundc-Antipourine oder Furunculine sind getrocknete
Hefezellen mit einem starken Prozentsatz Kartoffelmehl. Sie haben
infolge des Eintrocknens eine bedeutend schwächere Lebenstätigkeit
als frische Hefepilze.
St. Jacobs Balsam ist 27,0 01. Cakao, 60,0 01. Sesami,
3,0 Phenol, 10,0 Zinc. Hoxydat.
Jerusalemer Balsam ist zusammengesetzte Benzoetinktur.
Balsamisches Kreosotliniment ist Jodkalium in Hoffmanns-
balsam aufgelöst mit Zusatz von Lavendelspiritus.
Euthymol ist Eucalyptus, Thymian, Pfefferminz, Wintergrunol
und Borsäure in Spiritus vermischt.
GermicidalSoap ist blaue Seife zu Desinfektionszwecken
enthaltend Berliner Blau und Jodquecksilber.
Spezial Food, für das viele Reklame in letzter Zeit gemacht
wird, ist natürlich amerikanischer Herkunft und besteht aus Hafer¬
hülsen, Haferkleie, Weizenkleie und Gerstenspelzen.
Maisolin sind die Rückstände der Maisstärkefabrikation und
sollen als Viehfutter dienen.
Das bekannte und teure Naphtalan ist weiter nichts als 95Proz.
gereinigte Rohnaphtha mit 5 Proz. Seife (neutrale). Also Seifen¬
wirkung in homöopathischer Verdünnung!
Nutriline ebenfalls ein Viehnährmittel ist eine Mischung aus
Maisschalen, Maisschrot, Reisspclzen in ziemlich zerkleinertem Zu¬
stande.
Pferde- und Rehepulver ist Rad. Asari, Rad. Imperatoriae
(Haselwurz, Meisterwurz und Lorbeeren, Chlorammonium, Schwefel,
Sun Foenugraeci (Bockshornpulver), Enzian, Bittersalz und
schwarzen Spiesglanzerz.
Phenol Babeuf ist Steinkohlenteerkreosot (alkalische Lösung
von Steinkohlenteerprodukten).
Pinol ist eine Mischung von rohem Kiefernharz, das mit
schwefelhaltigen Substanzen behandelt ist und Harzseife.
Futtermehl aus „Java“ sind Rückstände der Sagofabrikation,
vermischt mit Melasseschlempe.
Dr. Waites lokaler Schmerztöter enthält Cocain, Kreosot in
Glycerinwasser aufgelöst.
Insecticide liquide enthält Seife und Nikotin (schäumt beim
Schütteln) parfümiert mit Melissenöl.
Insecticide Quassin ist eingedickte wässerige Quassiaholz-
tinktur.
Mäuse-Virus sind — Kulturen von Mäusetyphusbazillen, die
in Fleisehbrühe-Agar-Agar gezüchtet sind. Dr. G.
Aus der medizinischen Literatur.
Zentralbl. f. Bakl. usw. 1. Abt. Originale, Bd. 40, Heft 6 , S. 402.
Geflügeltuberkulose und Säugetiertuberkulose. (Arbeit aus dem
Laboratorium des Prof. Dr. B. Bang in Kopenhagen.) Von
Tierarzt OlufBang. — Die widerstreitenden Anschauungen
bezüglich der genannten Tuberkulosearten haben den Verfasser
zu Untersuchungen angeregt über a) das Verhältnis des Ge¬
flügels gegenüber der Säugetiertuberkulose und b) dasjenige
der größeren Säugetiere gegenüber der Geflügeltuberkulose.
Die zu a) gestellte Aufgabe ergab, daß 12 von 18 der ver-
3G0
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
wendeten Tuberkelbazillenstämme, unter denen 1 von einem
Pferd, 11 von Rindern, 2 von Papageien und 4 von Menschen
stammten, sich fähig erwiesen, bei intravenöser oder subkutaner
Impfung Tuberkulose bei Hühnern zu erregen. Bei 6 Stämmen
konnte der Verfasser die Angaben Nocards bestätigen, daß
Säugetier-Tuberkelbazillen durch Hühnerpassage mit Geflügel-
Tuberkelbazillen identisch werden, indem sie alle morphologischen
Eigenschaften annehmen, welche die letzteren auszeichnen;
ferner daß die Säugetierbazillen für Hüliner stark virulent
werden und allmählich ihre Virulenz für Meerschweinchen ver¬
lieren.
Zur Lösung der zweiten Aufgabe hat der Verfasser
Fütterung8versuche mit Hühnertuberkelbazillen an 2 Pferden,
1 Füllen, 3 Kälbern, 2 jungen Ziegen und 7 Zicklein angestellt.
Hierbei zeigte es sich, daß das Alter der Tiere für das Ver¬
suchsergebnis maßgebend ist. Ältere Tiere sind sehr widerstands¬
fähig gegen Fütterung mit Tuberkelbazillen, während sämtliche
ganz jungen Tiere an akuter Tuberkulose zugrunde gehen,
namentlich unter heftiger Erkrankung von Darm- und Gekrös-
drüsen.
Die von den meisten Forschern bestrittene Umbildung von
Geflügeltuberkelbazillen in Säugetiertuberkelbazillen hält der
Verfasser für möglich, vermag aber aus seinen bisherigen Ver¬
suchen entsprechende Schlußfolgerungen noch nicht zu ziehen.
Dieselbe Zeitschrift S. 488.
Veränderung der Bakterien im Tierkörper. II. Die Kapsel-
bildung von Milzbrandbazillen. (Aus dem hyg. Institut der Universität
Prag, Vorstand Professor Hueppe.) Von Professor Dr. Oskar
Bail. — Der Milzbrandbazillus im Tierkörper sieht anders aus
als der auf künstlichen Kulturen gezüchtete. Eines der auf¬
fälligsten Merkmale der „tierischen Bazillen“ d. h. jener Bazillen,
die die Charaktere der in infizierten Tieren herangewachsenen
Generationen angenommen haben, ist die Ausbildung einer
Kapsel. Auf ihr Vorhandensein führt man die physiologischen
Besonderheiten der tierischen Bazillen zurück, namentlich ihre
Widerstandskraft gegenüber der bakteriolytischen Wirkung der
Körpersäfte und der pliagocytären der Körperzellen. Die Kapsel¬
bildung kommt nicht regelmäßig vor; namentlich in infizierten
Kaninchen finden sich mit Kapseln versehene neben kapselfreien
Bazillen. Häufig findet man im Blute Kapselbazillen in weitaus
überwiegender Menge, in der Milz bilden sie noch einen großen,
in der Leber dagegen oft nur einen kleinen Teil der Gesamt¬
bazillenmenge. Durch Versuche ist bewiesen, daß die Körper¬
säfte den Milzbrandbazillus veranlassen, in den tierischen Zu¬
stand überzugehen. Man ging von der Annahme aus, daß
immunkörperartige Stoffe mit der Kapselbildung in Zusammenhang
stehen müßten, konnte aber schon aus den ersten Experimenten
erkennen, daß die Kapselbildung der Milzbrandbazillen außerhalb
des Tierkörpers zwar an die Wirkung des Serums gebunden
ist, daß für sie aber weder Immunkörper noch Komplement eine
Rolle spielen. Aus diesem Teil der Untersuchungen ergab sich,
daß die Körpersäfte aller verwendeten Tiere die Fähigkeit haben,
eine Zustandsänderung von Milzbrandbazillen herbeizuführen,
die morphologisch leicht kenntlich ist und zur Ausbildung einer
Kapsel führt. Ausnahmen davon können beim normalen Tiere
Vorkommen, sind aber jedenfalls selten. Die etwa vorhandenen
bakteriziden Fähigkeiten der Körpersäfte sind dafür bedeutungslos.
Auch der Gehalt an Immunkörpern kann nicht als Ursache
dieser Säftewirkung angesehen werden.
In einem zweiten Teil der Untersuchungen wurde die Frage
geprüft, ob nur die Körpersäfte die eigenartige Zustandsänderung
der Bazillen hervorbringen oder ob auch Körperzellen die
Fähigkeit dazu haben. Die Annahme, daß die Leukozyten in
irgendeiner Weise mit der Kapselbildung in ursächlichem Zu¬
sammenhang stehen, ist durch die Versuche widerlegt worden.
Isolierte, in physiologischer Kochsalzlösung oder verdünnter
Bouillon aufgeschwemmte Leukozyten vermochten niemals Kapsel¬
bildung oder auch nur einen Übergang zu dieser hervorzubringen.
Dieselbe Zeitschrift 8. 486.
ÜbertraBungsversuche der Spiroehaete gallinarum durch Argas
reflexus Fahr. (Aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt.) Von Dr. phil.
C. Schellack. — Fülleborn und Mayer haben festgestellt,
daß die Spiroehaete gallinarum in dem Verbreitungsgebiet der
Krankheit durch die amerikanische Zecke Argas miniatus ver¬
breitet wird, und daß im Versuch auch durch die afrikanische
Zecke Ornitliodorus moubata das Zeckenfieber auf Hühner über¬
tragen werden kann. Eine Argasart und zwar Argas reflexus
kommt nach Dönitz in ganz Europa vor, soll aber in Deutsch¬
land sehr selten geworden sein. Diese Zeckenart geht auf
Geflügel, namentlich Hühner und Tauben, und wird volkstümlich
„Lederwanze“ genannt. Die Versuche, über die noch eine ein¬
gehende Abhandlung erfolgen soll, ergaben, daß die Spiroehaete
gallinarum auch durch Argas reflexus übertragen werden kann;
die Zecken waren nach G4 Tagen noch infektiös. Im Falle
einer Einschleppung der Hühnerspirochaete nach Deutschland
wäre sonach eine Verbreitung der Seuche durch die in Hühner-
und Taubenställen vorkommende Zecke Argas reflexus trotz
deren angeblicher Seltenheit nicht unmöglich.
Münchener Medixinische Wochenschrift , 55. Jahrgang, Nr. 16, S. 84 7.
Über biologische Milchdifferenzierung. (Aus der akad. Klinik
für Kinderheilkunde zu Düsseldorf, Direktor Professor Dr.
Schloßmann.) Von Dr. J. Bauer. — Verfasser benutzte das
Komplementablenkungsverfahren zum Nachweis der Verfälschung
einer Milch mit Milch einer anderen Art. Während durch die
Präzipitation mit Laktoserum höchstens Verdünnungen der Milch
im Verhältnis 1: 1000 nachgewiesen werden konnten, gab die
Komplementablenkung noch bei 1:1000000 einen Ausschlag.
Die Methode beruht im wesentlichen auf der Tatsache, daß durch
das Zusammenwirken von Laktoserum und der betreffenden Milch
Komplement gebunden wird, das hierdurch später zugesetztem,
mit spezifischem Ambozeptor beladenem Blut entzogen wird.
Mit der Komplementablenkungsmethode läßt sich nicht allein die
Milcbverfäl8chung als solche nacliweisen, sondern mit Hilfe eines
austitrierten Serums auch die Menge der in betrügerischer
Absicht zugegossenen Milch annähernd bestimmen. W.
Tagesgeschichte.
Pauschal Vergütung für die Dienstreisen der
Kreistierärzte.
Nun ist sie eingetroffen, eher als wie erwartet wurde, die
Pauschalierung der Kreistierärzte, und zwar mit Wirkung vom
1. April d. J. ab. Durch Erlaß des Herrn Ministers für Land¬
wirtschaft usw. vom 31. März 1908 soll zur Bestreitung der
Kosten für die Dienstreisen der Kreistierärzte und Kreistierarzt¬
assistenten von dem allgemeinen Reisekostenfonds für das
Rechnungsjahr 1908 ein Anteil abgezweigt werden. Später,
d. h. also vom nächsten Etatsjahr ab, wird hierfür ein besonderer
14. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
361
Fonds im Etat der landwirtschaftlichen Verwaltung bereit
gestellt werden.
Aus diesem von dem allgemeinen Reisekostenfonds ab¬
gezweigten Anteil, bzw. später aus dem besonders hierzu ge¬
bildeten Fonds sollen vom 1. April d. J. ab den Kreistierärzten,
einschließlich der nebenamtlichen Verwalter von Kreistierarzt¬
stellen und den Kreis-(Grenz-)tierarztassistenten für die von
ihnen innerhalb ihres Amtsbezirks, jedoch außerhalb ihres Wohn¬
orts in größerer Entfernung als 2 km auszuführenden Dienst¬
reisen, deren Kosten der Staatskasse zur Last fallen, Pausch-
vergütungen gewährt werden. Die Festsetzung derartiger
Pauschvergütungen ist nach Artikel III des Gesetzes be¬
treffend die Tagegelder und Reisekosten der Staatsbeamten vom
21. Juni 1897 zulässig. Zu diesem Behufe ist durch den Herrn
Finanzminister den Regierungspräsidenten vorläufig für die Zeit
vom 1. April bis 30. September 1908 eine bestimmte Summe
überwiesen worden. Den Regierungspräsidenten bleibt es über¬
lassen, diese Summe entsprechend dem Bedarf der einzelnen
Kreistierarzt- und Assistentenstellen zu verteilen. Diejenigen
beamteten Tierärzte, deren Dienstbezirk sich nicht über ihren
Wohnort hinaus erstreckt, sind dabei unberücksichtigt zu lassen.
Die überwiesenen Summen sind nach den tatsächlichen
Reisekostenaufkommen des Jahres 1906 berechnet. Es geschah
dies deshalb, weil das Jahr 1906 das erste abgeschlossene
Rechnungsjahr nach dem Inkrafttreten der neuen Reisekosten-
und Tagegeldersätze war. Die den einzelnen Regierungs¬
präsidenten zugewiesenen Summen stellen die Hälfte des Reise¬
kostenaufkommens des ganzen Jahres dar, abzüglich 10 Proz.,
welche zur Bildung eines Zentralfonds benutzt werden. Letzteren
hat sich der Herr Landwirtschaftsminister Vorbehalten, um
daraus einmalige Zulagen beim Nachweis einer nicht unerheblich
gesteigerten Diensttätigkeit für das abgelaufene Rechnungsjahr
gewähren zu können. Für die zweite Hälfte des Rechnungs¬
jahres 1908 hat sich der Herr Minister endgültige Bestimmungen
Vorbehalten. Sofern sich die überwiesene Summe als erheblich
vom Bedarf abweichend erweisen sollte, wird für die zweite
Jahreshälfte ein Ausgleich geschaffen werden. Die den einzelnen
Beamten überwiesenen Anteile belaufen sich also auf etwa
90 Proz. der Hälfte der im Rechnungsjahr 1906 ihnen für
Dienstreisen aus der Staatskasse gezahlten Reisekosten und
Tagegelder.
Der schon vollständig oder doch zum größten Teil bereits
bekannte Abschluß des Rechnungsjahres 1907 soll aber nicht
unberücksichtigt bleiben, insbesondere dann, wenn sich wesentliche
Verschiebungen gegenüber dem Umfang der Reisen und der Höhe
der Reisekosten usw. des Vorjahres heraussteilen sollten. Sofern
nicht anderweitige Umstände eine abermalige Verschiebung für
das nächste Rechnungsjahr wahrscheinlich machen und deshalb
die Wahl eines anderen Verteilungsmaßstabes rechtfertigen, wird
empfohlen, den Durchschnitt der Einnahmen der letzten beiden
Rechnungsjahre an Reisekosten der Verteilung zugrunde zu
legen. Zur Verteilung gelangt der ganze den einzelnen
Regierüngspräsidenten überwiesene Betrag. Die Pausch¬
vergütungen werden in monatlichen Teilbeträgen im voraus
gezahlt.
Bei Vertretungen der beamteten Tierärzte w r egen Urlaubs
oder sonstiger Behinderung soll hinsichtlich der Entschädigung
für den Stellvertreter nach § 8 Abs. 2 des Gesetzes vom
24. März 1870 verfahren werden, dies gilt auch für den Fall,
daß die Vertretung durch benachbarte Kreistierärzte erfolgt,
d. h. also, der vertretene Beamte hat selbst für angemessene
Entschädigung seines Vertreters zu sorgen. Hierbei wird zu
berücksichtigen sein, daß die von einem benachbarten Kreis¬
tierarzte zurückzulegenden Entfernungen in der Regel größere sein
werden, als die von dem Stelleninhaber innerhalb seines
Dienstbezirks zurückgelegten. In einer solchen Berücksichtigung
liegt keine Benachteiligung der Vertretenen, da in den über¬
wiesenen Summen auch die früher bereits gezahlten Vertretungs¬
kosten, insbesondere des Jahres 1906, enthalten sind. Bei
erledigten Stellen haben die Regierungspräsidenten vorerst
selbständig über die Verwendung der Pauschvergütung zu
befinden.
Die Kosten der Reisen von Tierärzten, die bei größeren
Seuchenausbrüchen oder aus sonstigen besonderen Gründen den
Kreistierärzten zur Hilfeleistung überwiesen werden, werden
nicht aus den Pauschvergütungen bestritten, hier hat sich der
Herr Minister Vorbehalten, für jeden Fall Bestimmungen zu
treffen. Ebenso fallen nicht unter die Pauschvergütungen Reisen
bei Versetzungen oder die auf Grund besonderen Auftrags außer¬
halb der Dienstbezirke gemacht werden. Sofern z. B. bei Grenz¬
tierarztassistenten ein bestimmter Dienstbezirk nicht abgegrenzt
sein sollte, muß dies nachgeholt werden oder es müssen die
regelmäßig wiederkehrenden Dienstreisen zwischen bestimmten
Orten bezeichnet werden, deren Kosten durch die Pausch¬
vergütungen zu decken sind. Die Departementstierärzte er¬
halten ebenfalls Pauschvergütungen, sofern sie Kreistierarztstellen
nebenamtlich verwalten und auch nur für die im kreistierärztlichen
Amtsbezirk ausgeführten Dienstreisen. Die departementstier¬
ärztlichen Dienstreisen werden nach wie vor einzeln vergütet.
Hinsichtlich der Tagegelder und Reisekosten in gerichtlichen
Angelegenheiten tritt eine Änderung nicht ein, ebenso nicht für
Amtsgeschäfte, deren Kosten nicht aus der Staatskasse zu
vergüten sind.
Der Erlaß weist sodann darauf hin, daß eine Kontrolle
darüber auszuüben ist, daß die Kreistierärzte usw. ihre Reise¬
tätigkeit nunmehr nicht in einer die dienstlichen Interessen be¬
einträchtigenden Weise einschyänken. Der Herr Minister setzt
zwar ohne weiteres voraus, daß die für die Seuchenbekämpfung
und für die Tieruntersuchungen an der Grenze notwendigen
Dienstreisen nach wie vor mit der gebotenen Beschleunigung
zur Ausführung gelangen und daß Zusammenlegungen von ver¬
schiedenen Dienstgeschäften zu Rundreisen nur insoweit erfolgen,
als darunter die im Interesse der Viehbesitzer notwendige
Schnelligkeit des veterinärpolizeilichen Einschreitens nicht bindet,
er macht jedoch darauf aufmerksam, daß es notwendig ist, auch
die sonstigen im dienstlichen Interesse gebotenen Reisen, auch
wenn sie durch die Pauschvergütung abgehalten sind, z. B.
Revisionen von Viehbeständen, Kontrolle der Fleischbeschauer
u. dgl. mit der erforderlichen Vollständigkeit und Gründlichkeit
zu erledigen. Von der Höhe der auch fernerliin nachzuweisenden
Reisekosten wird nicht nur die Gewährung von Zulagen aus
dem Zentralfonds, sondern auch die Bemessung der Pausch¬
vergütung für jedes folgende Jalir wesentlich beeinflußt werden.
Über die Führung vereinfachter Tagebücher (Reiselisten)
hat sich der Herr Minister die Bestimmung Vorbehalten. Vor¬
läufig sind bis auf weiteres die zurzeit vorgeschriebenen
Forderungsnachweise in der gleichen Form wie bisher aufzustellen
und einzurichten. Die Festsetzung dieser Nachweise unterbleibt
362
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
jedoch, es ist nur eine allgemeine Prüfung notwendig. Hierbei
entdeckte Verstöße gegen die gegebenen Vorschriften sind er¬
forderlichenfalls nach Anhörung der Beamten zu beseitigen.
Über die Untereinteilung der den Regierungspräsidenten
überwiesenen Summen wünscht der Herr Minister Bericht. Mit
diesem Bericht ist eine Nachweisung der im Rechnungsjahr 1907
für jede einzelne Stelle und an jeden einzelnen Beamten ge¬
zahlten oder doch an ihn liquidierten Resekostenbeträge, soweit
sie nunmehr aus der Pauschvergütung zu decken sind, ein¬
zureichen.
Die Regierungspräsidenten haben sich in ihren Berichten
auch über die Angemessenheit der ihnen überwiesenen Pausch-
vergütungen zu äußern, ob und welche Änderungen etwa er¬
forderlich sind und ob die gegebenen Vorschriften für die
Pauschalierung ausreichend und sachgemäß oder nach welchen
Richtungen sie ergänzungs- oder abänderungsbedürftig erscheinen.
Hierbei sind die Fälle der Vertretung beurlaubter oder sonst
verhinderter Kreistierärzte und die Verhältnisse der Assistenten
besonders zu berücksichtigen.
Daß eine Pauschalierung der Kreistierärzte kommen würde,
daran hat wohl niemand mehr gezweifelt. Es konnte dies aus
den Worten des Herrn Geh. Ober-Reg.-Rats Schröter in der
Sitzung des Vereins beamteter Tierärzte am 30. November v. J.
entnommen werden. Hieran vermochte auch der Beschluß des
Vereins, welcher die Pauschalierung prinzipaliter ablehnte,
nichts mehr zu ändern. Jetzt, nachdem sie zur Tatsache ge¬
worden ist, müssen wir uns damit abflnden. Es entsteht nun
die Frage, ob sie in der vorliegenden Form den Kreistierärzten
Vorteile oder Nachteile bringen wjrd. Vorteile bringt sie inso¬
fern, als das Liquidationsverfahren leichter und einfacher ge¬
macht wird. Der Kreistierarzt braucht sich nicht mehr bei jeder
Reise zu fragen wie er sie am vorteilhaftesten für das Inter¬
esse der Staatskasse einrichten soll. Die umständliche Ver¬
rechnung mit den Kosten anderer Dienstreisen, welche nicht die
Staatskasse zu tragen hat, kommt in Fortfall und schließlich
braucht der Kreistierarzt nun auch nicht mehr die Erinnerungen
der Oberrechnungskammer zu furchten. Wenn wir uns nun die
Frage vorlegen, ob die Kreistierärzte durch die Pauschalierung
finanzielle Nachteile erleiden werden, so läßt sich jetzt, wo es
sich um eine vorläufige Festsetzung für das Halbjahr April-
September 1908 handelt, diese Form weder bestimmt bejahen
noch verneinen. Herr Geh.-Rat Schröter hat in der
Sitzung am 30. November v. J. gesagt, daß das Sparsystem
nicht die treibende Kraft für die Festsetzung von Pauschal¬
vergütung sein wird. Dieses ist insofern eingetroffen, als die
Pauschal Vergütung nach einem Jahresaufkommen an Reise¬
kosten usw. festgesetzt worden ist, welches für die Kreistierärzte
ziemlich allgemein als ein günstiges zu bezeichnen war, sofern
man den Durchschnitt in den letzten 5 Jahren in Betracht zieht.
Die Kreistierärzte erhalten zwar nur 90 Proz. dieses Auf¬
kommens, die Testierenden 10 Proz. sollen jedoch als Ausgleichs¬
fonds dienen, welcher Denjenigen zugute kommen soll, die
durch die Pauschalierung im Ertrage durch besondere Umstände
verursachte erhöhte Diensttätigkeit im abgelaufenen Rechnungs¬
jahre benachteiligt werden. Hieraus geht hervor, daß durch
die Pauschalierung in der jetzt vorliegenden Form eine Benach¬
teiligung der Kreistierärzte nicht herbeigeführt werden soll.
Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß die Pauschal-
vergütnng für das Sommerhalbjahr 1908 nicht nach dem Auf¬
kommen des Sommerhalbjahres 1906 festgesetzt worden ist,
sondern nach der Hälfte des ganzen Jahresaufkommens dieses
Jahres. Dieses ist keineswegs dasselbe. Da die Diensttätigkeit
der Kreistierärzte in dem Sommerhalbjahr meist eine wesentlich
größere ist, wie im Winterhalbjahr, so würde bei der Berechnung
nach dem Aufkommen in den sechs Monaten April bis September
eine größere Pauschalvergtitung herausgekommen sein, wie dies
jetzt der Fall ist. Nun kann man ja sagen, dies gleicht sich
im Winter wieder aus, jedoch aber nur dann, wenn die für den
Winter gewährten Vergütungen dieselben bleiben wie für den
Sommer. Für das nächste Winterhalbjahr hat sich der Herr
Minister endgültige Bestimmungen über die Bemessung der Ver¬
gütungen Vorbehalten. Ob diese dann auch nach der Höhe der
Reisekosten im Rechnungsjahr 1906 oder nach dem Durchschnitt
der beiden Jahre 1906/07 bemessen werden, muß vorläufig dahin
gestellt bleiben. Vorläufig können die Kreistierärzte mit den
ihnen gewährten Vergütungen im allgemeinen zufrieden sein.
Was die Vertretungen anbetrifft, so kommen diejenigen
Kreistierärzte am besten weg, welche im Jahre 1906 beurlaubt
gewesen sind und sich durch einen benachbarten Kreistierarzt
haben vertreten lassen. Das durch die vermehrten Reisekosten
erhöhte Jahresaufkommen kommt den beurlaubt gewesenen Kreis¬
tierärzten jetzt bei der Festsetzung der Pauschalvergütung zu¬
gute. Im Falle si6 sich im laufenden Jahre wieder beurlauben
lassen, werden sie durch die erhöhten Aufwendungen für den
Vertreter nicht benachteiligt. Anders steht es mit den Kreis-
tierärzten, welche sich im Jahre 1906 nicht haben vertreten
lassen. Diese würden eine Benachteiligung erfahren, wenn sie
im Jahre 1908 eine Vertretung durch einen benachbarten Kreis¬
tierarzt nötig hätten. Es steht jedoch den Kreistierärzten frei,
"Sich in betreff der Vertretungskösten mit ihren Nachbarn zu
einigen, was ja nun wohl auch in den meisten Fällen ge¬
schehen wird. Es muß hier noch einmal hervorgehoben werden,
daß sich die Pauschierung nur auf Dienstreisen innerhalb
des Amtsbezirks erstreckt, auf diese aber sämtlich, sofern sie der
Staatskasse zur Last fallen. Reisen außerhalb des Amtsbezirks
bei Versetzungen, Teilnahme an Versammlungen, Fortbildungs¬
kursen usw. werden nach wie vor besonders liquidiert.
Ebenso werden nach »wie vor besonders liquidiert die
Reisen der Departementstierärzte, die sie als solche im Bezirk
zu machen haben. Sind diese im Nebenamt Kreistierarzt und
erhalten sie dieserhalb Pauschvergütung, so sind die Kosten der
Reisen, die sie als Departementstierarzt innerhalb ihres kreis¬
tierärztlichen Bezirks auszuführen haben, nicht aus dieser zu
bestreiten. Dieses trifft z. B. zu für die Reisen zu den Revisionen
die Beschautätigkeit der Tierärzte, Hufbeschlagsprüfungen usw.
Gegen die Gewährung von Pauschvergiitungen für Dienst¬
reisen der Kreistierärzte ist angeführt worden, daß hierdurch
die Reisetätigkeit mehr eingeschränkt werden könnte, als dies
im veterinärpolizeilichen Interesse wünschenswert wäre. Diesem
hat der Herr Minister dadurch einen Riegel vorgeschoben, daß
er angeordnet hat, daß die ausgeführten Dienstreisen nach wie
vor in der bisher vorgeschriebenen Weise nachgewiesen werden
müssen und daß von der Höhe der nachgewiesenen Reisekosten
die Gewährung von Zulagen aus dem Zentralfonds, sowie die
Bemessung der Pauschvergütungen für jedes folgende Jahr
wesentlich beeinflußt werden wird. Wer alßo jetzt glaubt, seine
Reisetätigkeit einschränken zu können, schneidet sich in das
eigne Fleisch. Aus letzterer Bemerkung scheint übrigens hervor-
14. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
363
zugehen, daß der Herr Minister beabsichtigt, alle Jahre eine
Neufestsetzung der Pauschvergütungen eintreten zu lassen. Im
Hinblick darauf, daß demnächst noch weitere Seuchen den
anzeigepflichtigen zugerechnet werden sollen (Brustseuche,
Tuberkulose), erscheint dieses nur gerechtfertigt. Pr.
Das nene Beamtengesetz in Bayern.
Der bayerischen Kammer ist ein neues Gesetz, betreffend
Regelung der Verhältnisse der Beamten vorgelegt worden.
Beamte sind solche, die vom König oder von einer durch den
König ermächtigten Behörde ernannt sind. Das Dienstverhältnis
der etatsmäßigen Beamten ist im allgemeinen unwiderruflich,
jedoch nur bei bestimmten Kategorien sofort, bei den meisten
erst nach einer dreijährigen, bei anderen sogar erst nach einer
zehnjährigen etatsmäßigen Dienstzeit. Zu denjenigen Beamten¬
klassen, welche nach dreijähriger etatsmäßiger Dienstzeit
definitiv angestellt sind, zählen unter anderen der Landestierarzt,
der Landesinspektor für Tierzucht, die Landstallmeister, Gestüt¬
direktoren und -Tierärzte, die ordentlichen Professoren an der
Universität, Technischen und Tierärztlichen Hochschule und
Akademie für Landwirtschaft, die Bezirksärzte und -Tierärzte,
die Korpsstabs-, Oberstabs- und Stabsveterinäre — mit anderen
Worten fast alle beamteten Tierärzte. Der unwiderrufliche
Beamte kann die Pensionierung beanspruchen, wenn er das
65. Lebensjahr vollendet hat oder schon früher zur Erfüllung
seiner Pflicht unfähig geworden ist. Aus den gleichen Gründen
kann er auch ohne sein Gesuch in den Ruhestand versetzt
werden. Die Versetzung in den Ruhestand kann auf eine be¬
stimmte Zeit erfolgen, wenn der Wiedereintritt der Dienst¬
fähigkeit nicht ausgeschlossen erscheint. Die Pension darf
Dreiviertel des pensionsfähigen Diensteinkommens nicht über¬
steigen, beträgt nach 10 Jahren 35 Proz. und steigt mit jedem
Jahre bis zum 20. um 2, von da ab um 1 Proz. des Dienst¬
einkommens; demnach kann die höchste Pension mit 40 Dienst¬
jahren erreicht werden wie in Preußen. Das Witwengeld be¬
trägt 40 Proz. der Pension des Beamten, das Waisengeld für
jedes Kind Vs des Witwengeldes, wenn aber auch die Mutter
nicht mehr lebt V 3 . Das Gesetz soll am 1. Januar 1909 in
Kraft treten.
Tierärzte I. and II. Klasse?
Von Kreistierarzt Gebhardt-Vohwinkel (Rhld.).
Die Geschichte des Küken, das mehr sein will als die
Henne, weil es eine bunte Feder mehr hatte, kam mir in den
Sinn, als ich den Notschrei des Herrn Dr. med. vet. (made in
Germany) Jonas an die Regierung las, seinen Dr. med. vet.
vor Verwechslungen mit dem in der Schweiz erworbenen zu
schützen. Was muß Herr Dr. Jonas in seiner langen Doktor¬
laufbahn (nach Verzeichnis 1907/08 im Jahre 1906 approbiert und
noch nicht als Doktor geführt) doch schon für unangenehme Ver¬
wechslungen erlebt haben! Hat man von den Besitzern des
Dr. phil. u. a., die doch bei weitem nicht in dem engen
kollegialen Verhältnis standen, wie die des Dr. med. vet., gehört,
daß sie verlangten, der im Auslande erworbene und nach Prüfung
der Dissertation für Deutschland genehmigte Doktor sollte noch
durch eine besondere Bezeichnung kenntlich gemacht werden?
Weshalb bei uns diese Forderung? Wäre es denn zu verwundern
oder wäre es nicht vielmehr selbstverständlich, wenn nunmehr
sämtliche Tierärzte mit Maturum an die Regierung das Verlangen
richteten, sie solle Beziehungen schaffen, daß Verwechslungen
mit Tierärzten ohne M. nicht zu befürchten wären? Oder ist
die Forderung des Herrn Dr. Jonas nicht schon gleichbedeutend
mit solchem Verlangen, leuchtet da nicht schon die Befürchtung
durch, mit einem immaturen Tierarzte in gleichen Topf ge¬
worfen zu werden?
Deshalb kann ich dieses Verlangen nur als ersten Schritt
zur Spaltung der Tierärzte in zwei Klassen, mit und ohne
Reifezeugnis, erachten, und als solcher scheint er mir überaus
ernst und schwerwiegend zu sein. Denn wer wollte es den
Herren verdenken, wenn sie so bald wie möglich nach Ein¬
führung des tierärztlichen Doktortitels in Preußen den Herrn
Minister veranlassen, bei den Kreistierärzten, ähnlich wie bei
den Kreisärzten, eine Bestimmung zu erlassen, wonach nur
Derjenige, der in Preußen resp. Deutschland zum Dr. med. vet.
promoviert hat, zum Kreistierarzt ernannt werden kann. Den
Kollegen ohne Maturum wäre damit die staatliche Karriere ver¬
schlossen, und wir hätten wieder Tierärzte I. und II. Klasse.
Daß die Folgen solcher Spaltung für den tierärztlichen Stand
überaus traurige sein würden, mag wohl niemand bestreiten!
Warum überhaupt will man die Tierärzte ohne Maturum aus¬
schließen von der Erwerbung des Dr. med. vet. in Deutschland,
zu einer Zeit, wo durch die Leichtigkeit, die Doktorwürde zu
erwerben, der Doktortitel doch nur noch von Laien und weib¬
lichen Personen als etwas Außerordentliches angesehen wird?
Weshalb sogar will man diesen Tierärzten den einzig gang¬
baren Weg, die Erwerbung im Ausland, verlegen? In den
nächsten Jahren werden ja doch so viele junge Tierärzte den
Dr. med. vet. in Deutschland erwerben, daß der Schweizer
Dr. med. vet. kaum noch in Betracht kommt. Die meisten
immaturen Tierärzte, die großen Wert darauf legen, haben
denselben bereits erworben, warum den wenigen Nachkommenden
den einzigen Ast, über den es noch möglich ist, rasch absägen V
Weshalb wegen dieser verschwindenden Zahl das Für und
Wider mit mehr oder weniger Entstellung dem Kadi unterbreiten,
damit ja jede unserer Schwächen in der Öffentlichkeit breit¬
getreten wird zum Gaudium unserer Neider? Und dabei, meine
Herren Maturi, seid Ihr nach unsäglichen Anstrengungen und
großen Schmerzen von den Immaturi geboren, doch vergessen
ist jede Dankbarkeit; jetzt das eigene Ich in den Vordergrund!
Ja, weshalb habe ich zwei Jahre länger die Schulbank gedrückt,
wenn ich nicht dadurch für mein ganzes Leben mehr sein soll
als Du? Den Hauptausweis, die Fachprüfung, hast Du zwar
besser oder ebenso gut abgelegt als ich, doch das iBt Neben¬
sache, ich habe zwei Jahre länger Klassiker gelesen, deshalb
bin ich befähigter als Du, eine Kreis- oder Departements¬
tierarztstelle auszufüllen!
Solche Reibereien werden in Zukunft eintreten, wenn nicht
schon jetzt jeder Anlaß dazu vermieden wird. Und da kommt
allerdings als erster Anlaß die Promotion in Frage. Warum
sollte es nicht möglich sein, in der Promotionsordnung die
Zulassungsbestimmung so zu fassen: Zum Dr. med. vet. können
nur diejenigen promoviert werden, welche die Approbation als
Tierarzt in Deutschland erlangt haben. Da die Erteilnng der
letzteren seit 1903 ohne Ausnahme an das Maturum geknüpft
ist, wäre diese Bestimmung also gleichbedeutend damit, und es
brauchte nicht erst bei jedem Kandidaten in der Kinderstube
betreffs der Vorbildung nachgeforscht zu werden!
Und wäre es denn wirklich allzu schlimm, wenn durch
diese Tür eine Anzahl älterer Tierärzte, die eben früher das
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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
Abiturientenexamen zum Studium noch nicht brauchten, durch¬
schlüpften V Hat es nicht bei fast allen Fakultäten solche Türen
gegeben, warum sollen wir gerade uns auf den extremsten
Standpunkt stellen? Ist es sogar nicht mehr anzuerkennen,
wenn ein älterer Herr auf Grund eigener Erfahrung eine
Dissertation liefert, als wenn ein eben neugebackener Tierarzt
dieselbe im Institut ausarbeitet? Sollten dann in der ersten
Zeit seitens anderer Fakultäten mißgünstige Äußerungen fallen,
so wäre denen leicht zu begegnen, indem man sie höflichst
bäte, ihre eigene schmutzige Wäsche, an der wohl überall kein
Mangel ist, zu waschen. In einigen Jahren würde niemand
mehr daran denken, daß eine Reihe älterer Tierärzte ohne
Maturnm promoviert hätten, und es würde für den Stand von
unschätzbarem Werte sein, daß eine tiefe Spaltung unter den
Tierärzten vermieden wäre. Außerdem würde der doktorlose
Tierarzt viel eher von der Bildfläche verschwinden, was eben¬
falls von nicht zu unterschätzender Bedeutung wäre.
Auch diese Betrachtungen erlaube ich mir den maßgebenden
Kreisen zu unterbreiten.
Den Kollegen ohne Abiturientenexamen aber rufe ich zu:
„Haltet die Augen offen, daß Ihr nicht eines Tages als
Tierärzte II. Klasse erwacht!“
Tierärzte im Meierei wesen.
Vor einiger Zeit (Nr. 49 der B. T. W. 1907) schrieb ich
einige Worte über die Verwendung von Tierärzten im Meierei¬
wesen. Ich suchte die Kollegen auf diesen dem Schlachthof¬
betriebe ganz ähnlichen Beruf aufmerksam zu machen und be¬
sonders junge Herren, die direkt von der Hochschule kommen,
dafür zu interessieren. Nach meinen eigenen Erfahrungen sind
in vieler Beziehung die Verhältnisse günstiger als in dem allfein
von Tierärzten bisher in Anspruch genommenen ähnlichen
Schlachthof betriebe. Der Meierei-Molkereibetrieb ist, wenn er
nicht als Zweigbetrieb geführt wird, ein lukrativer, die Zahl
der großen Betriebe in stetem Wachsen. Der Reinverdienst
wird an die Genossen geteilt; die Bilanzführung muß genau
sein. Die vom Verein sächsischer Tierärzte in den dortigen
Innungs - Schlachthöfen bemängelten an die Stadtkassen ab¬
zuführenden hohen Überschüsse kommen hier nur den Genossen
des Betriebes zugute: daher die gute Bezahlung sehr vieler
Molkereidirektoren im Verhältnis zu ihrer Vorbildung. Nimmt
man hinzu, daß in letzter Zeit viele junge Chemiker sich ebenfalls
dem Berufe der Milchverarbeitung widmen (die Zeitungen bringen
öfter Stellengesuche), so kommt man zum Schlüsse, daß hier in
größeren Betrieben ein den Tierärzten sehr nahestehender
Beruf, persönliche Tüchtigkeit vorausgesetzt, eigentlich bis jetzt
noch w'enig von ihnen frequentiert wird. Eine ganze Anzahl
von Betrieben wird von approbierten Apothekern geleitet, die
sich gut in die Materie eingearbeitet hatten. Die reinen
Sanitätsmolkereien und Backhausanstalten befinden sich z. B.
zum großen Teile im Besitze von solchen; aber auch Molkereien
haben als Leiter und Besitzer des öfteren Chemiker und
Apotheker. — Um so mehr ist zu verwundern, wenn einem
Anonymus der Hildesheimer Molkereizeitung nebst Ableger, dem
„Milchwirtschaftlicher Anzeiger“, meine Zeilen mißbehagten.
Nach dem bis zum Überdruß in letzter Zeit verbrauchten
„Dar’ lach ich öwer“ Bismarcks hatte ich vermieden, eine
Glossierung des Anonymus vorzunehmen: weil nun aber
die „Illustrierte üandwirtschaftszeitung“ einen Abdruck mit
ausdrücklicher Neutralstellung ihrerseits bringt, glaubte ich
auch den Kollegen zeigen zu müssen, daß man anderweitig
Angst vor Konkurrenz der Tierärzte hat, also überzeugt ist,
daß die Tierärzte allenthalben Tüchtiges leisten. Die gute
„Hildesheimer Molkereizeitung“ hat demnach einfach Anfang und
Ende meines Berichtes weggelassen und die Mitte aufgenommen,
soweit sie ihr in den Kram paßte, wobei gegen die Eigenschaft der
Tierärzte, dem Betriebe vorzustehen, zn guter Letzt das Bekenntnis
kommt, „da hätte man nicht nötig, erst Veterinärmedizin
zu studieren. Ganz gewiß, man braucht auch weder Chemiker
noch Apotheker zu sein, ebenso gewiß, wie z. B. ein Redakteur
kein Jurist zu sein braucht. Daß er es aber ist, wird in den
meisten Fällen bei großen Zeitungen ein Vorteil sein, weshalb
sich auch in letzter Zeit Juristen hin und wieder Zeitungs¬
unternehmen kaufen und damit reüssieren, abgesehen davon,
daß das Blatt hierdurch ohnehin schon mehr Ansehen gewinnt.
(Der vielverehrte Professor Fleisch mann ist von Hause
Philolog bzw. Chemiker, hat seine ersten Erfahrungen im
Allgäu gesammelt.) Die gleichfalls von mir gehaltene
„Berliner Molkereizeitung“ wehrt sich nicht gegen die Ver¬
wendung von Tierärzten im Molkereifache; sie zeigt dadurch,
daß sie moderner denkt. In den großen deutschen Schlacht¬
höfen hatte es seinerzeit ebenfalls Mühe, die Konkurrenz von
Offizieren, ausgedienten Schutzleuten usw. als Direktoren abzu¬
wehren, in einzelnen sind ja heute noch Laien als Leiter tätig.
Der Unterschied von damals gegen die heutigen Schlachthöfe
ist der von Tag und Nacht. Wenn deswegen Tierärzte Lust
und Liebe haben, in einem — vorbildlich für die ganze Welt!
— verwandten Fache tätig zu sein, ohne auf die Praxis
verzichten zu müssen, werden sie schon Mittel und Wege finden,
sich zu betätigen; auf den Segen der Hildesheimerin, resp. des
Herrn Anonymus derselben werden sie allerdings verzichten
müssen; es bleiben noch Fachblätter genug, die den Eintritt
von Tierärzten in ein verwandtes Fach ertragen können, ohne
fürchten zu müssen, daß ihr Leserkreis Schaden leidet. Im
Gegenteil, sie werden erfreut sein. Mancher Milchfehler wird
sich aufklären, wenn ein allezeit bereiter Tierarzt imstande
sein wird, hier Abhilfe zu treffen und eventuell sofort den Stall
zu untersuchen. Auch im Kühlwesen haben die Tierärzte von
der empfindlichen Fleischbehandlung her eingehende Erfahrung,
die gerade so gut der Butter zugute kommen kann. Die Hand¬
habung der Feuchtigkeitsmesser, die Sorge für das in den Kühl¬
hallen aufgehängte Fleisch ist gemeiniglich größer als die für
die immerfort versandbereite Butter. Überhaupt haben die Tier¬
ärzte der Säuglingsmilchanstalten eingehende Erfahrung. Schließlich
wird der Tierarzt als treuer Berater der Genossen diesen zur
Verfügung stehen, — ebenfalls ein großer Vorteil. Die heutige
Milchviehhochzucht mit ihren großangelegten Werten braucht
heute einen Tierarzt nötiger als vor 20 und mehr Jahren.
Manche Gegend, die sich noch keinen Tierarzt leisten kann,
würde durch die Übertragung der Molkereidirektorstelle mit einem
Schlage diese Sorge los. Ein großer Prozentsatz von Tierärzten
stammt aus dem Lande; er hat hier seine erste Erziehung
genossen und er weiß mit der Landwirtschaft Bescheid; in vielen
Gegenden ist er sogar selbst ausübender Landwirt und es wird
ihm daher leicht sein, in abgeschlossenen Gegenden für die
Errichtung von Molkereianstalten sein Wort einzulegen. Auch
in diesem Sinne kann ein tüchtiger Tierarzt Gutes wirken.
Vorderhand wird es aber immerhin noch Leute geben, die in
14. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHEN8CHRIFT.
365
irgendwelcher Tätigkeit der Tierärzte ein Haar finden, sei es
Nahrungsmittelkontrolle, sei es Pferdezucht, sei es Meierei- und
Molkereiwesen. Den Leuten ist eben nicht zu helfen. Man
muß sich aber darum zu trösten wissen. Dr. G.
Nachklänge zu dem „gefährdeten Stand“.
Von Tierarzt Lauff,
Schlachthofdirektor in Merzig (Saar).
In Nr. 37 der B. T. W., Jahrgang 1907, hatte der Kreistierarzt
Herr Herrraann einen Fall von Maul- und Klauenseuche erwähnt,
den ein Schlachthofdirektor auf dem Schlachthof festgestellt hatte
Gemeint konnte nach dem Tone des Il.schcn Artikels nur der
Schlachthofdirektor Lauff sein. Die Schlußsätze des Falles
lauteten folgendermaßen: „Der betr. Schlachthofdirektor hatte sich
nach Feststellung der Seuche telephonisch sofort mit dem Händler
in Verbindung gesetzt und mit umschriebenen Redewendungen ihm
den Rat erteilt, den noch vorhandenen Restbestand seines Viehes
so schnell als möglich zu beseitigen. Dies hatte dem Mann genügt,
und hatte er den ihm gegebenen Wink schnell aufgefaßt, wie der
Erfolg es zeigte.
Ich glaube daher nicht zu weit zu gehen mit der Behauptung,
daß etwas Gleiches von einem Staatsbeamten ausgeschlossen sei.“
Ich beantragte sofort Einleitung eines Disziplinarverfahrens
gegen mich und stellte Strafantrag gegen den Kreisticrarzt
Herr mann durch meine Behörde. Die nächste Folge war die
Aufforderung der Königlichen Regierung in Trier an mich, gegen
den hiesigen Händler Eugen Salomon Strafantrag zu stellen
wegen verleumderischer Beleidigung im Sinne des § 187 Str. G. B.,
da sich der dem Schlachthofdirektor Lauff gemachte Vorwurf
nicht aufrecht erhalten ließe. Zeugo sollte der Kreistierarzt
Herrmann sein, der nach wie vor behauptete, Salomon haboihm
die Mitteilung gemacht. Salomon wurde vor dem Königlichen
Schöffengericht freigesprochen, weil Herrmann nach seiner Eides¬
leistung erklärte, nicht mehr zu wissen, ob der Händler den Namen
„Lauff“ oder die Bezeichnung „Schlachthofdirektor“ gebraucht
habe. In seinem Schreiben an dio Königliche Regierung habe
Herr H. den Anfang des überhaupt nicht stattgefundenen Telephon¬
gesprächs wie folgt angegeben: „Hier Schlachthof Merzig, Lauff“.
Als die eidliche Vernehmung erfolgte, gab er obige Aussage ab.
Auf Grund dessen mußte der Angeklagte vor dem Königlichen
Schöffengericht freigesprochen werden.
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin wurde in der
Sache am 27. April 1908 vor der Strafkammer in Trier nochmals
verhandelt. Hierüber bringt der Berichterstatter der Trierschen
Zeitung folgenden Bericht:
„Der im gestrigen Abendblatt enthaltene Strafkammerbericht be¬
handelte u. a. die gegen einen Merziger Handelsmann wegen
Beleidigung des Schlachthofdirektors Tierarztes Lauff erhobene Offizial¬
klage. Hierzu sei nachgetragen: Der Handelsmann hatte im Dezember 1904
einen Waggon Vieh von auswärts bezogen, als man behördlicherseits
Maßregeln gegen die Einschleppung der Maul- und Klauenseuche er¬
greifen wollte. Er soll nun telephonisch vom Schlachthofe aus davon
unterrichtet worden sein, daß nach der angedeuteten Richtung hin eine
besondere Stallrevision stattfinden werde. Dabei sei ihm der Rat er¬
teilt worden, den Stall möglichst bald zu räumen, andernfalls setze er
sich der Gefahr einer Sperre aus. Es verbreitete sich dann das
Gerücht, Schlachtdirektor Lauff persönlich habe dem Angeschuldigten
die Warnung ztigehen lassen. Dem Schlachthofdirektor ist die Aus¬
übung der Privatpraxis gestattet worden. Um so empfindlicher berührte
ihn das Gerücht, das wohl geeignet war, sein Ansehen in der öffent¬
lichen Meinung herabzuwürdigen. Wäre es richtig gewesen, so hätte
man annehmen können, gerade wegen der Privatpraxis wolle der
Schlachthofdirektor sich um die Gunst der Handelsleute bewerben. Das
Schöffengericht in Merzig sprach den Handelsmann frei, da nicht nach¬
gewiesen erschien, daß er in Beziehung auf den Schlachthofdirektor
eine derartige Äußerung gemacht hatte. Die vom Nebenkläger er¬
hobene Beruffing mußte mit der gleichen Begründung znrückgewiesen
werden. Durch die Verhandlung ist aber auch festgestellt
worden, daß der Schlachthofdirektor persönlich dem Be¬
klagten niemals eine Warnung in der eingangs erwähnten
Weise hat zugehen lassen.“
Auch bei dieser Verhandlung wurde dem Kreistierarzt Herrn
Herrmann seitens des Vorsitzenden vorgehalten, daß er früher
stets behauptet und der Königlichen Regierung mitgeteilt habe,
das Telephongespräch — von dem außer Herrmann niemand
etwas wußte — habe gelautet: „Hier Schlachthof Merzig, Lauff“.
Auch hier hielt er seine Behauptung, auf Grund deren die ganze
Anklage erhoben war, nicht aufrecht. Es mußte daher Freisprechung
des Angeklagten Salomon erfolgen.
Veterinär-medizinische Sektion der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz.
II. Wintersitzung am 8. März 1908.
Nachdem nachmittags von Uhr die eingetroffenen Herren
Gäste und Kollegen der Sektion dio reichen Sammlungen der Ge¬
sellschaft unter liebenswürdiger Führung des Museumsdirektors
Herrn Dr. v. Rabenau besucht hatten, begrüßte der Sektions-
Vorsitzende Herr Veterinärrät Borchardt die erschienenen Herren,
zu denen auch das Präsidium der Naturforschenden Gesellschaft
gehörte, welches den Arbeiten der Sektion weiteres frohes Gedeihen
uud Weiterentwicklung wünschte, Herr Sanitätsrat Dr. Preise hieß
besonders den Redner dos Tages, Herrn Medizinalrat Professor
Dr. Roeder-Dresden, willkommen.
Es waren erschienen 19 Tierärzte und 9 Mitglieder anderer
Sektionen.
1. Die Beschlüsse des tierärztlichen Provinzialvereins für
Schleswig-Holstein (betr. Milchkontrolle) wurden zustimmend an¬
genommen.
2. Vom Vorstand wird bekannt gegeben, daß in der Zeit vom
6.—16. April ein Fortbildungskursus an der Tierärztlichen Hoch¬
schule in Dresden stattfindet. Herr Medizinalrat Professor
Dr. Roeder gibt dazu Erläuterungen.
3. Vortrag des Herrn Medizinalrat Professor Dr. Roeder-
Dresden: „Über die Fortschritte in der Technik der Kastra¬
tion der Pferde“.
Der hochgeschätzte Herr Redner führte etwa folgendes aus:
Die Kastration ist eine uralte Operation und wird schon in der
Bibel erwähnt (3. Mosis 22); auch bei Hesiod und Xenophon finden
sich darauf bezügliche Stellen; in der Römerzeit schreibt Plinius
über die Kastration der männlichen Kamele, Vogetius kennt das
Abbrennen der Hoden bei Pferden und die Kluppen. Heinrich VII.
von England erläßt ein Verbot des gemeinschaftlichen Weideganges,
im Mittelalter ritt kein Ritter einen Wallach.
Was die Operation angeht, unterscheiden wir Abkluppen mit
bedeckter und mit unbedeckter Scheidenhaut, ferner Unterbinden
des Samenstranges mit bedeckter und mit unbedeckter Scheidenhaut,
bekannt ist die Unterbindung der Samenarterien, das Abbrcnnen
der Hoden ist nahezu verlassen; die jetzt herrschende Methode ist
das Abdrehen und das Abquetschen.
Unter Vorlage der verschieden konstruierten Instrumente wies
der bekannte Praktiker auf die Vorteile und Nachteile der ver¬
schiedenen Emaskulatoren hin und faßte am Schluß seiner spannen¬
den und interessanten Rede seine praktischen Erfahrungen dahin
zusammen, daß der Emaskulator nach Bertschy der beste sei, seiner
Einführung jedoch der hohe Preis von 60 Mark im Wege stehe.
Reicher einstimmiger, aufrichtiger Beifall zeigte dem geschätzten
Redner, daß er von allen dankbar verstanden worden sei.
Diese Dankbarkeit sprach auch der Vorsitzende unter noch¬
maligem Beifall der Versammlung aus.
Die folgende Diskussion gab reiches Material, alle Anfragen
wurden beantwortet und Zweifel zerstört
4. Der Schriftführer referiert über eine Preisarbeit, die an¬
läßlich des 100jährigen Jubiläums der Gesellschaft im Jahre 1911
von allen Sektionen geleistet werden soll. Auf Vorschlag des Herrn
Veterinärrat Wilhelm-Zittau beschließt die Sektion, sich an den
Arbeiten zu beteiligen und wählt einen Ausschuß, welcher die
Angelegenheit im Auge behält.
5. Die Sommersitzung findet Sonntag, den 21. Juni, in Form
eines Ausfluges nach dem herrlichen Oybin bei Zittau statt.
Abfahrt Görlitz 8 6;i vormittags.
6. Es wird bekannt gegeben, daß der beliebte Herrenabend der
Gesellschaft dieses Jahr in Form eines bayrischen Abends Sonnabend,
den 11. April, im Sitzungssaal stattfindet. Zahlreiches Erscheinen
erwünscht. Einladungen ergehen von der Gesellschaft. — Schluß
der Sitzung um 7 Uhr.
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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
Eine Nachsitzung vereinigte die Herren Kollegen bei fröhlicher
Stimmung noch kurze Zeit und nur zu bald führte die Eisenbahn
die Herren den heimischen Penaten zu.
Auf Wiedersehen! L.
Versammlung der Gruppe Rheinland des Verbandes der Privattierärzte
In Preußen.
Abgehalten zu Düsseldorf im Artushof, nachmittags 2 '/ 3 Uhr.
Anwesend sind die Herren, 1. Bettelhäuser-Duisburg,
2. Dr. Flatten-Köln, 3. Weinberg-Aachen, 4. Staehler-Frechen,
5. Wirtz-Kerpen, 6. Dr. Zanders-Viersen, 7. Graf-Wald (Rhld),
8. Brauner-Solingen, 9. PIaten-Wevelinghoven, 10. Kuhl-Bur-
scheid, 11. Dürnrnel-Osterath, 12. Thal-Dülken, 13. Althof-
Betzdorf, 14. Schulte-Borbeck, 15. Lüne mann-Stoppenberg,
16. C. Möllhoff-Essen, 17. Beckedorf-Krefeld, 18. Winter-
Wesel, 19. Schick-Rheinberg, 20. Tacke-Ratingen, 21. Wigge-
Düsscldorf, 22. Diekmann-Remscheid, 23. Friedheim-Solingen,
24. Dr. Kallenbach-Kevelaer, 25. Dr. Wolff-Cleve, 26. Benne¬
witz-Doveren, 27. Brandmann-Benrath, 28. von Betteray-
Kcvelaer.
Der Vorsitzende Dr. Flatten eröffnet die Sitzung und begrüßt
die erschienenen Herrn.
Nach Verlesung des Protokolls über die Versammlung vom
1. Dezember 1907, das nach Form und Inhalt genehmigt wird, be¬
richtet der Vorsitzende eingehend über die Generalversammlung
in Berlin vom 8. Dezember 1907.
Auf Anfrage des Kassierers, betreffend Eintrittsgeld, stellt
Bettelhäuser aus den Statuten fest, daß von jedem neuen Mitglied
5 M. Eintrittsgeld zu erheben sei, unabhängig von den Umlagen
der Gruppe.
Vor Neuwahl des Gruppenvorstandes erklären Wigge und
Bettelhäuser, unter keiner Bedingung wieder ein Mandat an¬
nehmen zu können, da sie mit Arbeit, z. T. anderweitiger Vereins¬
arbeit überbürdet seien. Aus der Versammlung heraus wird an den
Vorstand der Wunsch gerichtet, insgesamt im Amte zu bleiben,
dem Wigge und Bettelhäuser jedoch aus dem angegebenen
Grunde nicht willfahren zu können erklären.
Aus der Zahl der von der Versammlung vorgeschlagenen
Herren werden als Gruppen Vorstand erwählt: Dr. Flatten,
Beckedorf, Staehler und Althof, von denen durch besondere
Wahl mit 22 von 28 abgegebenen Stimmen Dr. Flatten als
1. Vorsitzender wiedergewählt wird, nachdem von verschiedenen
Seiten die Versammlung aufgefordert ist, durch ihr Votum dem
bisherigen 1. Vorsitzenden, Dr. Flatten, ihr besonderes Vertrauen
auszudrückcn. Die gewählten Herrn nehmen die Wahl an.
Zu Delegierten für den Verbandsausschuß werden bestimmt:
Dr. Flatten-Köln, Beckedorf-Crefeld, Althof-Betzdorf.
Auf Anregung des Vorsitzenden beschließt die Versammlung
folgenden Antrag an den Ausschuß für die Tagesogdnung der
nächsten Generalversammlung am 26. April 1908 gelangen zu lassen.
„Die Gruppe Rheinland des Verbandes der Privattierärzte in
Preußon bittet, einen Beschluß herbeizuführen, nach welchem der
Verbandsvorstand auf die Dauer von drei Jahren gewählt wird.“
Weiterhin findet ein Antrag des Dr. Zanders-Viersen ein¬
stimmig Annahme, der ebenfalls dem Ausschuß für die Tages¬
ordnung der nächsten General Versammlung überwiesen werden soll.
„Bei Ausbruch von Maul- und Klauenseuche und Tollwut ist
verschiedentlich durch Bekanntmachung angeordnet worden, daß
die Untersuchung der zur Ausführung aus dem Sperrbezirk be¬
stimmten Tiere dem Kreistierarzt Vorbehalten sei. Da nach § 59, 7
der Bundesratsinstruktion zum Reichsviehscuchengesetz nur tier¬
ärztliche Untersuchung vorgeschrieben ist, so beantragt die Gruppe
Rheinland, daß der Verband der Privattierärzte in Preußen gegen
jeden derartigen Fall zur Wahrung der Interessen der Privattier¬
ärzte eintritt.“
Wigge-Düsseldorf bespricht die in absehbarer Zeit bevor¬
stehende Bildung der Tierärztekammer und bittet, sich doch jetzt
schon innerhalb der Gruppe auf Vertreter für dieselbe zu einigen.
Die Versammlung bezeichnet als in erster Linie in Betracht kommend
die Herren Bettelhäuser-Duisburg, Dr. Flatten-Köln und
Wigge-Düsseldorf, zu denen noch weitere Herren in Vorschlag
kommen sollen für den Fall, daß die Gruppe Rheinland mehrere
Vertreter zu entsenden hat.
Auf Antrag Wirtz-Kerpen beschließt die Versammlung, vor
der Wahl zur Tierärztekammer eine besondere Gruppenversammlung
anzuberaumen. Ein zweiter Antrag Wirtz wird ebenfalls an¬
genommen, demzufolge jährlich zwei Gruppenversammlungen ab-
gchalten werden, von denen die Frühjahrs-Versammlung in Düssel¬
dorf stattfindet, auf der dann jedesmal der Ort für die Herbsttagung
festgesetzt wird. Als Ort für die diesjährige Herbsttagung wird
Köln bestimmt, wobei möglichst die Zeit der Oktober-Rennen ge¬
wünscht wird.
Nachdem noch verschiedene Kollegen aus der Kleinprovinz
namhaft gemacht sind, um zum Beitritt zum Verbände auf gefordert
zu werden, schließt der Vorsitzende die Versammlung.
Die Mitgliederzahl der Gruppe beläuft sich zurzeit auf 80.
Der Gruppenvorstand:
I. A. Althoff, Schriftführer.
IX. Internationaler Tierärztlicher Kongreß In Haag,
vom 14.—19. September 1909.
Dem Berichte über die Sitzung des Ständigen Ausschusses der
Internationalen Tierärztlichen Kongresse vom 14.—16. April 1908
ist anzufügen, daß außer dem Herrn Ministerialrat Binder-Wien
und Herrn Professor Leclainche in Toulouse Herr Geheimrat
Professor Dr. Ostertag-Berlin, Direktor der Veterinärabteilung im
Kaiserlichen Gesundheitsamt, zum Mitglied der Kommission zur
Ausarbeitung eines einheitlichen Schemas für die periodischen
Veterinär-Aus weise erwählt wurde. Herr Geheimrat Dr. Ostertag
hat die Wahl angenommen.
Ferner hat sich nach Beginn der Verhandlungen ein Deutscher
Ausschuß für Anregung zur Beteiligung an dem IX. Internationalen
Tierärztlichen Kongreß gebildet. Er setzt sich zusammen aus dem
Ausschüsse des deutschen Veterinärrates, dem Herrn Geheimrat
Professor Dr. Esser-Göttingen, Herrn Oberregierungsrat Bciß-
wänger-Stuttgart, Herrn Prof. Dr. Schmaltz, Rektor der Tier¬
ärztlichen Hochschule Berlin, Herrn Kreistierarzt Zündel-Mül-
hausen i. E, Herrn Veterinärrat Heyne, Departementstierarzt zu
Posen und Herrn Mölter, Obertierarzt am Schlachthofe in München,
denen sich Herr Geheimrat Prof. Dr. Ostertag, Direktor der
Veterinärabteilung im Kaiserlichen Gesundheitsamte Berlin und
Herr Geheimer Oberregierungsrat Dr. Lydtin-Baden-Baden, letzterer
als Vorsitzender, angeschlossen haben.
In den nächsten Tagen wird ein Aufruf des Ausschusses an
die deutschen Tierärzte ergehen.
42. Generalversammlung des Tierärztlichen Provinzialvereine für Posen
am 24. Mai 1908, vormittags ll’/a Uhr,
in Mylius Hotel Stadt Dresden zu Posen, Wilhelmstr. 23.
Tagesordnung:
1. Geschäftliche Mitteilungen.
2. Bericht des Rendanten über den Stand der Vercinskasse.
3. Die Bacteriotropine und Opsonine und ihre Bedeutung für die
Veterinärmedizin. Referent Herr Dr. Mießner, Abteilungs¬
vorsteher im Kaiser Wilhelm-InBtitut zu Bromberg.
4. Die Bekämpfung der Trichinose der Schweine durch Ver¬
nichtung der Ratten mittelst Ratin.
5. Wahlen zum Veterinärrat und zur Zentral Vertretung.
Um 3 Uhr findet ein gemeinsames Mittagessen statt (Kouvert
3 Mark), zu welchem die Herren Mitglieder des Vereins und deren
Damen mit der Bitte eingeladen werden, gefälligst die ZaRl der
gewünschten Kouverts bis spätestens 20. Mai d. J. dem Unter¬
zeichneten angeben zu wollen.
Der Tierärztliche Provinzial verein für Posen
Heyne, Veterinärrat
Verein kurhessischer Tierärzte.
44. General-Versammlung am Sonntag, den 31. Mai 1908,
vormittags lO'/a Uhr, im Grand-Hotel (Stecker) zu Wilhelmshöhe.
Tagesordnung:
1. Geschäftliches.
2. Einführung einer Minimaltaxe für die Tierärztliche Praxis.
Referent: Tierarzt Dr. Kobel-Volkmarsen.
14. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
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3. Beobachtungen über das Vorkommen von Schweineseuche
unter dem Schwarzwild im Reinhardswald. Referent:
Veterinärrat Tietze-Kassel.
4. Mitteilungen aus der Praxis.
Nach der Sitzung (gegen l'/ 4 Uhr) gemeinsames Mittagessen
mit Damen im Grand-Hotel.
Um 3 Uhr Aufbruch zur.Besichtigung der Wasserkünste. Sammel-
pui!kt um 3 l / 9 Uhr am Fuße der Kaskaden.
Nach Schluß der Wasserfälle (ungefähr 5 Uhr) treffen sich die
Herren Kollgen mit den Damen im Konzertgarten des Grand-Hotel
zum Kaffee.
Um zahlreiches Erscheinen wird höflichst gebeten. Gäste sind
aufs Herzlichste willkommen.
Wegen der Vorbereitungen zum Mittagessen w r erden Anmeldungen
zur Teilnahme unter Angabe der Personenzahl bis spätestens den
25. Mai an den Unterzeichneten erbeten. Wer nicht absagt — kommt.
Der Vorsitzende:
- Veterinärrat Tietzc,
Cassel, Parkstr. 9.
Verain der Tierärzte des Reg.-Bez. Aachen.
Frühjahrs Versammlung
am 24. Mai, morgens 11 Uhr, auf dem Schlachthof zu Aachen.
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten ev. Änderung der Statuten.
2. Neuwahl des Vorstandes.
3. Vortrag des Herrn Schlachfhofdirektors Bockeimann.
Thema: a) Ein Ausflug in das Gebiet der Bakteriologie unter
besonderer Berücksichtigung der tierpathogenen
Mikroorganismen mit Lichtbildern,
b) Demonstration lebender Bakterien in der Dunkel¬
feldbeleuchtung.
4. Mitteilungen aus der Praxis.
Nach der Sitzung gemeinschaftliches Diner. Zahlreiche Be¬
teiligung ist dringend im Vereinsinteresse erwünscht.
Aachen, 8. Mai 1908. Der Vorstand:. Dr. Schmidt.
The international Congress on Tuberculosis.
Der Preis aus dem Hodgkins Fund in der Höhe von 1500 Pfund
wird von dem Smithsonischen Institute in Washington gemäß* nach¬
folgender Ankündigung ausgesetzt. Im Oktober 1891 hat Hodgkins
dem Smithsonischen Institut eine Schenkung gemacht, deren Ertrag
verwendet werden soll, um eine genauere Kenntnis der Natur und
Eigenschaften der atmosphärischen Luft im Zusammenhang mit
der Wohlfahrt der Menschen zu verbreiten. Das Institut setzt daher
im Sinne des Spenders von Zeit zu Zeit Preise aus, verteilt Medaillen
und Unterstützungen zu Forschungszwecken. Im Zusammenhang
mit dem bevorstehenden internationalen Kongreß zur Bekämpfung
der Tuberkulose, welcher vom 21. September bis 12. Oktober 1908
in Washington tagen wird, wird ein Preis von 1500 Pfund für die
beste Abhandlung ausgesetzt, welche jenem Kongreß über die Be¬
ziehung der athmosphärischen Luft zur Tuberkulose vorgelegt
werden wird. Für die Abfassung sind zulässig die deutsche, eng¬
lische, französische und italienische Sprache. DaB Institut behält
sich das Recht vor, die preisgekrönte Abhandlung zu veröffentlichen.
Bewerbern wird weitere Auskunft erteilt von Charles Walcott,
Sekretär des Instituts.
Aufhebung einer Ordnungsstrafe gegen einen Schlachthofdirektor.
Der vor längerer Zeit aus seiner Stellung ausgeschiedene
Schlachthofdirektor Janssen zu Elberfeld war von dem Oberbürger¬
meister in eine Ordnungstrafe von 20 M. genommen worden, weil
in zwei Fällen die Futterordnung für den Schlachthof, wonach Tiere
vor Beginn des Marktes nicht getränkt werden dürfen, nicht be¬
achtet worden war. Der Schlachthofdirektor erhob Beschwerde beim
Oberpräsidenten der Rheinprovinz, der jedoch nicht Folge gegeben
wurde. Gegen den Bescheid strengte der Bestrafte die Klage auf
Aufhebung der Bestrafung durch den Oberbürgermeister beim Ober¬
verwaltungsgericht an. In der Verhandlung hat der beschuldigte
Direktor folgendes ausgeführt: Eine reelle Firma habe im Mai die
auf den Viehhof gebrachten Kälber früh um 5 Uhr tränken lassen,
um sie vor dem Verenden zu bewahren. Der Direktor habe erst um
8 Uhr auf dem Vichhof zu erscheinen; bis dahin unterstehe das
Vieh der Aufsicht anderer Funktionäre, die ihm keine Mitteilung
gemacht hätten. In einem andern Falle habe er wegen herrschender
großer Hitze die Erlaubnis zum Tränken von Schweinen erteilt, um
einen großen Schaden abzuwenden, den die Stadt später zu er¬
setzen gehabt haben würde. Das Oberverwaltungsgericht hat dar¬
aufhin der Berufung entsprochen und anerkannt, daß die Nicht¬
kenntnis des Vorganges im Mai kein disziplinäres Versehen sei,
und daß der Kläger auch nicht nötig hatte, für die zweite be¬
gründete Maßnahme die nachträgliche Genehmigung einzuholen.
Aus diesen Gründen mußte der Bescheid des Oberpräsidenten und
die festgesetzte Ordnungsstrafe aufgehoben werden.
Betätigung von Tierärzten in den Kommunalverbänden.
Da vor einiger Zeit mit Recht in der „B. T. W.“ der Wunsch
ausgesprochen worden ist, die Tierärzte, namentlich in kleineren
Orten, möchten sich an dem kommunalen Leben beteiligen, so soll
hier auch gelegentlich mitgeteilt werden, wo dies geschieht. So
ist z. B. in Schafstedt (Reg.-Bez. Merseburg) der dortige Tierarzt
Meißner stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher gewesen und
zu Beginn dieses Jahres zum Stadtverordnetenvorsteher gewählt
worden. Es versteht sich von selbst, daß er auch Mitglied der
Sanitätskommission ist; ebenso ist er Mitglied der Baukommission
und der Bepflanznngskommission.
Ein niedlicher Druckfehler.
Die Rheinisch-Westfälische Zeitung berichtet in ihrer Nummer
vom 7. d. M. aus Berlin: „Im preußischen Landwirtschaftsministerium
ist der ständige veterinärtechnische Hilfsarbeiter Konsistorialrat
Nevermann zum Regierungs- und Veterinärrat befördert worden.
Der Ernennung wird grundsätzlicher Wert beigelegt.“
Das glauben wir auch, daß eine derartige Verbindung dieser
beiden Fakultäten grundsätzliche Bedeutung hätte.
Rennsleg.
Nach einer Notiz in der Wochenschrift für Tierheilkunde hat
am Ostermontag beim Herrenfahren des Münchener Trabrenn- und
Zuchtvereins Tierarzt Volkmann, Assistent am Institut für Tier¬
zucht an der Tierärztlichen Hochschule, den zweiten Platz helegt.
Der Schweizer Dr. med. vet.
Dem Vernehmen nach hat die veterinärmedizinische Fakultät
der Universität Bern sich nunmehr mit dem preußischen Kultus¬
ministerium direkt in Verbindung gesetzt, um eine andere Be¬
handlung des in Bern erworbenen Doctor medicinae veterinariae
zu erreichen.
Kolonialschule in Witzenhausen.
Tierarzt Schröter in Elze ist zum Lehrer an der Kolonial¬
schule ernannt worden. Diese Schule ist bekanntlich eine Privat-
anstalt mit staatlicher Subvention, die jedoch bei normaler Ent¬
wicklung wohl dereinst zu einem Staatsinstitut werden dürfte.
Lyon.
Professor Galtier, Lehrer für gerichtliche Tiermedizin und
Veterinärpolizei, ist gestorben.
Freistudentenschaft.
Mit dem 1. Mai d. J. tritt ein „Verband ehemaliger freier
Studenten der Königl. Tierärztlichen Hochschule zu Berlin“ ins
Leben. Er bezweckt eine Förderung der freistudentischen Gedanken
im akademischen Leben, insbesondere aber eine Unterstützung der
freien Studentenschaft der Berliner Hochschule, aus deren früheren
Angehörigen sich seine Mitglieder zusammensetzen. Seine Auf¬
nahme in den freistudentischen Bund, der die entsprechenden
Organisationen der Universitäten, Technischen Hochschulen usw.
umfaßt, ist gesichert
Erklärung.
Die Direktion der Halensia, Versicherungsgesellschaft auf
Gegenseitigkeit in Halle a. S., sendet folgende Zuschrift:
Der Nr. 18 Ihrer geschätzten Zeitschrift entnahmen wir den
Artikel:
„Tierarzt“ Ludwig in Habelschwerdt (vgl. B. T. W.
Nr. 18, S. 324).
368
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20.
Zur Aufklärung möchten wir bemerken, daß der Herr Ludwig
weder Vertreter unserer Gesellschaft ist, noch sich uns gegenüber
als Tierarzt bezeichnete. Des ferneren ist uns von einem
Ökonomen mit der gräflichen Gutsverwaltung zu Alt-Waltersdorf
nichts bekannt. Um Irrtümern vorzubeugen, bitten wir, vorstehende
Berichtigung in Ihrer geschätzten Zeitschrift gütigst aufnehmen
zu wollen.
Geheimmittelanzeige.
Neuerdings hat eine Anzeige Aufsehen erregt, die in ver¬
schiedenen Zeitungen erschienen ist und mir von mehreren Seiten
mit dem Ersuchen um Bekanntgabe zugesandt worden ist. Ich
begnüge mich, diesem Verlangen ohne Kommentar zu entsprechen.
„Mittel gegen Kälberruhr. Gegen Einsendung von 4,50 M. versende
durch eine hiesige Apotheke ein probates Mittel nebst Gebrauchs¬
anweisung gegen Kälberruhr. Staatstierarzt a. D. D. Völlers,
Hamburg-Eimsbüttel, Bismarckstraße 5.“
Literarische Notizen.
Gustav Rau: Die Not der deutschen Pferdezucht Eine kritische
Darstellung der bestehenden Verhältnisse und Vorschläge zu einer
Verbesserung. Stuttgart 1907. Verlag von Schickhardt & Ebner
(Konrad Wittwer). Geheftet 4 M., geb. 4,80 M.
Ein hochinteressantes Buch. Es behandelt in ausführlicher
Darstellung die brennendsten Fragen der deutschen Pferdezucht,
übt an den einschlägigen Förderungsmaßnahmen freimütige Kritik
und bringt eine Reihe von sehr beachtenswerten Verbesserungs¬
vorschlägen, darunter auch solche hinsichtlich der Ausbildung von
Gestütsbeamten. Auch wenn man mit dem Verfasser nicht in allen
Punkten übereinstimmt, wird man aus dem Buch eine Fülle von
Anregungen schöpfen. Ich empfehle das Studium des Werkes allen
Kollegen bestens, Vogel.
Meyer« Kleines Konversationslexikon. 7. Auflage in 6 Bänden
mit 130000 Artikeln und Stichworten, 520 Tafeln, Karten und Plänen
und etwa 100 Textbeilagen. Band 1 und 2, A bis Galizien. Zusammen
2000 Seiten in Halbfranz gebunden. Preis jedes Bandes 12 M.
Das große Meyersche Konversationslexikon ist rühmlichst bekannt.
Es bietet eine enorme Fülle der Belehrung, nnd seine Artikel sind so
eingehend gestaltet, daß sie zuni großen Teil weit über den Bedarf
des gebildeten Laien hinausgehen und eine wirklich fachmännische
Orientierung gewähren. Die Verlagsbuchhandlung hatte seit langem
neben diesem Großen Lexikon ein Kleines herausgegeben, welches
durch seinen bescheidenen Preis weiteren Kreisen zugänglich sein und
gleichzeitig doch dem Zweck der allgemeinen Belehrung genügen sollte.
Diesem letzteren Zwecke vermochte jedoch der Inhalt des auf drei
Bände zusammengedrängten Kleinen Konversationslexikons immerhin
nur oberflächlich zu genügen. Um das hier speziell Interessierende
lierauszugreifen, so war das Veterinärwesen in diesem Kleinen Lexikon
z B. recht ungenügend behandelt. Die Verlagsbuchhandlung wird er¬
kannt haben, daß diese kleine Ausgabe doch nicht hinreichend sei, um
die heute allgemein anerkannte Aufgabe eines Konversationslexikons zn
erfüllen. Sie hat daher an die Stelle jenes Kleinen Lexikons gewisser¬
maßen eine mittlere Ausgabe treten lassen, welche den doppelten Um¬
fang erhält, ohne daß dadurch der Preis den heute üblichen Aufwand
für ein gutes Buch übersteigt. Die beiden vorliegenden ersten Bände
legen Zeugnis davon ab, daß es bei dieser Bemessung deB Raumes dem
gleichzeitig überall erkennbaren Streben aller Mitarbeiter nach Knapp¬
heit und Schärfe der Darstellung möglich ist, eine wirklich gründliche
Belehrung zu bieten in einer Form, die dem Bedarf des Laien vielleicht
sogar mehr entgegenkommt, als dies die sehr eingehenden Artikel des
Großen Lexikons tun. Der Reichtum an schmückenden und instruktiven
Bildern, die zum Teil, namentlich was die Tafeln angeht, dem Großen
Lexikon entnommen sind, ist ein außerordentlicher. Das nunmehrige
Kleine Meyersche Konversationslexikon verdient daher die beste
Empfehlung nnd weiteste Verbreitung Schmaltz.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen den Oberveterinären Bawich
im Feldart.-Regt. Nr. 40, Wolff im Feldart.-Regt. Nr. 15, Schmidt im
Ulan.-Regt. Nr. 6, Rau im Feldart.-Regt. Nr. 8 der Königl. Kronen¬
orden vierter Klasse mit Schwertern am weißen Bande mit schwarzer
Einfassung; dem Schlachthofdirektor Jakob A/a</m-Mflnchen das
Ritterkreuz des Österreichischen Franz Joseph-Ordens.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Tierärztliche
Hochschule Berlin: Die Tierärzte Dr. Robert Hinixe und Dr.
Ludwin Seibel zu Repetitoren, Oberveterinär Dr. Hobstetter zum
Assistenten und Dr. Willy Pfeiler zum wissenschaftlichen Hilfs¬
arbeiter am Pathologischen Institut; Julius Döbrieh zum Assistenten
am Anatomischen Institut; Paul Meyer aus Zöberitz zum Assistenten
an der Poliklinik für kleine Haustiere; Dr. Pincussohn zum
Assistenten und Dr. Adloff zum Hilfsarbeiter am Physiologischen
Institut. — Hygienisches Institut der Universität Rostock
i. Meckl.: Tierarzt Curt Preßlcr vom Schlachthof zum Volontär¬
assistenten bei der Abteilung zur Erforschung von Tierkrankheiten.
— Schlachthof Verwaltung: Schlachthof inspektor F. Hensler-
Demmin zum Schlachthofdirektor, Polizeitierarzt Dr. Karl Oestem-
Hamburg zum Obertierarzt am Schlacht- und Viehhof in Essen
(Ruhr), die Tierärzte Carl Bolle und Johann Mrotik zu Assistenz¬
tierärzten am städtischen Schlachtbof in Rostock, Tierarzt Max
Gruber- Gerabronn zum Stadttierarzt in Murrhardt — Versetzt:
Kreistierarzt Dope-Lingen in gleicher Eigenschaft nach Neuenhaus,
Kreis Grafschaft Bentheim.
Niederlassungen: Die Tierärzte R. Killisch in Rastenburg, Rhein-
heimer in Lambsheim (Pfalz). — Verzogen: Polizeitierarzt Theodor
Huyel- Hamburg als bezirßstierärztlicher Assistent nach Mosbach
(Baden), die Tierärzte Karl Afatf-Glan-Münchweiler nach Lambsheim
(Pfalz), Ludwig Schlägel- Gießen nach Freiburg (Breisgau).
Promoviert: Die Tierärzte Ludwig Antfcrs-Lalnschin und Hans
Jocmcte-Dresden zum Dr. med. vet. in Bern bzw. Zürich.
In der Armee: Preußen: Befördert: Stabsveterinär Richter im
Grenadier-Itegt. zu Pferde Nr. 3 zum Oberstabsveterinär; die
Studierenden der Militär-Vcterinär-Akademie Schiunk im Feldart-
Regt. Nr. 15, Tjinyc im Feldart.-Regt. Nr. 70, Abromeit im Feldart.-
Regt. Nr. 37 zum Unterveterinär, sämtlich unter gleichzeitiger
Kommandierung auf sechs Monate zur Militär-Lehrschmiede. —
Versetzt: Die Unterveterinäre Witxki im Hus.-Regt. Nr. 8 von
Paderborn nach Neuhaus, Borcherdt im Feldart.-Regt. Nr. 31 zum
1. Garde-Drag-Regt. — Kommandiert: Die Oberveterinäre Pfeffer¬
korn im Jäger-Regt. zu Pferde Nr. 2 und Neumann im Feldart.-
Regt. Nr. 75 zu einer sechsmonatigen Probedienstlcistung zu dem
Remontedepots Kattenau bzw. Jurgaitschen, Amann im Feldart.-
Regt. Nr. 30 als Hilfsinspizient zur Militär-Veterinär-Akademie,
Lührs im 1. Garde-Feldart.-Regt unter Rücktritt vom Kommando
als Hilfsinspizient zur Militär-Veterinär-Akademie, als Hilfsassistent
zur Militär-Lehrschmiede Berlin. — Zugang: Oberveterinär
Gräbenteich, früher in der Schutztruppe, im Feldart.-Regt Nr. 30
wiederangestellt. — Verabschiedet: Die Oberveterinäre Hüte
im Feldart.-Regt. Nr. 22, Braun und Kleineidamm im Ulan.-Regt.
Nr. 1, Lemke im Feldart.-Regt. Nr. 7 auf Antrag mit Pension in
den Ruhestand versetzt.
Im Beurlaubtenstande: Preußen: Befördert: Die Stabs¬
veterinäre a. D. Mrvyouski (Boz.-Kdo. Halberstadt), Tragisch,
Hermann Schröder (Bez.-Kdo. III Berlin), Schlacgel (Bez.-Kdo.
Potsdam) zum Oberstabsveterinär, Oberveterinär Stier , Garde-Landw.
1. Aufgeb. vom Bez.-Kdo. Wesel zum Stabsveterinär, Unterveterinär
der Garde-Reserve Stempel vom Bez.-Kdo. Neustettin zum Ober¬
veterinär, der Unteroffizier der Reserve Tierarzt Jülimj zum Unter-
veterinär. — Abgang: Den Oberveterinären der Reserve Dillhoff
(Bez.-Kdo. Osnabrück), Meyer (Bez.-Kdo. Soest), Kneip (Bez.-Kdo.
St. Johann), Koscltwald (Bez.-Kdo. m Berlin), Sturm (Bez.-Kdo.
Bernburg) der erbetene Abschied bewilligt — Bayern: Abgang:
Den Oberveterinären Sebastian Schütx von der Landw. 2. Aufgeb.
(Amberg), Friedrich Voltx von der Landw. 2. Aufg. (Nürnberg) der
erbetene Abschied bewilligt.
Todesfall: Tierarzt />*wtt6«i«T-Allershausen bei Freising.
Vakanzen. (v g i. Nr. is.)
Kreistierarztstelle: Reg.-Bez. Osnabrück: Lingen. Bewerb,
innerhalb drei Wochen an den Regierungspräsidenten; Reg.-Bez.
Posen: Kosehmin. Bewerbungen innerhalb drei Wochen an den
Regierungspräsidenten.
Bakteriologisches Institut der Landwirtschaftskammer für die Provinz
Sachsen: Bakteriolog. geschulter Tierarzt als 4. Assistent, bald.
Gehalt 2400 M. Bewerb, umgehend.
Schlachthofstelle: Barmen (Rhld.): 1. ABsistenztierarzt, zum
1. August. Gehalt 2400 M. bis 4500 M., freie Wohnung usw. Be¬
werbungen bis 1. Juni an das Oberbürgermeisteramt.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Scbmalts in Berlin. — Verlag and Eigentum der Verlagsbuchhandlung ron Richard Scboets in Berlin. —
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
Oi« „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ ersehe! it
'.»öchentllch im Verlege ron Rlcherd ßchoetz In
Herl in SW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (II. 4,88 für die Wochenschrift, 12 PC, für Bestellgeld)
frei 1ns Heus geliefert (österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Origin alb etträge werden mit 60 Mk. ( in Petltsats ml,
60 Mk. för den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Herl in, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW, Luiscnstrafio 56. Korrekturon,
Resensions-Exemplaro und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Glage
Vetcrinürrat Dr. Lothes
Prof. Dr. Peter
Veterinärrat Peters
Vetcrinärrat Preuße
Dr. Richter
Professor
Departementstlerarzt
Kreistierarzt
Departementstlerarzt
Departementstierarzt
Professor
Hamburg.
Cöln.
Angermünde.
Bromberg.
Danzig.
Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder
Dr. Schlegel
Dr. J. Schmidt
Reg.-Rat Dr. Vogel
Wehrle
Zündel
Profesaor
Professor
Professor
Landestierarzt ▼. Bayern
Kaiser!. Regierungsrat
Kreistierarzt
Dresden.
Freiburg l. Br.
Dresden.
München.
Berlin.
Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908.
21 . Ansgegeben am 21. Mai.
Inhalt: Wölfel: Die konjunktivale Tuberkulinreaktion beim Rind. — Leistlkow: Dio neuere Art der Bekämpfung der
Maul- und Klauenseuche. — Referate: Moussu: über die Behandlung von scheintoten Neugeborenen. — Edelmann:
Mitteilungen aus den Berichten der Bezirkstierärzte auf das Jahr 1906. — Tageegeochlchte: He in ick: Deutscher und Schweizer
Dr. med. vet — Die bisher genehmigten Dr. med. vet. der Schweiz. — Tiersenchengesetz statt Viehseuchengesetz. — Roßarzt
Rietzei. — Der Wiener Studentenkrawall. — Über den Versicherungsvertrag. — Protokoll über die 62. Generalversammlung
des Tierärztlichen Zentralvereins für die Provinz Sachsen, die Anhaitischcn und dio Thüringischen Staaten. — Verschiedenes. —
Literarische Notizen. — Personalien. — Vakanzen.
(Aus dem Veterinärinstitut der Universität Breslau.
Direktor: Professor Dr. Casper.)
Die konjunktivale Tuberkulinreaktion beim Rind.
Von Dr. Kurt Wölfel,
I. Assistent des Instituts.
Am 3. Juni 1907 teilte Wolff-Eisner (1) in der Berliner
Medizinischen Gesellschaft mit, daß es ihm gelungen sei, durch
Einträufeln einer zehnprozentigen Lösung von Tuberkulin bei
Tuberkulösen eine Konjunktivitis zu erzeugen. Calmette (2)
bildete diese Methode beim Menschen weiter ans und nannte 6ie
Ophthalmoreaktion, während Valide (3) die ersten Versuche an
Tieren ansführte.
Valide benutzte dazu tuberkulöse Pferde, Rinder und Meer¬
schweinchen und erhielt bei den beiden zuerst genannten Tier¬
arten deutliche konjunktivale Reaktionen. 12—24 Stunden, nach¬
dem er den Tieren das Tuberkulin in ein Auge geträufelt hatte,
das andere zur Kontrolle benutzend, trat bei diesen eine leichte
Ptosis, Tränenfluß, Ödem, und lebhafte höhere Rötung der Kon-
jnnktiva auf. Zuweilen konnte er auch Ekchymosen, oft die Ab¬
sonderung eines schleimig-eitrigen Sekrets nacliweisen.
Während bei sämtlichen tuberkulösen Pferden und Rindern
eine deutliche Reaktion anftrat, war diese bei den Meerschweinchen
sehr undeutlich.
Später teilte Valide (3) mit, daß die Reaktion schon nach
6, 8 und 12 Stunden, selten später anftritt und nach lVa bis
4 Tagen noch zu sehen ist. Gleichzeitig stellte er fest, daß
die konjunktivale Reaktion von einer Temperaturerhöhung nicht
begleitet wird.
Lignit* res (5) verwandte für seine Versuche konzentriertes
Tuberkulin. Er vei langt, daß die Konjunktivitis von der Ab¬
sonderung eines Sekrets begleitet ist, welches hauptsächlich aus
polynukleären Leukozyten besteht. Tränenfluß, selbst geringe
Schwellung der Augenlider und leichte Entzündung der Kon-
junktiva genügen ihm nicht, um die konjunktivale Reaktion als
positiv erscheinen zu lassen.
Nach ihm erscheint die Reaktion schon vor Ablauf der
dritten Stunde nach dem Einträufeln und dauert 12 Stunden,
zuweilen länger an. In manchen Fällen hat er das Auftreten
der Reaktion erst nach 24 Stunden beobachtet.
Er hat bei 200 tuberkulösen Tieren stets eine deutliche
konjunktivale Reaktion erhalten, niemals hei gesunden. Auch
haben sämtliche Tiere, welche auf die subkutane Injektion von
Tuberkulin reagierten, eine deutliche konjunktivale Reaktion
gegeben.
Vanderheyden (6) hatte nicht so günstige Resultate. Er
hat bei 11 Tieren, die teils klinisch verdächtig waren, teils auf
Tuberkulin reagiert hatten, keine deutliche konjunktivale Reaktion
erhalten und spricht deshalb dieser Methode einen praktischen
Wert ab.
Auch Valide (7) scheint nach seinen neuesten Veröffent¬
lichungen nicht so glänzende Resultate gehabt zu haben, wie
vorher, erwähnt er doch Tiere, welche tuberkulös waren, aber
keine konjunktivale Reaktion gaben.
Bei seinen neuesten Versuchen hat er hauptsächlich die
subkutane Tuberkulinprobe mit der konjunktivalen verglichen.
Es haben ihn wohl hierzu die Erfahrungen von Irr und Claude
und Morrel veranlaßt, welche feststellten, daß gewisse Tiere,
welche auf die subkutane Injektion reagierten, keine konjunktivale
Reaktion gaben. Er konnte diese Tatsache bestätigen, fand
aber auch, daß manche Tiere, die bei der subkutanen Tuberkulin¬
probe nicht reagierten, eine positive konjunktivale Reaktion
gaben.
Ferner stellte er fest, daß durch wiederholtes Einträufeln
die Empfindlichkeit der Konjunktiven erhöht wird. „Es scheint“
ihm aber, daß bei tuberkulösen Tieren, welche die konjunktivale
Reaktion von vornherein nicht geben, diese auch durch wieder¬
holtes Einträufeln in dasselbe Auge nicht hervorzurufen ist.
370
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
Schließlich hebt Vallee (7) in seiner neuesten Mitteilung
hervor, daß die konjunktivale Reaktion durch eine vorhergehende
subkutane Injektion von Tuberkulin nicht behindert wird, wie
dies bei der letzteren der Fall ist. Er hat dies bei 10 tuberkulösen
Kühen festgestellt, welche 48 Stunden nach der subkutanen
Injektion eine deutliche konjunktivale Reaktion gaben.
Er glaubt in der konjunktivalen Reaktion ein sehr gutes
Mittel gefunden zu haben, um betrügerische Manipulationen
aufzudecken, und hält dieses Mittel für besser, als die bisherige
Methode der Einspritzung einer doppelten Dosis Tuberkulin.
Veranlaßt durch die günstigen Resultate, welche die Human¬
mediziner erzielten, und durch die ermutigenden Mitteilungen
Lignieres, habe ich seit Anfang dieses Jahres Versuche mit
der konjunktivalen Reaktion gemacht.
Gelegenheit hierzu boten mir die klinischen Untersuchungen,
die ich im Aufträge der Seuchenschutzstelle der Landwirtschafts¬
kammer für die Provinz Schlesien ausführte. Zu besonderem
Danke bin ich dem fürstl. Hohenloheschen Ökonomie-Direktor
Herrn Liebner verpflichtet, welcher die Liebenswürdigkeit hatte,
mir das Material zu dem unten eingehend beschriebenen Versuche
zu überlassen. Ich versäume deshalb nicht, demselben auch an
dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.
Leider war es mir nicht möglich, meine Befunde durch die
Sektion zu kontrollieren, ich mußte mich darauf beschränken,
bakteriologisch oder klinisch als krank erkannte bzw. verdächtige
Rinder für meine Versuche zu benutzen.
Durch an 57 Rindern angesteilte Versuche konnte ich fest¬
stellen, daß man mit einer 1—5 prozentigen Lösung von Alt¬
tuberkulin Koch eine deutliche Reaktion nur in seltenen Fällen
erhält. Mit einer 7 prozentigen Lösung waren die Resultate
schon bedeutend besser, während man mit einer 10 prozentigen
gute Reaktionen erzielt. Nachdem mir die Arbeit Lignieres,
welcher konzentriertes Tuberkulin benutzte, bekannt geworden
war, ging ich ebenfalls dazu über das Alttuberkulin Koch, sowie
es aus Höchst-Main bezogen wurde, d. h. unverdünnt, anzuwenden.
Von 10 derartig behandelten Kühen, reagierten eine kranke und
3 verdächtige deutlich, 2 verdächtige reagierten zweifelhaft, eine
verdächtige nicht, von 8 klinisch unverdächtigen Tieren reagierte
eins deutlich, zwei nicht.
Nach Anstellung dieser Vorversuche, bot sich mir Gelegenheit
anl3klinisch als krank erkannten Kühen der fürstl. Hohenloheschen
Güterdirektion Ponischowitz, einen eingehenden Versuch zu
machen.
Es kam mir hierbei hauptsächlich darauf an, die bekannte
subkutane Tuberkulinprobe mit der konjunktivalen zu vergleichen
und festzustellen, welchen Einfluß die Injektion von Tuberkulin
auf eine später folgende konjunktivale Reaktion hat. Gleich¬
zeitig wollte ich nachprüfen, ob die konjunktivale Tuberkulin¬
probe einen Einfluß auf das Allgemeinbefinden ausübt und eine
Temperaturerhöhung zur Folge hat und feststellen, welches
der geeigneteste Zeitpunkt für die Kontrolle der behandelten
Augen ist.
Der Versuch wurde in folgender Weise ausgeführt: Am
16. März wurde 13 kranken Kühen und 3 unverdächtigen Ochsen
morgens zwischen */ a 7 und 7 Uhr je ein Tropfen Alttuberkulin
Koch unverdünnt in das rechte Auge geträufelt. Zu diesem
Zwecke wurde der Kopf mit Hilfe von zwei Männern, von
denen der eine die Hörner der andere die Nase hielt, so
gedreht, daß das rechte Auge nach oben sah. Darauf wurde
ein Tropfen von unverdünntem Alttuberkulin Koch in die Nähe
des äußeren Augenwinkels eingeträufelt. Sofort nach dem Ein¬
träufeln wurde das untere Augenlid etwas vom Augapfel ab¬
gezogen, um zu verhindern, daß das Tuberkulin teilweise mit
der Tränenflüssigkeit wieder aus dem Lidsack ausgespült wurde.
Nach drei Stunden wurden dann die Augen untersucht und
diese Kontrolle zweistündlich bis x fß Uhr abends fortgesetzt.
Vor dem Einträufeln des Tuberkulins und bei jeder Be¬
sichtigung der Augen wurden die Temperaturen im Mastdarm
gemessen. Abends zwischen 3 /i9 und 9'/ 4 Uhr wurde jedem
Tiere 5,0 g einer zehnprozentigen Tuberkulinlösung unter die
Haut gespritzt. Am 17. früh 8 Uhr wurden die Messungen
wieder begonnen und um 8, 10, 12 und 3 Uhr wiederum in
Verbindung mit der Kontrolle der Augen wiederholt.
Acht Tage später am 25. wurde die konjunktivale Reaktion
zum zweiten Male ausgeführt. Hierbei konnte ich feststellen,
daß bei keinem der benutzten Augen irgendwelche krankhaften
Folgezustände zurückgeblieben waren. Es wurde dieses Mal das
linke Auge benutzt, da nach den letzten Mitteilungen Vallöes
die Empfindlichkeit der Konjunktiva bei wiederholtem Ein¬
träufeln in dasselbe Auge erhöht wird.
In der unten angeführten Tabelle unterscheide ich folgende
Arten der Reaktion:
Sehr deutlich nannte ich die konjunktivale Reaktion dann,
wenn sie in Form einer heftigen Konjunktivitis im Verein mit
starker Injektion der episcleralen Gefäße auftrat. Die Ent¬
zündung der Lidbindehäute war in diesen Fällen derart, daß in
ihnen Petechien auftraten und vor allem eine reichliche Menge
Sekret abgesondert wurde, welches überwiegend polynukleäre
Leukozyten, etwas Schleim und vereinzelte Plattenepithelien
enthielt.
Als deutlich habe ich diejenigen Reaktionen bezeichnet,
welche zwar auch eine heftige Konjuntivitis, meist auch
Injektion der Episcleralgefäße zeigten, bei denen aber die
Petechien fehlten und die Sekretion nur ziemlich reichlich, zu¬
weilen sogar nur spärlich war, das abgesonderte Sekret aber
überwiegend aus polynukleären Leukozyten bestand.
Als zweifelhaft wurden die Reaktionen angesehen, bei
denen eine schwache Konjunktivitis auftrat und nur sehr
spärliche Mengen oder nur Spuren eines Sekrets abgesondert
wurden, welches zwar polynukleäre Leukozyten, außerdem aber
auch reichliche Mengen von Schleim und zahlreiche Epithelien
enthielt.
Negativ waren diejenigen Reaktionen, bei denen entweder
nur eine höhere Rötung der Konjunktiva auftrat, oder auch
Spuren von Sekret abgesondert wurden, dieses Sekret aber
noch weniger polynukleäre Leukozyten enthielt, als das bei den
zweifelhaften Reaktionen auftretende.
Aus der nebenstehenden Tabelle ist folgendes zu entnehmen:
Die Bubkutane Tuberkulinprobe fiel bei allen 15 geimpften
Tieren, auch bei den klinisch unverdächtigen, positiv aus.
Auf die konjunktivale Applikation reagierten bei dem ersten
Versuch von den 16 benutzten Rindern 11 deutlich bzw. sehr
deutlich, die drei klinisch unverdächtigen Ochsen zweifelhaft,
während zwei Kühe überhaupt keine Reaktion zeigten.
Acht Tage nach der subkutanen Impfung mit Tuberkulin
reagierten von den 15 so vorbehandelten Rindern 11 deutlich,
2 zweifelhaft und 2 nicht.
21. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
371
Nr.
Geschlecht
Klinischer Befund
Subkutane
Tuberkulin¬
probe
Konjunk¬
tivale Reak¬
tion
am 16. März
Eintritt
der
Reaktion
nach
Ver¬
schwinden
der
Reaktion
nach
Befund nach
33 Stunden
Konjunk¬
tivale Reak¬
tion
am 25. März
Tempera¬
turen
am 16. März
1.
Kuh
Husten, struppiges Haarkleid,
Abmagerung, trüber Blick.
Im Rachenschleim Tuberkel¬
bazillen.
nicht ange¬
stellt 1 )
sehr deutlich
9 Stunden
Reaktion
dauert fort
sehr deutlich
38,4-39,8.
2.
Kuh
Husten, brummende Atmung
rechts.
positiv
negativ
-
negativ
38,3-38,6.
3.
Kuh
Husten, giemende Atmung
beiderseits.
positiv
deutlich
7 Stunden
33 Stdn.
-
deutlich
38,4—38,8.
4.
Kuh
Husten brummende Atmung
beiderseits.
positiv
sehr deutlich
7 Stunden
dauert fort
deutlich
38,4-38,8.
5.
Kuh
Husten, giemende Atmung
rechts, verschärftes Vesicu-
läratmen links.
positiv
i
sehr deutlich.3 Stunden
1
l
—
im Ver¬
schwinden
deutlich
38,5-38,7.
6.
Kuh
Husten, giemende Atmung
rechts.
positiv
sehr deutlich 5 Stunden
'
1
_
im Ver¬
schwinden
deutlich
38,3-38,8.
7.
Kuh
Husten, giemende Atmung
links.
positiv
deutlich
7 Stunden
-
im Ver¬
schwinden
deutlich
38,4-38,7.
8.
Kuh
Husten, giemende Atmung
beiderseits.
positiv
deutlich
3 Stunden
i
im Ver¬
schwinden ;
deutlich
i 38,5-39,0.
9.
Kuh
Husten, brummende Atmung
rechts.
positiv
negativ
j
- ;
negativ
38,G—38,9.
10.
Kuh
Husten, brummende Atmung
links.
positiv
deutlich
7 Stunden
-
dauert fort !
deutlich
38,2-38,5.
11.
Kuh
Husten, verschärftes Vesicu-
täratmen rechts. Im Rachen¬
schleim Tuberkelbazillen.
positiv
deutlich
9 Stunden
—
im Ver¬
schwinden
1
deutlich
38,3-38,6.
12.
Kuh
Husten, brummende und gie¬
mende Atmung beiderseits.
positiv
deutlich
5 Stunden
-
!
dauert fort
deutlich
38,6-39,0.
13.
Kuh
Hustenanfälle, verschärftes
Vesiculäratmen rechts und
Brummen links.
positiv
sehr deutlich 5 Stunden —
j ' |
dauert fort
1
sehr deutlich
38,3-38,5.
14.
Ochse
unverdächtiger Husten.
positiv
zweifelhaft
9 Stunden
-
dauert fort
zweifelhaft
38,6-39,0.
15.
Ochse
negativ.
positiv
zweifelhaft
23 Stdn.
dauert fort 1
1
sehr
deutlich a )
38,4-38,6.
16.
Ochse
negativ.
i positiv
zweifelhaft
- 3 )
-
i
zweifelhaft
38,4 -38,6,
*) Ua die Kuh am 16. III. abends 39,8 Temperatur hatte, wurde die subkutane Injektion unterlassen. — *) Da das linke Auge
höher gerötet war, mußte beim zweiten Versuch wiederum das rechte Auge benutzt werden. — 3 ) Bei diesem Tier trat nach 11 Stunden
höhere Rötung beider Augen auf, weshalb der erste Versuch unrein ist.
Die Zahlen haben sich im Vergleich zum ersten Versuch
etwas verschoben, da zunächst die Kuh 1. nicht subkutan mit
Tuberkulin geimpft worden ist, und deshalb für die zweite Ver¬
suchsanstellung nur als Kontrolltier in Betracht kam. Das linke
Auge reagierte bei dieser Kuh in derselben heftigen Weise, wie
das rechte 8 Tage zuvor. Ferner hat von den drei im ersten
Versuch zweifelhaft reagierenden Ochsen Nr. 15 das zweite Mal
sehr deutlich reagiert. Man muß in diesem Falle berücksichtigen,
das bei diesem Tier die zweite konjunktivale Reaktion an dem¬
selben Auge vorgenommen wurde, wie die erste. Nach
v. Pirquet (8) haben aber die auf nochmaliges Einträufeln
eintretenden Reaktionen einen sehr zweifelhaften Wert, da Kohn
und Klemperer bei nicht tuberkulösen Menschen eine Über¬
empfindlichkeit durch wiederholtes Einträufeln erzeugt haben.
Daß die Empfindlichkeit der Konjunktiva bei tuberkulösen
Rindern nach Ablauf einer konjunktivalen Reaktion erhöht ist,
konnte ich in Übereinstimmung mit Valide feststellen. Einer
Kuh träufelte ich beim zweiten Versuch in beide Augen Tuber¬
kulin. ’ Das rechte, wiederholt benutzte Auge reagierte deutlich
heftiger als das linke.
Die konjunktivalen Reaktionen begannen frühestens nach
3 Stunden, meist aber erst nach 7—9 Stunden und wurden 11—13
Stunden nach dem Einträufeln am deutlichsten. Nur bei dem
zweifelhaft reagierenden Ochsen 15 trat eine schwache Reaktion
erst nach 23 Stunden auf, dieselbe war nach 33 Stunden noch
vollkommen unverändert und erfüllte die Bedingungen nicht, die
man an eine deutliche Reaktion stellen muß. Bei den übrigen
reagierenden Rindern war die Konjunktivitis nach 33 Stunden
teils noch deutlich ausgeprägt, teils im Verschwinden begriffen,
nur bei einer Kuh war sie verschwunden.
Eine Temperaturerhöhung oder sonstige Störung des Allge¬
meinbefindens konnte bis auf die Kuh 1 nicht festgestellt werden.
Ob bei dieser die Temperaturerhöhung auf die konjunktivale
Reaktion zurück Zufuhren ist, bleibt sehr zweifelhaft, da die
372
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
Temperatur schon am andern Morgen auf die Norm zurückging,
während die Konjunktivitis in derselben Heftigkeit fortdauerte.
Zusammenfassung. Ich konnte somit feststellen:
Nicht alle Tiere, welche auf die subkutane
Tuberkulinprobe reagieren, geben eine konjunktivale
Reaktion.
Die subkutane Tuberkulininjektion übt auf eine
folgende konjunktivale Reaktion keinen erheblichen
Einfluß aus.
Die beste Zeit für die Beobachtung ist die Zeit 12
bis IS Stunden nach dem Einträufeln.
Eine Temperaturerhöhung tritt infolge der
konjunktivalen Reaktion nicht ein.
Die obigen Resultate stimmen im wesentlichen mit den von
Vallee in seiner neuesten Arbeit veröffentlichten überein.
Trotzdem kann ich mich der Ansicht Vallees, daß
die konjunktivale Reaktion eine größere praktische
Bedeutung zu erlangen verspricht, nicht anschließen.
Abgesehen davon, daß schon die frühere subkutane Tuber¬
kulinprobe keine einwandfreien Resultate liefert und die kon¬
junktivale Reaktion zum mindesten nicht besser zu sein scheint,
dürfte sie auch aus verschiedenen anderen Gründen für die
Praxis wenig geeignet sein.
Zunächst ist es sehr schwierig, beim Einträufeln des Tuber¬
kulins zu verhindern, daß dasselbe sofort wieder aus dem Lid¬
sack herausgedrückt oder mit der Tränenflüssigkeit ganz oder
zum Teil herausgespült wird. Man weiß daher niemals genau,
wieviel von dem eingeträufelten Tuberkulin lange genug im
Auge bleibt.
Weiter hängt die Diagnose zu sehr von der subjektiven
Auffassung des Beobachters ab. Wie schon aus meiner Ein¬
teilung der positiven Reaktionen in sehr deutliche, deutliche
und zweifelhafte hervorgeht, treten dieselben in mannigfaltigen
Variationen auf. Zwischen zweifelhaft und sehr deutlich be¬
stehen viele Übergänge. Teils tritt bei den Tieren eine sehr
starke Rötung der Konjunktiva und Injektion der Episkleral-
gefäße auf, während nur spärliches Sekret abgesondert wird,
welches man allein auf Grund der mikroskopischen Untersuchung
als Eiter erkennen kann. Teils ist die Sekretion eine reichliche,
obwohl die Rötung eine geringere ist und die Injektion der
episkleralen Gefäße oft fehlt.
Bei diesen mannigfaltigen Variationen ist es sehr leicht
möglich, daß in gerichtlichen Fällen ein Sachverständiger eine
Reaktion für positiv ansieht, während der andere sie für zweifel¬
haft oder gar für negativ hält. Auch die mikroskopische Unter¬
suchung des Sekrets dürfte in solchen Fällen nicht immer über¬
zeugend sein, da natürlich auch bezüglich der Anhäufung von
polynukleären Leukozyten im Sekret Übergänge bestehen.
Ferner muß man, worauf auch Lignieres(5) hinweist,
berücksichtigen, daß ein skrupelloser Interessent betrügerischer¬
weise bei den strittigen Tieren auf andere Art eine eitrige
Konjunktivitis erzeugen kann.
Der Vorteil, daß die Tiere bei der konjunktivalen Reaktion
viel kürzere Zeit als bei der subkutanen beobachtet zu werden
brauchen, wird durch den Umstand erheblich vermindert, daß
auch bei der ersteren eine wiederholte Untersuchung stattfinden
muß. Man kann sonst leicht Fehldiagnosen stellen. Ist es mir
doch vorgekommen, daß bei einer Kuh das Sekret, welches sich
im inneren Augenwinkel in ziemlich reichlicher Menge vorfand,
eine halbe Stunde später verschwunden war. Das Tier hatte
sich dasselbe offenbar abgewischt. Da aber der Nachweis eines
eitrigen Entzündungsprodukts für die Diagnose sehr wichtig ist,
so hätte man in dieser Zeit bei nur einmaliger Untersuchung
sehr leicht die Reaktion Für negativ ansehen können.
Diesen Mängeln der konjunktivalen Tuberkulinprobe steht
der große Vorzug gegenüber, daß die Wirkung einer betrügerischer¬
weise vorgenommenen Vorimpfung mit Tuberkulin in vielen
Fällen ausgeschaltet werden kann, und daß durch dieselbe eine
Störung des Allgemeinbefindens insbesondere eine Temperatur¬
erhöhung nicht hervorgerufen wird. Deshalb erscheint es der
Mühe wert, Mittel und Wege zu finden, die oben angeführten
Mängel zu überwinden.
Ich möchte nicht schließen, ohne meinem verehrten Chef,
Herrn Prof. Dr. Casper, für die Liebenswürdigkeit zu danken,
mit der er mir bei Ausführung meiner Versuche stets mit Rat
und Tat zur Seite gestanden hat.
Nachtrag. Garth, Kranich und Griinert(9) scheinen,
wie aus ihrer nach Beendigung dieser Arbeit erschienenen Ver¬
öffentlichung hervorgeht, ein Mittel gefunden zu haben, welches
die konjunktivale Reaktion bei tuberkulösen Tieren mit Sicher¬
heit hervorruft. Es darf aber nicht übersehen werden, daß diese
Autoren auch bei Tieren, bei denen durch die Sektion tuber¬
kulöse Veränderungen nicht nachgewiesen werden konnten,
Reaktionen beobachteten.
Wie aus den Tabellen der genannten Autoren hervorgeht,
haben auch sie verschieden starke Reaktionen erhalten, so daß
meine gegen die konjunktivale Reaktion erhobenen Bedenken
leider auch bei der Anwendung des Bovo-Tuberkulol D (Merck)
Solutio 1 zu Recht bestehen dürften.
Literatur!
1. Wolff-Eisner, Berliner klinische Wochenschrift 1907, S. 700.
2. ('almette, C'omptes rendns de l’Acadämie des Sciences de
Paris 1907. No. 24.
3. Val 16c, Ebenda S. 1383.
4. Derselbe, Bulletin de Medie vct. 1907, S. 326.
. 5. Ligniöres, Ebenda S. 517.
6. Vanderheyden, Annales de Müdic. v6t. November 1907.
7. Yall6e, Revue g6n£rale de MOdic. v6t. 1908, S. 318.
| 8. v. Pirquet, Handbuch der Technik und Methodik der Immunitäts¬
forschung, Jena 1908, S. 1042
9. Garth, Kranich und Grünert, Deutsche tierärztliche Wochen¬
schrift 1908, Nr. 14.
Die neuere Art der Bekämpfung der Maul- und
Klauenseuche.
Vortrag, gehalten in der 64 Sitzung des tierärztlichen Zentralvereins
der Provinz Sachsen,- der Anhaitischen und Thüringischen Staaten,
am 8. Dezember 1907.
Von Veterinärrat Leistikow-Magdeburg.
Meine Herren! Es ist Ihnen bekannt, daß alle bisherigen
wissenschaftlichen Bemühungen, den Erreger der Maul- und
Klauenseuche aufzufinden und seine Lebensbedingungen zu
studieren, vergeblich gewesen sind.
Ebenso haben alle Arbeiten zur Ermittlung eines Immu¬
nisierungsverfahrens bei den gefährdeten Tieren bisher keinen
praktischen Erfolg gehabt. Herr Kollege Hecker damals in
Ermsleben glaubte ausgangs des vorigen Jahrhunderts ein
solches Verfahren gefunden zu haben; bei den damit angestellten
Versuchen ergab es sich aber, daß die behandelten Tiere nicht
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
373
21. Mai 1908.
nur nicht geschützt waren gegen die Ansteckung, sondern daß
sie durch das Verfahren selbst angesteckt wurden, so daß die
Seuche dadurch auf bisher gesunde Bestände übertragen wurde.
Neuerdings ist von Geheimrat Löffler in Greifswald ein
Serum hergestellt worden, welches bei dreimaliger in mehr¬
wöchigen Zwischenzeiten ausgeführter Einspritzung unter die
Haut den betreffenden Tieren auf einige Monate völlige Wider¬
standsfähigkeit gegen die natürliche Ansteckung verleihen soll.
Durch die wiederholten Einspritzungen wird dies Verfahren
aber für eine allgemeinere Anwendung zu umständlich und zu
teuer. Auch scheint der Erfolg noch nicht genügend erprobt
zu sein. Im vorigen Jahre ist dies Verfahren zwar in Oschers-
leben bei 42 Zugochsen einer größeren landwirtschaftlichen
Firma zur Anwendung gekommen. Die Tiere sind auch von
der Seuche verschont geblieben. Da man aber nebenbei auch
sorgfältig darauf bedacht war, die Ochsen vor der natürlichen
Ansteckung zu schützen, kann nicht beurteilt werden, ob die
Tiere durch die Serumeinspritzungen Immunität erlangt haben.
Es ist nicht anzunehmen, meine Herren, daß uns die
Wissenschaft in absehbarer Zeit eine neue und brauchbare
Waffe zum Kampfe gegen die Maul- und Klauenseuche in die
Hand geben wird. Wir werden daher darauf angewiesen
bleiben, die bisherigen mehr empirischen, veterinärpolizeilichen
Bekämpfungsmaßregeln weiter zu verwenden nnd möglichst zu
vervollkommnen.
Es ist Ihnen weiter bekannt, meine Herren, daß die Maul¬
und Klauenseuche in früheren Jahren besonders im letzten
Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts und bis zum Jahre 1901
einschließlich ständig in großer Verbreitung herrschte, und daß
die in jener Zeit zur Anwendung gebrachten veterinärpolizei¬
lichen Maßregeln nur sehr geringen oder gar keinen Erfolg hatten.
Ich möchte mir gestatten, einige kurze statistische Notizen
über die Verbreitung der Seuche im Regierungsbezirk Magdeburg
vom Jahre 1898 an mitzuteilen, um darzutnn, in welch erheb¬
licher Weise diese Geißel der Landwirtschaft seit dem Jahre 1902
zurfickgegangen ist.
Ich bemerke dabei, daß eine verhältnismäßig ganz ähnliche
Verbreitung auch im übrigen Deutschland beobachtet worden ist.
1898. Die Seuche herrschte während des ganzen Jahres
in sämtlichen Kreisen des Bezirks in 294 Gemeinden, 1101 Ge¬
höften mit 27 515 Rindern, 52 492 Schafen, 274 Ziegen und
7468 Schweinen.
1899. Die Seuche herrschte während des ganzen Jahres
in sämtlichen Kreisen. Betroffen waren 635 Gemeinden, 4022
Gehöften mit 73 768 Rindern, 136 213 Schafen, 1309 Ziegen
nnd 23 010 Schweinen.
1900. Verseucht waren alle Kreise während des ganzen
Jahres, 486 Gemeinden, 1743 Gehöften mit 35 189 Rindern,
49 919 Schafen, 396 Ziegen, 23 076 Schweinen.
1901. Die Seuche herrschte während des ganzen Jahres.
Betroffen wurden 14 Kreise, 50 Gemeinden, 80 Gehöften mit
3685 Rindern, 8128 Schafen, 23 Ziegen, 1480 Schweinen.
1902. Verseucht waren im 1., 2. und 4. Vierteljahr zu¬
sammen 6 Kreise, 7 Gemeinden, 38 Gehöfte mit 1023 Rindern,
1612 Schafen, 1 Ziege, 299 Schweinen.
1903. Im 1. und 2. Vierteljahr waren 2 Kreise, 3 Gemein¬
den, 4 Gehöfte mit 386Rindern, 976 Schafen, 4 Ziegen, 31 Schweinen
verseucht.
1904. Im 1. und 2. Vierteljahr wurden 7 Kreise mit 18 Ge¬
meinden. 40 Gehöften, 2087 Rindern, 5510 Schafen, 29 Ziegen,
596 Schweinen von der Seuche betroffen.
1905. Im 1. Vierteljahr war in einem Kreise 1 Gemeinde,
1 Gehöft mit 32 Rindern und 7 Schweinen verseucht.
1906. Im 4. Vierteljahr waren 9 Kreise, 16 Gemeinden,
25 Gehöften mit 820 Rindern, 784 Schafen, 4 Ziegen und
283 Schweinen verseucht.
1907. Im 2. Vierteljahr wurden 3 Gemeinden, 4 Gehöfte
mit 101 Rindern, 269 Schafen, 1 Ziege, 167 Schweinen betroffen.
Zur Zeit ist der Bezirk seuchenfrei.
Die bis zum Jahre 1901 beobachteten Mißerfolge bei der
Bekämpfung der Seuche durch polizeiliche Maßregeln führten
so wohl bei Landwirten und Tierärzten, als auch bei Verwaltungs¬
beamten zu der Ansicht, daß die Veterinärpolizei überhaupt nicht
imstande sei, der Maul- und Klauenseuche wirksam zu begegnen.
Es wurde der Wunsch laut, diese Seuche aus dem Reichsvieh¬
seuchengesetz zu streichen, weil die wirtschaftlichen Betriebe
durch die — übrigens nutzlosen —Sperrmaßregeln undVerkehrsbe-
schränkungen noch mehr geschädigt würden, als durch die
Seuche selbst.
Glücklicherweise ist diese pessimistische Auffassung später
durch die Tatsachen widerlegt worden.
Es dürften aber die Fragen berechtigt sein: Woran liegt,
es, daß die Maul- und Klauenseuche seit 1901 so auftällig
zurückgegangen ist, und daß sie, wenn sie später aufgetreten
war, keine größere Verbreitung mehr erlangte, sondern regelmäßig
nicht über die ersten Herde hinausgegaugen ist?
Ist die Veterinärpolizei berechtigt, sich diesen Rückgang
der Seuche als Erfolg ihrer Tätigkeit gutzuschreiben oder ist
er durch andere Umstände verursacht worden?
Man könnte gegen die Annahme des Erfolges der Veterinär¬
polizei zweierlei Einwendungen machen:
Einmal könnte behauptet werden, durch das weitverbreitete
Herrschen der Seuche bis zum Anfang dieses Jahrhunderts sind
fast sämtliche Viehbestände betroffen worden, die erkrankten
und wieder genesenen Tiere haben Immunität erlangt, sie er¬
kranken in absehbarer Zeit nicht wieder an der Seuche, sie
bilden also einen natürlichen Schutzwall gegen die Verbreitung
der Seuche, welcher es an Nahrung fehlt und die deshalb er¬
löschen muß.
Zweitens könnte vermutet werden, daß der, wie schon
erwähnt, noch unbekannte Ansteckungsstoff der Maul- und Klauen¬
seuche sich in seinen Eigenschaften geändert hat, daß seine
Virulenz geringer geworden ist, so daß nur noch Tiere mit
besonders starker Empfänglichkeit angesteckt werden.
Beide Einwände müssen aber als unzutreffend bezeichnet
werden.
Bei dem im Reg.-Bez. Magdeburg so außerordentlich regen
Viehwechsel wird ohne weiteres angenommen werden können,
daß während der letzten sechs Jahre mit günstigem Seuchen¬
stand mehr als die Hälfe der früher durchseuchten, immunen
Rinder abgeschafft und geschlachtet ist. In den landwirtschaft¬
lichen Betrieben der Börde dürften wohl überhaupt keine Tiere
mehr vorhanden sein, welche vor 1902 die Seuche überstanden
haben. Schweine und Schafe sind aus jener Zeit sicher nicht
mehr vorhanden.
An den seit dieser Zeit geborenen und herangewachsenen
Wiederkäuern und Schweinen würde der Anstecknngsstoff
374
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
ausreichende Nahrung und die beste Gelegenheit zur Aus¬
breitung linden, wenn er nicht auf andere Weise daran ver¬
hindert würde. Ebensowenig kann eine Milderung des An¬
steckungsstoffes, eine Herabsetzung der Virulenz als Grund des
selteneren Vorkommens der Seuche in Betracht kommen, denn
in den während der letzten Jahre von der Seuche betroffenen
Beständen konnte beobachtet werden, daß regelmäßig die der
Ansteckung ausgesetzten Tiere genau in derselben Weise
erkrankten, wie früher, daß Nachkrankheiten nicht ausblieben
und, namentlich bei jungen Tieren, auch Todesfälle eintraten.
Wir können demnach mit Fug und Recht behaupten, daß
der in den letzten Jahren eingetretene Rückgang in der Ver¬
breitung der Maul- und Klauenseuche einzig und allein die
Folge des wirksamen Eingreifens der Veterinärpolizei ist.
Es entsteht nun die weitere Frage:
Wie kommt es, daß die veterinärpolizeilichen Maßregeln
in neuerer Zeit so erfolgreich gewesen sind, während sie früher
so gut wie nichts genutzt haben?
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß die Maul- und
Klauenseuche bei uns nicht heimisch ist, daß sie nicht von
selbst entsteht und daß alle Ausbrüche durch Einführung des
Ansteckungsstoffes hervorgerufen werden. Wenn in verschiedenen
Teilen des Deutschen Reiches nach vollständiger Tilgung der
Seuche stets wieder neue Seuchenherde auftreten, so sind sie
meist auf Einschleppung des Kontagiums aus dem Auslande
zurückzuführen. Wenn auch die Grenzen gegen die Einführung
von Vieh gesperrt sind, so wissen wir doch, daß das leicht
übertragbare Virus durch Personen und andere Zwischenträger
verschleppt werden kann. Daraus geht hervor, daß in erster
Linie die Grenzbezirke ständig in Gefahr sind, zu verseuchen,
während die übrigen Bezirke, wie der nnsrige, erst in zweiter
Linie von den Grenzen aus bedroht sind.
Es muß ohne weiteres einleuchten, daß für uns die Gefahr
um so geringer ist, je strenger die Grenzsperre durchgeführt
wird und je schneller und energischer die in den Grenzbezirken
auftretenden Seuchenherde getilgt werden. Tatsächlich erfolgt
die Bekämpfung der Seuche in den Grenzbezirken mit großer
Energie und bestem Erfolge. Hierin liegt zweifellos einer der
Gründe, weshalb die Seuche bei uns nicht mehr so häufig ist,
als früher.
Es kommt aber hinzu, daß auch in den inneren Bezirken
gegenwärtig in anderer Weise vorgegangen wird als früher.
Bei dem Ihnen allen, m. H., bekannten Charakter der Maul¬
und Klauenseuche, besonders bei der leichten Verschleppbarkeit
des Ansteckungsstoffes durch die verschiedenartigsten Zwischen¬
träger können die veterinärpolizeilichen Maßregeln nur Erfolg
haben, wenn sie mit größter Beschleunigung, nach einheitlichem
Plane und in umfassender Weise getroffen werden.
Gegen diese Grundsätze ist früher, als die Bekämpfung
der Seuche ausschließlich in den Händen der Ortspolizei¬
behörden lag, vielfach verstoßen worden. Den leitenden Polizei¬
beamten fehlte häufig das richtige Verständnis für die große
Bedeutung der Maul- und Klauenseuche mit Bezug auf die Ge-
samtinteressen der Landwirtschaft. Viele waren dem Pessimismus
verfallen und meinten, gegen die Maul- und Klauenseuche seien
jegliche Maßregeln nutzlos und daher überflüssig. Manche
glaubten auch, Sperrmaßregeln seien nicht erforderlich, w'enn
die Erkrankung der befallenen Tiere recht milde verlief, diese
bald wieder hergestellt waren, und direkte Verluste durch Tod
infolge der Seuche oder von Nachkrankheiten nicht eintraten.
Über die Art der Bekämpfung der Seuchen in den Grenz¬
bezirken der Provinzen Bosen und Ostpreußen hat Veterinärrat
Nevermann im 1. Teil seiner Veröffentlichungen aus den
Jahresveterinärberichteil der beamteten Tierärzte Preußens für
das Jahr 1904, Seite 75, sehr eingehende und interessante
Mitteilungen gemacht. Die dort gesammelten Erfahrungen bilden
die Grundlage der neuen Art der Bekämpfung auch in den
inneren Bezirken.
Die zu treffenden Maßregeln liegen nicht mehr ausschließlich
in der Hand der Ortspolizeibehörden, sondern werden unter
spezieller Aufsicht des Herrn Regierungspräsidenten in der
Hauptsache von den Landräten angeordnet.
Dem Herrn Landwirtschaftsminister wird über jeden neuen
Seuchenfall sofort eingehender Bericht über den Umfang der
Verseuchung deil Ursprung und die ergriffenen Maßregeln vom
Herrn Regierungspräsidenten erstattet. Die Herren Kreis¬
tierärzte haben dem Herrn Minister und dem Herrn Regierungs¬
präsidenten jedeti festgestellten Ausbruch der Maul- und Klauen¬
seuche telegraphisch anzuzeigen. (Erlaß vom 17. Februar 1906
— Verf. vom 2. März 1906, I. J. 344.)
Weitere allgemeine Vorschriften für die Bekämpfuug der
Seuche sind auf ministerielle Anregung vom Herrn Regierungs¬
präsidenten arii 20. November 1906 erlassen worden. Nach
dieser Verfiigtibg sind Sperrbezirke und Beobachlungsgebiete
einzurichten. Der Sperrbezirk umfaßt den verseuchten Ort,
dazu gehörige Vorwerke und mit ihm im Gemenge liegende Ort¬
schaften, unter Üinständen auch sehr nahe liegende stark ge¬
fährdete Orte. Nur bei sehr großen Orten kann der Sperrbezirk
auf Ortsteile beschränkt werden.
Das Beobachtungsgebiet wird um den Sperrbezirk gebildet.
Welche Ortschaften dem Beobachtungsgebiet anzugliedern sind,
ist nach Prüfung der örtlichen Verhältnisse zu bestimmen.
Dabei ist besonders der Verkehr zwischen dem Seuchenorte und
den Nachbarorten, durch Fuhrwerk, Personen, z. B. Kirchen¬
besuch, Sclmlgang der Kinder usw., zu berücksichtigen. Sehr
wichtig ist auch d6t* Verkehr mit Milch, besonders zu und aus
einer Sammelmolkerei. Daß gerade ^durch Milch sehr häufig
Seuchenverschleppnügen Vorkommen, ist bekannt. Als Regel
wird hingestellt werden können, daß, falls in dem Lieferungs¬
bezirk einer Sammeliholkerei die Seuche ausbricht, alle Orte
aus welchen Milch itt diese Molkerei geliefert oder in welche
solche aus der Molkerei bezogen wird, den Maßregeln des
Beobachtungsgebietes Unterworfen werden müssen. In dem
Seuchengehöft und dem Sperrbezirk sind alle Vorkehrungen
zu treffen, welche die Verschleppung des Ansteckungsstoffes
verhindern können.
Dahin gehört zunächst!
Die Stallsperre für sämtliche Wiederkäuer und Schweine
in den verseuchten und den Unverseuchten Gehöften des Sperr¬
bezirks. Für letztere erscheint diese Maßregel vielleicht etwas
hart, sie ist aber erforderlich, um die noch unverseuchten Ge¬
höfte vor der Ansteckung durch die mannigfachen unkontrollier¬
baren Zwischenträger möglichst ÄÜ schützen. Im Interesse einer
schleunigen Seuchentilgung liegt fes, auch quantitativ die Er¬
zeugung von Ansteckungsstoff möglichst einzuschränken, denn
je mehr Ansteckungsstoff erzeugt wird, desto leichter möglich
ist die Verschleppung.
21. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
375
Eine weitere wichtige Maßregel ist möglichste Rein¬
haltung der Seuchengehöfte. Der Dünger ist so selten
als möglich aus d^ 11 Seuchenställen zu entfernen, es empfiehlt
sieb, ihn dort so lange als irgend angängig liegen zu lassen.
Muß er hinausgebracht werden, so hat dies möglichst schnell
zu geschehen. Der Seuchendünger ist dann mit Pferdedünger,
Erde, Laub oder Stroh u. dgl. dicht zu bedecken, damit
Vögel und andere Tiere nicht mit dem Ansteckungsstoff in Be¬
rührung kommen können. Die Gehöfte sind außerdem durch
Abfegen des gepflasterten und Abharken des nichtgepflasterten
Fußbodens stets sauber zu halten. Die Gehöftseingänge und die
Plätze vor den Stalltüren sind täglich mindestens einmal mit
Kalkmilch zu übergießen oder — im Winter — mit Ätzkalk-
pulyer zu bestreuen (Nevermann).
Personen, welche Seuchengehöfte verlassen wollen,
müssen vor dem Austritt das Schuhwerk desinfizieren und die
Kleider reinigen; haben sie in Seuchenställen zu tun gehabt,
so werden am besten die Kleider gewechselt. Tierärzte sollten
die Seuchenställe nur betreten, wenn dies unvermeidlich ist; zur
Untersuchung sind die erkrankten oder verdächtigen Tiere
herauszuführen. j
Für die Desinfektion des Schuhwerks müssen an den Aus¬
gängen der Gehöfte desinfizierende Flüssigkeiten, Lysol-, Kresol-,
Kreolinlösungen, in Fässern oder sonstigen Gefäßen mit reinen
Lappen und Bürsten bereitgehalten w r erden.
Um die Verschleppung des Ansteckungsstoffes durch Pferde¬
gespanne zu verhüten, wird sehr zweckmäßig an den Toren in
ihrer ganzen Breite Torfstreu in dicker Schicht und mindestens
ein Meter Länge aufgeschüttet und mit Kreolin-, Lysol-, Bazillol-
oder ähnliche^ Lösungen so stark angefeuchtet, daß ein dicker
Brei entsteht, durch welchen beim Passieren Pferdehufe und
Wagenräder selbsttätig desinfiziert werden.
Geflügel und Hunde sind auf den Gehöften festzuhalten.
Auch Tauben müssen eingesperrt werden. Wenn auch infolge¬
dessen einige zugrunde gehen sollten, so ist dieser Schaden
gering im Verhältnis zu der Gefahr der weiteren Verbreitung
der Seuche durch diese Tiere.
Finden sich, wie dies stellenweise noch vorkommt, die
Tanbennester in den verseuchten Viehställen selbst, so müssen
die Tauben getötet und die Nester zerstört werden. Große Be¬
achtung ist auch anderen Vogelnestern in den Seuchenställen
zu schenken. Auch sie müssen zerstört w r erden.
Bei dem letzten Seuchengange im Kreise Grafschaft
Wernigerode ist der begründete Verdacht hervorgetreten, daß
Schwalben die Seuche von der zuerst verseuchten Domäne
Lrübeck aus in andere Gehöfte dieses Ortes und in ein Gehöft
des nur ein Kilometer entfernten Dorfes Altenrode verschleppt
haben. Sie hatten damals junge Brut, welche, wie bekannt,
sehr viel Nahrung beansprucht, die von den Alten herbeigeschafft
werden muß. Ich nehme an, daß Schwalben aus noch seuchen¬
freien Gehöften in den verseuchten Rinderstall geflogen sind
und daselbst Fliegen geholt haben, welche mit Kontagium be¬
laden waren. Sehr wesentlich wird diese Annahme dadurch
unterstützt, daß in sämtlichen verseuchten Gehöften Schwalben¬
nester mit Jungen vorhanden waren, und daß eine andere Art
der Seuchenübertragung in keinem einzigen Falle zu ermitteln
war. Der Herr Regierungspräsident verfügte darauf die sofortige
Zerstörung der Vogelnester in den verseuchten Ställen. Die
Besitzer unverseuchter Gehöfte wurden auf die Gefahr auf¬
merksam gemacht und aufgefordert, die Nester in ihren Vieli-
stallungen zu vernichten. Ob und wieviel Besitzer dieser Auf¬
forderung nachgekommen sind, kaun ich nicht angeben. Weitere
Seuchenausbrüche sind aber später nicht mehr vorgekommen.
Die Anordnung der Zerstörung der Nester in den ver¬
seuchten Ställen rechtfertigt sich schon damit, daß sie als
„giftfangende Sachen“ bei der Desinfektion nach Abheilung der
Seuche sowieso vernichtet werden müssen.
Es kommen ferner für den Sperrbezirk noch in Betracht
das Verbot der Abgabe ungekochter Milch aus verseuchten Ge¬
höften, das Verbot des Betretens der Seuchenställe durch
Unbefugte, des Betretens der Seuchengehöfte durch Viehhändler
und Fleischer, der Einfuhr für die Seuche empfänglicher Tiere
in den Sperrbezirk, die sorgfältige Feststellung des Abheilens
der Seuche durch Untersuchung jedes einzelnen Tieres des be¬
treffenden Bestandes, sowie die gründliche Desinfektion, welche
sich auch auf die Tiere selbst erstrecken muß.
Ganz besonders notwendig ist aber die dauernde Beauf¬
sichtigung aller angeordneten Maßregeln durch Polizeibeamte,
am besten durch Gendarmen, welche in den Seuchenorten
stationiert und von allem anderen Dienst entbunden sein müssen.
Ganz kurz möchte ich noch die Abfuhr des Düngers
berühren, welcher während des Herrschens der Seuche in den
Seuchenställen gelegen hat. Nach g 62 Abs. 3 der Bundesrats¬
instruktion vom 27. Juni 1895 darf dieser Dünger auf solchen
Wegen, welche von seuchefreien Wiederkäuern oder Schweinen
ans anderen Gehöften betreten werden, nicht abgefahren werden.
Kann die Abfuhr des Düngers demgemäß nicht bewirkt werden,
so darf sie nur unter Einhaltung der für einen solchen Fall
anzuordneuden polizeilichen Sicherheitsmaßregelu erfolgen. Beim
Abfahren des Seuchendüngers werden leicht einzelne Teile ver¬
streut, welche, wenn der Dünger noch ansteckungsfähig ist, auf
anderes Klauenvieh direkt oder durch Zwischenträger übertragen
werden und Erkrankungen an der Seuche hervorrufen können.
Demgegenüber ist bekannt, daß der feucht in Haufen auf¬
geschichtete Dünger durch Zersetzungsvorgänge eine erhebliche
Erhitzung erfährt, durch welche das Virus der Seuche getötet
wird. Hierzu sind nach den bisherigen Erfahrungen mindestens
drei Wochen erforderlich, dann ist der Dünger unschädlich. Wo
nicht zwingende Gründe entgegenstehen, empfiehlt es sich
dringend, den Dünger auf den Seuchengehöften in Haufen, die
mit nichtinfiziertem Material zu bedecken sind, bis zum Ablauf
von drei Wochen, vom Tage der Abnahme der Desinfektion der
Stallungen und Tiere an gerechnet, liegen zu lassen. Es ent¬
fallen dann bei der Düngerabfulir alle anderen lästigen und
umständlichen Maßnahmen, als Desinfektion der Wagenräder
und Pferdehufe, der benutzten Wege usw.
Die Schutzmaßregeln, welche für das Beobachtungsgebiet
zu treffen, sind teils fakultativ, teils obligatorisch vorgeschrieben.
Die Viehmärkte im Beobachtungsgebiet, der Durchtrieb von
Wiederkäuern und Schweinen und das Treiben derartiger Tiere
auf öffentlichen Straßen können verboten werden.
Der Auftrieb von Wiederkäuern und Schweinen aus dem
Beobachtungsgebiet auf Märkte, die Ausfuhr von Wiederkäuern
und Schweinen ohne Erlaubnis des Landrats und die Weggabe
von Magermilch, Buttermilch und Molken aus Sammelmolkereien
sind verboten.
376
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
Eingehender ist noch eine Maßregel zu besprechen, welche
auf Sperrbezirke und Beobachtungsgebiete zugleich Anwendung
findet, das sind die Revisionen der verseuchten und unverseuchten
Gehöfte durch Tierärzte.
Die tierärztliche Untersuchung der am Seuchenorte oder in
dessen Umgebung vorhandenen, von der Seuche gefährdeten
Tiere ist nach § 20 des Reichsviehseuchengesetzes zulässig.
Von dieser Befugnis wird auch erst in neuerer Zeit umfangreicher
Gebrauch gemacht. Die Revisionen der im Sperrbezirk und im
Beobachtungsgebiet vorhandenen, als seuchenfrei geltenden Vieh¬
bestände hat sich als durchaus notwendig erwiesen, nachdem
erfahrungsmäßig festgestellt war, daß einzelne Viehbesitzer die
Anzeige vom Ausbruch oder vom Verdacht der Seuche unter
ihrem Vieh entweder gar nicht oder zu spät erstatteten und
dadurch den Erfolg der veterinärpolizeilichen Tilgungsmaßnegeln
überhaupt in Frage stellten. Die gegen diese Viehbesitzer ein¬
geleiteten gerichtlichen Strafverfahren hatten nur selten den
gewünschten Erfolg, häufig erfolgte Freisprechung, weil nicht
einwandfrei zu erweisen war, ob den Angeschuldigten die Er¬
krankung ihrer Tiere an der Seuche bewußt geworden war, in
den meisten übrigen Fällen erfolgten die Verurteilungen nach
dem geringsten zulässigen Strafmaß von 10 M. Augenscheinlich,
weil sich die Gerichte über die Bedeutung der Seuchenverheim¬
lichungen nach der veterinärpolizeilichen und allgemein wirt¬
schaftlichen Seite hin nicht genügend klar geworden waren.
Die Mißerfolge der früheren Art der Bekämpfung der Seuche
sind zum großen Teil auf diese Übelstände mit zurückzuführen.
Die in Zwischenzeiten von l f 2 bis 1 Woche auszuführenden
Revisionen haben einen doppelten Nutzen, einmal, versteckte
Seuchenherde aufzudecken und zweitens die Viehbesitzer selbst
zur schleunigen Anzeige der Erkrankung ihres Viehs zu ver¬
anlassen. Denn die Verheimlichung ist aussichtslos und kann
höchstens Strafe bringen.
Der Herr Minister hat in den letzten Jahren in dankens¬
werter Weise zur Unterstützung der Kreistierärzte bei den
Revisionen auswärtige Tierärzte zur Verfügung gestellt. Es
hat sich zweckmäßig erwiesen, diesen Tierärzten die Unter¬
suchungen im Beobachtungsgebiet zu übertragen, während der
Kreistierarzt im Sperrbezirk untersucht. Hierbei wird letzterer
nach Beendigung der Untersuchung in den seuchenfreien Gehöften
auch zu kontrollieren haben, ob die allgemein und für die
Seuchengehöfte besonders getroffenen Maßregeln genügend befolgt
werden und ob weitere Anordnungen zu treffen sind. Es
empfiehlt sich bei den Revisionen die leicht zu reinigenden
Gummischuhe über dem Schuhzeug und einen waschbaren Leinen¬
mantel über der Kleidung zu tragen. Eingehende Reinigung
nach der Beendigung der Untersuchung eines jeden Bestandes
und vor dem Verlassen .des Gehöfts, auch wenn nichts ver¬
dächtiges gefunden ist, ist selbstverständlich.
Wird in einem Bestände die Seuche oder deren Verdacht
festgestellt, so ist das Betreten weiterer Gehöfte zur Vermeidung
der Seuchenübertragung zu unterlassen, die Revision abzubrechen
und erst nach vollständiger Desinfektion der Kleidung, der
Hände und des Schuhwerks, am besten erst am folgenden Tage
w ieder fortzusetzen.
Mehrere von Ihnen, meine Herren, haben im verflossenen
Jahre ausgiebige Gelegenheit gehabt, über die Wirksamkeit der
neuen Bekämpfungsart eingehende Erfahrungen zu sammeln.
Es ist Ihnen bekannt, daß im vorjährigen Herbst von dem
Institut des Geheimrats Löffler in Greifswald aus, wo an
einem Verfahren zur Immunisierung gegen die Seuche gearbeitet
wurde und wo deshalb ständig seuchenkranke Tiere gehalten
werden mußten, die Seuche in einige Gehöfte in Greifswald
übertragen wurde und daß sich hieran eine weitere Verbreitung
anschloß. Verseuchte Schweine gelangten auf den Schlacht¬
viehhof in Berlin und infizierten diesen. Von Berlin aus ge¬
langten angesteckte Schweine am 14. Oktober auf den Magdeburger
Viehhof und bewirkten hier den Seuchenausbruch vom 17. Oktober.
Die Seuche konnte zwar auf dem hiesigen Viehhof bald getilgt
werden, von dem Tags vorher abgehaltenen Viehmarkt aber
waren zahlreiche Schweine in die benachbarten Kreise ausge¬
führt worden, wodurch 8 Seuchenausbrüche veranlaßt wurden.
Nach Oschersleben gelangte die Seuche durch infizierte Schweine
vom Berliner Viehhof direkt, in mehrere Orte der Grafschaft
Wernigerode durch Rinder, welche auf einem verseuchten Nutz¬
viehmarkt in Elbingerode gekauft waren. Im ganzen wurden,
wie bereits erwähnt, 9 Kreise mit 16 Gemeinden und 25 Ge¬
höften von der Seuche betroffen.
In allen Fällen wurden die von mir besprochenen Maßregeln
in ganzer Strenge zur Anwendung gebracht, obgleich gerade zu
jener Jahreszeit die Stallsperre für die Rinder der verseuchten
Orte und das Verbot des Durchtriebs von Klauenvieh dort, wo
sich Zuckerfabriken befanden, als besonders schwere Schädigungen
seitens der beteiligten Landwirte empfunden wurden. Denn die
zahlreich vorhandenen Rindviehgespanne konnten weder zur An¬
lieferung von Rüben in gesperrte Orte mit Zuckerfabriken noch
auch — in gesperrten Orten — zur Bestellung der Wintersaat
benutzt werden. Es wurden mehrfach Stimmen laut, welche
behaupteten, polizeiliche Maßregeln von solcher Schärfe seien
wohl in den östlichen Bezirken angezeigt und durchführbar,
nicht aber in der landwirtschaftlich so hoch entwickelten Pro¬
vinz Sachsen mit ihrem starken Viehverkehr. Manche der be¬
troffenen Besitzer stellten auch Entschädigungsklagen gegen den
Staat in Aussicht. Ob solche angestrengt worden sind, weiß
ich nicht. Jedenfalls sind aber die Klagen über zu harte Ma߬
regeln sehr bald verstummt, nachdem der gute Erfolg auch den
Landwirten erkennbar geworden war. Tatsächlich ist eine Ver¬
schleppung von dem zuerst betroffenen Gehöft aus im Seuchen¬
orte selbst nur in drei Fällen eingetreten, Verschleppungen in
andere Orte gar nicht.
Auch im Sommer d. J. haben sich die strengen Maßregeln
in * der .Grafschaft Wernigerode im ganzen gut bewährt. Es
traten allerdings von dem zuerst betroffenen Gehöft Ver¬
schleppungen in drei weitere Gehöfte ein. Den Anlaß hierzu
haben meiner Ansicht nach, wie schon erwähnt, die damals hier
anwesenden Schwalben gegeben. Die vollständige Seuchentilgung
gelang aber auch hier in verhältnismäßig kurzer Zeit.
Meine Herren! Zum Schluß kann ich nicht unterlassen,
noch einen wesentlichen Faktor zu erwähnen, welcher die
Seuchentilgung sehr günstig beeinflußt hat, das ist das rege
Interesse des Herrn Regierungspräsidenten für die Veterinär¬
polizei und sein persönliches Eingreifen bei Anordnung der er¬
forderlichen Maßregeln. Wir Tierärzte, besonders aber auch
die Landwirte des Bezirks, haben alle Ursache, dem Herrn
Präsidenten hierfür besonders dankbar zu sein.
21. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
377
Referate.
Über die Behandlung yon scheintoten Neugeborenen.
Von Professor Moussu.
(La Semaine Vitßrinoire, 13. Oktober 1907.)
Nach schweren und sogar nach leichten Geburten kommt
es vor, daß Fohlen, Kälber, Lämmer, Ferkel usw. wie tot zur Welt
kommen, ohne zu atmen und ohne sich zu bewegen, daliegen,
und dabei nicht tot, sondern nur scheintot sind. Um den
Scheintod vom wirklichen Tod sofort unterscheiden zu können,
betastet man das Herz, so daß man die flache Hand hinter dem
linken Ellbogengelenk der Brustwand auflegt, und solange man
die Herzschläge, wenn auch noch so schwach, fühlt, so ist das
Leben noch nicht ganz erloschen. Werden nun nicht sofort
Mittel angewendet, um den ersten Atemstoß auszulösen, so wird
das scheintote Tier auch bald wirklich tot sein. Es gibt ver¬
schiedene Mittel, von denen gegebenenfalls kein einziges außer
acht zu lassen ist.
Das erste, was man tut, ist die Herzmassage, die so aus-
gefiihrt wird, daß man den unteren Teil des Brustkorbs in der
Ellbogengegend in eine oder beide Hände nimmt und ihn regel¬
mäßig und rhythmisch etwa 15—20 mal in der Minute zusammen¬
drückt. Wird diese Manipulation einige Minuten lang aus¬
geführt, so fühlt man, daß sich das Herz bald kräftiger
zusammenzieht, und die Respiration setzt von selber ein.
Um bei einem Fohlen oder Kalb die Respiration künstlich
auszulösen, so faßt man das oben liegende Vorderbein über dem
Knie und bewegt es nach vor- und aufwärts bis zur Höhe des
Seitenrandes des Halses und nachher nach rückwärts bis in die
Flankcngegend. Durch die erste Bewegung werden die Schulter
und der Oberarm merklich vom Körper abgehoben, wodurch sich
die Rippen ansdehnen, durch die letztere führt man die Schulter
und den Oberarm wieder zum Brustkorb zurück, drückt dadurch
die Rippen zusammen, und stößt die etwa in die Lunge ein¬
getretene Luft wieder heraus. Diese Hin- und Herbewegungen,
welche den Atembewegungen nachgemacht werden, lassen
mechanisch Luft in die Lungen eindringen. Um einen Erfolg
zu haben, müssen sie oft eine Viertelstunde lang durchgeführt
werden.
Sind die Atmungswege vom Schleim verstopft, so führt
man die Finger tief in das Maul bis in den Rachen hinein, um
den Schleim herauszuholen, reichen die Finger nicht aus, so
wischt man die ganze Maul- und Rachenhöhle mit einem feinen
Tuche aus. Sollte das nichts nützen, so öffnet man das Maul,
ergreift die Zunge mit den Fingern oder noch besser mit einem
Schnupftuche an der Zungenspitze und zieht sie kräftig aus
dem Maule heraus und läßt sie, ohne sie loszulässen, wieder ins
Maul zurückgehen. Diese Bewegung wird 12—15 mal in der
Minute gemacht.
Man versucht auch durch Reiben der Haut mit Strohwischen
oder mit einer harten Bürste das Nervensystem anzuregen, um
das Atmen reflektorisch auszulösen. Die gleiche Wirkung übt
das Einschütten von einigen Tropfen Essig in die Nasenhöhle
oder das Kitzeln der Nasenschleimhaut mit einem Strohhalm*
den man in den Nasenlöchern rotierend herumführt. Das da¬
durch bewirkte Prickeln oder der Reiz führt zum Niesen, was
seinerseits die Atembewegungen hervorrufen kann.
Ein sehr gutes Mittel ist auch das Einblasen von Luft
mittelst eines Blasebalgs in die Lunge, wobei natürlich mit der
nötigen Vorsicht vorgegangen werden muß. Helfer.
Mitteilungen aus den Berichten der Bezirkstierärzte
auf das Jahr 1906.
Von Landestierarzt Med.-Rat Prof. Dr. Edelmann in Dresden.
(Bericht Ober d. Vetrinärw. im Kgr. Sachsen, öl. Jahrgang, S. 18.)
Aus den Berichten der Sächsischen Bezirkstierärzte über
das Vorkommen von Seuchen sei folgendes mitgeteilt:
Im Auftreten des Milzbrandes hat sich gegenüber dem
Vorjahre ein Ansteigen um rund 25 Prozent gezeigt. Man wird
nicht fehlgehen, wenn man den zahlreichen Notschlachtungen
eine größere Bedeutung bei der Verbreitung der Seuche beimißt.
Die Milzbrandfälle verteilen sich auf 245 verendete und 215 not¬
geschlachtete Rinder. — In einem Gehöft waren 5 Ferkel an
Milzbrand erkrankt. Bezirkstierarzt Eichorn-Rochlitz vermißte
bei diesen Tieren beim Obduktionsbefund Milztumor. Die
bakteriologische Untersuchung des Blutes und der Milz ergab
keine Bakterien, dafür wurden aber massenhafte Milzbrand¬
bazillen in den Halslymphdrüsen gefunden.
* Die Zahl der Rauschbrandfälle ist ungefähr dieselbe wie
im Vorjahre gewesen. Bezüglich der Diagnose dürfte die von
Eichhorn-Rochlitz wiederholt gemachte Erfahrung nicht un¬
richtig sein, daß die Rauschbrandbazillen in ihrer charakte¬
ristischen, sporenhaltigen Form am zahlreichsten im Zentrum
der veränderten Muskelstellen, d. h. an den am stärksten
schwarzrot verfärbt erscheinenden Teilen, zu finden sind,
während die Peripherie mehr die Stäbchen ohne Sporen enthält.
Bei Behandlung dss Bläschenausschlags hat Bezirks¬
tierarzt Robert-Annaberg Sublimatlösung 1:2000 bei männ¬
lichen und weiblichen Rindern mit vorzüglichem Erfolg an¬
gewandt. Die schwersten Fälle und ansgebreitete Geschwürs¬
bildung am Penis heilten innerhalb 10 Tagen ab, während bei
Verwendung von Alaunlösung hierzu drei bis vier Wochen er¬
forderlich waren.
Geflügel Cholera. Wie langsam und schleppend der
Seuchenverlauf sein kann, zeigt ein Ausbruch, bei dem nach
der Beobachtung von Bezirkstierarzt Freytag-Plauen innerhalb
von vier Wochen unter 300 Gänsen nur 12 Todesfälle eintraten.
Die pathologischen Veränderungen bestanden in einer schweren
kruppösen Entzündung des gesamten Darms und in zahlreichen
epikardialen Blutungen; der Darminhalt war meist ein gall¬
artiger, mit Schleimhautfetzen vermischter blutiger Brei. —
Bezirkstierarzt De ich-Ölsnitz berichtet: Bei einem vom Aus¬
land kommenden Gänsetransport konnte sich der Besitzer zu¬
nächst nicht zur Impfung entschließen, sondern verkaufte die
Tiere geschlachtet. Endlich ließ er die letzten 300 noch ge¬
sunden und 20 bereits sichtbar kranken Gänse mit Septicidin
impfen. Obwohl nun vor der Impfung täglich Gäuse starben,
war dies vom Augenblick der Impfung an nicht mehr der Fall.
Von den 20 geimpften kranken Gänsen starb am Tage nach
der Impfung eine, die anderen genasen.
Die Gehirn-Rückenmarksentzündung der Pferde hat
um 19,3 Proz. der Erkrankungsfälle nachgelassen. — Uber die
Wirkung der durch die Verordnung vom 15. Dezember 1904
erlassenen Maßregeln zur Bekämpfung der Seuche lautet das
Urteil im allgemeinen günstig. — Das von Fambach-
Glauchau beschriebene Vorkommen eines vesikulösen Ekzems
im Rekonvaleszenzstadium wurde in mehreren Fällen beob¬
achtet. — Wie bereits früher, so gelangte vom Bezirkstierarzt
Kuhn-Flöha wieder ein Fall zur Beobachtung, in dem zu¬
nächst scheinbar nur ein Katarrh der oberen Luftwege vor-
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
378
lag, den der zugezogene Tierarzt entsprechend behandelte.
Die später angestellten Nachforschungen ergaben, daß das be¬
treffende Pferd auch nicht im Verhältnis zu dem leichten Katarrh
stehende Abgestumpftheit und Trägheit gezeigt, nicht mehr so
willig angezogen und auf der Nachhand bergab leicht geschwankt
habe. Erst als die Erscheinungen der Genickstarre hochgradig
hervortraten, wurde Anzeige erstattet. Das Entstehen dieser
katarrhalischen Erscheinungen ist vielleicht als Folge einer
zunächst geringgradigen, noch nicht in die Augen fallenden
Lähmung der Schlnßmuskeln anzusehen.
Hinsichtlich der Behandlung des ansteckenden Scheiden¬
katarrhs die nur bei energischem Vorgehen Erfolg verspricht,
scheint sjch die Bazillolsalbenbehandlung nach Räbiger am
besten bewährt zu haben; doch liegen auch gegenteilige Beob¬
achtungen vor. — Bei der Kälberruhr sah Zietzschmann-
Kamenz nach Verabreichung von Formalinmilch und adstrin¬
gierenden Mitteln (Acid. tannic., Tinct. Op. aa 30,0, Ti net.
Strychn. 60,0) neben ausgiebiger Stalldesinfektion, Absonderung
der hochträchtigen Tiere und peinliche Nabelpflege den
gewünschten Erfolg. — Lange-Dippoldiswalde erzielte durch
energische Nabelpflege nach Pfeiffer in drei Beständen Auf¬
hören der Kälberruhr. — Nach Pretz sch-Grimma hilft die
Prophylaxe durch Umstellen der trächtigen Muttertiere nach
sorgfältigster Körperdesinfektion in einen reinen Stall einige
Zeit vor dem Kalben noch am meisten. — Steffani-Bautzen
und Sch all er-Zwickau loben die Serumtherapie, während
Eichhorn-Rocklitz in der letzten Zeit vielfach erfahren mußte,
daß ihn das polyvalente Serum, das früher recht Gutes leistete,
im Stich gelassen hat. Richter.
Tagesgeschichte.
Deutscher und Schweizer Dr. med. vet.
Von Heinick-Pudewitz.
Unter dieser Überschrift hat Herr Dr. med. vet. Jonas
seinem bedrängten Herzen in einer Weise Luft gemacht, die
allen kollegialen Rücksichten einfach Hohn spricht. Die ge¬
bührenden Abfuhren sind ihm denn auch nicht erspart geblieben.
Noch weiter auf diesen Artikel einzugehen, hieße demselben
denn doch zu viel Bedeutung beimessen.
Nur zu den nachfolgende^ Ausführungen des Herrn Prof.
Dr. Schmaltz habe ich noch einiges zu erwidern. Wenn der¬
selbe nämlich die Ansicht vertritt, daß in den Kreisen der
Schweizer Doktoren die Tendenz vorherrsche, den in Gießen seit
langem ohne Anfechtung erworbenen Dr. med. vet. gewissermaßen
in diese Schwierigkeiten mit hineinzuziehen, so kann ich diese
Auffassung unmöglich teilen. Ich habe vielmehr die Beobachtung
gemacht, daß die Schweizer veterinärmedizinischen Promotionen
sehr vielen Gießener Herren ein Dorn im Auge sind. Des
öfteren habe ich von solchen Kollegen* im Laufe des Gesprächs
und noch ehe sie wußten, daß ich an der Frage interessiert war,
die abfälligsten und grundlosesten Kritiken hören müssen. Man
scheute nicht zurück, die absurde Behauptung aufzustellen, daß
durch den schweizerischen Dr. med. vet. das alte, ehrwürdige
Diplom von Gießen in Mißkredit gebracht würde.
Die Herren scheinen da ganz zu vergessen, daß man nicht
nur in Gießen, Leipzig bzw. Dresden, Berlin usw., sondern noch
an manchen anderen Orten der Welt sehr gediegene tierärztliche
Bildung verzapft.
Wenn nun die Exklusivität des deutschen Veterinär-Doktor¬
titels so speziell betont wird, so weiß ich nicht, ob man
das wirklich als ein ephiteton ornans auffassen kann. Muß
man doch nicht außer acht lassen, daß es sich da um einen
höchst sonderbaren und für uns sehr wenig rühmlichen Zustand
gehandelt hat. Eine rein tierärztliche akademische Würde blieb
bis vor wenigen Jahren 1 , /V i der gesamten deutschen Tierärzte¬
schaft unerreichbar. Der Dr. med. vet. war bereits so exklusiv
geworden, daß 90% aller Akademiker noch vor kurzer Zeit keine
Ahnung hatten, daß es einen solchen Dr.-Grad überhaupt gibt,
und daß er in Gießen erworben werden kann.
Übrigens scheint man auch dort gar nicht so exklusiv ge¬
wesen zu sein, denn Ausnahmen sind doch wiederholt gemacht
worden und noch dazu an Stellen, wo man solche hätte am
wenigsten hätte erwarten müssen, wenn anders wir uns nicht
Sand in die Augen streuen wollen. Der § 19 der Promotions¬
ordnung besagt nämlich wörtlich:
„Einem an das vet.-medizinische Kollegium der Landes¬
universität berufenen Gelehrten, der den vet. - medizinischen
Dr.-Grad nicht besitzt, kann die Fakultät diesen verleihen,
ohne die für die Bewerber geltenden Bestimmungen anzu¬
wenden. Doch haben Rektor und Dekan in der allgemein
vorgeschriebenen Weise mitzuwirken.“
Es haben doch somit wiederholt immature Tierärzte diese Würde
erhalten. (Quod erat demonstrandum.) Daß es eich dabei nicht um
eine promotio honoris causa handelt, geht deutlich aus dem nächsten
§ 20 hervor, der speziell von den Ehrenpromotionen spricht.
Wenn man in diesen Fällen aus der Not eine Tugend
gemacht hat, so ist das ja ganz verständlich. Unter den
damaligen wenigen maturen Tierärzten waren zum Lehrberuf
befähigte Personen in genügender Zahl aber nicht'vorhanden.
Aber dann soll man sich doch auch nicht zu sehr in die Brust
werfen und so tun, als ob zwischen Bern und Gießen ein
himmelweiter Unterschied w r äre
Selbstverständlich hat es sich ganz von allein ergeben, daß
wir bei unseren Rücksprachen im Kultusministerium auf die
ähnlichen Verhältnisse in Gießen hingewiesen haben. Da hat
nun Herr Geh. Ober-Reg.-Rat Schmidt mir im Sommer des
Jahres 1903 klipp und klar eröffnet, daß die prinzipielle Ver¬
sagung der Genehmigung nicht etwa wegen fehlender Maturitas
erfolge, sondern weil ein Dr. med. vet. in Preußen unbekannt
sei. Gießen bilde eine höchst bedauerliche Singularität, gegen
die das preußische Kultusministerium — das sei nur eine Frage
der Zeit — ganz energisch Front machen werde. Ein Jahr
später hat mir ein anderer Regierungsrat, zwar etwas weniger
abweisend, aber inhaltlich ganz dasselbe erklärt. In ähnlichem
Sinne hatte sich ja in Sachsen dann auch Herr Geh. Rat
Prof. Dr. Vach geäußert. Daß so wenig wohlgesinnte Kund¬
gebungen uns mindestens so tief schmerzen wie die Herren aus
Gießen, brauche ich wohl nicht besonders zu betonen. Als ich
dann im Sommer des Jahres 1906 nochmals im Kultusministerium
vorsprach und Herrn Geh. Rat Dr. Eilsberger direkt fragte,
ob die Genehmigung eher erteilt werden könnte, wenn die
betreffenden Kollegen sich entschließen würden, das Abiturienten¬
examen nachzumachen, entgegnete er mir, daß für die Be¬
urteilung der Genehmigungsfrage der Nachweis des Reife¬
zeugnisses ganz belanglos sei. Es komme lediglich darauf an,
daß dieser Titel auch in Preußen werde zu erwerben sein. Es
I folgten schließlich noch die Worte:
21. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT,
379
„Nur will es scheinen, meine Herren, als ob Sie dem
Abiturienten-Examen doch einen übertrieben großen Wert
beimessen, schätzen Sie denn Ihre Examina so niedrig ein.
Das Leben ist viel zn ernst und auch zu kurz, als daß ich
ältere Herren, die schon mehrere bis viele Jahre in der
Praxis stehen, noch zu solchen Schritten raten könnte.“
Sollte das nicht auch für uns alle eine Mahnung sein. Es
ist doch klar, daß wir bis zum Jahre 1902 das Abiturienten-
Examen als erstrebenswertestes Ziel auf unsere Fahnen geschrieben
haben. Aber jetzt, wo die Würfel zu unseren Gunsten gefallen
sind, können wir doch wieder zusammenrücken und mit ver¬
einten Kräften neuen Aufgaben zu6treben, denn sonst haben wir
— auch ich kann mich dieser Befürchtung trotz gegenseitiger
Versicherung unseres verehrten Herrn Prof. Schmaltz nicht
erwehren — über kurz oder lang doch zwei Klassen von Tier¬
ärzten. Die deutschen Doctores med. vet. aber möchte ich zu
ihrer Beruhigung daran erinnern, daß es überhaupt nur eine
Frage der Zeit ist, bis auch den letzten immaturen Tierarzt die
kühle Erde deckt.
Wenn ich nun zum Schluß noch auf den Artikel des
Leipziger Tageblattes vom 31. März er. zurückkomme, in dem
das ablehnende Verhalten des sächsischen Kultusministeriums
als durchaus konsequent und folgerichtig bezeichnet wird, so
scheint genanntes Blatt gar nicht daran gedacht zu haben, daß
in der theologischen, medizinischen und juristischen Fakultät
schon zum Studium seit langer Zeit das Abiturientenexamen
obligatorisch ist. Nur aus diesem einzigsten Grunde sind Gesuche
um Zulassung zur Promotion unter Dispens vom Reifezeugnis
an diese Fakultäten nur selten oder gar nicht gerichtet worden.
Umgekehrt ist jedoch in verschiedenen Fällen solchen Anträgen
ausnahmsweise Folge gegeben worden.
In den philosophischen Fakultäten liegen die Verhältnisse
wesentlich anders und sind ja hier, wie allgemein bekannt, auch
tatsächlich zahlreiche Dispense erteilt worden, bzw. werden sie
noch erteilt. Die Universitäten haben damit doch jedenfalls zu
erkennen gegeben, daß sie unter besonderen Voraussetzungen
auch das Primanerzeugnis, wie es bei uns bis 1903 zur Approbation
vorgeschrieben war, als genügend zur Promotion erachten.
Diesen besonderen Fällen möchte ich auch die schweizerischen
Diplome zugerechnet wissen.
Es ist eben sehr zu bedauern, daß Gießen sich auf einen
so einseitig extremen Standpunkt festgelegt hat. Geradezu un¬
verzeihlich jedoch ist es, daß man in Leipzig nicht liberaleren
Prinzipien hat Geltung verschaffen können. Da hätte die Hoch¬
schule als unsere Alma mater mit allem Nachdruck sich dagegen
wehren müssen, daß die immaturen Tierärzte ganz aus¬
geschaltet wurden.
Es handelt sich, wie gesagt, nur um ein Übergangsstadium,
und da muß unbedingt die Möglichkeit offen gehalten werden,
daß auch immatnre Tierärzte, und wenn auch nur in be¬
schränkter Zahl und ausnahmsweise, zur Dr. med. vet.-Promotion
zugelassen werden, wenn anders die betr. Instanzen nicht selbst
dazu die Hand bieten wollen, wieder zwei Klassen von Tier¬
ärzten zu schaffen. Ausnahmen haben sehr viele Fakultäten
gemacht, warum wollen wir gerade wieder katholischer sein
als der Papst. Die Frage der Schaffung einer Promotions¬
möglichkeit für Tierärzte in Preußen wird jetzt zwischen den
beteiligten Ministerien akut, da heißt es, den rechten Augen¬
blick nicht zu verpassen.
Eine Regelung der Promotionsfrage in dem von mir an¬
gedeutetem Sinne würde unendlich viel zur Überbrückung der
Kluft und zum Ausgleich der sich jetzt schroff gegenüber¬
stehenden Meinungen beitragen. Ganz abgesehen davon, daß
hiermit nur durchaus gerechtfertigte Ansprüche zur Erfüllung
kämen, würde das einen kleinen Dank für die vielen Mühen
und Entsagungen der älteren Tierärzte bedeuten. Darum rufe
ich ebenfalls: „Videant consules“, damit es nicht auch bei uns
heißt „Undank ist der Welt Lohn“.
J)ie bisher genehmigten Dr. med. vet. der Schweiz.
Die eigenartigen Ausführungen*) des sehr jungen Herrn
Kollegen Dr. med. vet. Jonas-Gelsenkirchen sind von Herrn
Professor Dr. Schmaltz in nicht mißzuverstehender Weise
besprochen worden. Wir werden darauf auch noch zurück¬
kommen. Wenn nun der Herr Dr. med. vet. Jonas aber sagt:
„die kleinen Bundesstaaten, in denen die Genehmigung bis jetzt
schon der Fall gewesen ist, sind für die Allgemeinheit bedeu¬
tungslos“, so möchte ich ihm erwidern, daß er die tatsächlichen
Verhältnisse überhaupt nicht kennt und auch nicht kennen kann.
So bedeutungslos, wie der Herr Dr. med. vet. Jonas meint,
ist die Zahl der bisher genehmigten Dr. med. vet. denn doch
nicht; im Gegenteil, die Genehmigungen sind schon sehr zahl¬
reich und mehren sich beinah von Tag zu Tag. Nach dem von
mir seit 1V 8 Jahren gesammelten Material, das schon zu einem
starken Aktenbündel angeschwollen ist, beträgt die Zahl der in
der Schweiz zum Dr. med. vet. promovierten Tierärzte 140
Herren. Nach den bei den Akten befindlichen Urkunden und
persönlichen Zuschriften haben die offizielle Genehmigung ihrer
Regierung zur Führung des Schweizer Dr. med. vet.: 24 Bayern,
(“> Hamburger, 5 Elsässer, 4 Badenser, 1 Reuß, 1 Oldenburg,
1 Sachsen - Meiningen, 1 Schwarzburg - Rudolstadt = 43; dazu
kommen noch 19 Bayern, 5 Elsässer, 2 Badenser = 26; von
diesen letzteren habe ich bisher keine persönliche Zuschriften.
Aber nach den übereinstimmenden Äußerungen, die mir zur
Verfügung stehen, wird ja in Bayern, Elsaß, Baden und Hamr
bürg der Schweizer Dr. med. vet. anstandslos genehmigt. Mit¬
hin haben von 140 Dr. med. vet. 69 die Genehmigung. Das ist
die Hälfte aller Dr. med. vet. Da noch eine große Anzahl
von Antworten auf unsere drei Rundschreiben ausstehen, bin ich
fest davon überzeugt, daß die Zahl der bisher genehmigten
Dr. med. vet. eine noch größere ist. Daß auch in Preußen
die Genehmigung nicht mehr fern ist, habe ich bei den drei
Audienzen (Mai 07, Dezember 07, März 08) im Kultusministerium
gehört. Besonders wurde dies mir gegenüber im März in einer
'/^ständigen Unterredung mit den Worten betont: „Genehmigt
wird er sicher!“
Der Ausschuß für den Dr. med. vet. der Schweiz.
I. A.: Kunibert Müller, Treptow a. R.
Tierseuchengesetz statt Viehsenchengesetz.
Eingabe des Deutschen Veterinirrates an den Reichstag.
Dem Hohen Reichstag beehrt sich der Deutsche Veterinärrat:
die Vertretung sämtlicher deutschen tierärztlichen Vereine, die
Bitte auszusprechen, bei der Beschlußfassung über die Novelle
des Gesetzes zur Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen
sowohl im Titel des Gesetzes wie auch im Texte das Wort
Viehseuche in Tierseuche abändern zu wollen.
Zur Begründung dieses Wunsches ist folgendes anzufiiliren.
*) B. T. W. Nr. 19.
380
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
Der wissenschaftliche Charakter der Tiermedizin, die ge¬
deihliche Entwicklung des tierärztlichen Standes und die
öffentliche Bedeutung des Veterinärwesens sind allgemein an¬
erkannt. Es steht damit in Widerspruch und muß namentlich
auch die Tierärzte unangenehm berühren, w r enn noch vielfach,
und oft nicht ohne eine gewisse Neigung zur Herabsetzung, von
Vieharzneikunde gesprochen wird, woraus dann bei einer ge¬
wissen Lässigkeit oder Böswilligkeit des Ausdrucks sogar die
Bezeichnung „Viehdoktor“ nicht selten folgt.
Diese üble Gewohnheit wird durch den Gebrauch des Wortes
Vieh statt Tier im amtlichen Veterinärwesen gestützt. Es be¬
steht daher ein tierärztliches Interesse an der Beseitigung.
Wenn ferner dem Worte Vieh auch nicht von vornherein
eine verächtliche Bezeichnung innewohnt, so wird sie doch vielfach
hineingelegt. Von Vieh wird namentlich auch dann gesprochen,
wo man beabsichtigt, den Tiefstand des tierischen Geschöpfes
gegenüber dem Menschen zum Ausdruck zu bringen. Bei den zur
Gesundheitspflege dienenden Einrichtungen handelt es sich aber
nicht darum, sondern um das Geschöpf, dessen Leiden ebenso wie
die des Menschen der Hilfe bedürfen. Wenn in der Neuzeit er¬
freulicherweise die Bestrebungen zum Schutz des Tieres an Boden
gewinnen, so wird eine gerechte Würdigung des Tieres die beste
•Grundlage für das Gedeihen auch dieser Bestrebungen bilden.
Auch in diesem Sinne wird es nützlich sein, einen Ausdruck, der
einen verächtlichen Anklang besitzt, allmählich zu verdrängen.
Endlich kann nicht verkannt werden, daß in dem vor¬
liegenden Gesetz die Bezeichnung Viehseuchen auch sprachlich
nicht zutreffend ist. Denn das Gesetz bezieht sich auf Tiere,
die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nirgends unter das
Vieh schlechthin gerechnet werden. Unter Vieh wird in der
Regel nur das Klauenvieh verstanden. Pferde werden fast
überall aus jenem allgemeinen Begriff abgesondert, und ebenso
pflegt man Hunde und Geflügel nirgends unter das Vieh zu
rechnen. Dies hat denn auch im § 1 des Entwurfes eine be¬
sondere Definition des Begriffes Vieh nötig gemacht, die in
Wegfall kommen könnte. Der Ausdruck Tierseuche ist also
nicht allein der ästhetisch befriedigendere, sondern auch der
begrifflich umfassendere und daher in dem Gesetz zu bevor¬
zugen. Bemerkt kann noch werden, daß z. B. auch im B. G. B.
von der Haftung des Tierhalters die Rede ist. Ebenso würde
sich empfehlen, die an mehreren Stellen gebrauchte Bezeichnung
„Rindvieh“ durch „Rinder“ zu ersetzen.
Der Deutsche Veterinärrat hat im Anfangsstadium der
Vorbereitung der jetzt vorliegenden Novelle Gelegenheit ge¬
nommen, der Reichsregierung seine Wünsche betreffs der Ge¬
staltung des Gesetzentwurfes vorzutragen. Diese Wünsche
sind in dem vorliegenden Entwurf sämtlich berücksichtigt. Es
ist wahrscheinlich, daß auch ein die Bezeichnung des Gesetzes
betreffender Wunsch Berücksichtigung gefunden hätte, der
damals nicht ausgesprochen worden ist, weil sich der Umfang
der Abänderung noch nicht übersehen ließ. Da aber jetzt die
ursprüngliche Bezeichnung des Gesetzes durch die Vorlage selbst
verändert wird, so ist die Gelegenheit zur Abänderung auch des
Wortes „Viehseuchen“ damit gegeben. Der Deutsche Veterinär¬
rat hofft daher, durch seine an das Hohe Haus gerichtete Ein¬
gabe diese Änderung nachträglich veranlassen zu können.
Im Aufträge des Deutschen Veterinärrates:
Der Schriftführer: Dr. Schmaltz,
Professor an der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin.
Roßarzt Rietzei.
Zu dem Artikel in Nr. I dieser Zeit über den Roßarzt
Rietzei kann ich als derzeitiger Oberveterinär seiner alten
Batterie einige Ergänzungen liefern, die ich beim Studium der
Regimentsgeschichte in den für seine Kinder bestimmten Auf¬
zeichnungen des jetzigen Generals der Artillerie von Planitz
fand und die ich mit gütiger Erlaubnis Sr. Exzellenz hier zur
weiteren Kenntnis bringen möchte. Er charakterisiert Rietzei
folgendermaßen: „Roßarzt Rietzel, dem ich ein ganz besonders
ehrendes Zeugnis ausstellen muß, war schon bejahrt, hatte schnee¬
weißen Kopf und Bart, war voller Hingabe für seinen Dienst
und voller Sorgsamkeit für alle, besonders auch für die Offiziere.
Er hatte immer erklärt, „wenn es einmal gegen die Franzosen
geht, dann mache ich unter allen Umständen mit“, und schimpfte
auf seine Kollegen, daß mehrere von ihnen beim Ausbruch des
Krieges sich für felddienstunfähig erklären ließen, nur um ihre
gute Praxis, nicht zu verlieren. Auch er hatte eine große
Praxis, besonders bei den Infanterieoffizieren vom General bis
zum Leutnant und war bei deren Pferdeangelegenheiten ihr
Vertrauter. Neben seinen dienstlichen Funktionen sorgte er für
die Verpflegung und das Wohl der Offiziere und des Stabes. Er
schlug die Zelte für die Offiziere und den Stab mit einigen
Reservemannschaften auf und ab, kochte früh den Kaffee und
später die Mahlzeiten, und es war ein köstliches Bild, wenn
er, in einen langen, grauen Schlafrock gehüllt, am Kochfeuer mit
einem Kochlöffel die Burschen dirigierte, die ihm zur Hand
gehen mußten. Er war bald auch in der Dragoner-Brigade, mit
der wir zusammen kamen, ganz bekannt, und die Offiziere der¬
selben nannten ihn ebenso wie die der Batterie bald „alter
Onkel“, und selbst der sehr förmliche Graf Brandenburg
fragte mich zu wiederholten Malen „was macht der alte Onkel?“
Er und Feldheim (Wachtmeister) aßen stets mit uns Offizieren
zusammen, auch später, als wir vor Paris lagen, mit dem Ab¬
teilungsstabe und den Offizieren der 3. reitenden Batterie.“
Weiterhin wird Rietzel denn des öfteren in einer sehr
anerkennenswerten Weise erwähnt. Folgende Stelle zeugt von
der großen Beliebtheit, der sich Rietzel auch sonst erfreute:
„Rietzel las die Fahrzeuge unterwegs auf und führte sie nach.
Dabei kamen ihm seine Bekanntschaft und Beliebtheit bei den
älteren Infanterie-Offizieren zustatten, die ihn ungehindert bei
sich vorbeimarschieren ließen.“
Eine für den Feldzug charakteristische Szene ist folgende:
„Als unser Rietzel die Zelte aufschlagen wollte, lag auf dem
dazu ausgewählten Platz ein deutscher Soldat, und in der
Meinung es sei einer unserer Leute, der sich aus Erschöpfung
hingelegt habe, stieß er ihn mit dem Fuße an und sagte, nun alter
Kronensohn (sein Lieblingsausdruck) drücke dich mal gefälligst
von hier weg“. Er tat dies aber nicht und nun merkte man, daß es
ein preußischer Soldat war, der hier seinen Tod gefunden hatte.“
Auch von der Berufstätigkeit des damaligen Roßarztes
wird im folgenden Erwähnung getan: „Die mitgenommenen
Reserveeisen waren bald aufgebraucht, und um neben dem
ordentlichen Beschläge wieder eine gehörige Anzahl von Reserve¬
eisen zu beschaffen, wurde dem tätigen Rietzel gestattet, das
schmiedeeiserne Gitter des Kirchhofes nach und nach abzu¬
nehmen und zu Eisen zu verarbeiten. Mein alter Rietzel hatte
alle Hände voll zu tun und bewährte sich aufs neue.“
Während des Feldzuges leistete Rietzel der Batterie in
mannigfacher Hinsicht so gute Dienste, daß sein ehemaliger
21. Mai 1908.
BERLINEU TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
381
Batteriechef ihm — besonders nachdem Rietzel in einer Nacht vor
einem Alarm dafür gesorgt hatte, daß die Pferde seines Chefs mit
scharfen Eisen beschlagen wurden — folgenden Nachruf widmet:
„Ich erw r äline dies, um hier der Pflichttreue und Gewissen¬
haftigkeit meines vortrefflichen Rietzel ein Denkmal treuer
und dankbarer Anerkennung zu setzen.“
Erwähnen möchte ich denn noch, daß auf dem Flur der
Batterie eine Vergrößerung einer Photographie der damaligen
Offiziere der Batterie hängt, die während des Feldzuges in
Beauvais aufgenommen ist, auf der sich auch Rietzel befindet.
Man sieht also auch aus diesen Zeilen, die ein ehemaliger
Batteriechef nach 36 Jahren (die Aufzeichnungen datieren von
1906) seinem Roßarzt widmet, daß der damalige Veterinär sich
trotz Stellung und Uniform einer gewissen Wertschätzung er¬
freute und jeder bekannte Offizier sich seiner mit Wohlwollen
und Freude erinnert. Lahrs.
Der Wiener Studentenkrawall.
Im Österreichischen Tierärztlichen Zentralblatt findet sich
ein Bericht über die auch in der B. T. W. besprochenen Vor¬
gänge an der Tierärztlichen Hochschule zu Wien. Obwohl
derselbe für den Fernstehenden die Ursachen und den Verlauf
der Studentenbewegung nicht klar erkennen läßt, so ist doch
vor allem bemerkenswert die Hoffnungsfreudigkeit, die der Bericht
erkennen läßt. Es scheint als sicher angenommen zu werden,
daß das Ereignis, welches, wie man sich denken kann, in ganz
Wien Aufsehen gemacht hat, eine Wirkung im Sinne der
Demonstranten haben werde. Nach dem Bericht hat der
kommandierende Offizier gesagt: „Hier ist kein akademischer
Boden“. Der Bericht erkennt an, daß diese schlichten Worte
in erfreulicher Offenheit eine Situation gekennzeichnet haben,
wie sie tatsächlich bestand und von den österreichischen Tier¬
ärzten lebhaft beklagt wurde. Die Tierärzteschaft Nieder¬
österreichs hat ihre Sympathie mit den Forderungen der
Studierenden erklärt. Im Abgeordnetenhause ist die Regierung
interpelliert worden; die Interpellanten verlangten: Befreiung
der Tierärztlichen Hochschule vom militärischen Regime und
die nötige Satisfaktion für das Professorenkollegium und die
Hocli8cküler. Der Abgeordnete Kotlar, bekanntlich Tierarzt,
fragte zugleich, ob die Regierung geneigt sei, zur Entlastung
der Hochschule in Wien eine Tierärztliche Hochschule mit
tschechischer Unterrichtssprache in Prag zu errichten. Herr
Kotlar teilte mit, daß er sich selbst davon überzeugt habe, daß
im Gebäude der Hochschule die Soldaten mit aufgepflanzten
Bajonetten lagern und die Hörer nicht hereingelassen werden.
Die Frage der Ausscheidung der Tierärztlichen Hochschule aus
dem Ressort des Reichskriegsministeriums sei nunmehr brennend
geworden. Vertreter der Studierenden wurden von den Ab¬
geordneten Wolff und Kotlar zum Ministerpräsidenten und
zum Unterrichtsminister, Dr. March et, geführt. Letzterer ver¬
sprach, die Wünsche der Studentenschaft zu unterstützen, und
fügte hinzu, daß auch das Kriegsministerium einer Abtrennung
nicht hinderlich sein wolle; die an ihn gerichtete Interpellation
werde er ehestens beantworten. Der Ministerpräsident sprach
sein Bedauern aus, daß die Demonstration in Gewalttätigkeit
ausgeartet sei, erklärte sich aber bereit, im Krieg6ministerium
wegen Abzuges des Militärs zu intervenieren, wenn seitens der
Studierenden Ruhe garantiert w f erde, was von den Studenten¬
vertretern ehrenwörtlich versichert wird. Das Militär ist
inzwischen zurückgezogen und die Ruhe wiederhergestellt.
Der Rektor der Tierärztlichen Hochschule gab einen Erlaß
des Kriegsministers bekannt, aus dem folgendes hervorgeht: Der
ünterrichtsminister wird in kürzester Zeit mit dem Kriegs¬
minister in Verbindung treten, um die baldigste Regelung der
Hochschulfrage anzubahnen. Nachdem schon vor vier Jahren
Verhandlungen wegen der Übernahme der Hochschule in die
Verwaltung des Unterrichtsministeriums stattgefunden haben,
werden diese Verhandlungen wieder aufgenommen und behufs
ehester Erzielung des Erfolges gefördert werden. Die be¬
gründeten Wünsche wegen Ausgestaltung der Hochschule hin¬
sichtlich der Lehrkräfte und Lehrmittel werden wohlwollendste
Berücksichtigung finden. Die Verleihung des Promotionsrechtes
an die Tierärztlichen Hochschulen ist im Prinzip beschlossen
und steht für das nächste Studienjahr bevor. Eine durchgreifende
Revision des Studienplanes wird durchgeführt worden. Die
übrigen geäußerten Wünsche werden vom k. k. Reichskriegs¬
ministerium auch geregelt werden.
Im Budgetausschuß des Abgeordnetenhauses sprach der
Abgeordnete Kotlar noch den Wunsch aus, daß die Tierärztliche
Hochschule dem Ackerbauministerium unterstellt werden möchte.
Der Ackerbauminister Dr. Ebenhoch erklärte, daß auch er
eine solche Übertragung für außerordentlich wünschenswert
halte, und daß er im übrigen eine weitere Ausgestaltung des
staatlichen Veterinärdienstes beabsichtige, auch ein neues Tier¬
seuchengesetz festgestellt habe. (Österr. Tierärztl. Zentralblatt.)
Über den Versicherungsvertrag.
Der auch in der B. T. W. vielfach und mit Recht erörterte
Gesetzentwurf über den Versicherungsvertrag wurde in der
Sitzung vom 1. Mai en bloc nach den Beschlüssen der Kommission
vom Reichstag angenommen. Hoffentlich werden die Versicherer
(Gesellschaften usw.) von der ominösen Bestimmung bzw. Er¬
laubnis des Beizugs von sog. „Sachkundigen“ in Krankheits¬
fällen bzw. bei Begutachtungen in ihrem eigenen Interesse
möglichst wenig Gebrauch machen.
Im übrigen haben sich fast zu gleicher Zeit auch die
parlamentarischen Körperschaften der Schweiz, Ständerat sowohl
wie Nationalrat, mit einem Bundesgesetz über den Versicherungs¬
vertrag beschäftigt und den letzteren in der Sitzung vom
2. April einstimmig angenommen. Im Gegensatz zu dem
deutschen Gesetz sind die Schweizer Bestimmungen ziemlich
einfach gehalten. Von Vorschriften über den Beizug von sog.
Sachkundigen ist daselbst wrie überhaupt über die Art des tier¬
ärztlichen Eingreifens bei der Vieh Versicherung — jedenfalls
als überflüssig — auch nicht die geringste Rede.
§ 64 sagt hinsichtlich der Viehversicherung nur folgendes:
„Bei der Vieh Versicherung ist der Wert zur Zeit der Erkrankung
oder des Unfalls des Tieres maßgebend.“
Unsere deutschen Gesetzgeber sind, wie ersichtlich, viel
besorgter.
Die Referendumsfrist (Volksabstimmung) des am 8. April
veröffentlichten Schweizer Gesetzes läuft am 7. Juli 1908 ab.
Ad. Maier-Konstanz.
Protokoll über die 62. General Versammlung des Tier¬
ärztlichen Zentral Vereins für die Provinz Sachsen,
die Anhaitischen und die Thüringischen Staaten,
am Sonntag, den 8. Dezember 1907,
zu Magdeburg, im Restaurant „Hohenzollem“.
Die Präsenzliste wies folgende Herren Mitglieder auf: Leistikow,
Gundelaqh, Colberg, Ristow, Blau, Michalski, Gaedke,
sämtlich aus Magdeburg, Disselhorst und Räbiger aus Halle a. S.,
Ziegenbein-Wolmirstedt, Schlemmer - Gröbzig, Meyer und
Jonske aus Stendal, Ernst und Witte aus Quedlinburg,
Thunecke - Kalbe a. S., Geldner-Burg b. M., Schulz-Neu¬
haldensleben, Oppermann -Wanzleben, Haferburg -Eichenbarleben,
382
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
Friedricha-Barleben, Siebert-Osterburg, Dolle und Volmer-
Oschersleben und Bunge-Zerbst.
Ihr Ausbleiben entschuldigt haben die Herren: Geh. Reg-Rat
Prof. Dr. Esser-Göttingen, Exzellenz Kühn-Halle a. S., Vet.-Rat
Sickert-Egeln, Vet.-Rat Pirl-Dessau, Kreistierarzt Friedrich-
Halle a. S., Kreistierarzt Rößler-Köthen (Anh.) und die Tierärzte
Schumra-Naumburg, Meißner-Schafstedt, Ude-Wittenberg und
Koch-Magdeburg.
Als Gäste haben die Versammlung durch ihr Erscheinen er¬
freut die Herren Korps-Stabsveterinär Thietz, Dr. Lucius und
Herffurth - Magdeburg, Dr. Petschelt - Sommersdorf und Dr.
Burow-Halle a. S.
Wie so oft gedenkt auch diesmal wieder Herr Vet.-Rat Müller-
Stettin durch Übersendung eines Begrüßungstelegramms unseres
Zentralvereins.
Der Vorsitzende eröffnet um %12 Uhr die Versammlung und
begrüßt die erschienenen Gäste und Mitglieder. Infolge der Tagung
anderer Verbände, denen unsere Mitglieder zum Teil angehören, ist
die Versammlung diesmal leider weniger besucht als die letzte
Sitzung in Dessau.
Prof. Disselhorst gibt weiterhin eine Erklärung darüber ab,
daß im Hinblick auf das bevorstehende Gesetz zur Bekämpfung der
Rindertuberkulose dem Beschlüsse der vorletzten Versammlung ent¬
gegen die Dessauer Versammlung ohne Damen abgehalten worden
sei. Die Sitzung war speziell der Tuberkulose und ihrer Bekämpfung
gewidmet. Der Vorsitzende gedenkt mit Worten des Dankes der
ausgezeichneten Referate über die Tuberkuloseforschung, unter
denen besonders der Vortrag des Herrn Geheimrat Dammann den
Glanzpunkt der Verhandlung bildete.
Zu Punkt 1 der Tagesordnung wird auf Antrag des Vorsitzenden
beschlossen, die Versammlungen in Magdeburg erst um 127 4 Uhr
mittags anzusetzen, damit die Kollegen aus den einzelnen Teilen
der Provinz bequemere Züge nach Magdeburg benutzen könnten,
als es bisher der Fall war.
Zur Aufnahme melden sich der praktische Tierarzt Dr Petschelt-
Sommersdorf (Kreis Neuhaldensleben) und der Leiter des Milzbrand¬
serum-Instituts, Tierarzt Dr. Burow-Halle a. S. Die Aufnahme der
Herren erfolgt einstimmig.
Herr Kollege Ziegenbein-Wolmirstedt regt sodann eine Dis¬
kussion an über die Festsetzung der Preise für die praktische
Tätigkeit, an der sich die Herren Leistikow, Disselhorst,
Thunecke und Colberg beteiligen. Auf den Antrag Leistikows,
der an das Vorgehen der Kollegen in Westfalen erinnert (Nr. 30, 1907
der B. T.W.), wird die Angelegenheit vertagt und die Referate über
diese Frage den Herren Leistikow-Magdeburg, Ziegenbein-
Wolmirstedt und Friedrichs - Barleben übertragen. Bei dieser
Gelegenheit wurde die Einsetzung eines Ehrenrates einer Be¬
sprechung unterzogen. Hierauf verliest der Vorsitzende den Be¬
schluß des Tierärztlichen Provinzial-Vereins für Schleswig-Holstein
vom 10. Oktober 1907, betr. die Überwachung der Milchgewinnung
und des Verkehrs mit Milch durch Tierärzte, und empfiehlt im
Interesse der tierärztlichen Sache volle Unterstützung seitens
unseres Vereins. Die Versammlung beauftragt den Vorstand, Herrn
Veterinärrat Dr. Foth in .Schleswig, als Vorsitzenden des Tierärzt¬
lichen Provinzial-Vereins für Schleswig-Holstein, in einem besonderen
Schreiben mitzuteilen, daß der diesseitige Zentralverein den Leit¬
sätzen des Schleswig-Holsteiner Vereins nach jeder Richtung hin
zugestiramt hat.
Herr Kollege Ziegenbein-Wolmirstedt empfiehlt auf Grund
des Vortrages, den Herr Geheimrat Ostertag auf der letzten Ver¬
sammlung des Vereins der beamteten Tierärzte in Berlin gehalten
hat, daß die Kollegen in den landwirtschaftlichen Vereinen häufiger
über die Milchhygiene und Milchkontrolle referieren möchten. Herr
Kollege Meyer-Stendal erklärt sich bereit, auf der Frühjahrs¬
versammlung über die Regelung der Milchkontrolle in der Provinz
Sachsen zu sprechen.
Sodann werden für zwei Hinterbliebene von Mitgliedern auf
einstimmigen Vereinsbeschluß hin als Unterstützung für Weihnachten
30 bzw. 90 M. bewilligt.
Zu Punkt 2 der Tagesordnung referierte Herr Veterinärrat
Leistikow-Magdeburg über „Neue Erfahrungen bei der Be¬
kämpfung der Maul- und Klauenseuche“. Der Vortrag ist in dieser
Nummer der B. T. W. Seite 372 veröffentlicht. An der Diskussion
beteiligten sich die Herren Gundelach, Michalski, Ziegenbein,
Geldner und Dies eihorst.
Zu Punkt 3 entschuldigt sich der Vorsitzende, sein Referat
über „Die feineren Vorgänge bei der Befruchtung und Vererbung“
ohne Kartenmaterial nicht erstatten zu können und spricht an
Stelle dieses Themas über „Biologische Reaktionen“. Auch dieser
Vortrag ist unter den Abhandlungen der B. T. W. (Nr. 19) ver¬
öffentlicht.
Zu Punkt 4 kommt Herr Kollege Ziegenbein-Wolmirstedt
auf die Rotlauf-Entschädigungen zu sprechen und weist besonders
auf die Entschädigungen der Landwirtschaftskammer für die Provinz
Sachsen hin. Er empfiehlt die Rotlauf Impfstoffe aus dem bak¬
teriologischen Institut der Landwirtscbaftskammer für die Provinz
Sachsen zu Halle a. S. zu beziehen, da z. B. die Firma L. W. Gans-
Frankfurt a. M. sich bei der Entschädigungfrage um die Diagnose der
Kreistierärzte nicht kümmere. Hierauf streift Redner einen Fall aus
der Fleischbeschau, in dem Betrügereien mit Stempeln getrieben
worden sind, und ermahnt zur Belehrung der Amtsvorsteher über
das Gesetz betr. die Fleischbeschau.
An der Diskussion in dieser Angelegenheit beteiligt sich vor
allem Herr Veterinärrat Leistikow, der unter anderem darauf hin¬
weist, daß bedingt taugliches und minderwertiges Fleisch nur dann
noch verwendet werden darf, wenn die Erlaubnis dazu vorliegt und
der Ort eine Freibank besitzt.
Am Schlüsse der Versammlung ladet der Vorsitzende die Herren
Mitglieder zur nächsten Vereinsversammlung nach Halle a. S. und
zur Besichtigung des Bakteriologischen Instituts daselbst ein. Die
Einladung wird unter allgemeiner Zustimmung angenommen.
Nach den Verhandlungen vereinigten sich die Teilnehmer der
Versammlung zu einem gemeinsamen Essen im Saale des Restaurants
und Caf6 „Hohenzollem“.
Der Vorsitzende: Der Schriftführer:
Disselhorst. H. Raebiger.
Frühjahrsversammlung (97.) des Vereins schlesischer Tierärzte
zu Breslau am 31. Mai 1908.
Die Versammlung findet im Konzerthaus, Gartenstraße 39/41, statt.
I. Vorstandssitzung 10 Uhr (Saal im 1. Obergeschoß).
II. Gruppensitzungen lO’/.j—117a Uhr
(Die Gruppe der beamteten Tierärzte tagt im Saale dos 1. Ober¬
geschosses, die Gruppen der Schlachthoftierärzte und der Privat¬
tierärzte in den beiden Nebenräumen des Kammermusiksaales.)
III. Hauptversammlung 117a Uhr (im Saale des 1. Obergeschosses).
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten:
a) Eingänge und Mitteilungen,
b) Abgang und Aufnahme von Mitgliedern,
c) Kassenbericht.
2. Vorträge und Besprechungen:
a) Stellungnahme zu wichtigen Tagesfragen.
1. Resolution des tierärztlichen Vereines in Schleswig-
Holstein betr. die tierärztliche Überwachung der Milch¬
gewinnung und des Verkehrs mit Milch.
2. Resolution der Tierärztlichen Gesellschaft in Berlin
betr. die tierärztliche Überwachung des Marktverkehrs
mit animalen Nahrungsmitteln, sowie die Schaffung
eines besonderen Lehrauftrages hierfür an den Tier¬
ärztlichen Hochschulen.
Referent zu 1 und 2:
Herr Obertierarzt Dr. Marschner-Breslau.
b) Über tierärztliche Geburtshilfe. Ein volkstümlicher Vor¬
trag in Wort und Bild, zur Bekämpfung des Kurpfuscher¬
tums.
Referent: Herr Kreistierarzt Bischoff-Ratibor.
c) Mitteilungen aus der Praxis.
Referent Vorbehalten.
Um 2 Uhr gemeinsames Essen. (Um Beteiligung der Damen
am Mahle wird ergebenst gebeten.)
Der Vorstand. I. A.: Ri eck.
21. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
383
Der „Fall Schlennstedt“.
Zu dem in der B. T. W. von Herrn Veterinärrat Felisch
mitgeteilten, von mir abweichend beurteilten „FallSchlennstedt“
protestiert in der Deutschen tierärztlichen Wochenschrift Herr
Professor Malkmus gegen meine Äußerung: „Anders denkt
zunächst, wie ich dagegen behaupte, der ganze R. S. C. w . Sodann
ist mir aus Hannover folgende Erklärung zur Veröffentlichung
übersandt worden:
Erklärung.
In der Nr. 19 der B. T. W. hat Herr Prof. Schmaltz zur
Erwiderung auf den Artikel „Auch ein Standesheber“ geäußert:
„Ganz sicher Unrecht hat aber Herr Felisch mit der Annahme,
daß alle Tierärzte sich seinem harten Urteil anschließen würden.
Anders denkt zunächst der ganze R. S. C. . . .“
Um dem vorzubeugen, daß in weiteren Kreisen eine irrige
Ansicht über den R. S. C. Platz greift, möchte der Hannoversche
S. C. hier erklären, daß er sich den Ansichten des Herrn Prof.
Schmaltz durchaus nicht anschließen kann, und daß er diese
Angelegenheit auf dem Pfingsten in Rudolstadt tagenden 25. R.S.C.
zur Sprache bringen wird, um dann die Ansicht des gesamten
R. S. C. auszusprechen.
Der S. C. der Königl. Tierärztl. Hochschule
zu Hannover.
I. A.: Willy Bennewitz (Hannoveraniae X)-
Hierzu möchte ich folgendes bemerken: Zunächst war meine
Äußerung überhaupt Dicht wörtlich zu nehmen, vielmehr dabei
offenbar Übertreibung gegen Übertreibung gesetzt, gegen „alle“
Tierärzte der „ganze“ R. S. C. Nichtsdestoweniger zeigen aber
jener Protest und jene Erklärung, daß die Auffassung des
Falles innerhalb dieses Kreises stärker geteilt ist, als ich
angenommen habe. Daß aber „ein großer Teil“ seiner Mit¬
glieder so, Wie ich annahm, denken muß, das ist keine Unter¬
stellung einer Meinung, sondern ein logischer Schluß aus
der einfachen Tatsache der Beitragsannahme, die weder
von dem (doch für den R. S. C. handelnden) Denkmals¬
komitee noch von der Redaktion des offiziellen Organs bean¬
standet worden ist und die unmöglich wäre, wenn man Herrn
Schlennstedt der Kategorie der Pfuscher zuzählte.
Im übrigen bin ich gebeten mitzuteilen, daß das Corps
Salingia die Angelegenheit seinerseits in die Hand genommen
hat und in der entsprechenden Weise zum Austrag bringen
wird. Die Streitfrage wird daher in erster Linie von dieser
nächstbeteiligten Seite vor das Forum des R. S. C. gebracht
werden, wo auf alle Fälle eine Klärung und eine Feststellung der
überwiegenden Meinung stattfinden wird. Damit ist der „Fall“
in ein richtiges Fahrwasser geleitet und wird zugleich zu einer
studentischen Angelegenheit. Zunächst war sie das nicht, wie
ich gegenüber einem Leser der B. T. W. bemerken möchte, der
sich darüber beschwert hat, daß „R. S. C. Angelegenheiten“
in der B. T. W. erörtert würden, wo sie nicht hingehörten.
Es handelte sich nicht darum, sondern um eine Standesangelegen¬
heit, nämlich um die Besprechung eines schweren Vorwurfs,
der einem jungen Kollegen gemacht worden war. Daß dieser
Kollege dem R. S. C. angehörte, war eine rein zufällige Neben¬
sache, die allerdings nach Lage der Umstände zur Sprache
kommen mußte. Schmaltz.
Maul* und Klauenseuche
Die Seuche ist auf dem Viehhofe zu Nürnberg am 12. d. M.
ausgebrochen. In den Kreisen Stolp-Schlawe (Pommern) ist
ein Ausbruch erfolgt.
Pfingstrelse.
Unter der Bezeichnung „Studienfahrt Pfingsten 1908“ wird
durch Herrn M. v. Schleusen (Berlin-Schöneberg, Stubenrauch-
straßc 4) ein Prospekt versandt, dem folgendes zu entnehmen ist:
Die Reiso soll am 31. Mai morgens in Basel beginnen und am
15. Juni ebenda enden. Sie gilt hauptsächlich Rom und Neapel
mit je 5 Tagen; ferner werden auch Mailand, Genua und Florenz
besichtigt. Der Preis ist, da es sich um kein geschäftliches Unter¬
nehmen handelt, für die 16tägige Reise auf 320 M. festgesetzt,
und es sind darin sämtliche gemeinsame Ausgaben für Eisenbahn
(II. Klasse), Schiff, Wagen, Barken, Hotels und Verpfleguug mit
Wein enthalten.
Literarische Notizen.
Besprechungen.
Die Dauerweiden, Bedeutung, Anlage und Betrieb derselben unter
besonderer Berücksichtigung intensiver Wirtschaftsverhältnisse.
Von Dr. Friedr. Falke, Professor der Landwirtschaft an der Univer¬
sität Leipzig, unter Mitwirkung von W. Oetkon, Assistent am
landwirtsch. Institut der Universität Leipzig. Hannover. Verlag von
M. & G. Schaper. 1907. Gebunden M. 6.
Angesichts der Bedeutung des sachgemäßen Weideganges für
die Heranzüchtung und die Haltung gesunder leistungsfähiger Nutz-
tierbestände ist jede Veröffentlichung zu begrüßen, die unsere
Kenntnisse auf diesem hochwichtigen Wirtschaftsgebiete sammelt,
ergänzt und vertieft. Dem Falk eschen Buche kommt diese Eigen¬
schaft in hervorragendem Maße zu. An der Hand sorgsamen Lito-
raturstudiums und praktischer Erfahrung schildert es ausführlich
und klar die allgemeine Bedeutung des Weideganges, die Anlage
und den Betrieb der Weiden sowie die Einrichtung von Genossen¬
schaftsweiden. Das auch buchhändlerisch sehr gut ausgestattete
Werk kann sowohl dem Tierzüchter wie seinen Beratern bestens
empfohlen werden. Dr Vogel.
Köoigl. Sächtu Gesetz, betreffend die Unterhaltung und Körung der
Zuchtbullen, vom 30. April 1906 nebst Ausführungsverordnung vom
30. November 1906. Herausgegeben und mit Erläuterungen versehen
von Dr. G. Lantzsch, Oberregierungsrat im K. Ministerium des Innern.
Leipzig 1907, Roßbergsche Verlagsbuchhandlung. Preis M. 1,40.
Ein sehr guter, kurz gefaßter und doch erschöpfender Kom¬
mentar zu den neuen Vorschriften über die Unterhaltung und
Körung der Zuchtbullen im Königreich Sachsen. Dr. Vogel.
F. Stuhlmann. Beiträge zur Kenntnis der Tsetsefliege (Glossina
fusca und Gl. tachinoides). Sonderabdruck aus „Arbeiten aus
dem Kaiserlichen Gesundheitsamte“, Band XXVI, Heft 3. Berlin 1907.
Der langjährige, verdienstvolle Direktor des Biologisch-Land¬
wirtschaftlichen Institutes zu Amani (Deutsch-Ostafrika) hat die
Anatomie und Biologie der am Fuße des Usambara-Gebirgcs häufig
vorkommenden Glossina fusca und tachinoides zum Gegenstände
eingehender Studien gemacht. Besondere Berücksichtigung haben
diejenigen Organe der F)iege gefunden, welche für die Entwicklung
des Erregers der Tsetsekrankheit (Trypanosoma brucei) in Frage
kommen — nämlich der gesamte Darmtraktus. Auch über die
Abhängigkeit der Glossinen von äußeren Einflüssen hat der Ver¬
fasser sehr bemerkenswerte Angaben gemacht. Der Arbeit sind
eine größere Anzahl vorzüglicher Abbildungen beigegeben worden.
Zlemann. Schutzpockenimpfung In dA Kolonien. Sonderabdruck
aus der Berliner klinischen Wochenschrift. 1908 Nr. 3.
Enthält eine Reihe praktischer Vorschläge, um die Schutz¬
pockenimpfung in den Kolonien besser wie bisher zu organisieren.
Zlemann. Wie erobert man Afrika für die weifte und farbige Rasse?
Beihefte zum Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene Band XI.
Verfasser schildert die Schwierigkeiten, welche sich bisher bei
der Eroberung des tropischen Afrikas ergeben haben, nämlich die
Besonderheiten des tropischen Klimas, die den Tropen eigenen
Krankheiten sowie sonstige Umstände, welche für die weiße und
farbige Rasse schädlich sind. Ziem an ns Vorschläge verdienen
weitgehendste Beachtung.
384
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
Sander und Hennig. Tropische und subtropische Viehseuchen. 8on- j
derabdruck ans dem Handbuch der Tropenkrankheiten Band III.
Herausgegeben von Dr. C. Men so. Leipzig 1906.
Ausführlich besprochen sind die durch Trypanosomen und
Babcsien bedingten Tierseuchen, die südafrikanische Pferdesterbc,
das Herzwasser, die Gallseucbe und die Rinderpest. Den einzelnen
Kapiteln sind ausführliche Literaturverzeichnisse beigegebon.
Theller. Report of the Government Vcterinary Bacteriologist.
Transvaal Department of Agriculture. 1905—190(3.
Aus dem Jahresbericht des verdienstvollen Leiters des Regie-
rungs-Veferinärlaboratoriums in Pretoria seien besonders hervor¬
gehoben die eingehenden Studien über das Piroplasma mutans, über
die Beziehungen zwischen Pferdesterhe und Herzwasser, über die
Pferdepiroplasmosc, über Schweinescuche und Schweinepest und
über die Übertragbarkeit der Pferdesterbe auf Hunde.
von Waslelewskl. Studien und Mikrophotogramme zur Kenntnis der
pathogenen Protozoen. Zweites Heft. Untersuchungen über Blut¬
schmarotzer. Leipzig 1908.
Verfasser bespricht zunächst die Verbreitung der tierischen
Blutparasiten in Deutschland und gibt wertvolle Ratschlägo, wie
und wo man sich das erforderliche Untersuchungsmaterial ver¬
schaffen kann. Nach einer allgemeinen Abhandlung über die blut-
schmarotzenden Nematoden, Mastigophoren und Sporozoen ist
besonders eingehend Plasmodium vivax und Laverania malariae
bearbeitet. Bei weitem der größte Teil des vorliegenden Heftes ist
aber dem Plasmodium praecox, dem Haemoproteus danilewskyi
und dem Lcukozytozoon ziemanni gewidmet. Besonders dieser
Abschnitt enthält eine Fülle sorgsam gesammelter Beobachtungen,
welche auch für Tierärzte von großem Interesse sind. Eine Reihe
instruktiver Photographien gereichen dem Ganzen zur Zierde.
Griffin. Memoria. Universitad nacional de la Plata. Facultad
de Agronomia y veterinaria.
In der vorliegenden Arbeit gibt der Dekan der landwirtschaft¬
lichen und tierärztlichen Fakultät der Universität zu La Plata in
Argentinien einen ausführlichen Jahresbericht über die seiner Leitung
unterstellten Institute in La Plata und Santa Catharina. Es ist
erfreulich zu lesen, daß jetzt der schon seit langem bestehende
Plan, die landwirtschaftliche und tierärztliche Hochschule in La
Plata im modernen Sinne auszubauen, zur Ausführung gekommen
ist. Man kann den argentinischen Tierärzten hierzu Glück wünschen.
Knut h.
Neue Eingänge (Besprechung Vorbehalten).
Prof. Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Günther, Grundriß der ver¬
gleichenden Histiologie der Haussäugetiere. III. umgearbeitete und
vermehrte Auflage. Mit 572 Abbildungen. Berlin 1908, bei Paul
Parey. Preis 13 M.
P. Cornelius, Das Oldenburger Wesermarschrind. Heraus¬
gegeben vom OldenburgerWesermarsch-Herdbuchverein. Mit2Karten,
einer farbigen und 6 schwarzen Tafeln und 68 Abbildungen im Text.
M. & H. Schaper, Hannover 1908.
A. Hink, Zuchtinspektor, Die erworbenen Eigenschaften
und das Vererbungsproblem. Eine züchtungsbiologische und
naturphilosophische Studie. M. & H.Schaper, Hannover 1908. Preis IM.
Dr. Xylander, Der Ratinbazillus als Rattenvertilgungs¬
mittel. (Sonderabdruck aus „Arbeiten a. d. Kaiserl. Gesundheits¬
amte“, Bd. XXVIII, Heft 1. 1908.) Julius Springer, Berlin.
Dr. Franz Schröder, Über den Nachweis und die quanti¬
tative Bestimmung von Reißpilzen in Futtermitteln.
(Sonderabdruck aus „Arfeten a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte“,
Bd. XXVIII, Heft 1. 1908.) Julius Springer, Berlin.
Dr. Julius Ephraim, Patentanwalt, Der Entwurf des Ge¬
setzes über den Geheimmittelverkehr und die chemische
Industrie. (Sonderabdruck aus „Die chemische Industrie“,Bd.XXXI,
Nr. 6. 1908.) Weidmannsche Verlagsbuchhandlung, Berlin.
Russische Medizinische Rundschau, Monatsschrift für die gesamte
russische medizinische Wissenschaft und Literatur. Herausgegeben
von Dr. Semjan Lipliawsky und Dr. S. Weißbein. VI. Jahrgang,
Heft 2. Ad. Haußmann, Berlin 1908.
Dr. H. Tlemann, Tätigkeitsbericht der Versuchsstation
und Lehranstalt für Molkerei wesen zu Wreschen vom
April 1907 bis 31. März 1908. (Sonderabdruck aus dem Jahres¬
bericht der Landwirtschaftskammer für die Provinz Posen.)
Posen 1908.
J. K. Njegotin, Elektromagnetischer Respirationsapparat
für kleine Tiere. (Sonderabdruck aus der Deutschen Mechaniker-
Zeitung 1908, Heft 7, S. 61 u 62. Julius Springer, Berlin.
Edm. Suckow, Schiachthofdirektor, Die Bedeutung der
kommunalen Kinder- und Kurmilchanstalten und die Be¬
deutung der Tierärzte für die Leitung dieser Wohlfahrts-
einrichtungen.
Verhandlungen des Landwirtschaftsrats für Elsaß-Lothringen.
Session 1907 (XXIII Tagung). Straßburg 1908.
Erich Silber8iepe, Die Fesselbeinfrakturen des Pferdes mit
besonderer Berücksichtigung der Architektur des Fesselbeins und
der Transformationen der äußeren Form und der inneren Architektur
dieses Knochens infolge von Frakturen. (Inaug.-Dissertatiou der
Philosoph. Fakultät Leipzig.) Mit 16 Abbildungen auf Tafel I-IV.
(Separatabdruck aus „Monatshefte für praktische Tierheilkunde“
XIX. Band.) Union Deutsche Vcrlagsgesellschaft, Stuttgart 1908.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Schlachthofdirektor
Bwr^wami-Osnabrück anläßlich seiner Pensionierung der Kronen¬
orden IV. Klasse.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: München: Dom
ordentl. Professor der Tierärztlichen Hochschule München Dr. Joseph
Mayr wurde unter Enthebung von seinen bisherigen Lehrfächern
als Lehraufgabe Chirurgie und Geschichte der Tierheilkunde, sowie
die Leitung der chirurgischen Klinik für große und kleine Haus¬
tiere übertragen; dem ordentl. Professor a. D. Dr. 77/. A»'tf-München
wurde die Vertretung der Professur für allg. Pathologie, patholog.
Anatomie und Seuchenlehre bis zur Wiederbesetzung der Stelle
übertragen. — Berlin: Dem Polizeitrcrarzt Borchmqnn zu Berlin
wurde, zunächst nebenamtlich, die Stelle eines Abteilungsvorgtehers
mit dem Lehrauftrage für Nahrungsmittelkunde an der Tierärztlichen
Hochschule zu Berlin übertragen. — Veterinärbeamte: Tierarzt
Dr. August Friedrichs aus Barmen wurde mit den kreistierärztlichen
Geschäften in Jülich betraut; Tierarzt Viktor Iseonhardt aus Sindei-
fingen zum Stadttierarzt in Weilheim a. d. Teck (Württ.). —
Schlachthof Verwaltung: Schlachthoftierarzt Otto Eogelmann-
Frankfurt a. M. zum II. Schlachthaustierarzt in Osnabrück. —
Versetzt: Kreistierarzt Lan^e-Koschmin in die Krcistierarztstclle
zu Jarotscbin.
Niederlassungen: Die Tierärzte Sickendiek aus Dissen in Bissen¬
dorf, Landkr. Osnabrück, Korten aus Sögel in Börger, Kr. Hümmling,
Alois Oeller aus München in Holzkirchen (Oberbay.), Rheinheitner
aus Kaiserslautern in Worms. — Verzogen: Schlachthofverwalter
6’M/?£c/-Berchte8gaden nach Garz (Rügen), Ludwig Acfam-Münnerstadt
als Assistent des Gr. Bezirkstierarztes nach Stockach, Engelbert
Ganter -WalIdorf nach Ostrach, Alois Rechl- Emmendingen nach
München.
Promoviert: Prof. Dr. med. vet. Gmeiner- Gießen zum Dr. med.
an der medizinischen Fakultät der Universität München.
Approbation: ln Berlin Herr Joseph Olinger aus Niederkontz.
In der Armee: Verabschiedet: Oberveterinär Uhlich im
Feldart.-Rgt. Nr. 32 mit Pension in den Ruhestand versetzt.
Todesfälle: Veterinärrat Kreistierarzt Winter in Neuenhaus,
Tierarzt Peter Schneie in Diepoldshofen.
Vakanzen.
(Vgl. Nr. 18.)
Kaiser Wilhelms-Institut zu Bromberg: Assistent für die tier-
hvgienische Abteilung zum 1. Juli er. Gehalt 1800 M. Meldungen
an den Vorsteher der Abteilung.
Verantwortlich für den Tnhalt (oxkl. Inseratenteil): Prof. Dr. ßchmaltr in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetx ln Berlin. —
Druck tod W. Blxenitcin, Berlin.
ftie „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ ersehet lt
wöchentlich im Verlege von Richard 8choets ln
Berlin SW. 48, Wflhelmetr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe imn Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (österreichische Post-Zciiuu,.*-
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 80.)
Berliner
Originalbefträge werden mit 60 Hk«, tn Petitsats ml
00 Mk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. SchmnUs, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschal«. NW., Luisenstrafie 66. Korrekturen,
Rezunsions-Bxetnplsro und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Glage
Professor
Hambarg.
Med.-Rat Dr. Roeder
Professor
Dresden.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Veterinärrat Dr. Lithes Prof. Dr. Peter Veterinärrat Peters
Departementstierarzt Kreistierarzt Departementstierarzt
Cöln. Angermünde. Bromberg.
Dr. Schlegel Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel
Professor Professor Landestierarzt v. Bayern
Freiburg i. Br. Dresden. München.
Veterinärrat Preufte
Departem entsti erarzt
Danzig.
Wehrte
Kaiser. Regiernngsrat
Berlin.
Dr. Richter
Professor
Dresden.
Zündet
Kreistierarzt
Mülhausen l. E.
Jahrgang 1908. J\s. 22 . Ausgegeben am 28. Mai.
Inha 11 fStrelinger: Fünfjährige Erfahrungen über die Schutzimpfung gegen die Tuberkulose der Rinder nach
v. Behring. — Mucha: Heilung an akuter Schweineseuche schwer erkrankter Ferkel durch Verimpfung eines
neuen, von Professor Dr. Wassermann-Berlin angefertigten Impfstoffes für „Heilzwecke bei Sehweine-
seuebe“. — Referate: Bongert: Beiträge zur Lehre von der Entstehung der Tuberkulose. — Lenhoss6k: Die Entwicklung
der peripheren Nervenfasern. — Pitt: Beiträge zum regelmäßigen Vorkommen der Rotlaufbazillen auf der Darmschleimhaut
und in den Tonsillen gesunder Schweine. — Puttkammer: Impfversuche zur Bewertung zweier Hundestaupesora. —
Piorkowski: Ein einfacher Nährboden für Gonococcen. — Wolffbügel: Ein Fall von Sarkoptesräude des Rindes (Sarcoptes
scabiei Latr). — Tan tos: Durchschneidung der Sehne des oberflächlichen Zehenbeugers am linken Hinterfuß. Heilung. —
Aus der medizinischen Literatur. — Tageegeechichte: Schmaltz: Zur Lage der Tierärzte. — Zur Lage der Schlachthoftierärzte. —
Haupt: Ein Wort zur „Degradierung“ des Dr. med. vet. — Zum „Dr. med. vet“ — Zur Erweiterung des Promotionsrechtes
in Preußen. — Tierärzte und Zahnärzte. — Sitzungsbericht über die 96. Herbst-Versammlung des Vereins Schlesischer Tier¬
ärzte. — Verschiedenes. — Literarische Notizen. — Personalien. — Vakanzen.
Fünfjährige Erfahrungen über die Schutzimpfung
gegen die Tuberkulose der Rinder nach v. Behring.
(Durchgeführt auf den Gütern Sr. Königl. Hoheit des Prinzen
Ludwig von Bayern zu Sdrvär in Ungarn).
Von Dr. med. Strelinger als Leiter der Schutzimpfungen.
Der allgemeine Kampf gegen die verbreitetste aller In¬
fektionskrankheiten, die Tuberkulose, macht es jedermann zur
Pflicht, alle Mittel und Wege, durch welche der Weiter¬
verbreitung dieser Volkskrankheit vorgebeugt werden kann, in
Anwendung zu bringen. In diesem Kampf werden wir nur dann
zum Ziel kommen, wenn Human- und Veterinärärzte Hand in
Hand arbeiten, indem sie, sich gegenseitig ergänzend, alle im
Laufe der Jahre gesammelten Erfahrungen in der Praxis
verwerten.
Daß nur ein gemeinsames Vorgehen der beiden medizinischen
Disziplinen einen Erfolg bringen kann, geht schon daraus her¬
vor, daß die Erreger der menschlichen wie der tierischen
Tuberkulose gleichartig sind. Mögen auch die einzelnen
Tuberkelbazillentypen in ihren kulturellen Eigenschaften und in
ihrer Virulenz Unterschiede zeigen, so sind doch die durch sie
im menschlichen oder tierischen Organismus hervorgerufenen
pathologischen Veränderungen mehr oder weniger dieselben.
Ferner sind sowohl im kindlichen Organismus als auch im er¬
krankten Organismus Erwachsener Perlsuchtbazillen häufig
naebgewiesen worden. Diese Tatsache hat durch den Nachweis
„atypischer“ Tuberkelbazillenformen*) an Bedeutung gewonnen,
da diese atypischen Formen als sogenannte Übergangsformen
sich allmählich dem Organismus des Individuums anpassen, das
sie beherbergt, indem die fremdartigen Tuberkelbazillen nach
und nach die Eigenschaften und Formen derjenigen Bazillen
annehmen, die* gewöhnlich in diesem Organismus Vorkommen.
*) Tuberkulosis, August 1907: „Zum gegenwärtigen Stand der
Tuberkuloseforschung“ von Lydia Rabinowjtsch.
Hierdurch dürfte vielleicht der verschiedene Virulenzgrad ver¬
schiedener Tuberkelbazillentypen eine Erklärung finden.
Die Infektion mit Tuberkelbazillen kann bekanntlich auf
verschiedene Weise erfolgen. Besonders häufig wird dieselbe
durch den Verdauungstraktus zustande kommen, so daß die
größte Infektionsgefahr im Kindesalter im Genuß infizierter
Milch zu suchen ist. Wenn im Säuglingsalter verhältnismäßig
wenig ausgesprochene Tuberkulose Vorkommt, während sich die
Tuberkulosefälle im zunehmenden Alter mehren, so gewinnt die
Auffassung an Wahrscheinlichkeit, daß die in den Säuglings¬
organismus gelangten Tuberkelbazillen daselbst längere Zeit
latent verbleiben können, und daß es erst besonderer dis¬
ponierender Momente bedarf, um die Tuberkulose zum Ausbruch
zu bringen.
Die schönen Arbeiten Pirquets über sogenannte Früh¬
diagnose der Tuberkulose werden gute Dienste leisten zur Fest¬
stellung, daß die Tuberkuloseinfektion in den meisten Fällen
auf Infektionen im frühesten Kindesalter zurückzuführen ist.
Die durch Pirquet konstatierte Überempfindlichkeit des infizierten
kindlichen Organismus gegenüber seiner Impfmethode wird auch
in den Fällen die stattgefundene Tuberkuloseinfektion nach-
weisen, wo bisher selbst bei der Obduktion eine makroskopische,
also klinisch offenkundige Tuberkulose noch nicht nachweisbar
war. In diesen Fällen dürften gewiß bald Kulturanlagen und
Tierversuche das Phänomen der Überempfindlichkeit und damit
gleichzeitig die Latenz der Tuberkelbazillen erklären. Vielleicht
kann zur Klärung dieser Frage die von Much nachgewiesene
granuläre, nach Zielil nicht färbbare Form des Tuberkulose¬
virus mit beitragen.*)
Unter Berücksichtigung des in vorstehendem Gesagten ist
es eine Freude für mich, die Resultate der seit 5 l /2 Jahren bei
uns durchgeführten Bovovaccin-Schutzimpfung mitteilen zu können.
*) Brauers Beiträge zur Klinik der Tuberkulose, Bd. VIII, Heft 1.
386
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
Ich hoffe, durch den streng objektiv gehaltenen Bericht dieser
so wichtigen Frage nützlich sein zu können.
Es wurde bei uns mit den Bovovaccin- Impfungen am
15. September 1902 begonnen. Nachdem sich die Gutsleitung
von dem Wert des Verfahrens glaubte überzeugt zu haben,
wurde angeordnet, daß die Schutzimpfung nach und nach in
allen Höfen der Herrschaft eingeführt werden sollte. Bei der
Durchführung der Schutzimpfung richtete man sich bei uns
jederzeit aufs genaueste nach den Anordnungen Exzellenz
v. Behrings.
Wir beobachteten bei der Durchführung der Bovovaccination
folgendes:
* Zu den Schutzimpfungen wurden gewöhnlich nur solche
2—3 Wochen alte Kälber herangezogen, welche bei der tier¬
ärztlichen Untersuchung als gesund befunden wurden. Drei
Monate nach der Erstimpfung kamen die Kälber zur Zweit¬
impfung. Vor jeder Impfung wurden die Kälber 1—2 Tage
beobachtet und ihre Temperatur gemessen. Nach der Impfung
wurden die Temperaturmessungen zumeist noch 8—10 Tage
fortgesetzt. Gewichtsbestimmungen fanden ungefähr jeden Monat
statt. Der Impfstoff wurde ausschließlich vom Behringwerk
Marburg a. Lahn bezogen. Die bei der Impfung in Gebrauch
kommenden Instrumente und Geräte wurden unmittelbar vor
dem Gebrauch derselben in einem zweckmäßig konstruierten
Sterilisator durch Kochen in 2 proz. Lysollösung sterilisiert
Während der Dauer dieser Sterilisierung wurde der Impfstoff
in entsprechender Menge in 1 proz. steriler Kochsalzlösung zu
einer möglichst gleichmäßigen Emulsion verrieben.*) Wie
bekannt, kommt zur Erstimpfung 1 Immunitäts-Einheit (= I. E.)
und zur Zweitimpfung 5 I. E. zur Anwendung. Für gewöhnlich
wurde zur intravenösen Injektion die linksseitige Vena jugu-
laris benutzt. Vor Einspritzung der Emulsion wurde die be¬
treffende Halsstelle zuerst mit der zur Verfügung stehenden
2 proz. warmen Lysollösung abgewaschen und nachträglich mit
absolutem Alkohol gut abgerieben.
Sämtliche auf diese Art geimpften Tiere werden jährlich
tierärztlichen klinischen Untersuchungen und Tuberkulinprüfungen
unterzogen. Zur Tuberkulinprüfung gelangen jedoch nur Tiere,
bei denen nach der letzten Impfung mindestens ein Jahr ver¬
flossen ist.
Bei den jährlichen Tuberkulinprtifungen wurde ausnahmslos
in folgender Weise verfahren:
1. Die zur Tuberkulinprüfung gelangenden Tiere werden
1—2 Tage vor der Impfung am gewöhnlichen Standorte belassen
und die Temperatur derselben wird täglich 3 mal gemessen.
Das Resultat der Temperaturmessungen und der tierärztlich-
klinischen Befunde werden in die Tuberkulinimpftabellen ein¬
getragen.
2. Die Impfung selbst geschieht gewöhnlich in den Abend¬
stunden. Junge, bis 2 Jahre alte Tiere bekommen die Dosis
von 0,3 ccm, von diesem Alter aufwärts 0,5 ccm Tuberkulin
subkutan eingespritzt. 7—8 Stunden nach der Impfung werden
die Temperaturmessungen angefangen und in 3 stündlichen Inter¬
vallen wird 6 mal gemessen.
3. Zur Beurteilung der hierbei erzielten Resultate wird
die höchste Temperatur vor der Impfung genommen, wobei die
allbekannte Tatsache berücksichtigt wurde, daß schon diß
*) Seit einiger Zeit wird vom Behringwerk in Marburg auch
fertige Emulsion abgegeben,
Anfangstemperatur junger noch unentwickelter Tiere 39,5° zu
sein pflegt.
4. Das Tuberkulinimpfungs-Re8ultat teilten wir bis jetzt in
4 Klassen ein, und zwar bekommt das Tier die Klassifikation::
0 — wenn die Temperatur nach der Impfung rmgefähr
normal blieb,
I = wenn dieselbe nicht über 0,5° C stieg,
II = wenn die Temperatursteigerung unter 1,0° C bleibt
und bei jungen Tieren 40° nicht übersteigt,
III = bekommt jedes Tier, bei welchem die Temperatur 40° C
übersteigt.
Als Reaktion wurden alle unter II und III fallenden
Temperatursteigerungen registriert.
Diese Prinzipien vor Augen haltend, erhielten wir mit Ende
des Vorjahres und Anfang dieses Jahres folgendes
Tuberkulinimpfungsresultat:
Mit Ende 1907 und Anfang 1908 kamen insgesamt 686 Tiere
zur Tuberkulinprtifung; die ältesten waren schon vor etwa
51/2 Jahren geimpft, bei den jüngsten waren über 2 Jahre
seit der Bovovaccinschutzimpfung vergangen.
Es reagierten insgesamt 66 Tiere und betrug daher das
Reaktionsergebnis 9,6 Proz.
Die Tiere nach dem Zeitpunkt der Schutzimpfung in Jahr¬
gänge getrennt, ergab die Tuberkulinprüfung folgende Resultate:
I. Unter 59 vor 5 l /2 Jahren schutzgeimpften Tieren reagierte*
6 Stück oder 10 Proz.
II. Unter 173 vor 4 Jahren schutzgeimpften Tieren reagierten
24 Stück oder 13,8 Proz.
III. Unter 305 vor 3 Jahren schutzgeimpften Tieren reagierten
22 Stück oder 7,2 Proz.
IV. Unter 149 vor 2 Jahren schutzgeimpften Tieren reagierten
14 Stück oder 9,4 Proz.
Aus diesen Daten ergibt sich, daß unsere ältesten, bereits
seit 5 V 2 Jahren schutzgeimpften Tiere - trotz der bei uns in
reichem Maße gegebenen Infektionsgelegenheit — imstande waren,
mit sehr schönem Erfolg die erlangte-Widerstandsfähigkeit zu
bewahren, welcher Tatbestand für uns um so wichtiger erscheint,
da wir aus eigener Erfahrung wissen, daß vor Einführung
der Schutzimpfungen selbst von künstlich aufgezogenen
2 jährigen Tieren bereits 50% Reaktion zeigten und daß
diese bedeutenden Infektionsverhältnisse proportional mit dem
Alter der Tiere noch Zunahmen.
Zur Beurteilung obigen Resultats kommt noch die praktisch
so wichtige Tatsache, daß die geimpften Tiere ohne Rücksicht
der Infektionsverhältnisse und ohne die geringsten Schutz¬
maßregeln von einem Hof in den andern transferiert wurden
was für die landwirtschaftliche Praxis von großer Bedeutung ist.
Zur Erzielung derartig günstiger Ergebnisse ist es un¬
erläßlich, daß man sich bei der Ausführung der Schutzimpfung
auf das Genaueste an die den Bovovaccinsendungen stets bei¬
gegebene Gebrauchsanweisung hält.
*
Außer den vorstehend mitgeteilten Resultaten der Tuberkulin¬
prüfung will ich im Folgenden noch einige andere für die Be¬
urteilung der Schutzimpfung wertvolle Beobachtungen mitteilen,
die wir dank der Opferwilligkeit unserer Herrschaft machen
konnten.
Ich muß hier, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die
Mitteilungen v^fwpisen, die ich gelegentlich des im Jahre 1905
28. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
387
in Budapest stattgefundenen internationalen tierärztlichen Kon¬
gresses veröffentlicht habe und will an dieser Stelle nur das
Wichtigste hervorheben.
I. Eine Tiergmppe schntzgeimpfter Tiere kam zur Schlachtung
und sachkundiger Sektion. Fünf in verschiedener Zeit nach der
Schutzimpfung geschlachtete Tiere erwiesen sich als vollständig
gesund. Das sechste Tier (107—516), welches von einer stark
reagierenden Mutter stammte, zeigte schon bei der ersten
Schutzimpfung eine starke Reaktion. Sechs Monate nach der
Schutzimpfung traten allgemeine Drüsengeschwülste auf und
bei der Schlachtung zeigte sich allgemeine subakute Lymph-
drüsentuberkulose. Als Ausgangspunkt und als älteste Herde
erwiesen sich die schon in hohem Grade veränderten Peri¬
bronchialdrüsen und diese Veränderungen sind mit großer
Wahrscheinlichkeit auf die Zeit vor der Schutzimpfung zurück¬
zuführen. Es erscheint wahrscheinlich, daß in diesem Falle
•eine bereits vorhandene latente Tuberkulose durch die Schutz¬
impfung in ein akutes Stadium übergetreten ist. Diese
Beobachtung veranlaßt mich, von neuem darauf aufmerksam zu
machen, daß der Vorschrift für die Ausführung der Schutz¬
impfung entsprechend, möglichst nur ganz junge und gesunde
Tiere der Bovovaccination unterzogen werden sollen.
II. Zu Vergleichszwecken wurden zwei Tiergruppen in einer
unserer am stärksten infizierten Stallungen untergebracht und
dort neun Monate lang gemeinsam mit dem alten Viehbestand
gehalten. Nach Verlauf dieser Zeit erwiesen sich die schutz¬
geimpften Tiere durchweg gesund, von den nichtgeimpften,
jedoch auch künstlich aufgezogenen Kälbern, reagierten dagegen
50 Proz. auf Tuberkulin. Über das weitere Geschick dieser
zwei Tiergruppen ist mitzuteilen, daß bei der jetzt vorgenommenen
Tuberkulinprüfung die nicht schutzgeimpften Tiere außer einem
alle reagierten, während unter der schutzgeimpften Tiergruppe
jetzt ein Tier (Rind Nr. 375) Reaktion zeigte. Dies reagierende
Tier wurde am 15. September 1902 geimpft und zwar wurde
<es als eines der ersten unserer geimpften Tiere nur einer
Schutzimpfung unterzogen.
III. An diese Beobachtung schließt sich eine in letzter Zeit
gemachte ähnliche Erfahrung an. Aus äußeren Gründen ge¬
langten 5 Tiere nicht zur Schutzimpfung, dagegen wurden aus
demselben Bestand 15 andere Tiere der regelrechten Schutz¬
impfung unterzogen. Bei der letzten Tuberkulinprüfung ergab
es sich, daß die ungeimpft gebliebenen fünf Tiere ausnahmslos
reagierten, während die schutzgeimpften 15 Kühe vollständig
reaktionslos blieben.
IV. Eine weitere Tiergruppe wurde aus experimentellen
Gründen durch hochvirulente Perlsuchtkulturen intravenös in¬
fiziert. Zwei Tiere dieser Gruppe waren höher immunisiert,
drei waren der typischen Bovovaccination unterzogen. Die
ersteren zwei Kühe erwiesen sich jetzt — 5 Jahre nach der
Infektion — vollständig gesund und reaktionslos, zwei von den
in gewöhnlicher Weise immunisierten Tieren, die ein Jahr nach
der Infektion zur Schlachtung kamen, waren hochgradig tuber¬
kulös, das dritte Tier dieser Gruppe wurde weiter beobachtet;
Im ersten und zweiten Jahre nach der Infektion fiel die Tuberkulin¬
prüfung positiv aus, in den letzten drei Jahren reagierte es nicht
mehr auf Tuberkulin, es erwies sich bei klinischer Untersuchung
als gesund und hat wiederholt gesunde Kälber gebracht.
V. In einem unserer ältesten und am stärksten infizierten
noch vorhandenen Kuhbestand wurden 21 Stück junge Kühe
dauernd untergebracht, teils aus wirtschaftlichen Gründen, teils
um zu beobachten, wie sich die schutzgeimpften Tiere dieser
starken Infektionsgefahr gegenüber verhielten. Bei unserer
letzten Tuberkulinprüfung zeigten zwei dieser Tiere leichte
Reaktion, klinisch war aber auch bei diesen nichts nachweisbar.
VI. Auf dem Hofe R. Sömjün wurden die Kälber unter
ganz natürlichen Verhältnissen aufgezogen, indem sie im in¬
fizierten Stall neben den reagierenden Mutterkühen, durch welche
die Kälber auch ernährt wurden, stehen blieben. Der einzige
Schutz, den wir diesen Kälbern angedeihen ließen, war der, daß
sie möglichst frühzeitig schutzgeimpft wurden. Das Ergebnis
der Tuberkulinprüfung bei diesen Tieren war ein ebenso günstiges,
wie in anderen Höfen, wo die Aufzucht der Tiere künstlich
durchgeführt wurde.
*
Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen, die einen günstigen
Einfluß der Bovovaccination gegenüber der Gefahr der tuber¬
kulösen Infektion dartun und aus denen hervorgeht, daß das
Schutzimpfungsverfahren unter den gewöhnlichsten landwirt¬
schaftlichen Verhältnissen leicht und mit Erfolg durchgeführt
werden kann, erscheint es in hohem Maße angebracht, das
Interesse aller beteiligten Kreise immer wieder von neuem auf
die Behringsche Schutzimpfung hinzulenken.
Unsere Erfahrungen lehren, daß die Bovovaccination durch
5 l /a Jahre hindurch den Rindern einen erheblichen Schutz gegen
die Infektion verleiht, indem bei uns, wie oben hervorgehoben,
durch die Bovovaccination der Prozentsatz der auf Tuberkulin
reagierenden 57a jährigen Tiere auf ca. 10 Proz. herunter¬
gedrückt worden ist, während vor Einführung der Schutzimpfung
von zweijährigen, künstlich aufgezogenen Tieren 50 Prozent
Tuberkulinreaktion zeigten.
Wenn man ferner berücksichtigt, daß wir solche günstigen
Resultate auch in Beständen erzielten, in denen die vorschrifts¬
mäßig geimpften Kälber dauernd mit hochgradig tuberkulösen
Kühen zusammengehalten wurden, so geht daraus hervor, daß
die Schutzimpfung auch unter den gewöhnlichen landwirtschaft¬
lichen Verhältnissen mit Aussicht auf günstigen Erfolg durch¬
geführt werden kann, und man wird ferner danach wohl zu der
Annahme berechtigt sein, daß die den Tieren durch die Bovovacci¬
nation gegebene Widerstandsfähigkeit gegen tuberkulöse Infektion,
nachdem sie über fünf Jahre vorgehalten hat, auch noch einige
weitere Jahre bestehen bleiben wird.
Nach alledem halte ich die neuerdings von verschiedenen
Seiten empfohlene jährliche Wiederholung der Schutzimpfung
für absolut überflüssig. Meines Erachtens muß sogar eine
Wiederholung der Impfung unter allen Umständen
unterbleiben, um jede Möglichkeit einer Infektion mit der
Milch vollständig auszuschließen.
An Stelle der Wiederholung der Impfung möchte ich, so weit
es wirtschaftlich durchzuführen ist, geeignete hygienische Ma߬
nahmen empfehlen und komme in folgendem mit einigen Worten
auf die bisher in der Praxis erprobten, auf hygienischen
Grundsätzen beruhenden Perlsuchtbekämpfungsmethoden, das
Bangsche und das Ostertagsche Verfahren, zu sprechen.
Durch das Bangsche Verfahren sind in der Tat sogenannte
reine Viehbestände erzielt worden, jedoch halten sich diese nur
so lange frei von Tuberkulose, als dieselben vor Berührung mit
tuberkulösen Tieren ferngehalten werden. Werden aus solchen
reinen Beständen Zuchttiere mit anderen Tierbeständen zu-
888
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
sammengebracht, so verfallen sie sehr bald der Tuberkulose.
Die große wirtschaftliche Schwierigkeit und die materiellen
Opfer, welche das Bang sehe Verfahren beansprucht, mögen
wohl der Grund sein, daß der geniale Gedanke Bange sich in
der Praxis nur langsam Bahn bricht, und daß die Land¬
wirtschaft in immer gesteigertem Maße Interesse für das
0stertagsche Verfahren kund gibt, da letzteres einfachere und
praktisch leichter durchführbare Bedingungen stellt.
Ohne auf Einzelheiten einzugehen, hebe ich als wichtigste
Prinzipien des Osterstag sehen V erfahrens hervor, daß durch
systematische exakte klinische Untersuchungen die wirklich tuber¬
kulösen Tiere herauszusuchen und zu entfernen sind, daß die Kälber
künstlich aufgezogen werden müssen und daß die Tuberkulin¬
prüfung nur bei den Kälberbeständen durchzuführen ist. Der
oben erwähnte Nachteil des Bangschen Verfahrens, der in der
Infektionsgefahr der Tiere aus tuberkulosefreien Beständen nach
ihrer Überführung in andere Bestände liegt, ist naturgemäß
auch bei dem Ostertagschen Verfahren vorhanden und es wird
von großer Bedeutung sein, wenn man die Rinder nicht nur vor
tuberkulöser Infektion schützen, sondern ihnen auch eine aktive
Widerstandsfähigkeit geben kann. Letzteres wird durch die
Bovovaccination erreicht und es liegt nach dem Gesagten nahe,
eine Kombination des Ostertagschen Verfahrens mit der
Behring sehen Bovovaccination zu erstreben. Ich will ver¬
suchen, in folgendem das Hauptsächlichste eines solchen
kombinierten Verfahrens anzudeuten.
I. Als Hauptbedingung betrachte ich, daß die Bovo¬
vaccination aufs sorgfältigste und genau den Behringschen Vor¬
schriften entsprechend durchgeführt wird.
II. Die bis jetzt allgemein übliche Tuberknlinprüfung der
nach v. Behring geimpften erwachsenen Tiere dürfte weg¬
fallen und nur für ganz spezielle Fälle Vorbehalten bleiben, da¬
gegen müssen exakte klinische Prüfungen des ganzen Vieh¬
bestandes in gewissen Zwischenräumen durchgeführt werden.
III. Die Tuberkulinprüfung des Kälberbestandes nach
Ostertag kann bei dem kombinierten Verfahren wegfallen, da
schon die Bovovaccininjektionen Tuberkulinwirkung äußern.
(Ich bemerke hierzu, daß wir häufig die Erfahrung gemacht
haben, daß Kälber, die bei der Schutzimpfung typisch reagierten,
sich später als infiziert erwiesen haben.)
IV. Bei Kombination beider Verfahren wird auch die von
Ostertag gewünschte allgemeine Durchführung der künstlichen
Aufzucht der Kälber wegfallen können, da unsere Erfahrungen
ergeben haben, daß Kälber unter gewöhnlichen landwirtschaft¬
lichen Verhältnissen sich ebenso günstig entwickeln wie Kälber¬
bestände künstlicher Aufzucht, wenn dieselben in früher Jugend
der Schutzimpfung unterzogen werden. Es scheint mir dies ein
nicht zu unterschätzender Vorteil des kombinierten Verfahrens
zu sein, da in vielen Fällen der landwirtschaftlichen Praxis die
künstliche Aufzucht schwer durchzuführen ist.
*
Wenn ich in Vorstehendem das Hauptschema zur Durch¬
führung der Kombination beider Verfahren skizziert habe, so
bleibt mir nur noch übrig, als weitere wichtige Aufgabe zur
Erreichung des Zieles, tuberkulosefreie Rinderbestände zu er¬
halten, hervorzuheben, daß die Stallungen möglichst allen
hygienischen Anforderungen anzupassen sind und daß die Tiere,
so weit es die landwirtschaftlichen und Witterungsverhältnisse
gestatten, im Freien gehalten werden.
Heilung an akuter Schweineeeuche schwer erkrankter
Ferkel durch Verimpfung eines neuen, von Professor
Dr. Wassermann - Berlin angefertigten Impfstoffes
für „Heilzwecke bei Schweineseuche“.
Von Tierarzt Mucha-Kranowitz.
Unter dem Ferkelbestande — säugenden, wie bereits ab¬
gesetzten Ferkeln — des Dominiums B. brach Ende Januar d. J. die
Schweineseuche in der heftigsten Form aus; bläuliche Verfärbung
der feinen Hautpartien, sehr schneller körperlicher Verfall der
sonst munteren und bestens genährt aussehenden Tiere waren
die hauptsächlichsten klinischen Merkmale ihrer schweren Er¬
krankung.
Bei der Obduktion zwecks sicherer Feststellung der Krank¬
heit konnte bei fünf getöteten Ferkeln eine schwere Erkrankung
— bestehend in roter Hepatisation — teils der vorderen Lungen¬
abschnitte, teils der tiefst liegenden Abschnitte des hinteren
großen Lungenlappens mit noch anderen in demselben ver¬
sprengten bis talerstückgroßen hepatisierten Herden festgestellt
werden. Entzündliche Veränderungen der Darmschleimhaut,
welche auf das Mitvorhandensein von Schweinepest hätten
schließen lassen können, konnten trotz genauester Untersuchung
des ganzen Darmtraktus nicht wahrgenommen werden.
Auf Grund umstehenden Befundes entschloß ich mich, alle
20 kranken Ferkel — schwer wie leicht erkrankte — mit
Suptol zu impfen, in der Hoffnung, wenigstens die leicht er¬
krankten vor dem tödlichen Untergange zu bewahren. Sämtliche
sechs im schwer kranken Zustande mit Suptol geimpften Ferkel
gingen zwei bis drei Tage nach der Suptolimpfung ein; beijlen
übrigen 14 Ferkeln konnte, trotz meines Dafürhaltens, nach
rechtzeitiger Impfung mit Suptol eine Verschlimmerung der
Krankheit nicht verhindert werden.
Einige Tage nach der Suptolimpfung besuchte mich Herr
Tierarzt Weidlich von der Firma Gans in Frankfurt a. M.; im
Laufe unseres Gesprächs erzählte ich Herrn Weidlich von
dem Ausbruch der Schweineseuche auf dem Dominium B. Dieser
Umstand gab Herrn Weidlich Gelegenheit, mich mit einem
neuen Impfstoff: „Impfstoff für Heilzwecke bei Schweineseuche“,
den er zu gelegentlichen Versuchsimpfungen mit sich führte,
bekannt zu machen.
Durch das freundliche Entgegenkommen der Verwaltung
des Dominiums B. war es Herrn Weidlich möglich, Versuchs¬
impfungen mit dem neuen Impfstoff an kranken Schweinen vor¬
zunehmen.
Um nun den wirklichen Wert dieses neuen Impfstoffes den
dabei Interessierten klar und einwandfrei vor Augen zu führen,
wurden die Versuchsmessungen von Herrn W. in der Weise
durchgeführt, daß nur offensichtlich an Schweineseuche erkrankte
Tiere zu dieser Impfung verwendet wurden, während zu
Kontrollieren leichter kranke Ferkel benutzt wurden.
Im folgenden führe ich die einzelnen Versuchsreihen an:
1. Geimpft wurden sechs Ferkel mit je 10 ccm I. f. H. b.
Schws., davon war ein Tier zur Zeit der Impfung besonders
schwer erkrankt, dieses Tier starb, während die übrigen fünf
Ferkel von der Schweineseuche geheilt wurden. Die drei Kontroll¬
iere gingen ein.
2. Drei Ferkel wurden mit je 10 ccm I. f. H. b. Schws.
geimpft. Ein Impfling starb, ebenso die zwei Kontrolliere.
28. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
889
3. Drei Ferkel erhielten je 10 ccm I. f. H. b. Schws.
injiziert, ein Ferkel zur Kontrolle blieb ungeimpft. Die drei
geimpften Tiere wurden gesund, während das Kontrollier starb.
4. Von acht Ferkeln, welche bereits mit Suptol geimpft
waren, wurden drei Ferkel, deren Zustand besonders schlecht
war, mit dem I. f. H. b. Schws. geimpft, während die übrigen
fünf Ferkel als Kontrolliere nicht geimpft wurden. Eins der
drei geimpften Tiere starb, ebenso alle fünf Kontrolltiere trotz
vorangegangener Suptol-Impfung.
5. Von sechs ebenfalls vorher mit Suptol geimpften Ferkeln
wurden vier Ferkel mit je 10 ccm I. f. H. b. Schws. geimpft.
Die vier geimpften wurden gesund, während die zwei ungeimpften
starben.
6. Sechs schwer kranke Ferkel erhielten je 10 ccm I. f. H.
b. Schws. Ein geimpftes Ferkel starb, während die übrigen
fünf schnell genasen. Von den zwei Kontrollieren blieb ein
Ferkel am Leben.
Eine tabellarische Übersicht diene zur schnelleren Orientierung
über das Resultat der Versuchsimpfungen mit dem I. f. H. b. Schws.
Ver¬
suchs¬
reihe
Be¬
stand
Geimpft mit
I.f.H. b. Schws.
Ungeimpft
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Von den ge¬
impften Ferkeln
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Der Erfolg der Impfung mit dem I. f. H. b. Schws. war
mithin ein ganz überraschend günstiger, da von 25 geimpften
Ferkeln 21—84 % von der Schweineseuche geheilt wurden,
während von den 15 ungeimpft gebliebenen Kontrollieren
14 = 93 % starben und nur ein Kontrollier am Leben ge¬
blieben ist.
Es verdient daher dieser neue Impfstoff die größte Be¬
achtung der landwirtschaftlichen und tierärztlichen Kreise.
Ganz besonders möchte ich noch die Versuchsreihe VI her¬
vorheben, da der Zustand der sechs geimften Ferkel ein so
schlechter war, daß jedermann von vornherein an einem Auf¬
kommen derselben ernstlich zweifeln mußte.
Charakteristisch für diesen neuen Impfstoff ist, daß die
geimpften Ferkel, wirkliche Todeskandidaten, sich in kürzester
Zeit — zwei bis vier Tage — so vollends erholt hatten, daß
aus ihrer so schnell wieder erlangten Munterkeit, Freßlust und
Körperfülle man ilie auf eine erst jüngst überstandene tödtliche
Erkrankung hätte schließen wollen.
Merkwürdigerweise kam nach der Impfung dieser 25 Tiere
die Seuche in dem verseuchten Stalle zum Stillstand; die nach¬
geborenen Ferkel erkrankten nicht mehr.
Auf einem anderen Dominium derselben Herrschaft impfte
ich wegen schlechten Aussehens 24 acht Wochen alte Ferkel
mit dem I. f. H. b. Schws. Die Tiere erlangten in kurzer Zeit ein
schönes Aussehen; selbst ein Ferkel, das man wegen Spitz-
*) Mit Suptol geimpft.
rückigkeit und pumpender Atmung bereits isoliert hatte, blieb
infolge der Impfung mit dem I. f. H. b. Schws. am Leben und
hat jetzt, wie ich mich kürzlich davon überzeugen konnte, fast
das gleiche Aussehen wie die übrigen gleichzeitig mit ihm
geimpften 23 Ferkel.
Referate.
Beiträge zur Lehre von der Entstehung der Tuberkulose.
Von J. Bongert, stellvertr. städt. Obertierarzt und Leiter
des bakteriolog. Laboratoriums des städt Schlachthofes zu Berlin.
(Doutsche Tierärztl.Woc' enscbr. 1906 Nr. 20, 1907 Nr. 28 u. 29.)
Bongert erörtert zunächst die Identitätsfrage derMenschen-
und Rindertuberkulose. Die Koch sehe Schlußfolgerung, daß
die menschliche Tuberkulose von der Rindertnberkulose art-
verschieden ist und nicht auf das Rind übertragen werden kann,
ist durch zahlreiche Nachprüfungen der Koch-Schütz sehen
Versuche widerlegt worden. Es steht auch fest, daß die Tuber¬
kulose des Rindes beim Menschen sowohl von der Haut, wie
auch von dem Verdauungstraktus aus haftet. Dies beweisen
zunächst die an den Händen besonders bei Fleischern nnd Tier¬
ärzten vorkommenden Hauttuberkel (Dermatitis verrucosa tuber-
culosa). Es haftet also der Rindertuberkelbazillus selbst in
dem straffen Gewebe der menschlichen Haut, woselbst übrigens
die niedrigen Temperaturverhältnisse in der äußeren Körper¬
decke nicht gerade günstige Wachstumsbedingungen für die
Tuberkelbazillen bieten. Was dann die Übertragung der Tuber¬
kulose vom Rind anf den Menschen vom InteBtinaltraktus aus
durch bazillenhaltige Milch von tuberkulösen Kühen anbelangt,
so wird die Möglichkeit derselben neuerdings ja auch von den
Anhängern Kochs, wenn auch unter Einschränkung, zugegeben.
Nur deswegen ist die Übertragung der Tuberkulose vom Rinde
auf den Menschen durch die Milch und das Fleisch tuberkulöser
Tiere weniger zu fürchten, wie die Infektion von Mensch zu
Mensch, weil wir durch zweckmäßige prophylaktische Maßnahmen
diese Gefahr vollständig beseitigen können. Da die meisten
Autoren sich für die Identität der Menschen- und Rindertuber¬
kulose ausgesprochen haben, so sind auch weiterhin die bisher
angewandten prophylaktischen Maßnahmen gegen die Übertragung
der Tuberkulose vom Rind anf den Menschen in Anwendung
zu bringen. Den von Kossel, Weber und Heuß im Kaiser¬
lichen Gesundheitsamte angestellten Versuchen macht Bongert
den Vorwurf, daß zu wenig Rindertuberkulosestämme, nämlich
nur 8, verwendet worden waren, während 41 Stämme von
menschlicher Tuberkulose zum Vergleich benützt wurden. Wenn
statt 8 noch mehr Rindertuberkulosestämme benützt worden
wären, würde jedenfalls ein erheblich höherer Prozentsatz für
das Rind wenig virulenter Tuberkelkulturen bovinen Ursprungs
festgestellt worden sein. Bongert vertritt die Meinung, daß
die Abschwächung der Virulenz der im Rinderorganismus vor¬
kommenden Tuberkelbazillen bis fast zur vollkommenen Avirulenz
gehen kann. Als Beweis führt er jene eigenartige Darm¬
erkrankung des Rindes an, die zuerst von Johne und
Frothingham 1895 beschrieben worden ist.
Nachher ist sie noch von Rieck, Markus, Korrevaar u. a.
beschrieben worden. Es handelt sich um eine gleichmäßige
enorme Verdickung und Faltenbildung der Darmschleimhant mit
dem mikroskopischen Befund von kleinen säurefesten Stäbchen
in ungeheurer Menge in den Abstrichen des Darmschleimes und
390
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
der Darmschleimhaut selbst. Dabei ist die Bildung von käsigen
Knötchen und Ulzerationen nirgends nachzuweisen. Bongert,
welcher die Krankheit selbst öfters beobachtet hat und welcher
sie in Übereinstimmung mit Johne, Markus und Korrevaar
als eine diffuse tuberkulöse Infiltration auffaßt, gibt weiter eine
ausführliche Beschreibung des mikroskopischen bez. bakteriolo¬
gischen Befundes.
In der nach Jahresfrist erschienenenFortsetzung(D.T.W. 1907,
Nr. 28 und 29) beschäftigt sich Bongert eingehend mit der
Frage, wie sich Ratten gegenüber der Säugetier- und Geflügel-
tuberkulöse verhalten. Durch seine Untersuchungen ist er zur
vollen Überzeugung gekommen, daß weiße und graue Ratten
gegen die Übertragung der Tuberkulose, sowohl der Säugetier-,
wie der Geflügeltuberkulose eine große Resistenz besitzen. Durch
wiederholte Fütterung mit Reinkulturen von Geflügeltuberkulose
und mit erkrankten Organen tuberkulöser Hühner gelang es
Bongert nicht, Ratten tuberkulös zu machen. Die Ratten
können demnach nicht die Bedeutung für die Verbreitung der
Geflügeltuberkulose haben, die ihnen L. Rabino witsch zuspricht.
Die Infektionsversuche mit den für Tuberkelbazillen wenig
empfänglichen Ratten haben aber auch ergeben, daß es bei
intraperitonealer und bei subkutaner Impfung irfit Tuberkel-
bazillen an der Schwanzwurzel oder an der inneren Schenkel¬
fläche gelingt, eine isolierte Lungentuberkulose zu erzeugen.
Dieser auffallende Befund steht im Widerspruch mit dem von
.Correl und Baumgarten eifrig verfochtenen Lokalisations¬
gesetz. Bongert schließt sich auf Grund seiner Versuche an
Ratten und an Kaninchen den Schlußfolgerungen Bartels an,
daß nämlich die aus der Blutbahn in die Lymphspalten ab¬
filtrierten Tuberkelbazillen in den Lymphdrusen zurückgehalten
Und abgefangen werden und in den Lymphdrüsen — nicht im
Blute, wie man bisher annahm — auch allmählich zugrunde
gehen. Diese bei Ratten und Kaninchen gewonnenen Resultate
lassen den Schluß zu, daß nicht nur bei Tieren mit angeborener
erhöhter Resistenz gegen die Tuberkulose, sondern auch bei
solchen mit künstlich erhöhter Resistenz die tuberkulöse Infektion
einen von dem üblichen Modus abweichenden Verlauf nehmen
kann, daß bei solchen Tieren die Tuberkelbazillen von den
lymphatischen Apparaten resorbiert werden können, ohne in diesen
tuberkulöse Prozesse zu erzeugen, alsdann in die Blutbahn
gelangen und erst in den Lungen zur Entstehung von tuber¬
kulösen Herden Veranlassung geben. Nach Bartel ist der an
vaccinierten Kaninchen festgestellte Befund sehr wohl mit dem
Lokalisationsgesetz in Einklang zu bringen, sobald man dieses
nicht lediglich auf die spezifisch tuberkulösen Veränderungen
an wendet, sondern auch tuberkulöse Veränderungen nicht spezi¬
fischer Natur anerkennt, vor allen Dingen die lymphoide Schwellung,
die ja in der praktischen Fleischbeschau bei der Beurteilung
tuberkulöser Tiere schon längst berücksichtigt wird.
Die Ansicht, daß überall da im empfänglichen Organismus,
wo Tuberkelbazillen hingelangen, auch tuberkulöse Herde ent¬
stehen müssen, ist nicht richtig. Die Lunge ist jedenfalls besonders
disponiert, aber nicht etwa wegen des möglichen direkten Im¬
portes der Tuberkelbazillen durch Inhalation und durch Aspiration
von der Rachenhöhle her, sondern auch wegen des bisher in
seiner Bedeutung viel zu wenig gewürdigten indirekten Importes
von Tuberkelbazillen und anderen primär infizierten Organen ist
die Lunge von vornherein das für die tuberkulöse Lokalisation
am meisten gefährdete Organ. Dazu kommt aber auch noch
eine besondere Organdisposition des Lungengewebes, worauf
besonders Orth, Baumgarten und in letzter Zeit auch Bartel
hingewiesen haben. Rdr.
Die Entwicklung der peripheren Nervenfasern.
Von M. Lenhossek.
Sitzungsbericht der Ungar. Akademie der Wissenschaften 1905, III.
Über die Entwicklung der Nervenfasern ist hauptsächlich
die Anschauung von His akzeptiert, der gemäß diese Nerven¬
fasern aus den jungen Nervenzellen des Zentralnervensystems,
aus den Neuroblasten durch Herauswachsen entstehen, daß also
jede Nervenfaser der zu ungewöhnlicher Länge ausgewachsene
Nervenfortsatz je einer Zelle ist. Demgemäß entwickelt sich
jede Nervenfaser aus einer einzigen Zelle und hängt auch
späterhin an ihrem einen Ende bloß mit dieser einzigen Zelle
zusammen, während ihr anderes Ende in eine freie Spitze aus¬
läuft. Diese entwicklungsgeschichtliche Lehre ist eine der
wichtigsten Grundlagen der Neuron-Theorie.
Dieser „Auswachsungstheorie“ steht die Kettentheorie
gegenüber, welche die Entstehung der Nervenfasern aus dem
| serienweisen Ineinänderschmelzen zahlreicher nervenbildender
Zellen erklärt und so die Nervenfaser al 60 nicht als das Produkt
einer einzelnen Zelle, sondern als multicelluläres Gebilde auffaßt.
Diese Theorie, welche schon im Jahre 1839 von Schwann auf¬
gestellt wurde, hatte immer ihre Anhänger, doch traten ihre
Verfechter erst in der letzten Zeit energisch für dieselbe ein,
nachdem der Kampf der beiden entgegengesetzten Anschauungen
mit einer der wichtigsten Streitfragen der Histologie verbunden
wurde: mit dem Problem der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der
Neuron-Theorie.
Lenhossek untersuchte die Entwicklung der Nervenfasern
an den Serien von Hühnerembryonen in den Zeitabschnitten
vom Beginn des dritten Tages bis zum Ende des neunten Tages
der Entwicklung. In der Arbeit wurde bloß die Entwicklung
der Fasern der Vorderwurzeln in Betracht gezogen. Den
Beobachtungen L.s gemäß beginnt die Entwicklung erst am
Anfang des dritten Tages damit, daß in der Gegend der
späteren Vorderhörner aus den Nervenzellen des Markschlauches
feine kernlose Fäden herauswachsen und in das umgebende
lockere Mesenchym gegen den Urabschnitt zu eindringen:
das sind die ersten Spuren der peripheren Nervenfasern.
Diese Fäden liegen frei und nicht im Protoplasma
anderer Zellen, wie das Bethe behauptete. Die Ver¬
hältnisse komplizieren sich alsbald dadurch, daß in der
Umgebung der jungen Fasern eigentümliche große Zellen
auftauchen, welche sich enge an die Fässern anlegen und
scheinbar mit denselben verschmelzen. Das sind jene Zellen,
welchen von den Anhängern der Kettentheorie eine so große
Bedeutung zugeschrieben wird und welche .zur Bildung der
Fasern beitragen sollen. Nach der Überzeugung Lenhossek
sind diese Zellen bloß Elemente von sekundärer Bedeutung,
scheidenbildende Zellen, Lemmoblasten, welche sich dereinst zu
der den Achsenzylinder umgebenden Sch wann sehen Scheide
umgestalten. Von diesem Standpunkte aus betont Lenhossek,
daß jener seiner Beobachtung eine große Wichtigkeit zukommt,
daß einzelne der Lemmoblasten anfangs nicht fest den Nerven¬
fasern anliegen, sondern bloß in deren Nähe in freier Anordnung
zu finden sind und sekundär mit der Nervenfaser in rege
Berührung kommen. Am vierten Tage nehmen die Lemmo-
28. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
blasten in auffallender Weise an Zahl zu, jedoch bloß an einer
umschriebenen Stelle, unmittelbar neben dem Markschlauche, um
den Beginn der austretenden Wurzel herum; hier formieren die
Elemente einen rundlichen Zellhaufen, welcher aus 15—20 und
mehr Zellen besteht und in welchem wir lebhafte Zellteilungs-
Vorgänge beobachten können. Jenseits der Zellanhäufung ist
das junge, dünne Nervenbündelchen fast ganz frei von Zellen,
es besteht bloß aus Achsenzylindern.
An den folgenden Tagen verschwindet der Zellhaufen immer
mehr, da seine Elemente in die peripheren Teile des Nerven¬
bündels einwandern. Vom achten Tage an sind an den zwischen
die Fasern eingebetteten spärlichen Lemmoblasten Vermehrungs¬
vorgänge zu beobachten, infolgederen die bis dahin sehr
zellarmen und kernlosen Nervenbündel immer mehr und mehr
von Zellen bevölkert werden.
Lenhoss^k nimmt mit Harrison an, daß es am aller¬
wahrscheinlichsten sei, daß die Lemmoblasten aus den Ganglien-
Kolonien entstünden, daß sie also Elemente ektodermalen Ursprungs
darstellen. Das würde auch jene Tatsache erklären, daß diese
Zellen mit dem Achsenzylinder, der ebenfalls ektodermalen
Ursprungs ist, in so nahe Berührung und in ein so inniges
Verhältnis zu treten imstande sind. Auch würde auf diese
Weise die Möglichkeit verständlich werden, daß die Schwann sehen
Zellen bei Verletzungen des Achsenzylinders imstande sind, zu
dessen Regeneration beizutragen, was jedoch bisher durchaus
nicht in einer über jeden Zweifel erhabenen Weise dargetan
und bewiesen ist.
Der Haupterfolg der Untersuchungen Lenhosseks ist,
festgestellt zu haben, daß die Nervenfasern in der Weise
entstehen, wie das Harrison beschrieben: durch Ver¬
längerung je eines Nervenfortsatzes zu einer langen
Faser, und daß die Kettentheorie weit von der Wirklichkeit
entfernt ist.
Die Lehre der Harrisonschen Neuroblasten steht heute
fester als je, und mit ihr besteht auch die Neurontheorie,
welche in voller Unversehrtheit aus den heftigen Angriffen
hervorgegangen ist, welche ihr in letzter Zeit zuteil wurden.
Dr. Zimmermann.
Beitrage zum regelmäßigen Vorkommen
der Botlaufbazillen auf der Darmschleimhaut und
in den Tonsillen gesunder Schweine.
Inaugural-Dissertation, Gießen.
Von Willy Pitt, Städt. Tierarzt in Königsberg.
Nachdem zunächst Olt im Jahre 1901 nachgewiesen hat,
daß das Schwein regelmäßig in seinem Darmtraktus Rotlauf¬
bazillen beherbergt, ist in demselben Jahre noch von Bauer¬
meister ein derartiges Schmarotzertum der Rotlauferreger
auch in den Tonsillen der Schweine beobachtet worden. Die
Arbeiten Olts und Bauermeisters sind von C. 0. Jensen
in einer großen Reihe von Versuchen nachgeprüft und in vollem
Umfange bestätigt worden. Nun ist es Heinik, im Gegensatz
zu Olt und Jensen, nicht gelungen, im Darm gesunder
Schweine Rotlaufbazillen nachzuweisen. Da Heinicks Unter¬
suchungen sich speziell auf Tiere aus der Provinz Posen er¬
streckt haben, erscheint obiges Resultat um so wunderbarer, als
doch in der Provinz Posen der Rotlauf bei Schweinen eine sehr
häufige Erscheinung bildet. Angesichts dieser einander gegen¬
stehenden Untersuchungsergebnisse hat sich nun der Verfasser
891
die Aufgabe gestellt, die in der Literatur über das Vorkommen
der Rotlaufbazillen auf den Schleimhäuten gesunder Schweine
niedergelegten Beobachtungen nachzuprüfen und eventuell weiter
zu erhärten. Pitt ist es gelungen, in ca. 50 Proz. aller Fälle bei
gesunden Schweinen sowohl im Darm als in den Tonsillen die
Rotlauferreger mit Sicherheit nachzuweisen. Somit hat Pitt
die Untersuchungsergebnisse Olts, Bauer meisters und
Jensens vollauf bestätigen können, so daß die Streitfrage nun-
als geklärt zu betrachten sein dürfte. Das negative Resultat
der Heinickschen Untersuchungen begründet Pitt mit der
von He in ick angewandten Technik. Da nämlich die Anlegung
primärer Reinkulturen infolge des Vorwiegens anderer Mikro¬
organismen nur selten gelingt, ist die Tierpassage erforderlich.
Hierbei ergibt sich der Übelstand, daß die verwendeten Versuchs¬
tiere (Mäuse) in der Mehrzahl der Fälle einer Mischinfektion
erliegen, ehe eine Vermehrung der Rotlauf bazillen im Tierkörper
stattfindet. Pitt hat bei allen derartig verendeten Tieren, bei
denen an der Impfstelle bakteriologisch rotlaufälinliche Stäbchen
nachzuweisen waren, von hier aus Weiterimpfungen angestellt,
welche fast stets typische Rotlaufseptikämie hervorgerufen haben.
Auf die Unterlassung der bakteriologischen Nachprüfung der
Impfstellen sowie der eventuellen Weiterimpfung sind die
Heinickschen Ergebnisse in der Hauptsache zuiüekzufiihren.
Da trotz peinlichster Ausführung der technischen Regeln doch
noch negative Impfergebnisse nicht ganz zu vermeiden sind, so
wäre in Wirklichkeit der oben angegebene Prozentsatz noch
etwas höher anzunehmen. Jedenfalls dürfen die Rotlauferreger
als weit verbreitete Bewohner der Schleimhäute gesunder
Schweine zu betrachten sein und im Hinblick hierauf doch der
Wert der prophylaktischen Maßnahmen sehr zweifelhaft erscheinen.
Schmidt.
(Aus der Klinik für kleine Haustiere, Tierärztl. Hochschule in Berlin.)
Impfversuche zur Bewertung zweier Hundestaupesera.
Von Tierarzt Dr. Puttkamm er-Heilsberg, Ostpr.
(Archiv fllr wissenschaftlich« und praktische Tierheilkunde, Ud. 33, H. (>.)
Verfasser hat eine größere Anzahl von Versuchen an¬
gestellt, um die Wirksamkeit des Staupeserums Piorkowski und
des Serums „G M (von einer pharmazeutischen Fabrik übersandt)
zu prüfen. Es wurde hierbei zwischen Heil- und Immunisiernngs-
impfung streng unterschieden. Zur Infektion bei letzterer diente
lediglich das Verbringen der Impflinge in die sog. Staupe-
Abteilung der Klinik. Das Resultat der Versuche, hinsichtlich
deren Einzelheiten auf das Original verwiesen wird, gipfelt
darin, daß beide Impfstoffe weder irgendein Symptom der
Staupeerkrankung günstig beeinflussen, noch auch die jungen
Hunde vor der Staupe-Infektion zu schützen vermögen.
J. Schmidt.
Ein einfacher Nährboden für Gonococcen.
Von Dr. Piorkowski, Berlin.
(Mhnchener Medixinischo Wochenschrift Nr. 14, 1!H»8.)
Um den Schwierigkeiten zu begegnen, die sich der Kul¬
tivierung von Gonococcen entgegenstellen, die ja bekanntlich am
besten wachsen, wenn sie eine körperliche Flüssigkeit als Zusatz
zum Agar enthalten, hat Piorkowski einen Nährboden kon¬
struiert, der das Wachstum der Gonococcen reichlich und gut
gedeihen läßt, und der folgendermaßen zusammengesetzt ist:
Ein Liter frischer Milch wird mit 5 ccm verdünnter Salz¬
säure (1:4) versetzt und bei 37° C auf bewahrt, bis das Kasein
392
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
ausgefallen ist (16—20 Stunden) — (statt dessen kann die Milch
auch aufgekocht werden). Dann wird filtriert und das Filtrat
mit lOproz. Sodalösung neutralisiert. Darauf wird 2 Stunden
im Dampfbad gekocht, die Neutralisation wieder von neuem ein¬
gestellt und abermals filtriert. Der Nährboden wird nunmehr
in Kolben oder in Reagensgläser gefüllt und eine Stunde bei
100° C sterilisiert.
Der so fertiggestellte Nährboden kann in flüssigem Zustande
mit gleichen Teilen Bouillon versetzt oder in fester Form im
Verhältnis von 1 Teil mit 2 Teilen Agar-Agar (3 Proz.) gemischt
verwendet werden.
Dieser eben beschriebene Nährboden ergibt sich neben der
Züchtung von Gonococcen besonders gut auch für Meningococcen
und Pneumokokken. Weitere Versuche behufs Differenzierung
von Tierseuchenbakterien sind im Gange.
Ein Fall von Sarkoptesräude des Rindes (Sarcoptes
scabiei Latr.).
Von Prof. Dr. K. Wolffhügel.
{Zeitsehr. f. Infektion skr., paras. Krankh. u, Hyg. d. Haust., Bd. III, S. 35-L)
Auf einer Estancia in der Provinz Buenos Aires sah W.
einen Shorthornbullen, dessen Haut an folgenden Körperstellen |
mit Epideraiskrusten bedeckt war: Schultergegend, Seitenbrust,
Hinterbacken, Oberschenkel, Hodensack und Schlauch. Die
Haut der Hinterbacken und Oberschenkel war am stärksten
verändert; die Borken waren Va cm dick, tiefe Schrunden und
Risse fanden sich in der gewulsteten Haut. In jedem mikro¬
skopischen Präparat waren einige Sarkoptesmilben und viele Eier
in verschiedenen Entwicklungsstadien auffindbar. — Auf der
Estancia sollen noch weitere Rinder derartig räudig gewesen sein.
Richter.
llnrchschneidung der Sehne des oberflächlichen Zehen¬
beugers am linken Hinterfuß. Heilung.
Von Josef Tan tos in Temesvär.
(Österreichlache Monatsschrift für Tierheilkunde 1908, S. 103.)
Ein Pferd hatte sich an einer Flasche eine Schnittwunde
zugezogen, 10 cm unter dem linken Sprungbeinhöcker; beim
Heben des Fußes tritt aus der 5 cm breiten Wunde ein ca.
5 cm langes Stück der scharfdurchtrennten oberflächlichen
Beugesehne. Die Hautwunde wurde genäht und ein Gips¬
verband in leichter Beugestellung angelegt, der nach einigen
Tagen durch Blauebinden (apr. Organtinbinden) ersetzt wurde.
Nach sieben Wochen wurde Patient probeweise aus dem
Stalle genommen, trat aber noch so stark im Fessel durch,
daß sofort ein neuer Verband gelegt wurde, der wegen einiger
nekrotischer Stellen in der Fesselgegend öfters erneuert werden
mußte. Die Wunde war geheilt; die Verwachsungsstelle zeigte
sich als halbhühnereigroße Narbe; diese wurde durch Massage
(Jodsalbe) bedeutend verkleinert. Nach elf Wochen war die
Schenkelstellung zufriedenstellend; nach ca. fünf Monaten konnte
Patient wieder etwas galoppieren. Richter.
Ans der medizinischen Literatnr.
Deutsche Medizinische Wochenschrift , 34. Jahrg. 1908. Nr. 10, 8. 085.
Der lokale Tetanus und seine Entstehung; von Stabsarzt Dr.
Conrad Pochhammer. (Aus dem hygienisch-chemischen
Laboratorium der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militär¬
ärztliche Bildungswesen. Vorstand: General-Oberarzt Prof. Dr.
Pfuhl.) — Örtlicher Tetanus im Bereiche der Eintrittsstelle
des Starrkrampferregers (Wunde, Impfstelle) geht beim Tier¬
versuch in der Regel dem allgemeinen Tetanus voraus. Beim
Menschen und den größeren Haustieren wird er seltener
beobachtet. Verfasser stellte sich die Aufgabe, auf kritisch¬
experimentellem Wege die Frage zu lösen, ob sich die Ent¬
stehung des lokalen tetanischen Krampfes lediglich durch die
Tatsache der Aufnahme des Tetanustoxins durch die peripherischen
Nervenfasern erklären läßt. Zusammenfassung: Die lokale
Muskelstarre beim Tetanus beruht nicht auf einer Intoxikation
des Zentralnervensystems oder einer direkten Einwirkung des
Tetanusgifts auf die Muskeln (Znpnik), sondern auf einer
Intoxikation der peripherischen Nerven. Das Tetanustoxin wird
nicht in den Achsenzylinderfortsätzen der peripherischen Nerven
„fortgeleitet“, sondern in der Substanz der Markscheiden der
Nervenfasern abgelagert und gebunden (chemische Affinität).
Das Zustandekommen des Starrkrampfes ist durch Störung der
Isolierung zwischen sensiblen und motorischen Nervenfasern in
den gemischten peripherischen Nervenbahnen infolge Veränderung
der Marksubstanz durch das Tetanustoxin zu erklären. Die
Substanzen der Markscheide (Lipoide) wirken in der Blutbahn
kreisend antitoxisch. Entstehung der Antitoxine und Erklärung
der immunisierenden Wirkung des Gehirnbreies (Versuche von
Wassermann und Takaki). Nach Ausbruch des Starrkrampfes
ist ein Nutzen von der Antitoxinbehandlung nicht zu erwarten.
Der Wert aller Serumtherapie beruht in der Prophylaxe.
Dieselbe Zeitschrift S. 095.
Über die praktische Bedeutung der Barberloschen Spermareaktion;
von Paul Fraenckel und Rudolf Müller. (Aus der Unter¬
richtsanstalt für Staatsarzneikunde der Universität in Berlin,
Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. F. Straßmann.)
Barberio hat im Jahre 1895 entdeckt, daß eine gesättigte
PikrinsäurelöBung im menschlichen Sperma sofort nach dem
Znsammenbringen einen Niederschlag aus mikroskopisch kleinen
gelben Kristallen hervorbringt. Da die Reaktion auch am
spermatozoenfreien Samen erhalten wurde, schien die wichtige
Aufgabe der gerichtlichen Medizin, azoospermischen Samen nach-
zuweiseu, ihrer Lösung nahergerückt zu sein.
Um eine für den Menschen spezifische Reaktion konnte es
sich von vornherein nicht handeln, da schon nach der Beob¬
achtung des Entdeckers sehr ähnliche Kristalle auch aus Spermin-
Poehl, einem aus Tierhoden gewonnenen Präparat, zu erhalten
sind. Das Ergebnis eingehender Prüfung der Reaktionsmethode
in klinischer und forensischer Beziehung fassen die Autoren wie
folgt zusammen: Die bei der Barberioschen Reaktion aus¬
fallenden Pikratkristalle sind so wenig charakteristisch, daß
ihre Form allein zur Diagnose nicht ausreicht. Man sieht
ähnliche auch bei der Prüfung der Lösung anderer Stoffe als
menschlicher Samen- und Prostataflüssigkeit auftreten. Von
einer positiven Reaktion muß verlangt werden, daß die scharf
lichtbrechenden, gelben, ovoidalen oder nadelförmigen Kristalle
sofort reichlich und im Überschuß des Lösungsmittels
auftreten, in dem sie sich allmählich vergrößern. Unter dieser
Bedingung ist die Reaktion allerdings bisher nur im mensch¬
lichen Samen oder Prostatasekret und im Sperminum Poehl
erhalten worden; sie kann daher klinisch zur Erkennung von
Prostatasekret und azoospermischem Sperma empfohlen werden
und auch unter Umständen den gerichtlichen Nachweis von
Spermaflecken wesentlich stützen. Die für ein forensisches
Diagnosticum erforderliche Sicherheit besitzt sie aber nicht und
auch als Vorprobe steht sie der Florenceschen in mehrfacher
Hinsicht nach. Ein negativer Ausfall schließt Sperma nicht aus.
28. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
393
Münchener Medizinische Wochenschrift, 55. Jahrgang 1908. Nr. 15,
S. 779.
Die praktische Verwertbarkeit des opsonischen Index; von Dr.
Saathoff. (Aus der II. medizinischen Klinik in München,
Direktor Professor Fr. v. Müller.) — Die Kernpunkte der
\Vright8chen Theorie über die opsonische Kraft des Blutserums
lassen sich in folgende Sätze zusammenfassen: 1. Im Serum des
normalen Blutes sind Stoffe vorhanden, die auf eingedrungene
Bakterien so wirken, daß sie von den Leukozyten aufgenommen
und eventuell vernichtet werden: die Opsoninie. 2. Bei gewissen,
vor allem chronischen, Infektionen ist die Widerstandskraft des
Blutes gegen den betreffenden Erreger herabgesetzt, was sich
in einer Erniedrigung des opsonischen Index ausspricht. Um¬
gekehrt kann man aus dem niedrigen Index auf die Infektion
schließen. 3. Daraus ist für die Therapie der Hinweis gegeben,
daß es nötig ist, die opsonierende Kraft des Blutes zu erhöhen.
Das geschieht durch Einverleibung der spezifischen Erreger in
abgetötetem Zustande, wodurch sich im Serum spezifische
Reaktionskörper vom Charakter der Opsonine bilden, die eine
Steigerung des opsonischen Index herbeiführen.
Verfasser hat die Befunde Wrights nachgeprüft und kommt
bezüglich der klinischen Verwertbarkeit der Methode zu nach¬
stehenden Schlüssen: 1. Wegen der Kompliziertheit und äußerst
schwierigen Technik kommt die Methode nur für einzelne
Institute in Betracht, die womöglich in der Lage sind, einen
eigenen Untersucher dafür zu halten. Dadurch büßt sie schon
viel von ihrem Werte ein. 2. Wegen der großen und un¬
berechenbaren Fehlerquellen, die der Aufstellung des opsonischen
Index anhaften, ist die Methode nur in den seltenen Fällen von
Wert, bei denen die Anschläge sehr groß sind. 3. Für die
therapeutische Anwendung ist der opsonische Index aus den
eben genannten Gründen eine unzuverlässige Richtschnur. Der
Wert und die weitere Ausbildung der aktiven Immunisierung
bleibt dadurch unberührt.
Dieselbe Zeitschrift S. 795.
Die Zusammensetzung der Walfischmilch von Prof. Dr. A. S ch e i b e
(Aus dem agrik.-chem. Laboratorium der Technischen Hochschule
in München, Prof. Dr. v. Soxhlet.) — Verfasser hatte Gelegen¬
heit, die Milch eines bei Spitzbergen samt seinem 12 Monate
alten Jungen erlegten Bartenwals zu untersuchen. Sie war
schwachrötlich gefärbt und hatte einen stark fischigen Geruch.
Sie enthielt: Wasser 69,80 Proz., Trockensubstanz 30,20,
Fett 19,40, Eiweiß 9,43, Asche 0,99 Proz. Die Walfischmilch
ist frei von Milchzucker oder sonstigen Zuckerarten; auch andere
Kohlehydrate sind in nennenswerter Menge darin nicht ent¬
halten. Das gelbe Fett der Walfischmilch riecht nach Tran, hat
etwa die Konsistens des Kuhmilchfettes und folgende Merkmale:
Schmelzpunkt 32,0° C., Erstarrungspunkt 21,0° C., Gehalt an
flüchtigen Fettsäuren (Reichert Meisslzahl) 1,6, Verseifungs¬
zahl 195, Jodzahl 95,9. Aus dem geringen Gehalt der Wal-
fi8chmilch an flüchtigen Fettsäuren ergibt sich der sehr hohe
Wärmewert des Walfischmilchfettes, der dem Wärmebedürfnis
des Jungen zugut kommt.
Dieselbe Zeitschrift S. 802.
Augenerkrankung infolge Arbeit mit einem künstlichen Düngemittel
von Dr. M. Bon di. (Aus der Augenabteilung des allgemeinen
öffentlichen Krankenhauses in Iglau, Mähren.) — Obwohl seit
der vor über 50 Jahren von Justus von Liebig aufgestellten
Mineraltheorie die Anwendung von künstlichen Düngemitteln fort¬
während zunimmt, war außer einem von Augst ein in den Klin.
Monatsbl. für Augenheilkunde 1907, S. 563 mitgeteilten Falle
von Erblindung infolge Einwirkung von „Superphosphat“ über
Augenunfälle durch künstliche Düngemittel in der Literatur
nichts bekannt. Augst ein hat die Wirkung von einigen der
gebräuchlichsten Düngemitteln auf Kaninchenaugen geprüft.
Thomasmehl wurde am besten ertragen; Kainit rief größere
Reizung mit oberflächlicher Trübung der Hornhaut hervor.
Stark schädigend wirkte nur Superphosphat, so daß Augst ein
hieraus schloß, daß dieses Düngemittel als das hauptsächlichste,
vielleicht allein schädigende anzusehen sei. Diese Auffassung
erzänzt Bon di dahin, daß auch das unvorsichtige Hantieren
mit „Chilisalpeter“ schwere Augenerkrankung verursachen kann.
In dem von ihm beschriebenen Falle handelt es sich um eine
Augenentzündung mit den Erscheinunngen schwerer Verätzung
bei einer Feldarbeiterin, die sich beim Ausstreuen von Chili¬
salpeter das Auge mit unreinen Fingern gerieben hatte.
_ W.
Tagesgeschichte.
Zar Lage der Tierärzte.
Von Prof. Dr. Schmaltz.
Über die Lage der Tierärzte hat in Nr. 15 (S. 277 ff.) ein
ungenannter Autor einen Artikel veröffentlicht, der viele Vor¬
züge besitzt und in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert ist.
Rühmenswert ist namentlich das Streben, allen Teilen des tier¬
ärztlichen Standes gerecht zu werden, insonderheit auch der
Lage der Privattierärzte (in deren Reihen der Verfasser
nicht zu suchen ist). Offenbar verfügt auch der Verfasser
über eine gründliche Kenntnis der wirklichen Verhältnisse sowohl
im tierärztlichen Stande wie in anderen Ständen.
Nur einen Punkt in dem Artikel vermag ich nicht völlig ohne
Widerspruch zu lassen; das ist der am Schluß gemachte Vor¬
schlag, dem Bestand des tierärztlichen Standes Abbruch zu tun
oder seiner Ergänzung Einhalt zu gebieten. Ich muß dem
Verfasser darin vollkommen beistimmen, daß nach den Er¬
fahrungen der letzten Jahrzehnte in der Tat eine energische
Aufbesserung der Verhältnisse eines Standes mit Sicherheit
nur dann vorgenommen worden ist, wenn sich Menschenmangel
in demselben beängstigend zu zeigen begann. Trotzdem würde
ich mich nicht dazu entschließen können, einen solchen Mangel
künstlich zu fördern; nicht einmal als ultima ratio erscliiene
mir dieses Mittel richtig. Ich komme zu diesem Standpunkt
nicht etwa durch die Besorgnis vor einer Verödung der tier¬
ärztlichen Hochschulen. Wenn eine solche Verödung durch die
Verhältnisse tatsächlich gerechtfertigt wäre, so hätten die Hoch¬
schulen kein Recht, sich darüber zu beklagen. Es sind viel¬
mehr ganz allgemeine Griinde r die uns von diesem Gedanken
zurückhalten müssen. Es wäre eine Art von Streik, der Streik
ist ja Mode und mag auch wirksam sein, aber schön ist er
nicht und es gibt doch Unterschiede zwischen Berufsständen
und Gesellschaftsklassen, Unterschiede, die dem einen verbieten
zu tun, was der andere für erlaubt hält. Ich meine, wir
dürften nicht streiken; wir müßten mit anderen Mitteln und
positiven inneren Kräften zum Ziele kommen. Ist unsere Sache
gut, so werden wir auch so das Ziel erreichen, mag es auch
etwas länger dauern. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß die
tierärztliche Gesellschaft eine Verpflichtung übernommen hat,
als es sich um die Einführung des Abiturientenexamens handelte.
394
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
Damals haben die Führer die Versicherung abgegeben, sie
haben gewissermaßen sich stark gemacht dafür, daß ein der
Landwirtschaft nachteiliger Mangel an Tierärzten nicht ein-
treten werde, und da würde es nicht recht sein, wenn man
jetzt diesen Mangel, selbst wenn berechtigte Gründe zur
Unzufriedenheit existieren, künstlich herbeiführen würde.
Von diesem einen Punkt abgesehen, wird man auch in den
Einzelheiten dem Herrn Verfasser zustimmen müssen. Was er
übrigens von der Benachteiligung in bezug auf Titel Verleihungen
sagt, das trifft beispielsweise nicht bloß für die beamteten Tier¬
ärzte, sondern ebenso für die Professoren zu. Wenn die Tier¬
ärztliche Hochschule zu Hannover, die gegenüber derjenigen zu
Berlin gewiß eher bevorzugt als zurückgesetzt ist, nur einen
einzigen Geheimrat im Profe6Sorenkollegium *hat, so kann
das freilich nicht- wohl anders erklärt werden, als daß die
Prärogative des Direktors auch in bezug auf die Titulatur ge¬
wahrt werden. Aber auch an der Tierärztlichen Hochschule zu
Berlin zeigt sich der Gegensatz gerade jetzt recht originell,
indem der bisherige Abteilungsvorsteher am Institut für Infektions¬
krankheiten, Professor Frosch, mit einem Dienstalter von Ende
der 90 er Jahre als Geheimer Medizinalrat in das Professoren-
Kollegium eintritt, während Professoren mit einem Dienst¬
alter aus den 80 er Jahren diesen Titel nicht besitzen.
Bei dieser gelegentlichen Erwähnung der Titelfrage mag
übrigens auf eine Bemerkung zurückgegriffen werden, die vor
Jahren Herr Kollege Peters-Bromberg in der B. T. W. gemacht
hat. Anläßlich der Einführung des Titels Veterinärrat bzw.
Geheimer Veterinärrat für beamtete Tierärzte, erklärte er es
für selbstverständlich, daß nunmehr auch den Professoren der
Charakter nicht mehr als Geheimer Regierungsrat, sondern als
Geheimer Veterinärrat verliehen werden möge. Ich glaube,
damit werden die Professoren nicht einverstanden sein. Man
lasse jedem, was er bereits hat. Ich gestehe offen, daß mir
der Titel „Geheimer Regierungsrat“ besser gefällt. Ich kann
mich darauf berufen, daß ich diese Ansicht vor vielen Jahren
schon einmal ausgesprochen habe, als man es auffällig gefunden
hatte, daß an den Tierärztlichen Hochschulen nicht mehr der
Charakter als Geheimer Medizinalrat, sondern als Geheimer
Regierungsrat verliehen wurde; auch gegenüber dem Titel
Geheimer Medizinalrat gab ich damals für die Professoren der
Tierärztlichen Hochschulen dem Prädikat Geheimer Regierungs¬
rat den Vorzug. Meine Ansicht richtet sich also keineswegs
gegen den Geheimen Veterinärrat. Für unsere Professoren ist
die Bezeichnung als Geheimer Regierungsrat schon deswegen
durchaus am Platze, weil sich die Kollegien ja keineswegs nur
aus Tierärzten zusammensetzen und sich vielleicht in Zukunft
noch mehr mit Botanikern, Zoologen usw. mischen werden, es
aber doch nicht wohl angeht, dem einen diesen und dem andern
jenen Titel zu verleihen, wie auch innerhalb einer Fakultät
(denn einer solchen entsprechen wir) gleichmäßige Titel ver¬
liehen werden. Es besteht auch gar kein Grund zur völligen
Gleichheit zwischen Veterinärbeamten und Professoren; diese
Gleichheit ist ja auch in anderen Dingen nicht vorhanden, z. B.
im Einkommen, in dessen Gesamthöhe die meisten Departements¬
tierärzte wohl nicht mit den Professoren tauschen würden.
Was der Verfasser über die Notwendigkeit, die
Departementstierärzte zu Regierungs- und Veterinär¬
räten zu machen, sagt, ist ebenso selbstverständlich
berechtigt wie der Wunsch, daß die Kreistierärzte, was
sich ja nicht sofort hat ermöglichen lassen, möglichst
bald in die V. Rangklasse aufrückeu möchten. Denn
man wird das, was der Verfasser über die gegenwärtige Stellung
sagt, nur bestätigen können. Der Hinweis auf die Pauschalierung
der Reisekosten und Tagegelder ruft übrigens eine Erinnerung
wach. Es hieß vor einigen Jahren einmal, daß, wenn die Kreis¬
tierärzte die Pauschalierung annähmen oder befürworteten, sie
dafür die V. Klasse eintauschen könnten; als ich dies empfahl,
stieß ich auf eine geharnischte Gegenerklärung. Jetzt ist
die Pauschalierung gekommen ohne die Rangerhöhung; hoffentlich
folgt diese bald.
Recht bemerkenswert ist das, was der Verfasser über den
Stand der Ärzte und Oberlehrer und die in diesen Ständen in
den letzten Jahren entfaltete, in der Tat sehr energische und
erfolgreiche Agitation sagt. Aber wir wollen uns doch auch
nicht schlechter machen, als wir sind. Daß in den letzten
Jahren unter den Tierärzten recht wenig geschehen sei, das
kann man doch wohl nicht sagen; oder vielmehr: wenn gerade
in den allerletzten Jahren weniger große Fragen aufgeworfen
worden sind, so liegt das doch nur daran, daß wir unmittelbar
vorher außerordentlich viel erreicht haben. Diejenigen, die etwa
20 Jahre zurückzudenken vermögen, werden heute anerkennen
müssen, daß alles das. was wir damals für groß, für erstrebens¬
wert, aber, ehrlich gestanden, kaum für möglich hielten, heute
erreicht oder im Begriff ist, sich zu vollziehen: die Hochschule,
die akademische Ausgestaltung derselben, das Abiturienten¬
examen, die immerhin doch würdige Stellung der Veterinär¬
beamten, die Beseitigung der krassen Übelstände in der Armee,
das Veterinäroffizierkorps. Ich denke, auch wir können
zufrieden sein.
Damit ist nun freilich durchaus nicht gesagt, daß nicht
auch in der nächsten Zukunft viel zu tun und zu wünschen
übrig bliebe, daß alles das, was im Prinzip erreicht ist, nicht
noch des weiteren Ausbaus bedürfte, daß nicht gerade in dieser
Richtung ein längeres Ansruhen von nachteiligster Wirkung
sein würde. Und deshalb kann dem Grundgedanken vollständig
zugestimmt werden, daß der tierärztliche Stand jetzt erst recht
seine Kräfte spannen und seine Bestrebungen konzentrieren maß.
Auch der Verfasser des hier besprochenen Artikels stimmt dem
zuerst von Krüger öffentlich vertretenen Gedanken zu,
eine Art tierärztliches Zentralbureau zu schaffen; ich kann
mich als Dritter diesem Gedanken nur anschließen. Von dieser
Frage wird aber am besten ein andermal ausführlicher gesprochen.
Zar Lage der Schlachthoftierärzte.
Die Lage der Schlachthoftierärzte in kleinen Städten ist
vielfach eine außerordentlich bescheidene. Das Einkommen
macht es unbedingt erforderlich, daß der Stelleninhaber Ein¬
nahmen aus der Privatpraxis habe. Bei zweckmäßiger Regelung
des Dienstes ist ihm das Praktizieren auch durchaus möglich.
Unter solchen Umständen ist es unberechtigt, wenn die Kommunal¬
verwaltungen an solchen Plätzen den Betrieb der Praxis ver¬
bieten wollen. Es scheint dieser Brauch immer mehr überhand
zu nehmen, und es muß dagegen im Interesse der angemessenen
Stellung der Schlachthoftierärzte protestiert werden.
Ein Wort zur „Degradierung“ des Dr. med. vet.
Von Haupt, städtischer Tierarzt in Gelsenkirchen.
Dem feinfühligen tierärztlichen Leser des Artikels des
Herrn Dr. med. vet. Jonas - Gelsenkirchen, „Deutscher und
28. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
395
Schweizer Dr. med. vet.“ in Nr. 19 der B. T. W., hat es sicher
einen kleinen Stich im fünften linken Interkostalraum gegeben, als
er von der „Degradierung“ des deutschen tierärztlichen Doktortitels
und von dem „Danaergeschenk“ für die maturen Tierärzte las.
Herrn Dr. Jonas ist es natürlich selbstverständlich, daß
der deutsche Dr. med. vet. nur den maturen Tierärzten er¬
reichbar bleibt, was er ja vorläufig in Gießen und Leipzig ist,
und falls, was wohl kanm vorauszusehen ist, die zu schaffende
Promotionsordnung für die beiden preußischen tierärztlichen
Hochschulen keine Änderung bringt, auch bleiben wird.
Es ist schon von berufeneren Seiten genügend klargestellt,
daß ein Ausschluß der immaturen Tierärzte von der Promotion
eine Ungerechtigkeit ist. — Daß aber diese ungerechte Ansicht
in den jüngeren tierärztlichen Kreisen vorherrscht, finde ich be¬
dauerlich, und das läßt mich zu dieser vielumstrittenen Frage
nochmals das Wort ergreifen.
Der tierärztliche Doktortitel ist (abgesehen von dem alten
Gießener Vorrecht) eine neue Errungenschaft der deutschen
Tierärzte, die mit der gesamten „Standeserhöhung“ Hand in
Hand geht. Fragen wir uns nun, wem haben wir Tierärzte
diese „Standeserhöhung“ zu verdanken?
Die seit 1903 studierenden Abiturienten scheinen sich
bzw. ihre bestandene Reifeprüfung dabei etwas sehr hoch ein-
zuscliätzen, es scheint ihnen wenig bewußt zu sein, daß die
Leistungen auf den Gebieten der Veterinärwissenschaft den
alten Tierärzten zu verdanken sind, die übrigens wohl zumeist
ohne das allein seligmachende Reifezeugnis waren und zum
Teil noch sind.
Fortschritte und Ausdehnung der tierärztlichen Wissenschaft
und ihre nützliche Anwendung durch die alten immaturen Tier- '
ärzte haben die Erfolge geschaffen, die die „Standeserhöhung“
der Tierärzte nach sich zogen, und einer dieser Erfolge war
zum Teil die Einführung des Reifezeugnisses für das Studium.
Nun wollen Sie, Herr Dr. Jonas, den immaturen Tier¬
ärzten, die dasselbe Staatsexamen gemacht haben, wie Sie, und
die in Zürich oder Bern unter viel größeren Bemühungen eine
Doktorarbeit und -Prüfung gemacht haben, die der Gießener
oder Leipziger durchaus äquivalent sind, einen, bildlich
ausgedrückt, Schwanz an ihren Titel hängen, lediglich, damit
jeder Eingeweihte (und vor allem wohl jeder mature Tierarzt)
sofort sehen kann: „Ah, einer von den Alten!“
Glauben Sie nicht, daß ein immaturer Tierarzt, der bis,
oft auch in Prima gesessen hat, während seines Studiums Ge¬
legenheit genommen hat, die Lücken in seinem Wissen zu
ergänzen? Und halten Sie wirklich so wenig von dem tier¬
ärztlichen Approbationsexamen, daß Sie von einer D egradierung
des an einen approbierten Tierarzt verliehenen Doktortitels
sprechen?
Da haben wohl z. B. Professoren der Leipziger Universität
andere Ansichten von den Leistungen und dem wissenschaft¬
lichen Betätigungstrieb immaturer Tierärzte, wenn sie die
Äußerung tun konnten: „Schicken Sie uns mehr Tierärzte zum
promovieren, ihre Arbeiten sind vorzüglich — — — —“
Und, um sich von der Richtigkeit dieses Ausspruches zu
überzeugen, vergleichen Sie, bitte, die Arbeiten der von der
Leipziger philosophischen Fakultät promovierten Tierärzte mit
z. B. Dissertationen von Medizinern, die sich oft auf die bloße
Beschreibung eines Krankheitsbildes oder auf einen ausführlichen
Sektionsbericht beschränken.
Was will denn die sogen. Fachdoktorprüfung? Sie verlangt
eine Dissertation, in der der Betreffende nachweisen soll, daß
er über einen ausgewählten Stoff seines Faches berichten und
in diesem Bericht Beweise logischen Denkens geben kann!
Die mündliche Prüfung ist eine ungefähre großzügige Wieder¬
holung der Fachprüfüng.
Diese Bedingungen wird wohl jeder, der sein tierärztliches
Studium mit Erfolg abgeschlossen hat, erfüllen können. Nun
sind aber nach Ihrer Meinung diejenigen Ihrer Kollegen, die
das Zeugnis der Reife nicht schwarz auf weiß wohlverwahrt in
der Tasche tragen, nicht reif, eine solche Prüfung abzulegen,
und wenn sie sie unter den Ausnahmegesetzen der Schweiz
abgelegt haben und in Deutschland die Genehmigung zur Führung
des Titels Dr. med. vet. erhalten sollen, so fühlen Sie, Herr
Dr. med. vet. Jonas, sich degradiert in Ihrem eigenen Titel!
Dann könnten Sie sich auch durch Ihren Berufstitel „Tierarzt“
degradiert fühlen, den Sie ja mit Hunderten von immaturen
Menschen, ja, horrible dictu, mit alten „gelernten Hufschmieden“
aus Olims Zeiten teilen.
Doch lassen Sie sich zum Trost gesagt sein, daß es auch
andere Titel und Berufe gibt, in denen ähnliche „Degradierungen“
Vorkommen! Denken Sie an den Dr. phil., der von Apothekern,
Landwirten, kurz, der gesamten „wissenschaftlichen Halbwelt“,
wie sich der „Simplicissimus“ auszudrücken beliebte, erworben
wurde, und der trotzdem zu den angesehensten Doktortiteln
zählt; denken Sie an den Beruf der Chemiker, wo sich der
mature Chemiker Dr. phil. in nichts, weder in seinen Fach¬
kenntnissen, noch auf der Visitenkarte von dem immaturen
Chemiker Dr. phil. unterscheidet.-
Der Abiturient aber, dem es peinlich wird, denselben Titel
wie ein Immaturer zu führen, hätte sich von jedem so „zwei¬
deutigen akademischen Berufe“ abwenden und einen solchen
erwählen müssen, in dem ihm nie eine Degradierung oder ein
Danaergeschenk in Gestalt eines gemeinschaftlichen Doktortitels
zuteil werden konnte.
Versetzen Sie, Herr Dr. Jonas, sich, bitte, zum Schluß
einmal einen Augenblick in die gepeinigte Seele eines immaturen
Tierarztes, vielleicht regt sich in irgend einer kollegialen
Bucht Ihres Herzmuskels ein leises Gerechtigkeitsgefühl, so
daß Sie dem Wunsche immaturer Tierärzte nach Übergangs¬
bestimmungen in der tierärztlichen Promotionsordnung
eine gewisse Berechtigung nicht absprechen, Übergangsbe¬
stimmungen, die auch immaturen Tierärzten die Möglichkeiten
gewähren, den Doktortitel zu erwerben; Übergangsbestimmungen,
wie sie für die sächsische Promotionsordnung für Leipzig-
Dresden nach einem Ausspruch eines Professors (Nichttierarztes)
der Leipziger Universität erwartet wurden!
Und gewähren Sie uns das nicht, so gönnen Sie wenigstens
den in der Schweiz ernannten Doctoribus medicinae veterinariae
ihren schönen Titel unverkürzt und unverlängert. Ich glaube
nicht, daß das Ansehen aller anderen maturen DDr. med. vet.
darunter leiden oder degradiert wird.
Zum „Dr. med. vet.“
Von Kurtzwig-Verden (Aller).
Die Erörterungen über die „Doktorfrage“ werden die
maturen Tierärzte mit geteilten Gefühlen aufgenommen haben,
und ganz besonders diejenigen unter ihnen, die die Maturität als
Extraneus nacherworben haben. Was bedeutet ihre Zurück-
396
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
haltung in dieser Frage? Muß es doch bei jedem Abiturienten
Unzufriedenheit erwecken, wenn auch bei uns, wie in Sachsen
früher, die Forderung erhoben wird, immaturen Tierärzten im
In- oder Auslande eine Tür zur Promotion als Dr. med. vet.
offen zu lassen! Wie viel mehr müssen diejenigen eine solche
Möglichkeit ungerecht empfinden, die noch einmal mitten aus
ihrem Beruf heraus in mühsamer Arbeit den gewaltigen Lern¬
stoff der Schule als Extraneus bewältigten, um allen Unbequemlich¬
keiten zu entgehen. Die Zahl dieser Kollegen ist nicht gering,
wahrscheinlich nicht viel geringer als die Menge der in Preußen
noch nicht bestätigten Schweizer Dr. med. vet. Ihre Arbeit
geschah doch nicht nur des späteren Doktortitels wegen, sondern
auch um ein zeitgemäßes Standesprinzip, um das Abitur für
Tierärzte wie für jeden akademischen Beruf. Und wenn auch
der Schweizer Dr. med. vet. schwierig ist und seine Anerkennung
verdient, so ist es doch angenehmer, für ihn wissenschaftlich
zu arbeiten, als sich mit dem entlegenen Schulpensum ab¬
zuquälen.
Die Gerechtigkeit verlangt, daß in Preußen die
bisher erworbenen Schweizer Dr. med. vet. ebenso wie
in den anderen Bundesstaaten genehmigt werden. Jede
Zahlvermehrung der tierärztlichen Doktortitel ist
zurzeit in Preußen zu begrüßen, und für den tierärztlichen
Stand ist es besser, wenn der Laie keinen Unterschied machen
kann zwischen tierärztlichen Doktoren, die in Deutschland oder
in der Schweiz promoviert sind. Unberechtigt wären deshalb
die gegen den Schweizer Dr. med. vet. erhobenen Bedenken,
wenn fortan diese Promotionsmöglichkeit den Immaturen auch
tatsächlich sich verschließen würde. Hoffentlich führen
die Verhandlungen der beiden Regierungen bald zu diesem
Ergebnis. Das Übergangsstadium hat lange genug ge¬
dauert. Jeder mußte den Ausgang kennen und konnte sich
beizeiten den Dr. med. vet. in der Schweiz holen. Wer es
versäumt hat, hat überhaupt nicht die Absicht zu promovieren
oder kann noch zum Dr. phil. promovieren. Nicht Undank,
sondern Dank gegen die ältere Generation ist es, wenn sich
die jüngere Generation bestrebt, das von den Vätern Ererbte
hochzuhalten. Es möge sich deshalb niemand aufregen und das
Gespenst vom Tierarzt II. Klasse sehen. Wer seinen Mann
steht, wird nicht degradiert, zumal die älteren die besseren
Stellen innehaben. Schließlich hat doch der Dr. med. vet. nicht
mehr Bedeutung als eine neue Fassade für das alte Haus, das
durch das Abitur ein neues Fundament bekam. Das Aussehen
des Ganzen aber muß untadelig mit dem anderer Fakultäten
wetteifern und dazu gehört, daß baldigst, spätestens aber mit
Einführung des Promotionsrechtes für Tierärzte in Preußen,
auch in der Schweiz nur noch Abiturienten zum Dr. med. vet.
promoviert werden.
Zur Erweiterung des Promotionsrechtes in Preußen.
Das Berliner Tageblatt bringt in seiner Abendausgabe
vom 18. April 1908 eine Mitteilung, die zwar auf ihre Richtig¬
keit nicht geprüft werden kann, die aber immerhin interessant
ist. Es heißt dort, daß die tierärztlichen und die landwirtschaft¬
lichen Hochschulen nach dem Promotionsrecht strebten. Der Mit¬
arbeiter des B. T. soll nun an zuständiger Stelle erfahren haben,
daß zwar noch keine amtlichen Verhandlungen begonnen hätten,
daß aber Besprechungen zwischen dem Kultusministerium und
dem Landwirtschaftlichen Ministerium stattfänden. Das in Sachsen
ergriffene Auskunftsmittel dürfte für Preußen unanwendbar
sein, zumal die medizinische Fakultät der Berliner Universität sich
entschieden gegen ein derartiges Verfahren bei der Erwerbung
der Doktorwürde ausgesprochen hat. (Diese Tatsache ist richtig
und mit Freuden zu begrüßen. D. R.) Es bliebe daher in
Preußen nur übrig, den beiden Tierärztlichen Hochschulen
Berlin und Hannover das Promotionsrecht zu verleihen. Was
die landwirtschaftlichen Hochschulen anlange, so können die
Agronomen den philosophischen Doktor (sofern sie im Besitz
der Maturität sind) in Berlin oder Bonn, Halle, Breslau, Königs¬
berg und Göttingen machen, wo ihnen die Möglichkeit gegeben
ist, Landwirtschaft zu studieren. Auch hier würde die Ver¬
leihung des Promotionsrechtes an die selbständigen Hochschulen
in Berlin und Poppelsdorf in Frage kommen. „Im Kultus¬
ministerium“, heißt es dann wörtlich, „sieht man allerdings
diesen Bestrebungen mit gemischten Gefühlen entgegen, ist aber
der Meinung, daß die Regierung sich nicht ablehnend wird
verhalten können.“
Tierärzte und Zahnärzte.
Die neue Studienordnung für die Zahnärzte, die am
1. April 1909 laut Mitteilung des Kultusministeriums ins Leben
treten soll, bringt für dieselben, die verlängerte Gymnasialzeit
ungerechnet, eine Ausbildungsdauer von sechs Semestern mehr
als bisher. Statt Primareife muß der künftige Zahnarzt
Abiturium besitzen, statt bisher nur vier Semester Studium wird
er deren sieben hinfort zu absolvieren haben. Verkürzt wird
nur die bisherige Lehrzeit von einem Jahr auf ein halbes Jahr,
wenn die Angaben des Kultusministeriums richtig wiedergegeben
sind. Die Zahnärzte hatten bisher kein Physikum in ihrem
Bildungsgang aufzuweisen; ihrer Ausbildungszeit an der
Universität ging ähnlich den Apothekern eine praktische, wenn
auch nur einjährige Lehrzeit voraus. Das alles soll jetzt anders
werden. Das Lehrjahr ist in ein sogenanntes praktisches halbes
Jahr verwandelt, ein naturwissenschaftliches Examen dürfte ein¬
geschoben werden. Die Prüfungsvorschriften, bei denen sichtlich
die schriftlichen Arbeiten bisher in den Vordergrund traten,
werden denen der Vollmediziner angepaßt und demnach diejenigen
Lügen gestraft, die annehmen, daß für die Zahnheilkunde eine
wesentlich praktische Ausbildungsweise genügend sei, sintemal
doch die Neuorganisation der Zahnplastik und Zahnbehandlung
doch aus dem Lande der Allerweltsmöglichkeiten, nämlich aus
Amerika stamme. — Das Studium des zukünftigen deutschen
Zahnarztes soll dann mit dem Doktor med. dent. abgeschlossen
werden, so daß auch hierin Amerika, das Freund und Feind
nämlich Zahnarzt und Zahntechniker oftmals den Dr. dental-
surgeon lieferte, aus dem Bereich der Ausbildungsmöglichkeiten
gestrichen sein wird, wenigstens für die deutschen Zahnärzte, die
jetzt in Deutschland samt und sonders promovieren werden können.
— Mit diesem Ausbildungsmodus haben die Zahnärzte aber auch
die Tierärzte hinsichtlich der Ausbildungsdauer um ein Semester
geschlagen; d. h. eigentlich um ein ganzes Jahr, da sie nicht
wie die Tierärzte nur allein das Maturium erlangen werden,
sondern auch ihre Studienzeit, die gleich der der Apotheker
vier Semester betrug, gleich auf sieben Semester erhöhen. Das
läßt aber „saborsch“ ausgedrückt „tief blicken“. Die Zahnheil¬
kunde kann und darf nur ein „Teil“medizinstudium darstellen;
ist aber hier schon eine Studienzeit von mindestens 8 Semestern
nötig, um diesen Teil der Medizin geistig zu verarbeiten, um
EKRLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
397
28. Mai 1908.
wie viel mehr wird es nötig sein zur Ausbildung in der Tier¬
medizin, die doch eine Gesamtmedizin darstellt und zudem gar
noch eine vergleichende Medizin, wenn ich mich so ausdrücken
darf, sintemal sie nicht nur wie die Humanmedizin nur den
„Homo sapiens“ zum Gegenstand ihres Studiums macht. Für
die Humanmediziner ist aber eine Zeit von 10 + 2 = 12 Semestern
zurzeit Mindestmaß der Ausbildungszeit. Will daher die" Tier¬
medizin als Veterinär-Ganzmedizin auf der Höhe bleiben, so
dürften zurzeit mindestens 9 -{- 2 = 11 Semester (inkl. ein Jahr
praktischer Weiterbildung) nötig sein, um dem Ausbau unseres
Faches folgen zu können. Ein großer Teil wenigstens der in
philosophischen Fächern promovierten Kollegen hat bereits eine
solche an und für sich verlängerte Studienzeit hinter sich. Der
tierärztliche Stand, der sich prozentualiter mit den Zahnärzten
zugleich in den letzten Jahren am stärksten vermehrt hat, kann
sich sehr gut eine verbesserte Grundlage leisten, ohne an
Personal für die Zukunft Einbuße zu leiden befürchten zu
müssen. Dr. G.
Sitzungsbericht über die 96. Herbst-VerSammlung des
Vereins Schlesischer Tierärzte
in Breslau am 20. Oktober 1907.
Anwesend waren: a) Ehrenmitglieder: 1. Ri edel-Neiße;
b) Mitglieder: 2. Anders-Trebnitz, 3. Angenheister-Breslau,
4. Apffel-Reichenbach, 5. Arndt-Landeshut, 6. Bischoff-Falken-
berg, 7. Bröske-Zabrze, 8. Prof. Dr. Casper-Breslau, 9. Dinter-
Münsterberg, 10. Eekelt-Trachenberg, 11. Dr. Francke-Breslau,
12. Fülbier-Freiburg, 13. Gerlach-Liegnitz, 14. Goed ei -Strehlen,
15. Haertel-Groß-Wartenberg, 16. Ha mann-Schweidnitz, 17. Hent-
schel-Öls, 18. Herwig-Quaritz, 19. Hielschenz-Poln.-Neukirch,
20. Hirsch-Grottkau, 21. Hey-Namslau, 22. Jungmann-Festen¬
berg, 23. Keller-Glogau, 24. Kindler-Canth, 25. Klingelstein-
Löwenberg, 26. Klipstein - Jauer, 27. Ko 1 be - Rosenberg, 28.
Köiling-Neurode, 29. Lindner-Frankenstein, 30. Lux-Beuthen
O.-S., 31. Machnig-Habelschwerdt, 32. Mahlendorff-Breslau,
33. Manasse-Lähn, 34. Morschhäuser-Nimptsch, 35. Müller-
Glatz, 36. NitzBchke-Cosel, 37. Östreich-Kattowitz, 38. Ort¬
mann-Domslau, 39. Prasse - Kühnem, 40. Proske - Obemigk,
41. Quatscha-Glatz, 42. Rieck-Breslau, 43. Richter-Lublinitz,
44. Riedel-Ohlau, 45. Römer-Glatz, 46. Dr. Roth-Breslau, 47.
Rtickner-Brieg, 48. Ruppert - Brockau, 49. Rust - Breslau,
50. Sage-Lauban, 51. Scharsich - Striegau, 52. Schirmeisen-
Rosenberg, 53. Schmidt-Oppeln, 54. Schmidt-Hirschberg, 55. Dr.
Schmidt-Breslau, 56. Schönfeld - Leobschütz, 57. Schramm-
Gleiwitz, 58. Schüler-Hundsfeld, 59. Schwintzer-Öls, 60. Siegert-
Tarnowitz, 61. Dr. Löhngen-Wohlau, 62. Stöcker - Lüben, 63.
Strähler-Breslau, 64. Süssenbach-Wohlau, 65. Tappe-Beuthen
O.-S., 66. Wierzba-Zabrze, 67. Dr. Wölfe 1-Breslau; c) Gäste:
68. Dr. Buhrow- Halle a. S., 69. Dr. Grabert - Breslau, 70.
Hieronymi - Breslau, 71. Hoffmann - Breslau, 72. Ledschbor-
Breslau, 73. Marx-Posen.
Nach Erledigung der Vorstands- und Gruppensitzungen, welche
in der Zeit von 10 bis lV/ 2 Uhr stattfanden, eröffnete der Vorsitzende
um 12 Uhr die Hauptversammlung und begrüßte die vorstehend
erschienenen Mitglieder nnd Gäste.
Zu Punkt la der Tagesordnung teilt der Vorsitzende mit, daß
von dem Ehrenmitgliede Herrn Prof. Dr. Sch maltz ein Schreiben
eingelaufen ist, in welchem er sein Fernbleiben entschuldigt.
Alsdann widmet der Vorsitzende unserem ältesten lieben Vereins¬
und Ehrenmitgliede Herrn Kreistierarzt a. D. Ri edel-Neiße herzliche
Glückwünsche aus Anlaß seiner zweiten silbernen Hochzeit, worauf
der Jubilar in bewegten Worten seinen Dank aussprach.
In Erledigung zu lb werden die Herren Dr. Franke-Breslau
nnd Klein-Wildschütz in den Verein neu aufgenommen; durch
Verzug ist Herr Sturm-Rybnik aus dem Verein ausgeschieden.
Darauf ging der Vorsitzende zu Punkt 2 der Tagesordnung über
und erteilte Herrn Kreistierarzt Anders-Trebnitz das Wort zu dem
Referat: „55 bakteriologisch nachgeprüfte Milzbrand-Ob¬
duktionsergebnisse.“ Auf das Referat selbst soll hier nicht
eingegangen werden, da dasselbe von Herrn Anders in der
B. T. W. in extenso veröffentlicht werden wird. Am Schluß des
Referates glaubt Redner folgerichtig behaupten zu dürfen, daß zur
Feststellung der Milzbranddiagnose die bakteriologische Nach¬
prüfung in jedem Falle unerläßlich und das Obduktionsergebnis
nicht maßgebend sei. An der darauf folgenden Diskussion be¬
teiligten sich besonders die Herren Rust und Bi sch off, welche
auf Grund ihrer Erfahrungen einen entgegengesetzten Standpunkt
einnehmen und daher auch die bakteriologischen Nachprüfungen
als obligatorische nicht empfehlen könnten.
Hierauf hielt Herr Tierarzt Süßenbach-Wohlau einen Vortrag
über: „Die paralytische Hämoglobinäraie“. Nach einem geschicht¬
lichen Rückblick über die verschiedenen Theorien, die über das
Wesen und die Ursachen der paralytischen Hämoglobinämie auf¬
gestellt sind, referiert der Vortragende eingehend über die
Schl ege Ischen Arbeiten über die infektiöse Rückenmarksentzündung
und die schwarze Harnwinde. Beide Krankheiten wurden von
Schlegel für identisch gehalten und als ihre Ursache der Strepto¬
coccus melanogenes angesehen. Der Redner begründet in aus¬
führlicher Darlegung, daß ihm der lückenlose Beweis für die Identi¬
tät beider Krankheiten noch nicht erbracht zu sein scheine und
kommt auf Grund klinischer Beobachtungen zu dem Schlüsse, daß
es sich doch wohl um zwei verschiedene Krankheitin handele.
Gleichwohl aber erscheine es höchst wahrscheinlich, daß die para-
litische Hämoglobinämie eine Infektionskrankheit sei, auf welche
Möglichkeit schon Dieckerhoff, der eifrige Verfechter der Auto¬
intoxikationslehre, hingewiesen habe. Die Auffindung und genauere
Erforschung des Infektionsstoffes biete der Bakteriologie noch ein
reiches Arbeitsfeld.
Bei der Bekämpfung müsse der Hauptwert auf die Prophylaxe
gelegt werden. Die Krankheit lasse sich durch knappe Fütterung
bei ein- oder mehrtägiger Stallruhe fast absolut sicher verhindern.
Dagegen sei aber dem Vorschlag Schlegels, zur Bekämpfung der
Krankheit veterinärpolizeiliche Maßnahmen zu treffen, auf das
entschiedenste entgegenzutreten. 'So lange die Tierbesitzer sich
selbst gegen Krankheiten schützen könnten, hätten sie kein Recht
auf Staatshilfe und die beamteten Tierärzte dürften nicht Erweiterung
ihres Arbeitsfeldes auf Kosten der übrigen Tierärzte beanspruchen.
Die Verstaatlichung der Tiermedizin liege jedenfalls nicht im Inter¬
esse der Allgemeinheit. Zudem würden noch strenge polizeiliche
Maßnahmen die Tierbesitzer härter treffen als die Krankheit selbst.
Nach seinen Behandlungserfahrungen sei als das erste und
wichtigste therapeutische Eingreifen das Aufheben der erkrankten
Tiere anzusehen, ln der Praxis, wo die Anwendung von Flaschen¬
zügen nur selten möglich sei, geschehe das Aufheben am besten
mit unter den Bauch geschobenen umhüllten Stangen, nicht mit
Gurten, wie in den Lehrbüchern vielfach empfohlen wird. Falls
das Aufheben nicht gleich gelingen sollte, so sei es nach einigen
Stunden von neuem zu versuchen, da längeres Liegenlassen den
Patienten sicher schade, wie im Gegensatz zu den Behauptungen
in den Lehrbüchern hervorzuheben sei. Ein ergiebiger Aderlaß sei
oft von sehr günstigem Einfluß; desgleichen sei die Anwendung des
Chlorbariums in kleinen Dosen — 0,25:15 — intravenös von be¬
sonderem Vorteil, da man außer der abführenden Wirkung noch
auf das Herz die Bariumwirkung habe, die den Blutdruck steigere.
Grundsätzlich zu verwerfen seien die’ vielfach angewandten Ein¬
reibungen der Haut auf der Kruppe usw, weil infolge der scharf
reizenden Wirkung die Tiere beunruhigt und ihr Zustand ver¬
schlimmert, namentlich das Eintreten des Decubitus beschleunigt
werde. Sodann wurde von dem Vortragendem die Anwendung von
Damholid dringend empfohlen. Dieses Mittel scheine die Krankheit
günstig zu beeinflussen. Ob ihm gegen die Hämoglobinämie tat¬
sächlich ein besonderer Heilwert innewohne, darüber könnten nur
die Erfahrungen zahlreicher Tierärzte Aufschluß geben. Die Kollegen
möchten daher mit der Veröffentlichung ihrer Erfahrungen nicht
zurückhalten. Das Präparat habe den Vorzug der Billigkeit und der
bequemen Anwendung. Es sei innerlich, in keratinierten Gelatine¬
kapseln stündlich 20 - 40,0 g zu geben oder intravenös 100—500 ccm
einer lOproz. Damholidlösung in 0,25 %o Itrolwasser.
.398
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
Das mit großer Reklame von Raebiger empfohlene Lumbagin,
das eine Chinin-Antipyrin- oder Chinin-Jodkalilösung*) zu sein
scheine, habe in der Praxis ganz und gar versagt Nach einigen
günstigen Berichten von drei Tierärzten sei später in der Fach¬
presse nur noch Nachteiliges bekannt gegeben worden. Alle Be¬
richterstatter stimmten einmütig darin überein, daß Lumbagin nicht
nur ein unwirksames, sondern ein direkt schädliches Mittel sei, das
durch zuweilen hervorgerufenc Öhnraachtsanfälle oder durch Throm¬
bosierung der Jugularis den Patienten lebensgefährlich werde. Das
Präparat verdiene daher nicht länger in unserem Arzneischatze zu
verbleiben; die schlimmen Erfahrungen mit Lumbagin werden hoffent¬
lich die Veranlassung sein, daß die Tierärzte fortan Geheimmittel
grundsätzlich selbst dann nicht versuchen, wenn sie auch nach Vor¬
schrift von Kollegen angefertigt und empfohlen werden.
Die folgende Diskussion ergab, daß wir im allgemeinen der
Hämoglobinämie zur Zeit therapeutisch noch ziemlich machtlos
gegenüber stehen.
Hierauf erbat sich Herr Direktor Marks-Posen von dem Vor¬
sitzenden das Wort und gab einen kurzen Rückblick über die bis¬
herige Tätigkeit der Wirtschafts genoss enschaft deutscher
Tierärzte, welche von Jahr zu Jahr an Mitgliederzahl und auch
an Umsatz erhebliche Zunahme aufzuweisen hat. Ein geplantes
Institut für Impfstoffe konnte anfänglich wegen Geldmangel nicht
gegründet werden, jetzt stehen einer solchen Gründung andere,
wichtige Bedenken entgegen.
Mit dem Dank der Versammlung schloß der Vorsitzende die
Ausführungen der Herren Redner sowie die Sitzung selbst um 2 Uhr.
Ein gemeinsames Mittagsmahl vereinigte noch die meisten Ver¬
sammlungsbesucher im Kammermusiksaal des Konzerthauses.
Ri eck, Vorsitzender. Kindler, Schriftwart.
80. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln.
20.—26. September 1908.
Der Unterzeichnete Vorstand der Abteilung für praktische
Veterinärmedizin gibt sich die Ehre, zu der in derZeit vom 20.
bis 26. September d. J. in Köln stattfindenden 80. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Ärzte ergebenst einzuladen.
Da den späteren Mitteilungen über die Versammlung, die im
Juni zur Versendung gelangen, bereits ein vorläufiges Programm
der Verhandlungen beigefügt werden soll, so bitten wir, Vorträge
und Demonstrationen — namentlich solche, die hier größere Vorbe¬
reitungen erfordern — bis zum 10. Mai bei dem mitunterzeichneten
Einführenden, Veterinär-Rat Dr. Lothes, Köln, Kaesen-
straße 8, anmelden zu wollen. Vorträge, die erst später, insbe¬
sondere erst kurz vor oder während der Versammlung angemeldet
werden, können nur dann noch auf die Tagesordnung kommen, wenn
dafür nach Erledigung der früheren Anmeldungen Zeit bleibt; eine
Gewähr hierfür kann daher nicht übernommen werden.
Die allgemeine Gruppierung der Verhandlungen soll so statt¬
finden, daß Zusammengehöriges tunlichst in derselben Sitzung zur
Besprechung gelangt; im übrigen ist für die Reihenfolge der Vor¬
träge die Zeit ihrer Anmeldung maßgebend.
Ganz besonders dankbar wären wir für Vorträge über Gegen¬
stände, welche sich zur Besprechung in kombinierten Sitzungen
zweier oder mehrerer verwandter Abteilungen eignen, da es dem
universellen Charakter der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und
Ärzte, in welcher im Gegensatz zu den zahlreichen, alljährlich statt¬
findenden Spezialkongressen sämtliche Zweige der Naturwissen¬
schaften und Medizin vertreten sind, entspricht, daß gerade solche,
mehrere Abteilungen interessierende Fragen zur Verhandlung gelangen.
Die Einführenden:
Schlachthofdirektor Ktthnau, Veterinär-Rat Dr. Lothes,
Tierarzt Nehrhaupt.
Die Schriftführer:
Kreistierarzt Franke, Tierarzt Heyden,
Schlachthoftierarzt Dr. Rusche.
*) cf. Orig.-Art. Dr. Herrn ans, Walbeck. D. T. W. Nr. 4 und
5, 1908.
VII. allgemeine VereiMverMunmlung de« Verein« preuilsober ScMachthsf
tlerirzte
am 20. und 21. Juni 1908 in Berlin.
A. Samstag, den 20. Juni 1908.
1. Nachmittags 5 Uhr:
Besichtigung der städtischen Fleischvernichtungs- und Ver¬
wertungsanstalt in Rüdnitz.
* 2. Abends 8 Uhr:
Versammlung im Ratskeller zu Berlin zur Erledigung des
Geschäftlichen: a) Geschäftsbericht des Vorstandes, b) Kassen¬
bericht, c) Aufnahme neuer Mitglieder, d) Mitteilungen aus der
Schlachthofpraxis.
B. Sonntag, den 21. Juni 1908.
1. Vormittags 10 Uhr:
VII. allgemeine Hauptversammlung im Hörsaal des hygienischen
Instituts der Königlichen Tierärzlichen Hochschule zu Berlin,
Luisenstraße 56
Tages-Ordnung:
1. a) „Der maschinelle Betrieb auf Schlacht- und Viehhöfen
unter Berücksichtigung der Anwendbarkeit der ver¬
schiedenen Kraftquellen“. Referent: Herr Ingenieur Mus¬
mac her-Cöln.
b) „Über die verschiedenen Kraftquellen für die Schlacht-
und Viehhofbetriebe“. Referent: Herr Prof. L. Klein
der Königl. Technischen Hochschule Hannover.
c) „Die Anwendbarkeit der verschiedenen Kraftquellen für
den Betrieb der maschinellen Anlage der Schlacht- und
Viehhöfe“. Referent: Herr Privatdozent Dr. Ingenieur
H e i n e 1 der Königl. Technischen Hochschule Charlottenburg.
2. „Bericht über die im Reichstage gepflogenen Beratungen des
Reichs-Viehseuchengesetzes“. Referent: Herr Schlachthof¬
direktor Goltz-Berlin.
3. Ort und Zeit der nächsten Versammlung.
2. Nachmittags 3 Uhr:
Gemeinschaftliches Mittagessen im Restaurant „Kaiserkeller“,
Katsstube, Friedrichstraße 178. — Preis des Gedecks 3,50 M. Be¬
teiligung der Damen der Mitglieder erwünscht.
Der Vorstand des Vereins preuß. Schlachthoftierärzte.
Goltz, KUhnau,
Verwaltungs-Direktor des städt. Direktor des städt. Schlacht¬
vieh- und Schlachthofes und Viehhofes
in Berlin 0. 67, in Köln am Rhein,
Vorsitzender. Schriftführer.
Klage gegen Geheimrat Professor Dr. Löffler.
Bekanntlich war im Kreise Greifswald die Maul- und Klauen¬
seuche ausgebrochen, deren Ursprung sich auf das Institut zurück¬
führen ließ, in welchem Professor Löffler seine Versuche aus¬
führte, ein Mittel zur Immunisierung gegen die Maul- und Klauen¬
seuche zn finden. Dem Leiter des Instituts wurde ein Verschulden
zur Last gelegt, und der Gutspächter S., dessen Viehbestand
infiziert worden war, hat beim Landgericht zu Greifswald eine
Klage angestrengt mit dem Anträge, den preußischen Fiskus und
Professor Löffler als Gesamtschuldner zum Schadenersatz von
7000 M. zu verurteilen. Dagegen hat der Herr Landwirtschafts¬
minister auf Grund des Gesetzes vom 18. Februar 1854 den Konflikt
zugunsten des Professors Löffler erhoben. Das Oberverwaltungs¬
gericht hat nunmehr erkannt, daß der erhobene Konflikt unbegründet
und dem gerichtlichen Verfahren Fortgang zu geben sei. Man darf
auf den Ausgang dieses Prozesses gespannt sein. Es wäre in jedem
Falle außerordentlich bedauerlich, wenn ein Gelehrter für seine
mühsamen und verdienstlichen Arbeiten, selbst wenn ein Versehen
vorläge, mit seinem Vermögen büßen sollte. S.
Dresden. Tierärztliche Hechsehule.
Anläßlich des Geburtstages Seiner Majestät des Königs:
von Sachsen fand am 25. Mai in der Tierärztlichen Hochschule
eine Festfeier statt, wobei Professor Dr. Lüngwitz die Fest¬
rede hielt über die Bedeutung des Hufbeschlages für die Ver¬
hütung und Heilung von Lahmheiten. Der Feier wohnten u. a.
28. Mai 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
399
bei der Ministerialdirektor Wirkl. Geheimer Rat Merz, Ex., sowie
Vertreter der Technischen Hochschule nnd der Stadt Dresden.
Seine Majestät der König verlieh den ordentlichen Professoren
DDr. Pusch, Schmidt und Lungwitz und dem außerordent¬
lichen Professor Dr. Biedermann Auszeichnungen.
Nachfolge von HQfhers.
Um den einzigen Lehrstuhl der physiologischen Chemie, die
als ordentliche Professur in Tübingen der philosophischen Fakultät
angehören muß, ist ein kleiner Streit zwischen Ärzten und
Chemikern entbrannt. Die Mediziner erklären Hüfner als den
ihrigen und wollen wieder einen Arzt, die Chemiker dagegen einen
Chemiker als Nachfolger. Bedauerlicherweise war den Tierärzten
keine Gelegenheit gegeben, in physiologischer Chemie in Tübingen
zu arbeiten, obwohl der Gedanke sehr nahe gewesen wäre, zumal
zum Tierexperiment doch in erster Linie ein Tierarzt befugt wäre.
InHüfners Laboratorium arbeiteten dagegen jahraus jahrein einige
reiche Engländer. Nun an der Berliner Tierärztlichen Hoch¬
schule ein physiologischer Chemiker ebenfalls als Arzt in Lehr¬
tätigkeit Ist, dürfte es den Tierärzten leichter sein, in dem so
wichtigen Fache der physiologischen Chemie weiter zu arbeiten.
Wie sagte doch ein vor einer Anzahl von Jahren verstorbener
Heidelberger Geheimer Hofrat zu einem Tierarzt, der bei ihm
arbeiten wollte: „Bedaure, Tierärzte nehme ich prinzipiell nicht 0 .
Und als der Tierarzt darauf replizierte: „Sie haben doch so viele
Ausländer im Laboratium?“ „Ja, mein Herr, wir sind als Professoren
gewissermaßen auch international.“ Dr. G.
Schutz gegen Insekten.
Die Firma Jenkins in Hamburg, Technisches Zentralbureau
■der vereinigten Spezialfabriken für Elektrotechnik und Maschinen¬
bau (Künig3tr. 7), empfiehlt in einem längeren Schreiben eine von
ihr hergestellte Art von Zimmerventilatoren. Das Schreiben nimmt
insbesondere Bezug auf die Bekämpfung der Schlafkrankheit und
den Schutz gegen infektiöse Insekten;' doch hat der Apparat
namentlich angesichts der allgemein verbreiteten Mttckenplage t
vorigen Jahres, wohl auch unter heimischen und harmlosen Ver¬
hältnissen so viel Interesse, daß hier darauf aufmerksam gemacht
werden soll. Es handelt sich um eine neue Art von Saug-, Decken-
und Tischventilatoren, genannt Jost - Lampenventilator. Diese
Ventilatoren brauchen nicht elektrisch betrieben zu werden, sondern
werden durch eine Lampe in Betrieb gesetzt, die mit Spiritus oder
Petroleum gespeist wird und nach der Angabe der Firma so sparsam
brennt, daß der Betrieb sich auf weniger als einen Pfennig in der
Stunde stellt. Bekanntlich ist die Erzeugung von Zug das sicherste
Mittel, um Mücken und derartiges Getier zu verscheuchen. Die Venti¬
latoren waren auf der sog. Damuka, d. h. der Deutschen Armee-,
Marine- und Kolonialausstellung zu Friedenau bei Berlin aufgestellt
Schutz der Pferde vor der Insektenplage.
Die außergewöhnliche Entwicklung, welche der regenreiche
Sommer vorigen Jahres allem möglichen lästigen Geschmeiß gebracht
batte, hat ganz besonders oft Veranlassung dazu gegeben, sich nach
Mitteln umzusehen, welche geeignet wären, die armen Pferde vor
ihren Peinigern und damit den Reiter vor Gefährdung durch die
fortwährende Unruhe zu schützen. Es ist daher vielleicht am
Platze, aufmerksam zu machen auf ein Präparat, welches nach
einer mündlichen Mitteilung in diesem Jahre mit gutem Erfolg bei
den Pferden des kaiserlichen Marstalles zur Anwendung gelangt ist.
Das Präparat wird hergestellt von der chemischen Fabrik des
Dr. Nördlinger in Flörsheim am Main und führt die Bezeichnung
„Floriafliegenöl A“. Es hat eine verhältnismäßig recht andauernde
Wirkung entfaltet, belästigt nicht durch Geruch usw. und ist bequem
zu applizieren.
Bemerkt mag dabei werden, daß außerdem edlen oder etwas
nervösen Pferden, um sie zu beruhigen, Kalium bromatum verabreicht
worden ist. Die beruhigende Wirkung hat in allen Fällen be¬
friedigt, ohne daß Nachteile bemerkbar geworden wären. Man gibt
25 g auf den Tag in wässeriger Lösung vier Tage hintereinander,
worauf die Wirkung sich lange erhält. Bekanntlich wird dieses
Mittel auch seit längerer Zeit schon Pferden verabfolgt, die siel)
nicht beochlagen lassen wollten. B.
Ergötzliche Tierquälerel-Dtekueslon.
Die Münchener amtliche Milchuntersuchungsstelle braucht für
ihren zu errichtenden Versuchsstall zwecks Vornahme von Impfungen
650 M. und stellte einen dahin gehenden Antrag an die Stadt München.
Dabei wurde laut A. A. Zeitung in der elften Sitzung des Kollegiums
der Gemeindebevollmächtigten der Vorwurf der Tierquälerei der
Leitung der Untersuchungsstelle gemacht, gegen welchen sich
Obertierarzt Schneider wandte. Die übliche Debatte, die an den
Gegenstand schloß, rief auch den Gcmeindebevollmächtigten
Stadlmayr von der Zentrumspartei auf die Schanzen, der als be¬
sonders abschreckendes Beispiel, wie die Vivisektion in München
betrieben wird, die Tatsache anfügte, daß einem Hunde das
Gehirn herausgenommen worden und das Tier wieder
laufen gelassen worden sei. Diese Begebenheit verdientauch
anderwärts bekannt zu werden. Die A. A. Zeitung fügt hinzu, wer
die Stadlmayrschen Angaben glauben wollte, „dem sei auch
offenbar erst vorher das Gehirn herausgenommen worden, nach
langem Suchen nämlich“. Weiterer Kommentar unnötig. Dr. G.
Elberfeld.
Im Anschluß an eine Verfügung des Ministers hat der
Wuppertaler Tierschutz verein Tierschutzlehrstunden für
Polizeibeamte in Aussicht genommen. Eine geeignete Person ist
zur Unterrichtserteilung bestellt. In besonderen Instruktions¬
stunden soll nun den Polizeibeamten Unterricht im Tierschutz
erteilt werden.
Literarische Notizen.
Aus der anatomischen Literatur.
Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere. Von Ellen¬
berger und Baum. 1000 Seiten mit 666 Abbildnngen. Berlin, Verlag
von August Hirschwald. Preis 26 M.
Von diesem ältesten deutschen Handbuche sind unter der Neu¬
bearbeitung von Ellenberger und Baum eine Reihe von Auflagen
in verhältnismäßig sehr kurzer Zeit erschienen. Die jetzt vorliegende
elfte ist im Jahre 1006 berausgekominen, und vermutlich wird die
zwölfte nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Das Werk hat
durch die letzten Auflagen eine vollständige Umgestaltung erfahren,
die es zur Vollkommenheit geführt hat. Auch die vorliegende Auflage
beweist die unablässige Verbesserung nnd Vervollkommnung durch die
Verfasser, die sich erat bei längerem Gebrauche des Werkes in allen
Teilen voll übersehen läßt, ln der neuen Auflage sind wiederum etwa
150 modernen Anforderungen entsprechende Abbildungen hinzugetreten,
so daß aus der alten Periode jetzt nur noch ein kleiner Rest von Bildern
stammt, der hoffentlich bei der neuen Auflage auch noch verschwindet;
nicht, weil diese Bilder unpraktisch oder unrichtig wären, sondern weil
sie immerhin zu sehr gegen die Mehrzahl abstechen. Persönlich be¬
grüße ich, daß die Verfasser sich, gemäß einer von mir geäußerten
Ansicht, entschlossen haben, die Beschreibung der Venen mit denen der
Arterien in Einklang zu setzen. Zur Empfehlung des Buches braucht
kaum mehr etwas gesagt zu werden. Ich brauche nur darauf hin¬
zuweisen, daß dasselbe, obwohl seine Bearbeitung von Berlin auf
Dresden übergegangen ist, auf der hiesigen Hochschule ausschließlich
in Gebrauch ist.
Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Von Professor Strueka-Wien.
Über 800 Seiten mit 164 Bildern. Wien und Leipzig bei Wilhelm
Braumüller. Preis 20 M.
Auch die Wiener Hochschule hat von alters her ein eigenes Lehr¬
buch der Anatomie in dem Werke von Franz Müller besessen. Da
dasselbe im Buchhandel fehlte, so hat der derzeitige Ordinarius der
Anatomie in Wien als neue Auflage des Müll ersehen Lehrbuchs ein
tatsächlich neues Lehrbuch geschaffen. An demselben sind ebensowohl
die einfachen, aber gut ausgerührten Abbildungen, wie die klare,
einfache Darstellung hervorzuheben Das Pferd ist in den Vordergrund
gestellt, die übrigen Haustiere sind angeschlossen. Das anerkennens¬
werte Streben, den Umfang des Boches zu beschränken, würde noch
dadurch unterstützt worden Bein, wenn der allerdings kurze Abriß über
die Gewebelehre fortgelassen wäre, wie dies nenerdings die ana¬
tomischen Handbücher durchweg getan haben. Dieser Stoff gehört nun
einmal in besondere Werke und ist für die anatomische Darstellung
entbehrlich.
Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte. Von Professor Dr. Robert
Bonnet. 460 Seiten mit 341 Abbildungen. Berlin bei Paul Parey.
Preis geb. 14 M.
Robert Bonnet hatte als Professor an der Tierärztlichen Hoch¬
schule in München der tierärztlichen Literatur ein Werk beschert,
welches, durchaus auf eigenen Forschungen aufgebaut, eine wirkliche
Lücke ausfüllte; es war dies sein „Grundriß der Entwicklungsgeschichte
4er Haustiere“, im Verlage von Paul Parey 1901 in Stärke von
400
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
270 Seitm mit 200 Abbildungen erschienen. Dieses Werk ist ver¬
griffen und soll anscheinend nicht neu aufgelegt werden. An seine
Stelle ist vielmehr das vorliegende neue Werk getreten, das einen
wesentlich anderen Charakter hat und sich auch äußerlich nicht als
Fortsetzung jenes Grundrisses darstellt, da es nicht als zweite Auflage
bezeichnet ist. Nach dem Vorwort soll es den Studierenden der
Medizin die wichtigsten Ergebnisse der Entwicklungsgeschichte des
Menscheu verständlich machen; zur Ausfüllung der in dieser Ent¬
wicklungsgeschichte bestehenden Lücken sind auch die Haustiere heran¬
gezogen; die Berücksichtigung der Haustiere „macht das Buch vielleicht
auch für Studierende der Tierheilkunde brauchbar“. Durch diese wenigen
Sätze ist die grundsätzliche Veränderung klar genug hervorgehoben.
Das Buch will dein Studierenden der Medizin dienen und kann nebenbei
vielleicht auch für Studierende der Tierheilkunde brauchbar sein. Wir
möchten doch die Frage aufwerfen, ob es sich nicht rür die Verlags¬
buchhandlung wie für den Herrn Autor gelohnt hätte, neben diesem
neuen Werke, das die Haustiere nur nebenbei berücksichtigt, auch in
entsprechend erweiterter Form die spezielle Entwicklungsgeschichte der
Haussängetiere fortbestehen zu lassen. Es sollte mich freuen, wenn
dieser Wunsch nicht umsonst hier ausgesprochen • wäre. Im übrigen
ist das vorliegende Werk vortrefflich. Mangels eines eignen Werkes
über die Haustiere wird cs allerdings für die Studierenden auch der
Tiermedizin brauchbar sein; denn es gibt ja die Entwicklungsgeschichte
des Säugetiers, um den Menschen hier mit einzurechnen, und hat da¬
durch, sowie durch die ganze Art der Darstellung, einen wesentlichen
Vorzug vor jenen, zum Teil größeren Werken, welche in wesentlichen
Punkten auf die Entwicklungsvorgänge bei anderen Tieren zurückgreifen.
Immanuel Munks Lehrbuch der Physiologie des Menschen und der
Säugetiere. Berlin, Verlag von A. Hirschwald. Preis 14 M.
Auch auf dem Gebiet der Physiologie verfügen die Tierärztlichen
Hochschulen über kein eigentliches Spczialwerk. Immerhin hat sich hier
Immanuel Munks Lehrbuch eine weite Verbreitung gewonnen. Nach
dem Tode des Verfassers hatte dasselbe in der 7. Auflage eine weitgehende
Umarbeitung und Vervollständigung durch Prof. Dr. Schulz, Abteilnngs-
vorsteher am Physiologischen Institut zu Berlin, erfahren. Nachdem
auch diesen Autor der Tod dahingerafft hajte, ist inzwischen die achte
Auflage erschienen und von Prof. Dubois-Reymond neu bearbeitet
worden. Auch diese Bearbeitung hat dem Buche zu seinen alten Vor¬
zügen neue hinzngefügt, wenn auch die Wünsche, die speziell die
Veterinärmedizin an ein solches Lehrbuch stellen muß, keineswegs alle
erfüllt sind. Es soll daher auf die vorliegende moderne Bearbeitung
empfehlend hingewiesen werden.
Anatomie und Physiologie der großen Haustiere, mit besonderer
Berücksichtigung der Beurteilungslehre des Pferdes. Für Landwirte
und Tierzüchtcr bearbeitet vom Prof. I)r. Disselhorst-IIalle. 380 Seiten
mit 373 Abbildungen. Berlin bei Paul Parey. Preis 12 M.
Daß es für den gebildeten Landwirt wünschenswert ist, sich eine
Kenntnis vom Körper des Tieres und von den Grundsätzen seiner
Lebenstätigkeit zu verschaffen, ist selbstverständlich. Eine derartige
Ausbildung kann namentlich tierärztlicherseits nur gewünscht werden,
da sie das Verständnis auch für die Aufgaben der Veterinärmedizin
nur erschließen kann. Wer Gelegenheit hat, derartige Vorträge für
Landwirte zu halten, wird immer wieder darum angegangen sein, ein
Lehrbuch zur Unterstützung der Vorlesung zu bezeichnen. Unter den
vorhandenen Werken eine Auswahl zu treffen, war schwer; teils waren
dieselben zu nmfangreich, teils wieder zu einfach gestaltet, oder aber
sie verfolgten nicht den speziellen Zweck, den Studierenden der Land¬
wirtschaft zu unterrichten. Man kann sagen, daß das Werk von
Disselhorst einem wirklichen Bedürfnis entgegenkommt. Der Ver¬
fasser beschränkt sich mit Recht ausschließlich auf seinen eigentlichen
Zweck. Er behandelt den Stoff wissenschaftlich, in Kürze und unter
Betonung der praktischen Richtung. Die anatomische Darstellung be¬
rücksichtigt die Benrteilungslehre des Pferdes, wenn sie auch freilich
in dieser Hinsicht keineswegs Vollständiges bietet. Mein Urteil über
das Werk ergibt sich daraus, daß ich dasselbe meinen Hörern an der
Landwirtschaftlichen Hochschule ausschließlich empfehle.
Anatomie und Physiologie der Haussfiugetiere. Von Prof. Dr. Kaiser-
Hannover. 170 Seiten mit 180 Abbildungen. Berlin bei Paul Parey.
Preis 4 M.
Auch dieses kleine Werk will dem Unterricht der Landwirte in
der Anatomie und Physiologie dienen, ist aber für bescheidenere Ver¬
hältnisse berechnet. Dem Studierenden, der sich gründlich ausbildcn
will, wird es nicht genug bieten; für einen beschränkteren Unterricht
dagegen an landwirtschaftlichen Schulen kann es, namentlich auch
wegen seiner vielen und guten Abbildungen, die Parey seinem reichen
Bilderstaude entnommen hat, durchaus empfohlen werden.
Aus dem Auslande.
Chauveau, Arloing und Lesbre: Traltä d’Anatomie comparee des
animaux domestiques. Paris bei Bailliere.
Die französische tierärztliche Literatur verfügt über ein vor¬
zügliches Lehrbuch der vergleichenden Anatomie, welches von Chauveau
begründet worden ist. Dieses Werk ist in die erste Reihe der Hand¬
bücher der Veterinäranatomie zu stellen und hat gewisse unerreichte
eigenartige Vorzüge. Es ist streng wissenschaftlich und außerordentlich |
gründlich, bietet die zuverlässigste Auskunft auch in Einzelheiten, und
führt den Vergleich zwischen den Haustieren sehr vollständig durch;
es berücksichtigt namentlich sehr eingehend auch den Menschen. Daß
auch das Kamel unter den Haustieren aufgeführt wird, erklärt sich
aus dem Bedarf von Afrika. Das Werk ist zuletzt in fünfter Auflage
erschienen, an deren Bearbeitung, offenbar hervorragend, Professor
Lesbre-Lyon beteiligt ist. Gegenüber der vierten Auflage, welche
Arloing herausgegeben hatte, weist diese letzte Auflage eine erhebliche
Umfangvermehrung auf; sie besteht aus zwei Bänden von zusammen
1400 Seiten mit 745 Abbildungen. Die Abbildungen sind größtenteils
höchst charakteristisch, obwohl die Reproduktion und Manier zum Teil
etwas primitiv wirken. Für vergleichendes anatomisches Studium ist
dieses Werk von größtem Wert.
Professor Lesbre hat auch ein Lehrbuch der Histologie verfaßt
unter dem Titel: Elöments d’Hlstologle et de Technique microscoplque.
(Paris, Asselin et Houzeau.) Auch dieses Werk stellt sich als eine
zweite Auflage bzw. eine Neubearbeitung eines Arloingschen Buches dar.
The Surgical Anatomy of the Horse. Von Share-Jones, Lehrer der
Veterinäranatomie an der Universität zu Liverpool und am Royal
Veterinary College zu London. London bei Williams und Norgate.
Der Verfasser hat es unternommen, ein umfangreiches Werk über
die chirurgische Anatomie des Pferdes zu schaffen, von welchem der
erste und der zweite Band vorliegen; der erste behandelt Kopf und
Hals, der zweite die Brustgliedmaßen Text und Abbildungen nehmen
etwa die gleiche Stellung ein: der Text ist verhältnismäßig kurz, die
Abbildungen sind zahlreich, in einfacher und flotter Manier, großenteils
farbig und jedenfalls sehr instruktiv gegeben. Gerade auch der Ab¬
bildungen wegen wird das Werk auch für denjenigen, der die englische
Sprache nicht vollkommen beherrscht, Interesse haben. Der erste Band
umfaßt 150 Seiten und 33 Tafeln, der zweite 180 Seiten und 34 Tafeln.
Das Werk darf seiner ganzen Anlage nach als ein bedeutendes be¬
zeichnet werden.
Trattato di Teonica e Therapeutica Chlrurgloa generale e speciale
degli Animal! domestici. Von Lanzllotti-Buonsanti, Professor an der
Tierärztlichen Hochschule in Mailand. Como.
.LanzilottU großes chirurgisches Werk ist bei dem dritten Bande
angelangt, welcher die Extremitäten behandelt. Die erste Abteilung
dieses Bandes umfaßt die allgemeine chirurgische Technik der Extremi¬
täten, die zweite Abteilung, deren Anfang vorliegt, wird die spezielle
Chirurgie der Brustgliedmaßen behandeln. In der allgemeinen Abteilung
fallen besonders auf die zahlreichen und originellen Darstellungen der
Bewegungsphasen und gewisser Bewegungsstörungen.
Schmaltz.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen: In Preußen dem Korps
Stabsveterinär des V. Armeekorps Mü'lersknwski-Posen, sowie dem
Schlachthofdirektor a. D. Alb. Kleinsrhmidf -Erfurt der Rote Adlerorden
IV. Klasse, dem Kreistierarzt Dr. Achilles -Wernigerode der Charakter
als Veterinärrat; in Sachsen dem Landestierarzt Dr. Edelmann und
dem Professor Dr. Pusch der Charakter als Obermedizinalrat, sowie
den Professoren DDr. Eher in Leipzig, Biedermann, Lungwitx und
Schmidt in Dresden, dem Schlachthofdirektor Bezirkstierarzt a. D.
Hengst -Leipzig und den Bezirkstierärzten /for/w-Löbau und Harten-
«fetn-Döbeln das Ritterkreuz I. Klasse des Albrechtsordens.
Ernennungen: Veterinärbeamte: Dr. med. vet. Willi es, bisher
Assistent am Bakteriologischen Institut der Landwirtschafts¬
kammer zu Kiel, zum Polizeitierarzt in Hamburg, Hans Rotkemund-
Schnaitsee zum Distrikts- und Grenztierarzt in Burghausen (Ober¬
bayern). — Schlachthof Verwaltung: Schlachthofinspektor
Friedrich JAngrich -Rostock i. M. zum Schiachthofdirektor daselbst.
— Versetzt: Die Kreistiorärzte 7W«?er-Belgard nach Berlin, Orebc-
Rheinbach in die Kreistierarztstelle zu Bonn.
Niederlassung: Dr. med. vet. Richard Standfuß aus Breslau in
Reinerz (Grafschaft Glatz). — Verzogen: Die Tierärzte Joh. Kekcr-
Eilenburg nach Zweibrtteken (Rheinpralz), Franz Nachreimer-Ge'iB-
lingen nach Emmendingen (Baden).
Examina: Das Examen als beamteter Tierarzt haben be¬
standen in Preußen die Tierärzte Oberveterinär Dr. Adolf Albrecht-
Berlin, Dr. Paul. Dieckmann -Berlin, Paul //«as-Hannover, August
il/wc/ta-Hamborn, Dr. Paul Nehte- Berlin, Dr. Viktor Oe/A-^-Wittingen,
Walther Racther- Berlin, Dr. Leonhard Schmidt- Breslau, Wilhelm
Schmidt - Hannover, Oberveterinär Wilhelm Wenderhold - Berlin,
Dr. Kurt HöZ/eZ-Breslau. — Approbiert wurden in Dresden die
Herren Hermann Melzer und Clemens Hans Grunert.
Approbiert: Die Herren Otto Heymanns aus Jülich, Edwin
Lehnert aus Mehlauken in Hannover.
Todesfall: Tierarzt Emil NcAm^e-Muggensturm (Baden).
Vakanzen. (v g i. Nr. is.)
Kreistierarztstelle: Reg.-Bez. Köslin: Beigard. Bewerbungen
innerhalb drei Wochen an den Regierungspräsidenten.
Verantwortlich für den Inhalt (ezkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag and Eigentum der Verlagebnchhandlang von Richard Schnets in Berlin. —
Druck von W. ßOxetulein, Berlin.
Die „Berliner Tier;«milche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verla (je ron Richard Schoetz in
Berlin SW. 48, Wilholtnatr. 10. Durch jedes d«Mitsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (Österreichische Post-Zeitimgs-
Preisiiate Nr. 574. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Originalbeitriige werden mit 60 Mit., In Petitsatz mit
00 31k« ftlr den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Luisenstraße 56. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Glage
Professor
Hamburg.
Veterinärrat Dr. Lothe8
Departeinentstlerarzt
Cöln.
Prof. Dr. Peter
Kreistierarzt
Angermünde.
Veterinärrat Peters
Departementstierarzt
Bromberg.
Veterinärrat Preuße
Departementsliorarzt
Danzig.
Dr. Richter
Professor
Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder
Professor
Dresden.
Dr. Schlegel
Professor
Frei bürg i. Br.
Dr. J. Schmidt
Professor
Dresden.
Reg.-Rat Dr. Vogel
Lande’itierarzt v. Bayern
München.
Wehrle
Kauer! Regierungsrat
Berlin.
Zündel
Kreistierarxi
Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908. Jfä 23 . Ausgegeben am 4. Juni.
Inhalt: Marxer: Eine aktive Immunisierung gegen Schweinepest mit abgetötetem Virus. — Cämmerer: Schweine¬
seucheserum. — Berger: Behandlung der Schweineseuche mit Suptol. — Referate: Uhlenhuth, Xylander,
Hübener und Bohtz: Untersuchungen über das Wesen und die Bekämpfung der Schweinepest. — Forssel: Diagnose und
Behandlung der Kolonverdrehung (Torsio coli) beim Pferd. — Krüger: Die örtliche Empfindungslosigkeit (Lokalanästhesie)
in der Veterinärchirurgie. — Imminger: Über Krankheiten des Hornes und der Stirngegend beim Kinde. — Moussu: Be¬
handlung der Akarusräude des Hundes. — Tagesgeschichte: Aufruf an sämtliche Tierärzte und tierärztlichen Vereine Deutsch¬
lands. — Eintritt in die Militärveterinärlaufbahn. — Matnre und immature Tierärzte. — Auszug aus dem Protokolle der
ordentlichen Generalversammlung des „Tierärztlichen Vereins Schleswig-Holsteins“. — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen
Maßnahmen zur Förderung der Viehzucht in Deutsch-Südwestafrika und zur Bekämpfung der afrikanischen Viehseuchen. —
Abdeckereiwesen. — Ein langwieriger Seuchenprozeß. — Verschiedenes. — Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel:
Ergebnisse der Schlachtvieh- und Fleischbeschau im Deutschen Reiche (Preußen) für das Jahr 1904». — Die Ergebnisse der
Schlachtvieh- und Fleischbeschau bei Schlachtungen im preußischen Staate für das Jahr 1900. — Verschiedenes. —
Personalien. — Vakanzen.
Eine aktive Immunisierung gegen Schweinepest
mit abgetötetem Virus.
Von Dr. med. vet. A. Marxer.
(Aus der bakteriologischen Abteilung der chemischen Fabrik auf Aktien [vorm.
E. Schering] zu Berlin.)
Durch die Nachprüfung von Oster tag und Stadie *) und
später von Uhlenhuth, Hübener, Xylander und Bohtz-) ist
wohl jetzt außer Zweifel, daß die Schweinepest in Deutschland eben¬
falls durch ein ultravisibles Agens verursacht wird, welches die
Fähigkeit besitzt, Tonkerzen zu passieren, und daß die deutsche
Schweinepest wohl identisch ist mit der amerikanischen, wie
sie de Schweinitz und Dorset 3 ) anläßlich einer Epidemie
unter Schweinen im Staate Jova beschrieben haben. Hutyra 4 )
konnte die amerikanischen Resultate für Ungarn bestätigen. Wie
in Amerika**) wurden auch in Europa von den Forschern mit der
Feststellung der Ätiologie dieser verheerenden Infektionskrankheit
Immunisierungsversuche vorgenommen. In Amerika führte eine
aktive Immunisierung zn keinem befriedigenden Ergebnis. Auch
Uhlenhuth 2 ) und seine Mitarbeiter resümieren am Schlüsse
ihrer Versuche über eine aktive Schutzimpfung, daß ein abge¬
tötetes Virus für die Immunisierung nicht geeignet ist, ein ab¬
geschwächtes aber zu gefährlich ist, da es unter Umständen
krank macht.
Meine Versuche begann ich in der Absicht, mit abgetötetem
Schweinepestvirus eine Immunität zn erzielen. Als Immunisierungs¬
methode wandte ich die von E. Levy, Franz Blumenthal
und A. Marxer <w> ) bei anderen Infektionskrankheiten (Tuber¬
kulose, Rotz, Typhus) mit Erfolg verwendete Schutzimpfungsart
an, durch Behandlung der Infektionserreger mit chemisch indiffe¬
renten Mitteln. Von den Stoffen, die zu ihren Untersuchungen
Verwendung fanden, hielt ich den Harnstoff als geeignetstes
Abtötungsmittel. Die Harnstofflösungen bedingen nämlich ein
fast momentanes Austreten des Blutfarbstoffes, indem sie, ähnlich
wie destilliertes Wasser, in die Maschen des Stromas der roten
Blutkörperchen eindringen, ohne eine Schrumpfung der roten
Blutkörperchen zu verursachen 10 ). Ich mußte also annehmen,
durch diese Eigenschaft der HarnstofHösungen das Virus gleich¬
mäßig beeinflussen zu können. Bezüglich der Wirkungsweise
der HarnstofHösungen verweise ich auf die Arbeiten von
E. Levy, Franz Blumenthal und A. Marxer.
Das Ausgangsmaterial zu meinen Untersuchungen ist mir
in liebenswürdiger Weise von Herrn Geheimrat Ostertag zur
Verfügung gestellt worden. Dasselbe stammte von Schweinen,
welche wegen schwerer Erkrankung an Schweinepest not¬
geschlachtet worden waren.
Ferkel 1 wurde am 17. Oktober 1 ccm dieses Serums, fil¬
triert, unter die Haut injiziert. Am 28. Oktober erhielt das
bereits kranke Ferkel noch einmal 8 ccm desselben Materials
subkutan, um ein möglichst wirksames Virus von diesem Tier zu
erhalten. Am 30. Oktober wurde das Ferkel in der Agone ge¬
schlachtet. Sektion: Rote Flecken auf der Haut am Hals, am
Bauche und an der Innenfläche der Schenkel. Die Spitzenlappen
der Lungen beiderseits und der Zwerclifelllappen teilweise grau¬
rote Hepatisation. Die Schleimhaut des Magens und Darmes ist
geschwollen, ihre Drüsen desgleichen. Im Cöcum finden sich drei
umschriebene blntige Herde. Die Rindenschicht der Nieren weist
Petechien auf, die Markschicht ist gerötet. Trübe Schwellung der
Körperparenchyme. Am 2f>. Oktober wurden zu diesem Ferkel
Ferkel II und III hinzugesetzt. Diese hatten am 17. Oktober das
erstere 1 ccm, letzteres 5 ccm desselben Serums wie Ferkel I
subkutan injiziert erhalten, nachdem es 2 Tage mit lOproz. Harn¬
stoff bei 37° geschüttelt war. Als Kontrolle kam am 28. Oktober
das unbehandelte Ferkel IV hinzu. Ferkel II mußte am 2. November
schwer krank getötet werden. Sektion: Die Haut am Rüssel,
auf dem Rücken, an der Brust und am Bauch war gerötet. Die
Schleimhaut des Darmes war entzündet. Darmdrüsen teils blutig,
teils markig geschwollen. Leber und Herz zeigten trübe
Schwellung, die Nieren hämorrhagische Entzümlnngsherde.
402
Lungen hatten keine Veränderungen. Kontrollferkel IV wurde
am 19. November morgens tot aufgefunden, nachdem es schon
am Tage vorher jedes Futter verweigert hatte. Ferkel III
zeigte bis zum 18. November keine Krankheitserscheinungen.
Es wurde deshalb an diesem Tage eine verstärkte Infektion
vorgenommen. Es erhielt die mit einer Fleischhackmaschine
zerkleinerten Organe eines wegen Pest getöteten Ferkels unter
das Futter gemischt. Dieser Infektion konnte das Tier nicht
widerstehen. Es wurde am 23. November schwer krank
getötet. Ferkel II und III waren, wie sich nachher heraus¬
stellte, mit abgeschwächtem ViruÄ immunisiert worden. Mehrere
Ferkel, die in denselben Stall gesetzt wurden, in dem die
beiden vorbehandelten Tiere vorher waren, erkrankten nach
einem Inkubationsstadium von 5 Tagen an Symptomen der
Schweinepest. Die mit dem abgeschwächten Virus injizierten
Ferkel hatten also, ohne selbst krank zu werden, doch
infektionstüchtiges Virus ausgeschieden. Infolgedessen änderte
ich meine Versuchsanordnung in der Weise, daß ich zu den
behandelten Schweinen immer ein .unbehandeltes setzte, als
Kontrolle, daß eine Infektiosität der geimpften Ferkel nicht
bestand.
Während ich zu diesem Versuche Serum mit 10 proz.
Harnstoff geschüttelt hatte, verwandte ich zu den übrigen
defibriniertes Blut zum Schütteln mit Harnstoff. Ich hoffte, auf
diese Weise ein wirksameres Präparat zu erhalten, da beim
Ausscheiden des Serums mit den roten Blutkörperchen nicht
unbeträchtliche Mengen Virus sich im Gerinnsel wohl absetzten.
Diese Erwartung wurde nicht getäuscht. Drei Ferkel, welche
mit Virus, welches drei Tage lang mit 10 proz. Harnstoff
behandelt war, in Mengen von 2,5 und 10 ccm gespritzt wurden,
gingen am zweiten Tage an Pest zugrunde. Das Virus ist im
defibrinierten Blute erst nach 4 tägigem Schütteln mit 10 proz.
Harnstoff Bicher für die geimpften wie für die unbehandelten
Tiere in demselben Baum unschädlich.
Bevor ich auf die Versuche mit abgetötetem Virus näher
eingehe, möchte ich noch einige Untersuchungen erwähnen,
welche den Zweck hatten, darzutun, ob es möglich ist, Tiere,
die der Infektion sofort ausgesetzt werden, durch Behandlung
mit abgeschwächtem Virus zu schützen, und solche, die bereits
krank sind, zu heilen. Ferkel V erhielt am 7. November 5 ccm
2 tägiges Virus, Ferkel VI 5 ccm 3 tägiges Virus. Dieselben
wurden sofort in einen verseuchten Stall gesetzt mit dem
Kontrollferkel VII. Ferkel V mußte am 15. November, Ferkel VI
am 23. November, Kontrollferkel VII am 21. November wegen
Pestsymptomen geschlachtet werden. Ferkel X erhielt am
18. November schwer krank J / 2 ccm 1 tägiges Virus. Ferkel XI,
XH und XIII wurden in der gleichen Weise behandelt. Es konnte
keines der Tiere gerettet werden.
Ferkel V:
7. Nov. 5 ccm Virus II subkutan und in den Seuchenstall
gesetzt.
14. Nov. Diarrhöe, Rötungen der Haut.
15. „ getötet : septikämische Form der Pest.
Ferkel VI:
7. Nov. 5,0 Virus III subkutan und in den Seuchenstall
gesetzt.
23. r getötet: wie V.
No. 23.
Ferkel VII (Kontrolle):
7. Nov. in den Seuchenstall gesetzt.
21. „ getötet: wie V und Seuche.*)
Ferkel X:
11. Nov. in den Seuchenstall gesetzt.
18. „ schwerkrank 0,5 ccm Virus I subkutan.
21. ,. getötet: wie V und Seuche.
Ferkel XI:
11. Nov. wie X.
18. r „ X.
22. getötet wie V.
Ferkel XII:
11. Nov. wie X.
18. r anscheinend gesund wie X.
28. „ wie V.
Ferkel XIII:
11 . Nov. wie X.
18. , „ X.
19. „ getötet: wie V.
Zur sicheren Abtötung des Virus im defibrinierten Blute von
verschiedenen Schweinen genügte ein viertägiges Schütteln bei
37° mit 10 proz. Harnstoff, Ferkel 15 und 16 bewiesen die
Unschädlichkeit des Virus von Ferkel 8, 9 und 13 (Sammelvirus I)
nach viertägiger Behandlung mit Harnstoff, Ferkel 21 die des
Virus von Ferkel 1, Ferkel 19, 23, 25, 26, 28, 29, 31 die des Sammel¬
virus II, (Dies bestand aus drei Sorten viertägigem Virus, von
Ferkel 8, 9,13, von Ferkel 3 und 12, von Ferkel 6, 7,10.), Ferkel 34
die Unschädlichkeit des viertägigen Virus von Ferkel 30. Daß
die so immunisierten Schweine auch wirklich abgetötetes Material
erhalten hatten, zeigte sich auch noch dadurch, daß die zu den.
einzelnen Versuchen hinzugesetzten unbehandelten Tiere vor
der Ansteckung bewahrt blieben. Die Ferkel, die derartig
behandeltes Virus erhalten hatten, wurden 1—3 Wochen nach
der Injektion in einen verseuchten Raum gebracht und damit
der natürlichen Infektion ausgesetzt. Als Seuchenstall wurde
während der ganzen Versuche der Raum benutzt, in welchem
Ferkel I mit filtriertem Pestvirus infiziert worden war. In
| folgenden Versuchstabellen werden die Ergebnisse, die mit ab¬
getötetem Virus erzielt wurden, dargetan.
I. Versuch.
Ferkel 15:
6. Dez. 10 ccm Sammelvirus IV**) Nr. 1 subkutan.
30. Dez. in den Seuchenstall gesetzt.
4. März 20 ccm Virus Ferkel 18 subkutan.
17. März verstärkte Infektion (*= frisches Virus verfüttert-}.
23. März verstärkte Infektion.
Bleibt gesund.
Ferkel XVI:
6. Dez. 2 ccm Sammelvirus IV Nr. 1 subkutan.
20. Dez. in den Seuchenstall gesetzt.
1. Febr. tot: Pest und Seuche.
*) In den Lungen dieser Ferkel wurden Veränderungen nach¬
gewiesen, w'ie sie bei der chronischen Form der Schweineseuche
vorzukommen pflegen.
**) Die Zahl hinter dem Virus bedeutet die Anzahl der Tage,
während deren das Blut mit der Abtötungsflüssigkeit geschüttelt
wurde. Als Abtötungsmittel wurde, wo nichts anderes vermerkt
ist, 10 proz. Harnstofflösung benutzt.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
403
4. Juni 1908.
Ferkel 21;
14. Dez. 5 ccm Virus 4 Ferkel 1 subkutan.
31. Dez. in den SeuchenstaU gesetzt.
27. Febr. geschlachtet: ohne pestartige Veränderungen.
Ferkel 30 (Kontrolle):
15. Jan. in den Seuchenstall gesetzt.
31. Jan. frißt nicht mehr und steht nur beim Anstoßen auf.
1. Febr. getötet: Pest*
Ferkel 37 (Kontrolle zu 15):
13. März 2 ccm Virus Ferkel 18 subkutan.
21. März tot: Pest (Geschwüre).
Ferkel 4 (Kontrolle):
28. Okt. in den Seuchenstall gesetzt.
19. Nov. tot: ganz abgemagert. Pest und Seuche.
Ferkel 7 (Kontrolle):
7. Nov. in den SeuchenstaU gesetzt.
21. Nov. getötet: Pest und Seuche.
In diesem Versuch sind Ferkel 15 und 16 mit verschiedenen
Mengen desselben Virus vorbehandelt. Ferkel 16 ging etwa
einen Monat nach erfolgter Infektion zugrunde. Die Sektion
ergab fibrinöse Epi- und Perikarditis, fibrinöse Pleuritis, morti-
fizirende fibrinöse Pneumonie. Im Dickdarm sind zahlreiche
käsige Geschwüre im Bereiche der Pey er sehen Platten. Darm¬
drüsen sind markig geschwoUen, zum Teil vollständig verkäst.
Das Myokard, die Leber, die Nieren zeigen trübe Schwellung.
Müz ist geschwoUen. 2 ccm konnten also das Tier vor der
Pestinfektion nicht bewahren. Das mit 10 ccm gespritzte Ferkel 15
ist bis jetzt immer gesund und entwickelt sich wie ein normales
Schwein, trotzdem es am 4. März noch 20 ccm voll virulentes
Virus unter die Haut bekam, die zehnfache Menge der Dosis,
welcher Kontrollferkel 37 in 7 Tagen erlegen ist. Am 17. März
wurden den Ferkeln im verseuchten StaUe die zerhackten Organe
von dem an Pest verendetem Ferkel 27 in das Futtergemischt, am
23. März in der gleichen Weise die Organe von Ferkel 37.
Ferkel 21, welches mit 5 ccm 4 tägigem Virus von Ferkel 1 subkutan
immunisiert worden war, blieb ebenfaUs gesund. Am 27. Februar
Heß ich das Tier schlachten und konnte, außer einigen grauroten
Herden von festweicher Konsistenz im rechten Spitzenlappen
der Lunge, Veränderungen nicht nach weisen. Kontrollferkel 30 I
wurde 14 Tage nach erfolgter Infektion schwer krank getötet
und zeigte bei der Sektion die septikämische Form der Pest.
Die beiden anderen Kontrollferkel sind ebenfaUs nach zwei und
drei Wochen der natürlichen Infektion erlegen.
2. Versuch.
Ferkel 25:
19. Jan. 10 ccm Sammelvirus 4 Nr. n subkutan.
10. Febr. in den SeuchenstaU gesetzt.
17. März verstärkte Infektion (frisches Virus verfüttert).
23. ,, „ ,)
Bleibt gesund.
Ferkel 26:
19. Jan. 5 J /2 ccm > w * e Ferkel 25.
10. Febr. „ „ 25.
17. März ., ,, 25.
23. „ r, j7 25.
Bleibt gesund.
Ferkel 28:
17. Jan. 2 ccm, wie Ferkel 25.
10. Febr. ,, „ 25.
12. „ schwerkrank, getötet: Seuche und Pest.
Ferkel 29:
17. Jan. 5 1 /» ccm, wie Ferkel 25.
10. Febr. „ „ 25.
17. März .. „ 25.
28. * „ „ 25.
Bleibt gesund.
Ferkel 31:
19. Jan. 3 12 ccm, wie Ferkel 25.
10. Febr. wie Ferkel 25.
19. „ schwerkrank getötet: Seuche und Pest.
Ferkel 36 (Kontrolle):
6. März in den SeuchenstaU gesetzt.
23. „ frißt nicht mehr.
24. „ geschlachtet: Pest.
Die Tiere dieser Versuchsreihe sind mit verschiedenen
Mengen desselben Virus geimpft. Wie im ersten Versuche
gingen die mit weniger als mit 5 ccm vorbehandelten Tiere
ebenso wie die KontroUen nach der Überführung nach dem
SeuchenstaU an Pest ein. Die mit größeren Dosen geimpften
Tiere blieben trotz der verstärkten Infektion dauernd gesund.
III. Versuch.
Ferkel 23:
25. Jan. 3 ccm Sammelvirus 4 Nr. II. subkutan.
7. Febr. 57» ccm Virus 4 Ferkel 30 (25 proz. Galaktoseblut)
subkutan.
17. Febr. in den SeuchenstaU gesetzt.
17. März wie Ferkel 15.
23. März wie Ferkel 15.
Bleibt gesund.
Ferkel 24;
14. Febr. 10 ccm Virus 3 Ferkel 24a (25 proz. Galaktose¬
blut) subkutan.
24. Febr. in den SeuchenstaU gesetzt.
17. März wie Ferkel 15.
23. März wie Ferkel 15.
Bleibt gesund.
Ferkel 34:
14. Febr. 10 ccm Virus 4 [Ferkel 30 (10 proz. Harnstoff¬
blut) subkutan.
24. Febr. in den SeuchenstaU gesetzt.
17. März wie Ferkel 15.
23. März wie Ferkel 15.
Bleibt gesund.
KontroUen siehe Ferkel 36, 30, 4, 7.
In Versuch 3 ist außer mit 10 proz. Harnstoffvirus noch ein
Ferkel mit Material, welches vier Tage mit 25 proz. Galaktose¬
lösung bei 37° geschüttelt war, immunisiert worden. Das Blut
von Ferkel 24a ist nur drei Tage mit 25 proz. Galaktoselösung be¬
handelt. Die Immunität bei Ferkel 23 kann nicht durch die erste
Injektion von 3 ccm viertägigem 10 proz. Harnstoffvirus her¬
rühren, wie die aus den Versuchen 1 und 2 mit ebenso geringen
Dosen vorbehandelten Ferkel zeigen. Das Virus wird also auch
in hochprozentigem Galaktoseblut in schonender Weise abge¬
tötet und bleibt für die Immunisierung geeignet, wie dies auch
Ferkel 24, welches nur mit 25 proz. Galaktoseblut gespritzt
war, beweist. Sämtliche Ferkel blieben auch in diesem Ver¬
suche gesund und entwickelten sich in normaler Weise.
Ich konnte also das Virus der Schweinepest durch
Schütteln mit Harnstoff- und Galaktoselösungen un-
404
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
schädlich machen und in einen Impfstoff umwandeln,
mit dem sich Ferkel leicht gegen Schweinepest
immunisieren lassen.
Da es für die Abtötungszeit des Virus und für den daraus
resultierenden Schutzwert von großer Wichtigkeit ist, in welchen
Mengen dasselbe im Blute vorhanden ist, hielt ich es für nötig,
durch Mischen des Blutes von mehreren Schweinen für eine größt¬
möglichste Gleichmäßigkeit des Impfstoffes zu sorgen. Derselbe
müßte auch vor der jedesmaligen Abgabe auf seine Unschädlich¬
keit in der oben beschriebenen Art geprüft werden, daß man
unbehandelte Tiere zu den vaccinierten Ferkeln zusetzt, um
festzustellen, daß sie keine Infektion bewirken können.
Etwa die Hälfte der Ferkel, die bei den Versuchen zur
Sektion gelangten, hatten Veränderungen der Lungen, wie
wir sie bei der chronischen Form der Schweineseuche zu sehen
gewohnt sind. Auch von den Ferkeln, welche nicht zugrunde
gingen, hustete ein großer Teil, ohne aber sonstige Krankheits¬
merkmale erkennen zu lassen oder in der Entwicklung zurück¬
zubleiben. Nachdem ich die Tiere etwa 8—10 Tage in einem
Stalle, in dem nie Schweine waren, oder der gründlich des¬
infiziert worden war, zur Beobachtung gelassen hatte, unterzog
ich sie der Schutzimpfung. In keinem einzigen Falle sah ich
ein Akutwerden der Schweineseuche durch die Impfung mit
abgetötetem Pestvirus. Wohl aber entwickelten sich bei 2 Fer¬
keln (Ferkel 14 und 16), welche nicht genügend geschützt
waren, sowohl ausgedehnte Veränderungen der Lungen und der
Brusthöhle als auch des Darmes. Diese Ferkel hatten allerdings
über einen Monat der Infektion stand gehalten. Durch die
Schutzimpfung waren die Tiere nicht beeinträchtigt worden, erst
infolge der natürlichen Infektion mit Pestvirus wurde die chro¬
nische Seuche akut und bedingte fibrinöse Pneumopleuresie. Von
den übrigen Ferkeln, die w’ährend der Versuche infolge Infektion
mit Pestvirus rascher zugrunde gingen, hatten die Ferkel
1, 4, 7, 8, 10, 13, 27, 28, 31 in den Lungen nur vereinzelte
Stellen von festweicher Konsistenz mit feuchter glatter Schnitt¬
fläche von grauroter Farbe (schlaffe Hepatisation). Ferkel 21,
welches die Pestinfektion überstanden hatte und immun war,
wurde geschlachtet und zeigte ebenfalls Veränderungen der Lun¬
gen der eben beschriebenen Art. Ferkel 2, 3, 5, 6, 9, 11, 12,
17, 18, 22, 30, 35, 36, 37 hatten nur Darmveränderungen.
Als Infektionsmaterial zum Beginne dieser Untersuchungen
diente mir filtriertes Serum von Schweinen, welche wegen Aus¬
bruchs einer Epidemie von Schweinepest notgeschlachtet waren.
Ich erzielte damit bei Ferkel 1 die septikämische Form der Pest.
Durch Zusammenleben mit diesem erkrankten Ferkel 2 und 4,
das erstere an der chronischen, letzteres an akuter Pest. In dem
Stalle, in welchem die Tiere untergebracht waren, sind seit
mehreren Jahren keine Schweine gewesen. Eine Kultur von
Bacillus suipestifer ist nie zur Verwendung gekommen. Mit
dem Blute der an Pest erkrankten Tiere konnte ich durch
Schütteln mit Harnstoff einen Immunstoff gewinnen, mit dem
sich gegen die Krankheit schutzimpfen ließ. Wie oben erwähnt,
ist das Blut erst nach 4 tägiger Behandlung mit 10 proz. Harn¬
stoff unschädlich. Nun hat aber Stilling 11 ) festgeBtellt, daß
der Bacillus suipestifer in einer Konzentration von 0,1 g Bazillen
auf 4 ccm 10 proz. Harnstofflösung bereits nach 23 Stunden
durch Schütteln bei 37° abgetötet ist. Ich habe allerdings nicht
das Blut sämtlicher Ferkel, das zur Verwendung gelangte, auf
Bacillus suipestifer untersucht, fand aber in den von mir unter¬
No. 23.
suchten Fällen das Blut steril. Selbst wenn nun im. Blute der
anderen Tiere der Bacillus suipestifer gewesen wäre, was ja
immerhin möglich wäre, da ja Grabert 12 ) und Uhlenhuth 2 )
ihn bei gesunden Schweinen im Darme gefunden haben, von wo
er bei schwerer Erkrankung der Ferkel in der Agonie in das
Blut gelangt sein könnte, so ist er sicher nicht in der Konzen¬
tration darin enthalten gewesen, wie sie beiden Stillingschen
Versuchen angewendet wurde. Stilling brauchte aber nur 23
Stunden zur Abtötung des Bac. suipestifer, während ich 4 Tage
schütteln mußte, um Pestvirus unschädlich zu machen. Eine
Vermehrung der Bazillen im Blute ist bei meinen Versuchen
ausgeschlossen, da das Blut sofort mit 10 proz. Harnstoff ver¬
setzt wurde oder mit 5 proz. Harnstoff im Kühlen aufbewahrt
wurde. Ich kann somit wohl behaupten, daß meine Immunisierungs¬
versuche, abgesehen von der Selbstverständlichkeit der Versuche
an den ersten 4 Ferkeln dafür, in ihrem ganzen Verlaufe eine
weitere Bestätigung der ätiologischen Untersuchungen der deut¬
schen Schweinepest, wie sie die oben genannten Forscher aus-
gefuhrt haben, darstellt.
Literatur.
1. Ostertag und »Stadie, Zeitschr. f. Infektionskrankh. usw.
der Haustiere, Bd. II, 2. 3. u. 6. Heft.
2. Uhlenhuth, Diese Zeitschrift 1907, Nr. 44.
3. de Schweinitz und Dorsct, U. S. Bureau of animal
Industry. Washington 1904.
4. Hutyra, Zeitschr. f. Infektionskrankh. usw. der Haustiere,
Bd. II, 4./5. Heft.
">. Ostertag, Das Veterinärwesen von Nordamerika 1906.
6. Levy, Blumenthal, Marxer, Zentralbl. f. Bakteriol.,
Bd. 42. 1906.
7. Dieselben, Zeitschr. f. Infektionskrankh. usw. der Haustiere.
Bd. III. 1907.
8. Dieselben, Zentralbl. f. Bakteriol., Bd. 46. 1903.
9. A. Marxer. Diese Zeitschrift Nr. 13, 1908.
10. Abderhalden, Lehrbuch der physiol. Chemie 1906.
11. Stilling, Mediz. Dissertation. Straßburg i. Eis. 1907.
12. Grabert, Zeitschr. f. Infektionskrankh. usw. der Haustiere,
Bd. III.
Schweineseucheserum.
Von Tierarzt Cfimmerer-Rehden i. Westpr.
Mir wurden 2000,0 Schweineseucheserum, hergestellt in den
Farbwerken zu Höchst a. M., zu Versuchszwecken in liebens¬
würdiger Weise zur Verfügung gestellt; ich quittiere dankend
für das erhaltene Material. Mehrfach habe ich Gelegenheit
gehabt, dieses Serum zu verwenden. In aller Kürze bringe ich
die Fälle zur allgemeinen Kenntnis.
Meine Versuche sind natürlich fragmentarisch. Für später
behalte ich mir vor, über Einzelheiten zu berichten. Die Er¬
folge, die ich mit dem Serum hatte, waren so überraschend, daß
ich hoffe, in Zukunft Seuchenausbrüchen gegenüber nicht ganz
hilflos zu sein.
Zu dem Gemeindevorsteher D. in S. wurde ich gerufen, um
Schweine im Alter von 10 Wochen bis 1 y 2 Jahr zu impfen,
weil sie die „rote Krankheit 14 hätten. Der Sektionsbefund be¬
stätigte Rotlauf nicht, wohl aber akute Schweineseuche. Geimpft
wurden schwer kranke* Tiere. Nach der Impfung fiel kein
Tier mehr.
Beim Amtsvorsteher T. in 0. immunisierte ich 30 Ferkel
gegen Rotlauf. Auf diesem Gehöft herrscht seit Jahren unter
den Schweinen die Seuche. Sie ist chronisch, aber auch akut
4. Juni 1903.
verlaufen. Einmal fiel nach Rotlaufimmunisierung der ganze
Bestand, nicht an Rotlauf, sondern an Schweineseuche.
Wir beobachten hier im Osten, ja nicht zu selten, die
Katastrophen nach der Rotlanfimpfung. Die latente, chronische
Schweineseuche wird nach Verimpfung von Rotlaufserum und
Kultur akut und dezimiert die Bestände. Die Gründe hierfür
harren noch ihrer Klärung. Bei dem in Frage stehenden Fall
waren die Ferkel 12-15 Wochen alt, von ausgezeichneter
Körperbeschaffenheit; Kümmerer und Huster waren nicht darunter.
24 Stunden nach erfolgter Immunisierung gegen Rotlauf wurde
mir telephonisch mitgeteilt, daß sämtliche Tiere todkrank und
eins tot sei. Mir ist ein solcher Mißerfolg bei der Impfung
noch nicht oft passiert, weil ich es bis jetzt vermieden habe,
an nicht intakte Bestände Kultur zu verimpfen. Zur Unter¬
suchung auf Impfrotlauf sandte ich Material an das Kaiser
Wilhelm-Institut nach Bromberg. Rotlauf wurde nicht festgestellt.
Es war Schweineseuche in ihrer unheimlichen Form. Das
Krankheitsbild war folgendes: die Tiere machen einen be¬
nommenen Eindruck. Die Atmung ist krampfhaft, pumpend,
die sichtbaren Schleimhäute sind zyanotisch. Die Haut zeigt
einen bläulichen, violetten Farbenton. Bei zwei Tieren ist der
Zustand hoffnungslos. Der Exitus letalis ist jeden Augenblick
zu erwarten. Einen Effekt versprach ich mir von der Impfung
nicht, da ich bis dato mit den verschiedensten Schweineseuche-
seris nur negative Erfolge gesehen habe. Die Tiere wurden
sämtlich gesund, zu meiner und des Besitzers Verwunderung.
Ein Gutsbesitzer hatte mehrere Male seinen Bestand durch
Schweineseuche nach Rotlanfimpfung verloren. Er war so
skeptisch gegen Rotlaufimpfung, daß er auf sie verzichtete.
Die Erklärung, die er mir abgab, war entschieden logisch:
„Lasse ich impfen, krepieren die Tiere an der Seuche, lasse ich
nicht impfen, krepieren die Tiere an Rotlauf, infolgedessen lasse
ich gar nicht impfen und spare die tierärztlichen Kosten.“
JO Ferkel des Besitzers impfte ich mit 6,0 Sencheserum.
14 Tage später immunisierte ich gegen Rotlauf. Verimpft
wurden 0,5 Kultur und 4,0 Serum. Bei zwei Kontrollieren,
die mir als „Huster“ bezeichnet wurden, gab ich sogar
0,75 Kultur. Verluste traten nicht ein. Dieser Versuch ist
nicht absolut beweisend, weil erfahrungsgemäß bekannt ist, daß
man nicht jedes Jahr auf den sogenannten Seuchehöfen, wenn
ich mich so ausdriicken darf, Katastrophen nach der Rotlauf¬
immunisierung hat. Manche Generationen mit chronischer
Schweineseuche vertragen anstandslos Rotlaufkulturen.
Ich habe einen Bestand Ferkel von erbärmlichem Exterieur,
mit starkem Husten behaftet, mit 10,0 Seucheserum geimpft.
Der Besitzer erklärte mir später, der Husten hätte auffällig
nachgelassen, der Näbrzustand der Tiere hätte sich ganz be¬
deutend gehoben. Es liegt mir selbstverständlich fern, ein
Urteil zu fällen, Massenversuche werden ja die endgültige
Kritik sprechen, aber die Hoffnung besteht, daß das Rotlauf¬
serum ein würdiges Pendant im Schweineseucheserum erhält.
Behandlung der Schweineseuche mit Suptol.
Von Kreistierarzt Berfler-Rummelsburg i. P.
Auf dem Gute M. hiesigen Kreises wurde im Frühling
vorigen Jahres chronische Schweineseuche festgestellt. Nach
dem Berichte des Besitzers seien im Laufe des Jahres vorher
fast alle Ferkel im Alter ron 2 — 6 Wochen, im ganzen über
405
50 Ferkel, nach und nach verendet, nur vier oder fünf Ferkel
seien am Leben geblieben.
Vom Mai vorigen Jahres an wurden sämtliche neugeborene
Ferkel in den ersten Tagen, darauf zum zweiten Male nach
8 14 Tagen mit Suptol-Burow behandelt. Die kleinen, fast
durchweg elenden Ferkel zeigten schon nach der ersten Injektion
meist eine Besserung, nach der zweiten Injektion ein sichtbares
Wohlbefinden. Der Husten nahm ab, die schorfbedeckten
Tierchen reinigten sich.
Im ganzen wurden im Laufe des vorigen Sommers einige
50 Ferkel behandelt, von denen nur drei Tierchen eingingen.
Sämtliche geimpften Schweine zeigen heute, nach V-i bis a U Jahren,
nicht die geringsten Krankheitserscheinungen mehr, haben sich
vielmehr zur vollen Gesundheit entwickelt.
Betrachtet man die großen Verluste vor der Behandlung
mit Suptol-Burow, so ist bei gleicher Haltung und Fütterung
der Schweine wie vorher die außerordentlich günstige Wirkung
des Suptols nicht zu verkennen.
K e f e r a t e.
Untersuchungen über das Wesen und die Bekämpfung
der Schweinepest.
(Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt, Band 27, Heft 3.)
Von Prof. Dr. Uhlenhuth, Dr. Xy Länder, Dr. Hü heuer und
Dr. Bolitz.
Die Arbeit bildet das Ergebnis eines Teils der Unter¬
suchungen über Schweinepest, die im Kaiserlichen Gesundheits¬
amt in größerem Umfange ausgeführt sind und noch fortgesetzt
werden. Sie erstrecken sich auf die Technik dar Gewinnung
uni Verimpfung keimfreien Impfmaterials und die damit er¬
zielten Impfergebnisse, sodann auf die bakteriologischen Be¬
funde, die Eigenschaften des Virus, dessen Aufnahme und Aus¬
scheidung, ferner auf die klinischen Erscheinungen und patho¬
logischen Veränderungen der Schweinepest, ihre Beziehungen
zur Schweineseuche und die Immunitätsverhältnisse. Das Er¬
gebnis der bisherigen Untersuchungen ist in folgenden Schlu߬
sätzen zusammengefaßt.
1. Die deutsche Schweinepest ist wie die amerikanische
Hogcholera ätiologisch auf ein tiltrierbares ultravisibles Agens
zurückzufiihren. Einspritzungen von Material (Serum, Blut,
Organextrakt) schweinepestkranker Tiere, das durch Berkefeld-,
Pukall- oder Heimische Filter filtriert und bakterienfrei ist, ver¬
ursachen bei gesunden Ferkeln eine der Schweinepest in
klinischer und pathologisch - anatomischer Beziehung völlig
gleichende, oft tödlich endende Krankheit. Subkutane, intra¬
venöse, intrathorakale Einspritzungen haben dabei keinen er¬
kennbaren unterschiedlichen Einfluß auf die Dauer der Inkubation
und Schwere der Erkrankung.
Die so hervorgerufene Krankheit beruht auf der Anwesen¬
heit eines spezifischen, belebten Virus.
2. Die durch filtriertes bakterienfreies Material erzeugte
Krankheit ist kontagiös. Gesunde Tiere zu künstlich mit
Filtrat geimpften Tieren gesetzt, erkranken unter dem Bilde
der Schweinepest.
3. Filtriertes Material von künstlich infizierten und er¬
krankten Tieren durch Generationen (vier) von einem Schwein
auf ein anderes in immer gleicher Weise übertragen, ruft die
Krankheit hervor.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
406
4. Ferkel, welche die künstliche Infektion überstanden
haben, sind immun, sowohl gegen eine natürliche Ansteckung
wie künstliche Infektion.
5. Ferkel, welche die natürtiehe Ansteckung überstanden
haben, sind gegen künstliche und natürliche Ansteckung immun.
6. In fünf verschiedenen Fällen von Seuchenausbrüchen
konnte stets das filtrierbare Virus nachgewiesen werden.
* 7. Die Schweinepest konnte auch hervorgerufen werden
durch Verimpfung filtrierten Materials aus verseuchten Be¬
ständen stammender Tiere, die bis auf allgemeine Kachexie
bei der Sektion keine Veränderungen an den Organen zeigten
(Kümmerer).
8. Das Kümmern der Schweine kann ein Folgezustand der
Schweinepest sein.
9. Andererseits ist es nicht geglückt, bei Verfütterung von
unfiltriertem Material eines aus einem mit Schweinepest ver¬
seuchten Bestände stammenden Ferkels, das pathologisch-
anatomisch scheinbar nur geringe Folgezustände einer statt¬
gehabten Schweinepesterkrankung, aber klinisch das aus¬
gesprochene Bild des Kümmerers zeigte, wieder Schweinepest zu
erzeugen.
10. Durch Einspritzung von Kulturfiltration des B. suipestifer
oder des Filtrats von Serum oder Organextrakt gesunder
Schweine konnte eine Krankheit nicht erzeugt werden.
11. Die Verimpfung filtrierten Materials von zwei ander¬
wärts mit Kulturen des Bazillus enteritidis Gaertner künst¬
lich infizierten Ferkeln, von denen eins für Schweinepest
charakteristische Darmläsionen aufwies, erzeugte keine Krank¬
heit. Ein mit Kulturen des B. enteritidis Gaertner infiziertes
Ferkel erkrankte nicht.
12. Der B. suipestifer ist ein im Darm gesunder Schweine
vorkommender Saprophyt und ist nicht der eigentliche Erreger der
Schweinepest. Es wurde von uns bei 600 gesunden Schweinen
51 mal im Darminhalt bei einmaliger Untersuchung gefunden.
13. Er wird sehr häufig in den Organen schweinepest¬
kranker Tiere angetroffen, von uns wurde er 76malin 171 Fällen
gleich 44,4 Proz. isoliert.
14. Durch subkutane und stomachale Einverleibung von
Suipestiferkulturen gelang es in den allerdings nur in geringer
Anzahl angestellten Versuchen nicht, Ferkel krank zu machen,
wohl aber durch intravenöse Injektion großer Kuiturmengen.
15. Die mit dem B. suipestifer vorbehandelten Ferkel waren
gegen künstliche Infektion mit Schweinepestvirus nicht immun.
16. In den Organen künstlich mit keimfreiem Filtrat in¬
fizierter Ferkel fanden sich häufig auch andere Bakterien, be¬
sonders Bakterien der Koligruppen und sogenannte Varietäten
des B. suipestifer, der B. pyocyaneus und Paratyphus A ähn¬
liche, außerdem Coccennarten.
17. Der B. suipestifer läßt sich bis jetzt vom Paratyphus B
uud bestimmten Fleischvergiftern sowie vom Mäusetyphus und
Psittakosisbazillus nicht unterscheiden.
18. Die aus Organen schweinepestkranker Ferkel heraus¬
gezüchteten Schweinepeststämme wurden, so weit sie geprüft
wurden, weder von dem Serum ihrer Träger, noch anderer pest¬
kranker Schweine, agglutiuiert.
19. Der B. suipestifer bildet in vierzehntägigen Bouillon¬
kulturen ein hitzebeständiges, für Mäuse bei subkutaner und
intraperitonealer Einverleibung von 0,5 ccm der sterilen Kultur¬
flüssigkeit schnell tödlich wirkendes Toxin.
No. 23.
20. Die Infektion der Schweinepest erfolgt unter natür¬
lichen Verhältnissen höchst wahrscheinlich am häufigsten per os.
Bei der Ausbreitung der Seuche spielt die Kontaktinfektion eine
ausschlaggebende Rolle. Durch Verfütterung virushaltigen
Materials gelingt sicher eine Infektion. Direkt in die Speise¬
röhre auf nüchternen Magen eingeführte virushaltige Flüssig¬
keiten, die bei subkutaner Injektion und Verfütterung sicher
krankmachend wirkten, riefen in drei Fällen unter sechs keine
Erkrankung hervor.
21. Das Virus findet sich innerhalb des Körpers im Blut
und in allen vom Blut durchströmten Organen, in der Galle und
im Harn.
22. Das Virus wird durch die Nieren mit dem Harn aus¬
geschieden. Der Harn pestkranker Schweine ist höchst infektiös.
23. Im Gegensatz zu den Nieren scheint eine regelmäßige
Ausscheidung durch den Darm, selbst bei dem Bestehen
schwerer Veränderungen der Darmwaud nicht immer statt¬
zufinden, oder, falls sie stattfindet, scheint eine schnelle Ver¬
nichtung des Virus vor sich zu gehen. Filtrierter Darminhalt,
der von schweinepestkranken, mit schweren diphtherischen Darm¬
läsionen behafteten Ferkeln stammte, war in vier von uns unter¬
suchten Fällen nicht infektiös.
24. Das Virus wurde durch 23 Tage langes Aufbewahren
im Eisschrank und 10 Wochen langes Auf bewahren bei Zimmer¬
temperatur nicht abgetötet.
25. Es vertrug einige Male in flüssigen Medien (Serum und
Organsaft) eine zweistündige Erhitzung auf 58°, nicht dagegen
eine einstündige Erhitzung auf 78°, 24stündiges Einfrieren virus¬
haltigen Blutes bei 18° tötete nicht ab.
24 ständiges Antrocknen von virushaltigem Blut und Serum
bei 37° vernichtete den Ansteckungsstoff nicht. So vor¬
behandeltes Material verträgt einstündiges Erhitzen auf 150°,
100°, 76,5° und 72° nicht. Die Grenze scheint bei zirka 60°
zu liegen.
27. Chemischen Agentien gegenüber scheint das Virus wider¬
standsfähig zu sein. Sublimat in einer lprom. Lösung in einem
Verhältnis von 1:2 und 5 proz. Karbolglyzerinlösung in einem
Verhältnis von 2:5 zu virushaltigem defibriniertem Blut ge¬
setzt, tötete innerhalb acht Tagen nicht ab, doch kann hier
durch die Gerinnung des Blutes das Virus der desinfizierenden
Einwirkung entgangen sein.
28. Das Virus wurde in Organen, welche durch Vergraben
in die Erde der Fäulnis und Verwesung ausgesetzt wurden,
innerhalb vier, zwei und eine Woche vernichtet.
29. Pferde, Rinder, Esel, Ziegen, Hunde, Katzen, Hühner,
Tauben, Kaninchen, Meerschweinchen, wilde und zahme Ratten,
graue und weiße Mäuse sind für das Schweinepestvirus nicht
empfänglich.
30. Subkutane Einspritzungen von 24 Stunden lang bei
37 0 angetrocknetem und in Kochsalzlösung wieder aufgelöstem
Blut, das vor der Antrocknung sehr virulent war, erzeugten in
einigen Fällen keine sichtbaren Krankheitserscheinungen, aber
Immunität; in anderen Fällen wirkte solches Material krank¬
machend.
31. Durch dreimalige Einspritzungen von angetrocknetem
und im trockenen Zustand auf 72°, 76,5°, 100° und 150° er¬
hitztem und dann in Kochsalzlösung aufgelöstem virushaltigen
Blut gelang es nicht, Ferkel zu immunisieren.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
407
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
4. Juni 1908.
32. Das Serum von Eseln und Pferden, welche mit wieder¬
holten intravenösen Einspritzungen virushaltiger Flüssigkeiten
vorbehandelt waren, hatten weder eine schützende noch heilende
Wirkung. Ob bei Höhertreibung der Tiere eine Steigerung der
Antikörperproduktion sich wird erzielen lassen, muß abgewartet
werden.
33. Das Serum von Schweinen, welche die Schweinepest
überstanden und danach in bestimmten Zwischenräumen große
Mengen virushaltigen Materials eingespritzt hekommen hatten,
zeigt eine starke Schutzkraft.
34. Es gelang, Ferkel durch subkutane Einspritzungen
solchen Serums vor einer sichtbaren Erkrankung an Schweine¬
pest, der die Eontrolltiere erlagen, zu schützen.
35. Lungenveränderungen gehören zu den Begleiterscheinungen
der Schweinepest und somit zu den charakteristischen Merk¬
malen derselben. Besonders gilt das von der Bronchitis und
den im engsten Zusammenhang mit ihr stehenden Lobulär¬
pneumonien.
36. Filtriertes Material (Lungensaft und Serum) von Ferkeln
aus einem mit Schweinepest verseuchten Bestände, die bei der
Obduktion nur Lungenveränderungen zeigten, erzeugte klinisch
und pathologisch-anatomisch das typische Bild der Schweinepest.
37. Die in Pestausbrüchen häufig beobachteten Pneumonien
sind in den meisten Fällen Folgewirkungen der Infektion mit
Schweinepest und nicht Folgen einer gleichzeitig stattgehabten
Infektion mit einer zweiten, ansteckenden seuchenhaften Krank¬
heit, der Schweineseuche.
38. Die sogenannten Sputumbakterien lassen sich von dem
Erreger der Schweineseuche, dem B. suisepticus, weder morpho¬
logisch, noch kulturell, noch biologisch unterscheiden. Sie sind
unter 116 Fällen 53mal, also in 50Proz., in dem Nasenschleim
gesunder Schweine von uns gefunden worden.
39. Die Möglichkeit, daß es eine primäre reine Schweine¬
seuche im Löffler-Schützschen Sinne gibt, soll nicht in Ab¬
rede gestellt werden. Die bisher als Mischinfektion bei Schweine¬
pest bezeichnete, in Gestalt von Pneumonien auftretende Schweine¬
seuche ist wohl ausnahmslos primär auf Schweinepest zurück¬
zuführen. W.
Diagnose und Behandlung der Kolouverdrehung
(Torsio coli) beim Pferd*
Von G. Forssell,
Adjunkt an der Tierärztl'chen Hochschule au Stockholm.
(Zeitschrift für Tiermediain XI. Band, 6. Heft.)
Nach Jelkmann erkennt man die Grimmdarmdrehungen
bei der rektalen Untersuchung daran, daß das Rektralgekröse,
statt von oben nach unten zu verlaufen, in der Richtung schräg
nach unten links verschoben und Btark gespannt ist, und daß die
Berührung desselben dem Tiere Schmerzen verursacht. Ferner
soll man an der linken Seite in der Bauchhöhle einen stark
gespannten Strang (Bandstreifen des Kolon) fühlen. In dem
Lehrbuch der speziellen Chirurgie von Möller und Frick wird
als sicheres Zeichen einer Kolonverdrehung angegeben, daß die
Bandstreifen an der linken unteren Lage des KoIods als spiral¬
förmig gehend gefühlt werden. Bei der Rechtsdrehung sollen
sie von vorn und links nach hinten und rechts, bei Linksdrehung
in umgekehrter Richtung verlaufen. Diese Regel trifft jedoch,
wie auch Hutyra und Marek in ihrer Pathologie bemerken,
nicht ganz zu, denn es kommt vor, daß eine Drehung vorliegt,
ohne daß man die Bandstreifen spiralförmig gehen fühlt oder
man fühlt eine schwache Spirale und es besteht nur eine
gewöhnliche Gasansammlung in den linken Kolonlagen.
Der Verfasser bespricht dann eingehend die normalen Lage¬
verhältnisse des Darmkanales und speziell des Kolons und die
Ursachen und den Krankheitsverlauf der Kolonumdrehung. Unter
Zugrundelegung von acht Krankheitsfällen, die durch sieben
schematische Zeichnungen mit erläutert werden, stellt der Ver¬
fasser folgende Regeln auf:
1. Liegt die linke obere, glatte Lage rechts von der unteren
Unken Lage und geht sie hier in der Richtung schräg nach vom
und oben und links, so liegt eine Rechtsdrehung vor. Geht die
linke obere Lage in der Richtung schräg nach vorn und unten
links, so liegt Linksdrehung vor.
2. Fühlt man die linke obere Lage links von der unteren
linken Lage und geht sie in der Richtung schräg nach vorn und
unten und rechts, so liegt Rechtsdrehung vor, geht sie schräg
nach vom nach oben und rechts, so besteht eine Linksdrehung.
3. In den seltenen Fällen, wo die untere Unke Lage die
obere Unke vollständig bedeckt, hat man als Anhaltspunkt für
die Stellung der Diagnose teils die Spirale, die die Bandstreifen
bilden, teils etwaige dort vorkommende Einbuchtungen der
linken unteren Lage.
Die Behandlung ist außerordentlich einfach und bestellt im
Wälzen des Pferdes in der Richtung der Umdrehung, wie bei
der Torsio uteri. Die Fixierung des Darmes geschieht hierbei
entweder durch seine eigene Schwere, sein Beharrungsvermögen,
die Forssell durch möglichst schneUes Wälzen und durch Ver¬
minderung der Friktion zwischen der Bauchwand und dem Darm
mittelst Punktion des letzteren unterstützt. Teils sucht Forssell
die Beckenflexur zu fixieren, indem er den einen Arm in den
Mastdarm führt und die Beckenflexur sozusagen auf die Finger
nimmt, jedoch kann der Arm nicht während der ganzen Zeit
des Wälzens im Mastdarm verweilen, weil sonst leicht eine
Mastdarmruptur entstehen könnte. Zum Zwecke des Wälzens
bietet die Stuttgarter Wurfmethode insofern Vorteile, als hierbei
die Beine des Pferdes gegen den Bauch gezogen sind und das
Wälzen weniger Schwierigkeit bietet. In dem einen Falle
mußte das Pferd neunmal gewälzt werden, ehe die Retorsion eintrat.
Diese von Forssell empfohlene Behandlung soll beinahe
stets ein befriedigendes Resultat ergeben.
Die Jelkmannsche Methode hält Forssell nicht für
empfehlenswert. Er meint, daß man nur in Fällen geringerer
Drehung der Beckenflexur manchmal damit zum Ziele kommt.
Jedenfalls riskiert man stets eine Mastdarmruptur. .Rdr.
Die örtliche Empfindungslosigkeit (Lokalanästhesie)
in der Veterinärchirurgie.
Von Stabsveterinär Ernst Krüger.
(Zeitschr. f. Veterinä k. 1?08, S. II.)
Nach kurzem geschichtlichen Überblick bespricht Krüger
die zur Lokalanästhesie von ihm verwandten Mittel Kokain,
Eukain und Alypin. Enkain erreicht die anästhesierende
Wirkung des Kokains nicht; ein Unterschied in der Giftigkeit
besteht nicht. Durch Alypin wird die örtliche Empfindungs¬
losigkeit schon nach 10 Minuten erreicht, während nach Kokain¬
injektion 25 bis 30 Minuten vergehen; die Kokainwirkung hält
aber länger vor als nach Alypin.
Sehr wichtig ist die Tatsache, daß durch Unterbrechung
des Blutstroms, beispielsweise durch Abschnürung eines Körper¬
teiles, die anästhesierende Wirkung des Kokains infolge der
No. 23.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
408
dadurch erzielten Verzögerung der Resorption größer wird und
zugleich eine Herabsetzung der allgemeinen Gift Wirkung statt¬
findet. Eine Einspritzung von 0,5 Kokain: 20,0 Wasser ist für
mittelschwere Pferde in der Regel unschädlich und geht sogar
ohne die geringste Spur einer zentralen Wirkung vorüber, wenn
man kurz nach der Einspritzung durch Anlegen einer Gummi¬
binde den Blutstrom unterbricht. Dagegen treten vielfach all¬
gemeine Störungen am Zentralnervensystem (Aufregung, Speicheln,
erhöhte Puls- und Atemfrequenz) auf, wenn diese Vorsicht nicht
geübt wird. In letzterem Falle können sich diese Erscheinungen
in beängstigender Weise steigern, wenn 0,5 Kokain nur in 10
oder sogar 5 g Wasser gelöst auf einmal eingespritzt werden;
durch Unterbrechung des Blutkreislaufes läßt sich die Vergiftung
verhüten.
Krüger hat außer vielen poliklinischen Fällen über 400
zum Teil recht eingreifende Operationen am Fußende des
stehenden Pferdes unter Lokalanästhesie ausgeführt (140 Huf¬
knorpelfisteln, OO eiternde Steingallen, 27 Nageltritte usw.).
Von allen diesen Patienten brauchte er nur 7 abzuwerfen.
Krüger hat selten unangenehme Nebenwirkungen — Ver¬
giftungserscheinungen — gesehen, aber nur, wenn die Glied¬
maße unabgeschnürt geblieben war. Nach den vielen Hunderten
von Kokaininjektionen hatte Krüger nur einen Todesfall zu
beklagen; ein über 20 Jahre altes Pferd, welches wegen
eiternder Steingalle operiert werden sollte, brach etwa 10 Minuten
nach der Einspritzung (0,5: 20,0) plötzlich zusammen und ver¬
endete unter Erstickungssymptomen. Die Obduktion ergab einen
1 cm langen Riß in der Aortenwand dicht an der Abzweigung
der Kranzarterie und Verblutung in den Herzbeutel. — Es
empfiehlt sich, den Patienten vor der Einspritzung auf Herz¬
fehler zu untersuchen und den Besitzer auf eventuelle ungünstige
Folgen aufmerksam zu machen, obgleich durch Abwerfen und
die allgemeine Narkose die Gefahr für den Patienten eine
ungleich größere ist.
Gefäßverengende Mittel ( Adrenalin usw.) sowie Abkühlung
der Gewebe durch Äther- und Chloräthylspray werden be¬
sprochen. Richter.
Über Krankheiten des Hornes und der Stirngegend
beim Rinde.
Von Professor Iniininger-München.
(Wocheuscluift für Tierheilkunde und Viehzucht, .'.2. Jahrg., Nr. 1 und 2.)
Eines der häufigsten Vorkommnisse ist das Abziehen der
Hornscheide, wobei die Hornlederhaut und Stirnzapfen voll¬
kommen intakt bleiben können. Der weitere Verlauf besteht
entweder in Heilung durch Bildung eines neuen Hornes oder
in Entzündung mit Eiterung. Dieser Krankheitsprozeß wird
ebenso wie erhebliche Verletzungen der Hornmatrix
nach Verlust der Hornscheide am zweckmäßigsten wie folgt
behandelt: Die freigelegte Hornlederhaut bepudert Imminger
sehr stark mit 2 proz. Pyoctaninum coeruleum, sodann legt er
über den Hornzapfen 2- 3 Stück feuchte Gaze, welche mit
einer 10 m langen und 10 cm breiten guten Mullbinde ohne
Verwendung von Watte am verletzten Horn befestigt werden.
Um dem Verbände für die Dauer mehr Halt zu geben, läßt man
einige Touren der Binde um das gesunde Horn herumgehen.
Bei freigelegter bzw. abgebrochener Spitze des hohlen Stirn¬
zapfens muß die Öffnung gut mit Gaze geschlossen werden,
worauf erst die Anlage des Verbandes erfolgen darf.
Gelegentlich der Korrektur unschön wachsender Hörner
machen die Tierbesitzer häufig Einschnitte in das betreffende
Horn, um die Wirkungsweise des sogenannten Hornleiters zu
unterstützen. Nicht selten können durch die Säge, wenn
sie zu tief geführt wird, Verletzungen der Matrix mit
nachfolgender Infektion durch Eiterbakterien ent¬
stehen. Die sich hierbei mitunter zeigenden Allgemeinstörun¬
gen bestehen in Fieber, Appetitmangel, Senken des Kopfes,
starker Temperaturerhöhung des erkrankten Hornes. Zur Be¬
handlung ist es nötig, das Horn so weit zu entfernen, daß die
erkrankte Matrix freigelegt und nunmehr der Applikation eines
Wundverbandes zugänglich gemacht wird. Bei ausgedehnter
Entzündung muß das ganze Horn durch Amputation mittels
Säge abgetragen werden.
Die am Grunde der Hörner vorkommenden Frakturen
des knöchernen Stirnzapfens können einfache oder kompli¬
zierte sein. In letzterem Falle ist die äußere Haut mit verletzt.
Oft zeigen die Tiere Schmerzen bei Berührung des Hornes und
blutige Entleerungen aus dem Nasenloch der entsprechenden
Seite. Zuweilen sind auch Teile des Stirnbeins mitfrakturiert.
Beim Intakt bleiben des Integumentes kann Heilung auch ohne
Behandlung eintreten, jedoch bleibt dann das Horn beweglich.
Niemals hat Imminger gesehen, daß eine Selbstheilung mit
Unbeweglichkeit des Horns eingetreten wäre. Ab und zu bilden
sich an der Bruchstelle in der Nähe der Hornwurzel Fisteln;
der Stirnzapfen füllt sich in manchen Fällen mit speckigen
Massen aus, die von kleinen Fistelkanälen durchzogen werden.
Abszesse in der Stirnhöhle bedingen fieberhaftes
Allgemeinleiden mit Depressionserscheinungen; durch das Fehlen
von Temperaturerhöhung des Hornes unterscheiden sich die
Abszesse von der eitrigen Hornmatrixentzündung find vom
Katarrhal lieber. Das Rind ist von sämtlichen Haustieren
Eiterungsprozessen in der Stirnhöhle gegenüber am empfind¬
lichsten und reagiert am schnellsten durch sensorielle Störungen.
Der Verfasser rät daher, Öffnungen in der Stirnhöhle so bald
als möglich durch einen Verband zu schließen, und gibt folgende
Maßnahmen an: Nach Entfernung der Blutkoagula und nach
gründlicher Durchspülung der Stirnhöhle wird die Öffnung mit
einem in Gaze eingewickeltcn Wattetampon verschlossen. Darüber
ist ein desinfizierender Verband zu legen, welcher durch
ca. zehn Tage hindurch alle 24 48 Stunden erneuert wird.
Treten keine Temperaturschwankungen mehr ein, können die
Verbände länger liegen bleiben und durch den betr. Tierbesitzer
selbst au8gefiihrt w r erden.
Weiterhin tritt in manchen Beständen die Furunkulosis
der Haut des Nackens und besonders der Stirn auf. Bevor¬
zugt werden von diesem Leiden jene Stellen, auf welchen das
Joch aufzuliegen pflegt, mitunter wird die Haut unterminiert
und siebartig durchlöchert. Der AnsteckungsstofF ist sehr wider¬
standsfähig und trotzt den meisten Desinfektionsmitteln. Für
das beste Arzneimittel erklärt Imminger Aqjdum carbolicum
crudum anglicum in Verbindung mit grüner Seife (1: 10). Diese
Karbolseife wird nach Reinigung der erkrankten Hautpartie
unter Zusatz von etwas Wasser auf die Haut gut eingerieben.
Der entstandene Schaum bleibt 24 Stunden liegen. Sodann
können die nekrotischen Teile mit dem scharfen Löffel leicht
entfernt werden. Eventuell ist die Einreibung noch einmal zu
wiederholen.
Nicht allzuselten kann ferner bei stark entwickelter Stirn-
4. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT,
gräte Drucknekrose der Haut mit Absterben der Faszien
der Stirnbeine Vorkommen. Abkratzen mit dem scharfen Löffel,
sowie Bepudern mit Pyoktaninstreupulver führt rasche Heilung
herbei.
Geschwulstbildungen an den Hörnern hat Imminger
niemals gesehen. Hinsichtlich des zuweilen sich zeigenden
Juckreizes am Grund der Hörner, der Anlaß zum be¬
ständigen Reiben an festen Gegenständen gibt, ist der Autor
der Meinung, daß die Stallhaltung die Ursache bildet.
J. Schmidt.
Behandlung der Akarusräude des Hundes.
Von Prof. Moussu.
(Recueil d’Alfort, 29. Februar 1908.)
In bezug auf die Heilbarkeit der Akarusräude pflichtet der
Verfasser vollauf der Ansicht von Crasbot bei, welcher äußerte:
So lange die Akarusräude lokalisiert ist, so tritt eine Heilung
in der Regel ein, falls eine dahingehende Behandlung richtig
durchgefiihrt wird. Ist die Räude ausgedehnt oder sogar
generalisiert, so kann die Heilung, bei der squamösen Form
derselben, durch eine monatelange genaue Applikation der ge¬
wöhnlichen Räudemittel, z. B. durch Schwefelbäder und Frottieren
mit harten Bürsten, erreicht werden. Liegt aber bei den
generalisierten Fällen die pustulöse Räudeform vor, d. i. die¬
jenige Form, welche mit Bildung von zahlreichen kleinen
Abszessen der Haartaschen und der Talgdrüsen einhergeht, so
tritt die Heilung nur sehr schwer oder gar nicht ein.
Das von Professor Cadeac empfohlene Ausschneiden der
affizierten Hautstellen ist bei ausgedehnter Akarusräude nicht
durchzufnhren, und dürfte das auch von ihm empfohlene
Skarifizieren dieser Stellen, von dem in dieser Zeitschrift
seinerzeit berichtet wurde, bei generalisierter Räude dem Hunde
zu viel Schmerzen verursachen und daher auch nicht gut durch¬
führbar sein.
Der Verfasser hat bei mehreren Hunden, bei denen er alle
medikamentösen Behandlungsmethoden erfolglos durchprobiert
hatte, das von Cessier gegen die Schafräude bekannt gegebene
Arsenikräudebad mit vollem Erfolg angewandt. Das Räudebad
ist von Cessier für 100 Schafe folgendermaßen zusammen¬
gesetzt worden.
Rp.: Acid arsenicos 1500,0
Ferr. sulfuric. 10 kg
Aqu. 100 „
Das Ganze wird 10 Minuten lang gekocht. Für seine Fälle
hat es der Verfasser lauwarm mit einer Temperatur von 35 bis
38° angewandt und die Hunde dann mit einer Wurzelbürste
2—3 Minuten lang frottiert. Schon nach einem Monat waren
die Hunde geheilt.
Um einer Arsenikvergiftung vorzubeugen, muß der Hund
auf alle Fälle nach dem Bade am Lecken verhindert werden.
Auf den affizierten Hautstellen wirkt das Bad kaustisch, so daß
diese bald abtrocknen und sich Borken darauf bilden. In kurzer
Zeit sprossen auch die Haare wieder hervor. Helfer.
Tagesgesclüchte.
Aufruf an sämtliche Tierärzte und tierärztlichen
Vereine Deutschlands.
Der IX. Internationale Tierärztliche Kongreß wird voraus¬
sichtlich am Montag, den 14. September des künftigen Jahres (1909)
409
in der niederländischen Residenzstadt, im Haag, eröffnet und
Samstag, den 19. des nämlichen Monats geschlossen werden.
S. K. H. Prinz Heinrich der Niederlande, Herzog von
Mecklenburg, der Gemahl Ihrer Majestät der Königin
Wilhelmine, hat das Protektorat des Kongresses übernommen.
An der Spitze des Ehrenkomitees steht der Niederländische Herr
Minister für Landwirtschaft, Handel und Gewerbe.
Zum Präsidenten des Exekutivkomitees wurde W. C. S ch i m m e 1,
Dozent an der Tierarzneischule zu Utrecht, und zum General¬
sekretär Prof. Dr. D. A. de Jong, Leiden, beide Mitglieder
des Ständigen Ausschusses der Internationalen Tierärztlichen
Kongresse, erwählt. Die Kassenführung hat D. F. vanEsveld,
Dozent an der Reichs-Tierarzneischule zu Utrecht übernommen.
Die Geschäftsleitung des Kongresses hat sich zur Aufgabe
gestellt, für die Unterkunft und Verpflegung der Kongreßteil¬
nehmer im Haag und in Scheveningen bei mäßigen Preisen
Sorge zu tragen.
Der Kongreßleitung sind von seiten der Niederländischen
Staatsregierung, sowie anderer Behörden und Standesvertretungen
reichliche Mittel zur Bestreitung der Kongreßkosten zur Ver¬
fügung gestellt. Der Haag, die Königliche Niederländische
Residenzstadt wird die Kongreßteilnehmer gastfreundlich
empfangen.
Außer der feierlichen Eröffnungs- und Schlußsitzung, in
Anwesenheit des hohen Protektors und der Niederländischen
Staatsbehörden, werden an vier Vormittagen Plenarsitzungen
stattfinden. Die Sektionssitzungen sind auf die Nachmittage
verlegt.
Als Verhandlungsgegenstände von allgemeiner Bedeutung
sind sämtliche aktuelle Fragen, wie staatliche Bekämpfung der
Tuberkulose und der Schweineseuchen auf Grund der neuesten
Erfahrungen, die staatliche Organisation der Kontrolle über die
Erzeugung und den Verkehr von animalischen Nahrungsmitteln
einschließlich der Schlachtviehversicherung, die unschädliche
Beseitigung der Tierkadaver und der Konfiskate der Fleisch¬
beschau, der staatliche Schutz für die Ausübung der Tiermedizin,
die Verwendung von Tierärzten in zootechnischen Ämtern, sowie
die staatliche Kontrolle der Produktion und des Verkehrs von
Sera- und Bakterienprodukten usw. in Aussicht genommen.*)
Eine größere Anzahl von Gegenständen aus der tierärzt¬
lichen Klinik, welche hauptsächlich den praktischen Tierarzt
interessieren, sind für die Sektionssitzungen Vorbehalten. An
praktischen Vorführungen und Demonstrationen der Anwendung
neuerer Verfahren und Instrumente wird es nicht fehlen.
Wie für die vorausgegangenen Kongresse, ist auch für die
Haager Versammlung die frühzeitige, in die Zeit vor der Er¬
öffnung des Kongresses fallende Mitteilung gedruckter Berichte
der ernannten Referenten an sämtliche Herren, welche sich als
Kongreßteilnehmer angemeldet haben, vorgesehen. Die Berichte
werden in den drei Kongreßsprachen (deutsch, französisch und
englisch) erscheinen. Die Verhandlungen werden in denselben
Sprachen geführt werden.
In allen zivilisierten Ländern der Welt sind bereits
Nationalkomitees gebildet, um Tierärzte, Ärzte, Landwirte,
tierärztliche, ärztliche und landwirtschaftliche Vereinigungen
und Vertretungskörper, Hochschulen, Akademien usw. zur Be¬
teiligung an dem Kongresse, dem auch die Vertreter vieler
*) Programm wird demnächst veröffentlicht werden.
***
410
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 23.
Staatsregierungen anwolmen werden, anzuregen. So hat es
auch, auf das Ersuchen des Haager Exekutivkomitees, ein
deutsches Nationalkomitee unternommen, das aus dem Präsidenten
und den Ausschußmitgliedern des Deutschen Veterinärrates unter
Mitwirkung des Geheimrats Prof. Dr. Ostertag, Direktor der
tierärztlichen Abteilung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes, und
des deutschen Delegierten zum Ständigen Ausschuß der Inter¬
nationalen Tierärztlichen Kongresse, Herr Geheimer Ober¬
regierungsrat Dr. Lydtin-Baden-Baden, zusammengesetzt ist,
die Beteiligung Deutschlands an dem Kongresse zu fördern.
Auf den Wunsch der andern Herren des Komitees hat Dr. Ly dtin
den Vorsitz übernommen.
Nachdem die Bedeutung und der Einfluß der Internationalen
Tierärztlichen Kongresse auf die Entwicklung des Veterinär¬
wesens und die Förderung der allgemeinen Wohlfahrt, seit Bern,
Baden und Budapest unverkennbar hervorgetreten ist, werden
sich wohl die Tierärzte aller Nationen angeregt fühlen, bei dem
künftigen Kongreß im Haag nicht zu fehlen. Für die deutschen
Tierärzte liegen die Verhältnisse für die Beteiligung sehr
günstig, da der Kongreß in einem Deutschland benachbarten
Staate stattfinden wird. Die deutschen Tierärzte haben ferner
deshalb noch ein besonderes Interesse, im Haag zu erscheinen,
weil das deutsche Veterinärwesen, das mit zu den in seiner
Entwicklung vorgeschrittensten gehört, auf dem Haager Kongreß
seinen mächtigen Einfluß auf die Entwicklung des Veterinär¬
wesens und der Veterinärwisscnscliaft auszuüben verpflichtet
ist, um Mängel und Rückständigkeiten des Veterinänvesens in
anderen Staaten ans Licht zu ziehen und beseitigen zu helfen.
Andererseits haben aber außerdeutsche Nationen in manchen
Hinsichten Fortschritte zu verzeichnen, über deren Wert sich
die deutschen Tierärzte im Haag ein richtiges Urteil bilden
und die sie gegebenenfalls nachholen können. „Geben und
empfangen“ wird daher auch im künftigen Kongreß das Fazit
für die deutschen Tierärzte, für sämtliche Tierärzte der Welt
aber einen kräftigen Ruck nach vorwärts bilden im Interesse
der Landwirtschaft und der öffentlichen Gesundheit, somit des
größten Teils des Allgemeinwohls.
Der Mitgliederbeitrag ist auf 10 fl. (holländisch) = 17 M.
festgesetzt. Anmeldungen zur Mitgliedschaft sind unter Über¬
sendung des oben genannten Beitrages zu richten: An Herrn
D. F. van Esveld, Dozent an der Rcichs-Tierarzneischule zu
Utrecht.
Baden-Baden, Berlin, Göttingen, Stuttgart, Mülhausen i. E„
Posen und München, den 19. Mai 1908.
Dr. Lydtin, Dr. Esser, Beißw r änger, Heyne, Mölter,
Dr. Ostertag, Dr. Schmaltz, Zundel.
Eintritt in die Militärveterinärlanfbahii.
An der Militärveterinärakademie zu Berlin beginnt sich
immer mehr eine erfreuliche Besserung der Verhältnisse der
Studierenden bemerklich zu machen. Von nicht zu unter¬
schätzender Bedeutung ist auch die letzte Abänderung (vgl.
B. T.W. Nr. 17, S. 310) der Bedingungen des Eintritts in die
Militärveterinärlaufbahn. Es werden jetzt nicht bloß mehr im
Oktober, sondern auch im April Abiturienten zum Eintritt als
Militärveterinäraspirauten angenommen. Es steht zu erwarten,
daß gerade im Frühjahr die Zahl der Bewerber gioß sein
wird. Gerade dies macht die Verbesserung zu einer doppelten:
denn dieselbe liegt nicht allein darin, daß zu Beginn jedes
Semesters Aspiranten ihr Studium beginnen können, sondern
auch darin, daß die im April Eintretenden als Einjährigfrei-
w'illige eintreten müssen, wodurch die Zahl derjenigen, welche
nicht als Einjährigfreiwillige eintreten, eine weitere Verminde¬
rung erfahren wird.
Als die Entscheidung über das Abiturientenexamen und die
damit verbundenen militärischen Änderungen getroffen wurde,
wußte man noch nicht (obwohl es Kundige schon damals richtig
voraussagten), ob unter den neuen Bedingungen genügender
Zuzug vorhanden sein werde. Es mag daher berechtigt ge¬
wesen sein, damals die Möglichkeit, als Zwei- oder Dreijährig-
freiwilliger unter geringerem Kostenaufwand in die militärische
Laufbahn einzutreten, noch offenzubalten; die Hauptsache war,
daß der unabweisliche Wunsch der Tierärzte befriedigt wurde,
daß die Aspiranten als Einjährigfreiwillige eintreten konnten.
Jetzt ist jener Zweifel hinsichtlich des Zuzuges behoben. Dem
Vernehmen nach ist die Zahl der Anmeldungen eine so reich¬
liche, daß keineswegs alle Bewerber berücksichtigt werden.
Auch das ist sehr erwünscht; denn nun kann eine Auswahl
getroffen worden, sowohl nach den Schulzeugnissen, als auch,
was für das Veterinäroffizierkorps notwendig ist, bis zu einem
gewissen Grade hinsichtlich der Herkunft.
Bei dieser Sachlage darf man die Hoffnung aussprechen,
daß in naher Zukunft der Eintritt als Einjährigfreiwilliger
obligatorisch gemacht wird. Bei der außerordentlichen Billigkeit
des nachherigen Studiums muß der Aufwand für das Einjährig¬
freiwilligenjahr, das ja der Veterinäraspirant selbstverständlich
mit viel bescheideneren Ansprüchen als der Durchschnitts¬
freiwillige der Kavallerie absolvieren kann, sich beschaffen
lassen. Der ausschließliche Eintritt als Einjährigfreiwilliger
ist für das Ansehen der Laufbahn, für die im Oftizierkorps
wünschenswerte Gleichartigkeit doch schließlich unentbehrlich.
Für diejenigen Aspiranten, welche als Zwei- oder Dreijährig¬
freiwillige eintreten, gestalten sich die Verhältnisse überdies
recht unangenehm. Die Eltern, welche ihre Söhne zu dieser
Form des Eintrittes aus Sparsamkeitsrücksichten veranlassen
wollen, wissen das wahrscheinlich großenteils nicht, weshalb
hier einmal auf Grund sachkundiger Auskunft auf folgendes
hingewiesen worden mag:
Der nicht einjährigfreiwillige Aspirant hat bis zu seiner
Einberufung zur Lehrschmiede auf einer Mannschaftsstube zu¬
sammen mit den übrigen Leuten zu wohnen. Er kann zwar
nach Ablauf der ersten sechs Wochen vom Stalldienst dispensiert
worden, doch braucht das nicht zu geschehen. Es existieren
keinerlei Bestimmungen, daß ihm gegenüber den anderen Mann¬
schaften irgendwelche Vorrechte eingeräumt werden müßten;
er würd deshalb auch wie ein Gemeiner behaudelt. Der Zustand
der ihm zu liefernden Uniformen läßt sehr häufig den Wunsch
empfinden, sich wonn irgend möglich aus Privatmitteln eine
Dienstuniform zu verschaffen.
Wenn man andrerseits den Verbrauch eines einjährigfrei¬
willigen Veterinäraspiranten berechnen will, so ist ja von vorn¬
herein auszuschließen, daß dieser mit dem reichen Einjährig-
freiwilligen der Kavallerie sich auf eine Stufe stellen sollte;
er verfolgt von vornherein einen besonderen Zweck und kann
sich daher unterscheiden, ohne sich irgend etwas zu vergeben.
Die Einkleidung wird während des ersten halben Jahres den
Betrag von 300 M nicht übersteigen. Die Ausgaben für
Wohnung, Verpflegung. Putzer worden mit 200 M monatlich
4. Juni 1908.
reichlich hoch geschätzt sein. Demnach wird der einjährig-
freiwillige Aspirant in dem halben Jahre des Waffendienstes
keinesfalls über 1503 BI gebrauchen. Wenn diese Summe irgend
zu erschwingen ist, so ist damit die Vermeidung der vielfach
bitteren Konsequenzen des Eintritts als Zwei- oder Dreijährig¬
freiwilliger nicht zu teuer bezahlt. Schmaltz.
Militär-Yeterinär-Ordnung.
Zur Militär-Veterinär-Ordnung sind neue Deckblätter aus¬
gegeben worden, welche einige interessante Veränderungen ent¬
halten, worauf gelegentlich zurückgekommen wird.
Mature und immature Tierärzte.
An und für sich bietet der Artikel „Deutscher und Schweizer
Dr. med. vet.“ des Herrn Dr. med. vet. Jonas in Nr. 19 dieser
Zeitschrift keinen Anlaß für immature Tierärzte, sich besonders
aufzuregen. Die darin zum Ausdruck gelangende Gesinnung ist
leider nichts ganz Seltenes mehr. Da aber auch sonst von
maturen Tierärzten unbegründete Ansprüche erhoben werden, die
die schärfste Zurückweisung verdienen, möchte ich über „Mature
und immature Tierärzte“ doch noch einiges sagen. Ich hoffe
dabei auch den Interessen der maturen Tierärzte durchaus
gerecht zu werden und nicht etwa nur einen einseitigen Partei¬
standpunkt zu vertreten, wie dies Herr Dr. med. vet. (Gießen)
Jonas getan hat.
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß ein Kollege den,
sagen wir, Mut besitzen würde, einen Standpunkt öffentlich zu
vertreten, wie ihn Herr Dr. med. vet. (Gießen) Jonas einnimmt.
Daß eine derartige Stellungnahme eines Kollegen, die ja
wenigstens den Vorzug der Aufrichtigkeit hat, die äußerste Er¬
bitterung aller Immaturen hervorrufen muß, ist ohne weiteres
klar. Die Anerkennung des Schweizer Doktortitels findet sowieso
schon in nicht-tierärztlichen Kreisen genügend Widerstand, so daß
wahrhaftig nicht auch noch Kollegen, von denen man doch
wirklich etwas mehr Einsicht und Entgegenkommen verlangen
könnte, den Immaturen in den Rücken zu fallen brauchten.
Aber vielleicht ist diese Stellungnahme einiger maturer
Herrn wohl begründet, wenn auch schmerzlich für die Betroffenen.
Prüfen wir daher das Für und Wider.
Ich will gerne zugestehen, daß die zwei Jahre Primaner¬
bildung Bedeutung haben, aber — nur für die Betreffenden selbst.
Diese hatten dadurch die Möglichkeit, sich ein beliebiges
Studium auszuwählen, sie waren zwei Jahre älter, als sie ihr
Studium begannen und hatten wohl auch einige Vorkenntnisse
mehr. Sicherlich ist ihnen dadurch das Studium der Veterinär¬
medizin leichter geworden, sie brauchten vielleicht nicht so viel
Mühe und Zeit aufzuwenden wie ein Immaturer, um dieselben
Prüfungen zu bestehen. Das sind sicherlich nicht unwesentliche
Vorteile. Dazu kommt noch, daß die maturen Tierärzte wohl
oder übel von jedermann als den andern nichttierärztlichen
Akademikern ebenbürtig betrachtet werden müssen, während die
Immaturen vielfach doch noch über die Achsel angesehen werden.
Sollen die Maturen nun aber außerdem noch von den Kollegen
als bessere Hälfte betrachtet und dementsprechend bevorzugt
werden? Sicherlich ist dies ein ganz grundloses Verlangen*);
denn für die Berechtigung zu tierärztlichen Stellen können
einzig und allein nur tierärztliche Prüfungen maßgebend
sein. Nur sie geben doch Auskunft über die Befähigung zum
*) Dieses Verlangen ist aber meines Wissens auch noch nirgends
erhoben worden. S.
411
tierärztlichen Fach, über das tierärztliche Können. An andern
Kenntnissen als solchen, die zur Ausübung der tierärztlichen
Tätigkeit notwendig sind, haben die Prüfungs- und Anstellungs¬
behörden kein Interesse, so nützlich sie auch für den glücklichen
Besitzer sein mögen. Mit dem Moment nun, in dem ein
Immaturer die Prüfungsvorschriften erfüllt, sich über den Besitz
der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten ausweist, hat er
genau denselben Anspruch, als Voll-Tierarzt anerkannt zu
werden, wie irgendein Maturer. Der Mature hat nunmehr nicht
den geringsten Anspruch auf Bevorzugung, denn die größere
Mühewaltung, die er auf dem Gymnasium leistete, mußte der
Immature beim Fachstudium aufbringen. Wenn daher manche
mature Tierärzte fordern, das Abiturium bei Bewerbungen extra
angerechnet*) zu bekommen, so dürfte jetzt klar sein, daß dieser
Anspruch vollständig unbegründet ist, ganz abgesehen von dem
Mangel an Dankbarkeit, die in diesem Verlangen zum Ausdruck
kommt, Mangel an Dankbarkeit gegen die meist immaturen
Professoren, die ihnen die Resultate tierärztlicher, meist von
Immaturen geleisteter Forschung vermitteln und sie so in den
Stand gesetzt haben, im Kampf ums Dasein zu bestehen. So
wenig gerechtfertigt eine Bevorzugung der Maturen ist, so
j wenig nötig ist sie und ebensowenig klug,
j Nicht nötig: Bei ihrer besseren Vorbildung muß es doch den
| maturen Kollegen ein leichtes sein, bessere Examina zu machen
als die immaturen und dadurch eo ipso Anspruch auf Bevor¬
zugung zu erlangen, ohne sich auf ihr gymnasiales Stempelpapier
zu berufen. Wenig klug ist sie: Die Tierärzte werden dadurch
in zwei feindliche Lager geschieden, und die uns so nötige ein¬
heitliche Organisation nach dem Vorbild der Ärzte, die einzig
und allein auch den Maturen die gewünschten, dringend not¬
wendigen Verbesserungen in Einkommen, Dienststellung usw\
verschaffen kann, wird unmöglich.
Bei der Frage der Anerkennung des Schweizer Doktortitels
könnte man aber vielleicht noch andere Gründe zur Bevor¬
zugung der Maturen anführen, als bisher geschehen, so z. B. die
angeblich milderen Bedingungen der Promotion. Die milderen
Bedingungen sind aber durchaus nur formelle, die mit der Haupt¬
sache, den fachwissenschaftlichen Leistungen gar nichts zu tun
haben, nämlich der Erlaß des Abiturientenzeugnisses. Die rein
wissenschaftlichen und meines Erachtens für die Bewertung des
Doktortitels allein ins Gewicht fallenden Vorbedingungen sind
in Zürich z. B. schärfer als in Leipzig, insofern nämlich dort
außer der Dissertation eine schriftliche Klausurarbeit verlangt
wird und die mündliche Prüfung sich auf alle tierärztlichen
Fächer erstreckt, während in Leipzig keine Klausurarbeiten ge¬
stellt und nur drei Fächer geprüft werden.
Weiter könnte man aber sagen: Zur Verleihung des Doktor¬
grades genügt fachwissenschaftliche Leistung allein nicht, sondern
es muß auch noch eine entsprechende Allgemeinbildung von den
Doktoranden verlangt werden, und diese ist eben nur durch den
regelrechten Abschluß der Vorbildung, durch das Abiturium ge¬
währleistet.
So sehr ich den Vordersatz billige, so entschieden muß ich
den Nachsatz verwerfen. Entweder hält man die für die not¬
wendige Allgemeinbildung, die den Studenten befähigt, den Vor¬
lesungen zu folgen, die Prüfungen zu bestehen, eine wissen¬
schaftliche Arbeit zu machen — dann hat aber der Doktorand
*) Berechtigt aber würde es sein, die zwei Jahre Zeitaufwand
in der Prima sozusagen auf die Anciennitat anzurechnen. S.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
412
bereits durch das Bestehen des Fachexamens, die Anfertigung
seiner Promotionsarbeit den Beweis erbracht, daß er die nötigen
philologischen, logischen und methodologischen Vorkenntnisse
besitzt und es bedarf nicht noch einer eigenen Bescheinigung,
oder aber man faßt den so oft mißverstandenen Begriff der
Allgemeinbildung, wie es sein sollte, als universelle Bildung —
dann muß man verlangen, daß sie den Besitzer befähigt, die
Hauptströmungen von Wissenschaft, Kunst und Leben zu ver¬
stehen und sich darüber ein eigenes Urteil zu bilden. Daß nun
diese Allgemeinbildung das Abiturium nicht gewährleistet,
wird niemand bestreiten, daß es von vornherein nicht jeden
dazu befähigt, wird jeder Einsichtige zugeben, daß die jetzige
Gymnasialbildung vielmehr zu ihr fast unfähig macht*), um so mehr,
je intensiver sie aufgenommen wurde, je länger man ihr aus¬
gesetzt war, wird keiner bezweifeln, der die moderne Literatur,
moderne Pädagogik, Biographien von Männern wie Darwin,
Haeckel, Liebig usw.Jkennt. Da also das Abiturientenzeugnis
gar nichts besagt über das Vorhandensein einer solchen Allge¬
meinbildung, auf Grund deren allein, wenn man es streng nimmt,
das Prädikat „Doktor“ verliehen werden sollte, kann sein
Nichtbesitz keinen Grund bilden, die Erteilung oder in unserm
Falle die Anerkennung zu versagen. Größere Bedeutung hätten
die zwei Jahre Primanerbildung eben nur dann, wenn sie erst
das Hauptziel jeder Erziehung brächten, nämlich die Befähigung
zur selbständigen Denkarbeit auf allen wichtigsten Gebieten von
Wissenschaft, Kunst und Leben, wenn sie erst das Merkmal
wahrer Bildung aufprägten, nämlich das unstillbare Bildungs¬
bedürfnis. Daß sie dies nicht tun, ebensowenig wie die vorher¬
gehenden sieben Jahre, erfährt jeder Unbefangene, wenn er mit
diesem Maßstabe unsere sogenannten Gebildeten, in der Haupt¬
sache doch Mature, mißt. Wahrhaft vernichtend wird sein
Urteil sein über den Stand deren allgemeiner Bildung, über den
Wert der Bildungsanstalt Gymnasium. Und wenn er moderne
Pädagogen, Literaten, Naturforscher und Philosophen befragt,
wird ihm dieses Verdikt nur um so gewisser, um so unumstö߬
licher. Liest man dann den Artikel des Herrn Dr. med. vet.
(Gießen) Jonas, der in der Forderung gipfelt: Der Staat möge
eine deutliche Unterscheidung treffen zwischen maturen und
inmatnren Veterinärdoktoren, dann kann man sich eines herzhaften
Lachens nicht erwehren.
Indessen möchte ich doch nicht alle Hoffnung fahren lassen,
daß selbst Herrn Dr. med. vet. (Gießen) Jonas bei weiterer
Entwicklung die ungeheure Kluft erkennt, die zwischen der
durchs Maturitätszeugnis festgenagelten Bildung besteht und
einer wirklichen Allgemeinbildung. Dann wird er wohl eine
Umwertung des Wortes Gymnasialmaturität vornehmen und
friedlich und schiedlich mit immaturen Doktoren (horribile dietu)
als gleichberechtigt Zusammenleben. Habeat Bibi.
Max Seber, städt. Tierarzt, Dresden.
Auszug aus dem Protokolle der ordentlichen General-
versamlung des „Tierärztlichen Vereins Schleswig-
Holsteins“
am 31. August und 1. September 1907 in Kiel, Holst’ Hotel.
Erster Tag. Der Herr Vorsitzende, Vet.-Rat Dr. Fo t li¬
sch I es wig, eröffnete um 7 l / 9 Uhr abends die Vorversammlung, be-
*) Derartigen Behauptungen muß aber denn doch auch ent¬
schieden widersprochen werden. Gründliche geistige Erziehung —
und die leisten unsere Gymnasien trotz ihrer Mängel — wird überall
die vorhandenen Anlagen und Fähigkeiten steigern, namentlich
auch die kritischen, was selbst Darwin und Haeckel gegenüber
nützlich ist. S.
grüßte die zahlreich erschienen Kollegen (85), wies auf die große
Wichtigkeit der auf der Tagesordnung stehenden Themata hin,
bemerkte, daß der Referent für das Thema „über Notschlachtungen“
nicht erscheine, und daß er deshalb dem Herrn Dr. Bugge-Kiel
das Wort erteilen werde zu seinem Vortrage „Fleischvergiftungen“.
Redner bemerkt zunächst, daß die Fleischvergiftungen innig
sich anschließen an die Notschlachtungen und daß die angekündigten
Demonstrationen erst morgen in dem bakteriologischen Institute
stattfinden könnten.
Referent teilt die Fleischvergiftungen in drei Gruppen, wovon
die eine diejenigen Gifte umfaßt, die in dem frischen Fleische noch
nicht vorhanden, sich bei der Zubereitung erst bilden, die so¬
genannten „Wurstgifte“ und hervorragend Lähmungserscheinungen
nach dem Genüsse hervorrufen — Botulismus. In eine zweite
Gruppe sind die Schädlichkeiten zu bringen, die schon im lebenden
Tiere vorhanden, durch den Genuß von solchem Fleische im rohen
Zustande im Menschen sich vermehren, hochgradige Fieber hervor¬
rufen und Lebensgefahr bringen, jedoch meistens durch den vor¬
herigen Kochprozeß unschädlich gemacht werden können.
Eine dritte Gruppe bildet sich in dem lebenden Tiere langsam,
schleichend, setzt sich meistens aus den sogenannten Stoffwechsel¬
produkten zusammen, die durch Kochen nicht unschädlich zu machen
sind, diese sind insofern die bedeutungsvollsten Fleischvergiftungen,
weil sie häutig aus Notschlachtungen hervorgehen, wie nach Ruhr,
Metriten, Mastiten, Puerperalfieber, Polyarthriten; an dem Fleische
meistens nichts Verdächtiges hervortritt, aber der Genuß Erbrechen,
Durchfall, Benommenheit und häufig den Tod des Menschen ver¬
ursacht. Um dem Tierarzte bei der Beschau in diesen Fällen
helfend zur Seite zu stehen, hat die Landwirtschaftskammer das
Tierseucheninstitut zur Abbenutzung angeboten und kann durch
Einsendung von Fleisch notgeschlachteter Tiere innerhalb
12—15 Stunden dem betreffenden Tierärzte Auskunft über den
Befund zukommen.
Hierzu wird jedoch bemerkt, daß das Institut über die Genu߬
tauglichkeit des Fleisches nicht entscheidet, sondern für die Be¬
urteilung nur ein Hilfsmittel in die Hand gibt, ob pathogene Bakterien
vorgefunden sind.
In der hieran sich anschließenden Diskussion heben Witt-
Iladersleben und Kreutzfeld-Eutin die große Bedeutung der
bakteriologischen Untersuchung der eingesandten Fleischproben
hervor, da es sich erwiesen, daß parenchymatöse Schwellungen
von Organen nicht immer Grund zum Verwerfen des Fleisches ab¬
geben, während Petersen-Segebcrg dem makroskopischen Befunde
allein den Vorzug zu geben wünscht, denn die Verantwortung trage
der abstempelnde Tierarzt allein und sei äußerste Vorsicht geboten.
Herr Dr. Foth warnt einerseits davor, von den tierärztlichen
Beobachtungen und Anschauungen abzulassen, aber empfiehlt andrer¬
seits bei Notschlachtungen zweifelhafter Natur das Institut gleich¬
zeitig mit in Anspruch zu nehmen, um mit dazu beizutragen, daß
diese Neuerung zu immer festeren Grundsätzen gelangt.
Herr v. Werder-Flensburg bittet die Kollegen, mit dafür
wirken zu wollen, daß die, den Tierärzten noch allgemein bei¬
gelegte Titel, als Beschauer, Ergänzungsbeschauer nicht geduldet,
namentlich die Schriften gemieden werden, worin solche Titulatur
noch hervortritt.
Mitteilungen aus der tierärztlichen Praxis.
Es werden mehrere Fälle von Vergiftungen bei Rindern erwähnt
und von Dr. Bugge auch der zu reichliche Genuß von Tarnacetin
vulgare, Rainfarn, der reichlich Tarnacetin enthalte, als Ursache
beschuldigt.
Witt-Hadersleben bringt die innere Verblutung durch Milz¬
ruptur bei Rindern zur Sprache, die auch von Dr. Foth,
Warringsholz und Eiler beobachtet ist. Eilers Anschauung,
daß die Ursachen hierzu in der Aufnahme von Kohlenwasserstoff¬
gas, Malarialuft, zu suchen seien, wird von Hasch-Wilster bestritten
und nimmt Petersen-Segeberg Thrombosis an.
Über die Verwertung des Fleisches solcher, teils verendeter
Tiere, zum Genüsse für Menschen gehen die Meinungen auseinander,
Ruser-Kiel hält eine solche nicht mehr für zulässig.
Thayssen-Schotzbitll beschreibt einen Fall von rheumatischem
Fieber mit nachheriger Zerreißung der Beugesehnen am Vorderbein. —
4. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
418
Die Behandlung der Mastiten vermittelst des Bi er sehen Apparates
scheint nach Mitteilung mehrerer (Rodewald, Jansen) sich nicht
bewährt zu haben, wogegen Herr v. Werder durch Einspritzung
von Jodvasogen und Har ms-Elmshorn mit Borsäure gute Erfolge
gehabt haben. Die Massage des erkrankten Euterviertels und das
Ausstrippen der betreffenden Zitze werden auch nur geteilt günstig
beurteilt.
Petersen-Segeberg empfiehlt als Yorbeugungsmittel bei Fett-
gräsung die Einreibung mit 01. animale 2 mal wöchentlich. Von
den andern Heilmitteln wird Tallianin bei der Pferderhehe sehr
gerühmt, mit der Verwendung von Lumbagin sind schlechte
Resultate erzielt; das Staupeserum ist teils mit gutem, teils mit
unbefriedigendem Erfolge, sowohl als Heilmittel, wie als Schutz¬
mittel verwendet worden und wird die Ursache dafür der Bezugs¬
quelle zugeschrieben.
Das Damholid wird gegen das Blutharnen der Rinder gerühmt,
doch wird vor der intravenösen Einspritzung desselben gewarnt,
da das Material nicht immer einwandfrei und durch die Entstehung
von malignem Ödem der Tod herbeigeführt werden kann (Bugge).
Das Tetanus-Antitoxin nach B e h r i n g wird von M a 8 c h und Witt
für zuverlässig gehalten, doch sei es verschieden. Hierzu bemerkt
Dr. Bugge, daß die Herstellung sehr schwierig sei und leicht ein
minderwertiges Produkt gewonnen werden könnte.
Die Impfung gegen Schweineseuche mit Euman hat sich nur
teilweise bewährt, wozu Marten-Neustadt bemerkt, daß stets die
Bedingungen vorweg festzustellen, unter denen überhaupt geimpft
werden darf und dann dieselben auch durchzuführen. Herr Dr. Foth
empfiehlt wieder Versuche folgen zu lassen. Dr. Bugge erwähnt
noch, daß das Rotlaufserum sehr leicht herzustellen und daß die
Rotlaufkultur nur Bazillen am Boden lagernd enthalten dürfe.
Zweiter Tag: Hauptversammlung am 1. September.
Am Morgen wurde von Dr. Bugge, nach einer kurzen Klarlegung
des Tuberkulosetilgungs-Verfahrens nach Professoren Bang und
Ostertag, auf dem Schlachthofe praktisch die Entnahme von
Lungenauswurf an einem lebenden Rinde vorgeführt. Danach fand
eine Besichtigung des bakteriologischen und Tierseuchen-Instituts
der Landwirtschaftskammer unter Führung des Herrn Dr. Bugge
und dessen Assistenten statt, wo auch verschiedene frische
Präparate von seuchenkranken Tieren zur Anschauung gelangten.
Um ll 3 /i Uhr eröffnete der Herr Vorsitzende die Haupt¬
versammlung in Holst’ Hotel, wo reichlich 75 Kollegen anwesend
waren. Zunächst wird der Geschäftsbericht von dem Herrn Vor¬
sitzenden damit eingeleitet, daß ein Dankschreiben des Ehren¬
mitgliedes Geh. Reg.-Rat Dammann-Hannover und des Tierarztes
Schmidt-Kolding, sowie eine Eingabe des Brandenburger Tier¬
ärztlichen Vereins über Errichtung einer Tierärztekammer verlesen,
an letzteres, nach kurzer Klarlegung des Sachverhaltes, der Wunsch
geknüpft, die Angelegenheit im nächsten Jahre wieder vorzutragen.
Alsdann wird bemerkt, daß der Anfang mit Anlegung eines
Instrumentariums gemacht, daß Drucksachen über die Verhandlungen
des Veterinärrates zur Verteilung gelangt, und daß auf den Geheim¬
mittelschwindel ein wachsames Auge von der gewählten Kommission
zu richten angebahnt ist, ferner, daß die Mitgliederzahl am 1. Juli 127,
außer drei Ehrenmitgliedern, betragen, daß drei Kollegen, Koch-
Borby, Braasch-Thürk und Diedrichsen-Bistoft, mit Tode ab¬
gegangen, zu deren Andenken die Anwesenden sich von ihren
Sitzen erheben; — der vorjährige Beschluß über die Entrichtung
einer Eintrittsgebühr von 4 M. trete jetzt in Kraft, der Jahresbeitrag
dagegen sei postnumerando zu zahlen und nach dem 1. Oktober
jeden Jahres, wenn nicht entrichtet, dieser durch Postauftrag
einzuziehen.
Die Rechnungslegung wird vom Kassierer erläutert und da bei
der Revision nichts zu erinnern gefunden, Decharge erteilt. Das
Unterstützungsvermögen beträgt 9038,63 M., Einnahmen und Aus¬
gaben bilanzieren mit 1306,75 M. und ist ein Kassenbestand von
55,40 M. vorhanden. Es wird vom Vorsitzenden noch dazu bemerkt,
daß 550 M. an Unterstützungen gewährt und daß 217 M. für Instru¬
mente ausgegeben sind.
Es werden hierauf 12 Kollegen als Mitglieder statutgemäß in
den Verein aufgenommen.
Zum 1. Schriftführer wird Vet.-Rat Eiler-Flensburg wieder¬
gewählt, als Revisoren haben Boje-Itzehoe und Masch-Wilster
zu fungieren.
V erschiedcnes.
Der Herr Vorsitzende empfiehlt den Beitritt zur Wirtschafts¬
genossenschaft deutscher Tierärzte, der sämtliche Kreistierärzte der
Provinz schon angehörten; Formulare zum Zeichnen liegen aus.
Zu dem Ende September in Berlin stattfindenden Kongreß für
Hygiene und Dermographie wurden die Herren Dr. Foth, Schlacht¬
hofdirektor Ruser und Tierarzt Jansen-Meldorf als Delegierte zu'
entsenden gewünscht.
Gegen den abschlägigen Bescheid des Oberlandesgerichts¬
präsidenten in Kiel wird beschlossen, eine Eingabe an den Herrn
Justizminister zu richten, betreffend die Wiedererhöhung der Ge¬
bühren für Tierärzte vor Gericht.
Für die weitere Anschaffung von tierärztlichen Instrumenten
wurden 150 M. bewilligt.
Es wird zur Sprache gebracht, daß aus Nordschleswig junge
Leute, ohne ordentliche Vorbildung, auf die Hochschule in Kopen¬
hagen gehen, daselbst als Hospitanten einen längeren Kursus durch¬
machen und dann sich hier als Pfuscher niederlassen. Es wird
gewünscht, diesem Treiben Einhalt zu tun und zu dem Ende Er¬
kundigungen direkt an der Kopenhagener Hochschule einzuziehen.
Es kommt ferner ein Antrag zur Annahme, Material über die
sogenannten wilden Impfungen zu sammeln, um dem entgegen
wirken zu können, daß Seruminstitute das Impfmaterial direkt an
die Landwirte abgeben.
Herr Vet.-Rat Dr. Foth hielt hierauf einen Vortrag über „Milch-
kontrolle“ (der für sich vom Herrn-Referenten veröffentlicht werden
wird).
In der hieran sich anschließenden Diskussion wurde darauf auf¬
merksam gemacht, daß die tierärztliche Kontrolle als Reklame in
dem Milchverkaufe häufig unberechtigterweise diene, dem entgegen¬
getreten werden müßte, auch müßten die Fälle zur Anzeige gebracht
werden, wo der Tierarzt Gelegenheit habe, die Übertragung der
Tiertuberkulose auf Menschen zu beobachten, und daß es erwünscht
sei, für den tierärztlichen Stand, sich mit der Milchkontrolle mehr
zu beschäftigen, als bisher geschehen, deshalb diese Angelegenheit
in der Tagesordnung der Tierärztlichen Versammlungen stets wieder¬
zukehren habe.
Als Delegierte für die Zentralvertretung preußischer Tierärzte
werden wiedergewühlt, und zwar für die folgenden 3 Jahre, die
Herren Dr. Foth, Ruser und Warringsholz und als Stellver¬
treter Kreutzfeld-Eutin, v. Werder-Flensburg und Janssen-
Meldorf.
Die nächstjährige Versammlung findet wiederum in Kiel statt.
Nach Schluß gemeinschaftlicher Tischgang mit Damen.
I. A.: Eiler, Schriftführer.
Grundsteinlegung zum RSC.-Denkmai.
Am Donnerstag, den 28. Mai (Himmelfahrtstag), hat unter
der Teilnahme einer größeren Anzahl vön Aktiven und Alten
Herren der Korps in Rudolstadt die feierliche Grundsteinlegung
zum RSC.-Denkraal stattgefnnden. Im Aufträge des Fürstlichen
Staatsministeriums waren Herr Geheimer Staatsrat Dr. Körbitz,
als Vertreter der Residenzstadt Rudolstadt die Herren Bürger¬
meister Doflein und Frenzel, sowie mehrere Mitglieder des
Stadtrats, als Vertreter des Rudolstädter-Abends dessen Vorstand
erschienen.
Der Vorsitzende des Festausschusses, Prof. Dr. Eberlein, er¬
öffnete die Feier mit einer Festrede, in welcher er in kurzen
Zügen die Entstehung des RSC.-Denkmals entwickelte und der
Hoffnung Ausdruck gab, daß das RSC.-Denkmal nicht allein
ein Markstein in der Geschichte des RSC., sondern auch immerdar
sein möge ein Wahrzeichen der unerschütterlichen Treue gegen
unsem geliebten Kaiser und die ihm verbündeten Fürsten, der
unverbrüchlichen Liebe zu unserm Vaterlande, ein äußeres
414
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23.
Symbol der Stärke und Einigkeit im RSC., ein Ansporn zur
Pflege studentischen Geistes, echter Freundschaft und edlen
Rittersinns.
Alsdann füllte der Vorsitzende die für den Grundstein be¬
stimmte Urne (Kapsel) mit den auf die Stiftung des RSC.-
Denkmals bezüglich Dokumenten, den Bändern aller im RSC.
vereinigten Korps sowie der von den anwesenden Vertretern
der Korps vollzogenen Stiftungsurkunde, fügte die von Sr. Durch¬
laucht dem Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt huldvollst
gestiftete Denkmünze, sowie die von dem Fürstlichen Staats¬
ministerium und der Residenzstadt Rudolstadt gewidmeten Ur¬
kunden hinzu und ließ dann die Urne verlöten und in den
Grundstein einmauern.
Hiernach folgte die eigentliche Weihe. Nachdem Herr
Geheimer Staatsrat Dr. Körbitz und Herr Bürgermeister
Doflein im Namen des Fürstlichen Staatsministerims und der
Residenzstadt Rudolstadt mit den ersten drei Hammerschlägen
herzliche Glück- und Segenswünsche dargebracht hatten, traten
nacheinander die Mitglieder des Festausschusses, sowie alle
Vertreter der Korps an den Grundstein heran, taten die üblichen
drei Hammerschläge, mit welchen sie einen markigen Hammer¬
spruch verbanden. Den Schluß bildete der Dank des Vorsitzenden
an alle zur Feier Erschienenen.
Die Enthüllung des Denkmals wird bereits am 14. Juni
stattflnden.
Erklärung.
Unterfertigtes Korps gestattet sich den verehrlichen Lesern
der B. T. W. in weiterer Erledigung der gegen Angehörige des
Korps Salingia erhobenen Beschuldigungen geziemend folgendes
zu unterbreiten.
Herr Schlenstedt ist seit seiner Studienzeit Angehöriger
unseres Korps gewesen und es hat bisher nach unserer Ansicht
kein Grund Vorgelegen, Herrn Schlenstedt das Band zu ent¬
ziehen, da er sich nach unseren bisherigen Erkundigungen
sowohl in akademischen wie auch in anderen Kreisen einer sehr
guten gesellschaftlichen Stellung erfreut. Es ist in dortiger
Gegend allgemein bekannt, daß Herr Schlenstedt die Appro¬
bation nicht erworben hat, trotzdem sieht ihn die Allgemeinheit
nicht als Pfuscher an. Es ist daher wohl verständlich, daß seit
jeher Angehörige des Korps bei Schlenstedt verkehrt und ihn
in seiner Praxis unterstützt haben, um so mehr als uns Ver¬
fehlungen in der Praxis von seiten Schlenstedts nicht zu
Ohren gekommen sind. In Verfolgung dieses Prinzips hat Herr
Honigmann keinen Anstand genommen, sich zwecks gemein¬
samer Ausübung der Praxis in Cönnern niederzulassen und hat
sich hierbei unserer festen Überzeugung nach Verfehlungen
gegen die Standesinteressen in keiner Weise zu Schulden
kommen lassen.
Die Beleidigungen, die Herr Dr. Fe lisch in seinen Artikeln
Angehörigen unseres Korps gegenüber gebraucht hatte, suchten
wir durch persönliche Verhandlungen mit Herrn Dr. Felisch
zu regeln, was jedoch nicht gelang, da selbiger sich — unserer
Überzeugung nach ungerechtfertigt — mit seiner Eigenschaft.
als Beamter deckte. Als später ein Herr, im persönlichen Auf¬
träge der beleidigten Herren, Herrn Dr. Felisch zu sprechen
wünschte, hielt dieser es trotz aller Bemühungen für überflüssig,
den Besuch zu empfangen. Zwecks endgültiger Regelung der j
Angelegenheit wird nunmehr der Klageweg beschritten und wir I
überlassen es dem Gericht, über die angeführten Beschuldigungen
die nötige Klarheit zu schaffen.
In Nr. 19 der B. T. W. sind praktische Tierärzte, die An¬
gehörige unseres Korps sind, wegen ihrer Tätigkeit in der
Praxis des Herrn Schlenstedt angegriffen worden. Wir er¬
klären hiermit auf Grund ehrenwörtlicher Aussagen dieser
Herren, daß Herr Dr. Felisch in diesen Fällen von seinen
Gewährsmännern falsch unterrichtet war, was Herrn Dr. Felisch
auch durch persönliche Schreiben dieser Herren mitgeteilt
worden ist.
Das Korps Salingia.
I. A.: Max Schulz, Salingiae X.
Resolution.
Der tierärztliche Verein für den Reg.-Bez. Merseburg
erklärt:
„daß er das Vorgehen seines Herrn Vorsitzenden gegen
Herrn Tierarzt Honigmann billigt.“
gez. Friedrich, Enders,
stellv. Vorsitzender. Schriftführer.
Zu dem Artikel „Roßarzt Rietzei“.
Beim Lesen des Artikels „Roßarzt Rietzei“ in Nr. 21 dieser
Wochenschrift ist w r ohl vielen Kollegen der Wunsch aufgestiegen,
die Veröffentlichung genannter Zeilen wäre besser unterblieben, nicht
aus Pietätlosigkeit gegen unsere Vergangenheit, sondern weil man
über gew isse Perioden, die wohl fast keinen, auch den akademischen
Berufsklassen erspart geblieben sind, politisches Stillschweigen
bewahrt. Die Zeiten, wo der Veterinär offen in einem Atemzuge
mit dem Wachtmeister genannt wurde, sind noch zu sehr in der
Erinnerung, als daß man an diesen Tatsachen, wenn auch un¬
absichtlich, rühren darf, ohne in anderen Kreisen — die Berliner
Tierärztliche Wochenschrift wird bekanntlich nicht allein von Tier¬
ärzten gelesen — ein gewisses Gefühl der Befriedigung hervorzurufen.
Der von Herrn Prof. Dr. Schmaltz in dem früheren Artikel so
treffend gebrauchte Ausdruck „Faktotum“ hätte genügen sollen,
diese Bezeichnung für den als „Tierarzt“ dienenden Roßarzt
Rietzei nicht noch durch weitere Beiträge beglaubigend zu
unterstreichen. Unus pro multis.
Anmerkung. Ich gebe dieser Ansicht Raum, ohne sie zu
teilen. Was fast 40 Jahre hinter uns liegt, kann wohl offen be¬
urteilt werden. Schmaltz.
Neuregelung der Gehälter der höheren Schulanstalten Sachsens.
Nachdem im Königreich Sachsen die Volksschullehrer, die
Geistlichen, Richter und Staatsbeamten (Ärzte usw’; eine größere
Gehaltserhöhung erhalten haben, sind sämtliche Kategorien der dem
Geschäftsbereiche des Kultusministeriums unterstellten höheren
Lehrer einer Gehaltserhöhung teilhaftig geworden, insofern die
Gehälter denjenigen der auf gleicher Bildung stehenden Staatsdiener¬
gruppen genähert worden sind unter Beibehaltung der Höchst¬
gehalte des jetzigen Status. Das Höchstgehalt wird allgemein auf
6603 M. festgesetzt; es soll jedoch in kürzerer Zeit als bisher
schon erreicht werden, das heißt längstens mit einer Gesamtdienst¬
zeit von 24 Jahren. Obige Gehaltsangabe wird als das mindeste
angesehen, was der Staat leisten muß, um hinreichende und
tüchtige Kräfte in Sachsen zu erhalten. Rektoren sollen bis 7500 M.
steigen. Anfangsgehalt ist 2800 M. Nach drei Jahren finden je
viermal 500 M., dann dreimal je 400 M., zuletzt einmal 600 M.
Steigerungen statt. Das Anfangsgehalt wird von einem Lebens¬
alter von 25 Jahren an gezahlt. — Vielleicht kommt die Zeit, wo
auch die Kommunen und nicht allein in Sachsen für ihre Tierärzte
bessere Bezahlung einführen werden, sintemal sie auch Akademiker
sind mit gleicher Studienzeit wie die Philologen! Dr. G.
Ärztestreik in Köln.
Nachdem bereits 1904 mit Mühe und Not der Ärztestreik in
Köln mit Hilfe des früheren Oberbürgermeisters sich gelegt hatte,
i ist er abermals entbrannt. Die Ortskrankenkasse sucht demnach
4. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
415
durch Zeitungen eine Anzahl Ärzte auf etwa fünf Jahre fest, mit
einem Gehalte von 8000 M., Privatpraxis ist dabei noch frei. Durch
die 1904 festgelegte freie Ärztewahl wurden nämlich die
Medikamcntenkosten zu hoch; daher die Differenzen. Dr. G.
Besserung der Stellung der Kreisärzte.
Die preußischen Kreisärzte sollen, ähnlich ihren sächsischen
Kollegen, eine Gehaltsaufbesserung erfahren. Und zwar die voll¬
besoldeten sowohl wie die nicht voll besoldeten. Auch die Dienst¬
aufwandsentschädigung soll erhöht werden. Den nicht voll be¬
soldeten Kreisärzten soll als Grundlage für die Pension der Satz
von 2250 M. gelten. Dr. G.
Handelsgesellschaft Deutscher Apotheker.
D. H. G. D. A. (Hageda) verteilt eine Dividende von 7 Proz.
w ie in den Vorjahren für ihre Mitglieder. (Die Handelsgesellschaft
ist eine Einkaufsgescllschaft ähnlich der der Wirtschaftsgenossen¬
schaft der Tierärzte.) Eine größere Summe des Kapitals soll vor¬
übergehend nutzbringend als Baugeld für das Vereinshaus deutscher
Apotheker angelegt werden. Dr. G.
Freie Vereinigung Deutscher Nahrungsmittelchemiker.
Folgende uns interessierende Gegenstände wurden auf der
VII. Hauptversammlung der Freien Vereinigung Deutscher Nahrungs¬
mittelchemiker am 29. und 30. Mai in Bad Nauheim verhandelt:
Untersuchung und Beurteilung der Milch. Berichterstatter:
Prof. Dr. Weigmann-Kiel.
Über refraktometri8che Milchuntersuchung: C. Mai-München.
Über den Wassergehalt der Margarine: A. Berthien-Dresden.
Über den Naclnveis von Fermenten mit besonderer Berück¬
sichtigung der Milch. Von S. Rothenfüßer-München.
Lber den Nachweis und die Beurteilung von Zuckerkalkzusatz
zu Milch und Rahm. Von E. Baier-Berlin.
Die Lebensmittelgesetzgebung in den Vereinigten Staaten
von Nord-Amerika. Von €. A. Neufeld.
Welche Geldstrafen stehen den Kassen zu, die Öffentliche
Anstalten zur Untersuchung von Nahrungsmitteln unter¬
halten und welche Untersuchungsgebühren sind den rechts¬
kräftig Verurteilten zugunsten der Polizeikassen aufzn-
IcgenV Dr. G.
Mittelmeerfahrt
Die heurige 4. Deutsche Mittelmeorreise unter Leitung
von Prof. Dr. Miller in Stuttgart vom 3. bis 20. August bietet die
doppelte Gelegenheit, sowohl Ägypten als Palästina auf die
angenehmste und billigste Weise kennen zu lernen. Die Überfahrt
erfolgt mit dem herrlichen neuen Luxusdampfer Cairo, welcher 180 m
Länge, 12 000 t Gehalt, 18 00O Pferdekräfte und 7 Decks über ein¬
ander hat. Der Aufenthalt in Ägypten dauert 12 Tage und führt
bis Assuan und zum ersten Katarakt. Man kann aber auch statt
Ober-Ägypten Palästina einsetzen und hat in diesem Falle 5 Tage
in Ägypten, 7 in Palästina zur Verfügung, kann Jaffa, Jerusalem,
Bethlehem, Jericho, das Tote Meer und den Jordan mit Muße
besuchen und hat, wenn man von Jericho absieht, auch von der
Hitze gar nichts zu fürchten. Auf der Heimreise w'ird 2 Tage in
Neapel und 2 Tage in Rom gerastet. Die Kosten dieser ganzen
Reise können schon mit 520 Mark und einem kleinen Taschengelde
bestritten werden. Wer größere Bequemlichkeit liebt, setzt noch ein
paar Hundert Mark zu und fahrt 1. Klasse. Seekrankheit ist in dieser
Jahreszeit und mit einem solchen Dampfer ganz ausgeschlossen.
Näheres ist aus den Prospekten zu ersehen. Anmeldungen
möglichst bald an Prof. Miller, Stuttgart. Staffierberg 54, erbeten.
Staatsyeterinärwesen.
Redigiert von Voterinärrat Preuße.
Maßnahmen zur Förderung der Viehzucht in Deutsch-
Süd westafrika und zur Bekämpfung der afrikanischen
Viehseuchen.
Wie bereits in Nr. 14 der B. T. W. mitgeteilt wurde, stand
das vorgenannte Thema auf der Tagesordnung der diesjährigen
Plenarversammlung des Deutschen Landwirtschaftsrates. Da
mir damals ein ausführlicher Bericht über diese Verhandlungen
nicht vorlag, konnte ich hierauf noch nicht näher eingehen.
Herr Veterinärrat Rick mann hatte nun die Freundlichkeit,
mir den offiziellen Bericht zur Verfügung zu stellen. Ich bin
daher jetzt in der Lage, einen Auszug aus den Verhandlungen
über das vorstehende Thema zu veröffentlichen. Als erster
hielt Wirkl. Geh. Rat Prof. Dr. Robert Koch einen Vortrag
über die ostafrikanischen Viehseuchen. Wie Referent vor
10 Jahren nach Deutsch-Ostafrika kam, fand er sehr ungünstige
Verhältnisse in betreff der Viehseuchen vor. Die aus dem Innern
nach der Küste gebrachten Tiere gingen fast alle zugrunde.
Man glaubte allgemein an Rinderpest, welche einige Jahre vorher
in Ostafrika arg gehaust hatte. Koch fand, daß die Sterblichkeit
des Viehs durch zwei ganz bestimmte Krankheiten bedingt war,
das Ktistenfieber und die Tsetsekrankheit. Das erstere kommt
in einem ganz schmalen Strich an der Küste vor. Es ist bedingt
durch einen Blutparasiten, ein Protozoon. Die Krankheit ist
sehr gefährlich, die Sterblichkeit einer befallenen Herde beträgt
90 Proz. Die wieder gesundeten Tiere sind immun „gesalzen“.
Auch die Nachkommen gesalzener Tiere haben einen geringen
Grad von Immunität. Die durchseuchten Tiere bilden eine
Gefahr für die gesunden „ungesalzenen“.*) Eine unmittelbare
*) Dies wird von Th ei ler für unrichtig erklärt, nach dessen
Ansicht können die Genesenen die Krankheit nicht auf die Unge¬
salzenen übertragen.
Berührung ist für die Übertragung nicht notwendig. Durchseuchte
Tiere brauchen nur über eine Weide zu gehen, wodurch diese auf
Wochen hinaus für gesunde und empfängliche Tiere infiziert
wird. Referent erwähnt hierzu einige Beispiele. Man kann
auch gesunde Tiere mit dem Blut gesalzener Tiere künstlich
immunisieren. Diese künstlich immunisierten können aber auch
gesunde Tiere anstecken. Die Schutzimpfung ist daher für die
Tilgung des Küstenfiebers nicht zu empfehlen. Hier helfen
nur veterinärpolizeiliche Maßnahmen. Die Schutzimpfung bleibt
nur ein Notbehelf. Das wichtigste ist, daß man alle Tiere,
welche den Blutparasiten beherbergen, beseitigt.
Das Küstenfieber breitet sich immer mehr aus, der ver¬
seuchte Küstenstrich wird immer breiter, auch sind schon
mehrere Stationen im Innern verseucht.
Bei einem im Jahre 1905 wiederholten Besuch in Ostafrika
überzeugte sich Koch, daß zwar eine Anzahl von Stationen im
Innern bereits durch Küstenfieber verseucht waren, daß diese
Krankheit jedoch in anderen großen weiten Gebieten noch nicht
aufgetreten war. Als man nun anfing, diese Seuche ernstlich
zu bekämpfen, kam der Aufstand dazwischen, dieser hat noch
zu ihrer Weiterverbreitung beigetragen. Nachdem der Aufstand
beendet ist, muß gegen das Küstenfieber energisch eingeschritten
werden. Die verseuchten Herden sind von jedem Verkehr mit
gesundem Vieh abzuschließen, es darf kein Vieh von der Küste
nach dem Innern transportiert w r erden. Das Umherziehen von
Händlern mit ganzen Viehherden und das Verteilen von Beute¬
vieh an Eingeborene und Ansiedler ist zu inhibieren. Das Vieh
ist einzufriedigen, Milchkühe sind in Ställen zu halten. Vor
allem müssen mehr Sachverständige in der Kolonie zur Ver¬
fügung stehen. Koch hält die Anstellung von mindestens
sechs Tierärzten für erforderlich.*)
*) Rick mann hält diese Zahl für völlig unzureichend.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23.
4 H»
Die zweite Rinderseuche von Deutsch-Ostafrika ist die
Tsetsekrankheit, welche ebenfalls durch einen Blutparasiten,
ein Trypanosoma, verursacht wird. Die Übertragung dieses
Parasiten geschieht durch eine Stechfliege, GlosBina. Die
Glossinen sind nicht über die Kolonien gleichmäßig verbreitet,
sie kommen nur strichweise vor, besonders am Fuße von
Gebirgen, wo Wald und WaBser miteinander verbunden Vorkommen.
Dort, wo Glossinen Vorkommen, ist jede Viehzucht unmöglich.
Gegen die Tsetsekrankheit gibt es keine natürliche Immunität,
wohl aber eine künstliche. Trypanosomen, welche Hunde und
Ratten passiert haben, können, auf Rinder verimpft, diese gegen
die Krankheit schützen. Das Schutzimpfverfahren hat jedoch
die auf dasselbe gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Der
Impfschutz ist ein verhältnismäßig kurzer. Die Krankheit
wird durch das Schutzimpfverfahren auch konserviert. Koch
empfiehlt zur wirksamen Bekämpfung der Tsetsekrankheit die
Ausrottung des sogenannten großen Wildes: Antilopen, Büffel usw.
in den Gegenden, in denen Glossinen Vorkommen. Nach Koch
kommt es nicht darauf an, die Gebiete, die jetzt durch die
Tsetse verseucht sind, für die Viehzucht freizumachen, sondern
besonders auch auf die Schaffung unverseuchter Transportwege
vom Innern nach der Küste. Solche Transportwege sind
möglichst frei von allen Tieren zu machen, die den Glossinen
die Nahrung liefern. Die sichersten Transportwege sind die
Eisenbahnen. Koch empfiehlt, nicht mit diesen Maßnahmen
schon jetzt im großen und ganzen vorzugehen, er schlägt vor,
zunächst versuchsweise in einem einigermaßen großen Gebiet
die Glossinen und damit die Tsetsekrankheit wegzubringen. Er
hält hierfür das Usambaragebirge für geeignet. Die von Koch
vorgeschlagenen Leitsätze sind bereits auf S. 155 B. T. W.
veröffentlicht worden.
Die Koch sehen Leitsätze fanden nicht durchweg allgemeine
Anerkennung. Besonders das Verlangen der Ausrottung des
sämtlichen großen Wildes blieb nicht unwidersprochen. In der
auf den Koch sehen Vortrag folgenden Diskussion führte der
frühere Gouverneur Graf Götzen aus, daß der von Koch
gemachte Vorschlag, so berechtigt er vom Standpunkt des Vieh¬
züchters aus erscheinen möge, in dieser Allgemeinheit nicht
durchführbar sei. Er empfahl daher die Maßregel, Ausrottung
des großen W T ildes, auf die Besiedlungsgebiete zu beschränken.
Es wurde beschlossen, die Kochschen Leitsätze mit dieser
Beschränkung dem Reichskanzler, zur Beachtung zu empfehlen.
Der zweite Referent, Kaiserl. Veterinärrat Rick mann,
referierte über Tierzucht und Tierseuchenbekämpfung in Deutsch-
Südwestafrika. Er gab zunächst eine Darstellung der Ent¬
wicklung der Pferde-, Rindvieh- und Kleinviehzucht in diesem
Lande und beschäftigte sich sodann eingehend mit der Frage,
in welcher Weise die Tierzucht dortselbst gefördert werden
könne. Hierzu empfahl er zunächst die Schaffung von Zucht¬
verbänden innerhalb der einzelnen Farmervereine, welche durch
Körkommissionen einen dauernden Einfluß auf die rationelle
Tierzucht auszuüben imstande sind. Um aber nicht Zucht¬
zersplitterungen oder eine zu hohe Veredelung der Haustiere
herbeizuführen, empfiehlt Referent die Mitwirkung der Regierung
durch Aussetzung von Prämien für die zweckmäßig gezüchteten
Tiere bestimmter Rassen, auch sind Einfuhrprämien für jedes
zu Zuchtzwecken importierte und den allgemein gültigen Zucht-
tauglichkeitsbestimmungeu genügende Tier zu gewähren. Die
Einfuhr darf nicht von der Regierung ausgehen, sondern von
den Farmern selbst. Die regierungsseitige Vieheinfuhr hat
sich auch mit Rücksicht auf die Seuchenbekämpfung nicht be¬
währt, da, sofern in einem großen Posten regierungsseitig ein¬
geführten Viehs einmal eine Seuche ausbricht, dieses jahrelang
gehalten werden muß, bevor es an die Farmer zur Verteilung
kommen darf. Die Einführung von Vieh durch die Farmer
geschieht aber in kleinen Trupps, bricht in einem solchen eine
Seuche aus, so ist sie leichter zu bekämpfen.
Was die Seuchen betrifft, so kommt zunächst die Rinder¬
pest in Betracht. Seit 181*7 haben zwei Ausbrüche dieser Seuche
stattgehabt, welche mit Hilfe der Kochschen Serumimpfung
wirksam bekämpft werden konnten ohne Anwendung der
rigorosen Bestimmungen des Rinderpestgesetzes. Die Gefahr
des Wiederausbruchs besteht aber trotzdem.
Das Küstenfieber, welches Geh. Rat Koch näher erörtert
hat, besteht in Deutsch-Südwestafrika nicht, es fehlen auch die
Zecken, die als Überträger der Seuche in Betracht kommen
können. Trotzdem sind Maßregeln an den Grenzen notwendig,
welche verhindern sollen, daß küstenfieberkranke oder durch¬
seuchte Rinder eingeführt werden, auch ist eine Zeckenvertilgung
an den Grenzen zu fordern.
Des ferneren ist die Tuberkulose zu erwähnen. Diese
wurde vor dem Kriege in Deutsch-Südwestafrika nicht beobachtet.
Sie wurde erst während des Krieges mit Vieh aus Kapstadt
und der Kapkolonie eingeschleppt bzw. bei solchen festgestellt.
Es müssen an den Grenzen Maßnahmen zur Abwehr der Ein¬
schleppung aus dem Auslande getroffen werden. Sollte unter
einem Bestände Tuberkulose festgestellt werden, so ist sofort
rücksichtslos einzuschreiten.
Von den im Inlande herrschenden chronischen Seuchen sind
zu erwähnen die Lungenseuche, der Rotz und die Räude des
Kleinviehs. Als Referent 1894 in die Kolonie kam, war wohl
keine Farm lungenseuchefrei. Durch veterinärpolizeiliche Ma߬
nahmen, durch Notimpfung und durch fortdauernde Belehrung
war die Lungenseuche kurz vor den Aufständen bis auf zwei
Farmen getilgt. Während des Krieges wurde durch Viehraub
die Seuche von diesen beiden Farmen wieder weitergetragen
und nahm sie dann durch Verteilung von Zuchtvieh allmählich
j wieder eine enorme Ausbreitung an. Jetzt wird es wohl wieder
gelingen, die Seuche allmählich zu beseitigen. Die Lungen¬
seuche ist aber für Südafrika eine der gefährlichsten Rinder¬
seuchen.
Die Rotzkrankheit war vor den Aufständen nicht vorhanden,
sie wurde während des Krieges aus der Kapkolonie eingeschleppt,
da die Vorsichtsmaßregeln, wie sie früher gehandhabt wurden,
nicht mehr durchgeführt werden konnten. Es wurde unterlassen,,
den ersten rotzkranken Trupp unschädlich zu beseitigen. Referent
fand bei seiner Besichtigung bereits 75 Proz. desselben offen¬
sichtlich rotzkrank. Diejenigen Pferde, welche noch keine
Erscheinungen zeigten, mußten aber ins Land hineingeschickt
werden, da dies die Kriegsnotwendigkeit verlangte. Es ist nur
gelungen, das Gouvernementsgestüt Vauchus und einige Privat¬
gestüte vor Rotz zu bewahren. Die völlige Tilgung dieser
Seuche wird auf große Schwierigkeiten stoßen, Mallein und
Agglutinationsverfahren müssen hier als Hilfsmittel dienen.
Die Räude des Kleinviehs ist in Südafrika sehr verbreitet.
Obschon besondere Gesetze erlassen worden sind, ist man doch
dieser Krankheit nicht Herr geworden, trotzdem sind besondere
Bestimmungen zur Räudetilgung notwendig. Die Räudebäder
4. Juni 1908.
BERLIN KU TIERÄRZTLICHE WO( IIKNSCHEUT.
417
müssen gesetzlich vorgeschrieben und unter veterinärpolizeilicher
Aufsicht durchgeführt werden; in den beiden heißen Monaten
des Jahres ist jeder Vertrieb von Kleinvieh zu untersagen, diese
beiden Monate sind besonders zur Räudetilgung zu benutzen.
Von sehr großer Wichtigkeit ist die Entschädigungsfrage,
zurzeit bestehen hierüber keine besonderen Bestimmungen, daher
muß diese Frage gesetzlich geregelt werden. Dies würde zur
Seuchentilgung wesentlich beitragen.
Die Frage der Umzäunungen hält Referent vorläufig nicht
fiir so wichtig, eine Umzäunung kostet viel Geld, welches lieber
für Anschaffung von Muttervieh verwendet werden kann.
Höchstens könne im Falle des Ausbruchs von Küstenfieber eine
Umgrenzung des verseuchten Weidegebietes in Betracht kommen.
Ein sehr wichtiger Punkt für die Seuchenbekämpfung ist
ferner die Wasserfrage. Die meisten Farmer besitzen nur eine
Wasserstelle. An dieser kommt alles Vieh zusammen, hier geht
dann die Ansteckung vor sich. Es ist daher dafür zu sorgen,
daß die Farmer neben den Hauptwasser- auch Neben Wasser¬
stellen herrichten und zwar durch Brunnenbohrungen oder Her¬
stellung von Staudämmen, die in der Regenzeit das Wasser auf¬
fangen und ansammeln.
Zum Schluß kommt Referent auf die Organisation des
Veterinärwesens zu sprechen. Für Deutsch-Südwestafrika, ein
Tierzuchtgebiet par excellence, sind Tierärzte mindestens ebenso
notwendig, wie für Ostafrika. Es genügt nicht Tierärzte hinaus-
zuschicken, welche soeben ihr Staatsexamen gemacht haben,
diese besitzen nicht die nötige Erfahrung. Die nach Südwest¬
afrika entsandten Tierärzte müssen vorher in Deutschland in
geeigneter Weise ausgebildet werden, auch müssen sie in der
Heimat bereits Praxis getrieben haben. Es ist weiter erforderlich,
daß die Tierärzte sich vorher das Fähigkeitszeugnis zur An¬
stellung als beamteter Tierarzt erworben haben, da für
sie in Afrika nur Beamtenstellungen in Betracht kommen. Der
Kolonialtierarzt hat in erster Linie die Aufgabe, die Tierseuchen
zu bekämpfen. Privattierärzte können drüben nicht
existieren, da die Farmen weit auseinanderliegen und die Ver¬
hältnisse derartig teuer sind, daß ein Tierarzt lediglich von
Privatpraxis nicht leben kann.
Zur Verwirklichung der für Südwestafrika gestellten Forde¬
rungen gehört vor allen Dingen viel Geld. Referent bittet, den
Landwirtschaftsrat seinerseits mit dafür zu wirken zu suchen,
daß der Regierung die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt
werden. Es hat bisher in Südwestafrika auch an tüchtigen
jüngeren Landwirten gefehlt. Es sollten nur gute Elemente
hinübergehen. Referent schlägt folgende Resolution vor:
„Der Deutsche Landwirtschaftsrat wird es sich angelegen
sein lassen, auch die Interessen der deutschen Landwirtschaft
in den deutschen Kolonien zu vertreten.“
Als dritter Referent macht Herr Dr. Paul Rohrbach
eingehende sehr interessante Mitteilungen über die klimatischen
Vegetations- und Bodenverhältnisse Deutsch-Südwestafrikas, auf
welche hier nicht näher eingegangen werden kann.
Sehr interessant gestaltete sich auch die darauffolgende
Diskussion, in welcher verschiedene erfahrene Afrikaner zu
Worte kamen. Sehr eingehend äußerte sich der Unterstaats¬
sekretär im Reichskolonialamt, Dr. von Lindequist, über die
südwestafrikanischen Verhältnisse, soweit die Tierzucht in
Betracht kommt. Er wies besonders darauf hin, daß sich Süd¬
westafrika außer für die Zucht des Wollschafes, des Fettschwanz¬
schafes, der Angoraziege, auch für die Zucht des aus der
Bucharei stammenden Karakulschafes eigne. Letzteres liefert
das wertvolle Persianerpelz werk. Züchtungs versuche mit diesen
Schafen haben zu einem guten Resultat geführt. Gegenüber
den Ausführungen des Herrn Rickmann verteidigt der Unter¬
staatssekretär die regierungsseitig erfolgte Einfuhr von Zucht¬
vieh nach Deutsch-Südwestafrika. Ohne diese Einfuhr würde
nach seiner Meinung nicht ein Viertel von demjenigen Zuchtvieh,
welches augenblicklich im Schutzgebiet ist, wieder dort sein.
Den Mangel an Tierärzten bedauert der Unterstaatssekretär
gleichfalls, bei welcher Gelegenheit er Herrn Rick mann seine
volle Anerkennung für die Verdienste, die er sich zum Wohl
des Schutzgebiets erworben hat, ausspricht. Er Bält die
Personenauswahl mehr oder weniger für eine Geldfrage. Solange
die Beamten draußen nicht besser bezahlt werden, dürfte es
nicht gelingen, darin einen Wandel zu schaffen. Der Unter¬
staatssekretär hält es entgegen Herrn Rick mann nicht für
ganz ausgeschlossen, daß auch Privattierärzte in das Schutz¬
gebiet hineingezogen werden könnten. Ebenso wie sich schon
Ärzte im Schutzgebiet niedergelassen haben, würden dies auch
Privattierärzte tun können, welchen nebenamtlich auch
Regierungsfunktionen zugewiesen werden könnten. Über kurz
oder lang dürfte dies auch eintreten.*)
Des weiteren behandelte der Herr Unterstaatssekretär die
Frage, ob sich Deutsch-Südwestafrika mehr für Großfarmbetrieb
oder für Kleinsiedlungen eigne. Hierauf näher einzugehen,
würde zu weit führen. Der Präsident der Deutschen Farm¬
gesellschaft, von Mallinckrodt, Mitglied des Direktoriums der
Liebig-Kompagnie, macht nähere Mitteilungen über die Absichten
dieser Gesellschaft in Deutsch-Südwestafrika. „Die wirtschaft¬
liche Betätigung soll vorerst nicht in der Fleisch Verwertung
bestehen, sondern zunächst in der Einrichtung von Mutter¬
farmbetrieben und der praktischen Erfahrungen, welche sie in
der Bekämpfung der Viehseuchen in Südamerika erworben hat.
Die Liebig-Kompagnie hat in dieser Richtung hin die Studien
der deutschen Forscher von jeher unterstützt und eine große
Anzahl Vieh zu Impfzwecken zur Verfügung gestellt. Die
Gesellschaft beabsichtigt, das in Südamerika erprobte System
eingefriedigter Farm auch in Südwestafrika zur Anwendung zu
bringen. Der wichtigste Grund, weshalb die Gesellschaft noch
nicht zur Fleischverwertung übergehen kann, ist der hohe Vieh¬
preis; dieser beträgt in Südw r estafrika 200 bis 250 M., in Süd¬
amerika für dasselbe Vieh 60 bis 80 M. Es muß daher erst
noch ein Ausgleich erfolgen; sobald dieser eingetreten ist, wird
die Liebig-Kompagnie ihren Schlachtbetrieb auch in Südwest¬
afrika aufnehmen.“
Sehr bemerkenswert sind die Auslassungen des Domänen¬
rats Brödermann-Knegendorf. Dieser Herr regt sich darüber
auf, daß Herr Rick mann unter den Funktionen des Tierarztes
im "Schutzgebiet auch die Tierzucht genannt hat. Er entwickelt
hierbei eine etwas sonderbare Logik. Ihm ist bekannt, daß
in Süddeutschland überall die Tierzucht mit zu den Funktionen
der Tierärzte gehört; da dies in Norddeutschland nicht der
Fall sei, so dürfe der Deutsche Landwirtschaftsrat dies auch
in bezug auf die Tierärzte im Schutzgebiet nicht aussprechen,
*) Herr Rickmann bemerkt hierzu, daß Tierärzte, die auf
Praxis allein angewiesen wären, in Südwestafrika bald verhungern
müßten. Dagegen könnten Tierärzte, die sich als Farmer nieder¬
ließen, sehr wohl nebenher private tierärztliche Tätigkeit ausüben,
418
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23.
man müsse es den Farmern überlassen, ob sie ihre Tierzucht
durch Tierärzte regeln wollen oder durch Tierzuchtinspektoren.
Herr Brödermann beantragte daher, das Wort „Tierzucht“
unter den Funktionen des Tierarztes zu streichen. Der Eifer,
mit dem unsere norddeutschen Agrarier bemüht sind, die Tier¬
ärzte von allem, was mit der Tierzucht zusammenhängt, selbst
wenn es sich auch um Afrika handelt, fernzuhalten, fängt bei¬
nahe an komisch zu wirken. Im übrigen hat Herrn Bröder¬
mann sein Protest nichts genutzt, das Wort „Tierzucht“ ist in
den Rickmannschen Leitsätzen stehen geblieben. Es wurde
beschlossen, letztere mit einigen Abänderungen dem Reichs¬
kanzler als Material zu übergeben.
Es dürfte sich erübrigen, die Leitsätze des Herrn
Veterinärrat Rickmann hier in ihrem ganzen Wortlaut wieder-
zugeben, sie bilden in der Hauptsache eine auszugsweise
Wiederholung seines Referates. Pr.
Abdeckereiwesen.
Die Abdeckereibesitzer Ulrich und Genossen haben beim
Abgeordnetenhause petitioniert. 1. Die Ablösung der Abdeckerei¬
privilegien in die Wege zu leiten. 2. Die Staatsregierung zu
ersuchen, Massenagitationen, wie die der Brandenburger Land¬
wirtschaftskammer, welche die allgemeine Nichtbeachtung und
Entwertung der Abdeckereiprivilegien bezwecken, zu verhindern,
und 3. Vorbereitung eines Gesetzentwurfs zur Festlegung der
Gültigkeit der Abdeckereiprivilegien. Diese Petition gelangte
am 3. April d. J. in der Agrarkommission zur Verhandlung.
Der Berichterstatter hob hervor, daß während das Kammer¬
gericht früher den Abdeckern für Vorenthaltung eines Kadavers
die Sätze des Publikandupis von 1772 zuerkannt hatte, es nun¬
mehr einen anderen für die Abdecker günstigeren Standpunkt
einnehme. Die vielen Prozesse, die in den letzten Jahren
infolge des Vorgehens der Brandenburger Landwirtschafts¬
kammer anhängig gemacht wurden, haben die Justizverwaltung
genötigt, alle Abdeckereiprozesse, soweit sie vor das Kammer¬
gericht kommen, einem besonderen Senat zu übergeben. Dieser
Senat nimmt den Standpunkt ein, daß die Abdecker ein Anrecht
auf Ersatz des Schadens in seinem vollen Umfange hätten, ohne
Rücksicht auf die Entschädigungssätze des Publikandums, also
auf Ersatz des Wertes, den heute der ganze Kadaver für sie
habe. Von seiten der Staatsregierung wurde in der Kommission
die Erklärung abgegeben, daß in betreff des Punktes 1 der
Petition ein Bedürfnis wohl anzuerkennen sei. Ohne Änderung
der Gewerbeordnung könne jedoch eine Lösung dieser Frage
nicht erfolgen. Das Material sei dem Reichskanzler bereits
vorgelegt, dessen Stellungnahme bleibt abzuwarten. Der Punkt 2
der Petition sei schon Gegenstand von Gesuchen an das
Ministerium gewesen. Die Petenten seien auf den Rechtsweg
verwiesen worden. 3. Ein Bedürfnis für ein sofortiges Ein¬
schreiten der Gesetzgebung zum Zwecke' der provisorischen
Regelung der Rechtsverhältnisse der Inhaber der Abdeckerei¬
privilegien erkenne die Staatsregieruug nicht an. Mit Rücksicht
auf diese Erklärung des Regierungsvertreters beschloß die
Agrarkommission, die Absätze 1 und 3 der Petition der Staats¬
regierang als Material zu überweisen, dagegen über Absatz 2
zur Tagesordnung überzugehen.
Die Abdeckereibesitzer in der Provinz Brandenburg führen
schon seit längerer Zeit eineu erbitterten Kampf gegen die Land¬
wirtschaftskammer, welche den privilegierten Abdeckern das
Recht, die Herausgabe der Kadaver von gefallenem Vieh zu
erzwingen, abstreitet, sie hätten höchstens nur einen Anspruch
auf Herausgabe der Haut, des Talges und der Haare. Der
Eigentümer des Tieres, der auch diese Teile nicht herausgebe,
sei nur zur Zahlung von Entschädigung verpflichtet. Diese Auf¬
fassung hat die Kammer allen landwirtschaftlichen Vereinen
durch Zirkular zukommen lassen. Die Folge war ein ganzer
Rattenkönig von Prozessen, die zum Teil zugunsten der einen,
zum Teil zugunsten der andern Partei entschieden worden sind.
Schließlich haben die Abdeckereibesitzer in einem großen Prozeß,
den sie in ihrer Gesamtheit gegen die Brandenburger Land¬
wirtschaftskammer angestrengt hatten, in letzter Instanz vor
dem Kammergericht obgesiegt. Die Kammer ist bei Vermeidung
einer Strafe von 300 M. in jedem Falle vorläufig verurteilt
worden, a) die Behauptung zu unterlassen, daß die Abdecker
ein Recht, die Herausgabe des Kadavers von gefallenem Vieh
zu erzwingen, überhaupt nicht haben, ihnen vielmehr höchstens
ein Anspruch auf Herausgabe der Haut, des Talges und der
Haare zusteht, b) sich der Aufforderung zu enthalten, die
Kadaver von gefallenem Vieh oder deren Bestandteile nicht an
die Abdeckerei abzuliefern. Weiter ist die Kammer verurteilt
worden, sich bei Vermeidung der angedrohten Strafe der Auf¬
stellung und Verbreitung der Behauptung zu enthalten, daß die
Abdecker ein Anrecht auf Schweine überhaupt nicht hätten. Im
übrigen bleibt noch ein Endurteil abzuwarten.
Infolge dieser durch Gerichtsentscheidung geschaffenen, für
die Landwirtschaftskammer ungünstigen Sachlage hat sich diese
veranlaßt gesehen, den landwirtschaftlichen Vereinen von Ab¬
deckereiprozessen abzuraten und sie aufgefordert, die Kadaver
den Abdeckern ausznliefern. Pr.
Ein langwieriger Seucbenprozeß.
Gegen den Gutsbesitzer Otto Freitag, Amtsvorstehcr in
Dodendorf, und den Tierarzt Felix Rhein in Langen weddingen
war Anklage erhoben worden wegen Übertretung des § 9 Abs. 1
des Scuchengesetzes. Das Schöffengericht zu Magdeburg-Buckau
hatte den Angeklagten Freitag zu 10 M. verurteilt, den Angeklagten
Rhein freigesprochen. Der in der Schöffengerichtsvcrhandlung
fcstgestellte Tatbestand ist folgender.
Mitte Oktober 1905 besaß Freitag 21 Enten und 73 Hühner.
Von den Enten gingon 10 in kurzer Zeit ein, die übrigen wurden
geschlachtet. Als dann auch unter dem Hühnerbestand Todesfälle
auftraten, sandte Freitag am 26. Oktober 1905 eins dieser Hühner
an die Landwirtschaftskammer in Halle und erhielt am 29. die
Diagnose Geflügelcholera mit dem Rat, die übrigen Tiere mit
Serum impfen zu lassen. Freitag ersuchte nun den Tierarzt
Rhein, die Impfung vorzunehmen. Dieser erhielt das Ersuchen
am 5. November, verschrieb telegraphisch das Serum und nahm am
7. die Schutzimpfung der Hühner vor. Dabei erstattete Rhein
noch am selben Tage mündlich dem Angeklagten Freitag in seiner
Eigenschaft als Amtsvorsteher die Anzeige vom Verdacht des
Ausbruchs der Geflügelcholera; gleichzeitig benachrichtigte Rhein
den Kreistierarzt in einer nicht amtlichen Karte von diesem Ver¬
dacht. Am selben Tago hat nun auch der Angeklagte Freitag
die Anzeige erstattet, indem er sie in Abwesenheit des stell¬
vertretenden Amtsvorstehers in das Amtsjournal eintrug; er nahm
auch- sofort Desinfektion und Absperrung vor, noch ehe Kreis¬
tierarzt Sickert auf die ortspolizeiliche Requisition vom 12 November
im Wohnort eintraf.
Nach § 9 des Reichsvichseuchengesetzes war der Angeklagte
Freitag als Besitzer verpflichtet, von dem im Oktober erfolgten
Seuchenausbruch binnen 24 Stunden Anzeige zu erstatten; da er
selbst Amtsvorsteher ist, mußte die Anzeige dem stellvertretenden
Amtsvorstehcr erstattet werden. Dies ist erst verspätet erfolgt,
worin eine Übertretung liegt. Da ein böser Wille ausgeschlossen
4. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
419
ist, wird auf die gesetzlich niedrigste Strafe erkannt. Der Mit¬
angeklagte Rhein war zur sofortigen Anzeige verpflichtet, wenn
er vor dem polizeilichen Einschreiten vom Ausbruch der Geflügel¬
cholera Kenntnis eilangte. Nun hat er am 5. November durch das
Schreiben Freitags und das mitgesandte Schreiben der Landwirt¬
schaftskammer diese Kenntnis erhalten. Das Gericht ist aber der
Ansicht, daß diese nicht auf eigne Wahrnehmung begrün¬
dete Kenntnis ihn nicht zur Anzeige verpflichtete; denn
sonst müßte der Tierarzt, dem schriftlich von dem Auftreten eines
Seiichenverdachtes von irgendeinem Laien Nachricht zugeht, ja
auch verpflichtet sein, auf solche Mitteilung hin Anzeige bei der
Ortspolizeibehörde zu erstatten. Dies ist aber offenbar nicht die
Meinung des Gesetzgebers gewesen, vielmehr ist die Anzeigepflicht
dem Tierarzt mit Rücksicht darauf auferlegt worden, daß er ver¬
möge seiner Eigenschaft als Sachverständiger in der Lage ist,
selbst maßgebende Beobachtungen zu machen. In dieser Hinsicht
hat er seiner Anzeigepflicht genügt.
Gegen dieses Erkenntnis hat bezüglich des Tierarztes Rhein
die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Das Landgericht zu
Magdeburg hat in der Sitzung vom 16. August 1906 diese Berufung
verworfen. Aus den Gründen ist folgendes hervorzuheben: Die
Staatsanwaltschaft hat ihre Berufung damit gerechtfertigt, daß
Rhein bereits am 5. November vom Ausbruch der Geflügelcholera
Kenntnis erhalten habe, und daß die Mitteilung der Landwirtschafts¬
kammer mindestens den Verdacht gerechtfertigt habe, die Tierärzte
aber nach § 9 Abs. 3 des Reichsviehseuchengetzes und § 1 der
landespolizeilichen Anordnung vom 12. November 1903 nicht bloß auf
Grund eigener sachverständiger Feststellungen, sondern auch schon
dann Anzeige machen sollten, wenn sie von Erscheinungen, welche
den Verdacht begründen, irgendwie Kenntnis erhielten. Das Land¬
gericht hat sich diesen Ausführungen nicht anschließen können,
stellt sich vielmehr auf den Standpunkt des Schöffengerichts, daß
ein Tierarzt durch die Mitteilungen von Wahrnehmungen anderer
über den Verdacht des Seuchenausbruchs noch nicht zur Anzeige
verpflichtet wird, sondern daß die Anzeigepflicht nach § 9 Abs. 3
ihn erst dann trifft, wenn er bei der Behandlung der erkrankten
Tiere auf Grund eigener Wahrnehmungen von entsprechenden
Erscheinungen Kenntnis erhält. Er mußte den Ausbruch der Seuche
anzeigen, nachdem er am 7. November die Schutzimpfung vorge¬
nommen hatte. Von dieser Pflicht wurde er nicht entbunden durch
die Erwängung, daß bereits der Tierarzt der Landwirtschaftskammer,
dem unzweifelhaft in erster Linie die Anzeigepflicht oblag, dieser
Pflicht genügt habe. Die Anzeigepflicht der in § 9 genannten
Personen ist vielmehr eine kumulative; jeden trifft die Ver¬
antwortung; wenn niemand der Verpflichtung nachkommt, hat jeder
die eigne Pflicht verletzt. Rhein hat nun am 7. November den
Seuchenausbruch dem Geschädigten selbst in seiner Eigenschaft
als Amtsvorsteher mündlich angezeigt. Die Berufung der Staats¬
anwaltschaft führt aus, daß die mündliche Anzeige nicht genüge,
und daß der Tierarzt habe wissen müssen, daß Freitag wegen
Kollision der Interessen an der Entgegennahme der Anzeige ver¬
hindert war, daß er also die Anzeige dem stellvertretenden Amts¬
vorsteher hätte erstatten müssen. Es ist unzweifelhaft richtig, daß
der Amtsvorsteher Freitag für die Entgegennahme der Anzeige
unzuständig war, daß der Angeklagte Rhein die Anzeige deshalb
beim Stellvertreter hätte Vorbringen müssen, und zwar schriftlich,
wenn eine mündliche Anzeige untunlich war. Das Gericht hat in=
dessen dem Angeklagten geglaubt, daß er wegen der Äußerung des
Freitag, er solle die Anzeige bei ihm Vorbringen, weil der Stell¬
vertreter verreist sei, dieson für berechtigt gehalten habe. Das ist
ein Rechtsirrtum, aber kein strafrechtlicher, sondern ein Irrtum über
eine Norm des Verwaltungsrechts.
Auch gegen dieses Erkenntnis hat die Staatsanwaltschaft Be¬
rufung beim Kammergericht eingelegt. Der erste Strafsenat des
Kammergerichts hat in seiner Sitzung vom 5. November 1906
folgenden Beschluß gefaßt:
In Erwägung, daß die Norm, deren Übertretung dem Ange¬
klagten Rhein zur Last gelegt wird, in § 9 Abs. 3 des Reichs¬
viehseuchengesetzes in Verbindung mit der Bekanntmachung des
Reichskanzlers vom 15. Juli 1903 und die anzuwendende Straf-
Vorschrift in § 65 Nr. 2 des gleichen Gesetzes enthalten ist,
daß auch nur diese Vorschriften in den Urteilen erster und
zweiter Instanz als vom Angeklagten Rhein übertreten bezeichnet
werden und in der Revision lediglich Verletzung des § 9 Abs. 3
durch Nichtanwendung behauptet wird,
daß die landespolizeiliche Anordnung des Regierungspräsi¬
denten, so weit sie hier überhaupt in Frage kommt, lediglich die
gesetzliche Vorschrift bezüglich der Anzeigepflicht wiederholt
und deshalb nicht angewendet werden kann,
daß somit nicht eine nach Landesrecht, sondern lediglich
eine nach Reichsrecht strafbare Handlung den Gegenstand der
Untersuchung bildet,
wird beschlossen: das Kammergericht ist zur Entscheidung
in der vorliegenden Sache unzuständig; zuständig ist das Ober-
landcsgericht zu Naumburg.
Nunmehr hat das Oberlandesgericht zu Naumburg durch Urteil
vom 12. Januar 1907 das Urteil des Landgerichts zu Magdeburg
aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung in die Vorinstanz
zurückverwiesen mit folgender Begründung: Die Staatsanwaltschaft
hat ausgeführt, daß die vom Berufungsgericht gegebene Auslegung,
wonach die Anzeigepflicht des Tierarztes stete erst auf Grund
eigner Wahrnehmung gegeben sei, in den Worten des Gesetzes
keine Stütze finde; die Anzeigepflicht läge vielmehr auch schon
dann vor, w^enn dem Tierarzt der .Seuchenausbruch von einer
Person mitgeteilt werde, deren Sachkunde, wie im vorliegenden
Falle die der Landwirtschaftskammer, nicht in Zweifel gezogen
werden könne. Die Revision ist als begründet zu erachten. Nach
§ 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 65 des Reichsviehseuchengesetzes
ist der Tierarzt zur sofortigen Anzeige, d. h. binnen 21 Stunden
verpflichtet, sofern er von Erscheinungen, welche den Verdacht
begründen, Kenntnis erhält. Diese Kenntnis ist dem Angeklagten
zweifellos bereits durch das Schreiben des Geflügelbesitzers Freitag
am 5. November geworden; denn er wußte in seiner Eigenschaft
als Tierarzt, daß dieses Schreiben das Ergebnis einer bakterio¬
logischen Untersuchung war. Ein begründeter Verdacht im Sinne
des Gesetzes ist keineswegs erst dann vorhanden, wenn er auf
eigenen Wahrnehmungen des Tierarztes beruht, die Kenntnis liegt
vielmehr insbesondere auch dann vor, wenn ein andrer Sachkundiger
die Untersuchung vorgenommen hat und der zur Anzeige ver¬
pflichtete Tierarzt von dem die Seuche bestätigenden Ergebnis
dieser Untersuchung zuverlässige Mitteilung erhält Wollte man
den Ausführungen der Vorderrichter folgen, so würde in zahlreichen
Fällen der Zweck jener Anzeigepflicht, dem heimischen Viehstande
größtmöglichen Schutz zu gewähren, vereitelt werden. Hiernach
hat der Angeklagte verspätet Anzeige erstattet, von den andern
Mängeln der Anzeige abgesehen. Daß der Angeklagte aber bereite
am 5. November sich in dem an sich entschuldbaren verwaltungs¬
rechtlichen Irrtum befunden habe, er brauche Anzeige nicht mehr
zu erstatten, weil der Briefschreiber zugleich Amtsvorsteher sei,
ist vom Berufungsrichter nicht festgestellt worden. Das Revisions¬
gericht konnte daher auch nicht erörtern, ob dem Angeklagten
etwa nach dieser Richtung hin die subjektive, die strafrechtliche
Verantwortlichkeit erst begründende Verschuldung gefehlt hat.
Nun endlich hat eine letztmalige Verhandlung vor dem Land¬
gericht zu Magdeburg am 22. Februar 1907 stattgefunden, in der
die Berufung der Königl. Staatsanwaltschaft endgültig verworfen
worden ist. Das Urteil stützt sich auf den in der Entscheidung
des Oberlandesgerichts hervorgehobenen Punkt, indem es annimmt,
daß der Angeklagte zwar bereite auf Grund der ihm gewordenen
schriftlichen Mitteilung vom 5. November zur Anzeige verpflichtet
gewesen ist, daß er sich jedoch in dem durchaus entschuldbaren
und eine Übertretung nicht begründenden verwaltungsrechtlichen
Irrtum befunden habe, die Anzeige erübrige sich dadurch, daß der
ihm die Mitteilung machende Tierbesitzer zugleich der Amts¬
vorsteher und als solcher zur Entgegennahme der Anzeige berechtigt
sei. Der Irrtum ist entschuldbar auch schon deshalb, weil die
Kürze der Anzeigefrist dem Angeklagten nicht genügende Zeit ließ,
sich bei etwa aufstoßenden Zweifeln Aufklärung durch Befragen
eines Rechtskundigen zu verschaffen. Das Gericht hat deswegen
nicht festzustellen vermocht, daß den Angeklagten ein Ver¬
schulden trifft.
420
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23.
Nachweisung Ober den Stand der Tierseuchen in Deutschland
vom 15. Mai 1908.
Die Zahlen bedeuten die Krelae (Oberamtsbezirke) usw., eingeklammert die Oemelndcn.
Schweineseuche und Schweinepest.
Regierungs¬
bezirk usw.
Kreise » l
er-
chte
ö
'S ö
©
O
Auf je 1000 1
Gemeinden |
waren verseucht;
Regierungs¬
bezirk usw.
Kreise ®
er¬
eilte
c
'S c
© ^
o
Preußen:
Sigmaringen . . .
—
—
Königsberg....
8
22
7
Waldeck.
3
4
Gumbinnen ....
6
14
5
Bayern:
Allcnstein ....
5
6
3
Oberbayern ....
6
12
Danzig.
3
4
3
Niederbayern. . .
5
15
Marienwerder . .
12
31
14
Pfalz.
—
—
Berlin.
—
—
Oberpfalz.
—
—
Potsdam.
14
94
36
Oberfranken . . .
1
1
Frankfurt.
18
110
41
Mittelfranken. . .
4
4
Stettin.
11
24
13
Unterfranken. . .
1
1
Köslin.
7
24
12
Schwaben.
8
27
Stralsund ....
—
—
—
Württemberg .
1
1
Posen .
20
57
17
Sachsen.
4
5
Bromberg.
13
8G
39
Baden .
11
16
Breslau.
22
227
60
Hessen.
9
16
Liegnitz.
18
184
63
Meckl.-Schwerin
6
12
Oppeln.
11
31
12
Mcckl.-Strelitz .
2
2
Magdeburg ....
9
19
8
Oldenburg . . .
12
23
Merseburg ....
12
30
12
Sachs.-Weimar.
2
13
Erfurt.
5
20
34
Sach s.-Meiningen
1
4
Schleswig ....
12
25
11
Sachs.-Altenburg
2
2
Hannover .
6
10
16
Sachs.-Kob.-Got.
—
—
Hildesheim ....
7
13
18
Anhalt.
2
5
Lüneburg .
10
20
14
Braunschwelg
5
11
Stade.
7
9
12
Schwarzb.-Sond.
—
—
Osnabrück ....
6
17
30
Sch warzb.-Rud.
1
1
Aurich.
1
1
3
Reuß ä. L.
1
1
Münster.
9
20
75
Reuß j. L.
1
1
Minden.
9
11
22
Schau mb.-Lippe
2
3
Arnsberg.
14
22
26
Lippe-Detmold .
4
9
Kassel.
11
29
17
Hamburg ....
2
3
Wiesbaden ....
11
36
38
Lübeck .
—
—
Koblenz.
8
22
21
Bremen.
—
—
Düsseldorf ....
12
31
72
Elsaß.
1
1
Köln.
5
6
20
Lothringen . .
2
2
Trier.
7
9
8
Aachen.
2
2
5
Maul- und Klauenseuche.
Regierungsbezirk usw.
bzw. Staat
(♦ = neu verseucht)
Kreise
Gemeinden
Gehöfte
Gegen!
©
00
’©
ä
Iber d. 1
.ö
*© Ö
q ©
O
5. April
©
JO
ja
©
O
Preußen:
Königsberg ....
1
2
3
— 2
- i
o
Allenstein ....
0
o
o
~ 1
— 1
1
Marienwerder . . .
1
2
2
° i
o
_ o
*Köslin.
3
28
57
+ 3
+ 28 |
-j- *->7
Düsseldorf ....
°
o
o
- 1 !
— 2
- 3
Preußen zusammen
5
32
62
— l
-f- 24
4" ;>1
Bayern:
* Mittelfranken . . .
2
2 ;
2
+ 2
+ 2 i
+ 2
Schwaben ....
L-J
l
3
o
0
+ 2
Zusammen
8 |
35 |
67
+ 1 <
+ 26:
+ 55
Rotz.
Rreußcn: In den Reg.-Bez. Königsberg, Gumbinnen, Köslin,
Düsseldorf je 1 (1), Stadtkreis Berlin 1 (3); in den Reg.-Bez. Marien¬
werder, Liegnitz je 2 (2), Köln 2 (3), Posen, Oppeln je 3 (3),
Brouiberg 6 (6).
Bayern: Im Reg.-Bez. Niederbayern 2 (2).
Sachsen: Kreishauptraannsehaft Leipzig 1 fl).
Hamburg: Stadt 1 (1).
Zusammen 30 Gemeinden (30 am 15. April), davon 20 auf
Preußen (31 im April).
Lungenseuche.
Preußen: Im Stadtkreis Berlin 1 (1) in den Reg.-Bez. Düssel¬
dorf 1 (1), Posen 2 (2), Bromberg 3 (3 .
Sachsen: Kreishauptmannschaft Leipzig 2 (2).
Sachsen-Koburg-Gotha: Herzogtum Gotha 1 (1).
Zusammen 10 Gemeinden (11 am 15. April), davon 7 auf
Preußen (9 im April).
Beschauzwang bei Rinderhausschlacbtungen.
Mit Rücksicht auf die Gefahr der Verbreitung der Lungen¬
seuche hat der Regierungspräsident in Bromberg durch landes¬
polizeiliche Anordnung vom 27. März 1908 auf Grund des § 3
des Fleischbeschaugesetzes den Beschauzwang für alle Rinder
mit Ausnahme der Kälber bis zum Alter von 0 Wochen, auch
in den Fällen, in denen das Fleisch ausschließlich im eigenen
Haushalt des Besitzers verwendet werden soll, für den ganzen
Umfang des Regierungsbezirks vorgeschrieben.
Schweinerotlauf beim Menschen.
In Nr. 50 der Münchener medizinischen Wochenschrift teilt
Dr. Wetzel einen Fall von Heilung des Schweinerotlaufs beim
Menschen durch Seruminjektion mit. Kreistierarzt L. hatte sich
bei Injektion einer Reinkultur von Rot lauf bazillen verletzt,
worauf sich in der Folge entzündliche Rötung und Schwellung
am verletzten Daumen entwickelte. Die Erkrankung schritt
schnell auf Zeigefinger, Unterarm und Oberarm vorwärts. Es
wurde nun eine Injektion mit 8 l / 2 ccm Susserin unter den üblichen
Kauteln unter die Haut des Bauches und eines Oberschenkels
gemacht. Am nächsten Tage waren bereits alle wesentlichen
Krankheitserscheinungen verschwunden.
Der Erkrankung kann im übrigen auch durch Beträufeln
der verletzten Stelle mit einigen Tropfen Rotlaufserum vorgebeugt
werden.
Rauschbrand in Mecklenburg.
Im Rostocker Anzeiger wird darauf hiugewiesen, daß man
bisher angenommen habe, der Rauschbrand komme in Mecklenburg
nicht vor. Tierarzt Rosenkranz in Marlow habe zuerst nach¬
gewiesen, daß auch in Mecklenburg Rauschbrand beobachtet wird.
Auf zwei Marlow benachbarten Domänen gingen seit Jahren Jung-
rinder ein. Die von Rosenkranz gestellte Diagnose ist vom
Hygienischen Institut der Berliner Tierärztlichen Hochschule be¬
stätigt worden. Die Krankheit war früher als Bratsod angesehen
worden.
Maul- und Klauenseuche in England.
Durch eine Ladung Heil und Stroli ist Anfang dieses Jahres
die Maul- und Klauenseuche aus Holland nach England cin-
geschleppt worden. Die verseuchte Ladung kam in F.dinburg an
das Land und in drei Orten in der Nähe der Stadt brach darauf
die Seuche aus. Die Tilgung ist durch Töten sämtlichen Viehs in
einem Umkreise von drei englischen Meilen vorgenommen worden,
nach den vorliegenden Mitteilungen mit vollem Erfolg.
Maul- und Klauenseuche.
Die Seuche ist auf dem Schlachthofe zu Berlin am 29. Mai
ausgebrochen.
4 . Juni im
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOC HENSCHRIFT.
421
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
Ergebnisse der Schlachtvieh- und Fleischbeschau im Deutschen Reiche (Preußen) für das Jahr 1900.
Zusammengestellt im Kaiserlichen Gesundheitsamte.
(Beilage zu den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes“ 1908, Nr. 7.)
I. Fleischbeschau bei Schlachtungen im Inlande.
1 . Beschaute Schlachttiere.
Zahl der Tiere, an
denen die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vorgenommen wurde
Pferde
und
andere
Einhufer
Rindvieh
_ 1
!
1
Ochsen
Bullen
Kühe
Jung¬
rinder
über
3 Monate
alt
*»• : K 'i!!r
“ "j
:
Schweine
Schafe Ziegen
Hunde
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10 11
12
I. Reich.
a) Ordnungsmäßige Schlach¬
tungen .
141 944
609 695
436 567
1 578 628
915 136
3 540 026
j
i
4 188 184 13 294 250
2 276 748 446 096
6 351
b) Schlachtungen, bei denen
eine Beschau der Tiere im
lebenden Zustande nicht
stattfand.
5 480
3 926
2 014
52 427
11 276
69 643
29 164
70 832
6 857 3 451
155
c) Gesamtzahl der Schlach¬
tungen .
147 424
618621
438 581
1631055
926412
3 609669 1 4217848 18365082
2288 605 449 547
6 506
II. Königreich Preußen,
a) Ordnungsmäßige Schlach¬
tungen .
93120
312 339
284 479
951 105
440 073
1 987 996
2 136 222
7 941 502
1 552 615 167 214
1576
b) Schlachtungen, bei denen
eine Beschau der Tiere im
lebenden Zustande nicht
stattfand.
■
2 876 |
2 423
1398
31200
5 724
40 745
18 361
51 942
4 231 1 367
18
c) Gesamtzahl der Schlach¬
tungen .
95996 |
814 762
285877
982805
445 797
1
QD
<1
816468$
7 993444
. 1
1556 846 168 581
| 1594
I. Untauglich der ganze
Tierkörper
a) Reich.
1660
1485
2 .
| 608
Beanstandungen.
:
24699 3 508
80250
18 220
14640
1
I 2 818 1147
70
b) Preußen .
100
956
! 390
12 135
1611
15 092
8 442
8 466
1410 372
—
II. Untauglich der ganze Tier¬
körper, ausgenommen Fett
a) Reich.
52
1
1 72
1810
840
1674
81
8 644
30 11
b) Preußen .
—
17
28 ; 236
80
361
21
1456
— —
—
III. Untauglich nur die ver¬
änderten Teile im übrigen
nicht beanstandeter Tiere
a) Reich.
14 704
167 871
102 506
605178
95 744
971299
55062
1801 728
872 4181 12 579
981
b) Preußen .
8 622
108 507
69 276
395 867
57 699
631 349
31 375
906 376
230 839! 6394
i
—
IV. Bedingt tauglich
a) Reich.
1641 “"V*
1 501 ,001 /4
5 886 74l8/ 4
2 359 143 4
11887 11159 /«
793 m, /4
85805 14004 4
179 1,4 4 21 13 4
b) Preußen.
—
977 1340 ,4
970 644 7
3 342 ryJ7C /4
1463 w, /4
6 752 4
366 5,3 4
24691 8I5 *4
112 *‘.4 6 # /4
1 —
V. Im Nahrungs- und Genuß-
wert erheblich herabgesetzt
a) Reich.
6 421 37,7 4
3177 1,58 4
61124 iaa U
9848 1839 7
80565 173,5 7
20190 1705 4
40298 21: '" 4
1
! i
; 4582 * 4 1 882 73 4
b) Preußen.
—
3 307 lfl,s 4
1833 **U
25969
4 211 m 7« 35320 "**/*
|10 708 777 /4
20023 ^".4
| 2 712 119 U 559 ". 4
—
3. Schlachttiere, von denen Körperteile unschädlich beseitigt wurden.
Bezeichnung
Von den unter 2. Beanstandungen III, IV u. V aufgeführten Schlachttieren sind die in
der
Körperteile
Pferden und j
anderen
Einhufern |
Rindern ] Kälbern |
Uber j bis i
3 Monate alt j
Schweinen '
1
Schafen
6 !
Ziegen
1
2 j
3 1
4 1
5 1
7
Deutsches Reich.
Köpfe.
290
9194
425
2 979
1 782
206
Zangen..
67
7182
218
2 053
107
38
Langen.
6 810
787 069
32054
939111
236 352
5 862
Lebern.
3 846
209 476
16111
270 343
135 259
5 314
Därme.
548
82 953
8 626
121 600
1398
620
Sonstige einzelne Organe ....
1919
161 657
24 255
165 944
5 935
1486
Sämtliche Baucheingeweide....
412
66 011
6 937
63 194
1 514
421
Außerdem :
Teile des Muskelfleisches (kg). . .
40 653
399 905
12 301
158 930
3 707
501
422
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23.
Auf je 100 Sehlachttiere der in Spalte 1 genannten Gattungen entfielen von den
unschädlich beseitigten Körperteilen:
i lerganungen
Köpfe
Zungen
Lungen
Lebern
Därme
Sonstige
einzelne
Organe
Sämtliche
Bauch¬
eingeweide
1
2
3
4
5
6
7
8
Pferde.
/ 1906
0,20
0,05
4,62
2,61
0,37
1,30
0,28
• 1 1905
0,20
0,03
0,03
2,47
0,34
1,14
0,31
Rinder, ausgenommen Kälber . .
( 1906
' ( 1905
0,25
0,28
0,20
0,23
21,80
20,00
5,80
6,18
2,30
2,20
4,48
4,00
1.83
1,82
Kälber bis 3 Monate alt....
f 1906
' ( 1905
0,01
0,01
0,005
0,01
0,76
0,62
0,38
0,34
0,20
0,18
0,57
0,47
0,16
0,17
Schweine.
| 1906
0,02
0,02
7,03
2,02
0,91
1.24
0,47
• 1 1905
0,03
0,01
6,37
2,15
0,89
1,12
0,46
Schafe.
f 1906
0,08
0,005
10,35
5,92
0,06
0,26
0,07
* ( 1905
0,07
0,01
10,82
6,05
0,05
0,27
0,07
Ziegen.
1 1906
0,05
0,008
1,30
1,18
0,14
0,33
0,09
‘ | 1905
0,06
0,01
1,43
1,21 |
0,14
0,38 1
0,11
4. Gesamtzahl der Schlachtungen im Vergleich mit dem Vorjahr.
Pferde und
andere Einhufer
Ochsen
ß n 1 1 e n
Kühe
Jungrinde/
über 3 Monate alt
Kälber
bis 3 Monate alt
Schweine
Schafe
Ziegen
1906
mehr (+)
weniger (—)
1906
mehr (-{-)
weniger (—)
1906
mehr (-f-)
weniger (—)
1906
mehr (-{-)
weniger (—)
1906
inehr (-}-)
weniger (—)
1906
mehr (-J-)
weniger (—)
1906
mehr (-f)
weniger (—)
1906
mehr (-f)
weniger (—)
1906
mehr (-f-)
weniger (—)
Stück o/ 0
Stück | o 0
Stück | o/ Q
Stück | o/ 0
Stück | o 0
Stück | o/ 0
Stück %
Stück o/ #
Stück o/o
Deutsches Reich . .
Preußen .
— 313 0,21
— 1 498 i 1,54
f 19 368 i 3,26
-f 7 614 2,48
— 27 451 5,89
— 6169 2,11
— 28 312 1,71
— 30 006 2,96
— 16 028 1,70
— 7 512 1.66
— 176 730 4,02
— 124 523 1 5,46
— 204 310 1,61
— 34 555 0,43
— 152 363 6,25
— 80 660 4,93
-f 14477 3,3»
4- 10 657 6,75
Außer.lern Hunde -j- 255 d. h. 4,08 °f&
5. Verhältnisberechnungen.
T i e r g a 11 u n g e n
Schlachtungen
Beurteilung des Fleisches der geschlachteten Tiere
Als genu߬
Beanstandungen
Ordnungs¬
mäßige
Schlachtungen
Not¬
schlachtungen
usw.
tauglich
ohue Ein¬
schränkung
erklärte
Tierkörper 1 ) |
Untaugliche
ganze
Tierkörper
|
Untaugliche
ganze
Tierkörper,
ausgen.
Fett
Im Nahrungs- u.
Bedingt Genußwert
tauglich erheblich
herabgesetzt
erklärte Tierkörper und
Fleischviertel
kamen auf je 100 Schlachtungen von den der Beschau unterworfenen Tieren überhaupt
1
2
3
4
5
6
7
8
Pferde und andere Einhufer ....
I 1905
96,28
3.72
98,*7
1 13
_
_
_
' ' • 1 1905
96,99
3,01
98,98
1,02
—
—
—
Ochseu .
\ 1906
99,36
0,64
26
0,23
0,01
0,34
1,16
* * * 1 1905
99 32
0,68
98,15
0,28
0,01
0,36
1,20
Bullen.
i 1906
99 54
0,46
98,63
0,14
0,02
0.40
0,81
• * ' » 1905
99,48
0,52
98.61
0,16
0,01
0,38
0,84
Kühe.
\ 1906
96,79
3,21
94,02
1,51
0,08
0,47
3,92
‘ ' 1 1905
96,60
3,40
93,61
1,77
0,10
0,49
4,03
Jungrinder über 3 Monate alt . . . .
\ 1906
’ ‘ * \ 1905
98,78
98,78
1,22
1,22
98,19
98,25
0.38
0,39
o ©
© ©
0,29
0,28
1,11
1,05
Rinder überhaupt.
, 1906
98,07
1,93
96,37
0,84
0,05
0,39
2,35
* ' | 1905
97,97
2,0J
96,18
0,97
0,05
0,40
2,40
Kälber bis S Monate alt.
\ 1906
99,31
0,69
99,17
0,31
0,002
0,03
0,49
' ‘ ‘ | 1905
99,35
0.65
99,19
0,33
0,003
0,03
0,45
Schweine.
t 19(87
99 47
0.53
99.24
0,11
0,02
0,29
0,34
’ * * ) 1905
99.54
0,46
99,24
0,12
0,03
0,26
0,35
Schafe.
1 1906
99 70
0.30
99,68
0,10
0,001
0,01
0,20
• ‘ • 1 1905
99,75
0,25
99,72
0,09
0,001
0,01
0,18
Ziegen .
t 1906
99,23
0,77
99,42
0,26
0,002
0,01
0,31
• ’ ‘ 1 1905
99,05
0,95
99,41
0,27
0,0 2
0,01
0,31
x ) Einschließlich derjenigen
genußtauglichen
Tierkörper, von
denen einzelne
veränderte Teile
unschädlich beseitigt worden Bind.
II. Fleischbeschau bei dem in das Zollinland eingeführten Fleische.
Einfuhr¬
inen gen
überhaupt
dz
Davon
beanstandet
in
dz ! Proz.
Einfubr-
mengen
überhaupt
dz
Davon
beanstandet
in
dz i Proz.
Einfuhr¬
mengen
überhaupt
dz
Davon
beanstandet
in
dz Proz.
1
2
3 I
1
2
3
1
2
3
1. Frisches Fleisch in
Tierkörpern.
Rindfleisch einschließl.
Kalbfleisch ....
182 027 93 i
1 135,85
0,62 1
' 2. Zubereitetes Fleisch.
Rindfleisch einschließl.
Kalbfleisch ....
Schwcinescbinken . .
91 123,35
14 358 29
1 637,27
112,04
1,80
0,78
3. Zubereitete Fette .
Schweineschmalz . . .
Oleomargarluc ....
Margarine.
1 303 954,02
299 518,47
464,10
1 524,60
443.51
17,20
0.12
0,16
3,71
Schweinefleisch . . .
K>!» 953.1 1
611.15
0 56
Speck .
56 876,39
63,69
0,11 '
Kunstspeisefette . . .
18 041,71
201,79
1 12
Sonstiges Fleisch. . .
Außerdem
3 736,21
10,89
1)1 597 50
0.29 ,
*) 0,64 |
Sonstiges Schweine¬
fleisch .
Sonstiges Fleisch. . .
Außerdem
68 971,50
964,69
1,40
Sonstiges Fett warm-
' blutiger Tiere . . .
188 902,21 !
3 003,61
1 69
Zusammen 1906
295 717,26 i
3 355,39 1
1.13 i
326,56 j
9,78
*, 8 309.95
2,99
*) 3,59
Zusammen 1906
1 810 883 61 J
5 190,71
0,29
1905
320 086,16 |
4 130,09 ]
1,29 1
Zusammen 1906
1905
231 656,09
225 203,17
11 097,42
10 129,89
4,79
4,50
1905
1 676 662,05 [
8 651,32
0,51
*) Gewicht der beseitigten veränderten Teile im übrigen nicht beanstandeter Tierkörper. *) Desgleichen von Fleischstücken.
An Därmen wurden eingeführt 1900 305 996,24 Dz, davon beanstandet 1 990.44 Dz. d. h. 0,65 Proz. gegenüber 286 899,44 Dz, 6 505,18 Dz, d. h. 8,27 Froz.
im Jahre 1905.
4. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
423
Verurteilungen wegen Vergehens gegen die Nahrungsmittelgesetze.
Wegen Vergehens gegen die Nahrungsmittelgesetze sind im
Deutschen Reiche im Jahre 1905 insgesamt 3145 Personen ver¬
urteilt worden. In Rechnung gezogen sind alle Bestrafungen wegen
Verfälschung von Nahrungs- und Genußmitteln, sowie wegen Zu¬
widerhandlungen gegen die Gesetze, betreffend den Verkehr mit
Ersatzmitteln für Butter, den Verkehr mit Wein, künstlichen Sü߬
stoffen usw. Im Jahre 1904 betrug die Zahl der Verurteilungen
nur 3024, so daß eine Zunahme von 121 stattgefunden hat. Die
meisten Verurteilungen entfielen auf Berlin. Sonst entfielen in
Preußen auf den Regierungsbezirk: Düsseldorf 215, Potsdam 199,
Arnsberg 129, Köln 87, Breslau 73, Frankfurt 72, Stettin 62. In
Bayern wurden 333 Personen bestraft, in Sachsen 242, davon in den
Kreishauptmannschaften Leipzig 81, Chemnitz 70 und Dresden 44.
Besonders viele Bestrafungen kamen auch vor in Mannheim, Heidel¬
berg, Karlsruhe, Ober-Elsaß und Hamburg. Wegen Herstellung und
Feilhaltung gesundheitsschädlicher Nahrungs-, Genußmittel und
Gebrauchsgegenstände wurden 826 Personen verurteilt. Nach dem
Ort der Tat waren am stärksten beteiligt die preußischen
Regierungsbezirke Magdeburg mit 72, Düsseldorf mit 44, Potsdam
mit 37, Hannover mit 35, Köln mit 30 und Oppeln mit 29 ver¬
urteilten Personen.
Die Ergebnisse der Schlachtvieh- und Fleischbeschau
bei Schlachtungen im preußischen Staate für das
Jahr 1906.
Das Königl. Statistische Landesamt hat die Resultate der
Beschau für das Jahr 1906 ähnlich wie für 1905 zusammengestellt
und in einer Sondernummer der „Statist. Korresp.“ veröffentlicht.
Schweine sind gegen das Vorjahr 34 555 Stück weniger geschlachtet,
was einen Rückgang von 0,43 Proz. bedeutet. 1905 belief sich
gegenüber 1904 die Abnahme sogar auf 9,32 Proz. Kälber bis zu
drei Monaten gelangten um 5,46 Proz. weniger zur Schlachtung,
während 1905 3,82 Proz. mehr als 1904 geschlachtet wurden. Die
Schafschlachtung sank um 4,93 Proz. (1905 zu 1904 dagegen eine
Zunahme von 7,47 Proz.). Die Zahl der Schlachtungen der Kühe
ging ebenfalls um 2,96 Proz. zurück (1905 zu 1904 dagegen eine
Zunahme von 10,10 Proz.). An drei Monate alten Jungrindern waren
1904 nur 372 388 geschlachtet, 1905 453 309, also 21,73 Proz. mehr,
1906 dagegen wiederum weniger und zwar 1,66 Proz. Die Zahlen
für die Bullen und Pferde sanken ebenfalls, diejenigen der Ochsen
und Ziegen sind dagegen angestiegen. Im allgemeinen war somit
ein beträchtlicher Rückgang der Schlachtungen bei den wichtigsten
i Viehgattungen gegenüber 1905 zu verzeichnen. Die Zahl der als
untauglich verworfenen Tiere war sehr gering. Die meisten
Schlachtungen entfielen naturgemäß auf die dichtest bevölkerten
Landesteile, indessen nicht gleichmäßig für alle Viehgattungen.
Am meisten Schweine wurden in der Rheinprovinz, Schlesien und
Berlin 'geschlachtet, die meisten Kälber ebenfalls in diesen drei
Landesteilcn. Hinsichtlich der Schafe steht Berlin weit voran,
Schlesien bleibt zurück und die Rheinprovinz wird von Hannover,
Sachsen und Brandenburg ttbertroffen. Kühe gelangten in der
größten Zahl in der Rheinprovinz zur Abschlachtung, in weitem
Abstande folgen Westfalen, Schlesien und Berlin. Jungrinder
kommen besonders zur Schlachtung in der Rheinprovinz und
Schlesien, sehr wenig dagegen in Berlin.
Was die Beanstandungen angeht, so sind die meisten Fälle von
Schweineseuche und Schweinepest in Schleswig-Holstein festgestellt,
erheblich mehr als im Vorjahre, in Berlin sank dagegen die Zahl
herab, ähnlich in Danzig und Potsdam. Die Beanstandungen wegen
Rotlaufs waren weniger zahlreich, wobei im Osten weit mehr
Fälle vorkamen als im Westen, die zahlreichsten in Berlin und
Potsdam. Von der Tuberkulose waren wie stets vorwiegend die
Kühe betroffen, hinsichtlich der Häufigkeit der Feststellung stand
Berlin dabei an erster Stelle, zeigte aber eine Abminderung gegen
das Vorjahr. Bei den Schweinen kamen die meisten Fälle von
Untauglichkeit wegen Tuberkulose in Schleswig, Magdeburg und
Potsdam vor. Die Trichinen haben abgenommen und waren mit
120 Fällen am häufigsten in PoseD. Stralsund, Schleswig, Osna¬
brück, Münster, Aachen und Sigmaringen waren frei von Trichinen.
Gesundheitsschädliche Finnen ,beim Schwein kamen am meisten in
Oppeln zur Beobachtung, wobei eine starke Zunahme der Un-
tauglichkeitserklärungen gegen das Vorjahr (159:93) eingetreten
ist. Im allgemeinen ließ sich bei den wichtigsten Erkrankungen
eine Abnahme der Beanstandungen konstatieren, in manchen Fällen
! ist diese durch die geringer gewordene Schlachtung zu erklären.
Auf die einzelnen Provinzen verteilen sich die Schlachtungen folgendermaßen:
Pferde
und
andere
Einhufer
Ochsen
Bullen
Kühe
Jung¬
rinder
über
Kälber
bis
Schweine
Schafe
Ziegen
Hunde
3 Monate alt
Ostpreußen.
1871
6 386
9 458
30 981
22 825
75 914
287 231
110 714
4129
1
l 669
7 176
12 610
33 984
21 021
452
285 222
128 896
3 641
—
Westpreiißen.
969
4006
10 573
27 350
15 000
77 638
262 766
60 556
7 068
—
fi.il
4 374
11 622
27 921
16 191
81 439
264 349
65 435
6 130
—
Stadtkreis Berlin.
12 170
77 968
41 938
14 773
29 356
167 926
959 417
475 893
263
—
IS 006
78 4SI
41 163
16 863
31 001
166 I64
964 012
464 293
178
—
Brandenburg .
' 9 587
19492
41284
95 299
39 841
188 528
736 805
132 752.
12 565
106
7 384
18 685
38 669
98 137
38 588
197 443
742 767
141 188
11 419
98
Pommern.
2 422
2 093
14 015
33 432
11260
89 432
284 058
116 277
18%
—
£ 4 8 s
1 9,19
13 968
34 129
10 789
93 611
286 858
122 217
1 794
2
Posen .
662
2 985
7 841
26 331
21 655
104 499
341 585
54 932
35 710
—
589
S 356
9 666
28 213
21 912
115 920
336 375 \
62 645
29 805
—
Schlesien.
14 305 1
16 425
50 941
121 941
64 618
347 306
1 174 290
90 730
35 524
1177
16 671
19 045
50 404
136 903
69 180
376 978
1 111 470
96 403
32 053
1 192
Sachsen.
10676
12136
22 005
73 976
31 095
141 993
644 747
124 719
15 557
205
10 1 US
12 201
21 889
76 311
30 537
150 384
662 071
129 596
15 561
181
Schleswig-Holstein.
4 784
19 730
8 877
45 885
27 173
109 804
288 229
40 941
805
23
5 688
18 126
8 405
48 561
1 27 690
119 013
298 126
46 253
642
12
Hannover.
8413
18 329
23 579
49168
1 27 499
121498
499 584
142 693
3 291
i 1
7 804
16 528
26 334
49 905
I 25 882
127 709
496 999
153 944
3 248
3
Westfalen.
9 503
13 722
18 975
148 044
! 27 370
170 351
607 280
23 817
8 647
1
9 921
11 346
20 940
146 472
28 774
1 78 837
612 827
29 586
9 094
—
Hessen-Nassau.
3127
37 851
6 685
63 978
1 47 873
183 953
710017
65113
14046
2
S OS 7
36 623
6 486
64 703
1 50 369
194 019
717 358
74 807
13 599
—
Rheinland.
17 504
83 207
29 630
250 037
1 78 259
372 275
1191200
117 553
28 801
78
18 202
78 960
30 224
249 060
1 80 484
390 614
1 242 814
123 019
30 4 76
80
Hohenzollern.
3
432
76
1110
| 1973
3 466
6 235
156
279
—
u
368
87
1 159
1 891
3 523
6 151
224
| 284
1
*) In den einzelnen Spaltenreihen betreffen die Zahlenreihen aus gewöhnlichen Ziffern das Jahr 1906, die aus kursiven das Jahr 1905.
424
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23.
Nachstehend folgt die Übersicht über die Schlachtungen zusammen und die Beschau:
Art der Schlachtungen
bzw. Untersuchungen
1. Ordnungsmäßige Schlachtungen
2. Schlachtungen, bei denen eine Be¬
schau der Tiere im lebenden Zu¬
stande nicht stattgefunden hat . .
3. Zusammen.
1906 gegen das Jahr f mehr .
1905 { weniger
oder in Hundertteilen j m ^F ;
1 weniger
4. Zahl der Schlachttiere nach Abzug
derjenigen beanstandeten, bei denen
„der ganze Tierkörper“ oder „der
ganze Tierkörper, ausgenommen
Fett“, für genußuntauglich erklärt
worden ist.
1906 gegen das Jahr ( mehr .
1905 1 weniger
oder in Hundertteilen ( ‘
l weniger
5. Von den unter „3. Zusammen“ auf¬
geführten Schlachttieren sind unter¬
sucht durch
a) tierärztliche Beschauer und
Beschauämter, an denen neben
Tierärzten auch andere Personen
als Beschauer tätig sind . . .
b) nichttierärztliche Beschauer . .
6. Von den untersuchten'
• Tieren sind wegen
Unzuständigkeit des
nichttierärztlichen Be¬
schauers nebenbezeich-
nete Tiere dem zu¬
ständigen tierärzt¬
lichen Beschauer über¬
wiesen
a) vor der
Schlachtung
b) nach der
Schlachtung
Pferde
und
andere
Ein¬
hufer
Ochsen
1
Kühe
Jung¬
rinder
über
Kälber
bis
Schweine
Schafe
Ziegen
Hunde
3 Monate alt
93120
312 339
284 479
951105
440 073
2 136 222
7 941 502
1552 615
167 214
1576
tu; 25 l
so4 495
290 267
977 so5
447 720
2 261 541
7 9SS 010
1 032 819
155 795
/ 551
2 876
2 423
1398
31200
5 724
18361
51 942
4 231
1367
18
-
2 05S
1 779
S4 500
5 579
17 505
44 9S9
S 087
2 129
17
95 996
814 762
286 877
982805
445 797
2 154 588
i) 7998444
1558846
168581
1594
!’7 49 4
S07 14s
292 040
1 012 SU
452 309
2 279 100
*) 8 027 999
1 GS7 500
157 924
1 5 GH
7 614
—
—
—
—
—
—
10 657
26
1498
—
6169
30 006
7 512
124 523
34 555
80 600
—
—
—
2,48
—
—
—
—
—
—
6,75
1,66
1,54
2,11
2,96
1,66
5,46
0,43
4,93
94 989
313 789
285 459
969 934
444 106
2 146 120
7 983 522
1555 436
168 209
1578
90 550
so5 94 <?
291 500
997 290
451 013
2 209 740
8 010 553
1 OSO 024
157 535
1 559
—
7 841
—
—
—
—
—
—
10 674
19
1566
—
6 041
27 356
7 507
123 620
33 031
80 588
—
—
—
2,56
—
—
—
—
_
—
6,78
1,22
1,62
2,07
2,74
1,66
5,45
0,41
4,93
95 996
272 539
236 101
703079
278 532
1 636 537
5 384 493
1318 608
89 089
1276
97 494
205 SSI
2S5 OSO
720 401
277 S10
1 702 421
5 420 924
1 S00 5S1
80 093
1 090
42 223
49 776
279 226
167 265
518 046
2 608 951
238 238
79 492
318
—
41 S17
50 410
291 910
175 499
570 0S5
2 001 065
270 975
;; 23i
47 3
67
29
831
139
294
1346
25
9
—
52
1 121
154
320
794
04
10
—
_
1530
1053
20 272
3 960
6 727
29 961
987
222
4
—
1 OSO
1 210
22 106
4 191
6 512
SO 2SS
SS 2
203
-
*) In den einzelnen Spalten betreffen die Zahlenreihen aus gewöhnlichen Ziffern das Jahr 1906, die aus kursiven das Jahr 1905.
— ! ) Einschließlich von 1726 (1423) Schweinen, die lediglich dem Trichinenschauzwange unterlagen oder vom Besitzer freiwillig zur
Untersuchung auf Trichinen gestellt worden sind und bei der Untersuchung beanstandet wurden.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Oberstabsveterinär a. D.
Hartleb zu Harzburg, bisher beim Remontedepot Arendsee der
Kronenorden III. Klasse.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Tierarzt Dr. Kurt
Poppe -Leipzig zum Wissenschaftlichen Hilfsarbeiter im Kaiserlichen
Gesundheitsamt. — Veterinärbeamte: Zu Bezirkstierärzten:
Distriktstierarzt Z)oW/-Mering in W 7 egscheid, pragra. Bezirkstierarzt
extra statum, Tierzüchtinspektor Sehmid -Würzburg in Schroben-
hausen, Distriktstierarzt AWftcr-BIiskastel in W 7 egscheid; — der
Tierarzt *SW/?7/er-Spalt zum zweiten städtischen Tierarzt in Eich¬
stätt. — Schlachthofverw'altung: Tierarzt Stemmer -Weimar
zum zweiten Hilfstierarzt am Schlacht- und Viehhof in Leipzig. —
Versetzt: Bezirkstierarzt LcfAew</er-W T olfratshausen in gleicher
Eigenschaft nach Starnberg.
Niederlassungen: Tierarzt Rothlauf in Spalt. — Verzogen: Die
Tierärzte Xaver Ueßlcr- Neuburg (Kammei) nach Kimratshofen
(Schwaben), Job. Ktber -Zweibrücken als Vertreter nach Malsch
(Baden), Kurt 2Y6uW«u.'-Unruh8tadt nach Wilhelmsort bei Bromberg.
Die Prüfung als beamteter Tierarzt bestand in München Ober¬
veterinär Dr. Hoff mann vom 2. bad. I)ragoner-Rcgt. Nr. 21.
Approbiert: Herr Jak. A. Heckhausen aus Jülich in Dresden.
In der Armee: In Bavern: Im Beurlaubtenstande: Abgang:
Dem Oberveterinär der Landwehr 1. Aufgeb. (Hof) Paid Siet/ert der
Abschied bewilligt.
Vakanzen.
Kreistierarztstellen: a) Neu ausgeschrieben: lieg.- Bez.
Köslin: Bel gard. Bewerbungen innerhalb drei Wochen an den
Regierungspräsidenten.— Köln* Rheinbach. Bewerbungen inner-
| halb drei Wochen an den Regierungspräsidenten. — b) Nach
; Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Reg.-Bez. Osna¬
brück: Lingen. Reg.-Bez. Posen: Koschmin.
I Veterinärinstitut der Universität Leipzig: II. klin. Assistent,
spätestens zum 1. Juli er. Monatlich 125 M. und freie W r ohnung.
Meldungen baldigst an den Prof. Dr. Eber, Linnestr. 11.
j Schlachthofstellen: Nach Ablauf der Meldefrist noch nn-
; besetzt: Barmen (Rhld.): 1. Assistenztierarzt, 2400 bis 4500 M.,
| freie Wohnung usw. — Bitburg: Tierarzt. 1600 M. — Bremen:
1 IV. Tierarzt. 2400 M. bis 3900 M. — Duisburg-Meiderich:
| I. Tierarzt. 3000 M. — Erfurt: Schlachthofstierarzt 3400 M. bis
bis 4900 M. — Freienwalde: Tierarzt. — Halle a. S.: Assistenz¬
tierarzt. 200 M. pro Monat und freie möblierte Wohnung. — Katto-
witz: Schlachthofdirektor. 3600 M. — Königsberg i. Pr.: Zwei
Tierärzte. — Bad Kreuznach: Assistenztierarzt. 2400M. — Lands-
berg a. W.: Assistenztierarzt. 2400 M. — Liegnitz: Assistenztier¬
arzt. 2400 M. — Pforzheim: Direktor. 3600 M. bis 6000 M.,
freie Wohnung usw r . — Prüm (Rhld.): Verwalter (Tierarzt).
1200 M. bis 1500 M., freie Wohnung usw. — Pyritz: Schlachthof¬
direktor. 1800 M. bis 2400 M. — Schwiebus (Bez. Frankfurt
a. 0.): Schlachthofleiter. 2400 M. — Stettin: III. Tierarzt bei
j der Auslandfleischbeschaustelle. 2400 M. — Treptow' a. R.:
j Schlachthofdirektor. 2400 bis 3600 M.
I Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis:
j a) Neu ausgeschrieben: Schwetz (Weichsel): Tierarzt Aus-
i kunft erteilt Landrat von Halem in Schwetz.
b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Rem¬
berg (Kr. Wittenberg). — Kirchberg-Hunsrück. — Langels¬
heim (Herzogt. Braunsclrweig). — Mengede (Kr. Dortmund):
Fleischbeschautierarzt. Gehalt 3600 M., Wohnungsgeld 300 M., Wege-
i geld 300 M.
Verantwortlich filr den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag nnd Eigentum der Verlagsbuchhandlung Ton Richard Sehoets ln Barlla —
Druck von W. Büxensteiß, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 fllr die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redaktenr.
Glage
Veterinärrat Dr. Lothes
Prof. Dr. Peter
Veterinärrat Peters
Veterinär™* Preuße
Dr. Richter
Professor
Departementstierarzt
Kreistierarzt
Departementstierarzt
Departementstierarzt
Professor
Hamburg.
Cöln.
Angermünde.
Bromberg.
Danzig.
Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder
Dr. Schlegel
Dr. J. Schmidt
Reg.-Rat Dr. Vogel
Wehrte
Zündei
Professor
Professor
Professor
Landestierarzt v. Bayern
Kalserl. Regierung»rat
Kreistierarat
Dresden.
Freiburg i. Br.
Dresden.
München.
Berlin.
Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908. J| q. 24 . Aasgegeben am 11. Juni.
Inhalt: Regenbogen: Die Therapie der Darmparasiten des Hundes. — Haaü: Beitrag zur sanitätspolizeilichen Begut¬
achtung der Nachkrankheiten des Schweinerotlaufs. — Stern: Zur Kastration. — Köhler: Ein weiterer Fall
von Torsio utori ante cervicem. — Becker: Zur Kasuistik der Luftsackerkrankungen. — Goldberger: Zur Toxi¬
kologie des Morphiums bei Hunden. — Referate: Querrnau: Über die Behandlung des Strahlkrebses. — Aus dem
Jahresberichte bayerischer Tierärzte. — Aus der Praxis. — Lungwitz: Eine Wandlung in der Fabrikation der Hufeisen,
welche der praktische Tierarzt kennen muß. — Gruß: Nystagmus mixtus suis. — Berger: Bakteriologische Untersuchungen
über einige chronische Lungenentzündungen des Rindes. — Aus der medizinischen Literatur. — Tagesgeschichte: Schmaltz:
Gründung einer Zentralgeschäftsstelle der deutschen tierärztlichen Standesvertretung. — Zu dem Artikel „Deutscher und
Schweizer Dr. med. vet.“ — Gemeinsame Versammlung der tierärztlichen Vereine von Posen und Westpreußen zu Broraberg. —
Verschiedenes. — Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel: Müller: Zur Abwehr! — Kürzung der Fleischbeschau¬
gebühren durch die Gemeinden. — Kickton: Über die Wirkung einiger sogenannter Konservierungsmittel auf Hackfleisch. —
Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Hk.« fn Petitsatz mit
00 Hk« für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Sclimaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., Luisenstraße 66. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Die Therapie der Darmparasiten des Hundes.
Von Prof. Regenbogen.
(Aus der Klinik für kleine Haustiere der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin.)
Der Darmkanal des Hundes beherbergt oft Würmer. Zahlen¬
mäßige Angaben über die Häufigkeit des Vorkommens von Ein¬
geweidewürmern bei Hunden liegen vor vonDeffke, Fröhner,
Grabbe, Schöne, Zschokke. In Berlin wurden nach Fröhner
unter 70 000 dem Hundespitale in den Jahren 1886 bis 1804
zugeführten kranken Hunden 1266 = nahezu 2 Proz. wegen
Helminthiasis behandelt. Dieser Prozentsatz ist nach meinen
Aufzeichnungen derselbe geblieben. In den Jahren 1898 bis
1906 wurden 79 380 Hunde der Klinik für kleine Haustiere zur
Behandlung zugeführt, unter diesen 1632 wegen Darmparasiten,
also 2 Proz. Davon waren 331 mit Askariden, 1297 mit Taenien
und 2 mit Botriocephalen behaftet. Wegen Oxynren kamen
Hunde nicht zur Behandlung.
Bei der Häufigkeit des Vorkommens der Darmparasiten
beim Hunde wird die Hilfe des Tierarztes zur Einleitung einer
Wurmkur oft in Anspruch genommen. Wenn es auch an
Arzneimitteln nicht mangelt, welche sich als wirksam zur Ab¬
treibung der Darmparasiten erwiesen haben, so muß doch zu¬
gegeben werden, daß eine erfolgreiche Wurmkur durch mancherlei
Zufälle beeinträchtigt oder gar vereitelt werden kann und nicht
selten Schwierigkeiten bietet. Die allgemeine Therapie lehrt,
daß zur Entfernung der Darmparasiten mechanisch wirkende
Mittel (Klistiere und Abführmittel) und die spezifischen Wurm¬
mittel angewendet werden können. Klistiere von Essig-, Seifen-,
Salzwasser und Sublimatlösungen 1 / 2 bis 1 pro Mille, sowie
Zwiebel- und Knoblauchabkochungen werden gegen Dickdarm-
parasiten (Oxynren) empfohlen. Zum Abtreiben der Spul- und
Bandwürmer sind Abführmittel allein in der Regel nicht aus¬
reichend, es bedarf vielmehr der spezifischen Wurmmittel, welche
die Darmparasiten entweder töten oder sie nur beunruhigen oder
betäuben und in die unteren Dannabschnitte hinabtreiben. Ein
nachfolgendes Laxans soll den Abgang der Würmer bewirken.
Besondere Schwierigkeiten bereitet häufig das Abtreiben der
Bandwurmköpfe, welche durch die Haftapparate an der Darm¬
wandung befestigt sind. Eine Bandwurraknr kann aber nur
dann als gelungen angesehen werden, wenn die Bandwürmer
mit den Köpfen ans dem Darmkanale entfernt wurden.
Die gebräuchlichsten Wurmmittel sind Santonin, Kamala,
Semen Arecae, Flores Koso, Cortex, Granati, Extractnm Filicis
und neuerdings das Filmaron. Von diesen Mitteln besitzen
einige gewisse Vorzüge, andere sind nicht frei von unangenehmen
Nebenwirkungen, unter Umständen sind sie sogar gefährlich.
Santonin wendet, man nur gegen Askariden an. Die andern
genannten Mittel gelten als die eigentlichen Bandwurmmittel,
Kamala und Semen Arecae sind auch gegen Askariden wirksam.
Kamala wirkt nicht allein abtötend auf die Darmparasiten,
sondern auch gleichzeitig abführend.
Die Wirkung der Wurmmittel erleidet nicht selten durch
verschiedene Umstände eine Einbuße. Zuerst ist es die
Schwierigkeit des Eingebens der Wurmmittel in den bisher
üblichen Arzneiformen. Dann kann die Qualität des Mittels der
Gnind eines Mißerfolges sein. Bei den pflanzlichen Bandwurm¬
mitteln ist die Wirksamkeit derselben von der Beschaffenheit
und dem Alter der Droge abhängig. Die Wirkung fällt um so
geringer aus, je älter die Droge oder das aus derselben
bereitete Präparat ist. Die Beschaffung von frischen oder
einwandfreien Wurmmitteln macht oft Schwierigkeiten und darf
nicht unterschätzt werden. Für Rhizoma Filicis ist allerdings
vorgeschrieben, daß der Vorrat alljährlich zu erneuern ist. Eine
Gewähr für ein wirksames und in seiner Wirkung gleich¬
bleibendes Extractnm Filicis ist dadureh noch nicht gegeben;
dieses Präparat ist und bleibt inkonstant mit Bezug auf seine
wirksamen Bestandteile und deshalb unsicher in seiner Wirkung,
dazu kommt die Giftigkeit desselben. Vergiftungen können
durch Extractum Filicis um so leichter Vorkommen, als es
426
BERLINEU TIERÄRZTE]
sich wegen seines schwankenden Gehaltes an Felixsälire
(Filicin) schwer richtig dosieren läßt. Auch dem neuerdings
empfohlenen Filmaronöl kann eine Giftwirkung nicht abgesprochen
werden.
Eine weitere Ursache des Mißerfolges bei der Anwendung
der Bandwurmmittel ist das häufige Erbrechen derselben. Da das
Erbrechen meistens schon bald nach dem Eingeben erfolgt, so
geht die Wirkung auf die Darmparasiten verloren, oder sie
wird doch so verringert, daß der Erfolg der Wurmkur in Frage
gestellt wird. Das Erbrechen kann allerdings bei einem jeden
Bandwurmmittel eintreten, man macht jedoch die Erfahrung,
daß einige Mittel ganz besonders leicht erbrochen werden,
z. B. Flores Koso, Dekoktum Corticis granati. Nicht selten
beobachtet man, daß auch Kamala und Semen Arecae, in der bisher
gebräuchlichen Form verabreicht, erbrochen werden. Die Ur¬
sache des Erbrechens ist wohl zum größten Teil in der Menge
des Mittels und in der Arzneiform des betreffenden Mittels und
der daraus resultierenden Belästigung des Magens begründet.
Lassen es die betreffenden Mittel zu, daß sie in kleiner Menge
oder in einer komprimierten Form und so eingehüllt gegeben
werden können, daß sie den Magen fast unverändert passieren
und erst im Dann frei werden und ihre Wirkung entfalten,
dann wird das Erbrechen meistens vermieden oder es tritt erst
später ein, wenn bereits der größte Teil des Mittels in den
Darm übergetreten ist und eine ausreichende Wirkung auf die
Darmparasiten stattfinden kann. Da die Kosoblüten und die
Granatrinde nicht geeignet sind, in einer komprimierten Form
verabreicht zu werden und deshalb fast regelmäßig erbrochen
werden, wozu bei der Granatrinde noch der hohe Gerbsäure¬
gehalt besonders beiträgt, so wird man auf diese Mittel ver¬
zichten. Auch Extr. Filicis ist aus den oben besprochenen
Gründen nicht empfehlenswert. Es bleiben dann nur Kamala
und Semen Arecae als zuverlässige und dabei ungiftige Band¬
wurmmittel übrig. Kamala gab man bisher in Form der
Schüttelmixtur, mit Butter als Bissen, in Form der Latwerge
und unter geschabtes, rohes Fleisch gemengt. Bei dieser Form
der Anwendung erfolgt aber auch leicht Erbrechen kurze Zeit
nach dem Eingeben. Auch Semen Arecae wird in den bisher
üblichen Arzneiformen leicht erbrochen. Dazu kommt, daß die
Pillen aus Arekanus mit Oleum Cacao und Cera flava bereitet
und, mit einem Keratinüberzuge versehen, eine unverhältnismäßig
teure Arzneiform darstellen. Ich stellte deshalb Versuche an,
in welcher Weise diese an und für sich wirksamen Bandwurm¬
mittel in einer zweckmäßigeren und billigen Form verabreicht
werden könnten. Diese Versuche erstreckten sich auch auf
eine Mischung von Semen Arecae pulv. mit Kamala in Gelatine¬
deckelkapseln eingeschlossen. An Stelle der zuerst in der
Hochschulapotheke hergestellten Kapseln verwandte ich später
Bandwurmkapseln, welche von der Firma Bengen&Co. in
Hannover in den Handel gebracht werden.
Seit 2 Jahren habe ich diese Kapseln angewendet und
durchweg sehr gute Erfolge erzielt. Die Kapseln sind 4 cm
lang, länglich oval, 5,5 g schwer, an der Oberfläche glatt. Sie
enthalten je 1 g Semen Arecae pulv. und Kamala mit Ol. Ricini.
Das Eingeben ist leicht, namentlich wenn die Kapseln vorher
in warmes Wasser eingetaucht, schlüpfrig gemacht und dann
über den Zungengrund in die Rachenhöhle geschoben werden.
Diese Applikation ist einfach, sauber und ohne Verlust des
Arzneimittels zu bewerkstelligen. Die Wirkung ist nach meinen
CHE WOCHENSCHRIFT. No. 24.
Versuchen zuverlässig, wie aus den nachstehenden Auszügen
aus den Klinikberichten hervorgeht:
1. Box, 4 Jahre alt. Früh 9 Uhr 5 Kapseln. Um 2 Uhr Ab¬
gang von Taenia marginata mit Kopf. Grünlich schleimige Masse
erbrochen ohne Kapseln.
2. Box, 3 / 4 Jahr aß- 5 Kapseln früh 9'/4 Uhr. 11 '/ 3 Uhr Ab¬
gang von Taenia marginata mit Kopf. Nicht erbrochen.
3. Collie, 3 Jahre alt. 5 Kapseln 12*/ a Uhr mittags. 2V 2 Uhr
Abgang von Taenia marginata mit Kopf. Erbrechen gegen 2 Uhr
ohne Kapseln.
4. Teckel, 2 Jahre alt 5 Kapseln früh 10 Uhr. Um 11 Uhr
Abgang von Taenia marginata mit Kopf. Erbrochen wmrde wenig.
5. Dobermann Pintscher, 1 */ a Jahre alt. 5 Kapseln um 10 Uhr
vormittags. Nachmittag 5 Uhr dünner Kot ohne Taenien abgesetzt.
Erbrochen wmrde nichts.
6. Seidenspitz, 1 1 / 4 Jahr alt. 3 Kapseln um 3 Uhr. Um 4 Uhr
w urde dünner Kot mit Taenia cucumerina mit Kopf abgosetzt Um
4V 3 Uhr wmrde etwas erbrochen.
7. Terrier, l 1 /» Jahr alt. Um 10 Uhr 2 Kapseln. Um 12 Uhr
Abgang von dünnem Kot mit mehreren Taenia marginata mit Kopf.
Eine geringe Menge Schleim wurde erbrochen.
8. Jagdhund, 2 Jahre alt. 5 Kapseln um 10 Uhr. Gegen 3 Uhr
Abgang von dünnem Kot mit zahlreichen Taenien (marginata cucu¬
merina mit Köpfen). Geringes Erbrechen gegen 4 Uhr.
9. Dogge, 3 Jahre alt. Um 10 Uhr 6 Kapseln. Gegen 1 Uhr
Abgang von zahlreichen Ascariden und Taenien mit Köpfen (Taenia
cucumerina). Kein Erbrechen.
10. Terrier, 2 Jahre alt. 3 Kapseln. Nach einer Stunde wurde
dünner Kot abgesetzt ohne Würmer. Erbrochen wurde nicht.
11. Jagdhund, 6 Jahre alt. 4 Kapseln um 9 Uhr. Um 12 Uhr
Abgang von dünnem Kot ohne Würmer. Erbrochen wurde nicht.
12. Bastard, 2 Jahre alt. Um 9 Uhr 4 Kapseln. Nach einer
Stunde dünner Kot, Um 11 Uhr Taenia marginata mit Kopf ab¬
gesetzt. Kein Erbrechen.
13. Terrier, 7 Jahre alt. Um 9 Uhr 3 Kapseln. Nach 2 Stunden
dünner Kot ohne Bandwürmer. Erbrochen wurde nichts.
14. Teckel, 1 Jahr alt. 3 Kapseln um 9 Uhr. Um 11 Uhr
dünner Kot mit Taenia marginata mit Kopf. Nicht erbrochen.
15. Jagdhund, 2 1 /., Jahre alt. 4 Kapseln um 12 Uhr. Nach
4 Stunden dünner Kot mit Taenia marginata mit Kopf. Nicht
erbrochen.
16. Teckel, 3 / 4 Jahr alt. Um 8 3 / 4 Uhr 3 Kapseln. Nach
3 Stunden dünner Kot ohne Taenien. Erbrochen wurde sehr wenig.
17. Jagdhund, 2 Jahre alt 4 Kapseln um 8 3 / 4 Uhr. Um
12* j Uhr dünner Kot und 6 Taenia marginata mit Köpfen und ein
Taenia cucumerina mit Kopf. Nicht erbrochen.
18. Terrier, 6 Jahre alt. 4 Kapseln um 9 Uhr. Um 12 Uhr
Taenia cucumerina mit Kopf abgesotzt. Erbrochen wurde sehr
wenig.
19. Terrier, 5 Jahre alt. 3 Kapseln um 9 Uhr. Nach 2 Stunden
erfolgte Durchfall. Bandwürmer wurden nicht abgesetzt Nicht
erbrochen.
20. Collie, 2 Jahre alt, 4 Kapseln um 3*/ a Uhr. Nach einer
Stunde wurde ein Teil erbrochen. 117a Uhr dünner Kot mit Taenia
marginata mit Kopf, sowie mehrere Exemplare Taenia marginata
mit Kopf. Erbrechen nicht.
21. Dogge, 2 Jahre alt 5 Kapseln um 87a Uhr. Um 117« Uhr
dünner Kot mit Taenia marginata mit Kopf. Nicht erbrochen.
22. Terrier, 1 Jahr alt. 4 Kapseln um 10 Uhr. Um 12 V* Uhr
dünner Kot mit Taenia marginata inkl. Kopf. Erbrochen wurde
sehr w r enig.
23. Setter, 4 Jahre alt. 4 Kapseln um 9 Uhr. Nach 4 Stunden
dünner Kot und mehrere Taenia marginata mit Kopf. Erbrochen
nichts.
24. Dogge, 2 Jahre alt 5 Kapseln um 9 Uhr. Nach 2 Stunden
dünner Kot und 14 Exemplare Taenia marginata, sämtlich mit Kopf.
Erbrochen wurde nicht.
25. Jagdhund, 6 Jahre alt. 4 Kapseln um 9 Uhr. Nach
6 Stunden wurde Taenia marginata mit Kopf abgesetzt. Erbrochen
wurde ziemlich viel.
11. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
427
26. Teckel, 4 Jahre alt. 3 Kapseln um 9 Uhr/ Nach 3 1 /* Stunden
dünner Kot mit Taenia marginata. Der Kot konnte aber nicht
genügend gesammelt werden. Der Kopf war nicht nachzuweisen.
Bei diesen 26 Versuchen wurden demnach 20 mal Taenien
mit Kopf abgetrieben. Bei Nr. 5, 10, 11, 13, 16 und 19 trat
Durchfall ein, ein Beweis, daß eine genügende Wirkung auf
den Darm erzielt war. Da sich Bandwürmer trotzdem nicht
im Kote vorfanden, so ist man wohl berechtigt, anzunehmen,
daß Bandwürmer nicht vorhanden waren. Eine Störung des
Allgemeinbefindens wurde niemals beobachtet. Abends nahmen
die Hunde das Futter mit gutem Appetit wieder auf. Der Preis
für eine Kapsel, nach der Arzneitaxe berechnet, beträgt 10 Pf.,
der Grossopreis 5 Pf., zehn Kapseln werden von der Fabrik für
70 Pf. abgegeben. Für einen größeren Hund sind etwa fünf
Kapseln erforderlich. Demnach kostet das Arzneimittel 65 Pf.
inklusive Dispensationsgebühr, während 10 Pillen aus Semen
Arecae mit Oleum Cacao und Cara flava mit Kreatin überzogen
1,60 M. kosten.
Die Anwendung der Bandwurmkapseln kann demnach wegen
der leichten Applikation des Mittels, der Zuverlässigkeit, der
Wirkung und des billigen Preises empfohlen werden.
Beitrag zur sanitätspolizeilichen Begutachtung der
Nachkrankheiten des Schweinerotlaufs.
Von Haase, Tierarzt in Hohenmölsen.
Von den infektiösen Krankheiten des Schweines ist wohl
der Rotlauf die am meisten verbreitete und daher diejenige,
welche das Interesse und die Tätigkeit der Tierärzte dement¬
sprechend vorwiegend in Anspruch nimmt.
Von den Nachkrankheiten des Rotlaufs ist es besonders die
Rotlaufendokarditis, welche die Beachtung der Tierärzte ge¬
funden hat und ziemlich oft registriert wird. Seit Ausübung
der Fleischbeschau hatte ich nun mehrfach Gelegenheit, eine
Nachkrankheit zu beobachten, welcher gleiche Würdigung nicht
zuteil geworden ist, obgleich dieselbe nicht seltener vorzukommen
scheint als die Endokarditis. Es ist dies die Rotlaufnephritis.
Dieselbe fand ich bei an Rotlauf krank gewesenen Schweinen
für sich auftretend an; jedoch war sie auch mit Rotlaufendokar¬
ditis vergesellschaftet. Die Rotlaufnephritis ist embolischer
Natur, wie dies bereits von Schottelius nachgewiesen wurde.
(Lydtin und Schottelius, Rotlauf der Schweine 1885.
Bakteriologische Untersuchungen.)
Die Veränderungen der Niere repräsentieren sich bei vor¬
geschrittenem Stadium, 2—4 Wochen nach Ablauf der Allgemein¬
krankheit, als multiple punktförmige bis hirsekorngroße Herde
der Nierenwände, welche von dunkelroter Farbe sind, sich
deutlich von der Umgebung absetzen und über die Nieren¬
oberfläche hervorragen. Im weiteren Verlauf können dieselben
eitrig einschmelzen und dann zu einer umfangreicheren Ent¬
zündung der Nieren Veranlassung geben, an welche sich ein
bedenkliches Allgemeinleiden — Urämie — anschließen kann.
Anderenfalls kann jedoch auch relative Heilung erfolgen
durch Induration der betreffenden Herde, welche dann eine mehr
blaßrote Farbe annehmen und sich retrahieren, so daß dann ihre
äußere sichtbare Fläche nicht mehr die Nierenoberfläche überragt,
sondern in gleichem Niveau oder gar 1—2 mm unter demselben
liegt. In solchen so veränderten Herden konnte ich mittelst
Schnittpräparaten noch Rotlaufbazillen verstreut liegend nach¬
weisen. Ich beobachtete dieses Stadium ca. 8 Wochen nach
Auftreten der akuten Krankheit. Es drängte sich mir die Frage
auf, ist in diesem Stadium eine frische Blutinfektion aus den
Nieren noch möglich, wie eine solche aus der Endokarditis zu
jeder Zeit erfolgen kann? Ich bin geneigt, dieselbe mit nein
zu beantworten, da Rotlaufbazillen in dem stark veränderten
Nierengewebe nur einzeln gefunden werden. Wohl dürfte jedoch
diese Möglichkeit einige Wochen früher bestanden haben, bevor
das Gewebe betreffender Herde verödet war.
Nachfolgend füge ich die von mir sanitätspolizeilich be¬
gutachteten Fälle in einer Tabelle zur Orientierung bei.
*3
Rotlauf-
nach-
krank-
heiten
Sanitäts¬
polizeiliches
Grund
Zeit
o
X
u
Q
3
<
Endokarditis
Nephritis
Endokard.
-f Nephritis
Ergebnis
der
Untersuchung
der
Beanstandung
Bemerkungen
1888
-
1
-
-
Minderwertig.
Ohne frische
Blutinfektion.
Notschlachtung
7 Wochen nach
akutem Rotlauf.
1902
1
—
Minderwertig.
Urämie gering¬
gradig.
Notschlachtung.
1904
2j
—
—
—
Bedingt tauglich.
—
1905
1 1
A
_
1
B
; A. Bedingt
tauglich.
B. Minderwertig.
| B. Ohne frische
i Blutinfektion.
B. Not¬
schlachtung ca.
8 Wochen nach
akutem Rotlauf.
1906
1
—
—
—
Bedingt tauglich.
—
—
1907
1
A
2
B
1
C
l
A. Bedingt
tauglich.
B. Tauglich ohne
Einschränkung.
0. Bedingt
tauglich. j
B. Ohne frische
Blutinfektion.
C. Mit frischer
Blutinfektion.
C. Not¬
schlachtung.
Es kamen also auf 11 Stück an Rotlauf kranker oder krank
gewesener Schweine 6 Stück mit Nachkrankheiten, von welchen
4 notgeschlachtet waren, während 2 lediglich Rotlaufnephritis
aufwiesen, welche bei gewerblichen Schlachtungen zufällig ge¬
funden wurden; gewiß ein Beweis dafür, daß die sanitätspolizei¬
liche Beurteilung der Nachkrankheiten des Schweinerotlaufs
relativ häufig nötig wird.
Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, kann die sanitäts¬
polizeiliche Beurteilung des Fleisches bei Rotlaufnachkrankheiten
verschieden sein. Dasselbe kann tauglich ohne Einschränkung
sein, wie bei den Fällen B des Jahres 1907, bei welchen
lediglich Nierenveränderungen vorhanden waren und sonstige
Rotlauferscheinungen fehlten. Dasselbe kann minderwertig sein,
wie bei dem im Jahre 1902 beobachteten Falle, welcher Ver¬
änderungen der Niere mit geringer Urämie zeigte. Bei diesem
Tiere, ein an 150 kg schweres, weibliches Schwein, halbenglischer
Rasse, zeigte das die Nieren umgebende Fettgewebe einen grün¬
lichen Farbenton und urinösen Geruch. Das Fleisch war frei
von diesem Harngeruch, zeigte normale Farbe, Aussehen und
Reaktion. Der Harngeruch trat auch bei der Kochprobe nicht
auf. Nach Entfernung der Nieren, des Schmeers und der Psores-
muskeln wurde das Fleisch als minderwertig freigegeben. Es
ist einleuchtend, daß bei weiter vorgeschrittener Urämie das
Fleisch untauglich wurde.
Bei den Tieren mit Endokarditis 1888, mit Endokarditis und
Nephritis B. 1905 wurde das Fleisch ebenfalls als minderwertig
erachtet, da nur diese Nachkrankheiten bestanden und Er¬
scheinungen einer frischen Blutinfektion nicht vorhanden waren.
428
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24.
Das Fleisch des Tieres C. 1907 mit Endokarditis und
Nephritis wurde als bedingt tauglich deklariert und durch
Kochen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen genu߬
tauglich gemacht, da außer den Veränderungen des Herzens
und der Nieren die Erscheinungen einer frischen Blutinfektion,
Leberschwellung, Schwellung der Milz und blaurote Verfärbung
derselben konstatiert wurden. In der Milz wurde außerdem
das massenhafte Vorhandensein von Rotlaufbazillen und Rotlauf¬
keimen durch mikroskopische Untersuchung festgestellt. Es er¬
scheint mir hiermit das Gutachten bedingt tauglich hinreichend
begründet.
Unterwerfen wir nunmehr das Gesetz betreifend die
Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 1900 und die
Ausführungsbestimmungen zu demselben einer Durchsicht, so
finden wir, daß die Nachkrankheiten des Rotlaufs nicht be¬
sonders aufgeführt sind und die Beurteilung des Fleisches dem
Gutachten des die Beschau ausübenden Tierarztes überlassen
bleibt. Es dürfte jedoch nach meinen Ausführungen zweck¬
mäßig erscheinen, Bestimmungen über Rotlaufnachkrankheiten
des Schweines in das Gesetz aufzunehmen. Naturgemäß können
dieselben nicht den Umfang erreichen wie die Tuberkulose, da
die Kranklieitsbilder des Rotlaufs bei weitem nicht gleiche
Mannigfaltigkeit aufweisen. Jedoch dürfte eine Bestimmung
notwendig erscheinen, dahin gehend, daß bei Nachkrankheiten
des Schweinerotlaufs das Fleisch bedingt tauglich erachtet
werden muß, wenn die Erscheinungen einer frischen Blut¬
infektion durch makroskopische, erforderlichenfalls durch mikro¬
skopische Untersuchung festgestellt sind.
Ein solcher Fall von Rotlaufnachkrankheiten dürfte auch
in seuchenpolizeilicher Hinsicht wie akuter Rotlauf zu behandeln
sein, wde dies auch mit C. 1907 geschehen ist.
Zur Kastration.
Von Stern in Braunsberg.
Kreistierarzt Reimers hat uns ein neues Instrument gebaut,
für welches ihm unser Dank gebührt. Die erste Anregung, in
Ostpreußen die Operation unserer edlen Hengste den Hand¬
werkern nicht mehr zu belassen, sondern sie hauptsächlich aus
Gründen der Humanität in das Arbeitsfeld des Tierarztes zu
übernehmen, habe ich nach mehrjähriger Prüfung und Übung
der verbesserten Torsionsmethode im Jahre 1890 in Nr. 10 der
alten „Tiermedizinischen Rundschau“ veröffentlicht. An Stelle
der bis dahin üblichen Methode der Kompression mit Kluppen
trat jetzt die Entfernung der Hoden vermittelst der Renaultschen
Zangen. Dr. Möller, Zorn und viele andere Kollegen haben
mir seinerzeit in liebenswürdiger Weise zugestimmt. Nach
dieser Zeit ist der Emaskulator als weiterer Fortschritt in Auf¬
nahme gekommen, dann die Sand sehe Zange mit dem Emaskulator
und schließlich das der Kopulation beider entsprossene
Re im er s sehe Instrument. Der Emaskulator konnte der zu
vielseitigen Verwendung bei allen männlichen Tieren, einerseits
mit ganz dünnen, anderseits mit starkem Funikulus nicht voll
genügen; solchen Anforderungen entspricht hingegen das jüngste
Instrument. Mit ihm habe ich die Orcheotomie bei einer Reihe
von 50 Tieren, einem alten Eber, jüngeren und älteren Pferden
und Rindern mit gleich zufriedenstellendem Erfolge ausgeführt.
Diese Operationsmethode ist relativ schmerzlos, rasch aus¬
zuführen, gewährt genügende Sicherheit gegen Nachbluten und
dürfte nur in seltenen Fällen eine Nachbehandlung erfordern,
zumal der Funikulus dabei weder gezerrt noch in einen andern
Reizzustand versetzt wird; sie entspricht somit den weit¬
gehendsten Anforderungen. Jedoch darf ich nicht unerwähnt
lassen, daß die Handlichkeit des Instruments durch die Größe
des Zangenmaules beeinträchtigt wird. Da die Umspannung des
von der linken Hand fixierten S.-Stranges nur bei vollster Öffnung
der Zange möglich ist und man zu diesem Akt eigentlich beider
Hände benötigt, so erscheint mir eine Änderung des Instrumentes
derartig, daß es mit der rechten Hand allein bequem gehandhabt
werden könnte, erforderlich. Der Zweck dürfte nach meiner
Beobachtung durch eine Verkürzung der Schenkel des Zangen¬
maules und des Emaskulators um 15 mm leicht erreicht
werden können.
Ein weiterer Fall von Torsio uteri ante cervicem.
Von Dr. A. Köhler-Kahla i. Th.
In Nr. 3 der B. T. W. 1908 befindet sich ein Referat von
Rdr. über obige Krankheit, die in der Tierärztlichen Hoch¬
schule in Wien beobachtet wurde. Ich hatte Gelegenheit, kurz
vor den Weihnachtsfeiertagen den gleichen Fall, der, wie schon
im Referat hervorgehoben, äußerst selten ist, in meiner Praxis
zu behandeln.
Am 13. Dezember 1907 erkrankte die erst vier Tage vorher
gekaufte Kuh des Landwirtes F. in 0. unter kolikartigen Er¬
scheinungen (häufiges Niederlegen, Hacken mit den Hinterbeinen
nach dem Leib, Versagen von Futter und Getränk, Nichtwieder¬
kauen), nachdem sie sich die ersten vier Tage völlig gesund
gezeigt hatte. Nach Verabreichen von Abführmitteln ließen die
Schmerzensäußerungen nach 36 Stunden nach, Appetit und
Wiederkauen stellten sich aber nicht ein; in den nächsten Tagen
nahm der Leib immer mehr an Umfang zu, so daß er bald
einer prall gefüllten Trommel glich; Kotabgang war dünnflüssig.
Nach Eingeben von Tartarus stibiatus und Rhizoma Veratri
trat Brechen ein, der Leibesumfang nahm aber nicht ab. In
den letzten Tagen zeigte das Tier Beschwerden beim Urinieren.
Am 26. Dezember 1907 verendete die Kuh. Da sie hoch¬
tragend war, hatte ich bereits am ersten Tage eine Untersuchung
per vaginam vorgenommen; ohne eine Verdrehung der Scheide
konstatieren zu können, kam ich mit der Hand bis zum Cervix,
der wie bei jeder nichtgebärenden Kuh festgeschlossen war.
Vom Mastdarm aus fühlte ich nur eine strangartige Verdickung
am Gebärmutterhals, ohne mir deren Ursache erklären zu können.
Die am 27. Dezember vorgenommene Sektion löste das
Rätsel: die strangartige Verdickung bildete den durch Drehung
um seine Längsachse direkt vor dem Muttermund ca. 3 mm
starken Gebärmutterhals. Die Drehung war nur ca. 8 cm lang,
aber derart fest, daß es unmöglich w*ar, mit dem Finger ein¬
zudringen. Weder Vagina noch Cervix hatten an der Drehung
teilgenommen.
Der Uterus beherbergte einen völlig ausgetragenen Fötus,
der bereits stark in Fäulnis übergegangen war. Fäulnisgase
hatten den Uterus stark aufgetrieben und die intra vitam auf¬
fällige Umfangszunahme bewirkt. Außer einer hochgradigen
Metritis fand sich noch eine starke Perimetritis, die auf das
Bauchfell und die Eingeweide übergegriffen und eine Verklebung
bzw. beginnende Verwachsung von Uterus mit Pansen und Darm
hervorgerufen hatte.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
11. Juni 1908.
Eine Ursache, wie die Drehung entstanden ist, konnte
natürlich durch den Sektionsbefund nicht nachgewiesen werden.
Die Kuh hatte vor dem Kauf einen langen Eisenbahntransport
und nach dem Kauf einen mehrstündigen Weg hinter sich;
sollte da der Anfang des Leidens herrühren? Nach Lage des
Falles konnte der Verkäufer nicht haftbar gemacht werden.
Zur Kasuistik der Luftsackerkrankungen.
Von Becker-Tilsit.
Oberstabaveterinär im Dragoner-Regiment 1.
Vor einigen Jahren hatte ich Gelegenheit, ein kleines
Fohlen wegen chronischem Meteorismus des Luftsackes zu be¬
handeln. Bei dem sechs Monate alten Fohlen bestand in der
Ohrspeicheldrüsengegend der linken Seite eine ziemlich be¬
deutende halbkugelige puffige Anschwellung. Auf der Haut
über dieser Anschwellung waren Spuren einer scharfen Ein¬
reibung bemerkbar. Das Allgemeinbefinden des Fohlens war
gestört, die Atmung war erschwert. Ich eröffnete den Luft¬
sack im Viborgschen Dreieck wie einen subparotidealen Abszeß
mit der Aderlaßhohlnadel. Sofort nach dem Einstich entleerte
sich eine grünliche stinkende klumpige Masse. Die Atem¬
beschwerden verschwanden. Einen Monat später mußte die
Eröffnung noch einmal vorgenommen w, rden, da die erste Wunde
geschlossen war. Auch diese Wunde verheilte ziemlich schnell,
so daß wieder einen Monat später eine nochmalige Öffnung vor¬
genommen wurde. Ein eingesetztes und mit der Haut vernähtes
Gummirohr hielt nicht lange. Auch ein silberner Doppeltubus
blieb nicht liegen. Jedenfalls hatte sich das Fohlen der
ihm unangenehmen Sachen durch Scheuern entledigt. Herr
Hauptner stellte mir nun nach meinen Angaben eine Röhre ans
Duritgummi her mit zwei Druckplatten. Die Platten waren
etwa 4 mm stark und waren auf die 3 cm lange Röhre auf¬
geschoben und verklebt. Diese Röhre setzte ich in die etwas
erweiterte Fistelöffnung, die sich mittlerweile gebildet hatte,
mit Hilfe eines Nadelhalters ein, indem ich die eine Platte
nach außen mit der Zange zusammenbog und so in die Öffnung
einführte. Nach dem Öffnen der Zange schnellte die jetzt im
Innern des Luftsackes sitzende Platte zurück und die Röhre
saß fest. Diese Röhre lag etwa 3 / 4 Jahre lang unverändert.
Das Pferd entwickelte sich ausgezeichnet. Später wurde die
Röhre herausgezogen. Die Fistel verlor sich ganz allmählich.
Ein Wiederauftreten des Meteorismus ist nicht beobachtet. Die
Schleimhaut des Luftsackes war bei wiederholten Untersuchungen
stets gesund befunden worden.
Zur Toxikologie des Morphiums bei Hunden.
Von Tierarzt Dr. Goldberger -Krojanke.
Ein dreijähriger Rehpinscher im Gewicht von 7 Pfund war
seit 14 Tagen an Staupe schwer erkrankt. Nachdem er die
erheblichen Lungenaffektionen überwunden hatte und bei guter
Freßlust gerettet schien, traten heftige nervöse Rückenmark¬
erscheinungen auf, die sicli außer kräftigen Zuckungen der
hinteren Extremitäten durch fortschreitende Lähmung äußerten.
Der Patient wurde aufgegeben und sollte auf Wunsch des
Besitzers schmerzlos getötet werden.
Ich injizierte dem kleinen Tiere subkutan 0,5 g Morphium
(0,5/15 Lösung Bengen), welches ich bei mir hatte, in der An¬
nahme, daß der Tod alsbald durch Gehirnlähmung eintreten
429
müsse. Der Hund fiel sofort in Schlaf, zeigte aber sonst im
Verlaufe einer Stunde nur insofern eine Änderung, als außer
den bestehenden Zuckungen der hinteren Gliedmaßen gleich¬
zeitig Reflexerregungen in der Halspartie eintraten. Nach drei
Stunden waren die Zuckungen noch intensiver. Das Tier wurde
nach vier Stunden durch Einbringen eines Cyankalistückchens in
die Maulhöhle getötet.
Referate.
Über die Behandlung des Strahlkrebses.
Von Militärveterinär Qu er mau.
(Recueil d'AIfort, 15. März 1908.)
Der Verfasser hat drei veraltete Fälle von Strahlkrebs ohne
operativen Eingriff nur mit Jodoform geheilt und ist dabei
folgendermaßen verfahren:
1 . Bei Herabnahme eines jeden Verbandes werden die Eisen
von den kranken Hufen heruntergenommen, um nach dem Ver¬
binden nebst einem Deckel aus Eisenblech, der die ganze Sohle
zu schützen hat, wieder aufgeschlagen zu werden.
2 . Nach der Abnahme jedes Verbandes wird mit dem Rinn¬
messer und dem lorbeerblattförmigen Messer das lose schlechte
Horn und die Wucherungen der Fleischzotten herausgeschnitten,
so daß die Medikamente in allen Ecken und Vertiefungen hinein¬
dringen können, die verkäste Hornmasse und alle anderen
Unreinlichkeiten werden von der kranken Fläche weggekratzt,
jedoch unter möglichster Schonung der Fleischsohle und der
Fleischbällchen und unter Vermeidung jeglicher Blutung.
3. Nach dem Abkratzen pudert man alle affizierten Stellen
reichlich mit Jodoform ein, legt mehrere Schichten Gaze und
ein Torfbauschen darüber und legt das Deckeleisen wieder auf.
4 . Damit der Verband immer sauber bleibt, so muß man
während der ganzen Behandlung für eine reichliche immer
trockene Einstreu sorgen.
5. Den ersten Verband läßt man 4 -5 Tage liegen.
0 . Bei dem zweiten und jedem übrigen Verbandwechsel
beschränkt man sich darauf, die ganze kranke Oberfläche ab¬
zukratzen und sie sorgfältig von dem verkästen Horn zu
säubern, was aber ohne jegliche Blutung geschehen muß.
Nachher wird das Jodoform auf alle kranken Stellen reichlich
aufgepudert, und damit es in allen Lücken und Spalten der
kranken Stellen hineindringen kann, so ist es ratsam, es als
Jodoformäther zu verwenden. Auf die Stelle werden dann
trockene Gaze und ein Torfbauschen gelegt, welch letzterer
seines größeren Aufsaugungsvermögens wegen der Baumwoll-
watte vorzuziehen ist.
Sobald die tieferen Wunden vernarbt sind, so läßt man
das Pferd aber nur auf trockenem Boden arbeiten, damit der
Verband nicht beschmutzt wird. Anfangs wird dieser alle vier
Tage gewechselt, später kann er länger liegen bleiben. Auf
die angegebene Weise hat der Verfasser in 18 Tagen bis zu
einem Monat die Heilung bewirkt.
Im Laufe der Behandlung macht man die Beobachtung, daß
das Jodoform schon nach wenigen Tagen die ulzerierten Stellen
austrocknet, welche sich dann bald mit einem gesunden Horn
überdecken. An den tieferen Stellen geht die Vernarbung etwas
langsamer vor sich, aber bei jedem Verbandwechsel sieht man,
daß diese wunden Stellen ein immer besseres Aussehen erhalten.
Helfer.
430
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24.
Aus dem Jahresberichte bayerischer Tierärzte.
(Wochensehr, für Tierheilk. und Viehzucht, 52. J«hrg. Nr. 1 bis 9.)
Gegen Kälberruhr wandte Wagner-Unterthingau in
54 Fällen Pankreon an. Nach seinen Erfahrungen ist dieses
Mittel als Prophylaktikum nicht viel wert, eine Heilwirkung bei
wirklicher Kälberruhr besitzt es kaum, bei Katarrh der Ver¬
dauungsorgane infolge Fütterungsfehler entfaltet es jedoch
Heilkraft.
Derselbe Autor impfte gegen die infektiöse Kälber¬
pneumonie Landsberger Serum. Von den neun Impflingen
starb ein Tier. Immunität wurde nicht erzielt. Der Nutzen
der Impfung bestand in milderem Krankheitsverlauf.
Über die Verwendbarkeit des Therapogen zur Desinfektion
der Geburtswege spricht sich Trommsdorf-Freyung sehr günstig
aus. Dasselbe Urteil gibt auch Böhme-Landsberg ab. Beide
Autoren heben die Geruchlosigkeit und das Fehlen einer Reiz¬
wirkung besonders hervor. Als Ersatz des teuren Tannoform
verwendet Böhme das Tannisol mit gutem Erfolg.
Zungenödem beim Pferde, während der Verabreichung
von Arznei durch übermäßige Zerrung entstanden, behandelte
Heieck- Neustadt a. W.-N., durch Massage mit Borsäurelösung.
Bei Beginn der Behandlung hing die Zunge zirka 15 cm lang
aus dem Maulspalt heraus, füllte die Maulhöhle vollständig aus,
so daß die Zähne Eindrücke gemacht hatten, und fühlte sich kalt,
bretthart an. Die Nahrungsaufnahme war gänzlich behindert.
Nach viertägiger Behandlung konnte das Pferd dünne Tränke
wieder aufnehmen, wegen des großen Kräfteverlustes war es
aber erst ein Vierteljahr später wieder arbeitsfähig.
Kalbefieber trotz vorhergegangener Schwergeburt
konnte Breß-Schönenberg beobachten. In der Vaginalwand
hatte der Kopf des Fötus ein großes Loch gerissen und dadurch
Anlaß zu starker Blutung gegeben. Die Frucht konnte erst
nach Anlegen der Kette und Drehung des Kalbes um die Längs-
axe entwickelt* werden. Das Kalbefieber trat zwei Tage nach
dem Gebärakt ein und war nach siebenstiindigem Bestehen
wieder verschwunden.
Über drei Fälle von Bauchbrüchen bei Kühen
berichtet ebenfalls derselbe Autor. Zwei Fälle ereigneten sich
in der 3t». Woche der Trächtigkeit. Das Krankheitsbild war
hierbei folgendes: Allgemeinbefinden und Freßlust gering gestört,
Puls- und Atemfrequenz etwas gesteigert, kein Fieber, Aufstehen
der Tiere erschwert, Scharren mit den Vorderfüßen, Schlagen
der Hinterfüße gegen den Bauch, Zähneknirschen. Nach acht¬
tägigem Bestehen dieses Krankheitsbildes kamen erst die Bauch¬
brüche zum Vorschein. Der Gebärakt ging ohne Kunsthilfe von
statten. Bei der dritten Kuh wurde der Bruch erst nach dem
Abkalben sichtbar. Neben der Trennung der Bauchdecken war
auch noch eine Zerreißung der Fascia uberis vorhanden. Infolge¬
dessen berührte das Euter beinahe den Boden.
Choreatische Krämpfe sah Breß bei einer 11 Jahre
alten, guten Milchkuh. Die Anfälle bestanden darin, daß das
Tier zeitweise in den Vorderknien zusammenknickte und auf
dieselben niederfiel, ferner wurden die Hinterfüße wechselnd in
zuckender Bewegung gehoben. Bewußtseinsstörungen waren
nicht vorhanden. Allmählich verloren sich die krankhaften Er¬
scheinungen.
Aas der Praxis.
Pansenleere. Labmagenverstopfnng.
Von Oberamtstierarzt Fra sch-Waiblingen.
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 1908, Nr. 8.)
Fra sch wurde zur Geburtshilfe bei einer Kuh mit Torsio
Uteri gerufen, bei welcher sich das vollständige Bild der
Gebärparese zeigte. Frasch löste die Drehung und bewirkte
die Geburt. Die Erscheinungen der Gebärparese blieben aber
auch dann noch bestehen, als Luft in das Euter gepumpt
worden war. Auch eine am nächsten Tage vorgenommene
Jodkalium-Infusion blieb ohne Erfolg. Die Kuh wurde ge¬
schlachtet, und bei der Obduktion fand sich außer dem
nicht genügend kontrahierten Uterus der ziemlich futterleere
Pansen aufgebläht. Frasch ist der Meinung, daß es sich in
diesem Fall um die früher sogenannte „Pansenleere“ (Eisen¬
bahnkrankheit) handelte, obwohl die Kuhkeinen Eisenbahn¬
transport hinter sich hatte.
Zwei Fälle von veritabler Labmagenverstopfung. Harms
gibt als wichtigste Symptome der Labmagenverstopfung an:
Speicheln, häufiges Rülpsen, Würgen und Erbrechen; Rumination
sistiert, linke Hungergrube tief eingefallen. Druckempfindlichkeit
in der Gegend des vierten Magens. Von diesen Symptomen
fand Fr. nur Sistieren der Rumination und Druckempfindlichkeit
rechts hinter dem Schaufelknorpel, also am vierten Magen. Die
Hungergrube war ausgeglichen, später sogar aufgebläht. Weitere
Symptome waren: Eingenommenheit des Sensoriums, Schleim¬
häute blaß, Augen eingefallen, Atmung vermehrt und tief, äußere
Körpertemperatur ungleich verteilt, Mastdarm leer, Innen¬
temperatur bis 41 0 C. Der Pansen war vollständig paretisch,
und alle Mittel, die Magentätigkeit anzuregen, blieben erfolglos.
Die Kühe wurden nach 8 bzw. 12 Tagen geschlachtet, und es
fand sich geringe Füllung des Pansens, Vergrößerung des Lab¬
magens um das 3—4 fache, bedingt durch schlecht verdaute
harte Futtermassen. In beiden Fällen wurden Fremdkörper,
zwischen dem zweiten und dritten Magen gefunden. Nach
Meinung Fraschs bildeten diese Fremdkörper die Grundursache
zur Labmagenverstopfung. Rdr.
Über außergewöhnliche Lebervergrößerung infolge Echlnococceninvaeion.
Von Dr. Feuereißen, Amts- und Stadttierarzt in Chemnitz.
(Deutsche Tlerärztl. Wochenschrift 1908, Xr. 8)
Feuereißen hatte Gelegenheit, drei Fälle bedeutender
Lebervergrößerung infolge Echinococceninvasion zu beobachten.
In Fall I war die Leber um das achtfache, in Fall 2 um das
neunfache und in dem dritten Falle um das 17 fache des normalen
Gewichtes vergrößert. An der Hand einer erschöpfenden Tabelle
gibt Feuereißen eine Übersicht über die von ihm in der
tierärztlichen Literatur gefundenen diesbezüglichen Mitteilungen.
Es werden 14 Fälle derartiger Lebervergrößerung bei Schweinen,
25 Fälle bei Rindern (einschließlich der drei von Feuereißen
beobachteten) und ein Fall beim Schaf beschrieben. Feuereißen
gibt am Schlüsse der Arbeit ein genaues Verzeichnis der Literatur¬
quellen an. Bemerkt sei noch, daß die Leber der Kuh in
Fall 3, den Feuereißen beobachtete, 67 l /a Kilogramm wog.
Eigentümlich ist, daß die scheinbar nahezu vollständige Außer¬
funktionsetzung der Leber in der Regel nur einen geringen
Einfluß auf die sonstigen Funktionen des Organismus hat.
Rdr.
J. Schmidt.
11. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
481
Eine Wandlung in der Fabrikation der Hufeisen,
welche der praktische Tierarzt kennen muß.
Von Professor Dr. Lungwitz in Dresden.
(Deutsche Tierärxtl. Wochenschrift 1908. Nr. 13.)
Die ausgiebige Benutzung mangelhafter Fabrikhufeisen
bildet eine Kalamität des deutschen Hufbeschlages. Die Form
dieser Fabrikhufeisen entspricht weder derjenigen des Vorder-
noch der des Hinterhufes und nicht selten trifft man sie an den
Hufen in derselben Gestalt an, wie sie die Maschinen verlassen
haben. Fast alle Maschinenhufeisen Deutschlands, abgesehen
von den Taueisen, waren bisher ihrer ganzen Ausdehnung nach
gleichbreit. Solche Eisen werden von den meisten unserer auf
hartem Boden arbeitenden Pferde, besonders von den schweren
Zugpferden am äußeren Schenkel vorzeitig abgenützt. Der
Beschlag bedarf mithin in solchen Fällen Abänderungen, welche
eine gleichmäßige Abnützung garantieren. Dies läßt sich da¬
durch erzielen, daß entweder das Eisen außen weit gepaßt
wird, oder daß man den äußeren Schenkel länger hält, oder
daß man ihn der ganzen Länge nach bodenweit schmiedet.
Dieser letztere Punkt kommt am meisten beim glatten Beschläge
zur Geltung. Bei Stolleneisen kann zur Vergrößerung der Stütz¬
fläche der äußere Stollen schräg nach außen gestellt werden
und beim Griffeisen muß der Griff möglichst nach außen gesetzt
werden. An der inneren weniger belasteten Seite wird in um¬
gekehrter Weise verfahren, d. h. der Schenkel wird knapp ge¬
paßt, kürzer gehalten und stark bodeneng geschmiedet. Der
Stollen kann nötigenfalls etwas schräg nach einwärts gerichtet
werden. Der änßere Stollen muß kräftiger, aber nicht höher
als der innere sein. Eine Seitenkappe am äußeren Rande, die
nur an die Horn wand angelegt sein darf, vermag während der
ganzen Beschlagperiode die außen verbreiterte Stützfläche groß
zu erhalten. Da das weite Passen des äußeren Eisenschenkels
tiefstehende Nagellöcher an demselben verlangt, so muß auch
tief gefalzt werden. Es kommt auf diese Weise ein Hufeisen
für bodenenge Stellung zustande.
Die Anhalter Hufeisenfabrik in Roßlau a. M. stellt nun
nach diesem Prinzipe Fabrikhufeisen für bodenenge Stellung her.
Bei diesem Eisen ist der Unterschied zwischen Vorder- und
Hinterhuf deutlich ausgeprägt. Schenkellänge und -Breite,
Lochung und Falz sind durchaus zweckentsprechend.
Diese Neuerung in der Herstellung von Fabrikeisen muß
als ein günstiger Umschwung in der Hufeisenindustrie angesehen
werden. Rdr.
Nystagmus mixtns suis.
Von Anton Gruß, niederösterreichischer Distrikstierarzt.
(Tierärztliches Zentralblatt. 1908, Nr. 4.)
Bei einem Schwein, welches infolge Genusses von Herings¬
lake die bekannten Vergiftungserscheinungen zeigte, fand sich
bilateraler und dabei streng assoziierter, d. h. gleichsinniger
und gleichzeitiger Nystagmus als Begleiterscheinung. Während
der Allgemeinerkrankung fanden die Drehungen um die sagittale
Achse statt (Nystagmus rotatomus). Im weiteren Verlaufe
zeigten sich jedoch die Drehungen des Augapfels in rein physio¬
logischer Bahn und zwar erfolgten sie in kombinierter Weise
zu gleicher Zeit um die horizontale, sowie vertikale Achse
(Nystagmus mixtus). Die Erscheinungen hielten bis zu der
etwa 3—4 Wochen später erfolgten Schlachtung des Schweines
an. Daß dieser Nystagmus noch so lange nach überstandener
Vergiftung anhielt, erklärt Gruß damit, daß das Schwein in
einem dunklen Stalle gehalten wurde und er ist geneigt, dieses
lange Bestehen des Nystagmus bei dem im Dunkeln gehaltenen
Schweine als eine Stütze der Wilbr and sehen Erklärungshypothese
anzusehen. Wilbrand sagt nämlich, „daß durch die dauernde
Beeinträchtigung der Tätigkeit der willkürlichen motorischen
Augenzentren der Großhirnrinde gegenüber der reflektorischen,
motorischen Tätigkeit des Mittel- und Kleinhirns die Bedingung
des Nystagmus gegeben ist“. Rdr.
(Aus dem Reichsseruminstitut zu Rotterdam [Direktor: Dr. J. Poels]).
BakteriologischeUntersuchangen über einige chronische
Lungenentzündungen des Rindes«
Von Dr. E. Berger in Hoek-van-Holland.
(Zeitsehr. f. Infektionskr., paras. Krankli. u ITyg. d. Haust., Tid. III, S. 35ß )
Berger hat den chronischen, nichttuberkulösen Broncho¬
pneumonien des Rindes eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt;
der Hauptzweck seiner bakteriologischen Untersuchungen war,
festzustellen, ob der Bacillus pyogenes in den veränderten Teilen
anwesend sei und ob er eine Rolle in ätiologischer Beziehung
spiele. — Zunächst bringt der Autor eine ausführliche Be¬
schreibung der Untersuchung von neun Lungen erwachsener
Tiere und vier Kälberlungen. Die neun Fälle chronischer
Lungenentzündungen des Rindes sind in drei Gruppen zu ordnen:
1 . Lungenentzündungen von lobulärem Charakter, von denen
die Vorderlappen das Aussehen einer lobulären Pneumonie haben;
Abszesse fehlen.
2 . Katharrhalische nekrotisierende Pneumonien mit
chronischer purulenter Bronchitis. Die Pleura pulmonalis und
costalis sind oft entzündet. Pleuritis adhaesiva kommt hierbei
vor. Obwohl kein Fremdkörper gefunden wird, ist es doch
wahrscheinlich, daß diese Form als eine Fremdkörperlungen¬
entzündung aufgefaßt werden muß.
3. Metastatische Pneumonien, wobei viele Abszesse vorhanden
sind. Bronchitis kommt vor, kann aber auch fehlen. Meistens
besteht Pleuritis.
In acht Fällen wurde nun der Bacillus pyogenes angetroffen;
viermal in Reinkultur, sowohl in dem pneumonischen Gewebe
als in Bronchiolen und Bronchien; viermal mit anderen Mikro¬
organismen vergesellschaftet. In den vier untersuchten Kälber¬
lungen wurde einmal der Bacillus pyogenes in Gemeinschaft mit
dem Bacillus pyocyaneus und proteus gefunden; eine andere
Kälberpneumonie enthielt nur den Bacillus pyocyaneus, die dritte
war eine primäre Streptokokkenpneumonie und in der vierten
kamen diese Mikroorganismen vorwiegend vor.
Außer in Pneumonien traf Berger den Bacillus pyogenes
auch bei einem an Genitis chronica leidenden Rinde; diese
Genitis kennzeichnete sich durch eine fibrinöse Synovitis; die
auf der Synovialhaut befindliche Fibrinschicht hatte eine Dicke
von 2 cm.
Öfters wurde der fragliche Bazillus bei chronischen
abszedierenden Euterentzündungen wahrgenommen; er kommt
auch bei akuten Mastitiden vor.
Die Zusammenfassung der Ergebnisse ist folgende:
1. Die von mir bei lobulären Pneumonien des Rindes auf¬
gefundenen Bakterien stimmen im großen und ganzen mit den
in pneumonischen Lungen des Menschen beobachteten Mikro¬
organismen überein.
2 . Der Bacillus pyogenes kommt bei chronischen (uicht
tuberkulösen) Bronchopneumonien des Rindes, entweder in Rein¬
kultur oder mit anderen Bakterien vergesellschaftet, häufig vor.
432
3. Der Bacillus pyogenes ist imstande, beim Rind eine
Bronchopneumonie suppurativa und metastatica, ähnlich der von
Olt beim Schwein beschriebenen, zu veranlassen.
4. Die von dem Bacillus pyogenes verursachte Lungen¬
entzündung des Rindes kann bei der klinischen Untersuchung auf
Tuberkulose Fehldiagnosen veranlassen. Rinder, die mit dieser
Lungenentzündung behaftet sind, können auf die Tuberknlin-
injektion positiv reagieren. Es ist empfehlenswert, Sputum auf
Vorhandensein des Bacillus pyogenes zu untersuchen.
5. Der Bacillus pyogenes spielt somit in der Pathologie des
Rindes, sowohl bei Kälbern als bei erwachsenen Tieren, eine
wichtige Rolle. Richter.
Aus der medizinischen Literatur.
Münchener Medizinische Wochenschrift, 55. Jahrgang Nr. 17, S. 891.
Neue Gesichtspunkte bei der Behandlung eitriger Prozesse. (Aus
der medizinisch-chirurgischen Klinik zu Breslau, Direktoren
Geheimrat v. Strümpell und Prof. Küttner.) Von
Dr. Eduard Müller und Dr. Alfred Peiser. — Im theoretisch
experimentellen Teil der Arbeit geht Dr. Müller von der
proteolytischen, das heißt eiweißlösenden fermentativen
Eigenschaft des sogenannten „heißen“ Kokkeneiters gegenüber
dem sogenannten „kalten“ rein tuberkulösen Eiter aus. Der
letztere besteht vernehmlich aus Detritus und lymphocyteren
Elementen ohne eiweißlösendes Ferment, während der heiße
Eiter aus Leukocyten besteht, denen proteolytische Eigenschaft
innewohnt. Jede Mischinfektion macht jedoch den kalten Eiter
fermenthaltig und dadurch gewissermaßen zum heißen. Die
Wirkung des Fermentes kann durch einen im Blutserum
kreisenden Hemmungskörper (Antiferment) abgeschwächt und
aufgehoben worden. Durch Zusatz von Ferment muß es ge¬
lingen, tuberkulöse Exsudate resorptionsfähig zu machen durch
Zusatz von Antiferment Resorption und proteolytische Gewebs¬
einschmelzung beim heißen Eiter zu verhindern. Vielleicht ist
die künstliche Fermentzufuhr einer der Heilfaktoren der
Bi ersehen Stauung. Von größerer Wirkung ist aber die Be-
spülung der Eiterhöhle mit Flüssigkeiten, die sich durch hohen
Fermentgehalt auszeichnen wie Blutserum und bestimmte
Punktionsflüssigkeiten aus Brust- und Bauchhöhle. Die künstliche
direkte Zufuhr größerer Mengen von Blutserum und antiferment¬
reichen Punktionsflüssigkeiten in den Eiterherd bedingt eine
Massenwirkung fast aller jener Schutzkräfte, mit denen sich der
Organismus gegen die Infektion verteidigt. Die. künstliche
Antifermentbehandlung eitriger Prozesse ist demgemäß eine
einfache zweckmäßige Steigerung der physiologischen Abwehr¬
bestrebung des Organismus.
Im klinischen Teil der Arbeit beschreibt Dr. Peiser die
mit der neuen Behandlungsart bei akuten Eiterungen in etwa
100 Fällen erzielten Erfolge. In keinem Fall ist irgendeine
Schädigung durch die Behandlung beobachtet worden. Ein
Abszeß — vielleicht Drüsenabszeß am Halse — wird gespalten.
Nach Abfluß und Austupfen des Eiters wird Antifermentserum
in die Abzeßhöhle gebracht und nach Einlegung eines Gurami¬
drainrohres wird ein trockener Verband angelegt. Beim Ver¬
bandwechsel nach 24 Stunden ist überraschenderweise kein Eiter
mehr vorhanden. Der Verbandstoff ist mit seröser Flüssigkeit
durchtränkt, das Drainrohr ist nicht wie sonst von dickflüssigem
Eiter verlegt, sondern frei durchgängig, oft wie ausgewaschen.
No. 24.
Zur Sicherheit wird durch das wieder eingeftihrte Drainrohr
noch etwas Serum in die Wundhöhle gebracht und vom dritten
Tage ab nur noch aseptisch verbunden. Nach neun bis zehn
Tagen ist der Krankheitsprozeß abgeheilt. Für die Antiferment¬
behandlung eignen sich alle akuten Prozesse, die zur Absze߬
bildung führen. Glattwandige Höhlen sind für die Behandlung
am günstigsten, denn das Antiferment wirkt nur dort wo es
hindringt, es wirkt nur durch direkte Berührung. Bei Abszessen
genügt ein kleiner Hautschnitt; bei diffusen Eiterungen (Phleg¬
monen, Karbunkel, Panaritien usw.) muß ausgiebig inzidiert
werden. Bei der Fermentbehandlung tritt überaus rasch eine
scharfe Begrenzung der Entzündung und der Gewebsnekrose
ein. Auch auf die Körpertemperatur, die bei Abszessen zwar
an sich schon nach dem Einschnitt zu sinken pflegt, scheint die
Antifermentbehandlnng, wie sich bei mehr subakuten und
chronischen Eiterungen festBtellen ließ, eine günstige Einwirkung
zu haben. Wenn geeignetes körperfremdes Antifermentserum
nicht zu haben ist oder wenn Bedenken gegen die Anwendung
eines solchen bestehen, ist jederzeit durch Aderlaß an Patienten
selbst dessen eigenes Blutserum zur Antifermentbebandlung
| verwertbar. Aussichtsreich erscheint die Kombination der
Antifermentbehandlung mit der Bi ersehen Stauung.
Dieselbe Zeitschrift Nr. 18, S. 957.
Beitrag zur proteolytischen Wirkung des sterilen Eiters. (Aus
der Abteilung für innere Krankheiten des Kindlein-Jesu-Hospitals
zu Warschau, Vorstand Privatdozent Dr. Janowski.) Von
Dr. R. Herz. Die proteolytische Fermentwirkung der weißen
Blutkörperchen kommt nur den polynukleären Leukozyten zu.
Die Lymphocyten entbehren dieser Eigenschaft vollständig.
Müller und Jochmann haben überall da, wo sie polynukleäre
Elemente nachgewiesen haben, deutliche Dellenbildung auf
Löfflersehen Serumplatten gesehen, während überall da, wo
Lymphocyten zugegen waren, keine Proteolyse eintrat. Janowski
hat nachgewiesen, daß steriler, durch chemische Stoffe hervor¬
gerufener Eiter verschiedene morphologische Beschaffenheit hat.
Verfasser prüfte die Ergebnisse der Janowskischen Versuche
mittelst der biologischen Methode nach E. Müller. Er unter¬
suchte den durch Einspritzen von sterilem Terpentin, Kreolin,
Silbernitrat und Quecksilber bei Hunden erhaltenen Eiter auf
seine proteolytischen Eigenschaften, Terpentineiter, der fast
ausschließlich Lymphocyten enthielt, griff das Eiweiß nicht an,
während Kreolin-, Silbernitrat- und Quecksilbereiter, die in der
Hauptsache aus polynukleären Leukocyten bestehen, deutliche
Dellen in den Serumplatten bildeten. Der durch chemische
Stoffe erhaltene sterile Eiter besaß viel schwächere eiweißlösende
Eigenschaften als parasitärer oder infektiöser Eiter. So pro-
teolysierte infektiöser Empyemeiter deutlich 1:2000, während
Silbernitrateiter nur in Verdünnungen 1: 150 Dellenbildung ergab.
Fortschritte der Medizin, 26. Jahrgang 1908, S. 391.
Bornyval und seine klinische Bedeutuug; von Dr. med Kabisch.
Bornyval ist ein von der chemischen Fabrik I. D. Riedel A.-G.
in den Handel gebrachtes Präparat, das den wirksamen Bestand¬
teil der Baldrianwurzel, den Isovaleriansäure-Ester des Borneols
in chemisch reiner Form enthält. Das Mittel findet vielseitige
Anwendung. In langjähriger Praxis hat es sich bei den
funktionellen Neurosen-des Herzens, nervösen Beschwerden des
Gastro-Inteßtinaltraktus bei allgemeiner Neurasthenie, psychischen
Erregungszuständen und einer Reihe von Frauenleiden bewährt.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
11. Juni 1908.
433
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Sehr wirksam hat es sich bei nervösem Asthma erwiesen and
auch verschiedene Beschwerden bei der Influenza günstig be¬
einflußt. W.
Tagesgeschichte.
Gründung einer Zentralgeschäftsstelle der deutschen
tierärztlichen Standesvertretung.
Vom Professor Dr. Schmaltz.
Herr Kreistierarzt Krüger zu Posen (jetzt zu Ohlau in
Schlesien) hat in Nr. 7 der B. T. W. anläßlich einer Besprechung
der Beratung des Tierseuchengesetzes im Reichstage (S. 125)
einen Gedanken beiläufig ausgesprochen, der so richtig und
beachtenswert ist, daß er nicht mehr in Vergessenheit geraten
darf, bis sich ein Weg für die Form seiner Verwirklichung ge¬
funden haben wird. Er schlug die Gründung eines dem Aus¬
schuß des Deutschen Veterinärrats zu unterstellenden Zentral¬
bureaus vor. An dessen Spitze sollte als Generalsekretär eine
hervorragende Kraft gestellt werden, nicht mit tierärztlicher,
sondern mit juristischer und volkswirtschaftlicher Bildung; ein
Mann, der zugleich imstande sein sollte, gewissermaßen als
Syndikus des tierärztlichen Standes zu funktionieren, in Streit¬
fragen den Weg zu weisen, Institutionen und Bestimmungen
juristisch auszubauen, Kongresse vorzubereiten, womöglich auch
im Reichstage das Wort für tierärztliche Bestrebungen zu Fuhren.
Dieser Generalseketär Bollte auch allen einzelnen Angehörigen
des (organisierten) Standes zur Verfügung stehen in Angelegen¬
heiten wie Promotion, Privatpraxis, Versicherungen, Pfuscherei,
Gewährfragen, Anstellungsverhältnisse, Dispensierrecht usw.; vor
allem sollte er in die tierärztliche Agitation eine größere Ein¬
heitlichkeit bringen.
Auch wenn schon der erste Blick begründeten Zweifel ent¬
stehen läßt, ob die außerordentliche Mannigfaltigkeit der von
Kiiiger aufgestellten Aufgaben sich durch eine solche Organisation
und namentlich in einer einzigen Persönlichkeit würde erreichen
lassen, so muß man doch vor allen Dingen zugeben, daß unsre
heutige Standesorganisation jedenfalls völlig unzulänglich für
die Erfüllung aller jener Aufgaben ist. Dieses Zugeständnis
aber muß andererseits Erwägungen wachrufen über die Mittel I
zur Verbesserung, auch wenn die auftauchenden Vorschläge
nicht gleich als Allheilmittel sich darstellen mögen.
Die tierärztliche Standesvertretung hat sich ja sehr allmäh¬
lich entwickelt und mit den bescheidensten Mitteln zu arbeiten
angefaugen. Die Vorsitzenden und Schriftführer einzelner tier¬
ärztlicher Vereine haben sich der öffentlichen Angelegenheiten
angenommen und ohne irgendwelche Hilfe schlecht und recht
das Nötigste getan. Auch als die größeren Körperschaften
begründet waren, der Deutsche Veterinärrat und die Zentral¬
vertretung, ist noch mit sehr geringen Hilfsmitteln und primitiv
gearbeitet worden. Die vorzüglichen Präsidenten dieser Körper¬
schaften haben jederzeit die bedeutsamen Gesichtspunkte zu
geben und die Bewegungen zu leiten gewußt. Aber die
Kleinarbeit von der hier gesprochen wird, soll nicht den
Präsidenten zur Last fallen, sondern ist Sache des Schriftführers,
der dauernd in Tätigkeit sein muß. Seit das Amt des Schrift¬
führers sowohl des Deutschen Veterinärrats als der tierärztlichen
Zentralvertretung auf mich übergegangen ist, mag manches
(das kann ich wohl, ohne mißverstanden zu werden, liier sagen)
vollkommener, reichlicher und vielseitiger geschehen sein, als es
früher möglich war, weil mir gleichzeitig nicht aUein eine eigene
tierärztliche Presse zur Unterstütung, zur bequemen Ver¬
breitung gewisser Äußerungen und Maßregeln zur Verfügung
steht, sondern gleichzeitig auch alle diejenigen Hilfsmittel,
mit denen Redaktion, Verlag und Druckerei einer großen
großen Zeitung heute zu arbeiten gewöhnt sind; ohne diese
Hilfen würde es ganz ausgeschlossen gewesen sein, neben
einer die Arbeitskraft beanspruchenden Amtsstellung auch nur
dieses bescheidene Maß von Arbeit im Dienste des tierärztlichen
Standes zu leisten. Und ganz offenbar genügt diese Arbeit an¬
gesichts unsrer heutigen Entwicklung und im Vergleich mit den
Hilfsmitteln, über welche andere wohlorganisierte Stände ver¬
fügen, bei weitem nicht. Nur die Hauptfragen können heute
von der tierärztlichen Standes Vertretung verfolgt werden. Zahl¬
lose kleine Einzelheiten und Nebendinge bleiben unbeachtet
liegen: an gewisse Gebiete (ich erinnere nur an das Pfuscherei¬
wesen) kann die tierärztliche Standesvertretung gar nicht heran-
gehen, weil hier die Kleinarbeit und planmäßige Vorbereitung
nicht zu schaffen ist. Der juristische und volkswirtschaftliche
Beirat fehlt tatsächlich überall.
Die größten Mängel sind das gänzliche Fehlen von Ver¬
tretern des tierärztlichen Standes in den Parlamenten und der
Mangel einer genügenden Fühlung mit der politischen Presse.
Dafür, daß Tierärzte als Abgeordnete in die Parlamente
kommen, müssen die Tierärzte im Lande selber sorgen. Das
kann durch kein Zentralbureau gemacht werden, und wenn selbst
der Leiter dieses Bureaus in den Reichstag ginge, so würde er
jenes Fehlen von Tierärzten in den Reihen der verschiedenen
Parteien durch seine einzige Person auch noch nicht auszu¬
gleichen vermögen. In Frankreich sitzen in der Kammer sechs
Tierärzte und mehrere auch im Senat. Das ist von ganz außer¬
ordentlicher Bedeutung, nicht bloß zur Förderung des Standes,
sondern auch für die Gesetzgebung im Allgemeininteresse, wie
die Beratung des Viehseuchengesetzes jetzt zur Genüge er¬
kennen läßt.
Der Wunsch, daß die Tierärzte in der Tagespresse mehr
von sich reden machen möchten, und daß sie die führenden
hauptstädtischen und provinziellen Blätter verschiedener Partei-
I richtungen für ihre Ziele zu interessieren suchen sollten, ist von
verschiedenen Seiten schon seit langem betont und zuletzt noch
durch den Artikel: „Zur Lage der Tierärzte“ (Nr. 16 der
B. T. W. S. 279) begründet worden. Ohne Zweifel enthält das
Veterinärwesen eine große Anzahl von Dingen, die durchaus
geeignet wären, die öffentliche Meinung zu interessieren. Nicht
zu bestreiten ist, daß die großen Blätter sich herzlich wenig
um tierärztliche Angelegenheiten kümmern, daß über bemerkens¬
werte Ereignisse nur kurze oder gar keine Notizen mitgeteilt
werden, was ganz offenbar nur daran liegt, daß niemand ent¬
sprechende Berichte einsendet. Freilich muß bedacht werden,
daß die Presse ein zweischneidiges Schwert ist, und daß zu
dessen Handhabung Geschicklichkeit eine unerläßliche Bedingung
ist. Noch mehr vielleicht, wie das Schweigen der Zeitungen,
waren gewisse Veröffentlichungen zu beklagen, die offenbar von
Angehörigen des Standes herstammten und durch ihre Unge¬
schicklichkeit oder Übertreibungen jedenfalls mehr verdarben
als nützten. Das Verderblichste wäre, wenn aus tierärztlichen
Federn Artikel mit gänz entgegengesetzten Tendenzen in die
Zeitungen lanziert würden. Wenn deshalb die Benutzung der
Bresse nicht viel mehr Schaden als Nutzen stiften soll, so ist
434
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24
für nichts eine Zentralisierung notwendiger als gerade dafür.
Die Bearbeitung der politischen Presse kann unbedingt nur von
einer einzigen Stelle ausgehen, von einer Stelle zwar, w r o
Gewandtheit, Einsicht, Kenntnis des journalistischen Getriebes
und politischer Blick vereinigt sind. Vun dieser Stelle aus
müßten natürlich die Blätter aller Parteien, soweit sie für
anständige bürgerliche Kreise überhaupt in Betracht kommen
können, versorgt werden.
Ein solcher umfangreicher Verkehr mit der Presse durch
vielgestaltige eigene Veröffentlichungen kann aber nur von
jemandem eingeleitet und unterhalten werden, der darin seinen
Hauptberuf findet; für eine Nebenarbeit ist diese Aufgabe viel
zu groß. Wer im tierärztlichen Stand ein Amt bekleidet und
außerdem selbst eine große Zeitung redigiert, der kann natürlich
unmöglich auch noch die politische Presse mit Artikeln über¬
schwemmen; ich persönlich würde das freilich schon deshalb
nicht tun, weil mir dieser Weg unsympathisch ist.
Wenn also der tierärztliche Stand mit vollem Recht für die
nahe Zukunft eine straffere Organisation, eine intensivere Ver¬
tretung in den großen Faktoren des öffentlichen Lebens, in den
gesetzgebenden Körperschaften wie in der Presse erstrebt, so
werden sich diese Vorbedingungen weiterer kräftiger Entwicklung
mit den heutigen Mitteln, die in der Vergangenheit — das wird
man gerechterweise zugestehen müssen — so viel geleistet
haben, nicht mehr erreichen lassen.
Zu dem, was neu zu schaffen ist, gehört in erster Linie
das, was Krüger will: eine zentrale Geschäftsstelle mit
einer bedeutenden Kraft an der Spitze. Daneben brauchen wir
zweitens Tierärzte als Abgeordnete im Reichstag und in den
Kammern mindestens der größeren Bundesstaaten. Und drittens
brauchen wir überall die Tierärztekammer, die namentlich
in bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung des Standes, auf
die Aufbringung von Geldmitteln, auf die Zusammenfassung
aller Zweige des Berufs infolge ihres strafferen Gefüges in
Zukunft sicher mehr wird leisten können, als die so sehr um
das tierärztliche Leben verdienten Vereine es noch vermöchten.
Neben all diesem Neuen werden — das muß man dringend
wünschen — die Vereine weiter bestehen bleiben und an der
Spitze des Ganzen muß der Deutsche Veterinärrat stehen.
Es ist ein durchaus richtiger, der Vergangenheit gerecht
werdender und die Zukunft verstehender Gedanke Krügers,
diese Zentralstelle dem Ausschuß des Deutschen Veterinärrates
anzugliedern.
Zweierlei freilich ist wohl gewiß. So umfassend, wie
Krüger es sich vorstellt, wird die Tätigkeit und der Nutzen
des Zentralbureaus nicht sein können, und die Schwierigkeiten,
die geeignete Form und vor allen Dingen den geeigneten Mann
zu finden, werden sehr groß sein. Ich stimme Krüger zu, daß
an die Spitze dieses Zentralbureaus kein Tierarzt gehört. (Der
Verfasser des Artikels in Nr. 15: „Zur Lage der Tierärzte“
ist anderer Ansicht.) Wie sollte man hier für einen solchen
eine Lebensstellung schaffen wollen; wie wäre es möglich, sich
da auf eine Persönlichkeit zu einigen; was für Anforderungen
würden wohl aus dem Stande heraus an diesen Kollegen gestellt
werden. Er würde das bejammernswerteste Mädchen für alles
sein und schließlich doch niemandem genug tun. Bis zum
gewissen Grade zeigen sich solche Erscheinungen schon bei der
Redaktion eines Fachblattes. Als Nebenaufgabe neben einer
Haupttätigkeit ist die Redaktion einer großen Zeitung sehr
schwer zu führen. Andererseits würde derjenige, der Nnr-
Redakteur wäre, auch wenn er sich in dieser Tätigkeit all¬
gemeiner Anerkennung erfreute, im Kreise der Kollegen kaum
eine sehr beneidenswerte Rolle spielen. Man braucht die Presse,
aber man schillt sie gelegentlich; wie viele würden gleichzeitig
im kleinen Kreise den Mann der Feder als zaghaft schelten und
öffentlich sich wohl hüten, mit ihm zu verkehren. An Schmidt-
Mühlheim, an diesem Märtyrer seiner Überzeugung, konnte man
das beobachten. Ein Tierarzt also, ein wirklich bedeutender,
der es sich Zutrauen darf, unter allen Umständen unter seinen
Kollegen etwas zu gelten, würde sich wohl hüten, sich lediglich
der Tätigkeit des Generalsekretärs zu widmen.
Aber auch wenn man lediglich den Zweck der Einrichtung
ins Auge faßt, spricht mehr gegen als für den tierärztlichen
Leiter des Zentralbureaus. Gewiß würde er ja von vornherein
ein intimeres Verständnis für alle zu behandelnden Fragen
haben; aber dafür fehlen ihm die juristischen und die volks¬
wirtschaftlichen Kenntnisse, die gerade, wo es sich um große
Gesichtspunkte und um die Gewinnung der öffentlichen Meinung,
um den Eindruck im Parlament handelt, in den Vordergrund
treten müssen. Der Standesangehörige ist auch in manchen
Dingen viel befangener, zu sehr mit Einzelheiten beschwert, im
Gegensatz zu dem Juristen und Volksw r irt, der gewohnt ist,
alles anders anzufassen. Ich bin daher der Meinung, daß als
Leiter eines solchen Bureaus ein Jurist oder Volks Wirtschaftler
in Frage kommen müßte.
Wie vortrefflich solche Männer im Dienste eines Standes
zu wirken vermögen, dafür haben wir ja sprechende Beispiele
in Dieder ich Hahn vom Bunde der Landwirte, in Dr. Beniner,
dem Syndikus des Vereins der rheinisch-westfälischen Industriellen,
in Dr. Dade vom Deutschen Landwirtschaftsrat, die sämtlich
zugleich Abgeordnetenmandate innehaben, und von denen die
ersteren Beiden eine führende Rolle spielen. Freilich würde
sich, wenn dieser Leiter unseres Zentralbureaus z. B. in den
Reichstag gehen sollte, wieder eine weitere Schwierigkeit er¬
geben, die die Auswahl der Persönlichkeit außerordentlich
komplizieren würde. Denn der Bund der Landwirte und der
Verein rheinisch-westfälischer Industrieller haben eine einheit¬
liche politische Tendenz, die doch den Tierärzten völlig fehlt;
denn während ich z. B. es für eine conditio sine qua non halten
würde, daß dieser unser Vertreter auf agrarischem Boden steht,
möchte vielleicht eine nicht geringe Zahl von Tierärzten ihn
gerade auf der Linken sehen wollen. Wie man sich aus diesem
Dilemma herausfinden könnte, ist mir vorläufig unklar. Im
übrigen würde es auf die Abgeordnetentätigkeit dieses Herrn
auch nicht so sehr ankommen; darin könnte er den tierärzt¬
lichen Sachverständigen doch nicht ersetzen, und es wäre, wie
ich schon oben sagte, viel besser, wenn die einzelnen großen
Parteien tierärztliche Abgeordnete und Sachverständige in ihrer
Mitte hätten.
Auch ohne daß der Leiter des Zentralbureaus ein Mandat
hat, würde ihm eine außerordentlich vielseitige und um¬
fassende Tätigkeit bleiben; Krügers Andeutungen sagen ja
gerade genug. Wenn ein Mann das alles tun sollte, so müßte
er ein Mensch von ausgezeichneten Fähigkeiten sejn — einen
andern könnten wir auch gar nicht gebrauchen. Dann freilich würde
dieser Mann auch nicht so billig zu haben sein, wie Krüger
meint. Wer würde sich wohl ganz in den Dienst einer solchen
Sache stellen wollen mit einem Einkommen von 10000 M., w r as
11. Juni 1908.
in Berlin doch kaum zum Leben hinreicht, wenn man die Nach¬
teile der nicht pensionsfähigen und nicht festen Anstellung noch
damit auszugleichen hat. Wenn man ferner überlegt, wie viele
Hilfskräfte in diesem Bureau sitzen müßten, so wird jedem
von vornherein klar werden, daß es eine sehr teure Ein¬
richtung sein wird, der gegenüber die bisherige Geschäfts¬
führung allerdings außerordentlich billig gearbeitet hat. Es
ist auch zu bezweifeln, daß der Deutsche Veterinärrat bzw. die
in diesem vertretenen Vereine so große Summen mit Leichtigkeit
würden zusammenbringen können. Ich glaube, wir werden an
die Einrichtung dieses Zentralbureaus, das dem Präsidenten des
Deutschen Veterinärrats zu unterstellen sein wird, erst dann
herantreten können, wenn wenigstens in den größeren Bundes¬
staaten die Organisation von Tierärztekammern durchgeführt
sein wird; die vermögen dann die Unterhaltungskosten mit
Leichtigkeit aufzubringen und sicherzustellen, und der Syndikus
der Kammern wäre gleichzeitig der gegebene Chef der Zentral¬
geschäftsstelle des Deutschen Veteiinärrates.
Inzwischen könnte man vielleicht schon einen bescheidenen
Anfang machen, indem die nächste Versammlung des Deutschen
Veterinärrates zu Stuttgart, die im nächsten Jahr stattfinden I
wird, ihrem Ausschuß oder vielmehr ihrem Präsidenten ein
Bureau oder wenigstens einen gebildeten Sekretär, der zur
Ausführung einer Anzahl von Aufträgen im Sinne Krügers
befähigt wäre, durch eine dauernde Einrichtung zur Verfügung
stellte. Junge Nationalökonomen z. B. sind mit verhältnismäßig
geringem Aufwand für solche Zwecke leicht zu haben, und
zahlreiche Berufsgenossenschaften, die sich in keiner Beziehung
mit uns messen können, haben zur Führung ihrer Geschäfte
von diesen vortrefflichen Kräften schon längst Gebrauch
gemacht.
Zu dem Artikel „Deutscher und Schweizer Dr. med. vet. u
Was den in Nr. 19 der B. T. W. stehenden Artikel
„Deutscher und Schweizer Dr. med. vet.“ angeht, so liegt es
mir fern, näher auf die darin geäußerte Ansicht des Kollegen
Dr. Jonas einzugehen, ebensowenig wie ja auch diese Ansicht im all¬
gemeinen auf sein „videant consules“ einen Einfluß ausüben wird.
Es ist Gott sei Dank doch noch nicht soweit gekommen,
daß man die jüngeren Tierärzte (von denen zum Zwecke des
Studiums das Maturum verlangt wurde) mature zum Unter¬
schiede gegen die frühere Generation immature Tierärzte zu
nennen berechtigt ist.
„Immature Tierärzte“ ist eine Bezeichnung der Eigenschaft
und bedeutet unreife Tierärzte, oder aber bildet sich unter Um¬
ständen zu einer solchen aus. Wollte der Verfasser sich anders
ausdrücken, so mußte er sagen Tierärzte ohne Maturum.
Es hat sich in seinem Artikel leider wieder ein neuer
Zankapfel herausgebildet und es ist scheinbar noch nicht genug
innerhalb unseres Standes gegeneinander angekämpft worden.
Ich bin der Ansicht, daß, wenn es sich um das allgemeine
Wohl des tierärztlichen Standes handelt, wir alle Zusammen¬
gehen und uns untereinander nicht gegenseitig anfehden sollten.
Leider ist das bisher noch zu wenig zutage getreten. Wenn
dazu ein junger Tierarzt schon wieder nach einem neuen Streit¬
objekt sucht, daß geeignet ist, späterhin die Tierärzte derart
zu spalten, daß das gemeinsame Standesinteresse schwer dar¬
unter leiden könnte, so ist es unbedingt geboten, derartige An¬
sichten im Keime zu ersticken. Von „immaturen Tierärzten
435
kann daher keine Rede sein. Denn sie, die Tierärzte ohne
Maturum, gehören zu den Vorkämpfern, die den Tierärzten der
jüngeren Generation unter den denkbar schwierigsten Ver¬
hältnissen die heutige Laufbahn geebnet haben; ein derartiges
Urteil kommt ihnen daher nicht zu, und es wäre ein Zeichen
der Undankbarkeit, wollten solche Ansichten, wie sie Dr. Jonas
hegt, sich Bahn brechen. Als immatur könnte man eher die¬
jenigen bezeichnen, die aus eigenem Interesse das Allgemein¬
wohl hintenan setzen; jedenfalls sind diejenigen doch nicht
weniger „reif“, die unter bedeutend schwierigeren Kriterien
dasselbe erreicht haben, wie die maturi. Herr Dr. Jonas mag
sich einmal die in der Schweiz angefertigten Dissertationen an-
sehen, er mag selbst hingehen und erfahren, wie intensiv ge¬
arbeitet werden muß. Wenn er das gesehen hat, dann erst
mag er mit seinem Urteil über einen so hochwichtigen Punkt
an die Öffentlichkeit treten, und er wird sicherlich sagen, alle
Achtung vor solchen Kollegen, die keine Arbeit scheuen, um
im Berufe vorwärts zu streben.
Und ideale Konkurrenz? — Wo Konkurrenz in solchen
Kleinlichkeiten besteht, da kann kein Ideal bestehen! Ideal
I nennen wir Tierärzte — was ja heute leider noch eine Fata
morgana ist — die Verwirklichung jenes Gedankens des
kollegialen Zusammengehens. Daran krankten wir schon von
jeher. Man suchte die ideale Idee im Tierschutz, in sanitärer
Hinsicht usw. und stolpert dabei über das Ideal, das in dem
gemeinsamen Vorwärtsstreben zur Hebung des Standes und der
Standesehre zu suchen ist. Und solange dieser ideale Gedanke
uns Tierärzten abgeht, solange liegt unser Ziel, das wir er¬
streben, in weiter, weiter Ferne!
„Immer strebe zum Ganzen und kannst Du selber kein
Ganzes werden, als dienendes Glied schließ’ an ein Ganzes
Dich an!“ (Schiller.)
Dr. med. vet. W. Lehmann,
Traben-Trarbach.
Gemeinsame Versammlung der tierärztlichen Vereine
von Posen und Westpreuhen zu Bromberg.
Am 17. November 1907 hatten sich die Mitglieder der tier¬
ärztlichen Vereine von Posen und Westpreußen in dem großen
Hörsal des Kaiser Wilhelm-Instituts in Bromberg zu einer gemein¬
schaftlichen Sitzung vereinigt.
Der Vorsitzende des Posener Vereins, Veterinärrat Heyne,
eröffnete die Versammlung mit herzlichen Worten der Begrüßung
an die sehr zahlreich Erschienenen und des Dankes an den Direktor
des Instituts Prof. Dr. Gerlach und den Leiter der tierhygienischen
Abteilung Dr. Mießner für die Bereitwilligkeit, mit der sie die
Räume des Instituts den beiden Vereinen zur Verfügung gestellt
haben. Die Begrüßungsansprache klang aus in ein begeistert auf¬
genommenes Hoch auf Se. Majestät den Kaiser. Prof. Dr. Gerlach
begrüßte hierauf die Versammlung auf das freundlichste. Das
Kaiser Wilhelm-Institut sei geschaffen, um der Landwirtschaft durch
wissenschaftliche Tätigkeit zu helfen* Auch die Tierärzte arbeiten
nach dieser Richtung hin und deshalb bestehen zwischen dem
Institut und den Tierärzten so innige Beziehungen. Redner hofft,
daß diese Beziehungen zum Segen der Landwirtschaft immer fester
werden. Der Versammlung wünscht er einen reichen Erfolg. Die
Vorsitzenden beider Vereine, Heyne und Preuße, bringen die
ihre Vereine interessierenden eingegangenen Schriftstücke zum
Vortrag. Die Ehrenmitglieder beider Vereine, Geh. Rat Esser
und Prof. Dr. Schmaltz, haben ihr Fernbleiben entschuldigt und
senden viele Grüße. Es wird das Rundschreiben des Brandenburger
Vereins, betr. die Organisation der Milchkontrolle, bekannt gegeben.
Die Versammlung stimmt dessen Ausführungen bei.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No 24.
436
In den westpreußischen Verein werden zwei neuo Mitglieder
aufgenommen, die Tierärzte Sobolewski in Pelplin und Dreske
in Hammerstein. Dr. Mießner hält hierauf einen Vortrag über
„infektiöse Schafkrankheiten“.
Redner macht auf zwei Krankheiten des Schafes aufmerksam,
welche im Osten unseres Vaterlandes auftreten, bisher aber wenig
Beachtung gefunden haben. Da über beide Krankheiten später
ausführliche Veröffentlichungen erfolgen sollen, so seien nur kurz
die wesentlichsten Punkte erwähnt.
1. Die Bradsot oder Braasot, d. h. schnelle Seuche, ist in
Island zuerst beobachtet und studiert worden. Ihr Vorkommen ist
in neuerer Zeit für Norwegen, Schottland, Mecklenburg, für die
Provinzen Hannover und Sachsen und vom Vortragenden im
Dezember und Januar 1907/08 für die Provinzen Pommern und
Westpreußen festgestellt worden.
Die Bradsot tritt ausschließlich in den Wintermonaten auf, die
meisten Verluste werden in den Monaten Dezember und Januar
beobachtet. In der Regel stellt sich der Verlauf so, daß täglich
morgens 1—2 Tiere tot im Stalle gefunden werden, während am
Abend vorher noch alle Tiere gesund erschienen. Stets fällt eine
stark vorgerückte Fäulnis bei diesen Tieren auf. Der Bauch ist
aufgetrieben, in der Bauchhöhle befindet sich mit Gasblasen durch¬
setzte Flüssigkeit, die Schleimhaut des Magens enthält, besonders
in der Pylorusgegend geschwtirähnliche Defekte. Der Zwölffinger¬
darm ist meist entzündet. Milz wenig oder gar nicht geschwollen.
Wegen ihres schnellen Verlaufes ist die Krankheit leicht mit
Milzbrand zu verwechseln. In den Organen lassen sich rausch¬
brandähnliche Stäbchen nachweisen, die zuerst von Nielsen
gefunden und von Jensen gezüchtet worden sind und als die
Erreger der Bradsot angesprochen werden. Ihr Wachstum ist
streng anaerob. Genauere Studien über den Bradsotbazillus
liegen von Jensen vor; wie weit die von Jensen gemachten
Beobachtungen für Deutschland zutreffen, müssen erst weitere
Untersuchungen lehren.
Eine zweite Krankheit der Schafe kommt nach den bisherigen
Beobachtungen im Osten außerordentlich häufig vor und befällt
vornehmlich die Lämmer. Die davon betroffenen Tiere gehen teils
septikämisch, ohne wesentliche Krankheitserscheinungen gezeigt zu
haben, zu Grunde, teils bekommen sic Nasen-, Augenausfluß,
Lungenbrustfellentzündung oder erkranken chronisch und gehen
unter wassersüchtigen Zuständen ein. Als Erreger ist ein bipolares
und zur Gruppe der Septicaemia pluriformis gehöriges Bakterium
der Bacillus ovisepticus anzusprechen. Die Krankheit, als
Septikämia pluriformis ovium bezeichnet, hat in ihrem Auftreten
und in ihrem Verlauf eine große Ähnlichkeit mit der Schweine
seuche. Redner hat in seinem Institut die Einzelheiten der
Seuche genau studiert und verweist bezüglich derselben auf die
bald zu erfolgenden Veröffentlichungen. Auch ein Immunisierungs¬
verfahren ist im Institut ermittelt worden und ist Redner damit
beschäftigt, zu prüfen, ob ein genügend hoher Schutz unter natür¬
lichen Verhältnissen erzeugt wird.
Im Anschluß an seinen Vortrag zeigt Redner mit dem großen
Projektionsapparat des Instituts eine Anzahl Abbildungen kranker
Schafe und viele pathologisch-anatomische Präparate, welche in
außerordentlich instruktiver Weise alle Einzelheiten klar und
deutlich erkennen lassen. Reicher Beifall wird dem Vortragenden
für seine Ausführungen und bildlichen Darbietungen zuteil.
An den Vortrag schloß sich ein Rundgang durch alle Räume
des tierhygienischen Institutes, wobei dessen Leiter, Herr Dr.
Mießner, und seine Assistenten die liebenswürdigen Führer waren.
Aufs höchste befriedigt von all dem Gehörten und Gesehenen ver¬
ließen die Teilnehmer die schönen Institutsräume.
An die Sitzung schloß sich ein fröhliches Mahl unter Teilnahme
der Damen in dem Festsaal des Hotels „Schwarzer Adler“.
Ein solenner Ball beendigte den genußreichen Tag, an den die
Mitglieder der beiden Vereine noch lange zurückdenken werden.
Heyne, Preuße,
Vorsitzender des tierärztlichen Vorsitzender des tierärztlichen
Proviuzialvereins für Posen. Vereins in Westpreußen.
63. Generalversammlung des tierflrztliohen Zentralvereins für die Provinz
Sachsen, die Anhaitischen und Thüringischen Staaten
am Sonntag, den 14. Juni 1908, vormittags 11 Uhr, zu Halle a. S.
im Bakteriologischen Institut der Landwirtschaftskammer für die
Provinz Sachsen, Freiimfelderstraße 68.
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten.
2. Herr Veterinärrat Ziegenbein-Wolmirstedt: „Die Taxe für
die private Tätigkeit der Tierärzte“.
3. Herr Schlachthofdirektor Dr. Meyer-Stendal: „Die derzeitige
Regelung der Milchkontrolle im Vereinsbezirk“.
4. Herr Veterinärrat Pirl-Dessau: „Über Faulbrutscnche der Bienen
(Bienenpest)“.
5. Fragen aus der Praxis
6. Besichtigung des Bakteriologischen Instituts, verbunden mit
kurzen Referaten über die derzeitigen Arbeiten:
a) Versuche über die praktische Verwendbarkeit eines mit
Hilfe des filtrierbaren Virus hergestellten Schw'einepest-
serums (Repetitor Dr. Stadie).
b) Neueres auf dem Gebiete der Tuberkulosebekämpfung
(Dr. Rautmann).
c) Die Herstellung von polyvalentem Kälberruhrserum (Dr.
Grosso).
d) Die Opsoninmethode und einige Versuchsimpfungen in der
Praxis (Dr. Itaebigcr).
Nach der Versammlung findet ein gemeinschaftliches Mittag¬
essen (Gedeck 3 M.) im Hotel Stadt Hamburg statt. Anmeldungen
hierzu werden an den Schriftführer bis zum 10. Juni erbeten.
Der stellv. Vorsitzende Der Schriftführer
Lcistikow. H. Raebiger.
Tierärztlicher Verein im Herzogtum Braunschweig.
Die diesjährige Hauptversammlung findet am 21. Juni, vor¬
mittags 11 Uhr, in Dannes Hotel zu Braunschweig statt.
Tagesordnung:
1. Jahresbericht.
2. Kassenbericht.
3. Berichterstattung über den Kongreß für Hygiene und Demo¬
graphie (Herr Poetting).
4. Vortrag über „Milzbrand bei Schweinen“ (Herr Dr. Römer!*
5. Vortrag über „Milchuntersuchung“ (Herr Kreistierarzt Krüger).
6. Mitteilungen aus der Praxis.
Um 2 ! /a Uhr gemeinschaftliches Mittagessen unter erbetener
Teilnahme der Damen. Der Vorstand. I. A.: F. Löhr.
Maul- und Klauenseuche.
Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche ist gemeldet vom
Viehmarkte zu Neuß (Regierungsbezirk Düsseldorf) am 3. Juni 1908.
Das Erlöschen der Maul- und Klauenseuche ist gemeldet vom
Schlachthofe zu Berlin am 6. Juni 1908.
Militär-Apothekenwesen.
Im Etatsjahr 1908 sind Übungen für die Apotheker des Be-
urlaubtenstandes eingeftthrt worden. Die zu den Übungen ein-
gezogenen Apotheker erhalten ein tägliches Übungsgeld von 3 M.,
ein Einkleidungsgeld von 120 M., sowie Servis und Reisegebührnisse
(6 M. Tagegelder für Hin- und Rückreise, Fuhrkosten von 7 Pf.
für das Kilometer und 2 M. Nebenkosten). Es ist weiter abgesehen,
Stabsapotheker des Beurlaubtenstandes zu schaffen, jedoch nur für
diejenigen Apotheker, die das Nahrungsmittelchemikerexamcn ge¬
macht haben und 9 Wochen geübt haben (6 -j- 3 Wochen). Im
Mobilmachungsfalle sind jedoch alle Oberapotheker zur Besetzung
der höheren Militärapothekerstellen bestimmt. Dr. G.
Technische Beamte des höheren Verwaltungsdienstes.
In Hamburg ist das Verzeichnis der durch technische Beamte
des höheren Verwaltungsdienstes zu besetzenden Stellen auf Grund
eines Gesetzes durch Hinzufügung der folgenden Stellen ergänzt
worden: der Polizeioberarzt, der Stadttierarzt und die Ober-
tieränzte, der Eichinspektor, die ersten Revisionsingenieure des
Dampfkesselrevisionsbureaus, die Brandinspektoren und die Brand¬
meister, der Amtsphysikus in Bergedorf.
11 . Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
437
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
Schlachtvieh- und Fleischbeschau in Deutschland Im I. Quartal 1908.
(ZusammongestelH im Kaiserlichen Statistischen Amt.)_
Staaten
und
Landesteile
Zahl der Tiere, an denen die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vorgenommen wurde
Pferde
und
andere
Einhufer
Ochsen
Bullen
Kühe
ä “Sr
über 1 Dls
3 Monate alt
Schweine
Schafe
Ziegen
Hunde
Provinz Ostpreußen.
527
1 490
1 809
7 005
6 231
33 247
99 404
6 789
45 t
,, Westpreußen ....
286
1 110
2 472
0 702
3 338
80 516
82 545
8 253
967
Stadt Berlin.
3 016
1« 930
11 320
3 780
6 »83
41 327
307 237
113 121
39
_
Provinz Brandenburg ....
2 55*7
0 255
11 137
27 408
10 »05
53. 053
221 411
22 989
2 697
34
„ Pommern.
500
518
3 090
9 530
2 882
26 898
»2 451
17 270
425
„ Posen.
180
712
2 151
6 811
5 30*
30 796
105 706
8 170
4 206
1
„ Schlesien.
S 95)7
3 837
11 42*
30 345
10 080
93 »95
350 045
16 333
12 873
348
„ Sachsen .
2 115)
2 551
5 070
18 100
7 407
36 187
185 049
24 995
4 830
40
„ Schleswig-Holstein . .
1 281
3 312
2 510
10 510
5 133
39 209
IOC, 35»
4 475
140
3
„ «Hannover.
1 5*35)
2 909
0 217
11 713
5 937
30 io«;
175 044
18 107
664
1
„ Westfalen.
2 180
2 407
4 900
35 311
5 840
51 905
V37 686
3 170
1 869
1
„ Hessen-Nassau ....
687
7 089
1 410
17 540
10 310
48 416
285 302
13 251
3 126
„ Rheinland.
4 17»
17 062
0 911
61 210
16 404
106 584
400 988
26 057
6 089
17.
Ilobenzollcrn.
1
52
13
315
41»
920
2 034
30
104
Königreich Preußen.
23 885
68 890
71 743
247 048
103 843
622 219
2 652 551
283 016
37 473
445
Königreich Bayern.
2 565
30 882
10 569
52 817
34 278
181 495
473 323
34 496
37187
104
Königreich Sachsen.
3 383
9 452
8 754
37 338
5183
102 445
367 765
50 528
15 409
1344
Württemberg.
471
3 801
2 909
13 041
20 310
46 607
127 647
6 388
7 672
23
Baden.
451
5 825
1880
11848
16 634
43 632
118 421
4 767
7136
_
Hessen.
535
4 881
379
9 391
7 713
18 917
82 592
3 375
8 035
_
Mecklenburg-Schwerin ....
433
182
1431
4 442
1622
28 890
40 749
5 066
235
_
Großherzogtum Sachsen . . .
160
406
300
2 989
1289
6 301
24 246
3 685
2 255
1
Mecklenburg-Strelitz.
90
32
71
519
144
3 430
5 594
561
17
_
Oldenburg.
105
1 345
316
1442
875
5 256
33080
503
86
_
Braunschweig.
128
! 146
2 235
1135
2142
5 973
91 081
4 072
91
l
Sachsen-Meiningen.
104
315
140
2199
1122
3 689
12 750
1720
2 396
1
Sachsen-Altenburg.
79
! 66
312
2 962
471
3 409
16 594
1348
1389
4
Sachsen-Koburg-Gotha ....
101
1 191
161
2 684
972
3 914
45 319
2 759
1228
23
Anhalt.
377
311
694
1452
524
3 809
21852
2 664
216
105
Schwarzburg-Sondershausen . .
6
1 23
76
1 136
234
1577
19 911
702
36
_
Schwarzburg-Rudolstadt . . .
28
i 63
54
899
490
1643
4 949
779
109
_
W T aldeck.
1
32
71
1 220
311
847
3 569
110
119
_
Reuß ältere Linie.
28
1 105
125
| 595
296
1051
7 696
977
1167
2
Reuß jüngere Linie.
65
176
247
2 070
622
2188
18 462
1 866
2 893
8
Scbaumburg-Lippo.
14
1
27 1
212
i 60
507
1427
37
52 j
—
Lippe.
42
! 7
272 1
609
173
1650
8 443
115
123
—
Lübeck .
160
126
280 i
1839
411
4897
12 279
1091
108
I _
Bremen.
567
1 197
1 874
951
559
. 4 208
32 357
2 888
23
_
Hamburg.
1345
6 925
1959
2 237
7 568
14 295
114 543
22185
! 24
_
Elsaß-Lothringen.
864
4 533
981
18 678
4 766
36 494
81 014
10 482
i 1457
—
Deutsches Reich ....
35 987
138 913
107 860
420 753
212 612
1 1149 342
4 418 214
| 446 180
126 936
2 061
Dagegen im 4. Vierteljahr 1907 .
45 144
153 274
103 162
433 092
273 756
1042 774
4 846 861
, 603 208
139 836
2 299
„ „ 3. „ 1907 .
27 319
147 173
121 076
403 383
277 642
‘ 1 091 285
3 750 984
1 707 975
39 346
952
„ „ 2. „ 1907 .
25 904
135 726
108 576
373 887
205 279
1 190 758
3 718 066
435 599
178 940
943
n „ 1. „ 1907 .
37 408
141136
97 006
393 557
! 184 202
1 053 925
4 079 656
1 440495
131 775
2 267
Zur Abwehr!
Von Tierarzt Kunibert Müller-Treptow a. R.,
Vorsteher des Fleischbeschauamts.
In dem Heft 39 der Deutschen Schlacht- und Viehhofzeitung
1905, deren Jahrgänge mir erst jetzt zur Verfügung stehen, referiert 1
Herr Dr. Heine-Duisburg (fr. Hannover) über meinen in Nr. 35 i
der B. T. W. 1905 erschienenen Aufsatz: „Finnenschnitte und Finnen- )
funde“.*) Kollege Heine tritt meiner Forderung, der von sehr, (
sehr vielen Tierärzten zugestimmt wird, — „alle sogenannten ein- i
finnigen Rinder nach genauester Untersuchung sofort — aus- j
genommen Kopf, Herz, Zunge — tauglich ohne Einschränkung zu j
kennzeichnen,“ nicht bei. Nun das ist Ansichtssache.
Wenn Kollege Heine meint, ich „verlange eine noch ein¬
gehendere Untersuchung, als sie das Gesetz vorschreibt, so behaupte
ich, daß diese eingehendere Beschau für jeden gewissenhaften
Tierarzt, der in einer „Finnen- oder Bandwurmgegend“ seines Amtes
waltet, schon jetzt notwendig ist (in Verdachtsfällen)“.
Im Schluß seines Referates schreibt der Herr Kollege nun fol¬
gendes: „Auffallend ist des weiteren in den oben referierten Aus¬
führungen K. Müllers die Behauptung, daß verschiedentlich die
Untersuchung auf Rinderfinnen zu oberflächlich gehandhabt wird.
Referent kennt auch eine Anzahl Schlachthöfe, hat aber überall,
*) Vgl. auch meine Aufsätze: „Einfinnige Rinder“ Ztschr. f. j
FL- u. Milchhyg. XIII, 389—390. „Nochmals einfinnige Rinder“
ibidem XIV, 186—188. i
im Gegensatz zu K. Müller, die Erfahrung gemacht, daß die Kau¬
muskelschnitte an Ergiebigkeit nichts zu wünschen übrig ließen.
Die Sanitätstierärzte dürften daher Veranlassung haben, den von
Müller erhobenen Vorwurf, daß die Kaumuskelschnitte an ver¬
schiedenen Schlachthöfen „wenig ergiebig“, „ganz oberflächlich“
oder nur in Form von „Einschnitten“, gemacht würden, als einseitige
Auffassung mit Entschiedenheit zurückweisen.“
Gegen diese Behauptung muß ich aber ganz entschieden Ver¬
wahrung einlegen; es ist dies nicht „einseitige Auffassung“, sondern
es sind Tatsachen. Ich bin jederzeit bereit, die Beweise für meine
Darlegungen zu erbringen. Wenn man einen Unterschied zwischen
den verschiedenen Schnitten feststellt, so sind doch dies Tatsachen,
und keine „einseitigen Auffassungen“. Der Begriff „ergiebig“ kann
wohl verschieden „aufgefaßt“ werden; die vorhandenen Schnitt¬
flächen sind für mich vollendete Tatsachen. Wenn jeder Fleisch¬
beschau ausübende Tierarzt einmal mit dem Zentimetermaß — wie
I ich dies unzählige Male getan — die von ihm hergestellten Kau-
| muskelflächen abmißt, so wird er sehen, ob er nur „Einschnitte
(zirka 200 qcm)“, „wenig ergiebige (zirka 600 qcm) oder „ergiebige
Schnitte (zirka 1400—2400 qcm)“ ausgeführt hat. Der Herr Kollege
Heine meint zwar, daß er „auf verschiedenen Schlachthöfen Finnen¬
schnitte gesehen hat, die an Ergiebigkeit nichts zu wünschen übrig
ließen;“ ich stelle dagegen die Behauptung auf, daß er dann nie¬
mals „ergiebige Schnitte“ gesehen haben kann, denn sonst würde
er in seinem Referat über meinen Aufsatz bei der Stelle 1400 bis
2400 qcm“ Schnittfläche nicht, „soll wohl qmm heißenschreiben
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24.
438
Aus diesen Worten muß ich annehmen, daß Kollege Heine selbst
keine „ergiebigen Schnitte“ kennt. Ergiebige Schnitte geben eine
Ansichtsfläche von 1400—2400 qcm (etwa Doppelformat der B.T.W.
Ein Ansichtsfläche von 1400 —2400 qmm (zirka 4 Briefmarken) wie
sie Herr Heine meint, ist für mich nicht einmal durch Einschnitte
entstanden.
Bei entgegengesetzten Referaten, Kritiken usw., welche nicht
in dem Blatt des ersten Autors erscheinen, möchte ich mir den
Vorschlag erlauben, die Verlagsbuchhandlung des betreffenden Blattes
zur Übersendung eines Exemplars an den ersten Autor zu ver¬
anlassen. Zur besseren und eingehenderen Klärung trägt dies ent¬
schieden bei; man ist ja nicht in der Lage, sofort die gesamte
Fachpresse zu studieren.
Kürzung der Fleischbeschangebühren durch die
Gemeinden.
Gegen das in der B. T. W. 1908, Seite 331, wiedergegebene
Urteil des Landgerichts Mülhausen i. Elsaß in der Streitsache des
Fleischbeschauers J. gegen die Gemeinde Masmünster wegen Aus¬
zahlung der vollen Fleischbeschaugebühren ist Berufung eingelegt
worden. Die Angelegenheit gab Veranlassung zu einer Debatte ira
elsaß-lothringischen Landesparlament. Bei Beratung des Etats der
Verwaltung des Innern, wobei Unterstaatssekretär Mendel in
folgender bemerkenswerten Weise auf die Sachlage einging:
„In erster Linie kommt es natürlich bei der Frage darauf
an, welchen Dienstvertrag der betreffende Fleischbeschauer mit
der Gemeinde abgeschlossen hat. Aus diesem Dienstvertrag
heraus ist das Rechtsverhältnis der beiden Parteigegner zu be¬
urteilen. Im übrigen möchte ich dem Herrn Dr. Ricklin
(R. hatte das Urteil gegnerisch kritisiert) doch bemerken, daß
jeder, auch der angestellte Reichsbeamte, das Recht hat, über
seine Bezüge an die Gerichte zu gehen. Das ist jetzt was
anderes, als es im französischen Recht seinerzeit der Fall war.
Im allgemeinen muß ich aber sagen, daß der Herr Abgeordnete
Ricklin vollständig recht hat. Nicht allein durch Verordnung,
sondern auch durch Gesetz, nämlich durch das Etatsgesetz vom
Jahre 1903 haben wir bestimmt: die Gemeinden haben das Recht,
die Fleischbeschaugebühren für ihre Rechnung zu erheben. Wenn
die Gemeinden kraft Gesetzes dieses Recht haben, und dieses Ge¬
setz widerspricht in keiner Weise dem Reichsgesetz über die
Schlachtviehbeschau vom Jahre 1900, so sind natürlich auch die Ge¬
meinden völlig frei, zu sagen, der Fleischbeschauer erhält sämtliche
Gebühren, oder: der Fleischbeschauer erhält einen Teil der Gebühren,
oder: der Fleischbeschauer wird gegen ein Fixum angestellt. Wir
wollen von seiten der Regierung natürlich haben, daß die Fleisch¬
beschauer nicht zu schlecht bezahlt sind, daß ihnen ordentliche
Beträge von den Gemeinden bezahlt werden, damit sie ihr Amt
entsprechend wahrnehmen können. Aber es ist uns nicht ein¬
gefallen, die Gemeinden zu verpflichten, daß sie sämtliche Gebühren
den Fleischbeschauem zu überlassen haben. Die Gemeinden sind
also in dieser Hinsicht vollständig frei. Wie es in dem einzelnen
Fall von Masmünster steht, das kann ich nicht sagen, das unter¬
liegt der Beurteilung des Gerichts insofern, als die Auslegung des
Dienstvertrags zwischen der Gemeinde und dem Feischbeschauer
in Frage steht.“
Über die Wirkung einiger sogenannter Konservierungs¬
mittel auf Hackfleisch.
Von A. Kickton.
(Zeitschr. für Untersucliunff der Nahrungs- und Genußmittel, sowie der Gebrauchs-
gegenstände 1907, Bd. 18, Heft 9, Sonderabdruek.)
Um das Grauwerden des Hackfleisches zu verhindern, benutzte
man bekanntlich früher vorwiegend schwefligsaures Natron, nach¬
dem dieses verboten worden ist, vielfach andere Mittel, die eben¬
falls mehr oder minder die Eigenschaft besitzen, die rote Farbe zu
erhalten. In Hamburg wurden von diesen am häufigsten als Hack¬
salz Gemenge von phosphorsaurem Natron und bonzoe¬
saurem Natron mit Tonerdeverbindungen (Acetat und Alaun)
verwendet, außerdem gelegentlich die verschiedensten Mischungen
von Kochsalz, Salpeter, Natriumphosphat, -benzoat, -azetat,
-sulfat, Aluminumazetat, Alaun, schwefligsaurem Natron, ferner auch
in unvermischtem Zustande Natriumphosphat, Salpeter und schweflig-
saures Natron.
Verfasser prüfte nun die Wirkung dieser Salze auf das Hack¬
fleisch durch Vermengen mit dem Fleische. Ohne Zusatz wurde
das Fleisch in allen Fällen nach 3—4 Stunden mißfarbig graurot
und faulte bald. Auch nach Beigabe der genannten Konservierungs¬
mittel trat früher oder später eine Zersetzung ein. Im einzelnen
ergab sich:
Benzoesäure konservierte, zu 1 Proz. zugesetzt, besser als
Salizylsäure, bis zum vierten Tage; beide verleihen dem
Fleische indessen schon nach etwa einer halben Stunde ein unan¬
sehnliches, stark graues Aussehen.
Borsäure konservierte ebenfalls, bei 1 Proz. benutzt, bis
zum vierten Tage, erhielt die rote Farbe aber auch am ersten
Tage nicht.
Alaun wirkte ebenfalls auf die Fleischfarbe nicht erhaltend
ein und konservierte das Fleisch zw f ei Tage lang.
Salpeter und Kochsalz wirkten bei Verwendung von
1—2 Proz. bis zum dritten Tage und länger konservierend, erhielten
jedoch nur mäßig gut die rote Farbe.
Natriumsulfat zeigte besonders auf der Oberfläche des
Fleisches schon bessere Wirkung. Es erhielt und verstärkte am
ersten Tage außen die rote Farbe des Fleisches, welches auch
innen nur allmählich etwas blasser rot, aber nicht graurot w r urde,
wie Hackfleisch ohne Zusatz. Die Konservierung dauerte zwei Tage.
Borax und Natriumkarbonat verstärkten die rote Farbe
auf der Außenseite und verhinderten das Grauwerden im Innern,
das Natriumkarbonat erhielt die rote Farbe im Innern auch noch
am zweiten Tage.
Natriumbenzoat, -salizylat und -azetat, Aluminium,
azetat, Natriumphosphat und die Hacksalzgemisehe er¬
hielten und verstärkten die rote Farbe des Fleisches außen und
innen nicht unerheblich. Die Erhaltung ist besonders auf das
Natriumphosphat zu beziehen, während das Natriumbenzoat
hauptsächlich konservierend wirkt (bis zum dritten Tag).
Schwefligsaures Natron hat die stärkste rötende Wirkung
ebenso das saure schwefligsaure Natron, welche beide in
kurzer Zeit die bekannte auffällig hochrote Farbe erzeugten. Diese
tritt bei Luftzutritt stark ein und ist schwächer bei Abschluß der
Luft, z. B. bei Einwickeln des Fleisches in Papier. Die konser¬
vierende Wirkung des schwefligsauren Natrons hielt bei Verwendung
von 1 Proz. bis zum dritten Tage an.
Die Hauptwirkung der Salze besteht in der Einwirkung auf
den Blutfarbstoff in Form der Erhaltung oder Verstärkung der roten
Fleischfarbe über die natürliche Zeit hinaus. Sie verdecken das
für das Publikum wichtige Kennzeichen der beginnenden Zersetzung
des Hackfleisches, das Mißfarbigwerden, und in solchem Zustande be¬
reits befindliches Fleich kann sogar durch den Zusatz der üblichen
Hacksalze in bezug auf das Aussehen und den Geruch wieder auf¬
gefrischt wrerden. Der Zusatz der rötenden Hacksalze dürfte daher
ähnlich wie die gesetzlich verbotene Färbung von Fleischwaren
mit künstlichen Farbstoffen als Verfälschung anzusehen sein. In
dem phosphorsauren Natrium ist überdies meist das ohnehin ver¬
botene Fluor, wenn auch nur in Spuren, vorhanden. Unter Hack¬
fleisch sollte lediglich frisches, zerkleinertes Fleisch zu ver¬
stehen sein.
Nahrungsmittel-Konservierung.
Der Bund deutscher Nahrungsmittel-Fabrikanten und -Händler
beschäftigte sich in einer außerordentlichen Versammlung in Berlin
eingehend mit der Nahrungsmittel-Konservierung. Er kam nach
längeren Beratungen, in welchen mehrere der im Fleischbeschau-
Gesetz verbotenen Konservierungsmittel als unschädlich und als
vorzüglich für die Praxis geeignet hingestellt wurden, zu einem ein¬
stimmig angenommenen Beschluß, dahingehend:
„Als Zusätze können zum Zwecke der Haltbarmachung ge¬
eignete chemische Erhaltungsmittel (Konservierungsmittel) verwendet
werden. Als solche kommen in Frage:
Kochsalz, Salpeter, Zucker, schweflige Säure, Borsäure, Borax,
Salizylsäure, Benzoesäure, Ameisensäure, Formaldehyd, Hexa¬
methylentetramin, Paraformaldehyd, essigsaure Tonerde.
11. Juni 1908.
Als Höchstgrenze sind zurzeit als zulässig anzusehen:
fiir schweflige Säure bis zu 0,125 Proz.
„ Borsäure „ „ 0,500 „
„ Borax „ „ 0,770 „
„ Salizylsäure - „ 0,050 „
Die Prozentzahlen verstehen sich als Gehalt der zum Genuß
bestimmten Teile der Dauerwaren.“
Einigermaßen abgcmildcrt wird die Forderung, die jetzt meist
verbotenen Konservierungsmittel wieder verwenden zu dürfen, durch
den Beschluß des Deklarationszwanges, von welchem nur Zusätze
von Kochsalz, Salpeter, Zucker und Essig ausgenommen sein sollen.
Die zugesetzten und deklarierten Konservierungsmittel sollen ferner
ihrer chemischen Zusammensetzung nach entsprechend bezeichnet
werden. Phantasienamen sind für diese Kennzeichnung unzulässig,
wenn nicht gleichzeitig die chemische Zusammensetzung angegeben
wird.
Zusatz von Salpeter zum Hackfleisch.
Das Verbot der Verwendung von schwefliger Säure ist Anlaß,
daß zur Roterhaltung des Hackfleisches vielfach Salpeter benutzt
wird. Die Polizeibehörde zu M.-Gladbach sieht sich daher veran¬
laßt, in einem Erlasse hiervor zu warnen, und droht Strafverfolgung
an. Wiederholt sind bereits Fleischer wegen dieses Salpeterzusatzes
bestraft worden, da die Gerichte mit Recht annehmen, daß Salpeter
kein normaler Bestandteil des Hackfleisches sei, sondern nur eine
bessere Beschaffenheit desselben vortäuschen soll.
Deutschlands Fleischkonserven-Industrie.
Eine Fleischkonserven - Industrie im vollen Sinne des Wortes
kann nach dem Berichte der Firma Schaub an die Hamburger
Detaillistenkammer sich in Deutschland unter den heutigen Ver¬
hältnissen nicht entwickeln. Was an Fleischkonserven in Deutsch¬
land produziert wird, ist fast durchweg, abgesehen von den Tieren,
die die Militärkonservenfabriken verarbeiten, aus ausländischem, in
gesalzenem Zustande eingeführten Fleische hergestellt. Auch dieses
hat sich aber der hohen Fleischpreise wegen als nicht rentabel
erwiesen, und man wird daher wohl bald gänzlich von der Her¬
stellung deutscher Fleischkonserven absehen müssen.
Militärkonservenfabrik.
Die Schlachtungen in der Militärkonservenfabrik in Mainz
dauerten von Oktober bis März. Es sollten etwa 2300 Rinder ver¬
arbeitet, doch auch Schweine geschlachtet werden, da die Ver¬
suche über die Verwendung von Schweinefleisch zu Konserven
günstig ausgefallen sind.
Behandlung des Fleisches in Kühlräumen.
In Württemberg sind die Oberämter von dem Ministerium ver¬
anlaßt, folgende Bekanntmachung über die Aufbewahrung von
Fleisch in Ktihlräumen zu erlassen:
•Um Fleisch frisch zu erhalten, ist neben niedriger Temperatur
erforderlich, daß die Feuchtigkeit der Luft einen bestimmten Grad
nicht überschreitet. Bei einer Temperatur von 3—5 Grad, wie sie
in den Kühlräumen herrschen soll, wird die Vermehrungsfähigkeit der
Mikroorganismen und deren zersetzende Einwirkung auf das Fleisch
erheblich herabgesetzt, aber keineswegs völlig verhindert. Es gibt
eine ganze Reihe von Bakterien, die sogar bei 0 Grad sich vermehren
und diejenigen Veränderungen im Eiweiß hervorzurufen vermögen,
welche man als Fäulniserscheinungen bezeichnet. Das längere Zeit
im Kühlraume lagernde Fleisch unterliegt also der Gefahr der bak¬
teriellen Zersetzung und wird, auch wenn es nach dem Herausnehmen
aus den Kühlräumen noch tadellos frisch erscheint, sehr viel schneller
als frisches Fleisch der Fäulnis anheimfallen, da die Zahl der
Bakterien sich inzwischen schon außerordentlich vermehrt hat. Es ist
ja eine bekannte Tatsache, daß das im Eisschrank oder auf Eis auf¬
gehobene Fleisch trotz niederer Temperatur in verhältnismäßig
kurzer Zeit der Verderbnis anheimfällt. Um in den Ktihlräumen
das Fleisch in gutem Zustande zu erhalten, muß zu der niedrigen
Temperatur noch ein zweiter Umstand hinzukommen: ein gewisser
Trockenheitsgrad der umgebenden Luft. Die Luft darf nicht mit
Feuchtigkeit gesättigt sein. Wenn die Luft noch imstande ist,
Feuchtigkeit aufzunehmen, so wird sie die Oberfläche des Fleisches
eintrocknen und für die Entwicklung der Mikroorganismen un¬
439
geeignet machen. Also erst das Zusammenwirken von niedriger
Temperatur und trockener Luft gewährleistet die Haltbarkeit des
Fleisches. Die Erfahrungen haben gelehrt, daß schon gute Resultate
erzielt werden, wenn die Luft in den Kühlräumen eine relative
Feuchtigkeit von 60—70 Proz. (jedenfalls nicht über 75 Proz.) be¬
sitzt. Ebenso wie die Ermittlung der Temperatur, muß auch die
Feststellung des Feuchtigkeitsgrades mit Hilfe eines Instruments
geschehen, und zwar empfiehlt sich am meisten die Benutzung
selbst eintragender Haarfeuchtigkeitsmesser (sclbstregistrierender
Haarhygrometer) wie sie sich in der Kühlhallenpraxis schon be¬
währt haben. Ein selbsteintragendes Instrument ist deshalb vor¬
zuziehen, weil es die Feuchtigkeitsverhältnisse fortlaufend auf¬
schreibt und somit eine ununterbrochene Kontrolle ermöglicht.
Trichinose.
In Skaisgirren ist in einer Haushaltung, in der ein Schwein
unter Vernachlässigung der Untersuchung auf Trichinen geschlachtet
worden war, die Trichinose ausgebrochen. Die Frau und neun
Kinder, sowie eine zu Besuch weilende Person erkrankten. Trichinen
wurden in großer Zahl nachgewiesen.
Sibirisches Fleisch.
Um die Fleischvorräte Sibiriens besser zu verwerten, gehen
dänische Firmen daran, dort Schlachtanlagen nach dem Muster der
dänischen Exportschlachthäuser zu erbauen. Besonders kommt für
den Export der Reichtum Sibiriens an Kleinvieh, vorwiegend Schafen
in Betracht.
Ausbluten bei verschiedenen Schlachtmethoden.
Am Berliner Schlachthofe wurde nach dem Bericht über die
städtische Fleischbeschau für das Jahr 1906 der Blutgehalt des
Fleisches von Rindern vergleichsweise geprüft, die auf verschiedene
Weise getötet waren und zwar 1. ohne vorherige Betäubung (Tod
durch Schächtung), 2. nach vorheriger Betäubung a) durch Kopf¬
schlag, b) durch Bolzenschußapparat (System Behr). Es ergab
sich, daß ein wesentlicher Unterschied im Blutgehalt der auf eine
dieser drei Arten getöteten Rinder nicht besteht, daß aber immer¬
hin die geschossenen und dann sofort gestochenen Tiere im all¬
gemeinen am besten, die geschachteten Rinder ain wenigsten voll¬
kommen ausbluten.
Blaufärbungen des Fleisches.
Vom Publikum gerügte Blaufärbungen des Fleisches sind nicht
immer, wie man zunächst annehmen könnte, auf übermäßige Ver¬
wendung der blauen Stempelfarbe oder schlechte Qualität derselben
zurückzuführen, sondern öfters durch unvorsichtiges Umgehen mit
Tintenstiften veranlaßt, wie solche seitens der Probenehmer und
Schlächter zum Zeichnen der Schweine und Fleischwaren vielfach
benutzt werden. Wenn beim Anspitzen der Stifte oder Abbrechen
der Spitze kleine Stückchen der Farbe auf das Fleisch geraten und
letzteres gekocht wird, löst sich das vorher nicht bemerkte Farb-
stückchen auf und färbt das Fleisch oft in großer Ausdehnung
lebhaft blau.
Vorschriften für das Pökeln.
Snyder in Passaic (Amerika) gibt in der „Deutschen Wurst¬
fabrikanten-Zeitung“ folgende Vorschrift für die Zusammensetzung
der Pökellake und das Pökeln, die bei den größten Geschäften in
Amerika Anwendung finden und sich bewährt haben soll. Die Lake
muß 20 prozentig sein und auf 10 Liter sind 5 Pfund Salpeter und
3 Pfund Zucker zu nehmen. Diese Lösung dient zum Spritzen der
Schinken. Auf je 100 Plund Schinken sind 100 g Salpeter und
50 g Zucker zu rechnen, um die erwünschte rote Farbe zu erzielen.
Snyder empfiehlt endlich, die Schinken nicht zu fest zu lagern, sie
wöchentlich einmal umzupacken und zu kontrollieren, daß die Lake
stets die angemessene Stärke besitzt und behält.
Wissenschaftliche Erforschung des Pökelprozesses.
Seitens der Universität Illinois in den Vereinigten Staaten
werden umfangreiche Versuche angestellt, um die chemischen und
physikalischen Vorgänge beim Pökelprozeß zu erforschen. Es
sollen Experimente mit und ohne Salpeterbeigabe zur Pökellake
angestellt und alle Einflüsse ermittelt werden, die den Pökelprozeß
günstig oder nachteilig beeinflussen können.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
440
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24.
Zur Räucherung der Brühwürstchen*
Wurstfehler entstehen nach einer Mitteilung von Weiß in der
„Deutschen Wurstfabrikanten-Zeitung“ durch unzweckmäßige Aus¬
wahl des Räuchermaterials. Bei Verwendung ungeeigneten Holzes
kann es Vorkommen, daß die Würstchen einen beißenden Geschmack
bekommen, speziell ein zu scharfer Rauchgeschmack entsteht öfters
durch Fichtenholz-Rauch. Ist die Räucheranlage für Gas ein¬
gerichtet, so ergibt sich leicht eine zu dunkle Farbe der Ware. Die
echte rosarote Fleischfarbe der Würstchen wird nicht durch den
Rauch erzeugt, sondern nach Beigabe von Salz und Salpeter durch
die beim Räuchern erzeugte Wärme.
Zur Wurstbereitung.
Das Stadtpolizeiamt in Heilbronn erläßt folgende Bekannt¬
machung:
1. Zur Herstellung von Würsten darf nur gesundes Fleisch
verwendet werden.
Zur Aufnahme der Wurstmasse dürfen nur gut gereinigte,
geruchfreie Därme gesunder Tiere bzw. bleifreie Pergament¬
schläuche benutzt werden.
2. Der Wassergehalt darf bei Dauerwürsten 60 Prozent, bei
solchen, die für den augenblicklichen Verbrauch bestimmt sind,
70 Prozent nicht übersteigen.
3. Die Beimischung von Kartoffelmehl, Getreidemehl, Brot oder
sonstigen stärkehaltigen Stoffen, sowie die Verwendung von kasein-,
eiweiß-, gelatine- oder leimhaltigen oder ähnlichen Bindemitteln bei
der Wurstbereitung ist verboten.
4. Das Färben der Wurstmasse oder der Zusatz von Farb¬
stoffen in irgendwelcher Form (z. B. mit künstlich gefärbten Ge¬
würzen usw.) ist verboten.
Außerdem ist das Färben der Dänne bei Knack-, Zervelat-,
Schinken-, Lyoner und Saitenwürsten unstatthaft.
5. Gesundheitsschädliche Konservierungsmittel dürfen zu
Wurstwaren nicht verwendet werden (siehe § 21 des Fleisch¬
beschaugesetzes und Bekanntmachung des Reichskanzlers vom
18. Februar 1902).
6. Weiche und schmierige Würste mit grünlich oder gelblich
gefärbten Fettteilen, ferner ranzig oder faulig riechende Würste
dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden.
Pferdedärme als Wurethüllen.
Während im allgemeinen die Schlachter von den Roßschlächtern
weit abzurücken pflegen und wenigstens in reellen Schlachtereien
kein Pferdefleisch verarbeitet wird, ist die Verwendung von Pferde¬
därmen als Wursthüllen auch in besseren Schlachtereien durchaus nichts
Ungewöhnliches. Auf der Hamburger Schlachtereiausstellung, an
der die Roßschlächter sich nicht beteiligen durften, waren seitens
einer Dannhandlung sogar Pferdedärme ausgestellt. Der Dünn¬
darm des Pferdes ist seiner beträchtlichen Weite, des Fehlens j
der Poschen und der großen Haltbarkeit wegen in der Tat ein j
idealer Darm für dicke Fleischwllrsto und wird hierzu oft benutzt.
Ein Unterschied gegenüber Rinderdärmen an der fertigen Wurst
ist schwierig zu erkennen. Nach Wenzel ist zu beachten, daß die
Schleimhaut des Pferdediinndarms wegen der starken Submukosa
nicht vollständig abzustreifen ist und deshalb an der Muskularis
immer noch Reste der Submukosa hängen, die der an der Wurst
nach außen gekehrten Schleimhautfläche ein chagrinlederartiges,
braunes Aussehen verleihen. Ob Unterschiede sich ergeben nach
der Präzipitinmethode, wäre Sache des Versuches und noch genauer
auszuprobieren. Daß die Verwendung von Pferdedärmen zum Ein¬
hüllen von Rind- und Schweinefleischwürsten nicht als zulässig
gelten kann, braucht nicht noch besonders betont zu werden.
Weitere Finnenfunde bei Saugkälbern.
Von Dr. Stroh, Amtstierarzt in Augsburg.
^Zeitschrift für Fleisch- und MUchhygione 1!)07, XVIII. Jabrg., S. 7>V'
Im Anschlüsse an frühere Mitteilungen über das Vorkommen
von Rinderfinnen bei Saugkälbern, die in der obigen Zeitschrift 1905,
Heft 1 und 2, erschienen sind, schildert Verfasser weitere 13 Fälle. |
Stets war das Herz Sitz der Finnen, mit einer einzigen Ausnahme, |
und daher fast immer der erste Fundort. Die Parasiten traten
bereits an der Herzoberfläche augenfällig hervor und ein generelles
Anschneiden des Herzens zur Feststellung der Finnigkeit hält
Stroh bei Saugkälbern deshalb nicht für notwendig. Empfehlens¬
wert ist es, die Lunge durchzutasten, die häufig von Finnen besetzt
ist. Das Anschneiden der Kaumuskeln bleibt demgegenüber nur
von geringer Bedeutung. Die häufigen Funde in Augsburg be¬
rechtigen zu dem Schlüsse, daß Finnen bei Saugkälbern keine
Seltenheit sind, sondern bei etwa 0,4 Prozent der Kälber Vor¬
kommen.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Professor Dr. liiecel-
Hannover das Ehrenritterkreuz 1. Klasse des Großh. Oldenburgischen
Haus- und Verdienstordens des Herzogs Peter Friedrich Ludwig.
Approbiert: Die Herren Hermann Melier und Hans Orunert in
Dresden.
In der Armee: Preußen: Befördert: Der Einj.-Freiwillige
Ullmann im Feldart.-Regt. Nr. 66 zum einj.-freiw. Unterveterinär.
— Versetzt: Oberveterinär Uaucke im Feldart.-Regt. Nr. 16 zum
Feldart.-Regt. Nr. 35 (Standort Graudenz), Oberveterinär Jockei im
Drag.-Rgt. Nr. 23 zum Ulan.-Regt. Nr. 1, Unterveterinär Thiede im
Feldart.-Regt. Nr. 25 zum Drag.-Regt. Nr. 23. — Abgang: Ober¬
veterinär Sehtcebs im Feldart.-Regt. Nr. 35 mit Pension in den Ruhe¬
stand versetzt. — In der Schutztruppo für Deutsch-Süd¬
westafrika: Ausgeschieden: Stabsveterinär Ludwig und Ober¬
veterinär Christian, beide behufs Wiederanstellung im Bereiche der
Königl. preuß. Heeresverwaltung. — Im Beurlaubtenstande:
Befördert: Die Unterveterinäre der Reserve Sehwarx (Bez.-Kdo.
Recklinghausen), Kleinschmidt (Bez.-Kdo. Bitterfeld), Berndl (Bez.-
Kdo. Naugard), Gramer (Bez.-Kdo. Detmold), Brücher (Bez.-Kdo.
Erbach), Herx (Bez.-Kdo. Coblenz), Licdtkc (Bez.-Kdo. Straßburg i. Eis.,
Garde), Radtke (Bez.-Kdo. Kiel).
Todesfall: Schlachthofdirektor Paul von Oerhardt in Osterode
(Ostpreußen). _
Vakanzen. (v g i. Nr. 23.)
Nach Redaktionsschluß eingegangen:
Mitteilung.
Den Tierärzten, welche die vom 25. bis 30. Juni d. J. in
Stuttgart stattfindende Ausstellung der Deutschen Landwirtschafts¬
gesellschaft zu besuchen beabsichtigen, wird hiermit bekannt gegeben,
daß als Treffpunkt der Restaurationssaal des Hotels Dierlamm
beim Bahnhof (Tisch des Korps Suevia-Stuttgart) vorgesehen ist.
Der tierärztliche Landesverein in Württemberg erlaubt sich auf
diesen Treffpunkt aufmerksam zu machen und die deutschen Tier¬
ärzte einzuladen, sich dort insbesondere abends zu zwanglosem,
kollegialem Zusammensein einfinden zu wollen.
Der derzeitige Vorsitzende des tierärztlichen
Landesvereins in Württemberg
Veterinärrat P. Rösler.
Verein beamteter Tierärzte Preußens.
Auf Beschluß der letzten Hauptversammlung wird der Verein
auf die wiederum erfolgte, freundliche Einladung der Deutschen
Landwirtschafts-Gesellschaft an deren 22. Wanderausstellung in
Stuttgart durch den derzeitigen stellvertretenden Vorsitzenden,
Kreisticrarzt Itust-Breslau, vertreten sein. Wenngleich keine
Sonderversammlung unseres Vereins dieses Mal stattfindet, so dürften
wir doch die Mitglieder, die einen Besuch ermöglichen können, zu
einer regen Beteiligung auffordern, um der liebenswürdigen Ein¬
ladung des tierärztlichen Landesvereins zu Württemberg gerecht
werden zu können.
Treffpunkt: Hotel Dierlamm am Bahnhof in Stuttgart.
Zeit der Ausstellung: 25. bis 30. Juni.
Der Vorstand.
Rust, Bischoff,
stellvertretender Vorsitzender. Schriftführer.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Scbmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz in BerUh. —
Druck von W. Bflxenstein, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe min Preise von M. 5. - vierteljähr¬
lich (AI. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (Österreichische Post-Zcitunps-
Preisliste Nr. 674 . Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Originalbeitrago werden mit 60 Mk., tn Petitsatz mit
60 Alk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schnmltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Luisenstraße 56. Korrekturen,
Rezensions-Kxomplaro und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Glage
Professor
Hamburg.
Veterinärrat Dr. Lothes
Depnrtementstierarzt
Cöln.
Prof. Dr. Peter Veterinär™t Peters
Kreistiorarzt Departements! ierar/.t
Angermünde. Bromberg.
Veterinärrat Preuße
Departcmentstierarzt
Danzig.
Dr. Richter
Professor
Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder
Professor
Dresden.
Dr. Schlegel
Professor
Frei bürg i. Br.
Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel
l‘rofe>sor Landestierarzt v Bayern
Dresden. München.
Wehrte
Kauer). Kegierangsr&t
Berlin.
Zündet
Krcistieram
Mülhausen i. E.
Jahrgang 1908.
,J\s. 25 . Ausgegeben am 18. Juni.
Inhalt: Pfeiffer: Die Tierseuchen im Lichte chinesischer Auffassung und ihre etwaige Bekämpfung. — Referate:
Hcndriekx: Einige Betrachtungen über die Windkolik beim Pferd. — Forssell: Drei operierte Fülle von Dünndarmeinschnürung
im Foramen Winslowii beim Pferd. — Aus der medizinischen Literatur. — Tagesgeschichte: Schweizer und deutscher Dr. mod. vet. —
Die 64. ordentliche Mitgliederversammlung des Tierärztlichen Landesvereins in Württemberg. — Verschiedenes. — Personalien.
— Vakanzen.
Die Tierseuchen im Lichte chinesischer Auffassung
und ihre etwaige Bekämpfung.
Von Obervcterinür M. Pfeiffer-Tsingtau.
Der Umstand, daß China von alters her ein Viehzucht- und
ackerbautreibendes Land ist, hat bewirkt, ~ daß gegen die
mannig-fachen Erkrankungen des wertvollen Viehbestandes eine
zahlreiche tierärztliche Literatur im Laufe der Zeit ent¬
standen ißt.
Die nachstehenden Aufzeichnungen, welche teils Über¬
setzungen eines der meist verbreiteten allgemeinen Handbücher
über Anatomie, Pathologie und Therapie aller Haustiere, das
Yuan chang liao ma dsi sind, teils aus den Anschauungen und
der praktischen Anwendung der traditionell überkommenen Be¬
handlungsweisen der Tiere, wie der Chinese sie übt, geschöpft
sind, sollen vergleichend neben unsere früheren und jetzigen
Methoden gestellt werden. Dabei werden wir sehen, wie im
Grunde genommen der Chinese instinktiv, oder besser gesagt
durch Erfahrungen belehrt, in manchen Dingen sehr lichtig
urteilt und abwägt und dementsprechend, wenn auch manchmal
auf einem sehr gewundenen Wege, doch endlich ans rechte
Ziel kommt.
mühelos in den Schoß fällt, so wird auch in absehbarer Zeit
eine andere klarere westländische Auffassung der Medizin und
ihrer Hilfsjnittel Platz greifen.
Das Licht chinesischer Auffassung ist ein (iair-obscur,
ein Dämmerlicht, in welchem man erst nach längerem Hinsehen
in den zunächst anscheinend verschvvimmenden Schatten hier
und da feste, abgegrenzte Figuren und Gestalten tindet, welche
ohne den einenden Gedanken einer Kombination neben einander
gestellt sind.
Die unstreitig am meisten im Vordergrund des Interesses
stehende, weil den Wohlstand.des Viehbesitzers am unangenehmsten
schädigende Seuche ist
die Rinderpest.
Die gewöhnliche Bezeichnung der Binderpest ist ----- i.
die Pest pestilentia, lues.
oder JX. --=
Desgleichen ^ wen i,
tschang i; tschang = pestilentia, ardeus
febris. Ferner findet . .A ^ tian bi
man die Benennung -V vf yjfiA wen i
Der Apotheker ist auch hierzulande ein geachteter und
reicher Mann, der allerdings manche, nach unserm Standpunkt
mittelalterliche Quacksalbereien und ungenießbare, ja widerliche
Mittel verabreicht, doch auch bei uns ist es ein langer Weg
von einem Theoplirastus Bombastus Paracelsus ab Hohenheim,
dem sicherlich geistreichsten und bestmeinenden Charlatan, bis
auf den heutigen Standpunkt unserer Pharmazie. Und wie
alles das, was das nach dem Licht der Erkenntnis auf allen
Gebieten forschende und suchende Abendland im Verlauf langer
Jahrhunderte fortschreitender Entwicklung mit vielen idealen
und materiellen Opfern gefunden hat, beute dem durch eigene |
Trägheit auf einer niederen Stufe stehen gebliebenen Asiaten i
d. li. Pest, Typhus mit laufender Nase.*)
Ätiologie: Die Krankheit entstellt durch Einatmen
schlechter Dünste besonders früh morgens bei Tau.**) Ander-
*) Nach der Auffassung des 18. Jahrhundert wurde Rinderpest
mit dem menschlichen Typhus teils identifiziert, teils für sehr nahe
verwandt gehalten. ln England, Frankreich, Belgien, Holland
wurde die Rinderpest sogar mit „Typhus contagiosus boum“ über¬
setzt.
**) Eine 1765 in Rostock erscheinende Broschüre gibt als materielle
Ursache ein wie Scheidewasser auf die Schleimhäute wirkendes
schwefliges Salz an, welches sich durch Gärung im Blute ver¬
mehrt und Anlaß zur weiteren Ansteckung gibt, diese Schädlich¬
keiten rühren von Mehltau her.
Auch unsere Lehrbücher lehren, daß der AnsteckungsstolT ein-
1 geatmet wird und dann auf dem Wege der Blutbahn in den Yer
i dauungstraktiis, die Stätte seines eigentlichen Wirkens, gelangt.
442
No. 25.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
seits wird auch eine Gottheit beschuldigt, die Krankheit ver¬
anlaßt zu haben. Rindvieh erkrankt leichter als Ziegen und
Schafe.*)
Symptome: Faulheit in den Bewegungen, Fieber, Freß-
unlust, dann folgt Nasenausfluß, Durchfall, Tod. Verlauf bis¬
weilen innerhalb 2 Tagen. Der aus der Nase zur Erde nieder¬
fließende Schleim sind die schlechten eingeatmeten Dünste; oder
besser gesagt, der ausfließende Schleim bedingt die nachher von
anderen Tieren eingeatmeten Dünste, id est: das Contagium.
Therapie: Infektionsgefahr ist bekannt, Vieh wird ab¬
gesondert im Stalle, oder wenn es irgendwie möglich ist, auf
die Berge getrieben, da die schlechten Dünste nicht dort hinauf¬
kommen und die Luft hier besser und trockener ist. Bei einem
großen Teil der Eingeborenen spielt auch der Aberglaube eine
Hauptrolle.**) Da man annimmt, daß ein dem Dorfe übelwollender
* Gott die Seuche schickt, so treibt man nach den ersten Todes¬
fällen schnell das gesunde Vieh auf die Berge, um den Geist
zu täuschen, der wenn er wiederkommt und kein Vieh mehr
vorfindet, annimmt, der ganze Bestand sei der Krankheit bereits
zum Opfer gefallen. Wir sehen hier also, wie der Chinese in
diesem Falle***) durch den Aberglauben geleitet, instinktiv das
Rechte tut. Andere wieder verbrennen Papier zu Ehren der
Gottheit und bekleben Stallwände und Pfosten mit roten Papier¬
streifen auf welchen fromme Sprüche stehen; der Rest endlich
nennt es stumpfsinnig „Schicksal“ und tut gar nichts dagegen.
Vorgeschrieben wird in den Lehrbüchern: Diät, gewaschenes
Stroh, klares Wasser, kein Grünfutter, reinliche Stallhaltung,
strenge Isolierung. Daneben wird ein reicher Arzeneisehatz
ins Feld geführt.
Von Impfung und Immunität ist nichts bekannt. Die
Prognose ist schlecht, bei rechtzeitiger Isolierung gut. Wenn
nun der Chinese unterscheidet zwischen einer gewöhnlichen und
einer heißen Rinderpest, so kommt das wohl daher, daß er
zunächst in den verschiedenen Stadien der Krankheit, und je
nach der Höhe des Fiebers, verschiedene Bezeichnungen wählt;
dann aber auch wohl daher, daß, was sicherlich der Fall ist,
ähnlich verlaufende Krankheitsprozesse unter den Sammelnamen
der Pest geworfen werden.
Ich habe selbst des öfteren während der Rinderpestinva¬
sionen in den Kreisen Kaumi und Kiautschou im Laufe der
Jahre 1902—1900 Fälle gesehen, bei denen es sich offenkundig
um bösartiges Katarrhalfieber handelte, die aber trotzdem als
Rinderpest bezeichnet wurden. Auf der andern Seite habe ich
*) Die Ansicht, daß die Infektionsfähigkeit bei Schafen und
Ziegen geringer ist als beim Rindvieh, deckt sich auch mit den in
europäischen Ländern gewonnenen Erfahrungen.
**) Das mittelalterliche Europa sah in der Rinderpest ebenso
wie in jeder anderen Epidemie, respektive Epizootic eine Strafe
des Himmels und veranstaltete Prozessionen dagegen, segnete und
„besprach“ die befallenen Tiere.
***) Der Ansteckungsstoff kann bekanntlich sich direkt nur über
eine sehr beschränkte Entfernung verbreiten, zirka 25 Schritt. („In-
fektionsfähigerDunstkreis“ (I erlacli s.) Im Sommer und bei trockener
Luft verringert sich die Ansteckungsgefahr noch. Die trockene,
klare Bergluft bietet also sicherlich einige Gewähr dafür, daß die
Krankheit nicht so leicht übertragen wird, selbst dann nicht, w-enn
einmal kranke Tiere, oder was eher eintrelTen kann, Tiere im
Inkubationsstadium auf die Höhen getrieben -werden.
Die Infektionsmöglichkeit ist bei uns erst seit Anfang des
18. Jahrhunderts bekannt. (Kgl. preuß. Seuclienedikt von 1711).
er lach).
niemals beobachtet, daß hochgradig erkranktes Vieh, bei dem
schon Erosionsgeschwüre an der Schleimhaut des Unterkiefers
und der Backen aufgetreten waren, wieder gesundet wäre.
Für Heilung der „gewöhnlichen“ Rinderpest verschreibt der
chinesische Kollege folgendes:
1 scheng*) Sclmapshefe des 12.
Monats
M «&. *
jn
i sclieng la yüo dsao
4 Lot. fu ling
*
Gtyciniendolden.
2 ,. dai luiang
-#
= Rhabarber.
2 ,. tschang pu
>*■
= Calamus acorus.
V -2 „ di huang
-*
= wörtl. Erde, gelb, Gelb¬
wurzel.
Dieses alles wird mit
2,7 Lot Essig und 5,2 Lot Harn zu-
i sammengekoclit und dem Ochsen eingegeben. Am nächsten Tage
bekommt das Tier nochmals die Hälfte der Arznei. Der Arzt
nimmt dann eine Nadel und sticht neben den Haaren der Nase
i fin tief ein ( i fin = 0,01 tschi =--- Fuß,
1 Meter hat 3,2 A_ tschi). Quillt das Blut heraus, so wird
nach der Behauptung des Lehrbuches das Tier gesund.
Das 23. Blatt schreibt neben dem Bilde des Tieres die
Heilung des Brechdurchfalls des Ochsen und „jeder heißen
Rinderpest“. Das angegebene Universalheilmittel ist Tsing djin
wän, /£-
wörtlich:
azurliell, Gold, Kügelchen
oder Azurgoldpillen.
Man nimmt je
','2 I.»t
tschuen yu djin
»1
eine Pflaumenart.
guen d8chung
bei fou
zahlreich, aneinander¬
gereiht.
— Soda.
dßing tsiiien sehe
7h
Tropfstein.
huing luiang
- Moschus.
gan ga
ft
%
- - getrocknete Pueraria
tnberosa, eine Lagnmi-
nosenart; die große, knollige, Bitterstoff und Harz
enthaltende Wurzel wird in unserer Medizin zur Dar¬
stellung eines Breies verwandt, der zur Heilung ge¬
schwollener Glieder gute Dienste leisten soll.
hua 8che ^ 0r Speckstein.
*.t Ein sclieng hat 5,2 Iking (Lot).
18. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
443
Je 1 Lot:
lau gin
4a
= (trocken) trockene Gras¬
wurzel.
tschuen dou kin
'ij 1
m Bohnenwurzel.
0,035 Lot:
tjen niu
= eine Grasart.
Je V.» Lot: m
gan tso
# Jf-
— Süßholz.
sehe gao
4p A
- Gyps.
schau dschi dsi in
4M 4 4'
— Schlehenkerne.
dei huang
— Rhabarber.
nm tung
4t- dlL
= Holzmark.
huang lien
-jfc ' ^
Gelbwurzel.
Diese Arzneien werden zu Pulver zerrieben und daraus mit
einem hirseartigen Samen Kügelchen so groß wie eine Gewehr¬
kugel gemacht. Mit Tsing djin (azurhellem Gold) werden die
Pillen dann angestrichen. Fünf dieser Pillen werden in zwei
Tassen Wasser mit einigen chinesischen Lampedochten gekocht
und dem Ochsen eingegeben, worauf mau den „guten Erfolg bald
sehen wird“. Eine andere Methode, die Pest zu heilen, besteht
darin, daß man einige scheng dsao giio ^ ^ (Kletten)
an drei Tagen im Sommer oder Herbst, oder an zwei Tagen
im Frühling oder Winter mit Düngerjauche durchtränken läßt.
Darauf vergräbt man die Masse einen Tag lang in die Erde.
Sodann wird es rein gewaschen und kurz vor dem Gebrauch
der Kern entfernt. Man gibt ein Lot davon mit 1 / i Lot gau
tsao = Süßholz, beides fein zerrieben mit dsing liua
schui ^ 4t aK — perlendes Wasser, ein.
Oder: Man »nehme beliebig viele gleiche Mengen der zu
Pulver zerriebenen nachstehenden Arzneien:
sehe tschaug pu = Steinscliilf,
' KZ)
ga gin
4 AK
= Wurzel der Pueraria
tuberosa,
dan dscliu ye
-dt « #.
= Bambusblätter,
yii djin dsi
-3-
= Pflaumenart,
liü dau
$$ JL
= Wicken,
vermenge 1 Lot davon mit 3 scheng vom Safte der Bananen¬
staude, mischt dies nochmals mit 2 /jo scheng Honig und 2 /io Lot
Wachs und gibt es ein. Wirkt es nicht, so wiederholt man das
Verfahren.
Die heiße Rinderpest und ihre Behandlung wird folgender¬
maßen beschrieben:
In einem Liede heißt es:
„Wenn der Ochs im fünften oder sechsten Monat die Pest
hat, so werden seine Haare trocken, sein Bauch schwillt auf
und er kann seine Füße nicht lange in derselben Lage halten.
Im Anfangsstadium kann man ihn noch heilen. Wenn man aber
noch ein wenig wartet, so ist er unheilbar; der Ochs geht
sicher zugrunde. Man heilt die Hitze mit Soda und Süßholz
oder mit liuang tjiu
£
tl
= Scutellaria-lanceolaria.
Dieses mischt man mit Pastinakpulver.“ Aus der Wurzel von
Scutellaria-lanceolaria ist von Takahashi das Scutellarin, C, 0 H 8 0 3 ,
ein wahrscheinlich zu den Phenolen gehörender Körper isolliert 4
worden. — „Gibt man ihm dieses ein, so wird man alsbald
sehen, daß es besser mit ihm wird.“
Das Pulver wird aus folgenden Arzneien hergestellt:
schuoa ylioa
4h
= Päonie.
in sehen
>* -
A
Pastinak.*)
huang tjiu
H ’k
Ar
= Sentellaria.
be um
lA
Fritten, gleich: Erhitzen einer
pulverförmigen Mischung bis
zur beginnenden Erweichung
und Aneinanderhaften der
Teilchen.
bei tän
CzJ
#
— Soda.
huang lien
A
c
= Gelbwurzel.
yu djin
f
^ Pflaumenart.
gua Ion
ftr-
=-■- Beifuß.
dei huang
A
A
— Rhabarber.
schan d8che tsi
4A
- Bergjasmin.
Außerdem
wird
Zucker
und große Mengen von rohem
Ingwer empfohlen.
Auffallend bei den angeführten Mitteln, welche hauptsächlich
sich aus Drogen zusammensetzen, ist das Vorkommen von
Harn resp. Jauche. Der Gedanke liegt nahe, daß es sich hier
um einen allerdings sehr urwüchsigen Impfversuch handeln
*) Pastinaca, Gattung der Umbelliterac-Peucedaneae. P.
sativa L., wildwachsende, zweijährige Pflanze mit fleischiger,
spindelförmiger Wurzel, die eßbar ist. P. findet als Viehfutter
Verwendung. Die Früchte, früher auch bei uns in der Medizin
angewandt, enthalten ein flüchtiges Alkaloid, das Pastinacin. Der
Hauptbestandteil des bei der Destillation der Erflehte gewonnenen
Pastinaköles ist Buttersäureäthyläther.
m
könnte. Im Harn sind bekanntlich die die Rinderpest über¬
tragenden, bis jetzt noch immer vergeblich gesuchten Erreger
vorhanden. Dieselben halten sich besonders in Flüssigkeit sehr
gut, so, daß die gebrauchte Jauche auch infektionsfähig wäre.
Allerdings vernichten Hitzegrade über ß0° C, also auch das
Kochen, den Krankheitserreger. Die eigentliche Heimat der
Rinderpest ist bis auf den heutigen Tag unbekannt, so viel steht
aber fest, daß seit der Völkerwanderung jedesmal die Seuche,
die bis jetzt bei jedem Kriege als Regleiterscheinung auftrat,
in Europa durch eine außereuropäische Invasion, wahrscheinlich
aus dem asiatisch-russischen Steppengebiet, eingeleitet wurde.
In dem Streit um den Ursprung dieser Gottesgeißel wird
auch China genannt. Und in der Tat kann man behaupten, daß
die Rinderpest hier absolut stationär ist. Im Winter bei Schnee
und Regen, dem für die Ausbreitung sehr günstigen Wetter,
herrscht dieselbe ebenso, als wie sie zur Hochsommerzeit die
Viehbestände ganzer Gemeinden dezimiert. Letzteres war im
Sommer 190") vorzüglich im nördlichen und nordwestlichen
Schantung der Fall. Hauptsächlich grassierte die Krankheit
hier in den Gebirgstälern westlich Tsetschuan und Poschan und
zog sich nach der Schlickebene des Hoang-ho hin und darüber
hinaus in das fruchtbare Gebiet von Tötschou zum Kaiserkanal. J
Hier überall sehen wir die zum üppigen Fortkommen der j
Seuche notwendigen Redingungen, dicker fetter Humusboden, !
mit Feuchtigkeit geschwängerte Luft, in überreichlicher Menge
geboten.
Im Herbst 1901 forderte die Rinderpest die meisten Opfer
im südöstlichen und mittleren Schantung, im Gebirge bei Möng-
yin und Y-hsien.
Bei der Epidemie l',iO."> sollen allein im Kreise Tschang- 1
(sei)in (bei Tsinautü) zwischen Gebirge und Hoangho gelegen, i
nach g« fälliger Auskunft des Herrn Polizeikommissars Sterz,
dem ich auch eine Menge anderer statistischer Angaben über
die Seuchen im Hinterlande verdanke, 5 ßüo Haupt Rindvieh
gefallen sein. Im Jahre 190ß 07 zog sich die Seuche weiter
nach dem Osten und Südosten der Provinz hinüber. Die der
Kolonie benachbarten Kreise Kiantschou, Tsima, Kaumi, dann
Pinktu und Ankin wurden hauptsächlich in Mitleidenschaft
gezogen und zwar so stark, daß hier schätzungsweise eine
Mortalitätsziffer von JO pro Hundert des gesamten Viehbestandes
angenommen wird, während man den Seuehonverlust in den
westlichen Bezirken Weißien, Tsingtschoufu, Lingtse, Tsinaufu
usw., mit 15 20 Proz. angibt. Daneben herrschte die Rinder¬
pest in gleich starkem Maße auch während des Jahres 19nß 07
im tiefsten Westzipfel der Provinz, in den Ebenen des Kaiser¬
kanals, ungeschwächt weiter.
Als Ersatz für das gefallene Rindvieh schafften die Ein¬
geborenen sich Schafe und Ziegen an, ein Beweis für den oben
bereits erwähnten Umstand, daß sie die Minderempfänglichkeit
dieser Tiere für Rinderpest wohl kennen.
Uber Rinderpestfälle bei Kamelen habe ich nichts in Er¬
fahrung bringen können, trotzdem ich mir alle Mühe gab, im
Frühjahr 1905 bei den endlosen Kamelkarawanen in der Mongolei
darüber nähere Mitteilung zu erhalten.
Die Gefahr der Rinderpest für das deutsche Schutzgebiet
liegt, und das ist das vorläufig in den Vordergrund tretende
Moment, darin, daß die Fleischversorgung der Kolonie, der
Kriegs- und Handelsschiffe, ernstlich in Frage gestellt werden
kann.
No. 25.
Es war in den Jahren 1902 — 190t», zu Zeiten der Rinder¬
pestinvasionen, oft schon sehr schwer für das kleine Detachement
Kaumi ausreichend seuchenverdachtfreies Vieh zu bekommen.
Ich habe jahrelang das Schlachtvieh persönlich nach eingehender
Untersuchung auf den Märkten eingekauft. Die Tiere wurden
gleich geschlachtet, da es vorgekommen war, daß im Januar 1903
unser Viehbestand, der bis dahin immer aufgefrischt wurde, im
Lager selbst erkrankte und starb.
Eine weitere Gefahr liegt in der Möglichkeit und Wahr¬
scheinlichkeit einer Verseuchung der Viehbestände innerhalb der
Kolonie. Gerade jetzt, wo für die Aufbesserung der Zucht
Gelder zur Verfügung gestellt werden, wäre es, ich komme beim
Rotz noch einmal darauf zu sprechen, äußerst unangenehm, wenn
die Versuche durch Überhandnehmen von Seuchen iu Frage ge¬
stellt würden.
Die Durchführung einer allgemeinen Impfung dürfte bei
dem argwöhnischen Bauern auf Schwierigkeiten stoßen. Viel
wäre schon emiclit, wenn ein seuchefreier Gürtel um das
Pachtgebiet geschaffen werden könnte.
Eine zweite Erkrankung der Rinder ist die
Maul- und Klauenseuche.
Hier unterscheidet man:
1. eine nur die Maulschleimhaut befallende Erkrankung,
2. eine auch die Zunge in Mitleidenschaft ziehende Aftektion.
Die Behandlung erstreckt sich dieser Einteilung gemäß nur auf
die Maulseuche. Die manchmal recht schweren Klauen¬
erkrankungen berücksichtigt man gar nicht. Auf Blatt 21
schreibt die Yuan cliang liao ma dsi vor: „Wenn Fieber im
Körper des Rindes ist,
so muß man:
und au seiner Zunge Geschwüre sind,
je 1 ... liang ding hiang
T 4
— Uardamomum, die wört¬
liche Übersetzung heißt,
wohlrichender Nagel. Das¬
selbe Wort haben wir in
„Nägelchen* 4 dafür.
mu hiang
H
- Sandelholz.
sehe hiang
4
Moschus
ugan II hiang
wörtlich beruhigender
Wohlgeruch
huaiig ie
*
gelbes Laub.
huang lien
Gelb wurzel
dai huang
Rhabarber
y« iljin M
Ufiaumenart
dschi dsi ^^ - Jasmin
nehmen. Man zerreibt alles zu Pulver, vermengt es dann mit
Hanföl und gibt es ein. Man nimmt ferner
Drei scheng Da ma dsi moa
7 Hanfkernpulver.
BERLINER TI K K.vRZTLK '1IE W0( 'II ENSCH RI FT.
18. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
445
l /i lot ma yü 4- fl = Hanfextrakt.
7-2 lot hing yin ^ m$ Aprikosenkerne,
zerkleinert die genannten Arzneien ganz fein, und kocht diese
mit 8 Lot Öl, 3 sch eng Wasser, läßt sie dann kalt werden und
gibt dem Ochsen tagsüber 6- bis 7 mal davon ein. Am Abend
kocht man mit Zwiebel eine Reissuppe, gibt diese lauwarm ein
— und das Tier wird bald geheilt sein“.
Die Behandlung ist absolut innerlich, gar nicht lokal. Die
Ansteckungsgefahr ist bekannt, aber nichts wird getan, dieselbe
zu vermindern. Absperrungsmaßregeln gibt es nicht, es schützt
sich auch keiner gegen den andern, Gemeinsinn fehlt. So kommt
es, daß bei Herrschen von Maul- und Klauenseuche auf den
Märkten kranke Rinder, Schafe und Schweine zwischen den
Gesunden herumhinken.
Die Märkte sind überhaupt, wie ja auch bei uns eventuell,
die Hauptquellen der Weiterverbreitung von Krankheiten. Bei
sehr starkem Auftreten von Seuchen, sei es Rinderpest oder
Maul- und Klauenseuche, werden die Märkte nur sehr schwach
beschickt, notgedrungen, da die Tiere nicht bewegungsfähig sind,
und da kann man dann oft das Zurückgehen oder teilweise Er¬
löschen, zum mindesten das Einschränken der betreffenden
Krankheiten konstatieren.
Eine das Einhufergeschlecht schwer heimsuchende Seuche ist:
Der Rotz, tiau bi
Ätiologie: Der Chinese sieht darin eine Lungenerkrankung,
deren Entstehung auf Überfütterung, schlechtes Futter, Unter¬
ernährung zuriickgeführt wird.
Symptome: Man unterscheidet 4 Arten, und zwar:
1. tiau bi
*
mit dünnem Nasenausfluß,
2. „ mit dickem Nasenausfluß,
3. „ mit Niesen,
4. „ „ ohne Niesen.
Infektionsgefahr für Mensch und Tier bekannt.
Prognose: schlecht, w T enn Nasenausfluß dunkelgelb, übel¬
riechend. Genesung ausgeschlossen.
T herapie:
dai huang
= Rhabarber,
dou ling
£
= eine Bohnenart,
schon yü
4k
= Kartoffelart, mehlige Wurzel,
aussehend wie Meerrettig,
schmeckt ähnlich wie unsere
Kartoffel.
ba ye
&
= Bananenblätter,
tsin tiau
4L
4L
= spanischer Pfeffer,
pei ho
yk-
= eine weiße Knollenart mit roten und
weißen Blüten.
Der Chinese hat den Sitz der Krankheit ganz richtig er¬
kannt. Er weiß, daß die Erscheinungen in den oberen Respirations¬
wegen, der Nasenausfluß usw. nur die Folgen der in den Lungen
herrschenden Erkrankung sind. Was die angegebenen Entstehungs¬
ursachen anbetrifft, so hat er, dem Contagien und Miasmen
etwas Unbekanntes sind, insofern recht, als ein schlechter Er¬
nährungszustand ja zu den prädisponierenden Momenten bei der
Rotzinfektion ebenso gut gehört, wie etwa bei der Tuberkulose.
Daß er aber weiß, daß nicht allein schlechtes Futter oder ein
schlechter Ernährungszustand die Krankheit auslöst, sondern, daß
zu diesen ersten vorbereitenden, ein spezifisches, den malignen
Krankheitskeim in sich bergendes, zweites Moment kommt, dies
vor allem geht daraus hervor, daß er seinen Viehbestand und
sich selbst durch Isolierung der erkrankten Tiere und absolute
Beseitigung der Kadaver zu schützen sucht. Diese intensive
Furcht vor dem Fleische der gefallenen oder getöteten Tiere,
w r elche ihn, der sonst stets eingegangenes Vieh mit Behagen
aufißt, das rotzkranke tief einscharren läßt, beweist ganz evident
wie tief ihm das Bewußtsein einer Infektionsmöglichkeit, resp.
„Sicherheit“ innewohnt. Daß der chinesische Bauer und der Kuli
gefallene Tiere nicht nur aufißt, sondern die eingescharrten
Kadaver derselben sogar ausgräbt, haben wir in Kaumi des
öfteren bemerken können.
Wenn der Eingeborene vier Arten von Rotz unterscheidet,
so hängt das wohl damit zusammen, daß er erstens für die
Krankheit während ihres Verlaufes verschiedene Bezeichnungen
hat; zweitens aber auch als eine Ab- oder Unterart des Rotzes
die Druse ansieht. Und die Bezeichnung tiau bi rechtfertigt
dies absolut, ja noch mehr, unter diese kann er auch noch den
Schnupfen od^r jeden Katarrh der, Nasenschleimhaut rechnen;
denn tiau bi heißt weiter nichts als: „Die Nase läuft“.
Es ist sehr zu bedauern, daß dadurch, daß der Eingeborene
einen Rotz (besser einen Nasenausfluß, einen tiau bi) kennt,
welcher heilbar ist, man allgemein die Ansicht verbreitet
findet, der hiesige Rotz sei weniger gefährlich als der europäische.
Zu bedauern ist dies deshalb, weil aus dieser falschen Ansicht
allzuschnell die Leichtfertigkeit im Umgang mit und bei Be¬
urteilung von erkrankten Tieren geboren wird. Der in Kaumi
im Winter 1902 eingeschleppte Rotz forderte weit bis in den
Sommer 1903 hinein seine Opfer, welche sämtlich die reinen
Symptome des Rotzes bei Lebzeiten sowohl als bei der Sektion
aufwiesen.
Am maßgebendsten ist aber der s. Zt. von mir ausgeführte
Nachweis der Rotzbazillen unter dem Mikroskop, so daß jeder
Zweifel von der Identität dieser Erkrankung mit dem, w r as wir
unter Rotz verstehen, ausgeschlossen ist. Eine augenblicklich
herrschende Rotzinvasion hat durch die Sektionen der getöteten
Tiere und durch mikroskopische Untersuchungen wiederum das¬
selbe Resultat gezeitigt.
Im übrigen geht aber auch schon daraus, daß er die
Behandlung der gefährlich erkrankten Tiere, der Tiere mit
dunkelgelbem, übelriechendem Nasenausfluß als aussichtslos be¬
trachtet, dieselben tötet und tief einscharrt, hervor, daß dem
Chinesen die Übertragungsfähigkeit und die Bösartigkeit des
Rotzes bekannt sein muß.
Streng durchgeführte Quarantänen nach Neuankäufen, Fern¬
halten der mit einzelnen Pferden täglich zum Verkauf herum¬
ziehenden Händler von den Ställen sind alles, was sich
prophylaktisch tun läßt. Vom Gouvernement ist auch die
446
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 25.
Agglutinationsprobe bei Neuankäufen angeordnet. Dabei ist die
Gefahr, speziell der Übertragungsfähigkeit auf den der Seuche
unrettbar zum Opfer fallenden Menschen halber, keineswegs zu
unterschätzen.
Die Erkrankungen an
Milzbrand
sind verhältnismäßig selten. Das II. Bataillon des I. Regiments
der Ostasiatischen Besatzungs-Brigade hatte jedoch vor 2 Jahren
in den Sytonger Ställen eine sehr hartnäckige Milzbrandepidemie
zu bekämpfen, welche Veranlassung gab, daß diese Stallungen
später nicht von unserer berittenen Kompanie bezogen wurden.
Der Chinese definiert diese Seuche als eine Erkrankung
der vier inneren Teile.
Ätiologie: Als Entstehungsursache wird große Hitze
beschuldigt.
Bezeichnungen für Milzbrand sind:
yung t’sin = harter Milzbrand
huang t'sin ^|gr ^ — weicher Milzbrand
gelb.
t’sin übersetzt Couvreur S. J. mit
Furunculus profundus, Anthrax, der harte Milzbrand ist der
häufigere, und „auf den Menschen übertragbare“.
Therapie: Um den huang t’sin, den weichen Milzbrand zu
heilen, streicht man beim Pferde auf die Geschwüre, welche im
Verlauf der Erkrankung entstehen, Mensclienkot und „in einem
Tage ist das Tier hergestellt“.
Das 12. Blatt des Yuan chang liao ma dsi lautet:
Wenn ein Ochs im ganzen Körper Geschwüre hat, so sind
seine Haare abgezogen. Diese Krankheit ist in der Lunge und
aus Erhitzung entstanden. Die Haut und die Haare scheinen
außen nicht gut zu sein, aber Geschwüre sind im Innern. Die
Erhitzung ist daraus entstanden, daß der Ochs im Frühling und
Herbst den Stuhlgang nicht herbeigeführt hat. Er neigt seinen
Kopf abwärts, schnauft und sein Wasser ist blutig. Wenn man
mit Arznei seine Därme durchtränkt, so sieht man die gute
Wirkung.
yu djin
£0
— ff
ku sehen
in sehen
buva hvau
W
A
— Pflaumenart
— bittere Pastinak
Pastinak wurzel
Pfeffermünz
n'J,
scha sehen
gau tsav Jji = Süßholz
im Sande gewachsene
Pastinak
werden fein zerstoßen, mit 4 Lot Honig und 1 sclieng Wasser
vermischt in Dosen von 1 .sclieng warm eingegeben.
Blatt 18 schreibt vor:
..Wenn der Ochs trockene Haare hat, kein Gras frißt, kein
Wasser nimmt, so hat er im Kopf und im Herzen gelbe Geschwüre.
Nimm:
je V 3 Lot bei tsche ^ = Iris florentina,
Veilchen wurzel
dai huang = Rhabarber
zerreibe beides zu Pulver, vermenge es mit 2 Eiern, 1 sclieng
Schnaps und 3 / )0 scheng Gemüseextrakt. Gib diese dem Ochsen
ein, so wirst du einen guten Erfolg haben.“
Außerdem legt der chinesische Tierarzt bei Anthrax ein
Haarseil an der Vorderbrust des kranken Tieres dergestalt, daß
er die Nadel >/ 2 cm tief einsticht und von „links nach rechts“
den Faden 5 cm lang durchzieht. Die Fadenenden werden be¬
schwert — gewöhnlich mit den handlichen Käschstäcken, welche
ja in der Mitte ein Loch haben, — um die Wunden offen zu
halten. „Die schlechten Säfte fließen ab.“
Zuletzt wäre noch als eine auch in China sehr gefürchtete
Seuche zu erwähnen:
Die Tollwut.
I Benennungen: foung, 3/JjäL* Toll, Tollwut. Das Zeichen
I setzt sich zusammen aus dem in den vorbesprochenen Krank¬
heitsbezeichnungen ebenfalls vorkommenden r Tsi, morbus,
und vltL. foung, Wind.
Definition: Die Tollwut ist eine unheilbare, auf die
meisten Tiere und Menschen übertragbare Krankheit, welche
durch Fütterung, besonders durch Bohnen und verschiedene
Grasarten entsteht.
Was die Ätiologie anbetrifft, so hat man auch noch bei
uns vor einem Menschenalter neben anderen Entstehungsursachen
üppige Nahrung angenommen und sogar an eine spontane Ent¬
wicklung geglaubt.
Der Chinese hat aber auch eine Vorstellung von dem Inku¬
bationsstadium, sicherlich dadurch herbeigefnhrt, daß er beobachtet
hat, daß die Wut nicht sofort nach dem Biß, sondern erst einige
Zeit später auftritt. Ja noch mehr, er weiß, daß ein gebissenes
Tier schon vor offensichtlichem Ausbruch der Wut imstande
ist, dieselbe durch Biß weiter zu übertragen, ein Umstand, der
uns noch gar nicht übermäßig lange Zeit durch die Forschungen
von Roux und Nocard bekannt ist.
In China ist die Wut häufig. Es ist dies nicht zu ver¬
wundern, wenn man bedenkt, daß nicht nur fast jedes Haus,
einen oder mehrere Hunde besitzt, sondern daß daneben noch
eine Menge herrenloser Hunde sich auf den Feldern, teils in
dem abscheulichsten und verwahrlosten Zustande herumtreiben.
Diese Hunde übernehmen teilweise auch >die Beseitigung der
ausgesetzten Kindsleichen. Die starke Vermehrung der Hunde
habe ich in einem früheren Artikel über chinesische Haustiere
als dadurch bedingt bezeichnet, daß man stets den ganzen
Wurf behält.
Dank energischer und durchgreifender veterinärpolizeilicher
Maßnahmen seitens des Gouvernements, die sich zunächst in
einem strikt durch geführten Maulkorbzwange äußern, ist es im
Laufe der Zeit gelungen, die Wutinfektionsfälle innerhalb unseres
Schutzgebiets auf ein verschwindendes Minimum herabzudrücken.
Die Grenze der Kolonie bildet nach Nordosten der 1130 m hohe
Lau schan, der absoluten Hocbgebirgscharakter trägt. In diesem
18. Juni 1908.
447
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Gebirgsstock gibt es noch Wölfe, and es ist nicht ausgeschlossen,
daß diese die Wut auf die vagabundierenden Hunde übertragen.
Es wäre dies ein Analogon zu der bei „Friedberger und
Fröhner“ zu findenden Mitteilung daß die Wut in der Nähe
von Wölfe beherbergenden Gebirgen (Vogesen, Jura, Karpathen)
gewissermaßen stationär sei“.
Zahlreiche von mir in Kaumi an Blut von kranken und ge¬
sunden Pferden, Rindern, Maultieren, Eseln, Schafen und
Schweinen ausgeführte Untersuchungen haben niemals den Fund
von Blutparasiten gefördert. Niemals habe ich Trypanosomen
(Nagana, Surra, Mal de Cadeiras, Dourine) gefunden, niemals
habe ich auch trotz eifrigsten Suchens bei chinesischen Rindern
Zecken gesehen, die als Zwischenwirte bei Bluterkrankungen
(Texasfieber) hätten mitwirken können. Ich habe ein einziges
Mal eine kleine Zeckenart beim Pferde beobachtet. Es war
dies hier in Tsingtau bei einem Tiere, das in einer mit hohem
barten Gras bestandenen Koppel viel umherlief. Die zahlreichen
Zecken hatten an verschiedenen Stellen, speziell in den Fessel¬
beugen, Hautentzn düngen hervorgerufen, welche sich sehr schnell
beseitigen ließen. Blutuntersuchungen ergaben nichts.
Und doch, trotzdem noch keinerlei Erfahrungen über Blut¬
parasiten gemacht sind, möchte ich nicht das eventuelle Vor¬
kommen derselben bei chinesischem Vieh in Abrede stellen.
Veranlassung dazu gibt mir die nachstehende Stelle des an¬
geführten Werkes:
„Der Ochse, dessen Wasser blutig ist. w
„Wenn Hitze im Hodensack eintritt, so ist das Wasser des
Ochsen oft blutig. Er frißt kein Gras, trinkt kein Wasser und
kann seine Fäzes vor Härte nicht auslassen. Tags und Nachts
scheint er müde und schläfrig zu sein und er will sich nicht
bewegen.
Das ist gewiß Seuche ohne jemanden zu fragen.“
Dang kui ^ = Pulver ist dagegen sehr wirksam.
Gib ihm noch Hung hua s zu trinken .
rote Blumen v
Trinkt er es ein- oder zweimal, so siehst du alsbald die
gute Wirkung.
Man schreibt das Verfahren so:
mu yua
= Myrte,
schoa jua
4
= P8°nie,
dschu yü
4
= Xanthoxylum piperitum (japanischer
Pfeffer)*),
i sehe
Jß-
J = Fasern,
ba dji
&
= Banane,
kau tsav
d
= Süßholz,
pung lmva mo
= eine Schlingpflanze.
*) Hauptbestandteil des ätherischen Öls des japanischen
Pfeifers ist Xanthoxylin-C 10 H la 0 4 .
Man zerreibt die Arzneien zu Pulver, gibt dem Ochsen
jedesmal ein Lot davon mit huang-hua Suppe ein. Alsbald
sieht man die gute Wirkung. Es ist für die Bekämpfung der
Rinderpest absolut notwendig, erst bestimmt zu wissen, ob durch
Blutparasiten hervorgerufene Erkrankungen bei chinesischem
Rindvieh Vorkommen oder nicht, da sich ja darnach die ganze
Methode der evtl. Impfung richten müßte. Die Simultanmethode
könnte nicht in Anwendung gebracht werden, da gegebenenfalls
durch die Blutimpfung eine Übertragung eines Hämatoparasiten
eintreten könnte.
Man kann bei Betrachtung vorstehender Ausführungen wohl
zu dem Schlüsse kommen, daß der Chinese einen reichlichen
Schatz des Wissens über Krankheiten, speziell über Seuchen,
deren Infektionsmöglichkeit usw. hat, daß also mit gar nicht über¬
mäßig hohen Anforderungen an die geistigen Fähigkeiten der
Leute, bei gutem Willen und gemeinsamem Zusammenarbeiten
von Regierung und Volk, manches zum Kampfe gegen diese
Seuchen, die Zerstörer des Nationalwohlstandes, geschaffen werden
könnte. Welch unendlicher Verdienst könnte sich eine in
diesem Punkte richtig beratene Staatsleitung um das Wohl ihrer
Untertanen erwerben. Doch welche riesenhohen Hindernisse auf
der anderen Seite! Wenn es auch nicht allzu schwierig wäre
in einer oder zwei Provinzen durch Belehren der Bauern, durch
Heranziehen und Daraufhinziehen modern gebildeter chinesischer
Tierärzte, die Seuchen zu bekämpfen, so bleibt doch stets zu
bedenken, daß China ein 400 Millionenreich ist, in welchem die
einzelnen Provinzen gegen die Einfuhr von Vieh aus Nachbar¬
provinzen sich nicht schützen könnten und vielleicht auch nicht
wollten.
Das einzig Unangenehme beim Transportieren von Vieh
aus einem Verwaltungsbezirk in den andern sind die an jeder
Grenze erhobenen örl fenli tsien, das heißt eine Abgabe von
2 Proz. des Wertbetrages der Tiere an die Behörde. Würde
man, um den Verkehr zu erschweren, was wohl im Interesse
der Seuchenbekämpfung, nicht im Interesse des Handels und
Wandels läge, diese Steuerabgabe erhöhen, so entständen so viele
Unannehmlichkeiten und Reibereien, es würde eine solche Menge
neuer Wege des Squeezes aufgetan, daß man sagen könnte, man
habe den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben. Also dieser Weg
der Isolierung eines einzelnen Landesteils geht nicht. Grenz¬
kontrollen an den großen Straßen und Wasserläufen einzurichten,
geht aus demselben Grunde ebensowenig, selbst, wenn man ein
geschultes, auf die Erkennung der Hauptseuche, der Rinderpest,
speziell gedrilltes Menschen material hätte. Außerdem ist der
Chinese heute noch nicht so weit, daß man ein mit etwaigen
Geldopfern und Unannehmlichkeiten, wie z. B. Ausgaben für
Desinfektion, Beseitigen der Tiere ohne Entschädigung, gepaartes
Verständnis von Epidemien von ihm verlangen könnte. Aber
ihn belehren, ihn allmählich durch erfolgreiches, teilweises Be¬
kämpfen der Seuchen zur Überzeugung der Nützlichkeit und
Vorteilhaftigkeit dieser Bestrebungen bringen, ihn so weit
führen, daß er auf dem einmal eingeschlagenen Wege freudig
nach vorne drängt und selbst sucht und hilft und zu einer
solchen Selbstlosigkeit erzogen wird, daß er auch Hindernisse
auf diesem nicht immer ebenen Wege nicht scheut, das würde
den Anfang einer Ära bedeuten, die den Wohlstand des
Landes herbeiführen würde. Das wäre eine Werk, welches in
der Geschichte des chinesischen Reiches unvergessen weiterleben
würde,
448
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 25.
Literatur:
Yuan hang lianma dsi.
Liu an tschou Yü pen
yuan Yü pen hang
pien ting.
Fu niu tuo tsehing.
„Eine Zusammenstellung der Heilungsarten der Pferdekrankheiten
mit Einschluß der Erkrankungen des Rindviehes und der Kamele,
von den Gebrüdern Yü pen yuan und Yü pen hang aus Liu an
tschou“.
Gerlach, Die Rinderpest.
Friedberger-Fröhner, Pathologie Therapie.
Kolle-Wassermann, Handbuch der pathogenen Mikro¬
organismen.
Brestowski, Handwörterbuch Pharmazie.
P. Couvreur, 8. J. Dictionarium sinicum et latinum.
Referate.
Einige Betrachtungen über die Windkolik beim Pferd.
Von Prof. Hendrickx.
(Anaale* de Bruxelles, Oktober 1907.)
Alle Kliniker sind sich darüber einig, daß in den meisten
Fällen von Kolik beim Pferd und besonders von Windkolik eine
sichere Ätiologie sehr schwer zu finden ist. Als eine Haupt¬
ursache der letzteren sieht man den Mangel der KontraktiUtät
des Darmes an, ein Umstand, den der Verfasser nicht als die
Ursache, sondern als die Folge der im Darme stattfindenden
abnormen Gärungen auffaßt. Er ‘ist der Ansicht, daß die
Darmlähmung nur die Folge der Überdehnung der Darm¬
wandungen ist, die sich unter dem Einfluß der überaus schnellen
Gasansammlung einstellt; denn w'äre dem nicht so, warum sollte
Sich dann der krankhafte Zustand sofort nach der Punktion des
Darmes meistens heben?
Die Art des Futters steht nach Ansicht des Verfassers mit
dem Auftreten der Windkolik in sehr geringer Beziehung, weil
sie bei jeder Fütterungsart, sei es Hafer-, Gersten-, Mais- oder
Grünfütterung auftritt, dagegen ist die Qualität des Futters
von großem Einfluß, und sind es die Verschimmelungen des
letzteren, welche die Hauptrolle dabei spielen dürften. Er hat
in einem Stalle acht Todesfälle infolge von Maisfütterung be¬
obachtet, und hat die Untersuchung der Maiskörner ergeben,
daß schwarze von Schimmelpilzen gebildete Flecken um den
Embryo herumsaßen. Es muß daher angenommen werden, daß
durch die Einwirkung dieser niederen Organismen die Ver¬
dauungsarbeit plötzlich modifiziert wird, so daß sich außer den
normalen Gasen eine große Menge solcher bilden, die sich unter
physiologischen Bedingungen nur in geringen Proportionen vor¬
finden. Diese Gase sind Schwefelwasserstoff und die Kohlen¬
wasserstoffe, die sich bei ihrer Bildung vorzugsweise im Dick¬
darm ansammeln.
Das mit Windkolik behaftete Pferd geht entweder innerhalb
12 Stunden zugrunde oder es kann auch in dieser Zeit ge¬
nesen, dann, wenn den abnormen Gärungen Einhalt geboten und
den schon gebildeten Gasen durch den After oder mittelst der
Punktion ein Ausgang verschafft wird.
Der Tod kann mehreren Ursachen zugeschrieben werden.
Eine Menge dieser Gase wird von der Darmschleimhaut absorbiert
und von da dem Blute zugeführt, wo sie eine Blutvergiftung
hervorrufen.
Andererseits wird durch die übermäßige Ausdehnung des
Darmes das Zwerchfell nach vorne gedrückt und immobilisiert;
dadurch wird die Lungenatmung stark beeinträchtigt und der
Gasaustausch darin gehindert, was eine Überfüllung des Blutes
mit Kohlensäure zur Folge hat. Manchmal tritt der Tod infolge
Ruptur der überdehnten Darmwandungen ein, die auch durch
das plötzliche Hinfallen der Pferde bei den großen Schmerzen
begünstigt wird.
In Anbetracht des sehr schnellen Verlaufs der Krankheit
muß mit der Behandlung energisch und möglichst früh eingesetzt
werden. Vor allem muß gesucht werden, die Blutvergiftung zu
verhindern, was am besten durch die Punktion des Blinddarms
erreicht wird. Dazu benutzt man einen Trokar von ganz
geringem Durchmesser, der wohl den Gasen das Ausströmen
gestattet, aber nach dem Herausnehmen, dadurch, daß sich die
Stiebränder gleich schließen, faßt gar keine Wunde zurückläßt.
Wird der Einstich im Mittelpunkt des Dreiecks, das durch die
QuerfortBätze des Lendenwirbel, durch die letzte Rippe und den
oberen Rand des schiefen Bauchmuskels gebildet wird, schief
nach unten und außen, um einer Nierenverletzung vorzubeugen,
gemacht, so ist man sicher, daß kein übler Zufall eintreten
wird. Der alarmierende Zustand des Pferdes bessert sich sofort
und der Praktiker hat nur noch eine passende Medikation an¬
zuordnen. Die Darmkontraktionen regt er durch eine subkutane
Eserininjektion und durch reichliche Infusionen von kaltem
Wasser in den Mastdarm an. Der Verfasser gibt darauf
während drei Stunden halbstündlich 2 g Kalomel, das durch
seine antiseptische Wirkung die Gärung im Darm auf hält oder
verringert und durch seine Purgative einen Teil der gärungs¬
fähigen Substanzen hinausbefördert.
Der Blinddarmpunktion wird vorgeworfen, daß sie eine
Peritonitis hervorrufen könne. Mit Anwendung eines kleinen
Trokars kann diese vermieden werden, und überwiegen die
Vorteile der Punktion die etwa sich einstellenden Nachteile.
Trotzdem an einer aseptischen Stelle mit einem sterilisierten
Trokar operiert wird, so kann sich dennoch eine Infektion ein¬
stellen, dadurch, daß sich die Kanüle beim Einstechen in den
Darminhalt beschmutzt und beim Herausziehen in dem subkutanen
Bindegewebe der Flanke Keime ablagert. Dieser Umstand ist
aber nicht gefährlich, denn durch einen kleinen Einschnitt kann
man den Abfluß des pathologischen Produkts gewährleisten.
Zum Schluß gibt der Verfasser den Rat, nie zu zaudern,
die Punktion des Blinddarms zu machen, weil durch diese fast
ungefährliche Operation eine große Anzahl von an Windkolik
leidender Pferde gerettet werden. Helfer.
Drei operierte Fälle Ton Dünndarmeinschnürung im
For&men Winslowii beim Pferd.
Von G. Forssell, Adjunkt an der tierärztlichen Hochschule
zu Stockholm.
(Zeitschrift fUr Tiermedizin. 12. Band, 1. Heft.)
Der Verfasser berichtet eingehend über die operative Be¬
handlung von Dünndarmeinschnürung im Foramen Winslowii beim
Pferd. Von den drei operierten Fällen endeten zwei tödlich.
In keinem Falle war eine Spezialdiagnose gestellt worden,
sondern es lag nur der Verdacht auf Darmeinschnürung vor.
Forssell empfiehlt statt der Chloroformnarkose 120 g Chloral-
hydrat per os zu geben. Der etwa 15 cm lange Sohnitt ist in
18. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLIC HE WOCHENSCHRIFT.
449
die rechte Flankengegend, 5 cm hinter den Rippenbogen, zu
legen, weil die meisten Einschnürungen usw. am Ileum Vor¬
kommen und weil dieser Darmteil am besten von der rechten
Seite zugänglich ist. Da das Foramen Winslowii auf der rechten
Seite dicht unter dem Rücken unmittelbar hinter dem oberen
rechten Leberlappen liegt, so muß man mit der rechten Hand
an der Innenseite der Bauchwand etwas nach dem Rücken zu
gehen, bis man an den erwähnten Leberlappen kommt. Dicht
hinter demselben ist das Foramen Winslowii. Seine obere
Grenze bildet die Vena cava, seine untere die Vena portae.
Die hintere Begrenzung besteht aus Bindegewebe. In dem mit
Erfolg operierten Falle war eine Dünndarmschlinge von zirka
20 cm Länge eingeschnürt. Forssell schildert nun die Lösung
der Einschnürung wie folgt: „Der Darm ragt in einem kleinen
Bogen, über den man leicht mit der Hand streichen konnte,
aus der Öffnung hervor. Nun wurde der Arm zurückgezogen
und dann ein Stück nach unten und vorn längs der Bauchwand
und dann quer durch die Bauchhöhle geführt, um die Eingangs¬
öffnung der Bruchpforte aufzusuchen und den Darm heraus¬
zuziehen. Die Eingangsöffnung liegt rechts vom oberen hinteren
Teil des Magens und ist mit den beiden darin einlaufenden
Darmteilen als Anhaltspunkt sehr leicht zu finden. Es ist not¬
wendig, den Arm wie oben beschrieben einzuführen, da man
sonst nicht vorwärts kommt. Nun wird die Hand oberhalb der
Colonlagen und vor der vorderen Gekröswurzel geführt. Die
Dünndärme, die gegen den Arm zu liegen kommen, schiebt man
leicht zur Seite. — In diesem Falle ging das Herausziehen des
eingeschnürten Darmes ohne Schwierigkeiten vonstatten. Die
ganze Manipulation in der Bauchhöhle dauerte kaum drei Minuten.
»Ist ’ die Bruchpforte * dagegen ■ eng* so kann * sieh die -Erweiterung :
derselben notwendig erweisen. Die Öffnung wird dann nach
hinten gesprengt, wenn dies ohne Gefahr geschehen kann.
Sprengt man nach vorn, so kann, wie Fall I lehrt, dort eine
Ruptur an der Vena portae eintreten.
Forssell schildert eingehend die Vorbereitung des Operations¬
gebietes und des Armes des Operateurs, denn von der Asepsis
des Verfahrens hängt wesentlich der Erfolg ab. Rdr.
Aas der medizinischen Literatur.
Zentralblatt für Bakteriologie ustr. 1. Abt. Originale. Bd. 46 , Heft 7,
S. 595.
Experimentelle Leukämie bei Hühnern (Aus dem bakterio¬
logischen Laboratorium der Königl. Tierärztlichen Hochschule
und dem Königl. Fredericks-Hospital in Kopenhagen.); von
V. Ellermann und 0. Bang. Die Leukämie ist zuerst von
Virchow als selbständige Krankheit erkannt und sodann nament¬
lich von Ehrlich in klinischer und pathologisch-anatomischer
Hinsicht erforscht worden. EHermann unterscheidet zwei
Arten von Leukozyten; die grahulierten polymorphkernigen Leuko¬
zyten und die ungranUlierten Lymphozoyten. Je nach dem
Vorherrschen der einen oder der anderen Art spricht man von
gemischtzelliger oder lymphatischer Leukämie. Neben der Blut¬
veränderung kennzeichnet sich die Leukämie durch Hyperplasie
der blutbildenden Organe. Außer beim Menschen ist Leukämie
bei mehreren Säugetieren (Pferd, Schwein, Hund usw.) nach¬
gewiesen. Bei Hühnern kommt, wenn auch selten, eine typische
spontane Leukämie vor. Zur Erforschung der noch unbekannten
Ursache der Leukämie haben die Verfasser geglaubt, daß das
Tierexperiment, namentlich die Impfung auf Tiere derselben
Art, wichtige Aufschlüsse geben könne. Als Versuchstiere
dienten gesunde Hühner, denen Emulsionen von Leber-, Milz-
und Knochenmarkstückchen von an spontaner Leukämie erkrankt
gewesenen Hühnern mit 0,9 proz. Kochsalzlösung zerrieben
intravenös eingespritzt wurden. Hierdurch konnte experimentelle
Leukämie hervorgerufen werden, di$ klinisch und anatomisch
mit der spontanen übereinstimmend folgende Erscheinungen
zeigte: I. Leukozytenproliferation in den Kapillaren, namentlich
des Knochenmarks und der Leber; dieser wesentlich intra¬
vaskuläre Prozeß i&t als der Kernpunkt der Krankheit auf¬
zufassen. 2. Anämie, und zwar sowohl Herabsetzung der
Erythrozytenzahl wie des Hämoglobinwertes. 3. Leukämische
Blutveränderung, die als sekundäre mehr durch zufällige Um¬
stände hervorgerufene Erscheinung aufzufassen ist. 4. Zell¬
infiltrate, die aber im Gegensatz zur spontanen Leukämie bei
der experimentellen sehr wenig ausgeprägt sind oder ganz
fehlen.
Die Pseudoleukämie der Hühner, die dieselben Veränderungen
in Leber, Milz und Knochenmark erkennen läßt wie die echte
Leukämie, sich von ihr aber durch das Fehlen der leukämischen
Blutveränderung unterscheidet, scheint ätiologisch mit ihr identisch
zu sein. Denn durch Verimpfung von pseudoleukämischen Or¬
ganen konnten die typischen Veränderungen der Leukämie bei
gesunden Hühnern hervorgerufen werden. Auch die multiple
Sarkomatose des Peritoneums, die zuweilen epidemisch vorkommt,
gibt ein in den Kreis der Leukämie gehörendes Krankheitsbild.
Bezüglich der Ätiologie konnten Bakterien und Spirochäten
ausgeschlossen werden. Es scheint sich nach den Versuchen
um ein organisiertes Gift zu handeln, ohne daß jedoch eine
Trailßplantion von Zellen, ähnlich wie beim Krebs, möglich ist.
Es gelang vielmehr, die Krankheit auch durch zellfreies Filtrat
zu übertragen.
Da das Wort Leukämie nur das Symptom einer Krankheit
bezeichnet, und da es Fälle von Leukämie ohne Blutveränderung
gibt, schlagen die Verfasser den Namen „Leucosis“ für die in
Rede stehende Krankheit vor und wollen den Prozeß durch
Hinzufügung von „leukämica“ oder „aleucämica“ näher definieren.
Die Benennung „Leukämie“ dagegen soll der leukämischen Blut-
Veränderung Vorbehalten bleiben.
Dieselbe Zeitschrift. S. 609.
Untersuchungen über Epithelioma contagiosum der Vögel (Aus
dem Institut Pasteur in Paris, Laboratorium des Herrn
Dr. Borrel.); von Dr. B. Lipschütz aus Wien. Bereits im
Dezember 1904 hat Borrel einen für das Epithelioma contagiosum
der Vögel (Vogelpocke) typischen mikroskopischen Befund mit¬
geteilt. Später hat Burnet unter Bor reis Leitung weitere
Untersuchungen ausgeführt, die zur Kenntnis über das Wesen
der Krankheit viel beitrugen. Die vorliegenden Untersuchungen
beziehen sich nur auf das experimentelle Epithelioma contagiosum
der Vögel, da der Verfasser keine Gelegenheit hatte, die natür¬
liche Infektion dieser Tiere zu studieren. Zur Impfung der ver¬
wendeten Tauben und Hühner wurde das in Form von Krusten
oder kleinen Hautstückchen aufbewahrte Virus mit etwas
sterilem Wasser verrieben und, nach Ausrupfen der Federn auf
beiden Teilen des Thorax, mit dem Platinspatel eingerieben.
Als Ergebnis der Untersuchungen wird zusammenfassend fol¬
gendes behauptet: 1. Das Virus dringt beim Molluscum con¬
tagiosum des Menschen, dem Trachom, dem Epithelioma con-
No. 25.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
450
tagiosum der Vögel, wahrscheinlich auch bei Lyssa und Hühner¬
pest (von zahlreichen anderen hierher gehörigen Affektionen
wird vorläufig abgesehen) in das Protoplasma von Zellen be¬
stimmter Gewebe ein; 2. durch den Reiz der intrazellulären
Parasiten werden degenerative Veränderungen von seiten
des Protoplasmas oder des Kernes oder beider ausgelöst,
die das Auftreten der „Einschlüsse“ zur Folge haben;
3. während für Lyssa und Hühnerpest das Virus noch nicht
morphologisch bekannt ist, ist in den von Borrel, dem Ver¬
fasser, Halberstädter und von v. Prowazek beschriebenen
kleinsten Elementen der Träger des Virus des Epithelioma
contagiosum der Vögel, des Molluscum contagiosum des Menschen
und des Trachoms anzusehen, für welche Auffassung die unge¬
heure Menge der kleinen Körperchen, die gleiche Größe, das
typische Verhalten zu Farbstoffen, das Vorhandensein von als
„Teilungsformen“ zu deutenden Gebilden, ihr Nachweis im
nativen Präparat sowie der Mangel irgendeines anderen Befundes
und endlich das absolut konstante Vorkommen hngeführt werden
können; 4. die intrazellulären Virusarten durchsetzen das ge¬
samte pathologische Gewebe, die „Einschlüsse“ bleiben auf
einzelne Zellen oder umschriebene Gebiete beschränkt.
Beigefügt sind noch Angaben über den Einfluß einiger
Substanzen auf das Virus der Vogelpocke (Atoxyl, Saponin¬
lösung, ‘taurocholBaures Natrium), ferner über Kulturversuche
und über Immunisierung gegen das Virus der Vogelpocke.
Dieselbe Zeitschrift S. 639.
Über Komplementbindung bei Immunisierung mit Corpus luteum
(Ajis dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin,
Direktor Professor Dr. Gaffky, Abteilungsvorsteher Professor
Dr. Wassermann); von Dr. John Willoughby Miller. —
Verfasser stellte sich die Aufgabe zu ermitteln, ob die gelben
Körper verschiedener Tiere eine im biologischen Sinne einheitliche
Substanz darstellen, etwa so, wie es nach den Untersuchungen
von Uhlenhuth bei der Linse der Fall ist, und ob es möglich
ist, ohne Rücksicht auf die Herkunft der Corpora lutea von
dieser oder jener Tierart, also mit Durchbrechung des Gesetzes
von der Artspezifität, einheitliche organspezifische Reaktionen
auszulösen. Das Resultat der Versuche ist in folgenden Sätzen
zusammengefaßt: 1. Das nach Immunisierung mit Corpus luteum-
Substanz gewonnene Serum hemmt die Hämolyse a) in Ver¬
bindung mit dem homologen Luteinextrakt, b) mit den Extrakten
anderer Organe derselben Tierart. 2. Es hemmt nicht in Ver¬
bindung mit dem Serum der gleichen Tierspezies. 3. Es hemmt
nicht a) in Verbindung mit dem Luteinextrakt einer anderen
Tiergattung, b) mit den Extrakten fremder Organe. W.
Tagesgeschichte.
Schweizer und deutscher Dr. med. vet.
Nachdem der Sturm der Empörung ob meines „Notschreies“
ins Land gerauscht, und die Wogen der Erregung sich hoffent¬
lich geglättet haben, sei es mir verstattet, einmal zu den Gegen¬
artikeln kurz Stellung zu nehmen. Da dieselben im wesentlichen,
abgesehen von einigen persönlichen Vorstößen und Spitzen, mit
denselben Argumenten fechten, mag es genügen den zuerst er¬
schienenen des Herrn Kollegen Gebhardt zur Gegenüber¬
stellung heranzuziehen. Über seinen einleitenden geschmackvollen
Vergleich, ein Gebiet in das ich ihm nicht zu folgen vermag,
hinweg will ich gleich medias in res gehen. Zunächst muß ich
es entschieden als Unterstellung zurückweisen, wenn Herr G.
es als meine Absicht bezeichnet, eine Spaltung oder Teilung
der Tierärzte in zwei Klassen zu bezwecken. Das heißt ein¬
mal die Bedeutung der Doktorwürde absolut verkennen, und
andrerseits einen unlöslichen Zusammenhang zwischen Dr. und
Tierarzt konstruieren. Niemals hat die Doktorwürde ein Beleg
und eine äußere Bekundung einer besonders guten Fachbildung,
einer besseren gegenüber den Nichtdoktoren desselben Faches,
sein sollen und wollen, wie wäre es sonst möglich gewesen, daß
bis vor gar nicht so langer Zeit z. B. der Dr. med. von Nicht-
Humanmedizinern ohne Staatsexamen hat erworben werden
können. Nein, fast unabhängig von der betreffenden Disziplin
ist sie ein jahrhundertaltes Dekorum geprägt und geschützt
einen äußerlich erkennbaren Unterschied zu konstruieren, zwischen
dem im Besitze einer gewissen akademischen Bildung befindlichen
und dem Nichtakademiker. Und da sollten die Träger des
deutschen Dr. med. vet. für sich den Ruhm einer besseren
Fachbildung einer Superiorität gegenüber den Nichtpromo vierten
in Anspruch nehmen wollen und daraus größere Rechte in der
Erlangung amtlicher Stellen herleiten, das wäre ja heller Wahn¬
sinn, und nur ein ganz in seinen Vorurteilen verrannter Kopf
kann das aus meinen Zeilen herausgelesen haben.
Degradierung der Doktorwürde in ipsissimo und des Tier¬
arztes an und für sich, das sind Begriffe, die Herr Kollege
Gebhardt nach Belieben in meinen Zeilen identifiziert und
vertauscht. Aber nun gesetzt den Fall, Herr Kollege Gebhardt,
Sie behielten mit Ihrem Kassandrarufe recht, aus dem von mir
als wünschenswert Bezeichneten würde die Spaltung der Tier¬
ärzte in zwei Klassen resultieren, würde dasselbe ausbleiben,
wenn die Regierung den Schweizer Dr. als vollwertig er¬
achtete, würden sich da nicht dann auch zwei Klassen von
Tierärzten gegenüberstehen ? Hier die Promovierten — dort die
bar sind dieses Schmucks, denn daß alsdann alle Tierärzte von
der gebotenen Möglichkeit Gebrauch machen würden, das zu
glauben, hieße den Optimismus auf das Absurde zu steigern,
und dazu ist die Selbstachtung und Selbsteinschätzung der Werte
doch Gott sei Dank bei unsern Tierärzten noch groß genug.
Ist es denn nicht eine ungerechtfertigte Bevorzugung, die die
Herren Schweizer Promotionskandidaten verlangen. Die deutschen
DDr. med. vet. haben teils zwei Jahre länger „die Klassiker
gelesen“, teils mit eiserner, achtungerzwingender Energie aus
der Praxis heraus ihr Maturum errungen, die deutschen und
Schweizer DDr. phil. haben nach Vollendung ihrer Fachstudien
sich in ein oft viele Semester langes Studium der Philosophie
versenken müssen, haben auf Grund einer oft ganz weit vom
Fache liegenden wissenschaftlich bedeutenden Leistung, mit
hohen pekuniären Opfern ihr Ziel erkämpft, und das wollen Sie
ohne Universitätsstudium bei einem bei weitem geringeren Auf¬
wand an Zeit und Mühe' erreichen? unbeschadet des Wertes
Ihrer Leistungen, den ich gar nicht bestreiten will und kann.
— Doch das sind Gründe, die dem Kernpunkte der Sache fern
liegen.
Ja, wenn ab und zu Kollegen in der Schweiz zum
Dr. med. vet. promovieren würden, sie könnten es ohne Rück¬
wirkung auf die Bewertung des Dr., sie würden aufgehen in
der Menge der deutschen DDr. Aber das, was mit logischer
Konsequenz stets eintritt, wenn die Bedingungen für irgendeine
18. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
451
Laufbahn verschärft werden, das wird auch bei der Schweizer
Promotion, so fürchte ich, erfolgen. Sollte sich die Aufrichtung
des Maturums in der Ferne als Schranke zeigen, dann wird vor
Toresschluß noch ein bedeutender Zudrang von Kandidaten,
damit eine, wenn ich mich so ausdrncken darf, Massenpromotion
eintreten, und diese eben zur relativen Entwertung die Hand¬
habe bieten.
Wünschen und hoffen will ich übrigens im Interesse unseres
Standes, daß die kommenden Ereignisse mich des schwärzesten
Pessimismus zeihen könnten, qui vivra, verra!
Damit ist die Debatte über diesen Punkt meinerseits ge¬
schlossen. Dr. Jo na 8, Gelsenkirchen.
Entgegnung.
Herr Kunibert Müller hat bereits in der Deutschen
Schlacht- und Viehhofzeitung energisch Protest gegen ein vor nun¬
mehr drei Jahren in derselben Zeitschrift über seinen in der B.T. W.
erschienenen Artikel „Finnenschnitte und Finnenfunde“
von mir erstattetes Referat eingelegt. Ich erwidere auch an
dieser Stelle, daß ich von meiner damaligen Zurückweisung der
Behauptung, daß an verschiedenen Schlachthöfen in laxer Weise
auf Rinderfinnen untersucht werde, nichts zurückzunehmen
habe. Eine Antwort auf die wenig artige Äußerung, daß ich
selbst keine „ergiebigen Schnitte“ kennen soll, wird Herr
Kunibert Müller von mir im Ernst nicht erwarten; jedenfalls
werde ich es ihm auch in Zukunft gern überlassen, die Er¬
giebigkeit der Kaumuskelschnitte mit dem Maßstab
nachzuprüfen.
Duisburg, den 12. Juni 1908.
Dr. Heine,
Direktor des städtischen Schlacht-
und Viehhofes.
Staatliche Tierärzte in Hamburg.
In Nr. 24 B. T. W., S. 436, befindet sich eine Notiz betreffs
des Verzeichnisses der Beamten des höheren Verwaltungs¬
dienstes. Es wird dort mitgeteilt, daß in das Verzeichnis der
Stadttierarzt und die Obertierärzte neu aufgenommen seien.
Um einer immerhin möglichen irrtümlichen Auslegung dieser
Mitteilung vorzubeugen, sei noch hinzugefügt, daß es sich um
neu geschaffene, in dem Verzeichnis erstmalig erscheinende
Stellen handelt. Im übrigen gehören in Hamburg sämtliche
staatlich angestellten Tierärzte zu den höheren technischen Be¬
amten.
Die 64. ordentliche Mitgliederversammlung des Tier¬
ärztlichen Landes Vereins in Württemberg
fand am Samstag, den 4. April d. J., vormittags 10'/ 3 Uhr, im Vor¬
tragssaal des Landesgewerbemuseums zu Stuttgart unter dem Vor¬
sitz des Stadtdirektions- und I. Stadttierarztes Veterinärrat Kösler-
Stuttgart statt. Als Vertreter des Kgl. Ministeriums des Innern
und des Kgl. Medizinalkollegiums war Herr Oberregierungsrat
Beißwänger anwesend, der die Versammlung im Auftrag des zu
seinem Bedauern dienstlich abgehaltenen Vorstandes der letzteren
Behörde, des Präsidenten von Nestle, begrüßte. Unter den zahl¬
reich erschienenen Mitgliedern befanden sich auch die Ehren¬
vorstände des Vereins, Herr Direktor Dr. von Sußdorf und Herr
Veterinärrat Ostertag-Gmünd und das Ehrenmitglied Herr Professor
Dr. med. Klunzingcr.
Entschuldigungsschreiben waren eingelaufen von den Ehren¬
mitgliedern: Herren Geh. Reg.- und Med.-Rat Prof. Dr. Dammann-
Hannover, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Roeckl-Berlin, Geh. Med.-Rat
Prof Dr. Esser-Göttiugen, Prof. Dr. Sch mal tz-Berlin, Prof. Dr.
Martin-Gießen, Tierarzt Schmidt-Kolding, und den Mitgliedern:
Herren Prof. Dr. Z w i c k - Stuttgart, Tierarzt Um gelter-Schotten.
I. Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden.
Die Zahl der Ehrenmitglieder ist dieselbe geblieben wie im
Vorjahr (20), die der Mitglieder hat um 10 zugenommen (167). Der
Vorsitzende hieß die neu Eingetretenen herzlich willkommen und
forderte sie auf, eifrig an den Bestrebungen des Vereins teil¬
zunehmen, da nur durch die Arbeit aller Tierärzte und festes Zu¬
sammenhalten unsere gemeinsame Sache einer glücklichen Zukunft
entgegengeführt werden könne.
Aus dem Bericht über die Tätigkeit des Vorstandes
im verflossenen Geschäftsjahr 1907/08 ist hervorzuheben, daß im
ganzen vier Ausschußsitzungen abgehalten wurden, denen jedesmal
ein Vertreter des Königl. Ministeriums des Innern, nämlich an drei
Sitzungen Herr Oberregierungsrat Beißw r änger, an einer Sitzung
Herr Prof. Dr. U e b e 1 e - Stuttgart beiwohnte. Als wichtige Be¬
ratungsgegenstände in diesen Ausschußsitzungen seien genannt:
A. Aus der Ausschußsitzung vom 4. August 1907.
1. Der Entwurf eines Reichsapothekengesetzes. Auf
Grund der Beratungen des Ausschusses wurde vom Vorstand am
20. August 1907 eine Äußerung über den vorliegenden Entwrurf an
das Königl. Medizinalkollegium dahin abgegeben, daß
a) bei der Errichtung von Apotheken in einem Bezirk auch
der beamtete Tierarzt gutachtlich gehört werden sollte;
b) die Notapotheken der Tierärzte denen der Ärzte gleich¬
gestellt und nicht zu den Hausapotheken (§ 17) gerechnet
werden sollten;
c) wegen der in Württemberg (Ministerialerlaß vom 9. Sep¬
tember 1896) den Apothekern erlaubten Repetition tierärzt¬
licher Rezepte und der damit verbundenen Gefahr bzw. Übung
mancher Apotheker, die betreffenden Rezepte auch anderen
Tierbesitzern anzufertigen und mit den Ordinationen der
Tierärzte die Selbstbehandlung der Tiere zu betreiben, in
den auf Grund des § 26, Ziffer 3 des Entwurfs zu er¬
lassenden Bundesratsvorschriften den Apothekern die Ab¬
gabe stark wirkender Tierarzneimittel ohne Or¬
dination, die Wiederholung tierärztlicher Rezepte,
sowie die Behandlung kranker Tiere verboten werde;
d) dem Ausschuß Gelegenheit gegeben werden möge, sich auch
zu den im Anschluß an das Reichsapothekengesetz zu er¬
lassenden Vorschriften des Bundesrats und der Landes¬
regierung seinerzeit äußern zu dürfen.
2. Gesundheitszeugnisse für Kindertransporte. Auf
das Ersuchen des Königl. Ministeriums des Innern vom 12. Juli 1907
um eine Äußerung über die Wiedereinführung der Gesundheits¬
zeugnisse für nandelsvieh unter Anlage einer Äußerung des Königl.
Medizinalkollegiums, tierärztliche Abteilung, vom 22/27. Juni 1907
hat der Vorstand auf Grund der Beratung im Ausschuß am
12. August 1907 seine Äußerung dahin abgegeben, daß
„der Ausschuß des Tierärztlichen Landesvereins hinsichtlich
des Werts der Gesundheitszeugnisse im allgemeinen und hin¬
sichtlich des Nutzens derselben im speziellen neben den
veterinärpolizeilichen Anordnungen im Sinne der Ministerial¬
erlasse vom 16. Juli 1906 und 25. Juli 1907 den Ausführungen
des Königl. Medizinalkollegiums vom 22./27. Juni 1907, Ziffer I
nur zustimmen kann. Auch der Tierärztliche Landesverein
ist der Ansicht, daß der Gesundheitszeugniszwang in der
Bekämpfung der Manl- und Klauenseuche ein Hilfsmittel dar¬
stellt, das der höchsten Beachtung wert ist.*
Anläßlich der letzten Seucheninvasion in Bayern und Württem¬
berg wird durch die Ministerialverftigung vom 9. Januar 1908 für
die aus den bayrischen Kreisen Schwaben, Ober- und Niederbayern
nach Württemberg eingeführten Wiederkäuer und Schweine das
Beibringen von Gesundheitszeugnissen verlangt.
3. Entwurf einer Gebührenordnung für die w'flrttem-
bergischen Tierärzte. Dieser Entwurf war auch Gegenstand
eingehender Beratung anläßlich der 63. ordentlichen Mitglieder¬
versammlung am 8. September 1907. Der Vorstand hat die da¬
maligen Beschlüsse in Form begründeter Anträge dem Königlichen
Ministerium des Innern übergeben. Über den derzeitigen Stand der
Angelegenheit ist hier nichts Näheres bekannt.
452
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 25.
B. Ausschußsitzung am 8. September 1907.
1. Um unsere Eingabe an das Königl. Ministerium des Innern
vom 3. September 1904 betreffend die Beschlüsse der 58. ordent¬
lichen Mitgliederversammlung zur Neuregelung dor Gehalts-,
Pensions-, Rang- und Tax Verhältnisse der württembergischen
Tierärzte weiter zu verfolgen, hat die zu diesem Zweck gewählte
besondere Deputation wiederholt Veranlassung genommen, dem
Herrn Minister des Innern, dem Herrn Ministerialreferenten und beim
Königl. Medizinalkollegium unsere Wünsche eingehend vorzutragen
und um deren baldige Verwirklichung ehrerbietigst zu bitten. Weiter
hat man es sich angelegen sein lassen, einer Reihe von Landtags¬
abgeordneten einen Einblick in unsere Verhältnisse zu geben, wo¬
bei zu konstatieren war, daß die Herren Abgeordneten im all¬
gemeinen unsere Wünsche als durchaus berechtigt anerkannten und
ihre wohlwollende Unterstützung zusagten. In Anbetracht der Ge¬
haltsregulierung der bayrischen, sächsischen und badischen Bezirks¬
tierärzte mit weit höheren Gehaltssätzen, als w'ir sie beantragten,
wurde die Frage erwogen, ob nicht der Landesverein mit einer
Eingabe auch an die Kammer der Abgeordneten herantreten sollte.
2. Der Entwurf eines Erlasses des Ministeriums des
Innern betreffend die Jahresberichte der Oberamts¬
tierärzte ist vom Königl. Medizinalkollegium dem Ausschuß zur
Begutachtung übergeben worden. Der Ausschuß stimmte dem Ent¬
wurf zu und brachte in seiner Äußerung vom 10. Oktober 1907
noch besonders zum Ausdruck, daß er Wert darauf lege, daß in
der Abteilung III, Gesundheitsverhältnisse der Haustiere, die Ober¬
amtstierärzte nicht bloß über die Gesundheitsverhältnisse der Haus¬
tiere, sondern über alle Fragen der Tierzucht und Tierpflege sich
aussprechen dürfen, da sonst die Oberamtstierärzte nicht wohl Ge¬
legenheit haben, in amtlicher Form ihre diesbezügliche Tätigkeit
darzulcgen und ihre Erfahrungen und Wünsche zum Ausdruck zu
bringen; auch glauben sie, daß die Fragen der Tierzucht und Tier¬
pflege von der Gesundheitspflege nicht getrennt werden können.
Mit dieser Bitte wollte der Ausschuß aber auch zu gleicher Zeit
unzweideutig zum Ausdruck bringen, w r elch großen Wert die
Tierärzte auf die praktische Arbeit in der Tierzucht
und Tierpflege legen und im Interesse ihrer praktischen
Tätigkeit und des Ansehens des tierärztlichen Standes
legen müssen.
3. Auf Grund der Beschlüsse der Herbstversammlung des Tier¬
ärztlichen Landesvereins am Sonntag, den 8. September 1907 hat
der Vorstand
a) in Sachen der Laiengeburtshilfe bei den Haustieren
ausführliche Eingaben an das Königl. Ministerium des Kirchen-
und Schulwesens sow ie an das Königl. Ministerium des Innern
abgehen lassen;
bi in Steuerangelegenheiten ein Gesuch um Gleichbehandlung
mit den Ärzten dem Königl. Ministerium des Innern vor¬
gelegt;
. c) der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift in
Hannover als zwangsweise zu haltendes Vereinsorgan ge¬
kündigt und beim Königl. Ministerium des Innern die Ab¬
änderung der § 3 und 13 der Satzungen beantragt,
worauf am 15. Februar 1908 die staatliche Anerkennung durch
das Königl. Ministerium des Innern erfolgte.
C. Ausschußsitzung am 12. Januar 1908.
Außer den beiden Fragen
1. der Überfüllung im tierärztlichen Beruf und
2. der Hygiene animalischer Nahrungsmittel, der
Aufgaben des Tierarztes besonders in der Milehhygiene,
welche auch auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung zur
Besprechung vorgesehen sind, beschäftigte den Ausschuß;
3. die Anstellung eines Lehrers für Tierzucht an der
Königl. Tierärztlichen Hochschule und gab Veranlassung,
an die Direktion der Königl. Tierärztlichen Hochschule eine Depu¬
tation, bestehend aus dem V orstand und dem Ehrenvorstand Herrn
Veterinärrat Ostertag, abzusenden, um auf die Notwendigkeit der
Anstellung eines Tierarztes als Lehrer in der Tierzucht hinzu¬
weisen. Am 31. Januar d. J. fand die Besprechung mit Herrn
Direktor Professor Dr. von Sußdorf in fraglicher Angelegenheit
statt, und am 3. Februar d. J. wurde von dem Vorstand unter Be¬
zugnahme auf die eben genannte Unterredung das Königl. Ministerium
des Kirchen- und Schulwesens unter Hinw r eisung auf die Be¬
mühungen der württembergischen Tierärzte, eine ihren Leistungen
auf dem Gebiet der Tierzucht auch entsprechende Stellung zu er¬
langen, wie dies in Bayern, Sachsen und Baden seit langem der
Fall ist, ersucht, den Tierärztlichen Landesverein oder dessen Aus¬
schuß darüber hören zu wollen, „ob die Tierzucht an der Tier¬
ärztlichen Hochschule zweckmäßiger und besser von
einem Nichttierarzt oder von einem Tierarzt gelehrt
w erde.“ Eine Antwort ist bislang noch nicht eingetroffen. Damit
bleibt uns die Hoffnung, daß wir gehört werden, und daß die nicht
für die württembergischen, sondern auch für die Tierärzte der
benachbarten deutschen Bundesstaaten außerordentlich wichtige
Frage* eine allseitig befriedigende Lösung erfahre.
4. Wanderausstellung der Deutschen Landwirt¬
schaftsgesellschaft in Stuttgart am 25.—30. Juni 1908.
Anläßlich dieser Ausstellung ist auf zahlreichen Besuch seitens
der Tierärzte aus allen Gauen Deutschlands zu rechnen. Als Treff¬
lokal für die Tierärzte ist das Restaurationslokal des Hotels Dier-
1 amm vorgesehen, in welchem das Korps Suevia seinen Stammtisch
auf Ersuchen in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat.
Der Verein beamteter Tierärzte Preußens ist hiervon verständigt
worden und hat durch seinen Vorsitzenden danken lassen. Es ist
beabsichtigt, in der Deutschen und der Berliner Tierärztlichen
Wochenschrift sämtliche bei dieser Gelegenheit nach Stuttgart
kommenden Tierärzte auf dieses Trefflokal aufmerksam zu machen.
Die württembergischen Tierärzte w erden es sich dabei angelegen
sein lassen, sich unsern Gästen in freundlich-kollegialer Weise zu
widmen.
Herr Direktor Dr. von Sußdorf stellte anläßlich der Wander¬
ausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft einen Kommers
der Studentenschaft der Tierärztlichen Hochschule in Aussicht, zu
w elchem die zum Besuch der Ausstellung hierher kommenden Tier¬
ärzte eingeladen werden sollen, und beantragt, für diesen Kommers,
falls er zustande kommt, seitens des Landesvereins einen Beitrag
von 300 M. zu bewilligen. Die Versammlung beschloß «lern Antrag
gemäß.
5. Vorbereitungen zur XI. Plenarversammlung des
Deutschen Veterinärrats zu Stuttgart.
Nach dem Ausspruch des Herrn Präsidenten des Deutschen
Veterinärrats, Herrn Geh. Mediz.-Rat Prof. Dr. Esser, am Schluß
der X. Plenarversammlung des Deutschen Veterinärrats zu Breslau
am 10. Juli 1906 wird Württemberg die Ehre haben, die nächste
Plenarversammlung des Deutschen Veterinärrats in Stuttgart be¬
grüßen zu dürfen. Um unsere Gäste aus Gesamtdeutschland würdig
empfangen zu können, bedarf es mancherlei Vorbereitungen. Zur
finanziellen Sicherung der Angelegenheit hat der Ausschuß be¬
schlossen, im laufenden Jahr mit dem Jahresbeitrag (3 M.
Jahresbeitrag, 2 M. Unterstützungskassenbeitrag) eine Extra¬
umlage von 10 M. pro Mitglied zu erheben; außerdem w'urden
die drei Delegierten des Tierärztlichen Landesvereins
(Beißwänger, Ostertag, Kösler) als Organisations¬
komitee mit dem Recht der Kooptation mit der Vor¬
bereitung beauftragt.
Der Antrag des Ausschusses auf Erhebung einer besonderen
Umlage von 10 M. per Mitglied und auf Einsetzung des Organi¬
sationskomitees w ird einstimmig von der Versammlung angenommen.
6. Tätigkeit der Zweigvereine. Aufnahme des Ver¬
eins süddeutscher, städtischer und Schlachthoftierärzte,
Landesgruppe Württemberg, in den Landesverein (§ 15
bis 17 der Satzungen).
Nachdem der Verein der süddeutschen städtischen und Schlacht-
hoftierärzte, Landesgruppe Württemberg, erklärt hat, daß seine
sämtlichen Mitglieder auch Mitglieder des Landesvereins sein
müssen, hat der Ausschluß beschlossen, diesen Verein als Zweig¬
verein im Sinne der § 15—17 unserer Satzungen anzuerkennen.
Der genannte Verein hat 42 Mitglieder und ist damit, obwohl der
jüngste, doch der kräftigste Zweig des Stammvereins. Als Dele¬
gierten in den Ausschuß des Landesvereins hat der Verein Herrn
Stadttierarzt Di euer-Ravensburg gewählt.
18. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT
453
D. Ausschußsitzung am 4. April 1908.
1. Die Kassenkontrolle wurde von dem Vizevorstand Ober¬
amtstierarzt Model-Gerabronn und Stadttierarzt Dr. Rössle-Ulm
vorgenommen und ergab keinen Grund zu einer Beanstandung.
2. Nach Erledigung einiger Unterstützungsgesuche wurde
beschlossen, Herrn Oberamtstierarzt Deigendesch-Balingen,
der am 10. September d. J. 50 Jahre Tierarzt ist, durch den Vor¬
stand die Glückwünsche des Landesvereins zu übermitteln, womit
die Mitgliederversammlung einverstanden ist.
3. Ein Neudruck der Statuten wegen der vorgenommencn
Änderungen ist nach Ansicht deB Ausschusses nicht notwendig.
Schließlich macht der Vorsitzende noch auf den Vertrag mit
dem Allgemeinen Deutschen Versicherungsverein in Stuttgart auf¬
merksam und fordert die Mitglieder zur Abschließung einer Unfall¬
versicherung mit dieser Gesellschaft auf.
Als Ort der nächsten Mi tgliederversammlung schlägt der
Ausschuß wegen der zentralen Lage und im Hinblick auf den Umstand,
daß jedes Mitglied gern wieder einmal nach Stuttgart kommt,
wiederum Stuttgart vor, wogegen sich kein Widerspruch erhebt.
II. Den Kassenbericht erstattete an Stelle des verhinderten
Kassierers, Stadttierarzt Schneid er-Stuttgart, der stellvertretende
Vorstand, Oberamtstierarzt Model-Gerabronn. Die Abrechnung ist
in der Ausschußsitzung eingehend geprüft und nicht, beanstandet
worden. Dem Kassierer wird hierauf Entlastung erteilt.
III. Sodann erhält Oberamtstierarzt Metzger-Nagold das Wort
zu nachstehendem Referat über „ Stand e sänge legen h bit cn in
Württemberg“.
Tierärztlicher Landesverein
in Württemberg.
Tierärztliche Standesfragen in Württemberg.
Referat von Oberamtstierarzt Metzger-Nagold.
Am 3. September 1904 hat der Tierärztliche Landesverein auf
Grund des Beschlusses der 58. ordentlichen Mitgliederversammlung
eine motivierte Eingabe an das Königl Ministerium des Innern mit
der. ehrerbietigsten Bitte uip Neuregelung der Gehalts-,. Bensions-,
Rang- und Taxverhältnisse gerichtet.
Die in der Eingabe vom 3. September 1904 aufgeführten Gründe
für die Erhöhung des Gehalts und insbesondere für die Fest¬
setzung eines erhöhten fingierten Gehalts behufs Erlangung eines
erträglichen Ruhegehalts treffen heute noch zu. Die Staatsgehälter
der beamteten Tierärzte der anderen Bundesstaaten, die damals
schon erheblich höhere wjiren als unser Gehalt, sollen nach den
Mitteilungen unserer Fachpresse in Rücksicht auf die seither starke
und in Zukunft noch ausgedehntere Inanspruchnahme dieser Beamten
wiederum wesentlich erhöht werden.
So ist für die badischen Bezirkstierarzte neben der Wohnungs¬
entschädigung, wie sie die vollbesoldeten Beamten erhalten, ein
Gehaltsrahracn von 1200 — 2800 M nach dem Wunsche der Bezirks¬
tierärzte eventuell 4000 M, für die bayrischen Bezirksärzte und Be¬
zirkstierärzte in dem neuen Gehaltsregulativ ein socher von 3000 bis
6000 M. vorgesehen. Was unsere amtliche Tätigkeit anlangt, so ist
diese seit unserer Eingabe zwar nicht viel extensiver, aber teilweise
recht intensiver geworden. Ich erinnere hier nur an die intensive
Inanspruchnahme der Oberamtstierärzte bei den letzten Seuchezügen
der Maul- und Klauenseuche, wo die beamteten Tierärzte der be¬
troffenen Oberämter mit dem Auftreten der Seuche ihre Praxis fast
völlig aufgeben mußten, eine Anforderung an uns, für die es im
ganzen Erwerbsleben wohl kein Analogon gibt.
Besonders herausgreifen möchte ich ferner die Tätigkeit der
Oberamtstierärzte in der Tierzucht, wenn auch die Tätigkeit der
württerabergischen Tierärzte auf diesem Gebiete nicht in dem Maße
wie in den anderen süddeutschen Staaten und in Sachsen durch
Gesetz festgelegt ist, so können wir doch ohne Übertreibung sagen,
daß wir in der Tat in demselben Umfange wie jene Kollegen an
der Förderung der Tierzucht beteiligt sind. Ich brauche in dieser
Versammlung nicht besonders zu erwähnen, daß von uns 64 Oberamts-
tierärzten 57 Vorsitzende und 4 stellvertretende Vorsitzende der Be-
zirksfarrenschaubehörden, manche auch Vorstand der landwirtschaft¬
lichen Bezirksveroine und von Vichzuchtgenossenschaften sind;
aber das muß besonders betont werden, daß es gerade die Ober-
amtstiorärzte sind, welche in täglicher unermüdlicher Kleinarbeit
durch direkte Einwirkung auf den Züchter einen Faktor in der
Förderung der Tierzucht bilden, der wohl der mächtigste ist, so weit
die Belehrung in Frage kommt.
Für diese dauernde Einzelarbeit bekommen und wollen wir
Oberamtstierärzte vom einzelnen Tierbesitzer keine Belohnung, weil
wir diese Arbeit für eine natürliche, dem Oberamtstierarzt von
Berufs wegen zukominende halten. Es ist deshalb nur ein billiges
Verlangen, daß der Staat bei der Bemessung unseres Gehalts diese
ausgedehnte Tätigkeit in Rechnung zieht und belohnt, wie dies in
Bayern und Baden bereits der Fall ist. Es könnte nun etwa ver¬
sucht werden, bei der Berechnimg unseres Gehalts zu ermitteln,
welche Zeit die Oberaratstierärzte durchschnittlich durch ihre Amts¬
tätigkeit in Anspruch genommen sind und uns entgcgengehaltcn
werden: „Ihr seid so und so viel Tage amtlich beschäftigt, somit
verbleiben Euch noch so und so viel Tage zur Ausübung der
Privatpraxis“. Diese Berechnung wäre theoretisch zwar richtig,
die Praxis lehrt aber etwas ganz anderes. Die Erhaltung einer
regelmäßigen, nicht einmal besonders ausgedehnten Praxis erfordert,
daß der Tierarzt im Bedarfsfall innerhalb angemessener Zeit dem
Tierbesitzer zur Verfügung steht. Ein in amtlicher Beziehung in
Anspruch genommener Oberamtstierarzt kann dieser Anforderung
nicht immer so regelmäßig genügen, und das ist auch der Haupt¬
grund, warum den Oberamtstierärzten die Erhaltung ihrer Praxis
immer schwerer wird, und warum das Eindringen von Stadttier-
| ärzten, Distriktstierärzten u. s. f. in ihre Praxis unaufhaltsam seinen
Fortgang nimmt. Möge die Königl. Regierung auch diesen Punkt
bei der Gehaltsbemessung gebührend würdigen.
Was die Festsetzung eines fingierten Gehalts behufs Erlangung
eines auskömmlichen Ruhegehalts anlangt, so ist seit jener Ein¬
gabe vom 3. September 1904 eine wesentliche Veränderung zu¬
ungunsten der in Zukunft anzustellenden Oberamtstierärzte ein-
getroten. Wie ich später nachwcisen werde, wird das künftige An¬
stellungsalter der Oberamtstierärzte im Lauf der Jahre in dem Maß
steigen, daß es bei den Tierärzten, die sich jetzt der Staats¬
prüfung in der Tierheilkunde unterziehen, durchschnittlich 40 Jahre
betragen wird. Dadurch wird die jüngere Generation der Ober¬
amtstierärzte zurzeit eintretender Dienstunfähigkeit oder im Todes¬
fall anderen Staatsbeamten gegenüber verhältnismäßig wenig
Dienstjahre haben. Rechnet man noch dazu, daß bei dem auch in
Zukunft immer noch bescheidenen Gehalt und der Schwierigkeit
aus der Privatpraxis einen nennenswerten Notpfennig znrückzulegen,
die Oberamtstierärzte auf einen angemessenen Ruhegehalt an¬
gewiesen sind, so wird das pensionsfähige Einkommen so fingiert
werden müssen, daß das sich ergebende Ruhegehalt auch bei der
jungen, erst in reiferen Jahren zur Anstellung gelangenden Gene¬
ration noch den Namen eines solchen verdient.
In der schon erwähnten Eingabe an das Königl. Ministerium
des Innern vom 3. September 1904 hat der Tierärztliche Landes¬
verein auch um eino zeitgemäße Taxe gebeten; eine solche ist noch
nicht erschienen. Es wurde in jener 58. Mitgliederversammlung an¬
geregt, man möge die Taxfrage als die brennendste und verhältnis¬
mäßig am einfachsten zu lösende Frage trennen von der Neuordnung
der Gehalts- und Pensionsverhältnisse; denn zu einer Neuordnung
der Gehalts- und Pensionsverhältnisse sei die Mitwirkung der Land¬
stände erforderlich; bei der Taxfrage indessen sei dies nicht not¬
wendig und ihr Bedürfnis sei von der Königl. Regierung schon vor
14 Jahren anerkannt worden. Sei die Taxfrage aber erledigt, so
lasse sich die Übergangszeit bis zur Befriedigung unserer anderen
Wünsche leichter ertragen. Leider ist dieser Anregung nicht nach-
gegaugen worden. Wir haben heute weder eine neue Taxe noch
sind unsere anderen Wünsche erfüllt worden. Ich stehe heute
noch auf demselben Standpunkt wie damals: Betreiben wir die Er¬
füllung aller unserer Wünsche mit unverminderter Energie; aber
trennen wir jetzt noch die Taxfrage von der anderen, und geben
wir uns alle Mühe, eine befriedigende, unverzügliche Lösung dieser
Frage zu erreichen. Ihre Regelung ist durch nichts behindert
weder durch die Novelle zum Vichseuchengesetz noch durch Be¬
rührungspunkte mit den Standesfragen der Oberamtstierärzte.
Ich hatte ein ausführliches Referat über die Taxfrage aus¬
gearbeitet; da aber der Herr Vorsitzende Wert darauf legt, die
heutige Tagesordnung ganz zu erledigen, muß ich mich auf das
No. 25.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT
454
Wichtigste der Taxe, die Reiseentschädigung der Oberamtstierärzte
bei amtlichen Verrichtungen beschränken.
Die seither den Oberamtstierärzten gewährten Diäten und Reise¬
kosten sind durchaus unzureichend. Es wird heute niemand mehr
darüber Auskunft geben können, ob die 15 Pf. für einen Kilometer
Landweg eine Entschädigung für das Gefährt des Oberamtstierarztes
oder für ein Mietsfuhrwerk sein sollen oder nur ein Stiefelgeld.
Die Oberamtstierärzte sind auf die Privatpraxis angewiesen und
bleiben es voraussichtlich noch lange. Viele oder die Mehrzahl
wohl hält sich zu diesem Zweck ein oder mehrere Pferde; neuer¬
dings auch einige ein Automobil. Diese Beförderungsmittel kosten
sehr viel Geld. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß die Pferde¬
preise seit 1874 etwa um 60 — 100 Proz. gestiegen sind. Eine schwere
Ration Futter für einen Einspänner oder schweres Reitpferd kostet
heute monatlich 52 M., eine leichte Ration 42 M. Die Haltung
eines Pferdes mit Burschen kostet pro Jahr 2100 M., zweier Pferde
mit Burschen 3000 M, die Haltung eines Automobils ohne Be¬
dienung nicht unter 2800 M.
Ein einspänniges Mietsfuhrwerk kostet pro Tag nicht unter
9 M., ein zweispänniges solches Fuhrwerk in der Regel
14 M., bei größeren Touren und zurzeit des starken Fremden¬
verkehrs 16 M. Weiterer Beweise, daß Reisen über Land
sehr 'viel Geld kosten, bedarf es wohl nicht. Die Oberamts¬
tierärzte haben nun bei amtlichen Reisen die Wahl, ob sie
ihr eigenes Gefährt benutzen oder zu Fuß gehen oder Miets¬
fuhrwerk benützen wollen. Der Effekt ist in der Regel derselbe,
nämlich der Schaden am Geldbeutel. Das eigene Gefährt be¬
nützen heißt, zugunsten des Staates die Reisekosten zahlen, denn
für 15 Pf. können wir den Kilometer nicht leisten. Das eigene
Gefährt stehen lassen und zu Fuß geben oder Mietsfnhrwerk nehmen,
heißt die ganzen täglichen Kosten für das eigene Fuhrwerk opfern
Derjenige aber, der kein Gefährt hat und zu Fuß geht, versäumt
zu viel Zeit. Dieser Zustand ist allmählich für die Oberamtstier-
ärzte unerträglich geworden, unhaltbar aber auch fiir den Staat,
und erheischt unverzügliche Abhilfe.
Aber der Oberamtstierarzt reist nicht nur teuer, das ist ja
allgemein so, sondern auch absolut teurer als andere Beamte.
Der Oberamtstierarzt reist, abgesehen von der Farrenschau,
stets allein, so daß eine Umlage der Reisekosten auf mehrere
Beteiligte stets ausgeschlossen ist. Unsere Amtsgeschäfte können
wir nicht wie andere Beamte auf bestimmte Stunden, nicht einmal
auf bestimmte Tage legen und die Termine auch nicht nach der
Reisegelegenheit (Eisenbahn, Post) einrichten. Ich erinnere hierbei
an die Viehmärkte. Der Oberamtstierarzt hat anwesend zu sein
vor Beginn des Marktes, nicht erst nach Ankunft des Zuges.
Ähnlich liegt es bei den Seuchenfällcn, in denen wir den Auftrag
zur Reise oft erst erhalten, wenn der günstige Zug fort ist.
Weiterhin verteuert unser oft sehr umfangreiches Gepäck (Mikroskop,
Obduktionsbesteck usw.) erheblich das Reisen. Endlich ist die
Dauer unserer Amtsgeschäfte in vielen Fällen im voraus gar nicht
abzusehen. Die Schätzer kommen lange nicht; die Desinfektions¬
arbeiten gehen langsam voran u. dgl. Da ist dann, bis wir spät
am Abend fertig sind, der letzte Zug fort. Wenn wir kein Gefährt
bei uns haben, sitzen wir draußen auf einem Ort, wo es unter
Umständen nicht einmal eine Gelegenheit zum Übernachten gibt.
Wenn die Königl. Regierung diese Gesichtspunkte alle würdigt,
so wird sie die Bitte der Oberamtstierärzte um eine angemessene
baldige Erhöhung dieser Gebühren für völlig berechtigt halten
müssen. Ein längeres Zuwarten bedeutet für die Gesamtheit der
Oberamtstierärzte tägliche Verluste.
Es kann sich dann nur noch um die Frage handeln, ob es
zweckmäßig ist, die im Entwurf vorgesehene Aversalentschädigung
der Bezirksbeamten zu gewähren oder das Tagegeld und die
Reisekosten zu trennen und dieses auf 10 M. pro Tag, die Reise¬
kosten aber auf 40 Pf. pro Kilometer Landweg unter gleichzeitiger
Erhöhung der übernachtungsgebühr auf 5 M. festzusetzen. Unter
40 Pf. pro Kilometer ist im Jahresdurchschnitt kein Gefährt zu
halten oder zu mieten. Beide Systeme haben ihre Vorteile und ihre
Nachteile. Bei der Aversalentschädigung ist der große Vorteil, daß
es jedem Oberamtstierarzt freisteht, ein Beförderungsmittel zu
wählen, wie es ihm beliebt. Maßgebend ist nur der Zeitaufwand.
Wo in großen Bezirken bei großen Fuhrwerkskosten die Entschädigung
nicht reicht, müssen die kleinen Reisen den Ausgleich schaffen.
Diesem Vorteil stehen aber auch erhebliche Nachteile gegenüber.
Bezirke mit kleinen Entfernungen oder gut entwickeltem Eisenbahn¬
netz werden begehrter sein als solche mit großen Entfernungen
und wenig Bahnverkehr. Ein häufiger Wechsel der Stellen wird
wohl die Folge sein. Dies ist nicht im Interesse unserer Bezirke
gelegen. Wir alle wissen, wie lange es dauert, bis man seinen
Bezirk so kennt, wie cs unser Amt verlangt. Es ist deshalb die
lange Erhaltung von mit allen Verhältnissen des Bezirkes eingehend
vertrauten Oberamtstierärzten für alle Bezirke, insbesondere für die
| großen wünschenswert
Fasse ich das über die Regelung der Gehalts-, Pensions- und
Taxverhältnisse Gesagte zusammen, so komme ich zu dem Ergebnis:
Eine Erhöhung des pensionsberechtigten Einkommens der Ober-
amtstierärzte ist dringend notwendig. Wenn auch zugegeben
werden muß, daß für das Königl. Ministerium des Innern eine
vorausgehende Regelung der Gehaltsverhältnisse der Oberamts¬
tierärzte und ein Überblick über die Inanspruchnahme der Ober¬
amtstierärzte infolge der Novelle zum Viehseuchengesetz wünschens¬
wert ist, so sind doch durchaus keine Gründe ersichtlich, welche
dem Erlaß einer Gebührenordnung entgegenstehen. Eine solche
hat weder mit den Eiukommensverhältnissen der Oberamtstiorärzte
etwas zu schaffen, noch mit einer etw'a durch das neue Tier¬
seuchengesetz bedingten größeren Inanspruchnahme der Oberamts¬
tierärzte. Vielmehr würde der baldige Erlaß einer Gebührenordnung
nicht nur die notwendige Abhilfe auf dem Gebiete des Gebühren¬
wesens bedeuten, sondern auch die mißlichen Gehaltsverhältnisse
für die, wie wir bestimmt hoffen, nicht mehr lange Übergangszeit
leichter ertragen helfen.
Ich stelle daher den Antrag, daß wir das Königl. Ministerium
bitten:
1. die Gehalts- und Pensionsverhältnisse der Oberamtstierärzte
sobald als möglich zu regeln;
2 die Verabschiedung der Taxe nach dem uns vorgelegenen
Entwurf jetzt schon bewirken zu wollen.
In zweiter Linie liegt es nahe, uns einmal die Frage vorznlegen.
wie es in unserem engeren Vaterlande mit dem Nachwuchs unseres
Standes bestellt ist, ob die Zahl der Tierärzte in Württemberg
zurzeit genügt und für absehbare Zeit genügen wird.
Unter der langjährigen Direktion des Obermedizinalrates
von Hering, der dem Grundsätze huldigte, möglichst viele, wenn
auch oft nur mangelhaft vor- und fachgebildete Tierärzte ins Land
hinauszusetzen, wurde Württemberg in den 50 er und 60 er Jahren
ein an Tierärzten überreiches Land. Bei der Billigkeit und Kürze
der Ausbildung ließen sogar einzelne Gemeinden auf ihre Kosten
Tierärzte ausbildcn, indem sie den Schülern die Verpflichtung auf¬
erlegten, sich in der Heimatgemeinde niederzulassen. Die Möglich¬
keit, so leicht Tierarzt zu werden, führte zur Überproduktion. So
z. B. waren im Jahre 1875 in Württemberg 341 Tierärzte ansässig.
Ende 1885 finden wir im Repertorium noch 272 aktive Tierärzte
in Württemberg verzeichnet, worunter 166 praktische Tierärzte.
Um ein Beispiel des damaligen Zustandes herauszugreifen, sei nur
erwähnt, daß im Oberamt Leutkirch damals 13 Tierärzte ansässig
waren, von denen aber auch nicht ein einziger eine auskömmliche
Praxis hatte. Die tierärztliche Praxis konnte eine solche Menge
von Tierärzten nicht ernähren, und so war der größte Teil dieser
Tierärzte gezwungen, den Lebensunterhalt in dem ursprünglichen
Berufe als Handwerker, Landwirt u. dgl. zu suchen Die Zahl der
Tierärzte sank auch etwas, nämlich auf 246 im Jahre 1889. Wenn
wir die damals, also vor rund 20 Jahren, im Militär-, Hof-, Staats¬
und Gemeindedienst vollbeschäftigten Tierärzte vorwegnehmen, so
hatten wir Ende der 80 er Jahre immer noch 146 Tierärzte, die
frei die Praxis ausübten. Es wird nicht übertrieben sein, w r enn ich
behaupte, und ich habe mir die Richtigkeit dieser Behauptung von
solchen Kollegen bestätigen lassen, welche die damaligen Ver¬
hältnisse aus eigener Erfahrung kennen, daß diese 146 Tierärzte
noch nicht einmal zu einem Viertel ihrer Tätigkeit durch ihren Beruf
als Tierarzt in Anspruch genommen w r aren. Wenn wir diese Tat¬
sache in Rechnung ziehen, so hatten wir Ende der 80 er Jahre eine
Überproduktion von etwa 100 Tierärzten in Württemberg.
18. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
455
Wie steht es heute mit der Zahl der Tierärzte? Heute haben
wir nur 11 Tierärzte weniger im Lande, nämlich 235. Wohl hat
der Yiehstand sich vermehrt und sind die Aufgaben der Tierärzte
gewachsen, aber nicht in dem Maße, daß diese 235 Tierärzte, die
kein Neben- oder vielmehr Hauptgewerbe treiben, die ihren Lebens¬
unterhalt vielmehr ausschließlich aus dem Berufe des Tierarztes
gewinnen müssen, nicht ausreichten. Wir dürfen nur die Zahl der
Tierärzte in den einzelnen Oberämtern betrachten und wir sehen,
daß das Bedürfnis nach Tierärzten im großen und ganzen reichlich
gedeckt ist, in einzelnen Bezirken aber jetzt schon tatsächlich eine
Überfüllung vorhanden ist.
Zurzeit haben wir in 3 Oberämtern 12 Tierärzte u. mehr,
„ 3 „ G „
„ 5 „ 5
„ 13 4
„14 3
„19 „ 2 „
nur in acht Oberämtern ist außer dem Oberamtstierarzt kein weiterer
Tierarzt vorhanden Diese acht Oberämter sind entweder sehr klein
(Böblingen, Vaihingen, Horb, Herrenberg) oder sehr dünn bevölkert
(Spaichingen, Aalen, Ellwangen).
Wie sieht es nun mit der Zukunft aus? Die Zahl der in den
Jahren 1899 bis 1907 vom Königl. Ministerium des Innern an ge¬
borene Wiirttemberger erteilten tierärztlichen Approbationen betrug
im Jahresdurchschnitt 9 und zwar 1899/1900 = 5, 1900/1901 = 5,
1901/1902 = 10, 1902/1903 = 8, 1903/1904 = 9, 1904/1905 = 12,
1905/1906 = 5 und 1906 1907 = 17. Im letzten Semester waren
an unserer Hochschule 66 Wiirttemberger eingeschrieben, das ergibt
für die nächsten vier Jahre unter Einrechnung der etwa an anderen
Hochschulen approbierenden Wiirttemberger einen Jahresdurchschnitt
von 16 jungen württembergischen Tierärzten. Zu den jungen ein¬
heimischen Tierärzten kommt nun neuerdings eine nicht zu unter¬
schätzende Konkurrenz von Nichtwürttembergern, vornehmlich
Bayern. Wo sollen diese Tierärzte alle untergebracht werden?
Seither rechnete der strebsame Tierarzt darauf, einmal Oberamts¬
tierarzt zu werden. Das kann er jetzt noch, aber wann? Von den
64 württembergischen Obcramtstierärzten haben 28 ein Dienstaltcr
von 10 Jahren und darunter, und 35 ein Dienstalter von 15 Jahren
und darunter. Eines weiteren Beweises für die Verjüngung des
oberamtstierärztlichen Standes bedarf es nicht. Diesem stark ver¬
jüngten Stand gegenüber stehen 47 Anwärter auf Oberamtstierarzt¬
stellen; so viele Tierärzte haben nämlich das Examen als beamteter
Tierarzt in Württemberg gemacht und sind als solcher noch nicht
angestellt. Wenn auch nur a / 3 dieser Anwärter wirklich auf Ober¬
amtstierarztstellen reflektieren, so sind das 32, eine Zahl, mit der
die Hälfte dieser Stellen besetzt werden kann. Rechnen wir mit
einem durchschnittlichen Abgang von 5 Oberamtstierärzten in zwei
Jahren, so haben wir heute schon den Bedarf von Oberamtstierärzten
für 12 bis 15 Jahre auf Lager. Mit anderen Worten: Die jungen
Tierärzte, die sich heute der Staatsprüfung in der Tierheilkunde
unterziehen, müssen etwa 14 bis 15 Jahre auf Anstellung warten
und erlangen diese Anstellung durchschnittlich in einem Alter von
40 Jahren. Ein Kommeutar ist überflüssig.
Wie steht es nun mit den sonstigen Aussichten der Tierärzte
in Württemberg? Stellenlose Tierärzte und Tierärzte, die auf
Plätzen sitzen, welche ihren Mann nicht oder nur dürftig ernähren,
scheint es genug zu geben, wie das enorme Angebot bei Stellen¬
besetzungen ausweist. So haben sich z. B. um die Distriktstierarzt¬
stelle in Schorndorf 16 und um die in Giengen a. Br. 18 Tierärzte
beworben. In der Erkenntnis dieser mißlichen Sachlage werden
zurzeit bei uns Stellen geschaffen, die an jene eingangs geschilderte
tierärzteüberreichc Zeit erinnern, Stellen, von denen jeder Fachmann
ohne weiteres sagen muß, sie können keinen Tierarzt ernähren.
Das Bestreben, auch im kleinen Dorf einen Tierarzt zu haben, der
fast nichts kostet, ist der Vater dieser zweifelhaften Gründungen.
Der tierärztliche Stand ist gewiß mit Freuden bereit, das Fort¬
kommen seiner Angehörigen zu erleichtern, aber er muß auch —
und jeder einsichtige Landwirt wird ihm darin beipflichten — da¬
gegen protestieren, daß Tierärzte nach Stellen gelockt werden, die
nimmermehr einem Tierarzt Unterhalt gewähren können. Solche
Stellen sind Klippen, an denen schon mancher Tierarzt Schiffbruch
gelitten hat. Diese Stellen müssen den Berufsgenossen das Leben
verbittern, das ihnen die erhofften Früchte nicht gebracht • hat.
Diese Kollegen sind nicht in der Lage, mit den anderen Tierärzten
Schritt zu halten. Die Mittel zu einer ihrem Bildungsgang und
-aufwand entsprechenden Lebensführung sind nicht da, ebenso nicht
die Mittel, um sich in Wissenschaft und Praxis auf der Höhe der
Zeit zu halten. Demgemäß werden auch die Leistungen abnehmen
und damit auch die Konkurrenzfähigkeit. Ein Zurückziehen von
den Kollegen ist die Folge, ein Versauern und Verbittern ist der
Schluß. Damit ist aber auch nicht der Landwirtschaft gedient.
Nur der tüchtige, mit der Wissenschaft fortschreitende und durch
die Praxis erfahrene Tierarzt ist für sie gut genug. Dazu gehört
ein angemessenes Feld der Tätigkeit. Die Belohnung der Tierärzte
wird ja immer in verhältnismäßig engen Grenzen bleiben müssen,
sie ist beschränkt durch den Wert unserer Objekte, und wir müssen
leider von unserem Berufe sagen: „Die Masse muß es bringen.“
Mögen es daher alle diejenigen hören, die bei der Aufstellung von
Tierärzten mitzuwirken haben. Erste Bedingung für die Aufstellung
eines tüchtigen Tierarztes ist ein genügend großes Arbeitsfeld; nur
auf diesem Boden kann er Wurzel fassen. Die Gründung solch
kleiner Tierarztstellen ist nur ein scheinbarer Vorteil für die Tier¬
besitzer und sie ist ein Unrecht am tierärztlichen Stande.
Ich habe bereits ausgeführt, in wie umfangreicher Weise die
Tätigkeit der Tierärzte und besonders der Oberamtstierärzte mit
der Tierzucht verknüpft ist. Diese Mitwirkung ist eine so
natürliche, hervorgegangen aus unserem Bildungsgang und unserer
Berufstätigkeit, daß unsere kleinen und mittleren Landwirte uns
für ihre natürlichen Berater auf diesem Gebiete ansehen. Von
diesem Gesichtspunkt aus sollte man annehmen, daß an der Stätte,
wo die angehenden Tierärzte ihre Vorbereitung für dieses wichtige
Fach erhalten, ein Tierarzt sie darin einführt. Dem Vernehmen
nach aber soll für den Lehrstuhl der Tierzucht ein Nichttierarzt in
Aussicht genommen sein. Wir Tierärzte sind nun gewiß nicht so
einseitig, daß wir Tierzucht nicht auch von einem Nichttierarzt
lernen wollten, und wir wären gewiß die letzten, die die Berufung
eines Nichttierarztes für diesen Lehrstuhl unserer Hochschule mit
scheelen Augen ansehen würden, sofern er eine Autorität auf diesem
Gebiet wäre. Das aber wäre für uns praktische und Oberamts¬
tierärzte ein schmerzlicher Schlag, wenn wir sehen müßten, daß
unser Nachwuchs in diesem Fach etwa von einem Nichttierarzt
unterwiesen würde, der selbst erst den Nachweis seiner Befähigung
hierzu zu erbringen hätte.
Die Beziehungen der württembergischen Tierärzte zu ihrer
Hochschule waren immer sehr enge, so daß es gewiß kein Ein¬
mischen in fremde Dinge ist, wenn wir im Hinblick auf unsere
Tätigkeit in der Tierzucht die Bitte an die Hochschule richten, für
den Lehrstuhl der Tierzucht einen Tierarzt in Vorschlag zu bringen.
Nichts könnte unserem guten Ruf in der Tierzucht in gewissen
Kreisen mehr schaden, als unser eigenes Zugeständnis, daß wir in
unseren Reihen keinen haben, der die Tierzucht so beherrscht, daß
er sie an unserer Hochschule vortragen könnte. Wir haben unter
unseren Kollegen solche, die die Fähigkeit für diesen Lehrauftrag
besitzen, Kollegen, welche nicht nur in ihrem engeren Wirkungs¬
kreis, sondern weit darüber hinaus einen guten Ruf auf dem Gebiet
der Tierzucht besitzen. Es könnte keine Schwierigkeiten bereiten,
einen dieser Tierärzte dafür zu gewinnen, diesen Lehrauftrag an¬
zunehmen und dieses Amt etwa von seinem Amtssitz aus ambulant,
zu versehen.
In der langen, zum Teil erregten Erörterung beschäftigte sich
die Versammlung vornehmlich mit dem letzten Punkt des allseitig
mit großem Beifall aufgenommenen Referats, daß an der Königl.
Tierärztlichen Hochschule zu Stuttgart künftig die Tier¬
zucht durch einen Nichttierarzt gelehrt werden soll.
In der Beurteilung der Anglegenheit zeigte sich zwischen der
Auffassung des Herrn Direktors Prof. Dr. Sußdorf und des Herrn
Prof. Dr. Gmelin von der Tierärztlichen Hochschule einerseits und
der Gesamtheit der praktischen Tierärzte andrerseits ein Gegensatz
sowohl hinsichtlich der Bedeutung als auch hinsichtlich der Lösung
der Frage. Die Tierärzte zählen ihre Tätigkeit auf dem Gebiete
der Tierzucht mit zu ihren vornehmsten Pflichten und glauben, daß
ihre sauer erworbene Stellung auf diesem Gebiet schwer beoin-
BERLINER TIERÄRZTLK IIE W(>( HENSCIIRIFT.
No. 25.
456
träehtigt werden müsse, wenn nun durch die Übertragung der
Ticrzuchtlehre an einen Nichttierarzt die Meinung erweckt werden
würde, daß der Tierarzt in der Tierzucht fremder Führung bedürfe.
Die Erörterung hierüber nahm so lange Zeit in Anspruch, daß
die übrigen Punkte der Tagesordnung auf die Ilerbstversammlung
ziirückgcstcllt werden mußten.
Nach den Verhandlungen vereinigle « in gemeinsames Mittag¬
essen im Rathauskeller die Teilnehmer an der Versammlung, wobei
Veterinärrat Kösler den Königstoast ausbrachte.
Verein beamteter Tierärzte Preußens.
Nachdem Professor Dr. Peter-Angcrmünde durch seine Be¬
rufung zum Staatstierarzt von Hamburg aus dem preußischen Staats¬
dienste ausgeschieden ist, hat derselbe sein Amt als Vorsitzender
des Vereins beamteter Tierärzte Preußens niedergelegt. Die Ge¬
schäfte des Vorsitzenden werden infolgedessen statutengemäß von
dem bisherigen 1. stellvertretenden Vorsitzenden Kreistierarzt R ust-
Breslau, Hohenzollemstr. 44 11, übernommen.
Ausstellung der D. L. G.
Anläßlich der Ausstellung der D. L. G. findet am 27. Juni zu
Cannstatt (Kursaal) eine öffentliche Versamm 1 ung der Ziegen¬
zucht er statt, bei welcher Oberamtstierarzt Honoker einen Vor¬
trag halten wird.
Tierärztlicher Verein für die Provinz Brandenburg.
Frühjahrsversaiumlung (im anatomischen Institut)
am Sonntag, den 21. Juni 1908, vormittags ll 1 /., Uhr.
Tagesordnung:
a) Vereinsangelegenheiten:
b) Ausgewählte Kapitel aus der Kastration — Herr Marstall-
Oberstabsveterinär Dr. Toepper;
c) Über die „Verbesserung der praktischen Ausbildung der
Studierenden“ — Herr Professor Dr. Scbmaltz;
d) Besprechung des „vorläufigen Entwurfs des Gesetzes betr.
Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte Personen
und den Geheimmittelverkehr nebst Begründung“ vom
tierärztlichen Standpunkt aus — Herr Tierarzt Arnous.
Nach der Sitzung (ca. Uhr) zwangloses Zusammensein auf
der Terrasse des Zoologischen Gartens. Gäste willkommen.
Der Vorstand. I. A.: Dr. Arndt.
Verein der Schlachthoftierärzte Westfalens.
Versammlung am Sonntag, den 12. Juli 1908, vormittags 11Uhr,
zu Unna-Königsborn, im Kurgarten.
Tagesordnung:
1. Mitteilungen: Bericht über die Versammlung preußischer
Schlachthoftierärzte.
2. Schlachttierversicherung; Referent: Kreistierarzt und Schlacht¬
hofdirektor Vo 1 m er- Hattingen.
3. Stellungnahme zum Anträge der tierärztlichen Gesellschaft
zu Berlin betr. außerordentliche Fleischbeschau bzw.
Markt- und Ladenkontrolle; Referent: Schlachthoftierarzt
Dr. Maaß-Hagen.
4. Besprechung der Vorschriften für die Wiegeordnung.
5. Mitteilungen aus der Praxis.
6. Ort und Zeit der nächsten Versammlung.
Nach der Versammlung gemeinschaftliches Mittagessen im
Kursaale; die Beteiligung der Damen ist erwünscht. Gäste sind
willkommen.
Hagen, Der Vorstand,
den 10. Juni 1908. I. A.: Clausen, stellvertr. Vorsitzender.
Naturforschende Gesellschaft zu Görlitz. Veterinär-medizinische Sektion.
Am Sonntag, den 21. Juni, unternimmt die Sektion einen Aus¬
flug nach dem reizenden Oybin bei Zittau und zwar mit Damen.
Die Mitglieder des tierärztlichen Vereins der Kreishauptmannschaft
Bautzen feiern ihr Sommerfest am selben Tage ebenfalls dort mit
der Sektion gemeinsam, und es Schweben Unterhandlungen, wonach
die deutsch-böhmischen Grenzkollegen aus Warnsdorf, Reichen¬
berg usw. sich ebenfalls mit ihren Damen auf dem Oybin einfinden
werden. Auf diese Weise arrangiert die rührige Sektion ein Zu-
Ve ui Iwörtlich fiir den Inhalt (exkl. Inst rateutuil): l’ruf. Dr. SchnmlU in Berlin.
Druck von W.
sammentreffen der Herren Kollegen, die nicht so selten, auch in
dienstlicher Beziehung, mit einander in Berührung treten, und es
liegt auf der Hand, daß persönliche Bekanntschaft otwaige vor¬
kommende Schwierigkeiten leichter überwinden läßt, als voll¬
ständiges Fremdsein mit einander. Zahlreiche Einladungen sind
ergangen, und hoffen wir auf allerseits regste Beteiligung. Sollten
wider Erwarten Kollegen keine Einladung erhalten haben, so ist
dies nicht in böser Absicht geschehen, und wird die Einladung
hierdurch nachgeholt Zu schriftlichen Arbeiten haben wir
praktischen Tierärzte ja wenig Zeit. — Für die weitwohnenden
Herren Kollegen empfiehlt sich Ankunft schon Sonnabend. Die
preußischen Herren verlassen Görlitz am 2t. Juni, früh 8 5:} ,
Richtung Zittau - Oybin, woselbst um 1 Uhr gemeinschaftliche
Mittagstafel stattfindet und zwar im Rittersaal des Berg¬
hotels Oy bin. Alle Auskünfte erteilt der Schriftführer der
Sektion in Görlitz. L.
XIV. Internationaler Kongreß für Hygiene und Demographie zu Berlin 1907.
Durch Fertigstellung des vier Bände umfassenden offiziellen
Kongreßberichtes sind die Arbeiten des XIV. Internationalen
Kongresses für Hygiene und Demographie Berlin 1907 beendet.
Der Versand der beiden letzten Bände an die Mitglieder des
Kongresses erfolgt noch im Laufe dieses Monats.
Der gesamte Bericht ist im Verlag August Hirschwald, Berlin,
erschienen und zum Preise von 50 M. im Buchhandel erhältlich.
Auch werden die Bände einzeln zu folgenden Preisen abgegeben:
Band I - 6 M., Band II - 14 M., Band III L Teil - 10 M.,
Band III 2. Teil - 10 M, Band IV — 10 M.
Maul- und Klauenseuche.
Im Sclilachtviehhof zu Straßburg am 13. er. neu ausgebroolicn.
Personalien.
Auszeichnungen: Es erhielt der Kgl. Bezirkstierarzt a. D. Ludirhi
Vnf/lert die Ehrenmünzc des Kgl. Bayerischen Ludwigordens.
, -Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Die Professoren *
an der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin, Geh. Rat Dr. Frosch und
Dr. Abderhalden , ersterer zum ordentlichen Mitgliede, letzterer zum
Hilfsarbeiter' bei der Technischen Deputation für das Veterinär¬
wesen zu Berlin; Ilofrat Dr. (Instar ton Värst, Herzogi. Sachsen-
Meiningenscher Hof- und Landestierarzt, zum ordentlichen Professor
für ambulatorische Klinik sowie gerichtliche und polizeiliche Tier¬
heilkunde an der Tierärztlichen Hochschule München. — Veterinür-
beamte: Tierarzt Dr. Isert- Gartz a. O. wurde mit den kreistier¬
ärztlichen Geschäften in Angermünde betraut, Stadttierarzt Sohjtr-
Weilheim a. Teck zum Stadttierarzt und Schlachthofverwalter in
Nürtingen (WUrtt.). — Am bakteriologischen Institut der Landwirt¬
schaftskammer in Halle ist Tierarzt Skibc , bisher Assistent an der
Tierärztlichen Hochschule in Hannover, als Assistent eingelreten,
desgl. Tierarzt Dr. Schumann, bisher Assistent am Schlachthof zu
Halle, in Vertretung des Tierarztes Münclujesamj.
Verzogen: Die Tierärzte F. lländd als oberamtstierärztlicher
Assistent nach Gerabronn (Wttrtt.), J. Schaflitiel aus Mittelstetten
als amtstierärztlicher Assistent nach Pausa (Sachsen , Dr. Friede.
UV/,. NVm/w/tr-Kehl als Assistent des Gr. Bezirkstierarztes nach
Lahr, Stefan Becker- Lörrach nach Wehr, Frifx Eicha-cktr- Langen-
briieken nach Gießen.
Examina: Promoviert: Die Tierärzte llruuo Hafner , Assistent
am Tierhygien. Institut in Ereiburg und Friede. Wäh. Sommer aus
Kehl zum Dr. med. vet. in Gießen. — Approbiert: Die Herren
Kr ich Hnuckold aus Fraustadt (Posen), Richard Joop aus Penchowo, Otto
Utxath aus Lootzen in Berlin, Uhlmann aus ('ranzahl in Dresden.
In der Armee: Preußen: Kommandiert: Oberstabsveterinär
Albert Orammlich, Inspizient an der Königl. Militär-Veterinär-
Akademie, zur Dienstleistung heim Königl. Kriegsministerimn.
Todesfälle: Die Tierärzte Emil Schaub in Stühlingcn, Awj. (hm n
in Giesenkirchen.
Vakanzen. cv K i. n>. au
Wrlii'; mul Kigontnm der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetx in Berlin. —
Mxonstein, Berlin.
i
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz ln
Berlin SW. 48, Wllhelmstr. 10. Durch Jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei Ina Haus geliefert. (Österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Tierärztliche Wochenschrift
Berliner
Originalbeiträge worden mit 60 Mit., In PetItsaU mR
tü) Hk. fllr den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Sclunaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., Luisenstraße 66. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare nnd Annoneen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Glage
Professor
Hamburg.
Veterinärrat Dr. Lothes
Departementstierarzt
Cöln.
Prof. Dr. Peter
Krelstierarzt
Angermünde.
Veterinärrat Peters
Departementstierarzt
Bromberg.
Veterinärrat Preuße
Departcmentstiorarzt
Danzig.
Dr. Richter
Professor
Dresden.
Med.-Rat Dr. Boeder
Professor
Dresden.
Dr. Schlegel
Professor
Freiharg i. Br.
Dr. j. Schmidt
Professor
Dresden.
Rcg.-Rat Dr. Vogel
Laudestierarzt ▼. Bayern
München.
Wehrte
Kairerl. Regierangsrat
Berlin
Zündel
Kreistierarzt
M ü 1 h a u se n i. E.
Jahrgang 1908.
,M. 26 . Ausgegeben am 25. Juni.
Inhalt: Titze und Weichei: Die Ätiologie der Kälberruhr. — Evers: Erfahrungen über die Schutzimpfung gegen Blut¬
harnen (Texasfieber) und die Damholidbehandlung. — HofTmann: Einige Instrumente für Bauenoperationen,
operative Koliktherapie an großen Haustieren. — Referate: Männer: Die traumatische partielle Peritonitis des Rindes
und die Fleischbeschau bei eingetretener Notschlachtung. — Aul ich: Ein Fall von metastatischer Sehnenscheidenentzündung
als Komplikation der Brustseuche. — Krüger: Jahresbericht über die in der Klinik der Königlichen Militär-Lehrschmiede zu
Berlin im Jahre 1906 behandelten Pferde. — Maier: Dymal (salicylsaures Didym). — Hutyra: Zur Frage der Schutzimpfung
von Rindern gegen Tuberkulose. — Hugendubel: Neue Erfahrungen über Immunisierung gegen Schweinepest. — Hugen-
duhel: Maul- und Klauenseuche in Schottland. — Aus der medizinischen Literatur. — Tagesgeschichte: Verkauf der ärztlichen
Praxis und Konkurrenzklausel. — 43. Generalversammlung des Vereins Kurhessischer Tierärzte. — IX. Internationaler Tier¬
ärztlicher Kongreß im Haag 1909. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
(Aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt.)
Die Ätiologie der Kälberruhr.
Von Regierungsrat Dr. med. vet. C. Titze und Tierarzt A. Weichei.
Aus den Untersuchungen von Jensen, aus anderen
Mitteilungen in der Literatur und aus unseren Versuchen, die
auf Veranlassung von Geheimrat Ostertag im Kaiserlichen
Gesundheitsamte ausgeführt werden, geht hinsichtlich der Ätiologie
der Kälberruhr unzweifelhaft hervor, daß geringe Kulturmengen
verschiedener Varietäten von Typhaceen, so von aus Kälberruhr¬
kadavern isolierten typischen Kolistämmen, von Pseudokoli-
bazillen, Parakolibazillen, Bacillus paratyphosus B und dem
Bacillus enteritidis Gaertner, verfüttert, mit großer Sicherheit
bei jungen Kälbern starke Durchfälle erzeugen, die häufig zum
Tode führen. Pathologisch-anatomisch findet man dieselben Ver¬
änderungen wie bei der enzootisch auftretenden Kälberruhr.
Ebenso gelingt es, in jedem Falle von Kälberruhr aus dem
Darmiuhalte der Kadaver, meistens auch aus den inneren
Organen und dem Blute, für Kälber pathogene Bakterien der
genannten Gruppe zu isolieren.
Bei einem spontanen Kälberruhrausbruch unter 8—14 Tage
alten Versuchskälbern des Kaiserlichen Gesundheitsamtes, bei
dem von 20 eingestellten Kälbern 5 starben, isolierten wir
lediglich aus dem Darminhalte sogenannte „Schweinepest¬
bazillen“. In den inneren Organen und im Blute ließen sich
derartige Bazillen nicht auffinden; auch zeigte das Blutserum
keine agglutinierenden Eigenschaften für den isolierten Bazillus.
Denselben Bazillus fanden wir im Kote eines gesunden, in dem
Versuchsinstitute des Kaiserlichen Gesundheitsamtes in Groß-
Lichterfelde W. gehaltenen Pferdes, während in dem Kote von
19 anderen Pferden, die verschiedenen Besitzern gehörten,
weder Paratyphus-B- noch Gaertnerbazillen nachgewiesen
werden konnten.
Eine andere von uns bearbeitete Kälberruhrenzootie auf
einem Gute in Mecklenburg ist bezüglich der Ätiologie der
Fleischvergiftungen von besonderer Bedeutung, da hier der
Bacillus enteritidis Gaertner als Erreger der Durchfälle nach¬
gewiesen wurde. Blutserum von umgestandenen jungen Kälbern
konnten wir zur Ausführung der Agglutination nicht mehr er¬
halten; doch agglutinierte das Blutserum von sechs anscheinend
gesunden Kälbern den Bacillus enteritidis Gaertner bis 1:8000.
Bacillus paratyphosus B wurde nicht agglutiniert, ebenso wenig
der eigene Darmkolibazillus. Wir haben überhaupt bei Unter¬
suchungen zahlreicher Fälle niemals gefunden, daß der Darm¬
kolibazillus der Rinder von dem Serum desselben gesunden
Tieres agglutiniert wird. Auf die Bedeutung des Bacillus
enteritidis Gaertner für septische Kälbererkranknngen hat auch
Riemer in der Sitzung des Rostocker Ärztevereins vom
11. Januar 1908 hingewiesen. Bei elf Fällen von septischen
Kälbererkrankungen konnte viermal ein Mikroorganismus isoliert
werden, der sich von dem Bacillus enteritidis Gaertner weder
kulturell noch durch Agglutination trennen ließ.
Mitte Mai d. J. erkrankte ein sechs Wochen altes Kalb in
Großlichterfelde spontan an Durchfällen und geringgradiger
Lungenentzündung. Im Kote des Tieres fanden wir ein
Bakterium, das vom Bacillus paratyphosus B und von dem so¬
genannten „Schweinepestbazillus“ nicht zu unterscheiden war
Das Blutserum dieses Kalbes agglutinierte den eigenen Stamm
sowie einen zum Vergleich herangezogenen Paratyphus-B-Stamm
im Verhältnis von 1:200. Das Kalb ist genesen.
Es kam uns nun darauf an festzustellen, in welchem Ver¬
hältnis die einzelnen Varietäten der Typhaceen bei der Kälber¬
ruhr zu einander stehen, und ob die Fleischvergifter eine
größere Rolle spielen, oder ob ihr Vorkommen nur als Aus¬
nahme zu bezeichnen ist. Wir untersuchten 200 verschiedene
Kälberruhrstämme, die uns von den Herren DDr. Schmitt-
Stettin, 0. Müll er-Königsberg, Raebiger-Halle, Bugge-Kiel,
Helfe rs-Prenzlau und v. San de-Frankfurt in liebenswürdiger
Weise zur Verfügung gestellt waren. Diese Stämme, die aus
458
zahlreichen Kälberruhrenzootien aus fast ganz Preußen isoliert
waren, wurden von uns nach ihren morphologisch-biologischen
und Agglutinations-Merkmalen bestimmt.
Als Bacterium coli commune erwiesen sich 151 Stämme,
als Parakolibazillen (Jensen) 28 Stämme, als Pseudokoli (Poels)
14 Stämme, als Bacillus Proteus 2 Stämme, als Bacterium acidi
lactici 1 Stamm. 4 Stämme konnten nicht untersucht werden,
weil sie nicht unversehrt in unseren Besitz kamen.
Wir versuchten die pathogenen Kolistämme von den aus
normalem Darminhalt gezüchteten Kolibazillen zu unterscheiden
und achteten dabei zunächst auf etwaige hämolytische Eigen¬
schaften. So wurden 40 Stämme nach dem Verfahren von
Schottmüller auf Blutagarplatten gezüchtet. In keinem Falle
konnte eine charakteristische Hämolyse nachgewiesen werden.
Die Ruhrkoli8tämme und die gewöhnlichen Darmkolistämme
verhielten sich vollkommen gleich.
Fütterungsinfektionsversuche an weißen Mäusen mit Kälber-
ruhrkolibazillen und Darmkolibazillen verschiedener Haustiere
(Rind, Pferd, Schaf und Ziege) verliefen sämtlich negativ.
Von den 28 Parakolistämmen ließen sich 23 weder kulturell
noch durch Agglutination vom Bacillus enteritidis Gaertner unter¬
scheiden und 1 Stamm nicht von dem „Schweinepestbazillus“.
Außerdem wurden 4 Stämme gefunden, die sich kulturell und
biologisch wie „Schweinepestbazillen“, Paratyphus-B-Bazillen
und Gaertnerbazillen verhielten, die aber weder vom „Schweine¬
pestserum“, Paratvphus-B-Serum noch vom Gaertnerserum (alle
Seren mit hohem Agglutinationstitre) agglutiniert wurden.
Wichtig ist das nicht gerade sehr seltene Vorkommen von
Gaertnerbazillen in Kälberruhrkadavern.
Um über das Vorkommen vom Bacillus enteritidis Gaertner,
vom Bacillus paratyphosus B, sowie von Parakolibazillen, die
weder vom Gaertnerserum noch vom Paratyphus-B-Serum agglu¬
tiniert wurden, bei gesunden Tieren Anhaltspunkte zu gewinnen,
untersuchten wir den Kot von 44 erwachsenen Rindern aus
verschiedenen Beständen und von f>0 (4—6 Wochen alten)
Kälbern des Berliner Schlachthofes. In keinem Falle fanden
sich derartige Bazillen, sondern im allgemeinen nur Kolibazillen,
Heubazillen und vereinzelt B. faecalis alcaligenes. Ebenso
verlief in dieser Hinsicht die Untersuchung des Kotes von
15 Schafen, 3 Ziegen, 16 Hunden, 24 Kaninchen, 50 Meer¬
schweinchen, 13 Hühnern, 14 Tauben, 6 Gänsen und 14 Sper¬
lingen negativ.
In jungen und älteren, keimfrei filtrierten Bouillonkulturen
von gewöhnlichen Koli- und Ruhrkolistämmen ließen sich in unseren
Versuchen Toxine nicht nachweisen; dagegen fanden sich Toxine,
allerdings nicht regelmäßig, in unseren mindestens 10 Tage
alten Paratyphus-Bouillonkulturen nnd den Gaertner-Kulturen.
Durch 7 a ständiges Erhitzen des toxinhaltigen Filtrates
auf 60° C wurde die toxische Wirkung zwar etwas abgeschwächt,
aber nicht aufgehoben. Nach Vaßtündigem Erhitzen auf 80° C
waren die Toxine unschädlich.
Mit den wirksamen Toxinen konnten, wenn sie per os ver¬
abreicht wurden, bei unseren Versuchstieren Durchfälle erzeugt
werden.
Sollte es sich im Verlaufe unserer Versuche herausstellen,
daß für die enzootisch auftretende Kälberruhr die bisherigen
ätiologischen Anschauungen richtig sind, was wir heute noch
nicht bestimmt zu entscheiden vermögen, so werden wir das
Hauptgewicht der Kälberruhrbehandlung auf die therapeutische
No. 26.
Verwendung von hochwertigem, polyvalentem, antitoxischem
Serum legen. Versuche zur Herstellung solcher Sera sind
bereits im Gange. Gerade bei der Kälberruhr würde eine Be¬
handlung nach Art der Diphtherietherapie angezeigt sein, da es
sich im wesentlichen darum handelt, von den neugeborenen
Kälbern die Gefahren in den ersten acht Lebenstagen abzuwenden.
Wie Ostertag und Stadie für die deutsche Schweinepest
nachgewiesen haben, daß ihr Erreger ein ultravisibles Virus
ist, so wurde auch bei Kälberruhr und Kälberpneunomie an eine
ähnliche Ursache gedacht. Diesbezügliche aufklärende Versuche
werden von uns ausgeführt.
Weiterhin haben wir unser Augenmerk darauf gerichtet,
ob sich die Erreger der menschlichen Dysenterie bei Kälberruhr
finden. Alle unsere bisherigen Untersuchungen von Kälberruhr¬
kadavern waren in dieser Hinsicht negativ. Auch unter den
200 untersuchten Kälberruhrbakterienstämmen fand sich nicht
einmal der Bacillus dysenteriae Kruse-Shiga oder der Bacillus
dysenteriae Flexner.
Die von uns in Angriff genommenen Untersuchungen können
gleichzeitig als Beitrag zu der von Loeffler auf dem XIV.
Internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie an¬
geregten wichtigen Frage der Differenzierung derTyphaceen dienen.
Bisher können wir folgende Varietäten unterscheiden:
1. Bacterium coli commune.
2. Pseudokolibazillen: verhalten sich kulturell und biologisch
wie das Bacterium coli commune, koagulieren aber
Milch nicht.
3. Parakolibazillen: verhalten sich kulturell und biologisch
wie Gaertner- und Paratyphus-B-Bazillen, werden aber
weder vom Gaertnerserum noch vom Paratyphus-B-
Serum agglutiniert.
4. Bacillus enteritidis Gaertner.
5. Bacillus paratyphosus B.
G. Bacillus paratyphosus A.
7. Bacillus typhi.
Erfahrungen über die Schutzimpfung gegen Blut¬
harnen (Texasfieber) und die Damholidbehandlung.
Von Bezirkstierarzt Evers -Waren.
T)ie seit einigen Jahren vorgenoramenen Schutzimpfungen
gegen Blutharnen mit defibriniertem Blut haben unzweifelhaft
viel Gutes geschaffen und manches Tier vor der natürlichen
Erkrankung bewahrt.
Anderseits haben aber auch diese Schutzimpfungen häufig
nicht zu unterschätzende Verluste herbeigeführt, die ungleich
ungünstiger von dem Publikum beurteilt werden wie die natür¬
lichen Verluste.
Auch die häufig aufgetretenen, nicht immer leichten natür¬
lichen Erkrankungen, trotz ausgeführter Impfung, dürften zur
Zeit der allgemeinen Schutzimpfung noch hinderlich sein.
Als Gegenstück zu den Erfahrungen des Kollegen
Dr. Bugge-Kiel (B. T. W. Nr. 6, 1908) möchte ich die mir
schriftlich mitgeteilten Erfahrungen des Kollegen H. Meyer
in Argentinien den Interessenten nicht vorenthalten.
Meyer sah bei der Firma Harteneck & Co. in Argentinien
anfangs Januar 1907 200 Rinder und junge Bullen, bei denen
die Schutzimpfung gegen Texasfieber mit defibriniertem Blut
ausgeführt wurde. Nach 12 Tagen erkrankten einige wenige
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
25. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
459
Tiere, die sich jedoch bald erholten. Erst in der 6. Woche
erkrankten sämtliche Tiere sehr stark nnd starben 28 Stück.
Am 5. Mai impfte M. die Tiere zum zweiten Male. Nach
12 Tagen erkrankten einige Tiere leicht, die auch schnell
wieder hergestellt wurden. Nur ein Bulle starb, während Meyer
abwesend war. Am 12. Juni erkrankten 15 Tiere, darunter
vier sehr schwer.
Meyer, der im Jahre 1906 nach Argentinien ging, bat
mich, ihm Damliolid zu Versuchszwecken zu überlassen, da er
mit dem Präparat die Behandlung des Texasfiebers, dort Tristera
genannt, versuchen wollte. Ich gab dem Kollegen das Präparat
mit der ausdrücklichen Bemerkung, auf die subkutane Therapie
keine zu großen Hoffnungen zu setzen, da die in der Wildnis
lebenden Tiere jedenfalls schon zu lange krank seien, wenn
dieselben als solche erkannt würden, und schlug vor, sofort
die endovenöse Behandlung auszuführen. Meyer behandelte
auf einer Viehfarm in Maco im Norden der Provinz Santa Fö
zwei schwer erkrankte Bullen subkutan mit 500 ccm einer
20proz. Damholidlösung, ohne einen Erfolg zu haben.
Den am 12. Juni 1907 schwer erkrankten vier Tieren, die
subnormalc Temperatur (39,5—37,3) und gelblich weiße Augen¬
schleimhäute hatten, gab Meyer 100 Damholid : 1000 Itrolwasser
endovenös und hatte den Erfolg, daß die Tiere sich innerhalb
48 Stunden vollständig erholt hatten.
Auch ich habe im vorigen Jahre ähnliche Erfahrungen
gemacht.
Auf dem Gute M. erkrankte am 6. Juni eine hochtragende
Starke schwer an Blutharnen. Bei der am 10. Juni gewünschten
Behandlung wurden dem Tiere nachmittags an jeder Halsseite
je ein Liter einer 20 proz. Damholidlösung eingespritzt. Die
Temperatur war 38,2. Das Tier war sehr matt, der Puls klein,
aber deutlich fühlbar. Schon vier Stunden nach der Einspritzung
war die Temperatur auf 36,8 gefallen und trat der Tod zirka
10 Stunden nach der Injektion ein. Bei der Sektion war fast
die ganze Flüssigkeit noch in der Unterhaut festzustellen.
Am 12. Juni behandelte ich in L. eine sechs Jahr alte Kuh,
die. seit drei Tagen an Blutharnen erkrankt war. Die Temperatur
war 37,8, der Puls sehr schwach, das Tier so matt, daß es nicht
stehen konnte. Ich injizierte 250 ccm einer 38° warmen 10 proz
DamholidlÖBung in die Jugularis und 1000 ccm einer 20 proz.
Damholidlösung in die Unterbaut. Am nächsten Tage war die
Temperatur auf 38,8 gestiegen und konnte, da Freßlust und
Rumination eingetreten war, das Tier am 15. Juni aus der Be¬
handlung entlassen werden.
Am 15. Juni erkrankte in C. eine hochtragende Starke an
schwerem Blutharnen und wurde 24 Stunden später in Behandlung
genommen. Temperatur 41,2, Puls kräftig. Freßlust gering,
aber viel Durst. Das Tier erhält 1000 ccm einer 20 proz.
Damholidlösung subkutan. Da am nächsten Tage der Appetit
noch sehr gering ist, Verstopfung eingetreten, auch die Tempe¬
ratur auf 40,5 gefallen war, so erhält das Tier nochmals
1000 ccm einer 20 proz. Lösung subkutan. Am 19. Juni war
das Tier genesen.
Von 12 schwer kranken Tieren habe ich im Jahre 1907 nur
die am 6. Juni erkrankte Starke verloren.
Ich glaube nach den von mir gemachten Erfahrungen sicher
annehmen zu können, daß eine endovenöse Injektion von 100 bis
250 ccm einer 10 proz. Damholidlösung und außerdem 1000 ccm
einer 20 proz. Lösung subkutan den Tod dieses Tieres ver¬
hindert hätten.
Im akuten Stadium des Blutharnens ist die Temperatur
immer auf 40—41,5° C. gestiegen und hält sich zwei bis fünf
Tage auf dieser Höhe. Hören die schweren Krankheits¬
erscheinungen nicht auf und Binkt die Temperatur konstant,
dann tritt der Tod bestimmt ein, wenn nicht schleunigst ein
Ersatz für das ausgeschiedene Hämoglobin geschaffen wird. Die
subkutane Therapie ist in diesem Stadium vollkommen nutzlos,
weil das Präparat von den Kapillaren nicht mehr aufgenommen
wird. Hier kann nur die endovenöse Therapie einen Erfolg
haben und hat es auch mit Sicherheit. Die endovenöse Injektion
wird sehr einfach mit einer Hohlnadel, Gummischlauch und
Trichter ausgeführt. Als Trichter verwendet man sehr praktisch
ein Glas von einer großen Glasspritze. Ich empfehle, nicht zu
weite Kanülen zu wählen, damit die zu injizierende Flüssigkeit
in recht dünnem Strahle einströmt und sich somit nur langsam
mit dem noch vorhandenen Blutstrom mischt. Luft darf
natürlich nicht in die Vene gelangen.
Die subkutane Injektion großer Mengen Damholidlösung
muß nach meinen Erfahrungen nur mit der automatischen Spritze
nach Strauß geschehen, da durch dieselbe eine Verunreinigung
der Lösung sicher vermieden wird und die Injektion sehr leicht
ausgeführt werden kann.
Ich verweise auf meinen Artikel in Nr. 25 der B. T. W. 1907.
Als Ersatz für das sehr schwer lösliche Itrol kann auch
Diaptherin (Oxychinoseptol) in 2%) Lösung gute Verwendung
finden. Actol wird von der Unterbaut nicht vertragen, da es
häufig Nekrose gibt.
Einige Instrumente für Bauchoperationen, operative
Koliktherapie an großen Haustieren.
Von Prof. L. Hoffmann-Stuttgart.
Die Eroberung der Bauchchirurgie an großen Haustieren,
die operative Behandlung der Kolik der Pferde ist die größeste,
noch am entferntesten liegende Aufgabe für den Tierchirurgen.
An Kolik sterben zirka 80 Proz. aller Pferde und mechanische,
chirurgisch lösbare Ursachen sind in mehr als der Hälfte dieser
Fälle anzunehmen. Schwierigkeiten sind: a) die enormen
Größenverhältnisse, denen der menschliche Arm und seine Kraft
oft nicht gewachsen sind, — b) die Schwierigkeit der Durch¬
führung der Anti- und Aseptik bei den großen Wundflächen und
die Schwierigkeit den tief einzufnhrenden Arm aseptisch zu er¬
halten, — c) der rasche Wechsel zwischen stärkster Kraft¬
anstrengung und zartester Kunstfertigkeit mit Arm und Hand,
wie er sich z. B.» bei Dislokation von großen schweren entfernt
und gespannt liegenden Darmpartien und nachfolgender
Darmnaht ergibt, — d) noch wenig ausgebildetes Spezial¬
instrumentarium. — Für einzelne Fälle, die mit der Hand und
dem Arm allein oder mit seitherigen Instrumenten nicht oder
nur mangelhaft zu bewältigen sind, habe ich große, meist außer¬
halb des TierkörperB Kraft erhaltende Instrumente hergestellt,
die sehr wirksam gemacht werden können. Ich habe für nötig
gehalten, einigen von diesen Instrumenten besondere, auf die
Wirksamkeit bezugnehmende Namen beizulegen.
Fig. 1. Digitorector (gestreckter, verlängerter Finger).
Metallstab, 95 cm lang, zweimal abschraubbar, von oben nach
15 cm und weiteren 30 cm. Er ist lang, gleichstark, 1 cm
460
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26.
Durchmesser, hat am oberen Ende kurzen, 2 cm vorstehenden, j aber in ganz kleinen Verhältnissen ausgeführt, in der Human¬
abgerundeten, etwa im halben rechten Winkel stehenden Haken. Chirurgie vorhanden.) Es ist 64 cm lang, besteht aus zwei
— Gebrauch des Instruments: Es ist als verlängerter nebeneinander gestellten, nach dem freien Ende sich ver-
Finger gedacht. In manchen Fällen finden die bis zum äußersten jüngenden Haken und einem dritten dazwischen befindlichen
gestreckten Arm und Finger wohl das Hindernis, allein die Eisenstab, der oben und unten am Griff, durch Verbindungs-
Länge ist nicht ausreichend, wirksam einzugreifen, die Finger- | stücke, die Hakenstäbe aneinander hält. Am freien unteren
Instrumente für Bauchoperationen , operative Koliktherapie an großen Haustieren
nach Prof. L. Hoff mann-Stuttgart.
1. THgitorector. 2. Adcersarius. 3. Bicapessar. 4. Bistouris auf langem biegbarem Kupfer stabgriff;
Klingen Fig. a , 6, c. 5. Schraubenschere. 6. Klemmxangc. 7. Metallrerschlußknöpfe auf langem
biegbarem Kupferstabgriff. 8. Trokar. 9. Hohlnadel.
Jedes Originalinstrument trägt die obige Asculap-Garantiemarke (eingetr. Warenzeichen).
spitze ist zu schwach, das Hindernis zu ändern. Hier wird
a) der vorderste Abschnitt das Instruments mit der Hand ein¬
geführt und wirksam gemacht oder b) der tastende Finger der
eingeführten Hand bleibt an der kranken Stelle und das ver¬
längerte Instrument wird neben dem Arm eingeschoben und von
außen bewegt.
Fig. 2. Adversarius (Hakenwender). (Das Instrument
ist schon in ähnlicher Konstruktion und zu ähnlichen Zwecken,
Ende jeden Hakenstabes ist ein breites Staffelrad mit flügel-
artig seitlich gestellten Griffen, die nach der Mitte, nach
oben und unten zusammengeklappt werden können, und die
gleichen Bewegungen machen oben die Haken mit, so daß diese,
wie in der Figur, beide je mit dem freien Ende seitlich von¬
einander stehen oder nach oben oder entgegengesetzt an¬
einander liegen. Die Wirkung zeigt sich deutlich und über¬
raschend, wenn die Griffflügel und damit auch die Haken
25. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
461
aneinander gelegt werden, über beide Haken eine Schnur ein¬
gehakt und als Schlinge nach oben zusammengehalten wird und
dann die Griffflügel beide nach außen und entgegengesetzt
zusammengedrückt werden, hierdurch wird die Schnurschlinge
aufgewickelt und zu einem leicht abschließbaren Knoten ge¬
bildet. — Gebrauch des Instrumentes: Strangbildungen am
Dickdarm aus den Darmbinden, Taenien, oder aus dem Netz
oder Gekröse, die blutlos getrennt werden sollen, werden mit
dem Instrument durchgehakt und zur Knotenschlinge um¬
gebogen. Hierdurch ist der Teil sehr sicher gefaßt, kann
herangezogen und weiter behandelt werden.
Fig. 3. Bicapessar (doppelte bewegliche Hakenzange).
Das Instrument ist 70 cm lang, ist eine sehr schlanke Zange
mit aufgelegtem aseptischem Schloß und statt des Zangen¬
maules sind zwei je 10 cm lange stumpfe Haken mit Charnier
derart angesetzt, daß sie sich nach vorn oder hinten je im
rechten Winkel (gesamt 180°) abbiegen lassen. Wenn die
Haken aneinander stehend eingesetzt werden und das gefaßte
Band usw. wird beiderseits fixiert und dann die Zangengriffe
geschlossen werden, so daß sich oben die Haken voneinander
entfernen, so wird der gefaßte Teil gedehnt. Gebrauch des
Instrumentes: In straffe, bandartige oder wegen ihrer
Schlotterigkeit anzuspannende Strangulationen werden die
Haken des Bicapessar eingesetzt, etwas angezogen und durch
Auseinandersperren der Zangenhaken der Strang angezogen und
gedehnt, dadurch für weitere Eingriffe parat gemacht.
Fig. 4. Bistouris auf langem, biegbarem Kupfer¬
stabgriff. Die Bistouris sind sehr kräftig, — geknöpft,
sichelförmig, — spitzig über die Schneide gebogen — und
gerade, oben stumpf. Die Schneidekante ist kurz. Ajn unteren
Ende der Klinge ist eine runde Klammer mit Schraubenmutter.
Der vernickelte Kupferstab hat 0,5 cm Durchmesser und oben
ist eine 1 cm lange tiefgehende Schraubenspindel angeschnitten,
zum Aufschrauben einer Bistouriklinge. Der Stab kann mit
beiden Händen gefaßt und beliebig gebogen werden, er ist aber
doch derart widerstandsfähig, daß er die ihm beigebogene Form
durch den Gebrauch nicht verliert. — Gebrauch der
Instrumente: Sie dienen zum Ein- oder Abschneiden der
obengenannten Gewebsstränge, die mit den unter Fig. 2 und 3
genannten Instrumenten gefaßt werden. Das Einfuhren des
Bistouris erfolgt, daß die Klinge zwischen Zeige- und Mittel¬
finger eingeklemmt wird.
Fig. 5. Schraubenschere. Das Instrument ist 85 cm
lang, die Scherenklingen 4 cm lang, kräftig. Die Gelenke
hinter dem Scherenschloß, gestreckt, 6 cm lang. Der Verschlu߬
dorn am Schloß ist auf einer Metallplatte befestigt. Der lange
Stielträger für die Schere steckt in einem Metallrohr von 1 cm
Durchmesser. Durch Gewinde am unteren Ende, mittelst des
querstehenden Doppelgriffes wird die Schere, auf wenige Um¬
drehungen, ad maximum geöffnet oder geschlossen. Ein seitlich
am Stangenrohr hervorstehender Griff ist durch Drehung
längs- und kreisförmig am Stangenrohr beweglich oder fixierbar
— Gebrauch des Instrumentes. Zu Trennungen in der
Tiefe der Bauchhöhle, an Teilen, die mit anderen Instrumenten
nicht durchführbar sind, z. B. die in 2. und 3. genannten Bänder,
aber auch noch Ränder von Platten, z. B. des Bauchfelles oder
anderer Teile, bei Invaginationen in das Winzlowsche Loch*
bei innerem Bruch der Ochsen usw. usw. Der Operateur ist mit
seinem Arme in der Bauchhöhle und fixiert mit Daumen und
Zeigefinger den zu trennenden Teil. Neben seinem Arme wird
von einem Gehilfen die Schere geschlossen eingeschoben, innen
leitet der Operateur den oberen Scherenrand an den zu
trennenden Gewebsteil, läßt von außen, durch Linksdrehung am
Doppelgriff, die Schere etwas öffnen und dirigiert, innen, den
abzuschneidenden Teil zwischen die Scherenklingen, die dann
durch das Zuschrauben von außen, mit Leichtigkeit ab¬
geschnitten werden.
Fig. 6. Klemmzange. Das Instrument ist 20 cm lang,
höchst kräftig und wirkungsvoll. Die aneinanderliegenden Maul¬
flächen sind glatt mit Kupferbelag. — Gebrauch des
Instruments: Verschluß von Drahtligaturen, zum Fassen und
Anziehen der Gummiröhre, für Ligatur, zum Abbiegen des
Kupferstabes und der sehr kräftigen Nadelhalter zur Verschlu߬
naht der Haut.
Fig. 7. Metallverschlußknopf auf langem, bieg¬
barem, vernickeltem Kupferstab. Der stark haselnu߬
große Metallknopf ist doppelt perforiert, mit a) einem gleich¬
mäßig 4 mm weit gebohrten Loch und b) einem zweiten
parallelen das seitlich 1 mm weit aufgeschnitten ist. Außerdem
ist ein drittes Loch bis in seine Mitte gebohrt zum Einstecken
des Kupferstabes. — Gebrauch des Instruments: Ein
entsprechend starkes Gummirohr wird, in straff gedehntem
Zustand, durch die geschlossene Lochung des Knopfes gezogen,
so daß er infolge seiner Elastizität, im Knopf festgehalten wird,
mit dem freien Ende des Rohres wird eine Schleife um einen
Gegenstand gebildet und das Rohr, straff angezogen, durch den
Schlitz im Knopfe gedrängt, so daß auch dieser Gummirohrteil
hier festgehalten wird. Es werden auf diese Methode Gewebs¬
stränge im Körper, die abgeschnitten werden sollen, aus deren
Stümpfen aber Blutung zu erwarten ist, doppelt abgebunden
und dann erst zwischen beiden Knöpfen getrennt.
Fig. 8 und 9. Trokar und Hohlnadel zur Entleerung
von Darmgasen oder Flüssigkeiten in der Tiefe der Bauch¬
höhle. — Fig. 8. Die Trokarhülse hat am hinteren Ende
der Kammer eine eichelförmige Bildung, auf welche bei aus¬
gezogenem Stilett ein Gummirohr aufgesteckt wird. Das Stilett
wird zuerst durch die Gummirohrwand gestochen, dann erst
durch die Kanüle geführt, damit die Spitze oben zum Vorschein
kommen kann ist das Stilett etwas länger als gewöhnlich.
Nach dem Einstich und Abzug des Stilettes entweichen Gase
oder Flüssigkeit durch das Gummirohr und können auf größere
Entfernung aus der Bauchhöhle geleitet werden. — Fig. 9 ist
eine starke Pravazsche Nadel mit Eichelansatz am hinteren
Ende zum Aufstecken eines Gummirohres, sie dient denselben
Zwecken wie der Trokar.
Die vorerwähnten Instrumente sind in einem stark gebauten
und gut vernickelten Metalletui untergebracht und können auch
gleich in dem Etui durch Kochen sterilisiert werden; um die
Sterilisation zu erleichtern sind die Stege, auf denen die Instru¬
mente ruhen, herausnehmbar angeordnet. Auch der Deckel
kann als Sterilisierschale benutzt werden.
Gummi (Drain- oder Ligaturschläuche) darf nicht innerhalb
des Etuis mit den Instrumenten zusammen aufbewahrt werden,
weil sonst die Metallinstrumente trotz bester Vernickelung
I oxidieren.
462
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26.
Referate.
Die traumatische partielle Peritonitis des Rindes and
die Fleischbeschau bei eingetretener Notschlachtung,
Von Dr. Hermann Männer-Karlsruhe.
(Mitteilungen des Vereins badischer Tierärzte. 1908, Nr. 2.)
Männer bespricht des näheren jene Bauchfellentzündung
des Rindes, welche sich den Verletzungen des Magens durch
Fremdkörper anzuschließen pflegt und hinsichtlich der Diagnose
ziemliche Schwierigkeiten bereitet. Für die differentielle
Diagnose kommen in Betracht: erfolglose Verabreichung von
Indigestions- und Abführmitteln, vermehrte Pulsfrequenz, Ver¬
sagen der Futteraufnahme, kurze unterdrückte, glucksende
Pansengeräusche, klein geballter, harter und mit Schleim über¬
zogener oder ganz dünnflüssiger, schwarzer, übelriechender Kot,
vereinzelt auch Zähneknirschen.
Besondere Schwierigkeiten bereitet die genannte Krankheit
bei der Fleischbeschau nach Notschlachtungen, wenn die Bauch¬
fellentzündung erheblich ausgedehnt ist und einen häufig
jauchigen oder eitrigen Charakter hat. Nach Männer ist es
falsch, sofort auf Septikämie zu schließen, die eine Fleisch¬
vernichtung bedingen müßte. Vor allem ist auf etwaige Ge¬
rinnung des Blutes zu achten; nur wenn letzteres sehr mangel¬
haft oder gar nicht geronnen ist, und wenn noch die anderen
Symptome: Ekchymosen an den serösen Häuten, Milztumor,
Lymphdrüsenentzündung usw. hinzukommen, liegt wirklich
Septikämie vor. Unerläßlich ist ferner die Kochprobe, denn
dieselbe gibt genauen Aufschluß darüber, ob etwa das Fleisch
bereits eine objektive Veränderung im Geschmack oder Geruch
erlitten hat. Ist dies der Fall, dann ist das Fleisch nach
§ 33 Abs. 18 zu beurteilen. J. Schmidt.
Ein Fall von metastatischer Sehnenscheidenentzündung
als Komplikation der Brustseuche.
Von Stabsveterinär Aul ich.
(Zeitschrift für Veterioärtcundd 1908, S. 27.)
Im vorliegenden Falle handelt es sich um eine Brustseuche¬
erkrankung, welche hauptsächlich infolge Komplikation mit einer
am linken Vorderschenkel auftretenden metastatischen Sehnen¬
scheidenentzündung letal endete. Hierdurch wurde es möglich,
die Sehnenscheidenveränderungen näher zu untersuchen. Aus
diesen von Aul ich angestellten Untersuchungen geht hervor,
daß bei dem in Rede stehenden Pferde am linken Vorderbein
bestanden hat:
1. Ein entzündliches Ödem der Unterbaut hämor.
rhagischen Charakters.
2. Eine hämorrhagisch-eitrige, exsudative Ent¬
zündung der unteren und oberen Sehnenscheide des
Huf- bzw. Kronbeinbeugers, bedingt durch Coccen, die
vielfach die gleichen Eigenschaften zeigten wie die von Schütz
im 13. Bande des Archivs für wissenschaftliche und praktische
Tierheilkunde beschrieben, als die Erreger der Brustseuche an¬
gesehenen Coccen.
3. Eine seröse Entzündung der Huf- und Kronbein-
beugesehnen, die in den mit der betreffenden Sehnenscheiden¬
wand in Berührung stehenden Randzonen einen mehr oder
weniger ausgeprägten hämorrhagischen Charakter angenommen
h at - Richter.
Jahresbericht über die in der Klinik der Königlichen
Militär-Lehrschmiede zu Berlin im Jahre 1906 be¬
handelten Pferde.
Von Stabsveterinär Ernst Krüger.
(Zeltschr. f. Veterinärk. 1907, S. 345.)
Aus dem von Krüger bearbeiteten Jahresbericht seien
folgende Punkte hervorgehoben: Pflanzliche Parasiten. Ein
am ganzen Körper an Herpes tonsurans leidendes Pferd wurde
täglich mit warmem, 5proz. Creolin- und 1 pro mill. Sublimat¬
wasser gewaschen; die erkrankten, bis handtellergroßen Haut¬
partien wurden abwechselnd mit Naphthalan und Salizylspiritus
eingerieben. Die Beseitigung des Leidens erforderte 3 Monate.
Nageltritt. Bei acht Pferden mußte das untere Endstück
der Hufbeinbeugesehne deseziert werden; von diesen Patienten
wurden drei als vollständig geheilt entlassen, zwei blieben am
Jahresschluß noch in Behandlung, ein Tier ging noch längere
Zeit lahm und zwei wurden getötet. Sämtliche Operationen
wurden nach Kokaineinspritzung am stehenden Pferde ausgeführt.
Hufknorpelfistel. 51 Pferde wurden behandelt; von
diesen sind 34 geheilt, sieben vor der Heilung der Operations¬
wunde entlassen, vier als unheilbar getötet, zwei gestorben und
vier in Behandlung geblieben. In allen Fällen wurde die totale
Exstirpation am stehenden Tiere ausgeführt. — In neun Fällen
w r ar das Hufgelenk mit erkrankt; von diesen wurden vier ge¬
tötet, zwei starben und bei drei Pferden gelang die Heilung»
die dann durchschnittlich drei Monate dauerte.
Krankheiten der Knochen. Ein Pferd litt seit mehreren
Monaten an einer wiederholt erfolglos operierten, vom Atlas
ausgehenden Fistel dicht unterhalb der rechten Ohrmuschel.
Es stellten siGh schließlich Lähmungserscheinumgen am ganzen
Körper ein; das Pferd verendete unter den Symptomen allgemeiner
Körperschwäche. Die Obduktion ergab, daß sich die Knochen¬
erkrankung auf das Rückenmark und seine Häute fort gepflanzt
hatte. Es fand sich eitrige Entzündung des unter der rechten
Parotis gelegenen Bindegewebes, Entzündung und Verdickung
der rechtsseitigen Gelenkbänder zwischen Hinterhauptsbein und
Atlas, eitrige Einschmelzung und Knochenwucherung des Atlas,
Entzünduug der Rückeumarkshäute nebst entzündlichem Erguß
und Entzündung des Hinterhauptsgelenks mit teilweisem Schwund
des Gelenkknorpels. Richter.
Dymal (salicylsaures Didym).
Von Oberveterinär Dr. Ant. Maier - Nürnberg.
(Wochetischr. f. Tierblk. u. Viehzucht, 52. Jahrg. Nr. 4.)
Verfasser erzielte mit diesem neuen, von Zimmer & Cie.
in Frankfurt a. M. hergestellten Wundmittel mehrfach sehr
zufriedenstellende Heilerfolge. Er beschreibt des näheren zwei
instruktive Fälle aus der Hundepraxis, in denen die Heilung
außergewöhnlich glatt und ohne Komplikationen verlief. Im
ersten Fall fand sich — von kleineren Bißwunden abgesehen —
die Haut des Brustkorbes, dicht hinter dem linken Ellenbogen¬
gelenk beginnend, quer über das Rückgrat bis zum unteren
Drittel der rechten Seitenbrust gänzlich aufgeschlitzt, so daß
eine weitklaffende, ca. 22 cm lange Wunde mit zerfetzten
Rändern entstand, innerhalb deren die Faszien bzw. die Rücken-
und Brustmuskulatur fiei zutage lagen. Dermatolbepuderungen
und weiterhin Therapogenbehandlung bewährten sich nicht,
während Dymal die Bildung von gesunden Granulationen uncl
damit Genesung bedingte.
25. Juni 1908.
Berliner tierärztliche Wochenschrift.
Im zweiten Fall erlitt ein Foxterrier am linken Baggelenk
einen fast kreisrunden Substanzverlust der Haut in der Größe
eines Fünfmarkstücks. Die Wundränder waren zum Teil auf¬
gerollt und von ihrer Unterlage losgerissen, so daß eine flache
Tasche entstand. Nach drei Wochen war der Defekt infolge
Applikation des Dymals geschlossen. Die Vorzüge des letzt¬
genannten Präparates sind die sekretionsbeschränkende
und granulationanregende Wirkung sowie die Geruch¬
losigkeit. J. Schmidt.
Zur Frage der Schutzimpfung von Rindern
gegen Tuberkulose.
Von Professor Dr. F. Hutyra-Budapest.
(Zeitschrift für Tiermedizin, XI. Band, 4./5. Heft)
In einer umfangreichen Abhandlung bespricht Hutyra die
Versuche und Erfahrungen, die bisher mit Schutzimpfung von
Rindern gegen Tuberkulose gemacht worden sind. Der Verfasser
berichtet dann weiter über seine weiteren Versuche, die an-
gestellt wurden, um einige der bisher empfohlenen Impfmethoden
bezüglich ihrer Schutzwirkung unter einander zu vergleichen,
andererseits aber die Prüfung der künstlich erhöhten Widerstands¬
fähigkeit in verschiedenen Zeiträumen nach Abschluß der
Schutzimpfung vorzunehmen. Die Versuche erstreckten sich
auf einmalige subkutane und einmalige intravenöse Schutz¬
impfung, ferner auf die Schutzimpfung nach Behrings Methode
mit Kontrollinfektion nach 772 Monaten und nach 17 Monaten
nach der Schutzimpfung.
Prof. Hutyra kommt zu folgender Zusammenfassung: Die im
Laufe von vier Jahren seit der Anwendung der von Behring
zur Immunisierung von Rindern für die Praxis empfohlenen
Schutzimpfung gewonnenen experimentellen Erfahrungen be¬
rechtigen wohl zu der Schlußfolgerung, daß
1. durch eine zweimalige intravenöse Einverleibung
menschlicher Tuberkelbazillen die Widerstands¬
fähigkeit der Rinder gegenüber einer späteren
künstlichen Infektion unmittelbar in bedeutendem
Maße erhöht wird; daß aber
2. die künstlich erhöhte Resistenz von nicht langer
Dauer ist, sondern bereits gegen das Ende des
ersten Jahres nach der Schutzimpfung erheblich
abnimmt und nach einem weiteren halben Jahre
vollends erloschen sein kann.
Da die einmalige subkutane Injektion humaner
Tuberkelbazillen in ihrer Schutzwirkung der zweimaligen
intravenösen Impfung gleichzustellen ist, so dürften die obigen
Folgerungen auch für diese Methode zutreffen. Ferner liegen
bisher keine experimentellen Beweise für die Annahme vor, daß
eine einmalige intravenöse Schutzimpfung eine dauernde
Immunität verleiht. Es sprechen vielmehr theoretische Er¬
wägungen dafür, daß die Schutzimpfung nach dieser Methode
hinter der an erster Stelle erwähnten zurücksteht.
Die experimentellen Ergebnisse und das zurzeit zur Ver¬
fügung stehende statistische Material beweisen noch nicht den
praktischen Wert der Schutzimpfung. Vielleicht könnte man
darauf kommen, neben dem Schutzimpfangsverfahren gleich¬
zeitig das eine oder andere der von Bang empfohlenen Be¬
kämpfungsverfahren mit anzuwenden. Auch könnte man durch
in weiten Zeiträumen (alljährlich?) wiederholt subkutane oder
intravenöse Injektionen des Impfstoffes die Resistenz auf die
463
Dauer auf der nötigen Höhe erhalten. Allerdings ist in diesem
letzteren Falle bei Schlachttieren daran zu denken, daß sich
dem Körper von Rindern einverleibte menschliche Tuberkel¬
bazillen nach den Versuchen von Lignit res bis zu zwei
Jahren im lebenden Zustande erhalten können. Jedenfalls muß
auch jetzt noch das Bangsche Verfahren als das beste be¬
zeichnet werden. Rdr.
Nene Erfahrungen über Immunisierung gegen
Schweinepest.
Die Untersuchungen von amerikanischen Gelehrten haben
bekanntlich ergeben, daß die Schweinepest einem flltrierbaren
Virus zuzuschreiben ist. Die bedeutendsten europäischen
Bakteriologen sind derselben Meinung. Seit dem Jahre 1903
suchen die Bakteriologen des Bureau of Animal Industry ein
Serum zu gewinnen, das imstande ist, die Schweine gegen
Schweinepest zu immunisieren. Ihren Versuchen zufolge ziehen
sie zurzeit nachstehende Schlüsse:
1. Injiziert man Schweinen, "welche schweinepestimmun sind,
eine bestimmte Blutmenge schweinepestkranker Schweine, so
erhält deren Blutserum das Vermögen, nicht schweinepest¬
immune Schweine gegen eine tödtliche Dosis pathogenen Blutes,
welches gleichzeitig mit dem vorgenannten Serum injiziert wird,
zu immunisieren.
2. Die Schweine, welche, obgleich sie lange Zeit der
Schweinepestinfektion ausgesetzt waren aber nie Symptome der
Krankheit zeigten (natürliche Immunität), sind imstande ein
ebenso kräftiges Serum zu liefern wie jene, welche von einem
Anfalle der Krankheit genesen sind (erworbene Immunität).
3. Man erzielt Immunität ebenso durch Injektion einer
großen Dosis pathogenen Blutes, als auch durch Anwendung
wiederholter kleiner Mengen.
4. Die Immunität kann mit Blut jeglicher Art virulenten
Schweinepestblutes erreicht werden.
5. Die immunisierten Schweine bewahren höchst wahr¬
scheinlich mehrere Monate lang das Vermögen, ein wirksames
Serum zu liefern.
6. Serum von Schweinen, welche mit 20 ccm immunisiert
sind, schützt nicht immune im Gewicht von 25 bis 50 Pfund
gegen eine tödtliche Dosis gleichzeitig verabreichten pathogenen
Blutes.
7. Die Immunität der Schweine, welche nach der Methode
„Serum und Blut zugleich“ behandelt wurden, besteht mindestens
372 Monate und wahrscheinlich noch länger.
8. Bei der Impfung „Serum und Blut zugleich“ ist es nicht
nötig, die Krankheit bei dem geimpften Schwein hervorzurufen,
um eine Immunität von mindestens drei Monate zu erzeugen.
9. Nimmt man eine genügende Dosis Serum, so haben die
Schweine unter der„Serum-Blut“-Impfung in keinerWeise zu leiden.
10. Die nach der Methode „Serum-Blut“ geimpften Schweine
übertragen die Krankheit nicht auf andere, wenigstens nur,
wenn sie selbst erkranken.
11. Das Serum allein vermag einen völligen Schutz nur
für drei Wochen zu verleihen.
12. Das Serum kann wahrscheinlich mit Erfolg als Heil¬
mittel angewandt werden, wenn man es im ersten Stadium der
Krankheit anwende.t
Bulletin of the B. A. J. Nr. 112. janvier 1908.
Hugendubel.
464
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Maul- und Klauenseuche in Schottland.
Die Maul- und Klauenseuche, deren sich Großbritannien seit
mehreren Jahren entledigt hatte, ist neu in Schottland auf¬
getreten. Sie wurde am 4. Februar in Elvanbank bei Edinburg
bei einer Herde von 108 Tieren, die einem Herrn Robertson
gehörten, festgestellt. Sonntag, den 15. Februar, ist sie in
Murrayfield, eine halbe Meile von Elvanbank, in einem Stalle von
21 Kühen, gleichfalls Herrn Robertson gehörig, erschienen.
Die Mehrzahl dieser Tiere war am Mittwoch zuvor in Edinburg
gekauft worden und mit den Tieren von Elvanbank aicht in
Berührung gekommen. Es erübrigt hinzuzufügen, daß alle diese
Tiere geschlachtet wurden, wie auch 16 Kühe eines Herrn
Simpson in Murrayfield, die durch Jauche infiziert waren.
Diese Vorkommnisse haben eine starke Bewegung im vereinigten
Königreich hervorgerufen. Man vermutet, daß die Seuche durch
Hafer aus Holland eingeschleppt wurde; deshalb wurde ein
Verbot erlassen, ferner Stroh und Hafer aus Europa einzu¬
führen mit Ausnahme von Norwegen, Schweden und Dänemark.
Die Landung der „Fram“, welche eine Ladung Futter von Dün¬
kirchen nach Irland hatte, wurde nicht gestattet. (Recueil de
mödecine vöterinaire.) Hugendubel.
Ans der medizinischen Literatur.
Zentralblatt für Bakteriologie usw. 46. Bd., Originale S. 671.
Eine spontane Streptococcenepidemie unter weißen Mäusen. (Aus
dem hygien. Institut der kk. Universität Innsbruck, Vorstand
Prof. Lode.) Von F. Kutschera. — Unter den weißen Mäusen
des vorstehend genannten Instituts brach im Herbst v. J. spontan
eine Seuche aus, der viele Tiere zum Opfer fielen. Bei der
Sektion wurden meist Schwellungen der Milz und Nieren ge¬
funden, mehrmals erschien die Milz auf das Drei- und Vierfache
vergrößert und mit stecknadelkopfgroßen Abszessen durchsetzt.
Bakteriologisch wurde eine Mischinfektion von Streptococcen
und Staphylococcen mit Überwiegen der ersteren nachgewiesen.
Der untersuchte Streptococcus, der nach der von Lingelsheimschen
Probe als „brevis“ zu bezeichnen ist, erwies sich auch für
Kaninchen, nicht aber für Meerschweinchen pathogen. Die Seuche
erlosch erst nach mehreren Wochen und nach wiederholter
gründlicher Desinfektion der Käfige.
Dieselbe Zeitschrift, S. 674.
Beitrag zur Biologie des Erregers der Kälberruhr-Colibacillosis.
(Aus dem bakteriologischen Institut der Serumgesellschaft m. b. H.
in Landsberg ä. W.) Von K. Neumann. — Die Arbeit wurde
unternommen, um Aufklärung darüber zu erhalten, ob sich die
im Institut gezüchteten Kälberruhrbakterien durch Passagen in
ihrer Virulenz oder in ihrer Stammverschiedenheit abändern
lassen. Zusammenfassung: 1. Eine wesentliche Virulenz-
vermindernng bei Kälberruhr-Colistämmen ist, wenn sie auf
künstlichen Nährböden gehalten werden, innerhalb einer
Beobachtungszeit von zwei Jahren nicht zu konstatieren.
2. Durch öfteres Umstechen von Gelatine zu Gelatine oder von
Milch zu Milch läßt sich die Virulenz der Kälberruhrcoli-
bakterien nicht erhöhen. Der Gelatinenährboden scheint für die
Züchtung dieser Bakterien geeigneter zu sein als der Milch¬
nährboden. 3. Die Angabe Jensens, daß durch Meerschweinchen¬
passage für Meerschweinchen eine Virulenzsteigerung der
Kälberruhrcoliarten eintritt, trifft für wenig- und hochvirulente
Stämme zu. 4. Durch Mauspassagen gelingt es nicht, die
Kälberrruhrcolibakterien derart in ihrer Virulenz zu erhöhen
No. 26.
daß sie mit Regelmäßigkeit Mäuse in kleinen Dosen töten.
5. Durch Mauspassagen gelingt es, die Virulenz der Kälberruhr-
colibakterien zum Teil recht erheblich für Meerschweinchen zu
erhöhen. 6. Durch Meerschweinchenpassagen läßt sich eine
Virulenzsteigerung der Kälberruhrbakterien für Mäuse nicht er¬
reichen; eher kann eine Virulenzverminderung für Mäuse ein-
treten. 7. Es gelingt nur schwer, Mäuse mit Kälberruhrcoli
hoch zu immunisieren. 8. Durch Immunisierung von Mäusen
können sich bei diesen Erscheinungen einer Resistenzerhöhung
gegen andere Stämme geltend machen. 9. Die tödliche Infektion
mit Kälberruhrcoli ist bei Meerschweinchen seltener von der
Subcutis als vom Peritoneum erreichen. 10. Gelingt es, einen
Kälberruhrcolistamm durch Passage virulenter zu machen, so
erzeugt dieser virulenter gewordene Stamm ein stärker aggluti¬
nierendes Serum, als der weniger virulente Anfangsstamm.
11. Die Virulenz eines Kälberruhrcolistammes allein entscheidet
nicht über die Höhe der Partialagglutination. Ein weniger
virulenter Stamm kann ein stark agglutinierendes Serum für
einen stärker wirkenden Stamm erzeugen, ohne daß umgekehrt
derselbe stärker virulente Stamm ein stark agglutinierendes
Serum für denselben weniger virulenten Stamm liefern muß.
12. Immunisiert man mit mehreren Kälberruhrcolikulturen ein
und dasselbe Tier, so kann zwischen den erzeugten Agglutininen
der einzelnen Stämme und der Virulenz ein Parallelverhältnis
bestehen, vorausgesetzt, daß die benutzten Immunisierungsdosen
die gleichen waren, und die Injektion gleichzeitig erfolgte.
13. Die Stammverschiedenheit der Kälberruhrcolistämme, die
sich dadurch ausdrückt, daß a) das Serum eines Stammes nur
gegen den homologen, nicht gegen einen heterologen Stamm
schützt, und b) ein mit einem Kälberruhrcolistamm hoch¬
immunisiertes Versuchstier gegen einen anderen Stamm nicht
immun ist, läßt sich durch gleichmäßige Passagebehandlung
nicht verwischen oder aufheben. 14. Die Stammverschiedenheit
der Kölberruhrcolistämme, wie sie sich durch die „Spezifität“
der Agglutination ausdrückt, kann sich durch Passage ver¬
wischen oder aufheben lassen. 15. Die Agglutinationskraft
eines Kälberruhrserums und deren Höhe kann zur Beurteilung
seines Gehaltes an Immunkörpern nicht herangezogen werden.
Dieselbe Zeitschrift, S. 709.
Über das Verhalten des HQhnerpestvirus im Zentralnervensystem
empfänglicher, natürlich und künstlich unempfänglicher Tiere. (Aus
dem staatl. therapeutischen Institut in Wien, Vorstand Professor
Paltauf). Von Professor R. Kraus und Dr. R. Doerr. —
Durch Kraus, Keller und Clairmont ist festgestellt worden,
daß das Lyssavirus sich bei den empfänglichen Kaninchen
gleichmäßig fortpflanzt, daß es sich auch bei weniger empfäng¬
lichen Tieren noch fortpflanzt und vermehrt, daß es aber im
Gehirn der immunisierten Kaninchen rasch zugrunde geht. Die
Verfasser prüften, ob ähnliches auch für das Virus der Hühner¬
pest zutrifft. Dies war der Fall; es ergab sich, daß das-Virus
der Hühnerpest sich im Zentralnervensystem sowohl empfäng¬
licher Tiere (Hühner, Gänse) als auch in dem unempfänglicher
Tiere (Tauben, Kaninchen) fortpflanzt, daß es jedoch im Zentral¬
nervensystem immunisierter Gänse rasch zugrunde geht. Außer
anderen Gründen spricht diese Analogie für eine Verwandtschaft
des Lyssavirus mit demjenigen der Hühnerpest.
Dieselbe Zeitschrift, S. 727.
Eine einfache Art der Sporenfärbung; von R. Wirtz. — 1. Das
mit Material beschickte Gläschen wird 10 bis 20 Sekunden in
25. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
465
der Haram8chen Röhre in Osmiumsäuredämpfen fixiert, 2. mit
5 proz. Malachitgrünlösung überschiclitet, erhitzt bis Dämpfe
aufsteigen, nach einer Minute noch einmal kurz erhitzt und nach
einer weiteren halben Minute 3. mit fünffach verdünnter Karbol¬
fuchsinlösung abgespült und sofort, ohne das Fuchsin länger
einwirken zu lassen, 4. in fließendem Wasser gründlich ge¬
reinigt. Mit dieser Methode ließen sich z. B. Tetanusbazillen
und Futterbazillen sehr schnell und schön färben, wobei die
Stäbchen tief rot und die Sporen leuchtend grün erschienen.
Deutsche Medizinische Wachenschrift. 34. Jahrgang Nr. 19, S. 812.
Über opsonische Technik (Aus dem Opsonischen Laboratorium
des Pathologischen Instituts der Tierärztlichen Hochschule in
Dresden); von Privatdozent Dr. Strub eil. — Die Anweisung
für die im Laboratorium von Sir Almroth Wright in London
geübte Technik zur Bestimmung des opsonischen Index wird in
wörtlicher deutscher Übersetzung mitgeteilt und mit wertvollen
Erläuterungen versehen.
Dieselbe Zeitschrift S. 862.
Untersuchungen Ober die präventive Wirkung des Atoxyls im Ver¬
gleich mit Quecksilber bei der experimentellen Kaninchensyphilis; von
P. Uhlenhuth und 0. Weidanz in Berlin. -- Auf Anregung
Uhlenhuths, der mit seinen Mitarbeitern die schützende und
heilende Wirkung des Atoxyls bei der experimentellen Dourine
und Hühnerspirillose festgestellt hatte, ist das Atoxyl auch bei
der Syphilis, der wichtigsten Spirochätenkrankheit, zur An¬
wendung gebracht worden. Uhlenhuth, Hoffmann und
Weidanz haben bei experimenteller Affen- und Kaninchen¬
syphilis bewiesen, daß Atoxyl nicht nur ein spezifisch wirkendes
Heilmittel, sondern auch ein gutes Vorbeugungsmittel bei der
Syphilis ist. Aus weiteren Versuchen über die präventive
Wirkung von Quecksilber und Atoxyl ergab sich, daß das
letztere dem Quecksilber überlegen ist. Wenn es gelänge, das
Atoxyl seiner giftigen Nebenwirkungen auf den menschlichen
Organismus zu entkleiden, so wäre es nach Ansicht der Verfasser
ein ideales Mittel zur Syphilisbehandlung.
Tagesgeschichte.
Eugen Albrecht f.
Tiefe Trauer erfüllt in diesen Tagen die Herzen in den
Kreisen der Pathologen Deutschlands, ja der Welt. Prof. Eugen
Albrecht, Direktor des Senckenbergschen Pathologischen
Instituts in Frankfurt a. M., der glänzendste unter den jüngeren
Vertretern der Wissenschaft, weilt nicht mehr unter den Lebenden.
Auch in tierärztlichen Kreisen war der Name des Dahingegangenen
weit bekannt, wo seine biologischen Arbeiten die breite Basis
gegeben hatten, auf der Veterinär- und Humanpathologie sich
zusammenfanden. Und dann war er der große Sohn eines der
Führer in unserer tierärztlichen Welt. Im vollen Mitgefühl
des furchtbaren Verlustes, der den Kollegen, den Direktor der
tierärztlichen Hochschule in München, Hofrat Albrecht be¬
troffen hat, stehen wir Tierärzte dem schwergeprüften Vater in
stiller Wehmut zur Seite.
Nach kurzem Krankenlager ist Eugen Albrecht in der
Vollkraft seines Geistes, in der maximalen Schaffenslust seiner
jungen Jahre dahingerafft worden. Und doch, auf ein wie reiches
Lebenswerk konnte er zurückblicken, auf Leistungen, die seinen
Namen unsterblich gemacht haben. In umfassendem Maße be¬
herrschte er das immer unübersehbarer sich weitende Gebiet der
Pathologie, wo er allen Fragen das vielseitigste Interesse widmete.
Vor allem aber war es sein Eindringen in die Probleme der
allgemeinen Pathologie, in die biologische Forschung, das seinen
Ruhm begründete. Virchows Forderung in der Pathologie eine
biologische Wissenschaft zu sehen, fand in Eugen Albrecht den
eifrigsten und würdigsten Vertreter. Seine zellular-pathologischen
Arbeiten, seine Stellungnahme in dem Kampf um die Tumoren¬
genese haben die modernen pathologischen Forschungen in neue
Bahnen gewiesen. Unvergänglich sind seine Verdienste, die er
sich von der ersten Zeit seiner Wirksamkeit als pathologischer
Anatom an — um die Wissenschaft erworben hat: Opus aere
perennius.
Hervorragend war Eugen Albrecht als Lehrer. Wie er
in der medizinischen Welt allseits als glänzendster Prosektor
anerkannt wurde, so vermochte er auch bei den klinischen Ob¬
duktionen dem Kreise seiner Zuhörer die Ergebnisse der Sektion
in der lehrreichsten und in der interessantesten Weise zu ver¬
mitteln. „Media morte in vita sumus“ hatte er an der Wand
des Sektionssaales seines neu erbauten Institutes verzeichnen
lassen. Und fürwahr, keine bessere Interpretation konnte dieser
Sinnspruch finden, wie wenn der Dahingegangene die von ihm
geleiteten Sektionen demonstrierte. Im Tode war hier alles
Leben, und das, was klinische Wissenschaft nur hatte ahnen
können, fand hier in großzügiger Darlegung seine Vertiefung
zur vollen Erkenntnis.
Unvergänglich bleibt die Erinnerung an Eugen Albrecht
seinen Mitarbeitern, seinen Schülern, die ihm in ständigem Ver¬
kehr lauschen konnten. Theoretisch und am Mikroskop war er
hier — lebhaft anregend und angeregt — unermüdlich, den
Seinen das Reich pathologischer Erkenntnis immer weiter zu er¬
öffnen, eine Schulung nachhaltigster Wirkung. Welch’ uneigen¬
nütziger Berater war er seinen Mitarbeitern! Er gab ihnen den
freiesten Spielraum in ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit, so weit
es nur mit den Interessen des Institutes vereinbar war, und
dabei suggerierte er ihnen immer wieder Gedanken zu weiterem
Ausbau und schuf sich so selbständige Forscher.
In unauslöschlicher Dankbarkeit werden seine jungen Freunde
und Schüler dem hehren Bilde ihres verblichenen Meisters nach¬
eifern. Der große überragende Gelehrte, der edle allzeit hilfs¬
bereite Mensch steht unvergänglich vor ihren Augen.
Solchen Sohn sein Eigen genannt zu haben, hat das Leben
wert gemacht, und auch die tierärztliche Welt trifft es, wenn
dem Kollegen solches beschieden war. So stehen wir auch be¬
wegten Herzens, die Größe des Verlustes empfindend, in tiefer
Trauer mit dem Kollegen vereint, an der Bahre seines großen
Sohnes. Dr. Ja eg er.
Verkauf der ärztlichen Praxis und Konkurrenzklansei.
Im 66. Bande der Entscheidungen des Reichsgerichts finden
sich, worauf die juristische Rundschau des Berliner Tageblatts
(Nr. 157) hinweist, Entscheidungen über zwei Rechtsstreitig¬
keiten zwischen Ärzten.
I.
Der erste Prozeß hat in Dresden seinen Anfang genommen.
Dort hatte ein Arzt an einen anderen den Fortbetrieb seiner
Praxis verkauft. In dem Vertrage war zwar nur von der
Übergabe des Inventars gegen den Kaufpreis die Rede; doch
wurde gerichtlich festgestellt, daß die Absicht der Parteien auf
den Verkauf der Praxis gegangen war. Das Oberlandesgericht
zu Dresden hatte die Frage, ob der Verkauf einer ärztlichen
466
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26.
Praxis an sich gegen die guten Sitten verstoße und deshalb
nichtig sei, nicht grundsätzlich entschieden, hatte dies aber für
den vorliegenden Fall anerkannt. Es hatte in der Begründung
ausgeführt, daß der Arzt seine Praxis nicht als reine Erwerbs¬
tätigkeit betreibe, sondern auch zur Förderung des Allgemein¬
wohls; daß ihm hieraus eine Pflicht erwachse, dem ihm vom
Publikum entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen; daß
dieses Vertrauen dadurch getäuscht werden könne, daß die
Praxis an einen andern übergeben werde, und daß die Ver¬
wertung dieses Vertrauens zum Zwecke reines Vermögens¬
gewinnes je nach Lage des Falles einen Verstoß gegen die
guten Sitten darst eilen könne und im vorliegenden Falle dar¬
gestellt habe, indem der Verkäufer weniger auf die Befähigung
des Käufers als die Höhe des Kaufpreises Rücksicht genommen
habe und trotzdem zu einer Empfehlung des Nachfolgers durch
sein pekuniäres Interesse genötigt gewesen sei. Ein solcher
Vertrag verletze nicht nur das Standesgefühl, sondern auch die
sittliche Empfindung der Gesamtheit.
Das Reichsgericht hat die gesamten Ausführungen als
frei von Rechtsirrtum und jedenfalls in bezug auf den
vorliegenden Fall für zutreffend und billigungswert
erklärt. Das Reichsgericht hat also ebenso wie das Oberlandes-
gerieht Dresden den Verkauf der ärztlichen Praxis nicht in
Bausch und Bogen verurteilt, sondern zur Entscheidung die
Prüfung des Einzelfalles herangezogen.
Hieraus ergibt sich folgender Grundsatz, der wohl die all¬
gemeine Billigung finden wird. Der Verkauf einer ärztlichen
Praxis braucht nicht in allen Fällen gegen die guten Sitten zu
verstoßen, nämlich dann nicht, wenn der Verkäufer nachweislich
nicht nur einen zahlenden, sondern einen fähigen Nachfolger |
gesucht hat und sich davon überzeugt halten durfte, daß dieser
das Vertrauen, welches er selbst sich erworben hatte, nicht
täuschen werde; wenn ferner die ganze Art des Geschäfts¬
abschlusses erkennen läßt, daß weder eine Übervorteilung des
Käufers stattgefunden hat, noch der Verkäufer lediglich von der
Sucht nach einem möglichst großen Vermögensvorteil geleitet
worden ist.
H.
Die zweite wichtigste Entscheidung des Reichsgerichts hat
eine Konknrrzenzklausel in Verträgen zwischen Ärzten allgemein
für nichtig erklärt. Der Beklagte, welcher Assistent resp. Ver¬
treter bei einem Nürnberger Zahnarzt wurde, hatte sich beim
Antritt dieser Stellung verpflichtet, innerhalb dreier Jahre weder
in Nürnberg noch im Umkreise von 12 km eine ähnliche Stellung
zu übernehmen oder sich da niederzulassen, und sich im Falle
der Zuwiderhandlung zur Zahlung von lOOOO M. verpflichtet.
Nachdem er auf eigenen Wunsch entlassen war, eröffnete er in
Nürnberg eine zahnärztliche Praxis. Der Geschädigte klagte
nunmehr die 10000 M. ein. Das Landgericht und das Ober¬
landesgericht erkannten den Anspruch an, ermäßigten ihn nur
auf 7000 M.; das Reichsgericht hat dagegen die Klage völlig
abgewiesen.
Es hat zunächst mit sehr eingehender Begründung dar¬
gelegt, daß der ärztliche Beruf als ein auf Geld verdienen ge¬
richtetes Unternehmen nicht ausgeübt werden dürfe. Geschähe
dies dennoch, so widerspreche es dem Anstandsgefühl aller billig
und gerecht Denkenden, wofür mehrere ehrengerichtliche Ent¬
scheidungen und eine Reihe von Gesetzen zitiert werden, wo¬
nach die Arzte auf dem Gebiet der Gesundheitspflege wie die
Rechtsanwälte in der Rechtspflege eine eigenartige Stellung
öffentlich rechtlichen Charakters einnähmen und Träger geistiger
Kräfte im Dienste des Gemeinwohls seien. Nach allgemeiner
Anschauung zieme es den Vertretern dieser wissenschaftlichen,
staatlich geordneten und dem wichtigsten Gemeininteresse die¬
nenden Berufe nicht, der Berufsausübung irgendwelche Be¬
schränkung aufzuerlegen; diese Berufe müßten frei sein kraft
der ihnen innewohnenden sittlichen Würde im öffentlichen Inter¬
esse. Dieses würde unmittelbar verletzt, wenn für die Aus¬
übung solcher Berufe private Monopole irgendwelcher Art ge¬
schaffen und die der Allgemeinheit gewidmeten Funktionen im
Privatinteresse irgendwie gehemmt und gebunden würden.
Hiernach erschienen Konkurrenzklauseln zwischen Ärzten wie
zwischen Rechtsanwälten in besonderem Maße anstößig, und es
wird ein für allemal ein Konkurrenzverbot zwischen Ärzten als
gegen die guten Sitten verstoßend erachtet und die Berück¬
sichtigung besonders gearteter Sachlage ausdrücklich abgelehnt.
Das gleiche, was für die approbierten Ärzte gilt, ist auch für
die staatlich geprüften und approbierten Zahnärzte in Anwendung
zu bringen (es handelte sich in diesem Falle um solche), da
die Zahnheilkunde ein spezieller Zweig der Heilkunde sei, an
sich jedem andern ärztlichen Spezialfall gleich stehe und nur
technische und historische Umstände es veranlaßt hätten, daß
die Zahnärzte auf Grund einer geringeren Vorbildung staatlich
zugelassen werden.
Anmerkung.
So sehr die erste Entscheidung dem allgemeinen Gefühl
entsprechen wird, auch in ihrer Milde, welche den Verkauf einer
ärztlichen Praxis nicht unter allen Umständen als nichtig gelten
' läßt, ebenso wird die zweite durch ihre außerordentliche Strenge
überraschen. Es kann dahingestellt bleiben, in welcher Weise
sich der ärztliche Stand damit abfinden wird. Die Entscheidung
betrifft eben so sehr den tierärztlichen Stand, da wir ja gar nicht
wünschen können, daß für die Tierärzte andere Rechtsnormen
als für die Ärzte aufgestellt würden, ebenso wie die vorzügliche
Definition des Verhältnisses der Zahnheilkunde zur Medizin mit
besonderer Freude begrüßt werden muß. Aus diesem Grunde
interessiert hier nicht allein die Entscheidung besonders, sondern
es wird auch erlaubt sein müssen, der Auffassung des Reichs¬
gerichts zu widersprechen.
So sympathisch die ideale Auffassung des Reichsgerichts
von der ärztlichen Tätigkeit berührt, so darf man doch eben
die nackte Tatsache nicht verkennen, daß die Ärzte durch die
ganze Gesetzgebung wie die sozialen Verhältnisse unter die
Gewerbetreibenden verwiesen sind, und daß man sie daher von
den Grundsätzen, die für diese im allgemeinen gelten, nicht so
sehr ausnehmen darf, daß ihre Existenz dadurch unterbunden
und vernichtet werden kann. Solche Fälle können aber ein-
treten, wenn sich ein Arzt oder Zahn- oder Tierarzt einen
Assistenten nimmt, diesen jahrelang in dem ihm individuell eigen¬
tümlichen Teile seiner Kunst unterrichtet, ihm bequeme Gelegen¬
heit gibt, unter der Führung des Meisters sich das Vertrauen
des Publikums zu gewinnen — und wenn dann dieser Assistent hin¬
geht und all die Vorteile, die er umsonst gehabt hat, benutzt,
um seinem Meister einen Teil seiner bisherigen Praxis und
damit seines Lebensunterhaltes zu rauben. Für anständig wird
das ganz allgemeine Gefühl des Volkes bis in die niederen
Schichten hinein eine solche Handlungsweise nicht halten.
Das ist der Mangel, welcher der Entscheidung und auch der
25. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
4 07
•Auffassung des Reichsgerichts anliaftet, daß anscheinend ganz
außer Betracht bleibt, wie die Handlungsweise des in diesem
Falle Beklagten zu beurteilen war. Wenn die Stellung des
Arztes eine so ideale ist, so verträgt es sich damit doch erst
recht nicht, daß es Angehörigen dieses Standes, und zwar gerade
den jüngeren Angehörigen ermöglicht sein soll, einen Vertrauens¬
bruch zu begehen und in dieser Weise den zu schädigen, dem
man als Schüler Dank schuldig ist — eine Handlung, die auch in
viel niedrigerem Gewerbe als wider die gute Sitte verstoßend an¬
gesehen werden würde. Bei derartiger Rechtspraxis muß
eigentlich jeder praktische Arzt sich davor hüten, sich einen
Assistenten groß zu ziehen; er muß sich darauf beschränken,
diesen Assistenten zu oberflächlichen und nebensächlichen Hand¬
reichungen zu verwenden, ohne ihn in das Individuelle seiner
Kunst einzuweihen. Es entsteht dadurch auch der allgemeiue
Schade, daß der Assistent unter solchen Umständen für seine
eigene Fortbildung viel weniger gewinnt, als wenn der Meister
ihn mit vollem Vertrauen ein weihen kann. Daß der Arzt sich
aber mit vollem Bewußtsein denjenigen selber heranziehe, der
ihm die Existenz abgräbt und seinen Kindern das Brot nimmt,
das wird man auch von diesem hochstehenden Berufe — möge
man noch so ideale Auffassungen von ihm haben — nicht ver¬
langen können. Schmaltz.
43. Generalversammlung des Vereins
Kurhessischer Tierärzte,
am 20* Oktober 1907.
Anwesend: Das Ehrenmitglied des Vereins, Geheimer Sanitäts¬
rat Dr. Endemann. Die Mitglieder: Veterinärrat Tietze, Kobel,
Schlitzberger, Stamm, Mieckley, Oberstabsveterir.ära.D. Jorns.
Kreistierärzte: Hartmann, Kobel, Sehe ff er, Schulz, Schnepel,
Kalteyer, Dr. Grimme, Melde, Dr. Günther, Ahlburg,
Fuchs, Suder, Zschernitz, Dr. Schmidt, Krexa, Wittlinger,
Ohl mann. Schlachthofdirektor Dr. Grote, Friedrich. Die Tier¬
ärzte: Menthe, Höxter, Neßler, Dr. Kobel, Dr. Fischer.
Gäste: Oberstabe veterinäre CT e v e, R i n d. Oberveterinäro W e s a -
lowski, Kempert Veterinär Warmbrunn.
Der Vorsitzende Veterinärrat Tietze begrüßt die Versammlung,
widmet Worte der Anerkennung an das langjährige Vorstands¬
mitglied Jacob Hornthal zu seinem fünfzigjährigen Berufsjubiläum
und überreicht demselben bei Ernennung zum Ehrenmitglied durch
Beschluß der Versammlung ein kunstvolles Ehrendiplom.
Der Jubilar sichtlich gerührt durch diese Ehrung erwiderte
etwa folgendes: Meine Herren, ich danke Ihnen von Herzen für
diese große Auszeichnung; so groß sind meine Verdienste nicht,
ein jeder andere hätte dasselbe und vielleicht noch besser gekonnt.
Fünfzig Jahre ist eine hübsche Spanne Zeit und vielleicht ist es
von einigem Interesse für Sie, wenn ich kurz oder in ganz ge¬
drängter Weise ein Vergleich der damaligen und heutigen Zeit
bezüglich des Standpunktes der Wissenschaft anstelle.
So war z. B. das Mikroskop von den damaligen Studierenden
ein kaum gekanntes Instrument. Erst nach dem Ausbruch der
großen Trichinen-Epidemien in Hedersleben und Hedstädt im
Jahre 186t, waren die Tierärzte genötigt, sich mit dem Gebrauch
des Mikroskopes vertraut zu machen. Von Bakteriologie war uns
in damaliger Zeit noch nichts bekannt, ich erinnere mich, als die
ersten Keime im Milzbrandblute, die stäbchenförmigen Körperchen,
wenn ich picht irre, von Professor Brand in Dorpat gefunden
wurden. Von dieser Zeit datiert auf diesem Gebiet die Forschung
und welchen erstaunlichen Ausbau hat dieselbe genommen und
wird sie noch weiter nehmen.
Die Infektionskrankheiten waren uns in damaliger Zeit noch
nicht bekannt und mit der Erkennung wurden vorherige An¬
schauungen hinfällig. Temperaturmessungen bei fieberhafter Krank¬
heit waren noch nicht gebräuchlich, ich erinnere mich der Zeit, als
unser Ehrenpräsident Dr. Kaiser hier in der Versammlung uns den
Gebrauch des Thermometers demonstrierte. Von alledem war in
dem damals erschienenen epochemachenden Werke Spinolas spez.
Pathologie und Therapie noch nicht die Rede. Nun das Gebiet der
Arzneimittellehre. Wenn auch Dr. Hartwigs damals großartiges
Werk bleibenden Wert behalten wird, so hat sich doch der Arznei¬
schatz in nicht geahnter Weise vermehrt und wird weiter wachsen.
Eine wahre Sündflut von Arzneimitteln ist erstanden, der Gebrauch
älterer Mittel wird zum Teil verschwinden. Denn meines Erachtens
haben wir Serum-Therapie damals noch nicht gekannt; ein Behring
mußte erst auf dem Plane erscheinen. Die Serumgewinnung ist
inzwischen zum ausgedehnten Industriezweig geworden.
Injektionen sowohl subkutan w'ie intravenös waren damals
noch nicht in Anwendung. Eine vorzeitige intravenöse Injektion,
könnte man sagen, war ehemals von Viborg in Kopenhagen zur
Heilung des Dumnikollers mit Veratrum .album bekannt geworden,
welche großes Interesse erregte.
Antisepsis und Asepsis waren nicht bekannt. Ein Lister mit
seinem epochemachenden Verband mußte erst auftreten. Ich er¬
innere mich der Zeit, wo man zufrieden war, wenn bei Ver¬
letzung usw. gute Superation vorhanden waren. Die aus¬
gedehnten Erfolge auf operativem Gebiete sind der Aseptik zu
verdanken.
Verbandstoffe, wie wir sic heute besitzen, mußten wir damals
entbehren.
Von Schutzimpfungen waren uns nur die der Pocken bekannt.
Die Forschungen auf dem Gebiete der Hygiene und der Milch¬
kunde waren erst in den letzten Dezennien erfolgt.
Meine Herren! Wie ich andeutete, wollte ich nur eine ganz
kurze Zusammenstellung der in das halbe Säkulum fallenden Er¬
rungenschaften geben, vielleicht gelingt es einem andern, der das
50jährige Jubiläum feiert, sie besser und eingehender zu beurteilen.
Ich danke Ihnen nochmals.
Der Vorsitzende bringt ein Dankschreiben des Herrn Geheimen
Regierungsrats Prof. Dr. Kaiser für Ehrung zu seinem 50jährigen
Berufsjubiläum zur Kenntnis der Versammlung.
Eine Frage des Herrn Vorsitzenden an die Versammlung, ob
ein Mitglied des Vereins, welches eine längere Reihe von Jahren
abwesend und seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen, noch
als Mitglied anzusehen sei oder Neuaufnahme stattzufinden hat,
wird in letzterem Sinne entschieden.
Der Entwurf einer neuen Gebührenordnung, Taxe, wird zur
Prüfung und Referat auf Ersuchen des Vorsitzenden einer
Kommission, bestehend aus den Herren Mencke, Dr. Kobel und
Veterinärrat Schlitzberger, übergeben.
Ferner w r ird von demselben eine Eingabe an den Herrn Ober¬
präsidenten wegen des Dispensierrechtes verlesen, auf welche eine
Antwort noch nicht erfolgt.
Kassierer Hornthal erstattet alsdann den Kassenbericht,
w onach am 20. Oktober v. J. ein Bestand von 657,3*2 M. vorhanden
war. Die Revisoren, Veterinärrat Stamm und Kobel, fanden nach
Prüfung die Rechnung für richtig, und wurde dem Kassierer Ent¬
lastung erteilt.
Eine aphthenseucheähnliche Erkrankung bei Schafen.
Vortrag von Veterinärrat Tietze.
Meine Herren! So weit mir die Literatur bekannt und zur Ver¬
fügung steht, war es der Departementstierarzt Prof. Dr. Jacoby-
Erfurt, der die Frage, ob eine Maulseuche bei Schafen vorkommt,
ins Rollen brachte. In dem Archiv für Tierheilkunde finden sich
aus den amtlichen Sanitätsberichten pro 1892 Aufzeichnungen be¬
züglich des Vorkommens der Aphthenseuchc bei Schafen und zwar
stellte Jacoby, der sich eingehend mit dieser Frage beschäftigt
hat, die Behauptung auf, daß die Maulseuche bei Schafen kaum
vorkomme, wenigstens zu den allerseltensten Krankheiten zu rechnen
sei. Er will während seiner 50jährigen Praxis wirkliche Aphthen
auf der Maulschleirahaut der Schafe niemals gesehen haben und
fand diese seine Ansicht von vielen Tierärzten bestätigt. Ja, er
hielt selbst die merklich aphthöse Klauenerkrankung bei Schafen
viel seltener, als vielfach behauptet wird. — Er äußert sich
schließlich dahin: „Eine kontagiöse Klauenseuche der
Schafe ohne gleichzeitige Aphthen auf der Maulschleim-
468
No 26.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
haut gibt es nicht, ebensowenig eine besondere bösartige
sogenannte spanische Klauenseuche“
Hierzu bemerkte Schräder-Helmstedt in einer Sitzung des
tierärztlichen Vereins im Herzogtum Braunschweig am 9. Juni 1895
und zwar mit Bezug auf die Jacobyschen Erfahrungen, daß sich
auch bei Schafen Bläschen auf der Maulschleimhaut und auch an
den Klauen vorfinden; auf der Maulschleimhaut zeigen sich die
Blasen am zahnlosen Rande des Oberkiefers, unter der Oberlippe
und am Zahnfleische des Körpers des Unterkiefers; am zahnlosen
Rande sind sie oft außerordentlich klein, kaum stecknadelkopfgroß,
während sie übrigens die Größe einer Linse, ja sogar einer Feld¬
bohne erreichen; das Epithel ist sehr zart und die Bläschen er¬
scheinen ganz klar. An der Zunge hat er niemals Bläschen
beobachtet.
Stimmt! Meine Beobachtungen im Lüneburgischen (hochgradige
Maulseuche — Epithel in Fetzen); gestörtes Sensorium; lagen sehr
viel. Schwellung und große Schmerzen bei der Berührung; zirka
30—50 Proz. erkrankt.
Alle bekannten, tierärztlichen Autoren, wie Hering, Roll,
Hauptner, Putz, sprechen von der Aphthenseuche ausführlich,
heben allerdings hervor, daß das Klauenvieh vorherrscht.
Tierarzt Jenisch in Rheinsberg, der seine Erfahrungen in
No. 29 der B. T. W. (1895) wiedergegeben hat, will Blasenbildung,
welche Verdacht auf Maul- und Klauenseuche her vorrufen könnte,
weder im Klauenspalt, noch an der Krone der Klauen, noch im
Maul der Schafe beobachtet haben.
Aus diesen wenigen Beispielen mögen Sie entnehmen, daß
über das Vorkommen der Apthenseuche der Schafe verschiedene
Beobachtungen gemacht worden sind. Aber auch das hat seine
Erklärung, denn wir wissen aus den verschiedenen Seuchegängen,
daß das Contagium der Maul- und Klauenseuche in seiner Virulenz
außerordentlich verschieden • ist, namentlich wissen wir beispiels¬
weise, daß Vieh,' das den größten Teil des Jahres auf der Weide
gehalten wird, im allgemeinen viel milder erkrankt als Stallvieh
und daß also auch die Fütterung eine wesentliche Rolle spielt.
Ich habe auf den großen Gütern in der Provinz Posen, wo z. B.
viel Brennereiwirtsebaft getrieben und Kartoffelschlempe gefüttert
und viel Viehmast getrieben wird, recht häufig sclvwere Erkrankungen,
selbst zahlreiche Todesfälle, namentlich bei Rindern, beobachten
können. (Septische Zustände.)
Wenn also die Maul- und Klauenseuche bei Schafen seltener
oder in milderer Form aufzutreten pflegt, so muß das wie gesagt
hauptsächlich auf die Haltung der Tiere zurückgeführt werden und
weil durch das Reinigen der Klauen beim Weidegange der Ent¬
wicklung des Virus ein schlechter Nährboden gegeben ist, anderer¬
seits mag aber auch das Schaf schließlich möglicherweise weniger
für das Virus empfänglich sein.
In differential-diagnostischer Hinsicht habe ich aber nichts von
einer Krankheit finden können, abgesehen von der Pockenseuche,
die etwa mit der Aphthenseuche bei Schafen verwechselt werden
könnte, meines Wissens liegen darüber keine Beobachtungen vor.
Bei Rindern und Pferden kommt ein Bläschenausschlag »sogen,
sporadische Maulseuche) vor und mir selbst war die Gelegenheit
geboten, auf einem größeren Gute in einer Rinderherde, die von
einem Tierärzte für Maulseuche angesprochen war, diese Krankheit
zu begutachten. Bei genauerer Untersuchung wird man stets fest¬
stellen können, daß die spezifischen Bläscheneruptionen, wie bei
der echten Maulseuche, fehlen. Dieser Ausschlag kommt vorzugs¬
weise im Herbst und beim Weidegange vor und wird meistens durch
Nahrungsschädlichkeiten veranlaßt. Eine Ansteckung ist noch nie
nachgewiesen.
Auch Ostertag und Bugge, Kantorowicz und Lothar
haben über eine gutartige Maulseuche (Stomatitis papulosa ßovica
spccifica), bzw. über Pseudo-Maul- und Klauenseuche Untersuchungen
angestellt und sie näher beschrieben, stets waren sic aber ihrem
chronologischen Verlaufe nach wesentlich von der spezifischen
Maulseuche zu unterscheiden.
Die bei der wirklichen Maulseuche auftretenden Aphthen ent¬
stehen bekanntlich durch das Zerreißen kleiner Bläschen, welche
sich gewöhnlich auf irgendeinem Punkte der Maulschleimhaut ent¬
wickeln; nach Ablösung der Schleimhaut erscheint der Untergrund
gerötet und oft mit gelblichem Zerfallswasser bedeckt; die Stellen
sind sehr schmerzhaft und oft tritt schon nach 7—8 Tagen Ver¬
narbung ein, die gewöhnlich nach einiger Zeit kaum zu erkennen
ist. Aber auch an dem Klaucnsaum, an der Nasenschleimhaut bzw.
Flotzmaul oder auch an den Zitzen des Euters kommen diese
Aphthen vor, aber stets zeigt sich, wenn nicht etwa andere Kompli¬
kationen hinzukommen, eine schnelle Heiltendenz und ein mehr
oder weniger oberflächlicher Krankheitsprozeß.
Daß auch ab und an mal Komplikationen auf treten können,
und zwar, daß diese Affektionen sich auf die Konjunktiven, die
Luftwege, den Rachen, ja selbst den Schlund, Magen und Darm er¬
strecken können, will ich nur nebenbei erwähnen, doch gehören
diese mehr zu den Ausnahmen.
Wenn, wie gesagt, eine Pseudo-Maulseuche bei Schafen —
wenn ich sie so nennen darf — noch nicht beobachtet oder be¬
kannt geworden ist, so bin ich in der Lage, Ihnen über eine solche
Erkrankung, die ich vor kurzem zu beobachten Gelegenheit hatte,
hier kurz zu berichten.
Alarm-Depesche — Kreis Schlüchtern (Hintersteinau,) Vogels¬
berge Maul- und Klauenseuche —. Dr. Arndt und ich unter¬
suchten eine Schafherde (350 Stück schwere Rhönschafe). Es
wurden erst die Rindviehbestände untersucht, namentlich beim
Schäfer, der auch zwei Kühe hatte und der jeden Morgen die Tiere
gefuttert hat, untersucht — nichts gefunden.
Es waren fast sämtliche Schafe erkrankt. Auffallend war
zunächst, daß das Allgemeinbefinden wenig oder doch nur in
geringem Grade gestört war, einzelne Tiere lahmten, doch vielleicht
höchstens 5—6 Stück (Stoppelverletzung zwischen den Klauen¬
spalten mit Deformation des Hufgelenkes, Verdickungen usw.
Stoppellähme).
Die erkrankten Tiere waren schon dadurch erkenntlich, daß
das Maul ziemlich stark angeschwollen war, auch bestand bei den
meisten Tieren ein geringgradiger Konjunktivalkatarrb. Bei näherer
Besichtigung fiel es auf, daß die Schwellung bei den frisch er¬
krankten Tieren zumeist die Maulwinkel ergriffen hatte, wobei die
zottigen Papillen am Maulrande geschwollen und blutig rot gefärbt
waren, auch hing aus der Maulspalte glasiger Schleim in Fäden
heraus.
Ajihthen haben wir trotz sorgfältigster Untersuchung nicht fest¬
stellen können. Die Anfänge der Krankheit dokumentierten sich
dadurch, daß die Schleimhaut an verschiedenen Stellen meist in
mehr rundlicher Form von der Größe einer Erbse bis zur Bohne
und darüber — fast kreisrund und scharf begrenzt heller gefärbt
und trocken war, dies trat bei pigmentierter Haut besonders
charakteristisch hervor. Daneben fanden sich, besonders am zahn¬
losen Oberkieferrande, auf dem Gaumengewölbe, auf und zur Seite
der Zunge, am Unterkiefer, an den Maul winkeln kleinere und größere
Geschwürsflächen, die zum Teil stark über die Schleimhautoberfläche
promenierten mit schmutzig graurotem Grunde. Dieser Grund
zeigte jauchige Zerfallsprodukte, die schwer zu entfernen waren
und welche die tieferen Schichten ergriffen hatten. Bei dem Ver¬
suche, diese geschwungen Massen, die, nebenbei gesagt, einen
widerlichen süßen Geruch verbreiteten, zu entfernen, trat stets
stärkere Blutung auf.
Wir haben Geschwüre angetroffen, die Fingernagelgröße auf¬
wiesen. Dort wo die Heilung eingetreten war, war die Schleimhaut
glatt, doch markierte sich genau wie im Anfangsstadium der ab¬
geheilte Prozeß als weißer, meist kreisrunder Fleck, bei dem oft im
Zentrum ein dunkler Punkt zurückgeblieben war. In ganz ver¬
einzelten Fällen war auch der äußere Lippenrand von diesen
nekrobiotischen Prozessen ergriffen, ja sogar auf der Nasenschleim¬
haut, die dann hochgerötet war, konnten wir linsengroßo
Geschwürchen nachweisen.
Das merkwürdigste hierbei war, daß die Prozesse, die wir als
eine mortifizierende anzusprechen genötigt waren, in allen Stadien
bei ein und demselben Tiere oft nachzuw r eisen waren, woraus ge¬
schlossen werden mußte, daß zweifellos in dem Maule eine Ver¬
mehrung des Ansteckungsstoffes, namentlich von den Geschwüren
aus, stattgefunden haben mußte, denn gewöhnlich war dabei die
Maulschleimhaut in größerem Umfange affiziert.
25. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
469
Der Schäfer, der einen Pyoktaninstift bei sich führte und dem
dieses Mittel einmal von dem früheren Departementstierarzte Prof.
Leonhardt empfohlen war, hat damit einen Teil der Schafe be¬
behandelt und will hierbei gute Erfolge gesehen haben.
Da die Krankheit schon zirka acht Tage, in der Herde
beobachtet worden war und wir auch jetzt noch immer neue Er¬
krankungen auftreten sahen, so kannte es nicht zweifelhaft sein,
daß diese Krankheit ansteckender Natur ist
Über die Ursache war trotz aller Ermittlungen nichts fest¬
zustellen.
Eine Übertragung auf Rindvieh hatte bis dahin jedenfalls nicht
stattgefunden, obgleich Anspann- und auch Weidevieh vielfach die
Schaf triften passiert hatte.
Eine Ähnlichkeit hatte diese Erkrankung vielleicht mit dem
Skorbut (Scharbock) Stomatitis septica ulcerosa, doch nur so weit
als es sich hier auch um ulzeröse Prozesse handelt, doch war die
spezifische Zahnfleischerkrankung, wie sie dem Skorbut mehr oder
weniger eigentümlich ist und die dabei auftretenden septischen
Erscheinungen absolut nicht nachweisbar. Daß etwa septische
Fermente, Eitercoccen usw. vielleicht durch Wunden in die Maul¬
höhle gelangt waren, war ausgeschlossen.
Daß wir es mit Maul- und Klauenseuche nicht zu tun hatten,
ging daraus hervor, daß
1. spezifische Klauenerkrankungen fehlten, die sonst stets mit in
der Hauptsache vorhanden sind;
2. die Maulerkrankungen ohne Blasenbildung, aber als tiefe Ge¬
schwüre abliefen;
3. der Verlauf ein allmählicher, in allen Stadien zu beobachten, war;
4. weil Rinder nicht erkrai^ct waren.
Jedenfalls waren Arndt, der Kreistierarzt und ich uns einig,
daß es sich um eine kaum wohl bisher beobachtete Maulseuche
handelte, die der Beobachtung und Erforschung wohl wert ist und
deshalb habe ich Ihnen hierzu die Anregung geben wollen.
Der Vortragende erntet reichen Beifall. Bei der anschließenden
Debatte sagt Kreistierarzt Schulz, daß eine ähnliche Erkrankung
in der Nähe von Frankfurt vorgekommen sei, Geschwürbildung
war nicht vorhanden.
Kreistierarzt Hartmann-Labisch ist der Ansicht, daß die
Krankheit hauptsächlicher bei Schafen, welche auf Höhen geweidet
würden, auftrete und daß Verletzungen durch scharfe Gräser,
Grannen und damit zusammenhängender Infektion zu be¬
schuldigen sei.
Schlitzberger hat ähnliche Erkrankungen beobachtet und
führt dieselben im Entstehen auf den Weidegang zurück. Für an¬
steckend hält er die Krankheit nicht. Der Vortragende ersucht
die Mitglieder, auf diese Krankheit ihr Augenmerk zu richten.
Die perniciöse Anämie der Pferde.
Vortrag von Schlachthofdirektor Friedrich-Hersfeld.
Die pemiciöse Anämie, Anaemia infect. Ostertags oder infekt
Typho-Anämie Carröes und Vallöes, ist eine zuerst von Zschokke
in den 80iger Jahren beobachtete und beschriebene Krankheit, die,
von einigen Fällen abgesehen, die Imminger beim Rinde gesehen
haben will, bisher nur bei Einhufern beobachtet wurde. Sie stellt
eine primäre Anämieform dar, die, wie das Epitheton perniciosa
sagt, regelmäßig tödlich verläuft. Während die perniciöse Anämie
in der ersten Zeit nach ihrem Bekanntwerden nur vereinzelt vor¬
kam, ist sie bald häufiger aufgetreten und hat in letzter Zeit in
einigen Distrikten sogar den Charakter einer Seuche angenommen.
Ein solches seuchenhaftes Auftreten ist in den letzten Jahren im
östlichen Frankreich beobachtet, wo im Departement Meuse allein
die Durchschnittsziffer der an perniciöser Anämie eingegangenen
Pferde auf 377 jährlich berechnet wird. Auch in Elsaß-Lothringen
soll die perniciöse Anämie neuerdings häufiger Vorkommen. Ich
habe die Krankheit zuerst im Jahre 1900 auf der Domäne
Wilhelmshof b. Hersfeld beobachtet, wo in kurzen Zwischenräumen
mehrere Pferde — ich schätze sie auf mindestens 10 Stück — an
perniciöser Anämie eingingen. Kurz darauf trat sie in Hersfeld
selbst auf, zunächst nur sporadisch, dann aber mit senchenhaftem
Charakter. Besonders waren es damals zwei Ställe, deren Be¬
stände durch die perniciöse Anämie arg dezimiert wurden, der
Stall eines Spediteurs und eines Posthalters. Letzterer hat in
einem Zeitraum von l‘/a Jahren nicht weniger als 7 Pferde an
perniciöser Anämie verloren, so daß man wohl berechtigt ist, mit
Zschokke von einer Stallseuche zu sprechen. Wie häufig damals
überhaupt die perniciöse Anämie in Hersfeld und Umgegend vor¬
kam, mögen Sie daraus ersehen, daß die Pferdebesitzer ihr den
Namen Hersfelder Krankheit beigelegt hatten. Der vorerwähnte
Posthalter zog nach den ersten tödlich verlaufenen Fällen über¬
haupt keinen Tierarzt mehr zu, sondern brachte seine Pferde, so¬
bald sie ihm krank schienen und weiße Konjunktiven zeigten,
direkt in die Abdeckerei. Bemerkenswert ist es, daß von beiden
Besitzern an die Leistungsfähigkeit ihrer Pferde hohe Anforderungen
gestellt werden, und bekanntlich sollen ja Überanstrengungen als
prädisponierendes Moment in Betracht kommen. Seit jenem
seuchenhaften Auftreten im Jahre 1900 sind wir die perniciöse
Anämie im Kreise Hersfeld nicht wieder los geworden, sie ist zwar
seltener geworden, doch kommen hin und wieder immer noch
einzelne Fälle vor.
Daß ich damals bei einem so seuchenhaften Auftreten der
pemiciösen Anämie nach der Ursache dieser vielen Erkrankungen
suchte, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Bei den ersten auf
WilhelmBhof beobachteten Erkrankungen glaubte ich bestimmt, das
Wasser beschuldigen zu müssen, denn die Pferde wurden damals
aus einem Teiche getränkt, der nur wenig Zufluß hat und von
Algen und Infusorien wimmelte. Gerade in jenem Jahre hatte das
Wasser infolge der üppigen Algenvegetation eine maigrüne Farbe
angenommen und roch so stark faulig, daß die Bewohner der zirka
P/a km entfernten Sölzer Höfe behaupteten, den Geruch dort wahr¬
genommen zu haben. Bald darauf wurde eine Wasserleitung auf
Wilhelmshof gebaut, die sehr gutes Wasser lieferte und es schien,
als ob meine Vermutung, daß das Wasser die Ursache der perni-
ciösen Anämie gewesen sei, sich bestätigte. Die Erkrankungen
hörten auf, aber nicht lange, und noch in diesem Jahre ist ein Fall
von perniciöser Anämie auf der Domäne Wilhelmshof vorgekommen.
Das seuchenhafte Auftreten der pernieiösen Anämie in Hersfeld und
Umgegend nach diesen ersten Wilhelmshöfer Fällen zwang ja
geradezu zu der Annahme, daß sie infektiösen oder toxischen Ur¬
sprungs sei. Allein damals gehörte die perniciöse Anämie, wie
Dieckerhoff in seiner speziellen Pathologie sagt, noch zu den
dunkelsten Gebieten der Pathalogie und erst den französischen
Professoren Carröe und Vallöe ist es gelungen, etwas mehr Licht
in dies geheimnisvolle Dunkel zu bringen. Bevor ich jedoch auf
die Carröeschen und Vallöeschen Versuche eingehe, die Ihnen
vielleicht aus der B. T. W. schon bekannt sind, möchte ich Ihnen
in kurzen Zügen die Symptome der pernieiösen Anämie schildern.
Die ersten Erscheinungen der Krankheit werden, wie leicht er¬
klärlich ist, leicht übersehen, wenigstens ist dies regelmäßig der
Fall bei der chronischen Form. Erst mit der zunehmenden Anämie,
die durch ein massenhaftes Absterben der roten Blutkörperchen
und wahrscheinlich auch durch eine mangelhafte Regeneration
derselben bedingt wird, tritt ein erheblicher Kräfteverfall ein. Die
Tiere ermüden leicht- und kommen leicht in Schweiß. Die sicht¬
baren Schleimhäute sind anfangs gelblich verfärbt, mit einem Ton
ins rötliche. Diese Verfärbung habe ich am ausgeprägtesten immer
an den Konjunktiven gesehen, weniger gut auf der Maul- und
Nasenschleimhaut; gewöhnlich sind die Gefäße in der Nähe des
LidrandeB anfangs noch leicht injiziert. Diese gelbliche Färbung
geht mit zunehmender Anämie in eine vollkommen weiße Färbung
über, wobei auch nicht die Spur eines rötlichen Farbentons mehr
wahrzunehmen ist. Der Appetit ist andauernd gut; trotzdem gehen
die Tiere im Nährzustand gewöhnlich erheblich zurück, was ja bei
dem Charakter der Krankheit nicht wundemehmen kann. Fried-
berger und Fröhner sagen in ihrer spezifischen Pathologie, daß
der Ernährungszustand selbst in vorgeschrittenen Stadien der Krank¬
heit meist noch ein guter sei; ich habe dies aber nur in Ausnahme¬
fällen beobachtet. Ebenso habe ich bei der am häufigsten be¬
obachteten chronischen Form der pernieiösen Anämie im Gegensatz
zu Friedberger und Fröhner Fieber in der Regel vermißt. Sehr
hohe Temperaturen habe ich dagegen in akuten Fällen, wie es die
ersten auf Wilhelmshof waren, beobachtet. Der Urin soll regel¬
mäßig eiweißhaltig sein. Leider habe ich es versäumt, Urin¬
untersuchungen vorzunehmen. Charakteristisch für die perniciöse
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26.
470
Anämie ist die Poikilocytose, die Veränderung der Form der roten
Blutkörperchen. Diese zeigen die allerverschiedensten Formen;
man findet zitronenförmige, sternförmige, nierenförmige, keulen¬
förmige Blutkörperchen; daneben findet man besonders große und
auffallend kleine — Macrocyten und Microcyten. Diese Poikilo-
cytose, die ich bei zwei von mir vorgenommenen Blutuntersuchungen
bestätigt fand, soll ein pathognomonisches Kennzeichen für die
pernieiöse Anämie sein.*) Die Krankheit endet, wenn sie akut auftritt,
in der Regel nach wenigen Tagen schon mit dem Tode; in der
chronischen Form erstreckt sie sich über Wochen und Monate
hinaus. Das Alter spielt nach meinen Erfahrungen bei der perni-
ciösen Anämie keine Rolle, denn ich habe sowohl alte als junge
Pferde erkranken sehen. Carr6e und Vallee, denen ein außer¬
ordentlich reiches Beobachtungsmaterial zur Verfügung stand, unter¬
scheiden nach den Erscheinungen und der Dauer der Krankheit
drei verschiedene Formen der pernieiösen Anämie, die akute, die
subakute und die chronische Form. Sie geben für die einzelnen
Formen folgende Symptome an.
1. Akute Form: Es besteht hohes Fieber; der Appetit ist
mangelhaft und die Patienten sind sehr matt. Die Konjunktiva
zeigt einen gelblichen Farbenton mit rötlichem Grund. Auf den
Schleimhäuten werden häufig Petechien beobachtet. Die Zahl der
Pulse beträgt 60—90; der Puls ist drahtförmig und oft inter¬
mittierend. Nach geringen Anstrengungen tritt eine außer¬
ordentliche Steigerung der Herztätigkeit ein. Die Haltung des
Kopes ist steif, ähnlich wie bei Starrkrampf. Der Harn ist eiwei߬
haltig. Gegen das tödliche Ende das nach 5—15 Tagen eintreten
soll, tritt öfters eine Parese der Nachhand ein. Bei der
2. subakuten Form finden sich im allgemeinen dieselben
Erscheinungen wie bei der akuten, nur in abgeschwächter Form.
Charakteristisch für diese subakute Form sind die häufigen
Remissionen, die wochen- und monatelang anhalten und eine
Heilung Vortäuschen können. Die Dauer der Krankheit in dieser
subakuten Form beträgt Wochen bis Monate. Bei der *
3. chronischen Form, die ja am häufigsten zur Beob¬
achtung gelangt, ist die Anämie deutlicher ausgeprägt als bei den
beiden ersten Formen. Die Schleimhäute sind hier im vor¬
geschrittenen Stadium, wie ich schon erwähnte, rein weiß. Der
Appetit ist wechselnd, die Temperatur normal mit intermittierenden
Fieberanfällen. Es tritt leicht Ermüdung und Schweißausbruch ein.
Der Harn ist, wie auch in der akuten und subakuten Form eiwei߬
haltig. Das Aderlaßblut zeigt interessante Veränderungen. Die Blut¬
körperchen agglutinieren schnell und sind infolge des Mangels an
Hämoglobin sehr blaß. Das Plasma zeigt wenig Gerinnungs¬
fähigkeit und ist dunkelgelb bis grünlich, ■ oft dichroisch. Diese
Veränderungen erklären sich meines Erachtens sehr leicht, wenn
man berücksichtigt, daß wir es bei der pernieiösen Anämie mit
einet Hämoglobinämie zu tun haben. Das den roten Blut¬
körperchen entzogene Hämoglobin ist im Plasma gelöst, wodurch
dessen dunkelgelbe bis grünliche Farbe bedingt wird. Durch die
Ausscheidung des Hämoglobins durch die Nieren erklärt sich auch
der Eiweißgehalt des Harns sowie die bei der Sektion beobachteten
Hämoglobininfarkte in den Nieren. Ferner haben Carröe und
Valläe festgestellt, daß die Zahl der roten Blutkörperchen im
Verlaufe der Krankheit ganz erheblich unter die Norm sinkt,
während die Zahl der weißen Blutkörperchen im Gegensatz zur
Leukämie unverändert bleibt. Unter zunehmender Entkräftung tritt
dann der Tod nach monatelanger Dauer der Krankheit ein.
*) Geh. ItatOstertag hat diese Poikilocytose nie gefunden und
ich glaube, daß alle die Beobachtungen über Poikilocytose nur auf
einer Täuschung beruhen. Bei der Untersuchung des Blutes der an
pernieiöser Anämie erkrankten Pferde findet man bei Beginn der
Untersuchung in der Regel nur hier und da ein Blutkörperchen,
was von der ovalen Form abweicht; je länger man aber untersucht,
um so mehr veränderte Blutkörperchen findet man; ganz besonders
stark ist gewöhnlich die Stechapfelform vertreten. Ich habe diese
Forraveränderungen, die jedenfalls eine Folge der Verdunstung oder
der eintretenden Gerinnung sind und deshalb am Rande des Deck¬
glases zuerst auftreten, auch im Blute gesunder Pferde wie auch in
meinem eigenen Blute gefunden.
Bei den von mir in Hersfeld beobachteten Fällen habe ich nur
die akute und die chronische Form zu sehen bekommen, und zwar
die akute Form in den ersten Fällen auf Wilhelmshof, die chronische
Form in allen späteren Fällen.
Geradeso wie das Krankheitsbild ein verschiedenes ist, je
nachdem wir es mit akuter oder chronischer pernieiöser Anämie zu
tun haben, so ist es auch das anatomische. Beiden Formen ge¬
meinsam ist die auffallende Blässe des ganzen Kadavers,
die schon nach dem Enthäuten auffällt. Die Muskulatur
ist von blaßroter Farbe, das Blut hat seine färbende
Kraft fast vollkommen verloren, so daß es die Hände kaum
rötet. Die Herzmuskulatur ist graurot, wie man sie bei der
trüben Schwellung regelmäßig findet. Die Milz zeigt immer eine
mehr oder weniger starke, gleichmäßige Schwellung, aber nie
breiige Erweichung der Pulpa. Leber und Nieren sind von hell¬
brauner Farbe und brüchiger Konsistenz. In den Nieren kommen
Hämoglobininfarkte vor. Zu diesen Veränderungen, die, wie gesagt,
der akuten und chronischen Form gemeinsam sind, tritt bei der
akuten Form noch das Vorhandensein zahlreicher Hämorrhagien
unter den serösen Häuten. So ist mir noch ein Sektionsbefund
erinnerlich, wobei sich zahlreiche, erbsengroße Hämorrhagien auf
der Serosa des ganzen Dickdarms gleichmäßig angeordnet vor¬
fanden, so daß der Darm einem Stück rotgetupften Kattuns nicht
unähnlich war. Bei derselben Sektion fand sich in der Hinter-
schenkelmuskulatur ein Hohlraum von der Größe eines starken
Apfels, der einige lockere Blutgerinnsel enthielt Das Knochenmark,
das ich leider bei den Obduktionen nie untersucht habe, soll nach
Carr6e und Valläe zu einer ziegelroten bis schwarzen, blutigen
Brühe umgewandelt sein. Rumpf in .Bonn hat durch chemische
Untersuchung der Organe an pernieiöser Anämie eingegangener
Tiere festgestellt, daß diese besonders arm an Fett, CI. und
K. sind.
Was nun die Ätiologie der pernieiösen Anämie betrifft, so haben
ja die Versuche von Carr&e und Valläe in Alfort zur Genüge
dargetan, daß die Krankheit infektiösen Ursprungs ist; aber auch
das seuchenhafte Auftreten und der Verlauf des ganzen Beuchen*
ganges in der Hersfelder Gegend mußte den Verdacht der Infek¬
tiosität wachrufen. Der stürmische Verlauf, das hohe Infektions¬
fieber und bei der Sektion das typische Bild einer septikämischen
Erkrankung bei den ersten Erkrankungen auf Wilhelmshof
machten ganz den Eindruck einer infektiösen Krankheit. Bei
den sich anschließenden Erkrankungen hatte das Kontagium
jedenfalls schon an Virulenz verloren, wie es ja bei vielen Seuchen
beobachtet wird und es entstand dann das Krankheits- und Sektions¬
bild in abgeschwächter Form, wie es bei dem chronischen Verlauf
beobachtet wird. Carr6e und Vallöe ist es gelungen, die
pernieiöse Anämie von Pferd auf Pferd zu übertragen und zwar
durch Überimpfung ‘Von Blut kranker Tiere. Dabei war es ganz
gleich, ob das Blut in großen oder kleinen Dosen injiziert wurde,
ob subkutan oder intravenös. Die Infektion gelang mit 5 ccm Blut
ebensogut wie mit 200 ccm. Die Inkubationsdauer betrug 5-9 Tage.
Die Krankheitserscheinungen setzten ein mit fieberhaften Temperatur¬
steigerungen. Durch eine mehrmalige Passage des Virus konnte
die Virulenz ganz erheblich gesteigert werden. Eine merkwürdige
Erscheinung ist es, daß das Blut der an chronischer Anämie
leidenden Tiere die akute Form hervorruft, während umgekehrt das
Blut der an der akuten Form erkrankten die chronische Form zu
erzeugen pflegt. Da das Blut auch nach der Filtration durch
Chamberlandfilter seine Virulenz nicht einbüßte, pathogene Mikroben
aber nicht nachzuweisen waren, so nehmen Carröe und Valide
an, daß der Erreger zu den ultramikroskopischen Mikroben gehört,
wie z. B. die Erreger der Maul- und Klauenseuche. Das Kontagium
kann durch einstündige Erwärmung auf 58° zerstört werden,
ebenso durch sieben Monate langes Austrocknen. Fäulnis
vermag die Virulenz des Kontagiums nicht abzuschwächen.
Die Übertragung der Krankheit erfolgt durch die Dejektionea
der kranken Tiere, denn nach Carröe und Vallöe findet sich das
Kontagium auch im Harn und Kot. Die Übertragung durch Speichel
ist Geh. Rat Oster tag nicht gelungen. Die große Tenacität des
Kontagiums erklärt auch das sich auf Jahre erstreckende Auftreten
der Krankheit in einem Stalle. Carr^e und Vall6e warnen ein-
25. Juni 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
dringlich vor dem Einstellen von Pferden, die an perniciöser
Anämie gelitten haben und anscheinend geheilt sind. Das Blut
dieser Pferde, bei denen es sich nur um die in der chronischen
Form vorkommenden Remissionen handelt, soll noch vollvirulent
sein und bei Kontrollimpfungen das typische Krankheitsbild der
Anämie hervorrufen können. Diese anscheinend geheilten Pferde
sollen große Mengen virulenten Blutes ohne Nachteil vertragen
können. Zur Infektion per os bedarf es nach Ostertag einer
Menge von mindestens 150 g Blut oder Harn. Die Übertragung
erfolgt nur durch das Futter und Trinkwasser, wenn diese durch
die Ausscheidungen kranker Tiere verunreinigt sind, und zwar ist
dazu entweder die einmalige Aufnahme größerer Mengen des
Infektionsstoffes oder die öftere Aufnahme kleinerer Mengen er¬
forderlich.
Die Therapie spielt bei der perniciösen Anämie eine unter¬
geordnete Rolle. Herkömmlicherweise sind als Blutregeneratoren
die Eisenpräparate gegeben. Auch ich habe, ut aliquid fiat, das
Eisen in Form des Ferr. plv. und Ferr. sufurii gegeben, aber stets
mit negativem Erfolge. Mit demselben Erfolg habe ich Arsenik
verabreicht. Carr6e und Vall6e empfehlen ferner Chinin und
Collargol. C. Schmitt in Heidelberg hat einen eisenhaltigen
Futterkalk hergestellt und empfiehlt diesen zur kostenfreien Be¬
nutzung. Rumpf in Bonn, der den Mangel an Kalium im Blute
feststellte, will durch die Verabreichung des Kal. bicarbonic.
gute Erfolge erzielt haben. Auch ich habe kürzlich einem ver¬
mutlich an perniciöser Anämie leidenden Pferde aus dem Stalle
des erwähnten Spediteurs Kal. bicarb. mit gutem Erfolge gegeben.
Schon nach sechs Dosen von täglich 20 g war eine lebhaftere
Färbung der Konjunktiven unverkennbar. Möglicherweise handelt
es sich bei dieser vermeintlichen Besserung aber nur um eine
Remission, wie diese bei der chronischen Form öfters beobachtet
werden. Immerhin möchte ich Ihnen gegebenenfalls die Anwendung
des Kal. bicarb. empfehlen. Wenn die perniciöse Anämie eine
Infektionskrankheit ist — und darüber lassen die Carr6e- und
Vall6eschen Versuche und neuerdings die Versuche Ostertags
keine Zweifel —, dann wird allerdings die. medikamentöse Be¬
handlung mehr in den Hintergrund treten und das Hauptgewicht
auf die Anwendung veterinärpolizeilicher Maßregeln gelegt werden
müssen. Möglicherweise wird es Carröe und Val 16e gelingen,
ein geeignetes Immunisicrungsverfahren ausfindig zu machen. Vor¬
läufig sind ihre diesbezüglichen Versuche noch nicht zum Abschluß
gelangt. Sie empfehlen zwecks veterinärpolizeilicher Bekämpfung
der perniciösen Anämie peinlich genaue Untersuchung neu ein¬
zustellender Pferde, vor allem Prüfung des Harns auf Eiweiß und
einmonatige Quarantäne verdächtiger Pferde. Ist die perniciöse
Anämie in einem Bestände bereits ausgebrochen, so sind die
Patienten streng von den Gesunden zu trennen und alle Abgänge
gründlich zu desinfizieren. Um eine Verseuchung der Weiden zu
verhindern, ist der Weidegang zu vermeiden. Als vernünftigste
Maßregel empfehlen sie die Tötung ganzer Bestände, sobald die
Krankheit festgestellt ist; eine Maßregel, die zweifellos ebenso
sicher ist, wie sie unausführbar sein dürfte.
Geh. Rat Ostertag, der die perniciöse Anämie in dem an Luxem¬
burg angrenzenden Kreise Bitburg studiert und durch eingehende
Versuche am hygienischen Institut der Berliner Hochschule die
Richtigkeit der Carr6e und Val 16eschen Forschungen bestätigt
gefunden hat, macht für die veterinärpolizeiliche Bekämpfung weniger
rigorose Vorschläge. Auch er empfiehlt größte Vorsicht beim Ankauf
und mit Rücksicht auf den schleichenden Verlauf der perniciösen
Anämie eine mindestens 7J&m£ e Quarantäne. Als Quarantäne-
Stall kann ohne Gefahr ein Kuhstall benutzt werden. Ist die
Krankheit in einem Bestände ausgebrochen, so muß die Be¬
schmutzung des Futters und Trinkwassers durch die Ausscheidungen
der kranken Tiere sorgfältig vermieden werden. Die Tötung der
erkrankten Tiere ist eine unbedingt erforderliche Maßregel, denn
diese werden, wie Oster tag auf Grund seiner Erfahrungen im
Kreise Bitburg mitteilt, wegen ihrer geringen Leistungen alsbald
verkauft, wechseln den Besitzer in kurzer Zeit oft mehrere Male
und tragen so zur Verbreitung der Seuche erheblich bei. Die Des¬
infektion des Stalles erfolgt, wenn es sich um durchlässigen Stall¬
boden handelt, durch Ausheben desselben. Im übrigen geschieht
471
die Desinfektion durch Anwendung 2 proz. Sodalösung und Kalk¬
anstrich. Die Desinfektion des Düngers kann durch einmonatige
Selbsterhitzung erfolgen.
Redner zeigt Blutproben eines gesunden und eines anämischen
Pferdes vor.
Der Vorsitzende dankt dem Referenten und bittet die Vereins-
mitgliedor um weitere Berichterstattung über diese Krankheit.
Dr. Günther berichtet über zwei Fälle von perniciöser Anämie
in einem Stalle mit tödlichem Ausgang. Trotz Umarbeitung und
Desinfektion des Stalles sei ein weiterer Fall vorgekommen.
Kreistierarzt Suder-Hersfcld hat die chronische Form der
Krankheit im Kreise Hersfeld beobachtet. Ein Fall sechs Monate
mit tödlichem Ausgang. Sud er beschuldigt Bodenverhältnisse
und betont Unheilbarkeit.
Nach Schlitzberger soll die Krankheit von Frankreich aus
eingeschlcppt sein.
Der Vorsitzende konstatiert, daß eine größere Ausbreitung der
Krankheit nicht vorhanden, nach Oster tag sei sie ansteckend,
besonders durch den Ham in der Streue.
Hartmann stellt in Frage, ob die Fütterung nicht zu be¬
schuldigen sei; spez. bezeichnet er dieselbe mit Melasse verdächtig.
4. Praktische Erfahrungen aus der Fleischbeschau.
Referent: Herr Kreistierarzt Dr. Schmidt, Ziegenhain.
Der Vortrag soll demnächst ausführlich in der B. T. W. erscheinen.
Der Vorsitzende dankt dem Referenten. Bezüglich der Gebühren¬
frage bemerkt er, daß schon oft angesetzt sei, um Wandel zu
schaffen, vorerst sei wenig Hoffnung vorhanden.
Der Vorsitzende vertrat die Ansicht, daß der Besitzer eines
geschlachteten Tieres nicht ohne weiteres auf die Nachbeschau
durch den tierärztlichen Sachverständigen verzichten könne, selbst
wenn derselbe auf das Fleisch als Nahrungsmittel Verzicht leiste.
Dr. Grimme hebt hervor, daß Fleisch von mit Backsteinblattern
behafteten Tieren minderwertig sei.
Neßler erhebt Widerspruch, daß in Baden minderwertiges
Fleisch verkauft werde.
Der Vorsitzende bemerkt, daß im Bezirk die Stempelung
geregelt sei.
Ein Antrag auf Schluß wird angenommen.
5. Die Milobgewiiwung und der Verkehr mit Milch vom Standpunkt der
Öffentlichen Geeundheitspflege.
Referent: Herr Veterinärrat Schlitzberger.
Wird abgesetzt
Unter die Mitglieder werden aufgenommen: Dr. Jacobsohn,
Homberg, Hartmann, Korbach, Tierarzt Reichhardt.
6. Neuwahl den Vorstandes.
Zum Vorsitzenden wird wiedergewählt: Herr Veterinärrat
Tietze, zum Stellvertreter Herr Veterinärrat Schlitzberger,
zum Schriftführer Herr Schlachthofdirektor Dr. Grote, zum Kassierer
Herr Tierarzt Hornthal. Dieselben nehmen die Wahl dankend an.
Nach Schluß der Sitzung fand aus Anlaß des 50 jährigen
Berufsjubiläums des Herrn Kollegen Hornthal ein Festessen mit
Damen statt Der Schwiegersohn mit der Tochter nahmen eben¬
falls teil.
Der Vorsitzende brachte den Kaisertoast; dem Jubilar und
dessen Familie wurde in warmen Worten vom Herrn Vorsitzenden
und Herrn Geheimrat Dr. Endemann gedacht. Herr Veterinärrat
Mieckley begrüßte die Gäste.
Ein Begrüßungstelegramm wurde an den Verein schlesischer
Tierärzte nach Breslau gesandt Hornthal, Schriftführer.
IX. Internationaler Tierärztlicher Kongreß
im Haag 1909.
Im Verfolg seines Aufrufs vom 19. Mai 1908 teilt das
Deutsche Nationalkomitee den tierärztlichen Vereinen und sämt¬
lichen Herrn Kollegen das soeben erschienene Programm des
IX. Internationalen Tierärztlichen Kongresses im Haag, vom
14.—19. September 1909, zur Kenntnisnahme mit. Der Mitglieder¬
beitrag beläuft sich auf 17 M. und ist an Herrn D. F. van
472
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26.
Eaoeld, Dozent an der Reichstierarzneischule zu Utrecht, zu
entrichten.
Programm.
Allgemeine Sitzungen.
Verhandlungsgegenstände.
1. Die polizeiliche Bekämpfung der Schweineseuche und Schweine¬
pest mit Rücksicht auf die neueren Forschungen über deren
Ätiologie.
2. Gesetzlicher Schutz der Veterinärmedizin.
3. Der Tierarzt als amtlicher Sachverständiger in Tierzucht¬
sachen.
4. Die Bedingungen für die Promotion zum veterinärmedi¬
zinischen Doktorat.
5. Die sanitäre Milchkontrolle und die staatliche obligatorische
Fleischbeschau.
6. Die unschädliche Beseitigung der Tierkadaver und der
Fleischkonfiskate.
7. Die Prophylaxis und die Pathologie der Protozoen-Krank-
heiten (Piroplasmosen, Trypanosomosen usw.) mit Demon¬
stration der spezifischen Parasiten und die Übertragung ver¬
mittelnder Tiere (Zecken, Mücken usw.).
8. Staatliche Kontrolle der Sera und Bakterienprodukte, sowie
deren Herstellung von Staatswegen.
9. Die Tuberkulose des Geflügels in ihren Beziehungen zu der
der Säugetiere.
10. Die Sterilität des Rindes und ihre Beziehungen zu den an¬
steckenden Krankheiten der Geschlechtsorgane.
11. Die staatliche Bekämpfung der Tuberkulose mit Rücksicht
auf deren Infektionswege.
12. Bau und Einrichtung der Stallungen mit Rücksicht auf die
Prophylaxis der Tierkrankheiten, besonders der Tuberkulose
und auf die Milchhygiene.
Sektionen des Kongresses.
I. Öffentliches Veterinärwesen; Nahrungsmittelkontrolle.
II. Pathologie und Bakteriologie.
III. Klinische Tierheilkunde.
IV. Tierzucht.
V. Tropische Krankheiten.
Sektionssitzungen.
I. Sektion.
1. Die Kontrolle der animalischen Nahrungsmittel, ausgenommen
des Speisefleisches und der Milch.
2. Die Schlachtviehversicherung.
3. Desinfektion der Transportmittel und der tierischen Roh¬
produkte im internationalen Verkehr.
4. Die Serotherapie, die Seroprophylaxie und die Impfung bei
' Maul- und Klauenseuche und deren Wert für die Veterinär¬
polizei.
II. Sektion.
1. Die Diagnose der ansteckenden Tierkrankheiten mittelst
der neueren Immunitätsreaktionen mit Ausnahme des sub¬
kutanen Einverleibens des Tuberkulins und des Malleins.
2. Die Ätiologie und Pathogenese der malignen Tumoren,
namentlich des Krebses.
3. Die Impfung gegen Tuberkulose.
4. Die pathologisch-anatomische und pathologisch-histologische
Diagnostik der Tollwut.
HI. Sektion.
1. Die spezifische chronische Enteritis des Rindes.
2. Die infektiöse Pleuropneumonie des Pferdes.
3. Die Hämostase bei den modernen Kastrationsmethoden.
4. Die Pathologie und Therapie der Streptokokkenkrankheiten.
5. Arthritis chronica deformans des Pferdes.
IV. Sektion.
1. Die Physiologie der Milchsekretion und die Beziehung
zwischen Exterieur des Rindes und der Milchproduktion.
2. Der Einfluß der verschiedenen Futtermittel auf die Qualität
der Produkte (Fleisch, Milch) und die Anwendung der
KellnerBchen Prinzipien bei der Ernährung der Haustiere
mit Rücksicht auf die Kraft-Milch- und Fleischerzeugung.
3. Die Verhütung der nachteiligen Folgen der Leistungszucht
bei den Haustieren.
4. Der Unterricht in der Tierzucht.
V. Sektion.
1. Die hygienischen Maßregeln für den überseeischen Transport
der Haustiere.
2. Die Veterinärpolizei in den Kolonien.
3. Die Laboratorien zur Untersuchung der tropischen Krank¬
heiten und der Unterricht in denselben.
Baden-Baden, Berlin, Göttingen, Stuttgart, Mülhausen i. E.,
Posen und München, den 19. Mai 1908.
Dr. Lydtin, Dr. Esser, Beißwänger, Heyne, Mölter,
Dr. Ostertag, Dr. Schmaltz, Zündel.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Tierarzt Rogge in
Potsdam das silberne Verdienstkreuz des sacbsen-ernestinischen
Hausordens.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Tierarzt Schermer
zum Instituts-Assistenten und Tierarzt R. Schmidt zum klinischen
Assistenten am Veterinär-Institut der Universität Leipzig. —
Veterinärbeamte: Versetzt: Kreistierarzt A r e/Ae-Rosenberg in die
Kreistierarztstelle des Kreises Oberbarnim mit dem Amtssitz in
Freienwalde a. 0.
Niederlassung: Tierarzt Franx Herda in Gartz a. 0.
Wohnsitzverftnderung: Tierarzt J. Platen von Werelinghoven nach
Düsseldorf verzogen.
Approbiert: Die Herren Hans Earl je aus Stendal, Arthur Muraicski
aus Stettin, Guido Stark aus Frankenstein i. Schles., Richard
Wegener aus Jacobshagen, Rolf Zimmermann aus Oberwaldenburg
in Berlin.
In der Armee: Stabsveterinär Ludwig , bisher in der Schutztruppe,
im Drag.-Regt. Nr. 22 wiederangestellt.
Todesfälle: Die Tierärzte Heinrich Freudenberg-Gaxiz a. O.,
Max Freyer- Graudenz.
Vakanzen. (v g i. Nr. 23.)
Kreistierarztstelle: Reg.-Bez. Mafienwerder: Rosenberg.
Bewerbungen innerhalb 3 Wochen an den Regierungs-Präsidenten.
Schlachthof8telle: Lyck: Vertreter des Schlachthofinspektors
vom 1. Oktober. Gehalt 2400 M. neben freier Wohnung usw. Be¬
werbungen an den Magistrat.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag and Eigentum der Verlagsbachhandlung von Richard Schoetz in Berlin. —
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
Die „Berliner Tterirxtliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich lm Verlage ron Richard Schoets ln
Berlin SW. 48. Wilhelmetr. 10. Durch Jede« deutsche
Postamt wird dieselbe ».um Preise von M. 6,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 Pf. fUr Bestellgeld)
frei ins Baus gelietert. (österreichische Post-Zeitung»«
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Xk., fn Petit satt mh
00 Hk» für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
eu senden an Prof. Dr. Schmält*, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., Luisenstraße 66. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Glage
Professor
Hambarg.
Med.-Rat Dr. Roeder
Professor
Dresden.
Veterinärrat Dr. Lothes
Departementstierarzt
Cöln.
Dr. Schlegel
Professur
Freiburg i. Br.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Veterinärrat Peters
Departementstierarzt
Bromberg.
Reg.-Rat Dr. Vogel
Landestierarzt v. Bayern
München.
Prof. Dr. Peter
Kreistierarzt
Angermünde.
Dr. J. Schmidt
Professor
Dresden.
Veterinärrat Preuße Dr. Richter
Departementstiorarzt Professor
Danzig. Dresden.
Wehrte
Kaherl. Regierungsrat
Berlin.
Zündel
Kreistieram
Mülhansen i. E.
Jahrgang 1908.
M 27 .
Ansgegeben am 3. Juli.
Inhalt: Espert: Über Phenyform. — Reiche: Beitrag zur Quecksilbervergiftung bei Kälbern. — Hochstein: Echinococcus
multilocularis in der Muskulatur des Pferdes. — Mart! : Der Vertrieb und die Kontrolle der tierischen Impf¬
stoffe und Sera in Ungarn. — Referate: Angeloff: Die grauen durchscheinenden Knötchen in den Pferdelungen und
ihre Beziehung zu der Rotzkrankheit. — Garth, Kranich und Grünert: Die Ophthalmo- und Kutanreaktion bei Rinder¬
tuberkulose. — Lacassague: Öffnung der vorderen Augenkammer. Heilung durch Borpulver. — Vcntzki: Bauchbruch beim
Pferd. — Ludewig: Über Ernährungslehre. — Studte: Über Beziehungen der Thermo- und Triboelektrizität zur Elektro-
physiologie. — Litty: Beiträge zur Kenntnis der normalen und pathologischen Anatomie der Glandula thyreoidea und para-
thyreoidea des Pferdes. — Tagesgeschichte: Die Einweihung des R. S. C.-Denkmals in Rudolstadt. — Militaria. — Die Lago
der Privattierärzte. — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen : Stödter, Die moderne Bekämpfung der Rotzkrankheit. —
Verschiedenes. — Nahrungemlttelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel: — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Über Phenyform.
Von Tierarzt Espert-Tiefenbronn.
In den letzten Jahren bestand ein wahrer Wetteifer der
verschiedenen chemischen Fabriken, für gewisse, seit langer
Zeit eingeführte und therapeutisch bewährt befundene Präparate
Ersatzmittel auf den Markt zu bringen, die einerseits deren
Vorzüge besitzen, andrerseits aber die ihnen anhaftenden Mängel
vermissen lassen sollten. So sind besonders für das sehr gut
wirkende Jodoform, dessen unangenehmer Geruch und sehr
hoher Preis aber von dem in der Praxis stehenden Tierarzte
als recht nachteilig empfunden wird, in den letzten Jahren zahl¬
reiche Ersatzpräparate hergestellt worden, die gewöhnlich mit
großer Reklame angepriesen wurden, aber nicht im entferntesten
die in sie gesetzten Erwartungen rechtfertigten. Schwer war
es für den praktizierenden Tierarzt, von den oft recht auf¬
dringlich angepriesenen Mitteln die herauszufinden, die wirklich
brauchbar genannt werden konnten und das Jodoform in seiner
Wirkung zu ersetzen fähig waren.
Eines der wenigen Mittel, die sich bei der Prüfung auf
ihren therapeutischen Wert als Antiseptikum und Desodorans
bewährt haben, ist zweifellos das von der chemischen Industrie
Pallas G. m. b. H., Berlin - Schöneberg hergestellte und seit
einigen Jahren in der Human- und auch in der Veterinär¬
medizin verwendete Phenyform. Nach den Angaben der Fabrik
soll das Phynoform stark bakterizid, austrocknend, granulations¬
befördernd, blutstillend und desodorierend wirken; es ist er¬
heblich billiger als Jodoform und zeichnet sich durch sichere,
reizlose Wirkung aus. Entstanden ist das Phenyform durch
Kondensation von Karbolsäure mit Formaldehyd und bildet ein
Polymerisationsprodukt des Oxybenzylalkohols, dem Folmaldehyd
labil angelegt ist: [C 6 H 4 (OH)CH a OH] x CH a O.
Was seine chemischphysikalischen Eigenschaften betrifft,
so stellt Phenyform ein feines, graugelblichweißes, luft- und
lichtbeständiges, nicht hygroskopisches, spezifisch sehr leichtes
Pulver dar, das in Wasser, Äther, Chloroform, Benzol unlöslich,
in Alkalien, Ammoniak, Alkohol dagegen löslich ist. Beim Er¬
wärmen entwickelt das Phenyform Formaldeliyd. Aufrecht
(Pharmaz. Ztg., 51. Jahrg. Nr. 53) unterwarf die alkalische
Lösung des Phenyform der Destillation und stellte im Destillate
den Gehalt an freiem Formaldehyd fest; die Menge desselben
betrug 1,7 Proz. 5 — 6 Vol. Phenyform entsprechen 1 Vol. Jodo¬
form, 2 Vol. Phenyform entsprechen 1 Vol. Dermatol.
Die bakterizide Wirkung des Phenyform soll darauf beruhen,
daß es sich durch die enzymatische Wirkung der Gewebssäfte
allmählich in freien Formaldehyd und ein geruchloses Phenol¬
derivat, in polymerisierten Oxybenzylalkoliol, zerlegt. Die im
nascierenden Zustande zur Wirkung gelangenden Komponenten
sollen dem Phenyform eine andauernde bakterizierende Wirkung
verleihen.
Durch zahlreiche Tierversuche, die im physiologischen
Institute der Universität Berlin von Dr. med. Schuft an an¬
gestellt wurden, ergab sich die absolute Ungiftigkeit des
Phenyform: Kaninchen erhielten bis 3 g per os und subkutan,
Katzen bis 10 g, Hunde bis 15 g per os, ohne irgendwelche
Vergiftungserscheinungen zu zeigen. Von Schuftan wird auch
neben der Ungiftigkeit und vollkommenen Reizlosigkeit des
Mittels besonders die austrocknende und granulationsbefördernde
Kraft hervorgehoben, daß es darin alle übrigen Antiseptika
übertraf.
Dr. Stephan-Mühlhausen i. Tb. untersuchte das Phenyform
auf Sterilität. Etwas Phenyformpulver wurde mit Nährgelatine
gemischt und Platten gegossen. Auf keiner Platte zeigte sich
eine Entwicklung von Bakterien; somit ist Phenyform steril.
Phenyformgaze mit Gelatine übergossen zeigte bereits nach
zwei Tagen üppiges W T achstum von Bakterien und ist somit
nicht steril. Stephan versuchte nun, Phenyformgaze zu sterili¬
sieren, ohne daß das Phenyform eine Zersetzung erleidet.
10proz. Phenyformgazebinden wurden im Dampfstrome 15 Min.
474
lang auf 108° C in einem Autoklaven erhitzt. Durch diese
Sterilisation wurden nur Spuren von Formaldehyd abgespalten;
fuchsinschwefelige Säure erzeugte eine kaum wahrnehmbare
Rötung. Phenol war nicht nachzuweisen. Es ist somit eine
Zersetzung des Phenyform und Beeinträchtigung der Wirksam¬
keit der Gaze durch die Sterilisation nicht anzunehmen.
In der Humanmedizin wurde Phenyform hauptsächlich an¬
gewendet bei Panaritien, Geschwüren, eiternden Wunden,Ekzemen,
ferner auch in letzter Zeit bei Urethritiden in Form von
Phenyformnrethralstäbchen. Von allen Autoren wurde Pheny¬
form als brauchbares Ersatzmittel Für Jodoform bezeichnet.
Diese allgemein günstig lautenden Urteile über Phenyform
bestimmten mich, in allen Fällen, in denen ich bisher nur Jodo¬
form in Anwendung brachte, dieses neue Jodoformersatzmittel
zu verwenden. Seit etwa zwei Jahren arbeite ich nun mit
Phenyform und habe es verwendet bei Huflederhautentzündung,
Panaritien, eiternden Wunden und Geschwüren.
Versuche.
1. Huflederhautentzündung: Das damit behaftete Pferd
kam in Behandlung, da es seit einigen Tagen hinten rechts sehr
stark lahmte. Die Untersuchung ergab Huflederhautentzündung.
Es mußte der ganze Strahl und ein großer Teil der Hornsohle
abgetragen werden. Die Huflederhaut war mit schwärzlichem,
übelriechendem Eiter bedeckt und stellenweise nekrotisch. Es
erfolgte Reinigung und Desinfektion mit Sublimatwasser und
Abtragen der nekrotischen Teile mit dem scharfen Löffel. Nach
abermaliger Desinfektion wurde die ganze Fläche mit einer
dünnen Schichte Phenyformpulver bedeckt und verbunden. Bei
der Nachsicht am zweiten Tage nach der Operation wurde der
Fuß schon etwas belastet; nach Abnahme des Verbandes erwies
sich ein großer Teil der Wundfläche trocken und die Eiterung
beschränkt. Nach weiteren zwei Tagen wird der Fuß im Stalle
gut belastet; die ganze Wundfläche war trocken. Am folgenden
Tage, das ist am fünften Tage nach der Operation wird ein
Deckeleisen aufgeschlagen und das Pferd zur Arbeit verwendet,
ohne das geringste Lahmen zu zeigen.
2. Klauenhautentzündung: Fragliche Kuh konnte den
rechten Vorderfuß gar nicht mehr belasten; es wurde Klauen¬
hautentzündung konstatiert. Die ganze Sohle der äußeren Klaue
wurde abgetragen, die Wunde mit dem scharfen Löffel aus¬
gekratzt, mit Lysolwasser gut gereinigt, mit Phenjtformpulver
in dünner Schicht bedeckt und verbunden. Der Verband wurde
zweimal gewechselt; nach neun Tagen war vollständige Heilung
erfolgt.
In allen Fällen von Klauenhautentzündung, die ja sehr
häufig in Behandluug kommen, bin ich in derselben Weise ver¬
fahren, wie in der beschriebenen und habe immer die gleich
guten Erfolge mit Phenyform erzielt.
3. Panaritium: Bei einem dreijährigen Ochsen wurde
Panaritium festgestellt. Das vordere Ende des Klauenspaltes
und die ganze Zwischenklauenhaut w’ar enorm verdickt, so daß
die beiden Klauen weit auseinander standen. Teilweise bestand
starke Eiterung und tiefgehende Nekrose der Zwischenklauen¬
haut. Nach sorgfältiger Entfernung der nekrotischen Gewebs-
masse und peinlicher Desinfektion wurde Phenyformpulver auf¬
gestreut und der Fuß verbunden. Nach dreimaligem Verband¬
wechsel innerhalb zehn Tagen war vollständige Heilung
eingetreten, so daß der Ochse wieder zur Arbeit verwendet
werden konnte.
No. 27.
In weiteren sieben Fällen erfolgte dieselbe Behandlung mit
gleich gutem Erfolge.
4. Kronenverletzung: Ein Pferd hatte sich beim Her¬
ausschaffen von Langholz aus dem Walde durch einen hervor-
stehenden Baumstumpf an der Vorderfläche der Krone des linken
Vorderfußes eine bedeutende Verletzung zugezogen. Die Wunde
wurde vernachlässigt und kam erst zur Behandlung, als starke
Eiterung und Lahmen eingetreten war. Die Wunde wurde mit
dem scharfen Löffel ausgekratzt, mit Sublimatlösung desinfiziert,
mit Phenyform bestreut und verbunden. Viermaliger Verband¬
wechsel; nach zwölf Tagen Heilung; Lahmgehen vollständig
verschwunden.
5. Verletzung am Oberschenkel: Ein Pferd wurde von
dem danebenstehenden geschlagen; die Haut war in der Aus¬
dehnung einer Handfläche an der Außenseite des rechten Ober¬
schenkels losgelöst, die Wunde selbst etwa 12 cm tief und
ca. 20 cm laug. Nach gründlicher Reinigung der Wunde am
abgeworfenen Pferde wurde die ganze Wunde mit Phenyform
bestreut und die Haut mit 18 Nadeln wieder angenäht. Die
Weiterbehandlung bestand in täglichem Abtupfen der Wunde
mit Watte und Bestäuben mit Phenyform. Die Heilung machte
gute Fortschritte. Nach 20 Tagen konnte das Pferd eingespannt
werden, nach 10 Wochen war kaum mehr eine Narbe wahr-
znnehmen. Ein ganz ähnlicher Fall bei einem Pferd und einer
beim Rind, das mit dem rechten Oberschenkel durch Aus¬
rutschen in eine Sense gefallen war, wurde in derselben Weise
mit gleich gutem Erfolg behandelt.
6. Eiternde Druckwunde am Widerrist: Durch An¬
legen der Vorfallbandage bei einer Kuh nach Reposition des
vorgefallenen Tragsackes starb zu beiden Seiten der Wirbel¬
säule hinter dem Widerrist durch den Druck der am Gurt be¬
festigten Polster je ein etwa fünfmarkstückgroßes Stück der
Haut ab. Behandlung: Desinfektion mit Lysolwasser, Auf¬
streuen von Phenyform. Als dadurch keine Heilung erzielt
wurde, wurde eine Phenyformsalbe angewandt. Ebenfalls keine
wesentliche Besserung. Zur Probe nahm ich nun Jodoform,
doch auch hierdurch konnte die Heilung nicht beschleunigt
werden. Vor vollständiger Heilung wurde die Kuh verkauft,
so daß ich den Heilungsprozeß nicht weiter verfolgen konnte.
7. Geschwüre: In diesem Fall probierte ich Phenyform
an mir selbst. Bei der Abnahme einer stark fauligen Nach¬
geburt zog ich mir durch zwei kleine, bisher nicht beachtete
Verletzungen am Arme eine Infektion zu. Es bildeten sich
stark eiternde, etwa pfennigstückgroße Geschwüre verbunden
mit Schwellung des Armes. Nach peinlichster Desinfektion mit
Sublimatlösung trug ich Phenyformsalbe auf und legte einen
Verband an. Da nach drei Tagen die beiden Geschwüre noch
nicht sauber waren, verwandte ich Phenyformpulver. Nach
Verlauf von acht Tagen waren die Geschwüre fast vollständig
vernarbt.
Wenn ich die bei meinen Versuchen mit Phenyform ge¬
machten Erfahrungen zusammenfasse, so komme ich zu folgendem
Urteil:
1. Das Phenyform ist ein nicht reizendes, gut deckendes
Wundstreupulver, das dem Jodoform an Wirkung gleich¬
steht;
2. das Phenyform wirkt gut austrocknend und ruft lebhafte
Granulation der Wundflächen hervor;
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
2. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
475
3. während sich das Phenyform durch genannte Eigenschaften
mit dem Jodoform deckt, hat es vor letzterem den Vorzng
der Geruchlosigkeit, der Ungiftigkeit und Billigkeit.
Nur in einem Fälle (Nr. 6) entschloß ich mich nach längerer,
fast vergeblicher Anwendung des Phenyforms zum Jodoform
überzugehen, doch konnte auch dieses den Heilungsprozeß nicht
sichtlich beschleunigen.
Dann machte ich noch die Beobachtung, daß Phenyform in
Pulverform wirksamer zu sein scheint wie in Salbenform.
Alles in allem genommen, kann nach meinen Beobachtungen
das Phenyform als ein gutes Ersatzmittel für Jodoform be¬
zeichnet werden.
Beitrag zur Quecksilbervergiftung bei Kälbern.
Von Tierarzt Dr. Reiche-Rochlitz.
Zwei Simmenthaler Kälber, jedes vier Monate alt, hatte ein
Gutsbesitzer längs des Halses dreimal im Verlauf einer Woche
mit Quecksilbersalbe eingerieben. Die Salbe hatte er als
„Läusesalbe“ aus der Apotheke bezogen.' Die Salbenmischung
(100 g) bestand aus 20 g Unguentum Hydrargyrum cinereum
und war mit 80 g Adeps verdünnt worden. Der Apotheker
hatte den Besitzer auf die Giftigkeit der Salbe aufmerksam
gemacht.
Vierzehn Tage nach der letzten Einreibung ließ das eine
Kalb im Fressen nach, während sich der Durst auffallend ver¬
mehrte (Selbsttränke); dabei trat Darchfall und starker Speichel¬
fluß ein. Am 20. Tage nach der Einreibung fraß das Kalb
überhaupt nichts mehr, und der Besitzer zog mich endlich des
Nachts (!) zu Rate. Befund bei der Lebendbeschau: Starker
Speichelfluß (ohne Maulgeruch), Hautansschläge mit Eiter- und
Borkenbildung am Halse (eingeriebene Stellen), an den weißen
Backen und Lippen, sowie an den weißen Fesseln beider Vorder¬
füße. Hautoberfläche überall kalt. Körperinnentemperatur 36,5!
Beim Liegen trug das Kalb den Kopf sichtlich schwer aufrecht.
Nach dem Auftreiben blieb das Kalb nur wenige Minuten stehen.
Die Hauterkrankungen ließen mich sofort nach der Ursache
und Art der Einreibung fragen, wobei sich obenerwähnte
Quecksilbereinreibung der beiden Kälber herausstellte. Das i
andere eingeriebene Kalb befand sich, ebenfalls angebunden,
etwa acht Meter von dem erkrankten entfernt und hat weder
früher noch später irgendwelche Krankheitserscheinungen gezeigt.
Nach Aussage des Besitzers war diesem Kalbe aber nur die
kleinere Hälfte der Salbenmenge eingerieben worden, so daß
das kranke Kalb demnach 12—15 g officineller grauer Salbe
erhalten hat. Diese 12—15 g grauer Salbe haben also
die tödliche Quecksilbervergiftung nach 20 Tagen
herbeigeführt; denn der ganze Zustand des Tieres wies auf
baldigen Exitus letalis hin, und dem Besitzer konnte nur sofortige
Notschlachtung angeraten werden.
Der Befund bei der Fleischbeschau war eigentlich negativ.
Das Fleisch wurde aber, auf Grund der Lebendschau und seiner
eventuellen geringen Haltbarkeit, als minderwertig der Freibank
überwiesen. Es fanden sich zwar punktförmige Blutungen in fast
sämtlichen Körperlymphdrüsen, sowie flächenförmige Blutungen
in 10-Pfenniggröße unter dem Endokard, doch können diese
Erscheinungen wohl auch durch die Art und Weise der nachts
ausgeführten Notschlachtung entstanden sein. Die Organe zeigten
keine sichtbaren Veränderungen; besonders waren Labmagen
und Darmkanal unverändert, und es fehlten jene diphtheritischen
Blinddarm- und Dickdarmentzündungen, wie sie für die Queck¬
silbervergiftungen der Schweine geradezu charakteristisch sind
und die sich so häufig auch bei Quecksilbervergiftungen von
Menschen, Hunden, Katzen, Kaninchen und Ziegen vorgefunden
haben.
Echinococcus multilocularis in der Muskulatur des
Pferdes.
Von Karl Hochstein, Distjiktsticrarzt, Lauf bei Nürnberg.
Zur Schlachtviehbeschau wurde mir am 23. Januar d. J.
ein alter Fuchswallach vorgefülirt, der sonst anscheinend gesund,
in der Lendengegend rechts der Mittellinie eine umfangreiche
Geschwulst hatte, 50 cm lang, 20 cm breit, nach oben wie ein
Höcker prall hervorragend und dem Tiere ein eigenartiges
Ansehen verleihend, keine Schmerzempfindung, leichte Fluktuation.
Nach dem Schlachten des Pferdes stellte es sich heraus, daß
nicht, wie vermutet, ein Hämatom, sondern eine im Longissi-
mus dorsi von Echinococcen gebildete Geschwulst vorlag.
Beim Einschneiden durch Hautmuskel und oberflächliche Teile
des langen Rückenmuskels quollen viele Hunderte von kugeligen
Blasen, erbsen- bis kleinapfelgroß, hervor. Die äußere, derbe
Bindegewebskapsel war mit zahlreichen größeren und kleineren
Hohlräumen und Zwischenwänden versehen, ein hübsches Netz¬
werk darstellend. Von der Rückenmuskulatur war nicht viel
mehr erhalten, die Hohlräume waren bis zur Wirbelsäule vor¬
gedrungen und haben die Muskeln zur Atrophie gebracht. Die
Blasen hatten durchwegs flüssigen, fast wasserklaren Inhalt mit
ganz leichter, feinkörniger Trübung. Die mikroskopische Unter¬
suchung der Blasenwand ließ den lamellären Bau der Cuticula
erkennen, an der Innenfläche der Blasenwand zahlreiche ge¬
platzte Brutknpseln mit Scolices, im Blaseninhalt viele frei
schwimmende Köpfe. Alle übrigen Organe frei von Echino¬
coccen. Einen Zweifel, daß es sich um die alveoläre Form
des Echinococcus handelt, gibt es nicht. In der Literatur
finde ich einen solchen Fall nicht beschrieben. Das Pferd soll
die Geschwulst am Rücken sechs Jahre gehabt haben.
Der Vertrieb und die Kontrolle der tierischen Impf¬
stoffe und Sera in Ungarn.
Von Ludwig Maral, Direktor in Budapest.
Die Schutzimpfstoffe gegen Schweinerotlauf und gegen
Milzbrand wurden in Ungarn bis vor zirka 10 Jahren aus¬
schließlich durch das sogenannte „Laboratoire Pasteur-Chamber-
land“ vertrieben, welches diese Präparate aus Pariser Urstoffen
(Semences) erzeugte und noch erzeugt. Nebst diesen Impf¬
stoffen versendet das Laboratoire auch das Cornevin und
Arloingsche Rauschbrandpulver, das dieses Institut fertig ge¬
stellt und dosiert aus Lyon bezieht. Seither wurde das „Labo¬
ratorium für Schutzimpfstoffe, Aktiengesellschaft“, welches zu
den erwähnten Präparaten ihre eigenen Urstoffe verwendet, und
später ein drittes ähnliches Institut gegründet, das sich den
Namen „Jenner-Pasteur“ beigelegt hat.
Es war kein leichtes Spiel, die Alleinherrschaft des „Labo¬
ratoire Pasteur-Chamberland“ zu brechen und es brauchte lange
Zeit, bis die neuen Institute höheren Ortes konzessioniert.
476
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
wurden, denn der Konservatismus hat dem großen Namen
Pasteur übertrieben gehuldigt. Das „Laboratoire Pasteur-
Chamberland“ selbst hat sich um einen solchen Vorschub keines¬
falls verdient gemacht.
Der Vertrieb von tierischen Impfstoffen wurde dennoch frei¬
gegeben. Man ging, höheren Ortes sicherlich von dem Stand¬
punkt aus, daß früher oder später nur diejenigen Institute das
Feld behaupten werden können, deren Impfstoffe sich als ein¬
wandfrei erweisen werden. Hieraus resultierte auch der leb¬
hafte Wettbewerb, der sich zwischen den drei Instituten sehr
rasch entwickelte. Die Institute bekriegten einander nach
Leibeskräften, dort wo es nur tunlich war; sie wollten sich den
Vorrang streitig machen, um endlich zu der peinlichen Über¬
zeugung zu kommen, daß verläßliche Präparate mehr Vorteile
bieten, als offensive, Cicero pro domo geschriebene Flugschriften
und dergleichen. Das Veterinärwesen wurde hierdurch sehr
wenig gefördert. Es wurden sogar aus Kreisen der Tierärzte
und der Tierzüchter immer mehr Stimmen laut, daß die Präpa¬
rate dieses oder jenes Institutes sich als wertlos, ja auch als
schädlich erwiesen haben und so wurde oft auch dasjenige
Institut in Mitleidenschaft gezogen, das sich keiner Sohuld
bewußt war.
Die Klagen gegen die abgegebenen Schutzimpfstoffe und
Seras, vou da und dort stammend, wurden besonders in letzterer
Zeit immer lauter, auch die Landwirtschaftsvereine traten an
das Ackerbauministertum heran mit der Forderung, zur Sicherung
des Wertes der Schutzimpfungen entsprechende Maßregeln zu
treffen. Dies und der Umstand, daß die Verbreitung der Schutz¬
impfungen, zum großen Schaden der Tierzucht, allmählich stark
in Mitleidenschaft gezogen- wurde, bewog den ungarischen Acker¬
bauminister zu dem Dekret, welches, im Einvernehmen mit dem
Minister des Innern, ab 1. Juli 1907 die Erzeugung und den
Vertrieb von tierischen Schutzimpfstoffen, Heilseras und Präpa¬
raten zu diagnostischen Zwecken formgerecht unter Staats¬
aufsicht und Staatskontrolle stellt.
Zufolge des eben erwähnten Dekretes, das auch auf die
bereits bestehenden Institute Rückwirkung hat, dürfen in Ungarn
bakteriologischo Präparate zu tierischen Schutz impfstoffen,
Heilsera und zu diagnostischen Zwecken, derzeit geschäftsmäßig
nur dann erzeugt und vertrieben werden, wenn der Ackerbau¬
minister, im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, die
Konzession hierzu erteilt hat und es kann eine solche Kon¬
zession nur solchen ungarischen Staatsbürgern erteilt werden,
die entsprechende wissenschaftliche Qualifikation nachweisen
können und über ein zweckdienlich eingerichtetes Laboratorium
verfügen. Dieselbe Qualifikation wird auch vom technischen
Leiter einer Association verlangt. Für Präparate, mit welchen
jene Krankheiten diagnostiziert werden, bei welchen der Staat
eine Entschädigung leistet, wird überhaupt keine Konzession
erteilt. Nichtproduzenten sind von dem Vertrieb der im In¬
lande erzeugten Präparate ganz ausgeschlossen. Die Be¬
willigung zum Vertrieb von ausländischen bakteriologischen
Präparaten kann nur seitens der inländischen Produzenten er¬
worben werden, und auch nur dann, wenn die betreffenden
Präparate aus Laboratorien mit anerkannt gutem Rufe stammen,
dürfen aber nur als solche, mit entsprechender Vignette ver¬
sehen, abgegeben werden. Konzessionäre, welche solche Präpa¬
rate vertreiben wollen, die im Inlande noch verdünnt oder erst
entwickelt werden müssen, haben auch den schon erwähnten
Qualifikationsnachweis usw. zu liefern. Die erteilte Konzession
ist ohne Zustimmung der Regierungsbehörde nicht übertragbar.
Das Dekret stellt des weitern fest, daß jeder Konzessionär
verpflichtet ist, von den Präparaten, die er vertreiben will, eine
gewisse Quantität als Probe samt Gebrauchsanweisung ein-
zusenden und bei dieser Gelegenheit mit voller Haftpflicht
genau zu beschreiben, welche Dosis von dem Schutzimpfstoff
ein gewisses Tier tötet und die Dosis des Serums, welche ge¬
nügt, ein bestimmtes Tier, gegen eine gewisse Dosis des
Infektionsstoffes zu schützen. Anzugeben sind auch die Preise
der einzelnen Präparate, zu welchen dieselben abgegeben
werden. Das Präparat, das als eigenes Erzeugnis vertrieben
wird, muß der Konzessionär in allen Phasen selbst herstellen,
während bei ausländischen Präparaten die Operation anzugeben
ist, welche mit diesem im Inlande vorgenommen wird.
Der Konzessionär ist gehalten, dem Ackerbauminister jeden
Wechsel in der technischen Leitung des Laboratoriums, alle
Veränderungen der Normen der einzelnen Präparate, der Ver¬
kaufspreise und der Gebrauchsanweisungen anzumelden. Alle
Tuben oder Fläschchen und Papierhülsen, in denen die flüssigen
Präparate, resp. die Präparate in Pulverform in Vertrieb
gebracht werden, müssen derartig verschlossen sein, daß kein
Zweifel obwalte, falls diese schon geöffnet worden sind. Die
gelegentlich ein und derselben Operation erzeugten identischen
Präparate, z. B. die mit gewissen abgeschwächten Bakterien
fertig gestellten Schutzimpfstoffe, das auf einmal hergestellte
Tuberkulin usw. sind mit einer laufenden Operationsnummer zu
versehen. Diese Nummer tragen auch die Vignetten der Tuben,
Fläschchen usw., auf welchen auch der Zeitpunkt der Operation,
dann der Name, die Dosen und die Zeitdauer der Wirksamkeit
des Präparates ersichtlich zu machen, schließlich die Tiere zu
benennen sind, für welche das Präparat erzeugt, wurde. Jedem
Präparat muß auch die betreffende regierungsbehördlich ge¬
nehmigte Gebrauchsanweisung beigegeben werden. Von den
flüssigen Schutzimpfstoffen mit abgeschwächten Bakterien, die
nur auf tierärztliche Bestellung ausgefolgt werden dürfen, darf
eine Tube nicht mehr als 25 Dosen enthalten.
Nebst alldem hat der Konzessionär ein Buch aufzulegen,
in welches der Zeitpunkt der Bestellungen, die Namen und das
Domizil der Besteller, die an deren Adresse abgesandten Prä¬
parate, unter Anführung der Quantität und der Operations¬
nummern einzutragen sind.
Endlich heißt es in dem wiederholt genannten Dekret, daß
falls gelegentlich einer Kontrolle sich herausstellen würde, daß
eines oder das andere Präparat die angemeldete Eigenschaft
nicht besitzt — übervirulent oder verunreinigt, war — und die
Gebrauchsanweisung von der genehmigten abweicht, kann dem
Konzessionär zugunsten der Staatskasse eine Geldstrafe bis zu
2000 Kronen auferlegt werden. Sollte weiteres bei einer fach¬
männischen Kontrollprüfung konstatiert werden, daß ein ver¬
abfolgtes Präparat Massenerkrankungen, oder den Tod nur eines
Tieres verursacht hat, dann muß der Konzessionär für den ver¬
ursachten Schaden Ersatz leisten.
Die staatliche Kontrolle wird durch eine Kommission, be¬
stehend aus zwei Mitgliedern, ausgeübt. Das eine Mitglied der
Kommission ist in der Haupt- und Residenzstadt Budapest der
königliche Bezirkstierarzt, das zweite der Experte des Ackerbau¬
mmisters. Diese Kontrollkommission hat die respektiven Labo¬
ratorien, mindestens einmal vierteljährig, zu besichtigen, in deren
2. Jtill 1908.
BEHLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
477
Bücher Einsicht zu nehmen nnd über die gemachten Erfahrungen
dem Ackerb&nminister halbjährig nnd im Falle Verstöße gegen
die Bestimmungen dieses Dekretes konstatiert wurden, sofort
Bericht zu erstatten. Der Kontrollkommission steht es zu, bei
ihrem unerwarteten Erscheinen in den Laboratorien von den
Präparaten eine gewisse Quantität abzuverlangen und ist ver¬
pflichtet zur Kontrollprüfung von den Präparaten, nach Gut¬
dünken, auf indirektem Wege eine gewisse Quantität sich zu
beschaffen. Die von der Kommission zur Prüfung direkt oder
indirekt abverlangten Präparate sendet dieselben an das bakterio¬
logische lastitut der königlich ungarischen Tierärztlichen Hoch¬
schule, welches über das Resultat der Prüfung dem Ackerbau¬
minister berichtet. Zur Prüfung dürfen aber nur Präparate mit
üblichem Verschluß des betreffenden Laboratoriums verwendet
werden. Die Kosten der Kontrolle und der Prüfung hat jeder
einzelne Konzessionär zu tragen.
Die bereits erteilte Konzession kann, im Sinne des Dekretes,
seitens des Ackerbauministers entzogen werden, wenn die Ver¬
läßlichkeit der technischen Leitung eines Laboratoriums einen
Abbruch erleidet, wenn die Qualität der Präparate den Angaben
nicht entspricht, dann falls die Präparate auf unlauterer Weise
vertrieben werden und schließlich in dem Falle, wenn eine all¬
fällige Geldstrafe oder ein zugeurteilter Schadenersatz, zu dem
festgesetzten Termin nicht bezahlt, respektive nicht geleistet
wurde.
Dies ist der kurzgefaßte Tenor der neuesten Verfügungen
des ungarischen AckerbauminiBters im Interesse der tierischen
Schutzimpfungen und es muß anerkannt werden, daß diese Ver¬
fügungen eine neue Epoche für das ungarische Veterinärwesen
bedeuten, die der Nachahmung würdig sind. Jene Institute, die
neben ihren eigenen Vorteilen, auch dem Gemeinwohl dienen
wollen, gewinnen durch das Dekret, ohne etwas einbüßen zu
müssen. Und wenn es auch wahr, daß die hier geschilderte
staatliche Aufsicht und Kontrolle der respektiven Laboratorien
noch nicht die idealste ist, denn es kann noch immer Vorkommen,
daß ab und zu wirkungslose oder schädliche Präparate ausgefolgt
werden, auf die erwünschte Verbreitung der Schutzimpfungen in
Ungarn wird das Dekret doch günstig einwirken. Die nach¬
weisbare Kontrolle der zum Vertrieb fertig gestellten Präparate,
welche die Laboratorien selbst vornehmen werden
müssen, wird die ungarische Regierung um die jetzt an¬
gedeuteten Eventualitäten einzuhalten, gewiß sehr bald auch
anordnen.
Referate.
(Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der Tierärztlichen
Hochschule zu Berlin.)
Die grauen durchscheinenden Knötchen in den Pferde¬
lungen und ihre Beziehung zu der Botzkrankheit.
Von Angeloff-Sofia.
(Archiv für wissenschaftliche und prakt. Tierheilkunde, 34. Bd. I. Heft).
Seit der Entdeckung des Malleins als Diagnostikum der
Rotzkrankheit haben die kleinen fibrösen oder auch kalkigen
Knötchen in den Pferdelungen eine ziemlich bedeutende Rolle
gespielt. In der Literatur sind die verschiedensten Angaben
über ihr Wesen und Entstehung, sowie Beurteilung aufzufinden.
Auf Anregung des Pathologen Schütz, der sich bekanntlich
viel mit der Untersuchung dieser Gebilde befaßt hat, nahm
Angeloff eingehend die Prüfung der genannten pathologischen
Veränderungen vor. Zur Entkalkung benutzte er die Phloro¬
gluzinmethode, die sich gut bewährte. Die Knötchen wurden
in Serienschnitte zerlegt; bei der näheren Untersuchung er¬
wiesen sie sich als folgende Gebilde:
1. Graue durchscheinende Knötchen. Dieselben stellen
in den Pferdelungen einen ziemlich häufigen Befund dar. In
gewissen Gegenden kommen sie häufiger als in anderen vor
(nach Olt bei 70 Proz. aller in Stettin geschlachteten Pferde).
Die Größe schwankt zwischen Hirsekorn bis Linse. Konsistenz
derb wie Lymphknoten. Durchschnittsfläche feucht und fein
granuliert, Zentrum grau, Peripherie rötlich grau oder grauweiß.
Bei der histologischen Betrachtung erweisen sie sich entweder
als parasitäre Knötchen oder Lymphknötchen.
a) Parasitäre Knötchen. Sie sind die Produkte eines
durch Nematodenlarven (wahrscheinlich Sclerostoraum bidentatum)
hervorgerufenen Entzündungsprozesses. Die Larven werden
durch das Blut in die Lunge geführt. Daselbst wirken sie als
Reiz. Als Folge der hierdurch gesetzten entzündlichen Vor¬
gänge sehen wir die Alveolen angefüllt mit Endothelien, Binde¬
gewebszellen und eosinophilen Leukozyten. In den in der Nähe
gelegenen Kapillaren findet Exsudation (Fibrin) statt. Das
Schicksal der parasitären Knötchen ist entweder Erweichung
mit sich anschließender Resorption oder Verkalkung.
b. Lymphknötchen: sind sehr selten. Sie besitzen eine
zarte Kapsel (Tunica jagaia); ihre innere Einrichtung ist der¬
jenigen der sonstigen lymphogenen Apparate sehr ähnlich
(retikuläres Bindegewebe, dessen Maschen mit Lymphozyten
ausgefüllt sind).
2. Fibröse Knötchen: Sie kommen vereinzelt oder multipel
Vor; Ihre Größe schwankt zwischen der eines Hirsekornes und
der einer Erbse, sie fühlen sich derb an. Durchschnittsfläche
ist glatt, grauweiß-glänzend oder grau-käsig oder von ge¬
schichteter Struktur. Diese Gebilde sind nach A. geheilte
parasitäre Knötchen, bei denen das Innere erweicht und
resorbiert worden ist, und der Rest sich in fibröses Gewebe
umgewandelt hat.
8. Kalkige Knötchen: meist multipel und ziemlich häufig
vorkommend, bis erbsengroß, von einer fibrösen Kapsel um¬
schlossen, die mit dem umgebenden Gewebe verwachsen ist.
Die Durchschnittsfläche ist trocken, bei Gebrauch eines scharfen
Messers glatt, sonst brüchig, konzentrisch geschichtet, von wei߬
gelblicher Farbe. Diese Knötchen stellen das Ende der schon
beschriebenen grauen durchscheinenden und der fibrösen
Knötchen dar.
4. Rotzknötchen sind grieskom- bis erbsengroß, derb, von
grauroter Farbe. Ganz kleine Knötchen sind nach ihrem Aus¬
sehen mit Flohstichen vergleichbar. Ihre Zahl wechselt, oft
sind die Lungen ganz durchsetzt. Die Durchschnittsfläche der
verschiedenen Rotzknötchenarten gibt variierende Bilder. Die
ganz jungen Knötchen stellen ein kleines pneumonisches
Herdchen von roter Farbe dar, welches allmählich in die
Nachbarschaft übergeht. Die etwas älteren Knötchen
zeigen ein graues trübes Zentrum, das von einem roten Hof
umgeben ist und zuweilen eitrigen Zerfall zeigt. Mit dem
benachbarten Gewebe steht das Knötchen im Zusammenhang,
BOdaß es mit der Messerspitze nicht herausgegeben werden kann.
Noch ältere Knötchen haben ein trockenes, grüngelbes
Zentrum und eine graurötliche, aus Granulationsgewebe bestehende
Umgebung.. Da sich später eine graue, durchscheinende Binde-
478
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
gewebshülle bildet, so wird diese Form am häufigsten mit den
entozoischen Knötchen verwechselt, und eine sichere Unter¬
scheidung zwischen beiden ist oft nur durch die mikroskopische
Untersuchung möglich. Dem Wesen nach ist das Rotzknötchen
das Produkt einer Pneumonia fibrinosa miliaris, entstanden durch
die Giftwirkung der Rotzbazillen. Die Zellen, welche die
Knötchen zusammensetzen, zeigen infolge der Einwirkung der
Toxine der Rotzbazillen einen Kernzerfall; die so entstandenen
Zerfallsmassen behalten aber ihre Färbbarkeit bei. Die Rotz¬
knötchen sind von den anderen in den Pferdelungen vorkommenden
Knötchen noch dadurch zu unterscheiden, daß sie keine
eosinophilen Leukozyten aufweisen und nicht verkalken.
Zu dieser, vorstehend kurz referierten Arbeit gibt Schütz-
Berlin einen Nachtrag, welcher hier ebenfalls besprochen
werden soll. Nach Schütz sind in den Rotzknötchen außer
Fibrin verschiedene Zellen: Fibroblasten, Leukozyten und
Lymphozyten nachzuweisen. Die frischen Rotzknötchen sehen
wie Hepatisationsknötchen aus, sie sind nicht, wie Wladimir off
behauptet, transluzid. Die Alveolen der erkrankten Lungen¬
partie sind mit Zellen gefüllt; ein Teil derselben ist durch
Wucherung der in den Scheidewänden der Alveolen gelegenen
Zellen entstanden, ein anderer Teil setzt sich zusammen aus
ausgewanderten neutrophilen Leukozyten und Lymphozyten. In
allen Zellen tritt Nekrose ein, wobei die Kerne in Bruchstücke
zerfallen (Karyorrhexis). Die Rotzknötchen sind mithin
Produkte einer Entzündung, die durch die Rotzbazillen und
deren Gifte hervorgerufen wird, letztere geben die Ursache für
die Chemotaxe ab, durch welche die neutrophilen Leukozyten
aus dem Blute herausgelockt werden.
Die Larven von Parasiten veranlassen in der Lunge gleich¬
falls einen Entzündungsherd mit Auswanderung von Leukozyten
und Zellproliforation. Die Giftwirkung wird hierbei durch den
Parasiten selbst erzeugt. Die Gifte locken die eosinophilen
Zellen an, und letztere sind ein spezifisches Merkmal der prasitären
Knötchen. Diese gehen ferner nicht durch Karyorrhexis zugrunde,
sondern in ihnen reifen die Fibroblasten zu Bindegewebe aus.
Nach Schütz sind die erzielten Untersuchungsresultate
sehr wichtig, denn sie liefern den Beweis dafür, daß mit Hilfe
der histologischen Untersuchung das Wesen der Lungenknötchen
unschwer festgestellt werden kann. Sicherlich sind früher viele
Lungenknötchen irrtümlich für rotzig oder geheilt rotzig ange¬
sehen worden. J. Schmidt.
Die Ophthalmo- und Kutanreaktion bei Rinder¬
tuberkulose.
Von Veterinärrat Dr. Gartli, Unterveterinäre Dr. Kranich und
G r ü n e r t - Darmstadt.
(Deutsche TierSrztl. Wochenschrift 1908, Nr. 14.)
Die Verfasser haben eine große Zahl von Versuchen mit
der Ophthalmo- und Kutanreaktion vorgenommen, um deren
diagnostischen Wert bei der Rindertuberkulose zu prüfen, zumal
die vorwiegend in der französischen tierärztlichen Literatur vor¬
liegenden Berichte nicht gerade günstig lauten. Garth, Kranich
und Grünert benutzten analog dem Verfahren in der Human¬
medizin für die Instillation in den Konjunktivalsack eine lproz.
Lösung vonKochs Alttuberkulin (Verfahren nachWolff-Eisner),
und für die Kutanimpfung eine 25proz. Lösung desselben Tuber¬
kulins (Verfahren von v. Pirquet). Sie verwendeten nach und
nach stärkere Alttuberkulinlösungen und gingen schließlich zur
Verwendung anderer Tuberkuline über.
Die Technik ist kurz folgende: Mittelst einer graduierten
und mit Gummiballon versehenen Pipette wurde jedem Rinde
Va ccm der betreffenden Lösung in den Lidsack eingeträufelt.
Um eine Kutanreaktion vorzubereiten bzw. auszulösen wurden
an der haarlosen Partie um den After drei Impfschnitte mittelst
einer in die Tuberkulinlösung getauchten Impffeder nebeneinander
angelegt, nachdem die gereinigte Haut gründlich desinfiziert
worden war.
Die Impfung wurde gewöhnlich spätnachmittags und die
erste Nachschau am nächsten Morgen, etwa 16 Stunden nach
der Impfung, vorgenommen. Bei einer Anzahl von Tieren wurde
auch die Impfung frühmorgens vorgenommen, um schon eher die
Nachschau halten zu können. Um das Resultat der Impfung
kontrollieren zu können, wurden die Versuchsrinder nach Be¬
endigung der Versuche geschlachtet» und danach so gewissenhaft
als nur möglich untersucht.
Für die erste Versuchsgruppe wurden 32 Ochsen und 29 Kühe
verwendet. Für die Instillation kam lproz. Koch-Alttuberkulin
und für die kutane Impfung 25proz. Alttuberkulin zur An¬
wendung. Die Versuche brachten keine sicheren Merkmale und
die Resultate werden von den Verfassern als gänzlich negativ
bezeichnet, obwohl sich nach der Schlachtung 12 Ochsen und
15 Kühe als tuberkulös erwiesen.
Zur zweiten Versuchsreihe wurden 22 Ochsen und 13 Kühe
verwendet. Diesmal träufelten sie eine 2proz. Alttuberkulin¬
lösung in den Lidsack, während sie für die Kutanimpfung die
25proz. Alttuberkulinlösung beibehielten, jedoch die Impfschnitte
etwas tiefer ausführten. Auch bei dieser Versuchsreihe
war das Resultat negativ. Bei drei Tieren trat zwar eine
Rötung der Konjunktiva ein, aber nach der Schlachtung waren
gerade diese Tiere tuberkulosefrei, während 12 andere tuber¬
kulös waren. — Bei den nächsten drei Versuchsreihen benutzten
sie für das Auge teils 4proz. Alttuberkulin, teils Bovo-Tuberkulol
Merck, und zwar Solutio 3 und Solutio 4. Es sind dieses sehr
stark verdünnte Lösungen von Bovo-Tuberkulol Merck Solutio 1.
Dieses Bovo-Tuberkulol stammt von Rindertuberkelbazillen und
ist im Gegensatz zu Tuberkulin prüfbar; es stellt das Tuber¬
kulose-Toxin qualitativ unverändert dar. Für die Impfschnitte
wurde bei allen Tieren unverdünntes Alttuberkulin benutzt.
Auch diesmal war der Erfolg bei diesen drei Versuchsreihen
(insgesamt 54 Rinder) absolut negativ.
Bei Versuch sechs (16 Ochsen und 19 Kühe) wurde für Auge
und Haut unverdünntes Alttuberkulin verwendet, nachdem vorher
an einem Versuchstier festgestellt worden war, daß eine 4proz.
Glyzerinlösung für sich keine Ophthalmoreaktion zu erzeugen
vermag, denn bekanntlich enthält das Alttuberkulin eine der¬
artige Menge Glyzerin.
Bei dieser sechsten Versuchsreihe trat zum ersten
Male Ophthalmoreaktion auf, während die kutane Impfung
erfolglos blieb. Die Ophthalmoreaktion trat bei 12 Tieren auf,
die sich auch nach der Schlachtung als tuberkulös erwiesen.
Es zeigten aber 7 keine Reaktion, und doch fand sich nach
der Schlachtung Tuberkulose.
Beim siebenten Versuch (55 Rinder) kam eine 5proz. Lösung
des glyzerinfreien Tuberculinum siccum Merck zur Anwendung*
Auch hier blieb in allen Fällen die kutane Reaktion
aus, hingegen trat neunzehnmal Ophthalmoreaktion
ein, und diese 19 Rinder wurden nach der Schlachtung als
tuberkulös erkannt Es waren aber auch noch 4 weitere Tiere
2. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT
479
tuberkulös, die nicht reagiert hatten. Die Ophthalmoreaktion
trat bei dieser Versuchsreihe teils schon nach drei Stunden
in Gestalt von Tränen auf. Häufigeres Tränen sah man nach
zehn Stunden, und Konjunktivaleiterung begann etwa nach zwölf
Stunden und erreichte in der Regel nach fünfzehn Stunden nach
der Impfung den Höhepunkt. Es kann aber ausnahmsweise auch
eine Spätreaktion (24 Stunden nach der Impfung) eintreten.
Für den achten Versuch standen ebenfalls 55 Rinder zur
Verfügung und es wurde zur Impfung und Instillation 50proz.
Bovo-Tuberkulol D (Merck) Solutio 1 verwendet. Damit ist
ein voller Erfolg erreicht worden. Von den 55 Tieren
reagierten 29. Tuberkulös befunden wurden nur 26 = 47 % der
Geimpften. Von den 26 tuberkulösen Tieren hatten 25 reagiert
= 96,1 %. Ein Tier hat nicht reagiert und war tuberkulös.
Allerdings wurde dieses Tier bereits vierzehn Stunden nach der
Impfung geschlachtet. Nach den Erfahrungen mit Bovo-Tuberkulol
wäre eine spätere Reaktion sehr wohl möglich gewesen.
Die Kutanreaktion trat in der Regel 24—36 Stunden nach
der Impfung auf.
Die Versuche der Verfasser haben sonach ergeben, daß
stark verdünnte Lösungen von Tuberkulinpräparaten
wirkungslos bleiben, daß das Alttuberkulin Koch bei
63,3%, das Tuberculinum siccum schon bei 73,9 %, das
Bovo-Tuberkulol D bei 96,1% der tuberkulösen Tiere
Ophthalmoreaktion erzeugte. Rdr.
Öffnung der vorderen Augenkammer.
Heilung durch Borpulver.
Von Lacassague.
(Recueil d’Alfort, 15. Mai 1908.)
Ein siebenjähriges Pferd wird mit geschlossenem rechten
Auge und stark geschwollenen Augenlidern am 16. Januar zur
Untersuchung vorgeführt. Beim Öffnen der letzteren erscheint
der ganze Augapfel gleichmäßig rot und man bemerkt an der
Grenze des vorderen und mittleren Drittels einen senkrecht ver¬
laufenden, etwa 3 cm langen Spalt, der zum Teil mit geronnenem
Humor aquens ausgefüllt ist und aus dem Auge ganz erloschen.
Das Pferd hatte sich die Wunde beim Herauslaufen aus dem
Stalle zugezogen, wobei es an der Tür hingefallen ist und das
rechte Auge auf der Türklinke aufgeschlagen hat.
Nachdem der Verfasser das Auge mit gekochtem lauwarmem
Salzwasser ausgewaschen hatte, blies er mittelst eines Metall¬
rohres Borpulver darauf. Sofort stellte sich ein bedeutender
Tränenfluß ein, und auch den Mundlippen entfloß eine reich¬
liche Flüssigkeit. Als er am Nachmittag eine zweite Insuflation
vornahm, wurde schon die schmerzstillende Wirkung des Pulvers
konstatiert, da sich das Pferd viel leichter behandeln ließ als
am Morgen. Am 17. Januar hat die Rötung an den hinteren
Partien des Auges abgenommen und einem gelblichen Hypopion
Platz gemacht. Die mit Blut untermischte dickliche Augen-
kammerflüssigkeit fließt noch immer aus der Wunde heraus. Die
Insuflationen von Borpulver werden dreimal täglich vorgenommen.
Am 18. bemerkt man reichliche Granulationen auf der Wunde.
Humor aquens fließt immer noch aus der Wunde heraus,
nur ist er etwas heller geworden. Das Auge tränt sehr stark.
Das Hyphaema ist überall verschwunden und man bemerkt nur
noch eine gleichmäßige zitronengelbe Nüance. Die Sehkraft ist
immer noch gleich Null. Am 5. Februar ist der Spalt voll¬
ständig geschlossen und von einer heller gewordenen gelblichen
Zone umgeben. Die üppigen Mundgranulationen werden nun mit
Höllenstein leicht geätzt. Das Pferd fängt jetzt an auf Licht¬
reize zu reagieren. Nach drei Tagen wird die Kauterisation
noch einmal vorgenommen. Der Augapfel ist nur noch an seinen
oberen hinteren Partien etwas abgeplattet und vorn in der
Gegend der Wunde stark konvex. Die Sehkraft ist vollständig
wieder zurückgekehrt. Am 11. Februar ist das Auge ganz geheilt.
Helfer.
Bauchbruch beim Pferd.
Von Oberveterinär Ventzki.
(Zeitschrift für VeterlnÄrkunde 1908, S. 69.)
Beim Exerzieren drang einem Dienstpferd eine abgebrochene
Lanze mit dem stumpfen Bruchende in die linke Flankengegend,
Hautabschürfungen verursachend. Nach fünf Stunden zeigte
sich in der linken Flanke eine flache Schwellung von Hand¬
tellergröße, die innerhalb von zwei Stunden bis zur Größe
eines Kindskopfes wuchs und sich als Bruch zu erkennen gab.
Die Reposition wurde beim stellenden Pferde versucht durch
Anlegen eines Bruchbandes um den Hinterleib. Zu diesem
Zwecke wurden auf einem breiten Gurte zwei Kissen von
25 cm Länge und 12 ein Breite angenäht, so daß zwischen
ihnen ein Abstand von 5 cm bestand. Um ein Verbiegen der
Kissen zu verhindern, werden Eisenstäbe an der Rückseite der
Polster befestigt. Von diesen Kissen sollte das untere die
Geschwulst stützen, das obere einen ständigen Druck auf die
Geschwulst ausüben. Dem Verschieben des breiten Gurtes
wurde durch Anschnallen an einem Vorderzeuge vorgebeugt.
Das Pferd wurde hochgebunden. — Der Erfolg war ein guter;
der Bauch hatte sich nach zwei Monaten so verringert, daß er
nur noch die Größe einer Kinderfaust besaß. Nach fünf Monaten
war nur noch eine flache Geschwulst vorhanden, als deren Grund
man die unregelmäßige Oberfläche der Bauchdecke fühlte. Das
Pferd geht wieder unter dem Reiter. Richter.
Über Ernährungslehre.
Von Oberstabsveterinär Ludewig.
(Zeitsclir. f. Velerinärk. 1908. S. 491.)
Ludewig verbreitet sich über die Nährstoffe und ihre
Bedeutung für den Körper. Bezüglich der Eiweißstoffe
unterliegt es keinem Zweifel, daß dem Körper Eiweißzufuhr
notwendig ist, daß die Menge des Eiweißes aber nur gering zu
sein braucht. Als Minimum für ein Truppenpferd dürften 600 g
Eiweiß pro Tag zu bezeichnen sein. — Die in den Vegetabilien,
besonders im Heu in großer Menge vorhandenen Amine und
Amide besitzen nach neueren Versuchen einen recht bedeutenden
Nährwert. Ludewig stellte fest, daß diese stickstoffhaltigen
Substanzen bei der Ernährung des Pferdes eine große Rolle
spielen, daß sie besonders befähigt sind, die in den Darm ein¬
geführten Eiweißstoffe vor der Fäulnis UDd damit vor dem Verlust
zu schützen; indem die Amine die Eiweiße zur Verdauung und
Resorption bringen lassen, dienen sie in hervorragendem Maße
als Eiweißsparer.
Bei Besprechung der Kohlehydrate erwähnt Ludewig die
gerade in den letzten Jahren — z. B. von Beausil — gemachten
Mitteilungen, nach denen der Zucker in großer Menge an Pferde
verabfolgt, als ein vorzüglicher Kraftspender geschildert wird.
Ludewig stellte zur Prüfling eigene Versuche an; er fütterte
zwei Pferde mit Zucker. Schon nach einer Gabe von 4ÜU g
480
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
pro Tag trat so starker Durchfall ein, daß von einer weiteren
Zuckerfütterung Abstand genommen werden mußte. Auf Grund
der physiologischen Kenntnisse und seiner Versuche steht
Ludewig deshalb nicht an, seine Ansicht dahin auszusprechen,
daß mehr als 1 / 2 Pfund Zucker pro Tag für Pferde nicht
gefuttert werden darf, wenn man nicht Gefahr laufen will, Ver¬
dauungsstörungen herbeizuführen.
Ludewig bespricht dann Zellulose und Pantosane, Salze,
Wasser, Genußmittel und lenkt zum Schluß die Aufmerksamkeit
auf ein Präparat, welches in manchen Jahren und manchen
Gegenden vielleicht billig zu beschaffen ist und das, wie über¬
einstimmend berichtet wird, eine günstige Wirkung auf den
Nährzustand und die Leistungsfähigkeit der Pferde ausübt;
es sind das die Trockenkartoffeln. Ludewig hatte mehrfach
Gelegenheit, sich von dem Wohlgeschmack des Präparats zu
überzeugen und zu sehen, daß die Pferde das Futter begierig
aufnahmen. Es wäre immerhin erwünscht, daß an Stelle der
oft gekauften minderwertigen und häufig verdorbenen Erbsen
und Bohnen Trockenkartoffeln verabfolgt würden, die innerhalb
gewisser Grenzen imstande sein sollen, gleiche Gewichtsmengen
Hafer vorübergehend zu ersetzen. Richter.
Über Beziehungen der Thermo- und Triboelektrizität
zur Elektrophysiologie.
Von H. Studte.
Bei der Besprechung der Thermoelektrizität geht Verfasser
von dem Prinzip aus, daß die an belebten und unbelebten Körpern
auftretenden Energien identisch sind, und daß die animalischen
elektrischen Vorgänge in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis
zur animalischen Wärme stehen. Zu seinen Versuchen stellt
er sich sogenannte thermoelektrische Lamellen aus zwei ver¬
schiedenartigen Leitern her und vergleicht die Muskulatur mit
einer vielfach zusammengesetzten derartigen Lamelle.
Um die durch den Thermostrom hervorgerufene Ablenkung
von Magneten sichtbar zu machen, benutzt er Doppelrechtecke,
die aus einer Kupferplatte und einem Doppelbiigel aus Neu¬
silber zusammengelötet sind. In jedem Rechteck befindet sich
leicht beweglich eine Magnetnadel. Infolge Erwärmung an J
irgendeiner Stelle der Platte treten thermische und elektrische
Ströme auf, welche die Magnetnadeln je nach der Stärke und
dem Ort der Erwärmung ablenken. Er kommt dabei zu dem
Resultate, daß die elektromotorische Kraft : eines Thermostromes
innerhalb gewisser Grenzen dem Temperaturunterschiede, welcher
den Strom hervorbringt, direkt proportional ist.
Die Befunde hält Verfasser für wichtig genug, um das
Interesse der Physiologen zu erwecken. Er vergißt aber dabei
anzugeben, in welcher Richtung dies geschehen soll. Denn
schon Becquerel und Breschet haben gezeigt, daß bei der
Muskelkontraktion Wärme gebildet wird und andererseits wissen
wir ebenfalls, daß bei der Erregung der Muskelinhalt elektro¬
motorisch wirksam wird im Sinne eines in der Faser von den
erregten zu den ruhenden Bestandteilen verlaufenden Stromes.
Noch weniger ist aus den kurzen Andeutungen zu ersehen,
die Studte über die Beziehungen der Triboelektrizität zur
Elektrophysiologie macht. Zunächst geht er von der Er¬
scheinung aus, daß beim Biegen von Metalldrähten elektrische
Ströme auftreten. Die bei der Reibung der einzelnen Bestand¬
teilchen (Strumenten) aneinander auftretenden Deformationsströme
vergleicht nun Verfasser mit den Aktionsströmen unverletzter
Muskeln.
Ferner schließt Studte aus der Beobachtung, nach welcher
durch Herabfließenlassen von Schwefelsäure in einem Bleirohre
eine Ablenkung der Galvanometernadel erfolgte, daß auch im
lebenden Tier- und Pflanzenorganismus durch das Entlangströmen
der Säfte an den Gefäßwandungen triboelektrische Erscheinungen
auftreten.
Schließlich vermittelt nach StudteB Ansicht die Reibung
das Verwandlungsgeschäft der Energien, ist also nur eine Um¬
leitungsenergie. Daher sollen bei Triboelektrizität sowohl
elektrische als auch thermische Wirkungen zu beobachten sein.
Dr. Adloff.
Beiträge zur Kenntnis der normalen und pathologischen
Anatomie der Glandula tbyreoidea und parathyreoidea
des Pferdes.
Von Dr. Litty. (Inauguraldissertation.)
Der Verfasser wird durch seine Untersuchungen zu folgenden
Schlüssen geführt: Beim Pferde sind die beiden Seitenlappen
der Schilddrüse von verschiedener Größe; der linke Lappen ist
länger, aber schmaler und leichter als der rechte. Der ver¬
bindende Isthmus erfährt postfötal in der Regel eine völlige
Rückbildung seines Drüsenparenchyms. Mit zunehmendem Alter
treten normal in den Seitenlappen Veränderungen auf; Größe
und Gewicht nehmen ab, das Gewebe wird dunkler und fester.
Mikroskopisch ist eine Größenabnahme der Follikel und Ver¬
breiterung der Bindegewebssepten nachweisbar. In den Follikeln
lassen sich zwei Arten von fremden Einschlüssen nachweisen.
Die einen sind bereits nach Ablauf des ersten Lebensjahres
vorhanden und nehmen später an Zahl und Größe zu; sie sind
nur im Flemmingpräparat erkennbar und mit den anderweit be¬
schriebenen Fettkörnchen identisch. Die anderen erscheinen erst
im zwölften Lebensjahr und erweisen sich als eckige Pigment¬
körner.
Während Maligna Struma beim Pferde selten ist, wird Struma
benigna sehr häufig beobachtet, wenn auch leicht übersehen,
weil meist keine auffällige Vergrößerung der Lappen eintritt.
Am häufigsten sind fötale Schilddrüsenadänome, die nur bei
älteren Tieren als Einlagerung in die Lappen Vorkommen und
sich durch helle Farbe und dichte bzw. markige Beschaffenheit
abheben. Sie bestehen aus großen polygonalen Epithelzellen.
Häufig ist ferner Struma colloides, welches durch Erweiterung
der Schilddrüsenfollikel und Anfüllung mit Colloid entsteht und
namentlich bei jugendlichen Tieren vorkommt. Nicht selten
kommt Struma colloides mit Adänombildung zusammen vor.
Schilddrüsenzysten bilden beim Pferde größere, mit geleeartiger
Flüssigkeit gefüllte Räume; auch kommen beim Pferde wie bei
Mensch und Ziege Zysten in der Nachbarschaft der Schilddrüse
vor, deren Entstehung nicht mit Sicherheit auf Veränderung des
Schilddrüsengewebes zurückzuführen ist. Die Epithelkörperchen
(Glandulae parathyreoideae) bilden beim Pferde gelbliche und
scharlachrote, bis 1 cm lange rundliche Organe, die in einiger
Entfernung vom Ende oder an der medialen Fläche der Seiten¬
lappen liegen, meist jederseits eins, und die aus einer kompakten
Epithelmasse oft mit konzentrisch angeordneten Zellen bestehen.
481
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
2. Juli 190 8.
Tagesgeschichte.
Die Einweihung des B. 8. C.-Denkmals in Rudolstadt.
Wie alljährlich um Pfingsten, so hatten sich auch in diesem
Jahre die Vertreter, die jungen und die alten Mitglieder — die
Chargierten, die Aktiven und die Alten Herren der im R. S. C.
vereinten Korps an den deutschen tierärztlichen Hochschulen
in dem schönen, herrlichen Thüringerland, in dem an bewaldeten
Höhen idyllisch umrahmten Rudolstadt zusammengefunden.
Dieses Mal galt es, ein Fest von besonderer Bedeutung, ein
Jubiläum, den Tag des 25 jährigen Bestehens des R. S. C.
zu feiern und gleichzeitig die feierliche Enthüllung des aus
diesem Anlaß von den Alten Herren gestifteten R. S. C.-Denk¬
mals festlich zu begehen. Es kann deshalb nicht wundernehmen,
daß die jungen Korpsstudenten sowie die Alten Herren mit
ihren Damen, Söhnen und Töchtern in so großer Zahl herbei¬
eilten, daß nicht allein die Hotels überfüllt waren, sondern auch
die in großer Menge bereitwilligst zur Verfügung gestellten
Privatlogis kaum die Festteilnehmer aufnehmen konnten. Be¬
günstigt vom herrlichsten Wetter, hat der R. S. C. in diesem
Jahre in warm empfundener Festesfreude und gehobener, nicht
durch einen einzigen Mißton getrübter Jubelstimmuug unter
inniger Anteilnahme der Rudolstädter Bürgerschaft ein Fest wie
nie zuvor gefeiert. Noch lange, ja zeitlebens wird in den
Herzen aller Teilnehmer die Erinnerung an dieses herrliche
Fest wachbleiben.
Mit außerordentlicher Umsicht und großer Aufopferung hatte
der Festausschuß unter Leitung der Vorsitzenden, der Herren
Prof. Dr. Eberlein-Teutoniae und Kllngner-Franconiae, das
Festprogramm ausgearbeitet und vorbereitet. Nachdem am
Sonnabend, den 13. Juni zunächst die Eröffnung des R. S. C.
und in einer kurzen Sitzung die Übergabe des Präsidiums
an das Korps Normannia vollzogen war, vereinigte man sich
um 11 Uhr zu dem schon seit Jahren üblichen Eröffnungs-
Frühschoppen in der „Krone“, der sich natürlich bis zum
Nachmittag hinzog. Znm Abend hatte die Residenzstadt
Rudolstadt zu einem Konzert und einer eigens für das Fest
hergestellten Illumination des Angers etngeladen. Von
diesem Platz nahm dann um t) Uhr der Fackelzug als
Huldigung für Seine Durchlaucht Fürst Günther zu Schwarzburg-
Rudolstadt seinen Anfang. Es war ein prächtiges, lierz-
erfrenendes Bild, als der stattliche Zug von 2(13 Fackeln mit
zwei Musikkorps, unter Führung der Chargierten im Vollwichs
mit Fahne, sich den Schloßberg herauf zum Schloß bewegte und
dann seinen Weg an der Ludwigsburg und der Kirche vorüber
zum Marktplatz nahm, wo die Fackeln zusammengeworfen
wurden. Von hier aus ging es wieder znm Empfangsabend
nach dem Anger. Es war ein herrlicher Abend, der in der Tat
dazu angetan war, mit den alten lieben Korpsbrüdern, Freunden
und Bekannten ein frohes Wiedersehen zu feiern, und der die
Teilnehmer bis lange nach Mitternacht zusammen hielt.
Den Glanzpunkt des Festes bildete die feierliche Ent¬
hüllung des R. S. C.-Denkmals am Sonntag, den 14. Juni,
im Beisein Ihrer Durchlaucht der Fürstin Anna zu Schwarz-
burg-Rudolstadt. Der Platz zunächst dem Denkmal war den An¬
gehörigen des R. S. C., dem Stadtrat, dem Rudolstädter Abend, den
eine langjährige Freundschaft mit dem R. S. C. verbindet, dem
Offizierkorps und den übrigen geladenen Gästen Vorbehalten. Für
die Fürstin und ihre Umgebung war ein besonderer Pavillon er¬
richtet. Als Ihre Durchlaucht die Frau Fürstin in Begleitung
Ihrer Staatsdame Frau von Riedel, Sr. Exzellenz des Herrn
Staatsministers Freiherrn von der Recke und des Herrn Hof¬
marschalls von Priem auf dem Festplatze eintraf, wurde
dieselbe mit einem dreimaligen brausenden Hurra empfangen
und von dem Vorsitzenden deB Festausschusses, Herrn Prof.
Eberlein, in einer besonderen Ansprache begrüßt, die in ein
mit Begeisterung ausgebrachtes Hoch ausklang. Nachdem dann
noch Fräulein Ehrhardt-Steindal Ihrer Durchlaucht ein Bukett
überreicht hatte, begann sofort der Festakt mit dem gemein¬
schaftlichen Gesang „Des Deutschen Schwur“ und der Festrede
des Herrn Prof. Eberl ein.
Redner brachte zunächst ein Hoch auf Seine Durchlaucht
Fürst Günther zu Schwarzburg-Rudolstadt, aufSeine Majestät
Kaiser Wilhelm II. und die ihm verbündeten deutschen
Landesfürsten aus und warf einen Rückblick auf die Entwicklung
des R. S. C. in den letzten 25 Jahren. Nachdem er dann der
fürstlichen Staatsregierung für das wohlwollende Entgegen¬
kommen, der Residenzstadt Rudolstadt für die Überlassung des
Platzes und dem Schöpfer des Denkmals, Herrn Bildhauer
Pfretzschner gedankt hatte, fuhr derselbe folgendermaßen
fort: „Das Denkmal soll der Welt und den kommenden
Generationen Kunde geben von dem Geist und der Stärke, die
heute den R. S. 0. beseelen. Aus freiwilligen Beiträgen der
Alten Herren ist dasselbe gestiftet. Mit seltener Opferfreudig¬
keit, in der sich der unter den Alten Herren des R. S. C. be¬
stehende Korpsgeist hell wiederspiegelt, sind die reichen Beiträge
eingesandt. Erst im Januar d. J. wurde der Aufruf hinaus in
die Welt gesandt, und schon heute, nach kaum fünf Monaten,
können wir zur Weihe des Denkmals schreiben. Fürwahr, ein
glänzendes Zeugnis der Anhänglichkeit der Alten Herren an
ihre Korps und den R. S. !
Aus unzerbrechlichem Erz und fast unvergänglichem Stein
ist unser Denkmal errichtet. So beständig und widerstands¬
fähig wie dieses möge auch R. S. C. stets im Innern fest ver¬
bunden, nach außen stark sein. Möge das Denkmal, wie wir
dies bereits in der dem Grundstein einverleibten Stiftungs¬
urkunde znm Ausdruck gebracht haben, nicht allein ein Mark¬
stein in der Geschichte des R. S. C., sondern auch immerdar
sein ein Wahrzeichen der unerschütterlichen Treue gegen unsern
geliebten Kaiser und die ihm verbündeten Könige und Fürsten
der deutschen Bundesstaaten, der unverbrüchlichen Liebe zu
unserm Vaterlande, ein äußeres Symbol der Stärke und
Einigkeit im R. S. C., ein Ansporn zur Pflege und Stärkung
studentischen Geistes, echter Freundschaft und edlen Rittersinns.
Möge es stets den Mahnruf in uns wachhalten; „Nunquam
retrorsum, impavidi progrediamur!“ Wohl wollen wir in Dank¬
barkeit zurückschauen auf die vergangenen 25 Jahre, in Liebe
der Gründer und insbesondere der heute hier anwesenden
Gründungsburschen des R. S. C. gedenken, Verehrung zollen
allen denen, welche an der Entwicklung unseres Verbandes
mitgearbeitet, für denselben oft alles eingesetzt haben, stets
aber sei unser Schritt unentwegt nach vorwärts gerichtet,
unbeirrt wollen wir weiter schreiten auf den bewährten, durch
die Tradition geheiligten Pfade zum Wohle unseres geliebten
Vaterlandes, zum Segen des tierärztlichen Standes, zum Heile
unseres R. S. C.!
Doch nun genug der Worte! Senket tief Eure Fahnen,
streckt Eure blanken Schläger und lauscht in weihevoller Andacht
rt*M»
482 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 27.
der feierlichen Töne des so herrlichen, inhaltsreichen akademischen
Weiheliedes, mit dem wir stets bei besonderen Festlichkeiten
den Treuschwur dem Vaterlande zu erneuern pflegen!
Eure Durchlaucht aber bitte ich untertänigst, das Zeichen
zur Enthüllung des Denkmals geben zu wollen.“
Unter den Klängen des von der Kapelle des 7. Thüringischen
Infanterie-Regiments Nr. 96 ausgeführten Weiheliedes: „Alles
schweige! Jeder neige!“ fiel jetzt die Hülle und prachtvoll
erglänzte das Denkmal im hellen Sonnenschein.
Mit warmen Dankesworten übernahm hierauf Herr Erster
Bürgermeister Doflein das Denkmal in Hort und Schutz der
Residenzstadt Rudolstadt. „Ich verspreche,“ so führte der
Redner aus, „daß die Stadt das Denkmal hüten und schützen
wird, so lange Erz und Stein nicht verwittert sind, aus denen
es besteht.“
Alsdann erklang der von Herrn Hugel-Markomanniae
komponierte flotte Rudolstädter S.-C.-Marsch und die Chargierten
der Korps, der Vorstand des Westdeutschen A. H. V., sowie der
Vorsitzende des Rudolstädter Abends legten Kränze am Fuße
des Denkmals nieder. Der erste Chargierte des präsidierenden
Korps Normannia, Herr Henningsen, ergriff jetzt das Wort,
um den Alten Herren den innigsten Dank der Aktivitas aus¬
zusprechen. Seinen Dank faßte derselbe in die Worte zusammen:
„Wir wollen treu halten zu Kaiser und Reich, treu halten zu
Euren Traditionen und treu halten zu den Farben, die Ihr zu
Ehren gebracht habt.“
Mit dem Gesang des schönen Liedes: „0 alte Burschen¬
herrlichkeit“ erreichte dann die erhebende Feier ihr Ende.
Mit hohem Interesse besichtigte hierauf Ihre Durchlaucht
die Frau Fürstin das Denkmal und hatte noch die Gnade, in¬
mitten der Festteilnehmer der photographischen Aufnahme am
Denkmal beizuwohnen. Erneute stürmische Hurrarufe erklangen,
als Ihre Durchlaucht den Festplatz verließ.
Das Denkmal stellt einen Student mit Fahne als eine
3 m hohe Bronzetigur dar, die auf einem 2,50 m hohen Sockel
ans Harzer Granit steht. Es ist von wunderbarer Wirkung
und dem Platze sowie seiner Umgebung vorzüglich angepaßt.
Aufrichtiges, ungeteiltes Lob wurde dem Künstler allseitig
gespendet.
Am Nachmittag fand noch der althergebrachte festliche
Umzug durch die Stadt statt, an dem sich vornehmlich die
Aktivitas beteiligte. Ob auch die Sonne heiß brannte, unter
klingendem Spiel ging es mit flatternden Fahnen durch die
Straßen.
Der Abend vereinigte dann wieder alle Festteilnehmer zum
Kommers im „Adler“, dem größten Saale der Stadt. Vertreter
der Staatsregierung, die Mitglieder des Stadtiats, des Offizierkorps,
des Rudolstädter Abends und zahlreiche geladene Gäste waren wie¬
derum erschienen. Bis auf den letzten Platz waren der Saal und die
Damentribüne gefüllt, als Herr Hennigsen-Normanniae den Fest¬
kommers eröffnete. Nachdem Herr Erster Bürgermeister Doflein
die Damen und Herren des R. S. C. im Namen der Stadt aufs
herzlichste willkommen geheißen und Herr Bennewitz-
Hannoveraniae das Fürsten- und Kaiserhoch ausgebracht hatte,
ergriff Herr Dr. Bundle-Franconiae das Wort zur Festrede,
in welcher er namentlich die Entwicklung unseres Korps seit
dem Jahre 1850 darlegte und ermahnte, nicht auf den Er¬
rungenschaften auszuruhen, sondern mit vereinten Kräften weiter
zu arbeiten an der Festigung und Vervollkommnung des R. S. C.
Noch manches ernste und heitere Wort in Prosa und Poesie
auf die Stadt, die Gäste, den Festausschuß, den Künstler, die
Damen, die Gründer des R. S. C. usw. wurde gesprochen und
hielt die Teilnehmer bis zur vorgerückten Morgenstunde fröhlich
beieinander.
Auf die an den Kaiser und den Fürsten von Schwarzburg-
Rudolstadt gesandten Huldigungstelegramme waren folgende
Antworten eingelaufen:
I. Se. Majestät der Kaiser und König lassen zur Feier
des 25 jährigen Jubiläums und zur Enthüllung des R. S. C.-
Denkmals den dort vereinten Studenten und alten Herren
der Korps an den deutschen tierärztlichen Hochschulen
für den treuen Gruß vielmals danken.
Auf allerhöchsten Befehl
Der Geheime Kabinettsrat v. Lucanus.
II. Mit meinem innigsten Danke für die freundliche
telegraphische Begrüßung verbinde ich meinen herz¬
lichsten Wunsch für das fernere Wohl des R. S. C.
Günther.
Von Sr. Durchlaucht Priuz Sizzo von Schwarzburg, dem
Thronfolger von Schwarzburg - Rudolstadt war folgendes
Telegramm eingegangen:
Dem R. S. C. spreche ich zur frohen Feier zugleich im
Namen der Prinzessin die aufrichtigsten Glückwünsche
aus und bitte, als Rudolstädter auch meinen Dank ent¬
gegenzunehmen für das meiner Vaterstadt gestiftete wert¬
volle Denkmal. Sizzo, Prinz von Schwarzburg.
Hierauf erwiderte der Festausschuß:
An Se. Durchlaucht Prinz Sizzo und Ihre Hoheit
Prinzessin Alexandra von Schwarzburg.
Großharthau.
Die in Rudolstadt anläßlich der Feier des 25jährigen
Bestehens des R. S. C. und der Enthüllung des R. S. C.-
Denkmals versammelten Studenten und Alten Herren der
Korps an den deutschen tierärztlichen Hochschulen bitten,
Euerer Durchlaucht und Ihrer Hoheit der Frau Prinzessin
Alexandra für die Glückwünsche und die warme Anteil¬
nahme ihren tiefempfundenen herzlichen Dank aussprechen
und ihre ehrfurchtsvolle Ergebenheit ausdrücken zu dürfen.
Endlich hatten das Professorenkollegium der tierärztlichen
Hochschulen zu Dresden, Berlin und Stuttgart und eine sehr
große Anzahl von Alten Herren Glückwünsche gesandt.
Verschiedene Alte Herren nötigten dringend Berufsgeschäfte,
mit den Nachtzügen bereits in die Heimat zurückzukehren. Die
Mehrzahl vereinigte sich am Montag, den 15. Juni noch zu
einem Ausflug in das herrliche Schwarzatal und am Dienstag
zu einem Frühschoppen auf dem Marktplatz in Rudolstadt.
Damit erreichten die Feierlichkeiten ihr Ende. Es war
ein schönes Fest, so hörte man alle Teilnehmer sagen, es
war ein Fest, an welches wir noch lange mit Freuden
zurückdenken werden.
Militaria.
Dem unter dieser Spitzmarke seinerzeit in der B. T. W.
veröffentlichten Äußerungen würde ich, wenn ich gefragt würde,
noch kurz folgendes hinzufügen:
Man möge vor allen Dingen dafür Sorge tragen, daß das
neue in der Veterinärreform nicht dem nachstehe, was einige
Bundesstaaten (Bayern, Hessen) schon vov 1866 bis kurz nach
2. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
1870/71 hatten und was durch die Reichsgründung zurückging.
Hier gilt es, durch das neue in gewissem Sinne wieder etwas
gut zu machen; dem möge man sich nicht verschließen.
Wenn man ferner wissen will, daß die Militär-Veterinär¬
beamten nicht auf der Liste derjenigen Beamten sein sollen,
die eine Aufbesserung erfahren — worüber man ja bald im
klaren sein wird —, so wäre das nicht billig, da die Veterinäre
schon einmal im Jahre 1897 übergangen und erst fünf Jahre
später als andere Beamte bedacht wurden, und sie dann jetzt
wieder noch ein Jahr im Nachteil blieben, wenn die Reform
1909 durchgeführt würde. Das wäre ein doppelter Nachteil,
denn erstens erschwerte man den Übergang und zweitens träfe
die wohlwollend Übergangenen die in Aussicht genommene Auf¬
hebung des Steuerprivilegs der Beamten um so schmerzlicher.
Zu verwundern wäre es, wie gesagt, nicht, denn der Vor¬
gang von 1897 liegt ja vor.
Hierbei kann einem großen Teil der alten aktiven Veterinäre
ein Vorwurf nicht erspart bleiben, nämlich der, daß sie sich
nie darauf besonnen haben, daß sie Reichsbeamte sind. Sie
haben sich immer auf den lieben Gott und ihre Zivilkollegen
verlassen. Deshalb sind wir so zurückgeblieben, weil kein
Aktiver sich rührte. Man hielt sie für wunschlos, sonst würde
man sich einer früheren Aufbesserung nicht haben verschließen
können, denn an welche mittleren Beamten des Landheeres
wurden auch nur entfernt ähnliche Anforderungen in bezug auf
Vorbildung gestellt mit einer anschließenden vierjährigen Fach¬
ausbildung?
Jeder Militäranwärter, der teilweise in der Truppe sich
noch im Lesen, Schreiben und Rechnen vervollkommnete, hatte
eine bessere Karriere vor sich.
Wenn man nun derartig vor- und ausgebildeten Personals
benötigt — und das ist allseitig zugegeben —, so treffe man
Vorsorge, daß die technischen Fähigkeiten auch voll und ganz
betätigt und ausgenützt werden können, damit das dem Ganzen
zugute kommt durch bessere Erhaltung eines bedeutenden Teils
des Nationalvermögens unseres Volkes. Man mache die Veterinäre
selbständiger und übertrage ihnen die Verantwortung für das,
was sie leisten; dabei kann die oft so ängstlich und eifersüchtig
gehütete Selbständigkeit des Truppenführers vollständig un¬
berührt bleiben. Der einsichtige Militärbefehlshaber, der bei
aUer Tüchtigkeit und Erfahrung doch immer nur gebildeter
Laie bleibt, tiberläßt schon heute, wenn er sieht, daß jemand
seine Schuldigkeit tut, dem Veterinär vollständig freie Hand in
bezug auf Behandlung usw., weil er weiß, daß er dabei gut
fährt; hält selbst mit Anerkennung nicht zurück und weist ihm
gespendetes Lob höherer Vorgesetzter an die Adresse desjenigen,
dem es im konkreten Falle zukommt.
Oft ist es aber so, daß wenn etwas verfahren war und in
irgendeiner Weise der unverantwortliche Veterinär damit in
Verbindung gebracht werden konnte, dieser die Verantwortung
tragen mußte; war aber alles gut, dann bekam natürlich der
verantwortliche Militärbefehlshaber die Belobigung, was den
Veterinär in seiner Dienstfreudigkeit nicht gerade bestärkte.
Dahin gehören auch die Fälle, die der Veterinär allein
bearbeiten könnte. Um ihm aber nicht zu sagen: „Hier brauchen
wir Sie“, wird schnell eine Kommission gebildet, die, abgesehen
von sonst reglementarisch vorgeschriebenen Kommissionen, für
jeden beliebigen Fall vom Kommandeur befohlen werden kann.
Der Hauptleidtragende ist dann meistens der Veterinär, dem
483
der Vorsitzende liebenswürdig zulächelnd sagt: „Na, den Bericht
machen Sie wohl.“
Was hier vom Veterinärdienst im allgemeinen gesagt ist,
gilt im besonderen für das eigenste Spezialgebiet des Veterinärs,
für die Leitung des Hufbeschlags, für den er im übrigen nicht
verantwortlich ist.
Was nützt ein noch so spezialistiscli ausgebildetes Veterinär-
und Hufbeschlagspersonal, wenn keine zentralinstanzlichen Vor¬
schriften diesen Dienst mehr aus dem allgemeinen Frontdienst
nach der handwerksmäßigen Seite herausheben, den Schmiede¬
dienst zu einem durch den Dienst angeordneten, präzise geregelten
Faktor machen, ohne natürlich die kriegsmäßige Ausbildung der
Schmiede des jüngsten Jahrgangs zu hindern. Dem Büchsen¬
macher, dem Sattler, dem Schneider werden seine Leute zu¬
geteilt und er arbeitet ungestört mit ihnen, dem Fahnenschmied,
der eben seine Leute mit Mühe zusammengetrommelt und das
Feuer usw. zum Arbeiten hergerichtet hat, kann jeden Augen¬
blick mindestens der Wachtmeister dazwischenreden, nimmt ihm
die Leute weg nnd verwendet sie, wo angeblich etwas not¬
wendigeres zu tun ist. Und der Veterinär als Beamter steht
mit der langen Nase dabei, er kann in den Dienst der Eskadron
nicht eingreifen und mit seiner Leitung ist es heute mal wieder
nichts; er baut ab, er hat ja keine Verantwortung.
Wie wenig man in militärischen Kreisen zum großen Teil
heute noch von der Wichtigkeit eines guten Hufbeschlags
überzeugt ist, davon kann man sich sehr oft überzeugen. Wie
viel davon abhängt, tritt zu wenig in die Erscheinung, weil
grobe und zahlreiche Versehen zum Glück selten Vorkommen,
da cs mit vieler Mühe gelingt, trotz aller Widerwärtigkeiten,
das Personal so leidlich auszubilden.
In der Exerzierperiode und im Manöver, wenn die anderen
Leute der Schwadron sich ausruhen und schlafen, dann stehen
die Schmiede, die denselben Dienst hinter sich haben, bis zur
eintretenden Dunkelheit schweißtriefend an der Schmiede, um
den notwendigsten Beschlag in Ordnung zu bringen.
Oder ein anderes Beispiel: Es werden viele Leute als
Erntearbeiter beurlaubt und sie sparen sich aus ihrem Neben¬
verdienst einen kleinen Betrag. Der Schmied genießt diesen
Vorzug nicht, weil er eben Schmied ist und gebraucht wird.
Gebraucht wird er aber nicht in der Schmiede, sondern im
Stall und der Hufbeschlag wird gelegentlich mal wieder so
nebenbei in Ordnung gebracht. Da nützt dann kein Entwurf
für den Betrieb des Schmiededienstes usw., das ewige Anregen
und Bitten geht dem Stabsveterinär schließlich auch auf die
Nerven, man läßt es eben gehn, um nicht als Krakehler oder
lästiger Passagier verschrien zu werden.
Es soll keineswegs behauptet werden, daß es durchgängig
so wäre; geordneter ist dieser Dienstzweig meistens bei der
Artillerie und vorbildlich im Gardekorps schon seit 30 Jahren.
Wenn ich zum Schluß noch einige Punkte anführen darf,
so möchte ich folgendes vorschlagen. Es würde sich empfehlen:
1 . Schaffung der Stellung eines Fachreferenten im
Ministerium.
2. Im Interesse des Dienstes im gauzen und im Interesse
der Ausbildung der jungen Veterinäre im speziellen sämtliche
Unterveterinäre durch die Kavallerie gehen zu lassen.
Sie müßten als Unter veterinäre und Veterinäre mindestens
fünf Jahre hintereinander bei dieser Truppe Dienst getan haben
und, wenn möglich, bei ein und demselben Regiment; erst da
No. 27.
484
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
lernen sie lahme Pferde untersuchen, Lahmheiten beurteilen und
vor allen Dingen die Erfolge oder Mißerfolge der getroffenen
Maßnahmen, Behandlungsmethoden usw. schätzen, das kann
ihnen keine Hochschule und kein Kursus bieten. Der Schwer¬
punkt liegt in der jahrelangen Beobachtung eines großen Pferde¬
bestandes; beobachten ist allerdings nicht jedermanns Sache.
Die Artillerie-Regimenter bieten zu wenig Material, es kommt
auch seltener etwas vor, besonders bei den fahrenden Abteilungen,
und aus diesem Grunde sind Unterveterinäre hier deplaziert.
Ich würde mich ferner gar nicht scheuen auszusprechen:
Wer nicht mindestens fünf Jahre hintereinander bei der Kavallerie
gedient hat, ist nicht voll geeignet zum Stabsveterinär; ebenso
wenig halte ich Stabsveterinäre, die nicht mindestens sechs
Jahre bei gemischten Waffen (Kavallerie und Artillerie) ge¬
standen haben, für geeignet zur Weiterbeförderung (Korpsstabs¬
veterinär), noch weniger solche, die überhaupt als Stabsveterinär
nicht in der Truppe gestanden, sondern irgendwo in einer Lehr¬
schmiede oder sonstwo am Platze waren, denn ihnen ist außer
dem wichtigen Gebiet der Seuchenbekämpfung und des Schrift¬
verkehrs der persönliche Verkehr in der Truppe und mit dem
Offizierkorps ganz entgangen, und es kann für die Allgemeinheit
des Veterinärkorps durchaus nicht gleichgültig sein, welche
Vertreter sie bei den Generalkommandos hat. Die Wissenschaft
allein macht’s lange nicht, vielmehr kommt’s darauf an, ob jemand
Formen hat, ohne subalternen Servilismus.
Es würde sich weiter empfehlen:
3. Daß Veterinäre bevorzugter Garnisonen sich, abgesehen
von ihrer Qualifikation, auch sonst durch wissenschaftliches
Streben dieses Vorzuges würdig erwiesen. Das Streben müßte
nach außen hin erkenntlich sein dadurch, daß diese Herren
nach Ablauf der vorgeschriebenen und eventuell verlängerten
Frist das Examen für beamtete Tierärzte machten oder sonstwie
sich wissenschaftlich betätigten.
4. Häufigere Informationskurse abzuhalten.
5. Privatpraxis beizubehalten, denn sie trägt zur Vervoll¬
kommnung des Veterinärs bei und erleichtert ihm auch, wenn
es sein muß, den Rücktritt ins Zivilleben.
Es dürften sich aber nicht unangemessene Zustände bei der
Jagd nach dem Glück einbürgern, wie sie tatsächlich oft da
herrschen, wo die Veterinäre iu Massen auftreten, wie in
manchen mittleren Garnisonen.
Darum: „Mehr kameradschaftlicher Korpsgeist!“
Die Lage der Privattierärzte.
Zur Lage der Privattierärzte, die ja in der „B. T. W.“
schon genügend besprochen worden ist, möchte ich nur ein paar
kurze Bemerkungen machen. Der Hauptgrund, weshalb die
Einnahmen der Privattierärzte viel zu wünschen übrig lassen,
ist der, daß sich viele Viehbesitzer schon daran gewöhnt haben,
selbst zu kurieren. Hieran sind in erster Linie einige Kollegen
selbst schuld, wenn sie nicht nur in landwirtschaftlichen Blättern,
— wie Herr Prof. Schmaltz kürzlich schon schrieb — tier¬
ärztlichen Rat erteilen, sondern sogar für die Landwirte zum
Schaden der Tierärzte dicke Bücher schreiben, durch deren
Studium sie die Landwirte, besonders die Rittergutsbesitzer
resp. ihre Inspektoren, zum Selbstkurieren d. h. zum Pfuschen
anstiften. „Bis der Tierarzt kommt, ist es in der Regel zu
spät“, heißt es im Vorwort derartiger Bücher. In einer Beziehung
hat ja der betr. Autor recht, nämlich wenn die Viehbesitzer im
Vertrauen auf ihren Ratgeber erst selbst so lange an dem armen
Tiere herumkuriert haben, bis es mit 3 Füßen im Grabe steht
und dann erst zum Tierarzt schicken. Wenn nun der Tierarzt
bei seiner Ankunft einen Todeskandidaten vorfindet, dem er
gerade noch die Augen zudrücken kann, heißt es: „Wir haben
sogar den Tierarzt N. N. gehabt, aber der hat auch nicht mehr
helfen können!“ Hätte der betr. Landwirt, statt sein „Doktorbuch“
von A—Z durchzukurieren, gleich zum Tierarzt geschickt, wäre
der Patient jedenfalls gerettet worden.
Ich will nun zur Ehre der Verfasser annehmen, daß sie
derartige Bücher nicht allein pro domo schreiben, d. h. um ein
anständiges Honorar einzustecken, sondern auch idealer Zwecke
wegen, d. h. um dem deutschen Volke sein Nationalvermögen zu
erhalten. Den letzteren Zweck erreichen sie aber auf diesem
Wege nicht, denn derartige Bücher werden weder bei Land¬
wirten noch bei Tierärzten Segen stiften, sondern nur Schaden
anrichten, da die einsichtsvollen Viehbesitzer, die Nutzen und
Nachteil solcher gedruckten Ratgeber richtig abwägen können,
dünn gesät sein dürften. Wieland-Wangerin.
Personalien.
Der Rittergutsbesitzer Hirt auf Kammerau in Schlesien,
Landesältester und Mitglied des Abgeordnetenhauses ist an
einem Schlaganfall gestorben. Er wurde auf der Rückreise von
Berlin nach seiner Heimat im Bahnabteil tot aufgefunden. Den
Teilnehmern an der letzten Plenarversammlung zu Breslau ist
er als Vertreter der schlesischen Landwirtschaftskammer be¬
kannt geworden, seine sympathische Rede hat damals vielen
Beifall gefunden.
Schlachthofdirektor Suckow, Berg-Gladbach, ist zum Preis¬
richter für die am G. Juli stattfindende Kreis-Stuten- und Fohlen¬
schau gewählt worden.
Professor Zwick, Vertreter der Seuchenlehre an der Tier¬
ärztlichen Hochschule zu Stuttgart, wird in das Kaiserliche Ge¬
sundheitsamt eintreten und zwar als Mitglied der Veterinär¬
abteilung (Direktor Geheimrat Dr. Ost er tag). Für diese
Abteilung werden die bisher fehlenden Einrichtungen für selb¬
ständige Seuchenforschung geschaffen, über welche bisher nur
die experimentelle Abteilung (Direktor Geheimrat Dr. Uhlen -
huth) verfügte. Hierdurch ist die Berufung eines neuen Mit¬
gliedes erforderlich gemacht.
Staatsveterinärwesen. nehmen teil an den Aufgaben, welche die Tilgung der Rotz-
Redigiert von Voterinärrat Preuße. krankheit den Tiermedizinern stellt.
Die moderne Bekämpfung der Rotzkrankheit. Ich möchte mir deshalb gestatten, Ihnen die moderne Be-
Vortrag, gehalten am 9. Mai 1908 im Hamburg-Altonaer Tierarzt- | kämpfung der Rotzkrankheit an einem Beispiel aus der
liehen Verein von Dr. med. vet. Stödter, Stadttierarzt. , jüngsten veterinärpolizeilichen Praxis heute abend möglichst
Die moderne Bekämpfung der Rotzkrankheit ist — glaube anschaulich vor Augen zu führen,
ich — ein Thema, das uns alle interessiert. Der Praktiker und | Am Sonntag, den 12. Januar d. J., erhielt ich nachmittags
der beamtete Tierarzt, der Sanitätstierarzt und der Bakteriologe, | seitens der Firma L. u. 0. und seitens der Polizeibehörde nach
der Pathologe, der Histologe und der Serumforscher: sie alle meiner Wohnung die telephonische Mitteilung, daß Herr Korps-
2. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
485
Stabsveterinär Hell aus Altona bei einem seit drei Jahren in
den Pensionsstallungen von L. u. 0., Kolonnaden 17/19, be¬
findlichen Reitpferde des Rechtsanwalts Dr. U. plötzlich rotz-
verdächtige Erscheinungen wahrgenommen habe. Die von mir
im Anschluß an diese Mitteilung vorgenommene klinische Unter¬
suchung des fraglichen Pferdes bestätigte die Angaben des
Herrn Sachverständigen Hell in vollem Umfange; ich erklärte
deshalb den Ausbruch der Rotzkrankheit bei dem U.schen Pferde
für wahrscheinlich, traf sofort nach § 12 Absatz 2 des Reichs¬
gesetzes vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894 die üblichen vorläufigen
Anordnungen und stellte nach Maßgabe des § 42 des genannten
Gesetzes den Antrag, das U.sche Pferd nach vorgängiger
Taxation töten zu lassen. Diesem Anträge wurde am 13. Ja¬
nuar d. J. Folge gegeben; das Pferd wurde am 13. Januar a. c.
getötet und am 14. Januar a. c., morgens 9 Uhr, auf der
städtischen Abdeckerei in Gegenwart zahlreicher beamteter
Tierärzte und Militärveterinäre obduziert. Die Obduktion ergab
laut Obduktionsprotokoll vom 14. Januar 1908 das Vorhandensein
der Rotzkrankheit. Die Dauer der Krankheit wurde nach
Anhalt des pathologisch-anatomischen Befundes auf fünf Wochen
geschätzt.
Auf Grund dieses Obduktionsergebnisses wurden alle in den
Stallungen an den Kolonnaden befindlichen Pferde, insgesamt
108 Stück, und alle während der letzten fünf Wochen in der
Reitbahn an den Kolonnaden bewegten Privatpferde gemäß § 46
der zur Ausführung des Reichsviehseuchengesetzes erlassenen
Bundesratsinstruktion als der Ansteckung verdächtig unter
polizeiliche Beobachtung gestellt; auch wurde eine gründliche
Desinfektion der verseuchten Räumlichkeiten und Gegenstände
vorgenommen; die benachbarten Zivil- und Militärbehörden
wmrden von dem Ausbruch der Rotzkrankheit in Kenntnis gesetzt
und die üblichen veterinärpolizeilichen Recherchen eingeleitet.
Drei Tage später, am 17. Januar a. c., konnte ich bei einem
der unter Beobachtung stehenden Pferde und zwar bei dem
Reitpferde des Kaufmanns H. F. W. Gr., Erscheinungen kon¬
statieren, welche auch bei diesem Pferde den Ausbruch der
Rotzkrankheit wahrscheinlich machten. Das Gr.sche Pferd war
— wie die polizeilichen Ermittlungen inzwischen ergeben
hatten — mit dem U.schen Pferd einmal Ende vorigen Jahres
in der Reitbahn an den Kolonnaden in Berührung gekommen.
Auch das G.sche Pferd wurde auf meinen Antrag am 18. Januar
a. c. nach vflrgängiger Taxation getötet, an demselben Tage
im Beisein zahlreicher Tierärzte auf der städtischen Abdeckerei
obduziert und laut Obduktionsprotokoll vom gleichen Tage mit
der Rotzkrankheit behaftet befunden.
In der Nacht vom 19. zum 20. Januar d. J. wurden nun¬
mehr die Pferde Sultana, Czernikow, Prinzeß, Schumann, Picken¬
pack, Anton, Lise und Ortwin einer diagnostischen Impfung mit
Mallein unterzogen, welch letzteres mir von dem Königlichen
Departementstierarzte Herrn Veterinärrat Dr. Foth in Schleswig
auf telegraphisch übermittelten Wunsch tags zuvor zugeschickt
worden war. Sultana, Czernikow, Schumann und Pickenpack
zeigten verdächtige Anschwellungen der Kehlgangslymphdrüsen,
Prinzeß bekundete einen verdächtigen, matten Husten und zeigte
glanzloses Deckhaar, während Anton, Lise und Ortwin mit den
rotzkrank befundenen Pferden längere Zeit zusammen im Kranken¬
stall gestanden hatten und deshalb als besonders suspekt gelten
mußten. Sultana und Czernikow reagierten auf die Impfung
durchhohes Fieber, Prinzeß zeigte nach der Impfung eine geringe
Temperatursteigerung, Schumann, Pickenpack, Anton, Lise und
Ortwin reagierten auf die Impfung nicht. Bei dem Pferde
Schumann stellte sich nach der Impfung heraus, daß die von
mir zunächst als verdächtig angesehene Schwellung der Kehl¬
gangslymphdrüsen durch eine Stomatitis bedingt wurde und
somit als rotzverdächtig nicht gelten konnte. Die Schwellung
der Lymphdrüse des,Pferdes „Pickenpack“, eines sehr wertvollen
Rennpferdes, konnte nicht in so harmloser Weise erklärt werden;
das Pferd „Pickenpack“ mußte deshalb ungeachtet der fehlenden
Malleinreaktion vorläufig noch als rotzverdächtig bezeichnet
werden. Ich ließ es bis auf weiteres im Kellerstall der Firma
L. und 0. isolieren.
Bei den auf die Impfung reagierenden Pferden Sultana,
Czernikow, Prinzeß und bei einem inzwischen neu erkrankten
Pferde Bella konnte ich am 21. Januar d. J. den Ausbruch der
Rotzkrankheit für wahrscheinlich erklären. Bei dem Pferde
Bella hatte sich am 20. Januar a. c. ein kleines, kaum fünf¬
pfennigstückgroßes, sehr verdächtiges Geschwür an der linken
Gesichtsseite nebst Schwellung djer regionären Lymphdrüsen
bemerkbar gemacht. Ich beantragte demgemäß am 21. Januar a. c.
die Tötung der vier rotzverdächtigen Pferde Sultana, Czernikow,
Prinzeß und Bella; gleichzeitig beantragte die Firma L. & 0. im
Interesse einer beschleunigten Unterdrückung der für Menschen
und Tiere gefährlichen Seuche die Tötung der drei ansteckungs¬
verdächtigen Pferde Lise, Ortwin und Anton. Beiden Anträgen
wurde seitens der Polizeibehörde Folge gegeben, und am
22. Januar a. c. wurden alle sieben Pferde nach vorheriger
Taxation auf der städtischen Abdeckerei getötet und im Beisein
zahlreicher Tierärzte — auch Herr Veterinärrat Dr. Foth aus
Schleswig war zugegen — obduziert. Bei der Obduktion stellte
sich laut Obduktionsprotokoll vom 22. Januar a. c. heraus, daß
die Pferde Sultana, Chernikow und Bella hochgradig rotzkrank
waren; das Pferd Prinzeß hatte in den Lungen zahllose, nicht¬
rotzige, parasitäre Knötchen, die drei ansteckungsverdächtigen
Pferde aber waren gesund. Das Foth sehe Mallein hatte sich
somit im vorliegenden Falle gut bewührt.
Zu bemerken erlaube ich mir, daß über die pathologisch¬
anatomischen Diagnosen bei allen neun Obduktionen unter den
beteiligten Veterinären (Departementstierarzt Veterinärrat Dr.
Foth-Schleswig, Korpsstabsveterinär Hell-Altona, Stabsveterinär
Görte-Hannover, Oberveterinär a. D. Koske-Altona, Kreis¬
tierarzt Hübner-Wandsbek, Obertierarzt Professor Glage,
Obertierarzt Dr. Gröning, Obertierarzt Dr. Nieberle, Ober-
ierarzt Ähre ns, Polizeitierarzt Lammert, Polizeitierarzt
Dr. Sieber, Polizeitierarzt Daasch, Polizeitierarzt Juncker,
Polizeitierarzt Dr. Claußen, Polizeitierarzt Dr. Tauchert)
volle Übereinstimmung herrschte.
Mit den im vorhergehenden geschilderten Maßnahmen war
für den Augenblick alles getan, was nach Lage der Sache getan
werden konnte.
Es fragte sich nun weiter:
1 . Wie ist die Rotzkrankheit in den Bestand der Firma
Lau & Oppenheimer an den Kolonnaden eingeschleppt?
2 . Wie kann man der Weiterverbreitung der Seuche Ein¬
halt gebieten?
Was die erste Frage anbetrifft, so ließ sich dieselbe nicht
mit völliger Sicherheit beantworten. Das U.sche Pferd und die
Pferde Sultana, Czernikow und Bella, welche sich schon seit
längerer Zeit in den Stallungen an den Kolonnaden befanden,
486
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
zeigten rotzige Veränderungen akuter Art, deren Entstehung
sich nach sachverständigem Ermessen höchstens fünf Wochen
zurückdatieren ließ; diese Tiere konnten somit die Seuche nicht
eingeschleppt haben. Auch das Gr.sche Pferd zeigte bei der
Obduktion durchweg frische Veränderungen, deren Alter von
den anwesenden Sachverständigen ebenfalls auf ca. 5 Wochen
geschätzt wurde. Nur ein in der linken Lunge dieses Pferdes
vorhandenes, unter der verdickten Pleura gelegenes, fast
walnußgroßes Rotzgewächs könnte vielleicht älteren Datums
sein. Ob es aber bis zum 8. November v. J., dem Tage der
Einstellung des Gr.schen Pferdes, zurückzudatieren war, ließ
sich nicht mit Sicherheit sagen. Die an dem Herkunftsorte
des Gr.schen Pferdes (Dahlenburg bei Lüneburg) sofort ein¬
geleiteten Recherchen führten zu keinem Resultat. Nur so viel
konnte durch mühevolle Nachforschungen am hiesigen Platz fest¬
gestellt werden, daß das Gr.sche Pferd wahrscheinlich aus
Rußland stammte und den russisch-japanischen Krieg mitgemacht
hatte. Angesichts dieser Sachlage wurde das Gr.sche Pferd
als dasjenige angesehen, welches die Seuche wahrscheinlich ein¬
geschleppt hatte. Als Tag der Seucheneinschleppung und als
Ausgangspunkt der veterinärpolizeilichen Maßnahmen wurde j
demgemäß der 8. November v. J. bezeichnet.
Von wesentlich größerer Bedeutung als die Beantwortung
der Frage nach der Herkunft der Seuche war für die
hamburgisclie Veterinärpolizei die Tilgung der Seuche. Bei den
bisherigen Obduktionen hatte sich herausgestellt, daß das Rotz-
kontagium im vorliegenden Fall eine außerordentliche Virulenz
besaß. Man mußte deshalb damit rechnen, daß in den Stallungen
an den Kolonnaden ungeachtet aller Vorsichtsmaßregeln noch
mehr Pferde angesteckt seien und über kurz oder lang bei den
periodischen amtstierärztlichen Untersuchungen als rotzkrank
oder rotzverdächtig bezeichnet werden müßten. Die strengste
amtBtierärztliche Überwachung des an den Kolonnaden befind¬
lichen Bestandes, ev. unter Zuhilfenahme der Malleinimpfung
und der Agglutination, war daher dringend geboten. Aber
hierauf konnte man sich jetzt, nachdem sich der außerordentlich
bösartige Charakter dieses Seuchenganges bei mehreren
Obduktionen offenbart hatte, nicht mehr beschränken. Es war
vielmehr erforderlich, auch die 146 Pferde, welche auf dem von
der Firma L. & 0. gepachteten Gewese des Reitbahnvereins
am Rothenbaum untergebracht waren, als der Seuchengefahr
ausgesetzt gewesen zu betrachten und nach Maßgabe des § 19
des Reichsgesetzes vom 1. Mai 1894 mit Genehmigung des
Senats bis auf weiteres der polizeilichen Observation zu
unterwerfen. Durch die bisherigen amtlichen Untersuchungen
dieser Pferde waren allerdings keine rotzverdächtigen Er¬
scheinungen konstatiert worden, dennoch konnte man nicht
umhin, auch die am Rothenbaum untergebrachten Pferde als
sehr suspekt zu bezeichnen.
Zur Begründung dieser Ansicht weise ich darauf hin, daß
zwischen dem Seuchengehöft an den Kolonnaden und dem
ca. l 3 / 4 km entfernt liegenden Gehöft am Rothenbaum in
der kritischen Zeit vor Konstatierung der Rotzkrankheit ein
ständiger Verkehr von Pferden, Personen (Reitlehrern, Reitern,
Stallpersonal) und Gegenständen (Futter) stattgefunden hatte.
Wenn auch nicht nachgewiesen werden konnte, daß die an den
Kolonnaden rotzkrank befundenen Pferde mit den Pferden am
Rothenbaum in direkte unmittelbare Berührung gekommen waren,
so mußte doch eine mittelbare Berührung und in Anbetracht
der auffallend hochgradigen Virulenz des Kontagiums auch eine
mittelbare Ansteckung der am Rothenbaum stehenden Pferde
vermutet werden.
In richtiger Würdigung dieser Verhältnisse erklären sich
die Herren L. und 0. auf Anfrage der Polizeibehörde am
20. Januar d. J. freiwillig bereit, die auf dem Gewese am
Rothenbaum befindlichen Pferde (Pensions-, Miets- und Handels¬
pferde) bis zur Entscheidung des Senats ohne Erlaubnis der
Polizeibehörde nicht aus den Stallungen am Rothenbaum zu
entfernen.
Die Entscheidung des Senats erfolgte am 8. Februar d. J.
Nach eingehender Beratung, an der u. a. auch Herr Geheimer
Regierungsrat Professor Dr. Ostertag vom Kaiserlichen Ge¬
sundheitsamte teilnahm, wurde beschlossen, alle auf dem
Gehöft am Rothenbaum aufgestallten und daselbst nach dem
8. November v. J. gerittenen Pferde nach Anhalt des § 19
des Reichsgesetzes vom 23. Juni 1880 1. Mai 1894 unter Be¬
obachtung zu stellen und in kurzen Zwischenräumen amtstier¬
ärztlich untersuchen zu lassen. Die an der Sachlage interessierten
auswärtigen Militär- und Zivilbehörden wurden entsprechend
| verständigt.
Außerdem wurden die in den Betrieben der Reitbahn- bzw.
Fuhrwerksbesitzer Sch., Kirchenweg, Gebrüder L., Grindel¬
allee, K., Mühlenkamp, Schl. Söhne, Zimmerstraße und im
Vereinsstall, Klopstockstraße, befindlichen Pferde — ca. 300 an
der Zahl — nach Maßgabe der Bestimmungen des § 29 des
vorerwähnten Reichsgesetzes meinem Vorschläge entsprechend
einer einmaligen amtstierärztlichen Untersuchung unterzogen,
weil einige am Rothenbaum gerittene und demnach unter
polizeiliche Beobachtung gestellte Pferde in diesen Betrieben
vorübergehend oder dauernd aufgestallt ^Varen.
Bei allen diesen klinischen Untersuchungen wurden rotz¬
verdächtige Erscheinungen nicht koustatiert.
Da aber die veterinärmedizinischen Forschungen der neueren
Zeit ergeben haben, daß die von mir bereits erwähnte Aggluti¬
nation bei der Tilgung der Rotzkrankheit, insbesondere bei der
Auffindung versteckt rotziger Pferde, wertvolle Dienste leisten
kann, so haben wir uns nicht allein auf die günstig verlaufenen
klinischen Untersuchungen beschränkt, sondern sowohl an den
Kolonnaden als auch am Rothenbaum von den Blutuntersuchungen
Gebrauch gemacht. Hierbei wurden wir auf Veranlassung des
Königlich Preußischen Landwirtschaftsministeriums von dem
Vorstand des Pathologischen Instituts der Königlichen Tierärzt¬
lichen Hochschule in Berlin, Herrn Geheimen Regierungsrat
Professor Dr. Schütz in ausgezeichneter Weise unterstützt.
Am 10., 11., 17. und 22. Februar 1908 wurden allen am
Rothenbaum aufgestallten Pferden, sowie fast allen am Rothenbaum
gerittenen Pferden mit Einwilligung der Besitzer insgesamt
208 Blutproben unter antiseptischen Kautelen entnommen und
durch einen Beamten der Polizeibehörde sofort nach Berlin ge¬
bracht. An der Blutentnahme beteiligten sich außer den
Herren Korpsstabsveterinär Hell und Oberveterinär Ktrske
die Herren Polizeitierärzte Krautwald, Lammert und
Dr. Tauchert. Die im Pathologischen Institut der Tierärzt¬
lichen Hochschnle in Berlin vorgenommene Untersuchung der
Blutproben ergab bei den am Rothenbaum aufgestallten und den
daselbst gerittenen Pferden keinen Rotz verdacht . Infolgedessen
konnte ich am 7. März 1908 erklären, daß eine weitere Obser¬
vation der am Rothenbaum aufgestallten und der dort gerittenen
2. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
487
Pferde nicht mehr erforderlich sei. Daraufhin sind die vor-
bezeichneten Pferde sofort aus der Beobachtung entlassen.
Ausgenommen hiervon waren nur drei Pferde des Herrn
Baron von G., Isequai 22, und ein Pferd der BTau Ww. YV., Jolins-
allee 69, denen mangels der Einwilligung der Besitzer Blutproben
nicht entnommen werden konnten, sowie ein Pferd des Herrn
Geheimrat Schl., Moorweidenstraße 10, zwei Pferde des Herrn
Polizeihauptmanns G. und zwei Pferde des Herrn Branddirektors W.,
bei welchen die Blutuntersuchung noch nicht zum Abschluß gelangt
war. Diese Pferde mußten vorläufig unter polizeilicher Be¬
obachtung verbleiben und von der Benutzung hiesiger Reit¬
bahnen bis auf weiteres ausgeschlossen werden.
Die auswärtigen Militär- und Zivilbehörden wurden von der
veränderten Sachlage in Kenntnis gesetzt.
Die ans dem Kolonnadenstall stammenden, am 8.,
17. und 18. Februar a. c. entnommenen Blutproben
ließen, wie Herr Geheimrat Schutz mir telegraphierte,
in vier Fällen „Rotz“ erkennen. Eins der in Berlin auf
Grund der Blut Untersuchung als rotzig bezeichneten Pferde
(dem Rechtsanwalt Dr. Sch. gehörig) zeigte sich schon klinisch
rotzverdächtig und war deshalb bereits vor Eingang des Berliner |
Untersuchungsergebnisses diesseits isoliert worden; die übrigen
drei Pferde (den Herren L. und 0. und dem Herrn S.
gehörig) waren jedoch äußerlich vollkommen gesund!
Alle vier Pferde wurden nach vorgängiger Taxation auf
polizeiliche Anbrdnung getötet.
Die in Gegenwart zahlreicher hiesiger Tierärzte und im
Beisein der Herren Dr. Schubert, Dr. Hintze und Stabs¬
veterinär Dietrich vom Berliner pathologischen Institut unter
allgemeiner Spannung vorgenommenen Obduktionen ergaben bei
sämtlichen vier Pferden unverkennbare rotzige Er¬
krankungen. Fürwahr, ein prächtiger Erfolg der Berliner
Hochschule!
Weitere Rotzfälle ereigneten sich im Laufe des Monats
Februar an den Kolonnaden nicht. Am 7. März aber mußte ein an
den Kolonnaden stehendes Pferd (rotbraune Stute mit Stern, rechter
Hinterfessel weiß) der Firma L. u. 0. bis auf weiteres isoliert
werden, weil sich an ihm verdächtige Krankheitserscheinungen
zeigten.
Das eingangs von mir erwähnte wertvolle Rennpferd „Picken¬
pack 11 konnte dagegen aus dem Isolierstall entlassen werden.
Eine am 19. Januar d. J. vorgenommene Malleineinspritzung
ergab bei dem betreffenden Pferde, wie Sie gehört haben, ein
negatives Resultat. Die geschwollene Kelilgangslymphdrüse
wurde dann später exstirpiert; sie enthielt einen haselnußgroßen
Eiterherd. Bei Aussaat des Eiters auf Kartoffeln wuchsen
keine Rotzkulturen. Mit dem Eiter geimpfte Meerschweinchen
ließen bei der Obduktion keine rotzigen Veränderungen er¬
kennen. Auch die in Berlin ausgeführte Untersuchung des
Blutes ergab nichts Krankhaftes. Die in der Kehlgangsgegend
gesetzte Operationswunde heilte vorzüglich. Wir konnten somit
den Rotzverdacht bei dem Pferde „Pickenpack“ fallen lassen.
Da eine einmalige Blutuntersuchung hinsichtlich der an
den Kolonnaden befindlichen Pferde nach dem Gutachten des
Herrn Geheimrat Schütz nicht als ausreichend anzusehen war,
so wurden am 9. März d. J. allen an den Kolonnaden aufge¬
stallten Tieren unter Beobachtung aller Kautelen nochmals
Blutproben entnommen und von einem Polizeiwachtmeister nach
Berlin gebracht. Das Resultat dieser zweiten Blutuntersuchung
war durchaus günstig, insofern als bei keinem Pferde Rotz oder
Rotzverdacht konstatiert wurde. Trotzdem blieb das am
7. März d. J. isolierte Tier noch unter Stallsperre.
Von den an den Kolonnaden gerittenen, in Privatställen
befindlichen acht Pferden wurden leider nur drei Pferde zur
Blutentnahme vorgeführt. Die Besitzer der übrigen fünf Pferde
verweigerten den operativen Eingriff, weil sie sich von dem¬
selben für sich persönlich keinen Nutzen versprachen.
Dieser Fall lehrt, wie richtig es ist, daß in der Novelle
zum Reichsviebseuchengesetz die zwangsweise Blutentnähme
bei rotzansteckungsverdächtigen Pferden vorgesehen ist.
Die am Rothenbaum gerittenen Pferde der Herren Geheim¬
rat Schl., Polizeiliauptmann G. und Branddirektor W. konnten
nach inzwischen erfolgtem Abschluß der Blutuntersuchungen am
25. März d. J. aus der Beobachtung entlassen werden.
Hinsichtlich des einzigen, Ende März d. J. an den Kolonnaden
noch unter Stallsperre befindlichen Pferdes gestatte ich mir
folgendes zu bemerken.
Das fragliche Tier (rotbraune Stute mit Stern, rechter Hinter¬
fessel weiß) zeigte Anfang März Schwellung der Kehlgangs-
lymphdrüsen sowie eiterigen Nasenausfluß und wurde daraufhin
wie gesagt, sofort in strengster Weise isoliert. Am 21. März
bemerkte Herr Polizeitierarzt Lammert, dem die amtliche
Kontrolle des Kolonnadenstalles oblag, in der Kehlgangsgegend
des Pferdes Fluktuation; die fluktuierende Stelle wurde operativ
geöffnet und eine Quantität des herausströmenden Eiters von
Herrn Obertierarzt Professor Glage mikroskopisch untersucht.
Bei der mikroskopischen Betrachtung des Eiters zeigten
die Eiterkörperchen nach dem Bericht des Herrn Professor
Gl;ige nicht die für Rotz^iter charakteristisch,e BescUaffenheit
der Kerne. Durch geeignete Färbmethoden konnten zahlreiche
Eitererreger (Diplokokken und kurze Streptokokken) zur Dar¬
stellung gebracht werden. Letztere ließen sich auch auf Kar¬
toffeln ans dem Eiter züchten und erwiesen sich als die ge¬
wöhnlichen Eitererreger des Pferdes. Rotzbazillen waren weder
mikroskopisch noch kulturell nachweisbar.
Bei zwei Meerschweinchen, welchen Eiter unter die Haut
verimpft wurde, entstanden an der Impfstelle Eiterherde, die
bei der Tötung der Tiere am 30. März fast vollständig ab¬
gekapselt waren. Die Impfwunde war verheilt, die regionären
Lymphdrüsen zeigten nicht die für Rotz eigentümliche Er¬
krankung. In dem Eiter waren wiederum die erwähnten Eiter¬
erreger, dagegen keine Rotzbazillen nachweisbar.
Nach diesem Befunde war die Eiterung im Kehlgange des
Pferdes mit Sicherheit nicht rotzigen Ursprungs, sondern durch
die gewöhnlichen Eitererreger veranlaßt.
Im Einklang mit diesen Feststellungen zeigten auch die
weiteren klinischen Untersuchungen des Pferdes, daß die Er¬
krankung des Tieres nicht rotziger Art war. Der Nasenausfluß
ging völlig zurück, das Pferd genas vollständig und wurde im
Beginn des Monats April aus der Stallsperre entlassen. Mit
diesem Zeitpunkt darf die Bekämpfung und Tilgung
der Rotzkrankheit im Pferdebestande der Firma
L. & 0. nach menschlichem Ermessen als abgeschlossen
bezeichnet werden, denn weitere Fälle von Rotz oder
Rotzverdacht haben sich bis heute in dem fraglichen
Bestände nicht ereignet.
Der Vollständigkeit halber gestatte ich mir zum Schluß
noch zu erwähnen, daß auch auf dem Hamburger Landgebiet
488
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
sieben rotzansteckungsverdächtige Pferde befindlich waren. Von
diesen sieben, auf dem Hamburger Landgebiet (Billwärder,
Moorfleeth und Schmalenbeck) aufgestallten rotzansteckungs-
verdächtigen Pferden wurden ebenfalls Blutproben entnommen.
Die fraglichen Pferde wurden seinerzeit auf dem Seuchengehöft
Kolonnaden zur Düngerabfuhr benutzt, waren bis zum offen¬
sichtlichen Ausbruch der Seuche von Zeit zu Zeit im Seuchen¬
gehöft Kolonnaden aufgestallt gewesen und wurden demgemäß
seitens der Landherrenschaften auf meinen Vorschlag als rotz¬
ansteckungsverdächtig unter polizeiliche Beobachtung gestellt.
Bei den klinischen Untersuchungen dieser Tiere wurden bislang
rotzverdächtige Erscheinungen nicht wahrgenommen. Auch die
Untersuchung der Blutproben ergab nichts Krankhaftes. Wir
dürfen demnach annehmen, daß die Rotzkrankheit zur¬
zeit nicht nur im Hamburger Stadtgebiet, sondern
auch im Hamburger Staatsgebiet erloschen ist.
Fragen wir uns nun, meine Herren, wodurch dies erfreuliche
Resultat unter den obwaltenden schwierigen Verhältnissen in
so kurzer Zeit und mit verhältnismäßig geringen Kosten erzielt
worden ist, dann lautet die Antwort:
1. durch peinlichste und häufige, anfangs tägliche Unter¬
suchungen aller ansteckungsverdächtigen und aller der
Seuchengefahr ausgesetzt gewesenen Pferde. (§ 11t des
Reichsviehseuchengesetzes und § 40 der Bundesrats¬
instruktion.)
*2. Durch sorgfältige Untersuchung der am Seuchenorte oder
in dessen Umgebung vorhandenen, von der Seuche ge¬
fährdeten Tiere. (§ 2t> des Reichsviehseuchengesetzes.)
8. Durch strengste Absperrung aller rotzverdächtigen Pferde.
(§ 1- B.-J.)
4. Durch schleunige Tötung und Zerlegung aller derjenigen
rotzverdächtigen Pferde, bei welchen der Ausbruch der
Rotzkrankheit auf Grund der vorliegenden Anzeichen für
wahrscheinlich erklärt werden mußte. (§41 der Bnndesrats-
instrnktion.)
f>. Durch gewissenhafte, von der städtischen Desinfektions¬
anstalt sachgemäß ausgeführte Desinfektion der Stallungen
und Räumlichkeiten (Reitbahn, Schmiede usw.), in welchen
rotzkranke oder der Seuche verdächtige Pferde gestanden
hatten, sowie der Krippen, Raufen, Tränkeimer und
Gerätschaften, welche bei den Tieren gebraucht worden
waren, der Geschirre, Decken, Sättel, sowie der Deichseln,
an denen solche Pferde gearbeitet hatten. Im Hinblick
auf die neueren Arbeiten über die intestinale Infektion
rotzkranker Pferde wurde der Reinigung und Desinfektion
der Krippen, Raufen und Tränkeimer eine ganz besondere
Aufmerksamkeit gewidmet. (§ 54 der Bundesrats¬
instruktion.)
0. Durch Verbrennung des von rotzkranken und rotz¬
verdächtigen Pferden herrührenden Düngers in der
städtischen Verbrennungsanstalt. (§ 26 des Reichsvieh-
seuchengesetzes.)
7. Durch unschädliche Beseitigung der Kadaver kranker
oder verdächtiger Tiere iu der städtischen Abdeckerei.
(§ 27 des Reichsviehseuchengesetzes.)
8. Durch gründliche Ventilation der verseuchten Räumlich¬
keiten.
6. Durch sachkundige Belehrung der Besitzer, des Publikums
und des Stallpersonals. (§ 84 der Bundesratsinstruktion.)
10. Durch öffentliche Bekanntmachung des Ausbruchs der
Krankheit. (§ 87 der Bundesratsinstruktion.)
11. Durch Einsperren der in den verseuchten Stallungen ge¬
haltenen Hunde und Katzen.
12. Durch Desinfektion der Kleidungsstücke solcher Personen,
welche mit den kranken Tieren in Berührung gekommen
waren. (§ 27 des Reichsviehseuchengesetzes.)
16. Durch verständnisvolles Entgegenkommen der Besitzer,
sowie endlich und vor allen Dingen
14. durch Untersuchungen des Blutes aller ansteckungs¬
verdächtigen Pferde mittelst der Agglutinations- und
Komplementbindungsmethode.
Gerade den Blutuntersuchungen, meine Herren, ist ein
eminenter Wert beizumessen. Ohne die ausgezeichneten, un¬
endlich mühevollen Untersuchungen des Herrn Geheimrat Schütz
und seiner Herren Assistenten würde uns hier in Hamburg die
Ausmerzung der drei okkult rotzigen Pferde und damit die
Tilgung der Rotzkrankheit sicherlich nicht in so kurzer Zeit
und mit so geringen Kosten gelungen sein. Ich fühle mich
Herrn Geheimrat Schütz zu großem Danke verpflichtet und
begrüße es mit Freuden, daß Herr Dr. Sieber uns heute abend
etwas Näheres über die so ungemein wichtige Sero-Diagnose
des Rotzes mitteilen will. Wenn Herr Professor Jensen in
Kopenhagen vor Jahren einmal sagte, daß man in Zukunft bei
der Tilgung der Rotzkrankheit die Sero-Diagnose unbedingt
berücksichtign müsse, dann schließe ich mich ihm aus voller
Überzeugung an. Ich würde mich außerordentlich freuen, wenn
es mir gelungen sein sollte, Sie, meine Herren, heute Abend
ebenfalls von dem praktischen Wert der Sero-Diagnose der
Rotzkrankheit überzeugt zu haben. Ich entledige mich damit
eines Dankes, den ich Herrn Geheimrat Professor Dr. Schütz
und seinen fleißigen Mitarbeitern schuldig bin.
Einen Punkt werden Sie, meine Herren, vielleicht bei den
soeben von mir erwähnten, für die Tilgung der Rotzkrankheit
in Frage kommenden Maßnahmen vermißt haben: die Mallein¬
impfung und insbesondere die Kuti- und Ophthalmo-Reaktion.
Was die subkutane Anwendung des Malleins zur Sicherung
der Diagnose betrifft, so bin ich nach meinen bisherigen Er¬
fahrungen der Ansicht, daß die Malleininjektion unter Umständen
recht gute Resultate liefert. Von der Malleineinspritzung soll
man aber tunlichst erst dann Gebrauch machen, wenn die Ent¬
nahme einer Blutprobe für serodiagnostische Zwecke bereits er¬
folgt ist.*) Im allgemeinen wird man heutzutage ohne das
Mallein auskommen können.
Von der Kuti- und Ophthalmoreaktion verspreche ich mir
beim Rotz der Pferde nichts. Herr Stabsveterinär Dietrich
vom Pathologischen Institut in Berlin hat bei vier hier zur
Tötung bestimmten rotzigen Pferden nach Rücksprache mit mir
Versuche angestellt, um sich über den Wert der Kuti- und der
Ophthalmoreaktion ein Urteil bilden zu können. Keins der vier
rotzigen Pferde ließ nach vorschriftsmäßiger Anwendung von
Malleinum siccum eine Kuti- oder Ophthalmo-Reaktion erkennen.
Hiernach muß ich die Kuti- und Ophthalmo-Reaktion bei
Rotz der Pferde in Übereinstimmung mit den Autoren Vallee,
*) Hierfür ist ein Grund nicht recht einzusehen. Mallein und
Agglutination sind zwei Methoden, die sehr wohl nebeneinander,
jede für sich, angewendet werden können, was nicht ausschließt,
daß gegebenen Falls die eine Methode zur Ergänzung oder Kontrolle
i der anderen dienen kann. P.
2. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
489
Putzeys und Stiemon als ein unzuverlässiges Diagnostikum
bezeichnen, dem jeder praktische Wert zur Sicherung der
Diagnose abzusprechen ist.
Maul- und Klauenseuche.
Nachdem die Maul- und Klauenseuche am Ende des Monats
April fast völlig erloschen war, sie herrschte am 30. April
in ganz Deutschland nur in 8 Gemeinden und 9 Gehöfte nahm
sie plötzlich im Laufe des Monats Mai eine recht bedrohliche
Ausbreitung an. Die Seuche nahm diesmal ihren Anfang im
Kreise Stolp in Pommern. Hierher brachte Anfang Mai ein
Händler Läuferschweine, die auf Märkten im Kreise Briesen,
also nahe der russischen Grenze, zusammengekauft worden waren.
Diese Schweine wurden an lauter kleine Leute verkauft. Überall
wo sie hinkamen, erkrankten sie bald nach ihrer Ankunft an
Klauenseuche. Bei der Verladung im Herkunftsgebiet sind sie
noch frei von Seuche befunden worden. Die Seuche wurde an¬
fänglich von den Käufern der Schweine nicht erkannt, sie wurde
erst dann, als sie in einigen Fällen auf Großvieh übergegangen
war, festgestellt. So kam es, daß die Seuche sehr schnell eine
recht große Ausbreitung annahm. Am 15. Mai waren in den
Kreisen Stolp Stadt und Land bereits 27 Gemeinden und 58 Ge¬
höfte durch Maul- und Klauenseuche betroffen, am 31. Mai
waren es 25 Gemeinden und 100 Gehöfte. Leider hat sich eine
Isolirung der Seuche auf den Stolper Kreis nicht bewirken lassen.
Durch infiziertes Schlachtvieh kam sie auf die Schlachtvieh¬
märkte in Berlin, Dortmund und Nürnberg. Von Dortmund aus
hat die Seuche auch weiter Verbreitung auf das Land gefunden.
So waren im Reg.-Bez. Arnsberg Ende Mai bereits in 7 Kreisen
8 Gemeinden mit 13 Gehöften betroffen. Der Berliner Viehhof
war infolge der auf ihm festgestellten Fälle von Maul- und
Klauenseuche über 8 Tage gesperrt worden. Zur Zeit ist er
wieder frei. Im Marienwerder Bezirk sind einige Neuausbrüche
von Maul- und Klauenseuche in dem Kreise Rosenberg und
Marienwerder festgestellt worden, offenbar handelt es sich hier
um Nachzügler der Epidemie im Winter 1907/08. Auch in Rhein¬
land und Süddeutschland beginnt die Seuche sich wieder zu regen.
Es sind einzelne Neuausbrüche vorgekommen in den Reg.-Bez.
Köln, Düsseldorf, ferner in Oberfranken, Mittelfranken und Schwaben
sowie im Neckarkreis. Wie es in den letzten Jahren durch
energische Maßregeln schon mehrfach gelungen ist eine allge¬
meine Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche zu verhindern,
so wird es hoffentlich auch diesmal gelingen, der Seuche Herr
zu werden.
Zu bedenken ist allerdings, daß wir uns im Sommer befinden
und die Seuchebekämpfung in dieser Jahreszeit erheblicheren
Schwierigkeiten begegnet.
Bradsot der Schafe.
Der Herr Minister für Landwirtschaft hat durch Erlaß vom
13. April er. auf eine in verschiedenen Gegenden Preußens
aufgetretene, dem Milzbrand ähnliche, tatsächlich aber selbständige
seuchenhafte Krankheit der Schafe aufmerksam gemacht, welche
anscheinend der schon früher auf Island beobachteten Bradsot der
Schafe gleich ist. Mit der Erforschung dieser Seuche ist die
tierhygienische Abteilung des Kaiser Wilhelm-Instituts für Land¬
wirtschaft in Bromberg beauftragt worden. Sämtlichen Tier¬
ärzten ist auf Veranlassung des Herrn Ministers eine kurze
Beschreibung der Krankheit zugegangen. Es ist ferner ersucht
worden, von jedem den Tierärzten bekannt werdenden Bradsot-
ausbruche unter kurzer Angabe der Verluste und des Verlaufs
dem vorgenannten Institut Mitteilung zu machen und ihm auch
Untersuchungsmaterial von gefallenen Tieren zu übersenden.
Verlauf. Die Krankheit beginnt gewöhnlich einige Tage
nach Aufstallung der Schafe und erreicht ihren Höhepunkt in
den Monaten Dezember und Januar. Ohne wesentliche Krank¬
heitserscheinungen gezeigt zu haben, werden in Zwischenräumen
von ein oder mehreren Tagen morgens ein bis zwei Tiere tot im
Stalle gefunden. Die Kadaver fallen durch stark aufgetriebenen
Leib und durch außerordentlich weit vorgerückte Fäulnis auf.
Hat man zufällig Gelegenheit, ein krankes Tier zu sehen, so
beobachtet man bei diesem etwa sechs Stunden vor dem Tode
eine Verweigerung der Futteraufnahme, Sistieren des Wieder¬
kauens, Schwäche, zuweilen auch auf Leibschmerzen deutende
Unruhe, schwankender Gang und Tod.
Pathologische Anatomie. Bei faulen Kadavern zeigen
sich grüne Verfärbung und blutig seröse Durchtränkung der
Unterbaut, starke Fäulnis aller Organe sowie schwammartige
Konsistenz von Nieren, Milz und Leber. Bei frischen Kadavern
fehlen diese Veränderungen. Unterhaut und Muskulatur sind
trocken, die venösen Halsgefäße prall gefüllt. Die Bauchhöhle
enthält eine klare gelbe Flüssigkeit. Netz und Bauchfell sind
gerötet. Bei der überwiegenden Mehrzahl ist die Labmagen¬
schleimhaut entweder diffus gerötet oder mit fleckweisen samet-
artigen, geröteten Auflockerungen, besonders in der Pylorus-
gegend, versehen. Daneben finden sich zehnpfennigstück- bis
markstückgroße, scharfbegrenzte, flächenähnliche Vertiefungen
von geschwürähnlichem Aussehen. Das submuköse Gewebe am
Pförtner ist ödematös durchtränkt, der Zwölffingerdarm in der
Regel gerötet, stellenweise auch der Leerdarm. Zuweilen ist
der Leerdarm allein betroffen. Die Milz ist nicht geschwollen,
wohl aber die Nieren, letztere auch sehr blutreich. Die Leber
ist vergrößert. In den Brustfellsäcken findet sich eine seröse
Flüssigkeit. Ist deren Menge groß, so sind die am scharfen
Rande befindlichen Lungenteile komprimiert, sonst überall luft¬
haltig. Das Lungenfell ist glatt, der Herzbeutel stets mit klarer
gelber Flüssigkeit prall gefüllt.
Untersuchungsmaterial. Um die schnelle Fäulnis zu
verhüten und eine Untersuchung zu ermöglichen, empfiehlt es
sich, die Tiere möglichst bald nach dem Tode abznhäuten und
die Bauchhöhle zu eröffnen.
Zur Einsendung sind erwünscht: 1. Bauchhöhlenflüssigkeit,
in steriler Flasche oder im Reagenzglase aufzufangen; 2. Lab¬
magen und Zwölffingerdarm nach Öffnung und Entleerung des
Inhalts; 3. Milz; 4. Nieren; 5. ein Stück Leber; 6. Lungen
mit Herz.
Differential-Diagnose: 1. Milzbrand: Fehlen der Bazillen.
2. Hämorrhagische Septikämie: Entweder allgemeine hämorrha¬
gische Septikämie mit Schwellung der Körperlymphdrüsen und
blutigserös sulzige Durchtränkung der Unterhaut oder Betroffen¬
sein der Lunge und Schleimhaut der oberen Luftwege. Vor¬
kommen bei Lämmern. 3. Rauschbrand: Fehlen der blutig durch¬
tränkten Muskeln. 4. Malignes Ödem: Fehlen des Emphysems
der Unterhaut
Bornasobe Krankheit
Durch Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 13. Februar
1908 ist für das Herzogtum Sachsen-Altenburg bis auf weiteres
die Anzeigepflicht für die Gehirn-Rückenmarksentzündung
490
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
(sog. Bornasche Krankheit) und für die Gehirnentzündung der
Pferde angeordnet worden. Das Herzogi. Ministerium Abteilung
des Innern hat daraufhin unter dem 20. Februar 1908 eine
Ausführungsverordnung erlassen, welche eine Reihe von Schutz-
und Sperrmaßregeln enthält. Der Bezirkstierarzt ist in jedem
Falle zur Feststellung der Krankheit zuzuziehen. Bei jedem
festgestellten Krankheitsfall ist dem Besitzer der Abdruck einer
gemeinfaßlicher Belehrung über die Gehirn-Rückenmarks¬
entzündung. und die Gehirnentzündung der Pferde durch die
Ortspolizeibehörde auszuhändigen. Auch den übrigen Pferde¬
besitzern des Ortes sind auf Verlangen Abdrücke dieser Be¬
lehrung zu verabfolgen. Kranke Pferde dürfen zur Arbeit nicht
verwendet werden. Das Verenden, die Tötung oder die
Heilung eines seuchekranken Pferdes ist der Ortspolizeibehörde
anzuzeigen, welche den Bezirkstierarzt in Kenntnis zu setzen
hat. Die Stalldesinfektion und die Behandlung des verseuchten
Düngers kann nach pflichtgemäßem Ermessen des Bezirks¬
tierarztes durch die Ortspolizeibehörde angeordnet werden.
Die Seuche gilt als erloschen, wenn die kranken Pferde als
geheilt anzusehen oder verendet oder getötet wurden und wenn
die Desinfektion erfolgt ist. Den Schluß der Verordnung bilden
Strafbestimmungen.
Nachweisung Ober den Stand der Tierseuchen in Deutschland
vom 15. Juni 1908.
Die Zahlen bedeuten die KreUe (Oberain tsbesirke) usw. f eingeklammert die Gemeinden.
Maul- und Klauenseuche. _
Regierungsbezirk usw.
bzw. Staat
(* = neu verseucht)
a
Gegenüber d. 15. Mai
Kreise
a
'S
a
©
Ü
Gehöfte
Kreise
Gemein¬
den
Gehöfte
Preußen:
Königsberg ....
1
l
2
o
— 1
— 1
Marienwerder . . .
2
3
3
+ i
+ i
+ i
♦Berlin.
1
1
6
+ 1
+ 1
+ 6
♦Potsdam.
2
2
2
+ 2
+ 2
+ 2
Köslin.
2
18
103
— 1
— 10
-f 46
♦Erfurt.
1
2
2
+ 1
+ 2
+ 2
♦München.
2
4
8
+ 2
-f 4
+ 8
♦Minden.
1
1
3
+ 1
+ 1
+ 3
♦Arnsberg ....
13
18
31
+ 13
+ 18
+ 31
♦Cassel.
1
1
1
+ 1
+ 1
+ 1
♦Düsseldorf ....
8
11
13
+ 8
+ 11
+ 13
♦Cöln.
3
2
3
+ 2
+ 2
+ 3
Preußen zusammen
36
i 64
177
+ 31
-f 32
+115
Bayern:
j
♦Oberfranken . . .
2
2
2
+ 2
+ 2
+ 2
Mittelfranken . . .
3
3
3
+ 1
+ 1
+ 1
Schwaben ....
1
1
1
0
°
! - 2
Württemberg:
I
Neckarkreis . . .
1
: 1
3
+ 1
+ 1
+ 3
Sachsen-Coburg-Gotha:
|
♦Gotha.
1
1
16
+ 1
+ 1
+ 16
Elsaß-Lothringen:
♦Unter-Elsaß . . .
1
1
1
+ 1
+ 1
+ 1
Zusammen
45 |
73 |
Rotz.
203
+ 37
-f 38 |
+136
Preußen: In den Reg.-Bez. Königsberg, Marienwerder, Köslin,
Posen, Liegnitz und Stadtkreis Berlin je 1 (1); in den Reg.-Bez.
Pöln 1 (3), Oppeln, Düsseldorf je 2 (2), Bromberg 5 (f>>
Sachsen: Kreishauptmannschaft Leipzig 1 (1).
Hamburg: Stadt 1 (1).
Zusammen 20 Gemeinden (30 am 15. Mai), davon 18 auf Preußen
26 im Mai).
Lungenseuche.
Preußen: In den Reg.-Bez. Posen 1 (1), Bromberg 2 (2).
Sachsen-Coburg-Gotha: Herzogtum Gotha 1 (1).
Zusammen 4 Gemeinden (10 am 15. Mai), davon 3 auf Preußen
(7 im Mai).
Schweineseuche und Schweinepest
Regierungs¬
bezirk usw.
Kreise ®
Ö <
3r-
chte
ö
1«
o
Auf je 1000
Gemeinden
waren verseucht
Regierungs¬
bezirk usw.
Kreise g
Ö < II
Br¬
ühte
’S o
5
Preußen:
Sigmaringen . . .
—
_
Königsberg ....
7
22
7
Waldeck.
2
5
Gumbinnen . . .
7
16
5
Bayern:
Allenstein ....
5
8
4
Oberbayern ....
4
5
Danzig.
5
5
4
Niederbayern. . .
7
15
Marienwerder . .
12
27
12
Pfalz.
1
1
Berlin.
—
—
—
Oberpfalz.
2
2
Potsdam.
14
95
37
Oberfranken . . .
—
—
Frankfurt.
17
86
32
Mittelfranken. . .
6
6
Stettin.
8
19
10
Unterfranken . . .
—
—
Köslin.
7
20
10
Schwaben.
3
7
Stralsund ....
1
1
1
Württemberg ,
2
2
Posen.
23
81
25
Sachsen.
3
4
Bromberg.
12
83
37
Baden ......
5
7
Breslau .
21
260
68
Hessen .....
9
15
Liegnitz .
18
174
62
Meckl.-Schwerin
6
15
Oppeln .
8
20
7
Meckl.-Strelitz .
3
5
Magdeburg ....
6
14
10
Oldenburg . . .
12
26
Merseburg ....
8
24
10
Sachs.-Weimar .
2
11
Erfurt .
2
9
15
Sachs’.-Meiningen
1
5
Schleswig ....
12
29
14
Sachs.-Altenburg
2
6
Hannover .
9
13
21
Sachs.-Kob.-Got
—
—
Hildesheim ....
7
13
18
Anhalt .
1
4
Lüneburg .
7
10
7
Braunschweig
4
13
Stade .......
6
11
15
Schwarzb.-Sond.
1
1
Osnabrück ....
3
8
14
Schwarzb.-Rud.
1
3
Aurich .
1
—
Reuß ä. L .
—
—
Münster .
10
20
75
Reuß j. L .
1
1
Minden .
5
10
20
Schaumb.-Lippe
2
2
Arnsberg .
14
21
25
Lippe-Detmold .
5
13
Cassel .
12
23
14
Hamburg ....
4
6
Wiesbaden ....
11
49
52
Lübeck .
—
—
Koblenz .
5
11
11
Bremen .
—
—
Düsseldorf ....
10
29
67
Elsaß .
1
1
Cöln .
5
5
17
Lothringen . .
2
o
Trier .
5
6
5
Aachen .
3
4
10
Bcschauzwang für Hausschlachtungen.
Außer im Reg.-Bez. Bromberg ist auch in den Kreisen
Strasburg, Culm, Thorn und Briesen des Reg.-Bez. Marienwerder
der Beschauzwang für Hausschlachtungen von Rindern, aus¬
genommen Kälber bis zu 6 Wochen, mit Rücksicht auf die
Gefahr der Verbreitung der Lungenseuche durch Polizei-Ver¬
ordnung vom 7. April 1908 eingeführt worden.
Russische Grenze und Rotz.
Der Herr Minister für Landwirtschaft hat durch Erlaß vom
22. Mai d. J. auf die in letzter Zeit mehrfach erfolgten Rotz¬
einschleppungen aus Rußland hingewiesen. Es sind in der Zeit
vom 1. Januar 1907 bis 31. März 1908 insgesamt 18 Ein¬
schleppungen der Rotzkrankheit aus Rußland ermittelt worden,
welche sich auf die Reg.-Bez. Königsberg, Gumbinnen, Allenstein,
Marienwerder, Posen, Bromberg, Breslau und Magdeburg ver¬
teilen. Nach Ansicht des Herrn Ministers dürfte jedoch die,
2. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
491
wirkliche Zahl der Rotzeinschleppungen aus Rußland viel größer
sein, da der Rotz lange latent bleiben kann und die Feststellung
der Herkunft der Pferde oft auf unüberwindliche Schwierig¬
keiten stößt. Hierbei kommt auch der Schmuggel mit Pferden
in Betracht. Der Herr Minister hat nach dieser Richtung hin
Ermittlungen anstellen lassen.
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
VII. Plenarversammlung des Vereins preußischer
Schlachthoftierärzte am 21. und 22. Juni 1908 zu Berlin.
Zur Teilnahme an der diesjährigen Plenarversammlung des
Vereins preußischer Schlachthoftierärzte waren etwa 100 Mitglieder
erschienen. Die Beteiligung würde sicherlich, namentlich was die
Berliner Mitglieder anlangt, noch weit zahlreicher gewesen sein,
wenn nicht der Brandenburger tierärztliche Verein seine Sitzung
am gleichen Tage abgehalten hätte. Da doch die Tage für die
Versammlung des Vereins preußischer Schlachthoftierärzte seit
langem festgestellt und bekannt waren, hätte sich das wohl ver¬
meiden lassen.
Am Tage der Vorversammlung am Samstag fand die Be¬
sichtigung der städtischen Fleischvernichtungsanstalt in Rüdnitz
bei Bernau statt. Etwa 80 Mitglieder hatten sich hierzu ein*
gefunden. Die Bahnfahrt vom Stettiner Bahnhof aus ging ziemlich
schnell von statten, sie führte uns an den neuen Kolonien Berlins
mit oft grotesken Namen vorüber. Von Bernau aus ging es mit
Wagen nach Rüdnitz zur Anstalt. Die Fahrt war bei dem heißen
Wetter und der Staubentwicklung auf der alten märkischen Anlage
nicht gerade ein besonderer Genuß, und man war froh, als wir die
hübsch gebauten Beamtenwohnhäuser, welche uns die Nähe der
Anstalt verkündeten, erblickten. Die Anstalt selbst zeigt weite
Abmessungen und ist in ihren Gebäulichkeiten so angeordnet, daß
die Seite, wo die Bearbeitung der anfallenden Konfiskate statt¬
findet, vollkommen von der Seite, wo die fertigen Produkte ab¬
gegeben werden, getrennt ist.
Aus der städtischen Sammelstelle in Berlin werden die an¬
fallenden Kadaver und Konfiskate mittelst besonderer Eisenbahn¬
wagen der Anstalt zngeführt, hier in acht Hartmannschen Apparaten
verarbeitet und dann die Endprodukte, Fleischmehl und Fetto,
wieder an Interessenten abgegeben. Die Stadt Berlin hat die Be¬
seitigung der Kadaver und Konsfiskate als Geraeindelast über¬
nommen und ein besonderes Ortsstatut erlassen, dazu noch eine
Polizeiv^rordnung, welche die Beseitigung der Kadaver regelt.
Die Anstalt ist allen hygienischen Anforderungen entsprechend
eingerichtet und scheint auch, abgesehen von einigen Betriebs¬
mängeln, die sich bei der Eröffnung der Anstalt herausgestellt
haben, aber leicht abzuändern sind, gut zu funktionieren. Ein ab¬
schließendes Urteil läßt sich zurzeit noch nicht abgeben.
Nachdem sich die Teilnehmer durch einen von der Stadt an¬
gebotenen Imbiß gestärkt hatten, wurde die Rückfahrt angetreten,
um zur Abendversammlung im Berliner Ratskeller zurecht zu
kommen.
Die Tagung fand hier in der Ratsstube, in welcher die
Magistratsmitglieder sich bei besonderen Gelegenheiten zu ver¬
sammeln pflegen, Btatt.
Der Vorsitzende eröffnete um 8 1 a Uhr die Versammlung und
begrüßte die Erschienenen, darunter auch das Ehrenmitglied des
Vereins, Herrn Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Ostertag. Der Ge¬
schäftsbericht, welcher vom Vorsitzenden alsdann erstattet wurde,
weist am Beginn des Vereinsjahrs einen Mitgliederbestand von
275 Mitgliedern nach. Im Laufe des Jahres sind die Mitglieder
Andrich-Kattowitz, Vysocki-Lippstadt, Kredewahn-Bochum
und von Gerhardt-Osterode Ostpr. verstorben. Das Andenken
derselben ehrt die Versammlung durch Erheben von den Sitzen.
Ausgetreten aus dem Verein sind die Kollegen Ronneberge/-
Weißenfels nnd Lemke-Demmin; ins Ausland verzogen Kollege
Laf f ert-Berlin. Zur Neuaufnahme haben sich gemeldet: 1. Schlacht¬
hofdirektor F. Hensler-Demmih, 2. Schlachthoftierarzt May-Kiel,
3. Schlachthofdirektor Schroeder-Salzwedel, 4. Schlachthofdirektor
Meyer-Schwiebus, 5. Schlachthofdirektor Dr. Doenecke-Bochum,
6. Schlachthoftierarzt Dr. Tiede-Köln, 7. Schlachthofinspektor
D. Dornebu8ch-Gollnow, 8. Schlachthdfinspektor K. Timmroth-
Unna i. W., 9. Schlachthefdirekter Spering-Wilhelmshaven. Sämt¬
liche Herren werden als Mitglieder aufgenommen. Der Verein zählt
nunmehr 277 Mitglieder.
Über die vom Vereinsvorstand in Ausführung der Beschlüsse
der vorjährigen Plenarversammlung abgesandten Petitionen be¬
richtete der Schriftführer Herr Kühnau-Cöln. Die Petition be¬
treffend Anstellungsverhältnisse der Schlachthoftierärzte ist den
Herren Oberpräsidenten und den Herren Regierungspräsidenten zu¬
gesandt worden. In der Mehrzahl haben dieselben sich Exemplare
nachgefordert, sie den Städten zugesandt und dieselben zum Be¬
richt aufgefordert. Nach den eingegangenen Antworten, die zum
Teil bereits veröffentlicht sind, stehen die Behörden den Be¬
strebungen des Vereins durchaus wohlwollend gegenüber, und ist
in den Schreiben zum 'Ausdruck gebracht, daß die Behörden bei
den Städten, so weit angängig, darauf hinwirken werden, daß den
Wünschen des Vereins, die als durchaus berechtigt anerkannt
werden, Rechnung getragen wird. Im Anschluß hieran bringt der
Vorsitzende ein Schreiben des Schlachthofdirektors Hartmann-
Rawitsch zur Kenntnis, wonach die Anstellungsverhältnisse in
Posen, trotz der wohlwollenden Stellungnahme des Herrn Ober¬
präsidenten doch noch sehr zu wünschen übrig lassen. Auf Antrag
von Dr. Magdeburg-Posen wird empfohlen, dem Briefschreiber
mitzuteilen, daß er sich an den Provinzialverband der Provinz
Posen wenden möchte.
Bezüglich der Petitionen betreffend Aufnahme der Maschinen¬
kunde in den Lehrplan der tierärztlichen Hochschulen, teilt Herr
Kühnau mit, daß außer an die zuständigen Minister die Petitionen
mit Anschreiben auch dem Direktor der Hochschule in Hannover
und dem Rektor der Hochschule in Berlin zugesandt sind. Die
Antworten derselben sprechen sich durchaus zustimmend aus und
steht hiernach zu erwarten, daß auch diesem Wunsch des Vereins
Erfüllung wird.
Von Herrn Kollegen Schmidt-Hirschberg wird angefragt,
warum ein bereits früher gestellter Antrag noch nicht zur Erledigung
gekommen ist. Der Vorsitzende erwidert, daß nach den Satzungen
die Anträge rechtzeitig schriftlich eingereicht werden und ersucht
Herrn Schmidt, seinen Antrag schriftlich zu formulieren. Der
Antrag gelangt sofort zur Beratung und wird in folgender Fassung
angenommen:
„Der* Verein beschließt, auf seine Kosten zunächst in einem
Fall zum Austrag zu bringen, ob die Übertragung polizeilicher
Funktionen an einen Schlachthoftierarzt die unkündbare Anstellung
mit einschließt."
Vom Verein der süddeutschen städtischen und Schlachthof¬
tierärzte war an den Verein eine Einladung zu der am 24. Mai d. J.
in München tagenden Generalversammlung gesandt. Der Vorsitzende
hat gedankt und ein Begrüßungstelegramm übersandt. Herr Kollege
Garth weist darauf hin, daß es angebracht sei, daß die nord¬
deutschen nnd süddentschen Verbände in nähere Beziehungen treten.
Der Anregung soll Folge gegeben werden.
Den Ausführungen der Berliner tierärztlichen Gesellschaft über
den Ausbau der außerordentlichen Fleischbeschau stimmt die Ver¬
sammlung mit dem Bemerken zu, daß dieser Standpunkt schon seit
langem vom Verein preußischer Schlachthoftierärzte vertreten sfei,
und daß besonders auf die praktische Ausbildung sowohl in der
Schlachtvieh- und Fleischbeschau, als auch in der Nahrungsmittel¬
kontrolle mehr Gewicht gelegt werden müsse.
Die Leitsätze, welche der tierärztliche Provinzialverein für
Schleswig-Holstein, betreffend die Überwachung des Milchverkehrs
aufgestellt hat, sind dem Verein zur Kenntnisnahme übersandt.
Auch in dieser Hinsicht hat der Verein preußischer Schlachthof¬
tierärzte bereits früher Stellung genommen und steht durchaus auf
dem Boden der Leitsätze des schleswig-holsteinischen Provinzial¬
vereins.
Über den Antrag des Bezirksvereins im D. F. V. Sachsen-
Anhalt, die finnigen Rinder nach 14tägiger Kühlung freizugeben,
492
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
geht die Versammlung zur Tagesordnung. Die Unterstützung kann
nicht erfolgen, weil das Verfahren nach der wissenschaftlichen
Erfahrung nicht zulässig ist. Herr Professor Dr. Ostertag weist
bei dieser Besprechung darauf hin, daß die Haltbarkeit magerer
finniger Rinder dadurch sehr begünstigt wird, wenn man sie vor
dem Einhängen in das Kühlhaus an den Stellen, wo die Verderbnis
leicht eintritt, mit Salz einreibt
Um die Aufnahme von neuen Mitgliedern den Verhältnissen
besser anzupässen, soll der Vorstand zu einer Revision der
Satzungen schreiten. Als Rechnungsprüfer werden Windisch-
Görlitz und Hintten-Eschweiler gewählt. In der nächsten Haupt¬
versammlung sollen die Vorschläge zur Änderung der Satzungen
vorgelegt werden.
Zum Schluß dankt der Vorsitzende im Namen seines Schwieger¬
vaters, des ehemaligen Schlachthofdirektors Kleinschmidt, für
die Ehrungen, welche der Verein preußischer Schlachthoftierärzte
ihm anläßlich seines 50jährigen Berufsjubiläums dargebracht hat.
Die Hauptversammlung wurde am Sonntag, den 21. Juni, vor¬
mittags 10*/, Uhr, eröffnet. Der Vorsitzende begrüßte die Er¬
schienenen und dankte besonders dem Präsidenten des Kaiser¬
lichen Gesundheitsamts für die Entsendung des Herrn Regierungs¬
rats Dr. Ströß als seines Vertreters. Der Herr Minister für
Landwirtschaft, Domänen und Forsten hatte auch die Entsendung
eines Vertreters in Aussicht gestellt, derselbe war aber nicht er¬
schienen.
Nach dem Bericht des Schatzmeisters Herrn Kollegen Geldner-
Burg betrug der Bestand der Vereinskasse bei Beginn des
Jahres 1907 450,25 M., die Einnahmen im Jahre 1907 838,43 M.,
die Ausgaben 627,66 M. Überschuß 210,77 M., so daß bei Beginn
des Jahres 1908 ein Bestand von 661,02 M. vorhanden war. Die
Rechnungslegung wird von den Revisoren für richtig befunden und
dem Kassierer von der Versammlung Entlastung bewilligt
Bei der nunmehr vorgenommenen Neuwahl des Vorstandes
werden auf Antrag des Kollegen Plath-Viersen die ausscheidenden
Mitglieder per Akklamation wieder- und anstatt des verstorbenen
Mitglieds Kredewahn-Boehum der Schlachthofdirektor Claus¬
nitz er-Dortmund neugewählt.
Die vom Vorstand eingezogenen Ermittlungen über die Gehalts¬
verhältnisse der Mitglieder sind in einer Liste zusammengestellt.
Die Liste soll gedruckt und jedem Vereinsmitglied zur Ver¬
fügung stehen.
Zu den Hauptverhandlungsgegenständen über die Anwendbar¬
keit der verschiedenen Kraftquellen für die Schlacht- und Viehhof¬
betriebe sprachen die Herren Ingenieur Murmacher aus Köln,
Professor Dr. Krein von der technischen Hochschule in Hannover
und Privatdozent Dr. C. Heinel von der technischen Hochschule
in Charlottenburg. Da die Vorträge veröffentlicht werden, mag
hier nur darauf hingewiesen werden, daß alle drei Redner sich
auf Grund ihrer Erfahrungen dahin ausgesprochen haben, daß der
Betrieb der Schlacht- und Viehhöfe durch eigene Dampfkessel¬
anlagen am ökonomischsten gestaltet werden kann, wenn dafür
genügend Vorsorge getroffen ist, daß der Dampf in geeigneter
Weise ausgenutzt wird. Die Gasmaschinen werden im allgemeinen
als unrentabel angesehen. Dagegen wird auch der Verwendung
von elektrischem Strom das Wort geredet, sofern derselbe billig
genug bezogen werden kann, und namentlich als Reservekraftquelle
besitzt er unverkennbare Vorzüge. Aus den Ausführungen der
Redner war deutlich zu ersehen, wie notwendig es ist, daß sich
der angehende Schlachthofdirektor mit dieser Materie vertrant
macht, und daß es unbedingt geboten ist, daß der Grundstein für
diese Kenntnis schon an der Hochschule gelegt wird. Allgemein
war die Versammlung der Überzeugung, daß in dieser Hinsicht
etwas geschehen muß und daß darum driogend gewünscht wird,
daß der Petition betreffend Aufnahme der Maschinenkunde in den
Lehrplan der tierärztlichen Hochschulen baldige Erfüllung wird.
Den Rednern dankte die Versammlung herzlich für ihre Mühe¬
waltung.
Der Vorsitzende referierte über die Ergebnisse, welche die
Verhandlungen über das neue Viehseuchengesetz im Reichstag ge¬
zeitigt haben und konnte er mit Genugtuung darauf hinweisen,
daß auch andere Korporationen Anträge zur Abänderung gestellt
haben, die im großen und ganzen den Wünschen der Schlachthof¬
tierärzte entgegenkommen und daß demzufolge auch eine für uns
günstige Fassung des Reichsviehseuchengesetzes zu schaffen ist.
Als Ort der nächsten VIII. Allgemeinen Vereinsversammlung
wird wieder Berlin bestimmt, als Zeit Mitte bis Ende Mai.
Der Vorsitzende kommt bei den Mitteilungen aus derSchlacht-
hofpraxiis auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts in der Stettiner
Kühlhausangelegenheit zu sprechen, er ist der Ansicht, daß der
Rechtsspruch mit den Bestimmungen des Schlachthausgesetzes
nicht in Einklang zu bringen ist und daß man infolgedessen noch
keine Veranlassung habe, den Spruch als rechtsgültig anzuerkennen.
Von Kollege Stier-Wesel wird darauf hingewiesen, daß die
Tätigkeit der Scblachthoftierärzte bei den Behörden sehr wenig'
Anerkennung findet und empfiehlt zu dem Zwecke, von Vereins
wegen Schritte zu tun. Der Vorstand wird sich unter Hinzuziehung
des Kollegen Stier-Wesel und Hintzen-Eschweiler mit der An¬
gelegenheit befassen und darüber berichten.
Nach Schluß der Versammlung fand ein gemeinsames Mittag¬
essen der Mitglieder mit ihren Gattinnen im Kaiserkeller statt.
Kühnau.
Mitteilung betr. FleisobereiberufsgenosseneohafL
Die diesjährige Genossenschaftsversammlung der Fleiscberei-
berufsgenossenschaft findet am 22. Juli zu Mainz im Saale des
Kasinos zum Frankfurter Hof statt
Die Herren Schlachthofleiter, welche nicht selbst an der Ver¬
sammlung teilzunehmen beabsichtigen, werden gebeten, die Ver¬
tretungsvollmachten denjenigen Herren, welche sich im Interesse
der Gemeinden an den Verhandlungen beteiligen, baldigst zugehen
zu lassen.
Es sind dies:
Schlachthofdirektor Rieck-Breslau für die Gemeinden von
Ost- und Westpreußen, Posen und Schlesien.
Schlachthofdirektor Colberg - Magdeburg für Pommern,
Brandenburg, Sachsen (Prov. u. K.) Anhalt, Sachsen-Weimar,
Sachsen-Eisenach, Sachsen-Altenburg, Meiningen, Koburg-
Gotha, Reuß jüngere Linie und ältere Linie.
Schlachthofdirektor Dr. Neumann-Hamburg für Schleswig-
Holstein, Oldenburg, Mecklenburg - Schwerin, „Strelitz“,
Hamburg, Bremen, Lübeck.
Schlachthofdirektor Koch - Hannover für Hannover, Braun¬
schweig, Westfalen, Hessen-Nassau, Lippe-Detmold,
Schaumburg-Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-
Sondershausen und Waldeck.
Schlachthofdirektor Kühnau-Köln für die Rheinprovinz,
Hessen und Elsaß-Lothringen.
Schlachthofdirektor Opel-München für Bayern, Württemberg
und Baden.
P&r&ty phtisb az illen.
Die Paratyphusbazillen und ihre Bedeutung für die Sanitäts¬
polizei sind in dem Ergänzungsband zu dem Handbuch der patho¬
genen Mikroorganismen von Kolle und Wassermann eingehender
in einer Monographie abgehandelt worden. Sie bilden eine Mittel¬
stufe zwischen den Typhusbazillen und Colibakterien und können
bei den Untersuchungen sowohl mit jenen wie mit diesen ver¬
wechselt werden und sind früher sicherlich oft verwechselt worden.
Bei der großen Wichtigkeit der Paratyphusbazillen als Fleisch¬
vergifter seien daher die Kulturmerkmale derselben neben den¬
jenigen der Typhus- und Colibakterien nach der Arbeit von Eden-
huizen kurz zusammengestellt:
Der Typhusbazillus zeichnet sich vor allen als Fleisch¬
vergifter in Betracht kommenden Angehörigen der Typhus-Coli-
Gruppe dadurch aus, daß keine Zuckerart, auch Traubenzucker
nicht, von ihm vergoren wird und Neutralrot keine Reduktion
erfährt. Auf der Drigalskiplatte entstehen also blaue Kolonien,
die außerordentlich zart und transparent sind und weinblattartigen
Bau zeigen. Neutralrotagar wird etwas gerötet und getrübt, bleibt
aber beim Wachstum der Kultur ohne Gasentwicklung. Lakmus-
molke wird in geringem Grade gerötet, wobei die Röte später nicht
in Blau übergeht, und bleibt dabei klar.
493
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
2. Juli 1908.
Die Paratyphusbazillen vergären Traubenzucker, aber
nicht Milchzucker. Neutralrot wird entfärbt und fluoreszierend.
Durch beides, sowie durch Gasbildung im Neutralrotagar, unter¬
scheiden sie sich vom Typhusbazillus. Ihr Hauptunterschied gegen¬
über Bact. coli liegt darin, daß sie Milchzucker nur sehr wenig
angreifen und in Bouillon kein Indol bilden. Auf der Drigalski-
platte wachsen sie also in blauen Kolonien, die viel transparenter
als die des Bact. coli, aber nicht so zart wie die Typhuskolonien
sind. Milch wird nicht koaguliert.
Das Bact. coli vergärt Traubenzucker sowohl, als auch Milch¬
zucker, manche Coliarten greifen sogar Polysaccharide an. Neutral-
rot wird entfärbt und fluoreszierend. Im Gegensatz zu allen hier
in Frage kommenden Bakterien bringt Bact. coli Milch zum Ge¬
rinnen, bildet Indol und trübt deutlich Lakmusmolke.
Die Kenntnis der Paratyphusbazillen und ihrer Beziehungen
zu den Fleischvergiftungen und die Unterscheidung derselben von
den Colibakterien haben natürlich für den Tierarzt eine hervor¬
ragende Bedeutung. Die Züchtung der Paratyphusbazillen ist leicht
und ihre Identifizierung an Hand der angegebenen Kulturmerkmale
nicht schwer. Über die Bereitung der zu verwendenden besonderen
Nährböden und der einfachen Züchtungsmethoden ist in der dritten
Auflage des Lehrbuchs der Bakteriologie von Heim das Not¬
wendige gesagt. Die Unterscheidung der einzelnen Spielarten der
Paratyphusbazillen ist durch Agglutination zu führen.
Tnberkelbazillengehalt des Fleisches und Blutes.
Nach Untersuchungen im bakteriologischen Laboratorium der
Berliner Fleischbeschau (Bericht über die städtische Fleischbeschau
für 1006) tritt ein Einbruch von Tuberkelbazillen in die Blutbahn
und ihre Ausstreuung im Körper um so leichter ein, je bazillen¬
reicher die tuberkulösen Produkte sind. Stark bazillenhaltig sind
nicht nur die tuberkulösen Erweichungsherde, sondern auch tuber¬
kulöse Herde mit strahliger Verkäsung (tuberkulöse Infiltration).
Auch in letzterem Falle muß daher stets eine eingehendere Unter¬
suchung der Fleischlymphdrüsen vorgenommen werden. Ebenso
hat man bei Miliartuberkulose auch nur eines Organs, z. B. der
Lunge, mit dem Vorhandensein von Tuberkelbazillen im Blute und
Fleische zu rechnen, eine Tatsache, der in den Bundesrats¬
bestimmungen zum Fleischbeschaugesetz nicht entsprechend Rech¬
nung getragen ist
Vergleichende Studie über den Einfluß von
Dorsch-Lebertran und yon Lebertran-Emulsion auf die
Ernährung gesunder und tuberkulöser Schweine.
Von Dr. med. J. W. Wells.
Doktor der öffentlichen Gesundheitspflege, koriespondierendes Mitglied der
chirurgischen Gesellschaft in England.
(Manchester, Universitätspresse 1907. Versand von Scott & Browne,
G. m. b. H., Frankfurt a. M.)
Die Verwendung des Lebertrans als Diätetikum beim Menschen
veranlaßte Verfasser in dem Institut von Deläpine in Manchester,
den Wert des Präparates experimentell an gesunden und tuber¬
kulösen Schweinen zu prüfen. W. glaubt bewiesen zu haben, daß
nach Beigabe von Lebertran zum Futter Schweine besser gedeihen,
als ohne don Zusatz, besonders bei Benutzung von Emulsionen.
Gesunde und mit Tuberkelbazillen infizierte Tiere verhielten
sich dabei gleich. Letztere nahmen schnell an Gewicht zu,
blieben lange Zeit gesund und die tuberkulösen Läsionen
zeigten Anzeichen einer eintretenden Heilung durch Bildung
fibröser Abkapselung, Verkalkung und Abnahme der Zahl der
Tuberkelbazillen. Die beigefügten Tabellen und die Schilderung
der Versuche beweisen nun freilich die obige Annahme nicht. Ein
durchgreifender Unterschied zwischen den tuberkulösen und ge¬
sunden Tieren ergab sich nicht. Die Tuberkulose, welche durch
Verimpfung und Verfütterung von Bazillen humaner und boviner
Herkunft erzeugt wurde, war in allen Fällen so geringgradig, daß
ein mangelhaftes Gedeihen oder Kranksein der Versuchstiere schon
dieserhalb nicht erwartet werden konnte, und wenn die Kontroll-
tiere gesund zu sein „schienen“, so erweckt dieses unsichere
Urteil wenig Vertrauen. Tuberkelbazillen sind beim Schwein ohne¬
hin oft schwierig nachzuweisen. Auf die Erzeugung eines Tran-
geruches oder Fischgeruches des Fleisches hat Verfasser überhaupt
keine Rücksioht genommen. Eine praktische Bedeutung wohnt den
Versuchen nicht inne, das elegant ausgestattete, 84 Seiten zählende
Buch interessiert nur durch die Eigenart der Versuchsidee.
Glage.
Einführung der Trichinenschau in Bayern.
Die Notwendigkeit, auch in Bayern die Trichinenschau einzn-
fiihren, war neuerdings auch in der B. T. W. von tierärztlicher
Seite betont worden (vgl. 1907, Nr. 46, S. 845). Die Angelegenheit
hat auch eine Besprechung in der bayerischen Kammer erfahren
Minister v. Brettreicb wies nach, daß in den Jahren 1896 bis
1907 in Bayern nur sechs Fälle von Trichinose mit 34 Erkrankungen,
davon zwei Todesfälle vorgekommen sind. Angesichts der
Seltenheit der Trichinose bestünden doch Bedenken, ob die große
Belastung gerechtfertigt sei, welche namentlich durch die Unter-
suchungspflicht der Hausschlachtungen herbeigeführt werde.
Andererseits werde eine halbe Maßregel keinen Nutzen haben, und
wenn die Trichinenschau eingeführt werde, so müsse dies voll¬
ständig geschehen. Zurzeit könne eine bestimmte Erklärung nicht
abgegeben werden, da Erhebungen angestellt werden und die
Berichte der Tierärzte abgewartet werden müßten.
Mecklenburg-Schwerin.
In Mecklenburg ist in der Verordnung, betreffend die Trichinen¬
schau, vom 25. Januar 1907 vorgesehen, daß die Probeentnahme
durch besondere obrigkeitlich angestellte Probenehmer erfolgen
darf. Diese Probenehmer, die auch das Recht haben, auf Grund
des Befundscheines des Trichinenschauers das Fleisch abzustempeln,
sind nach einer weiteren Bekanntmachung vom 25. September für
ihr Amt besonders fachmännisch auszubilden und haben sich einer
Prüfung zu unterziehen.
Bakteriologische Fleischbeschau.
Im bakteriologischen Laboratorium der Berliner Fleischbeschau
sind im Berichtsjahre 1906 581 Untersuchungen ausgeführt worden,
davon 68 Untersuchungen auf Milzbrand, 81 beim Verdacht von
Tuberkulose, 27 beim Verdacht von, Septikämie, uncj Pyäjnie v>
112 Untersuchungen des Fleisches von Tieren mit Übelriechenden
Abszessen, Entzündungen des Harnapparates usw. durch Koch¬
proben und 293 Untersuchungen zur Feststellung der Lebensfähigkeit
der Rinderfinnen, der Ablagerung von Gallenfarbstoffen bei Gelb¬
färbung der Gewebe und dergleichen.
Fellbieten und verkaufen.
Der Fleischhändler B. hatte zwei von einem nichttierärztlichen
Fleischbeschauer untersuchte Schafe an ein Berliner Hotel geliefert,
ohne sie zur Untersuchung der Berliner Fleischbeschau vorzuführen,
obwohl nach dem gültigen Regulativ nicht im öffentlichen Schlacht¬
bause ausgeschlachtetes frisches Fleisch, welches nur von einem
nichttierärztlichen Fleischbeschauer untersucht ist, in Berlin nicht
eher feilgeboten werden darf, bis eine Nachuntersuchung durch die
tierärztlichen Sachverständigen stattgefunden hat B. war von der
Strafkammer Beizick dieserhalb verurteilt worden, das Kammer¬
gericht hob das Urteil indessen unter Zurtickverweisung der Sache
an die Vorinstanz unter der Begründung auf, daß nur ein Verkauf
des Fleisches stattgefunden habe. Feilbieten und Verkaufen sind
nicht identisch. Liegt eine Bestellung oder ein Lieferungsvertrag
vor, so kommt nicht mehr ein Feilbieten, sondern nur ein Ver¬
kaufen in Betracht.
Steht privilegierten Abdeokern von geschlachteten Tieren, bei denen
lediglich das Fleisch als untauglich befunden wurde, auch die Haut zu?
Zugleich ein Beitrag zur Definition des Begriffs „unrein“.
Von Dr. Ostertag.
(Zeitachr. f. Fleisch- und Milchbygiene. XVIII. Jabrg. 1907, Seite 1.
Die Besitzer privilegierter Abdeckereien verlangen bekanntlich
daß ihnen von untauglich befundenen geschlachteten Tieren nicht
nur das Fleisch und die Eingeweide, sondern auch die Haut aus¬
geliefert wird. Das ist bei Krankheiten, die aus sanitäts- oder
veterinärpolizeilichen Rücksichten die Vernichtung des ganzen Tier¬
körpers notwendig machen, auch berechtigt, sonst indessen nicht
begründet, da die Haut einen beträchtlichen Wert repräsentiert. In
einer Streitsache hat das Professorenkollegium der Berliner tier-
494 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 27.
ärztlichen Hochschule sich neuerdings gutachtlich dahin aus¬
gesprochen, daß der Begriff des unreinen Fleisches im Sinne der
Abdeckereiprivilegien dem heutigen Begriff des untauglichen
Fleisches entspricht. Von dem Streitobjekt, einem starkfinnigen
Rind, konnte demnach nur das Fleisch als unrein gelten, dagegen
nicht die finnenfrei befundenen Eingeweide und auch nicht die Haut.
Beanstandetes Fleisch als Fischfutter.
Das großherzoglich badische Ministerium hat durch einen
Erlaß bestimmt, daß von den großherzoglichen Bezirksämtern die
Genehmigung zur Zubereitung und Verwendung von genußuntauglich
erklärten Fleischteilen als Fischfntter nur unter folgenden Be¬
dingungen gewährt werden darf: Zerlegung in Pfundstücke vor
dem Kochen; Kochen bzw. Dämpfen in besonderen Apparaten, die
für bedingt taugliches Fleisch nicht benutzt w’erden dürfen;
mindestens zweistündiges Dämpfen bei 12 Athmosphäre Überdruck;
Abgabe des Fleisches nur in dichten Gefäßen mit Plombenverschluß
und an solche Fischzuchtanstalten, bei denen Gewähr gegen Mi߬
brauch gegeben scheint; gelegentliche Kontrolle der Zubereitung
und Verwendung auf Kosten der Unternehmer; Register, welche
seitens des Herstellers und des Abnehmers zu führen sind. Aus¬
geschlossen von der Verarbeitung zu Fischfutter ist das Fleisch
von Tieren, die im ganzen als genußuntauglich beanstandet und
gemäß § 1 des Abdeckereigesetzes von 1899 einer Abdeckerei zu
überweisen sind; ebenso das Fleisch von Föten, das mit Tuberkeln
und tuberkulösen Herden durchsetzte Fleisch, das wegen Pyämie
und Septikämie, Milzbrand, Rauschbrand, Tollwut, Rotz, Maul- und
Klauenseuche, Lungenseuche, Rotlauf, Schweineseuche und Schweine¬
pest beanstandete Fleisch, und endlich die mit tierischen Schmarotzern
durchsetzten Fleischteile.
Freizügigkeit des Wildes.
Mehrere Wild- und Geflügelhändler-Vcrbände haben dem Reichs¬
tag die Bitte unterbreitet, durch ein Gesetz die Freizügigkeit des
Wildes und Wilegeflügels innerhalb des ganzen Deutschen Reiches
festzulegen. In allen Bundesstaaten mit Jagdrecht soll ordnungs¬
mäßig erlegtes Wild auf Antrag des Besitzers durch die Aufsichts¬
behörde plombiert werden und so überall bin versandt und verkauft
werden dürfen. Die Petitionskommission hat die Petition dem
Reichskanzler zur Erwägung überwiesen.
Steigerung der Fleisohpreise.
Die zu erwartende Verteuerung des Schweinefleisches ist in
vielen Städten eingetreten, besonders in Berlin, Magdeburg, Leipzig,
Hamburg, Mannheim und Köln. Seit Anfang April ist der Preis in
19 Städten beträchlich gestiegen, und die Spannung gegen das Vor¬
jahr erreicht in einzelnen Marktorten fast wieder einen Grad wie
im Jahre 1906 gegenüber 1905.
Neue Sehlaohtbftueer.
Schlachthausbauten sind beschlossen in Krappitz, Kletzke
bei Gnesen und in Münsterberg in Schlesien.
Preistafeln.
Von dem Oberlandesgericht Dresden sind die Verordnungen
des Leipziger Stadtrats hinsichtlich des Aushängens von Preis¬
tafeln für ungültig erklärt worden.
Schlachtviehvereioherung.
Die Landesviehversicherungsanstalt in Bayern beschränkte sich
bislang auf die Entschädigung des untauglichen Fleisches; eine
Änderung wird jetzt dahin geplant, die Entschädigungen auch auf
die minderwertigen oder bedingt tauglichen Tiere auszudehnen.
Wildverkauf während der Schonzeit
Der preußische Wild- und-Geflügelhändler-Verband erstrebt die
Genehmigung zum Wildverkauf auch während der Schonzeit und
empfiehlt zur besseren Konservierung des Wildes die Errichtung
von Kühlhäusern. Eine in diesem Sinne abgefaßte Petition wurde
von der Petitionskommission des Reichstages dem Reichskanzler
überwiesen.
Cbamer MllehgesellsohafL
Über 8 Millionen Reingewinn erzielte die Nestle-Gesellschaft
in Cham und Vevey, fast eine Million mehr wie 1906. Die Nestle-
und Anglo-Trios-Gesollschaft, eine Gründung eines Württembergers,
hat als internationale Gesellschaft bereits in Australien Fuß gefaßt
durch Ankauf der Creesbroock Dairy Co, der größten Milch-
kondensationsgesellschaft in Ozeanien. Bekanntlich ist die Nestle-
Milch lediglich im Vakuum eingedickte, mit Zuckerzusatz versehene
Kuhmilch. Dr. G.
„Lea viandes metaainee.“
Einen ganzen Monat bildeten die Fleischverhältnisse der ost¬
französischen Garnisonen genügenden Anhalt, manche Erscheinungen
im französischen Heeresbetriebe zu beobachten. Eine ganze Reihe
Metzger (Cahen, Wertheimer, Levy usw.) in Bar le Duc, Verdun,
Luneville, Nancy, Lure, Reims wurden zu durchschnittlich ein
Jahr Gefängnis und 3—5000 Franken Strafe verurteilt. Leider
wurden auch drei Tierärzte «arg kompromittiert. Unverständlich ist es,
wie die Ecole supärieure de Pharmacie (die Apothekerschule) als
Obergutachterin über die französischen Veterinäre in Fleisch¬
angelegenheiten fungieren konnte. Seither bat man bouchenes
coopörativcs begründet, Fleischereien, die den Armeebedarf aus¬
schließlich decken Bollen. Dr. G.
Darmhandel.
Hohe Fleischpreise fördern nach einem Bericht der bekannten
Firma Schaub & Co. an die Detaillistenkammer in Hamburg den
Wurstkonsum und damit den Darmhandel, da viele geringwertige,
sonst nicht benutzte innere Organe zu solchen Zeiten verwurstet
werden und Absatz finden, wie z. B. Rinderpansen u. dgl. Trotz
der Fleischteuerung blieb daher der Wursthandel und der Dann¬
verbrauch 1907 auf der Höhe früherer Jahre.
Schweinedärme gelangen zu 75 Proz. der Einfuhr aus Nord¬
amerika nach Europa. Dort hat sich ein Trust gebildet, der diesen
Teil der Darmproduktion auf dem Weltmärkte heute völlig be¬
herrscht. Was zu dem festgesetzten Preise nicht verkauft werden
kann, wird vernichtet.
Die Preise für Schafdärme werden besonders durch die
Aufnahmefähigkeit Nordamerikas für diesen Artikel und die große
Kaufkraft der dortigen Bevölkerung hochgehalten und Europa muß
darin folgen. In Australien, Südamerika, Osteuropa und Asien, wo
die bedeutendsten Schlachtungen stattfinden, hat Amerika seine
Einkäufer und diktiert die Preise, weshalb letztere auch in Deutsch¬
land seit zehn Jahren fast um das Doppelte gestiegen sind.
Die Weltproduktion an Rinderdärmen hält mit dem Wachs¬
tum der Bevölkerung ungefähr gleichen Schritt und die Preise
waren das ganze Jahr hindurch unveränderte.
Zur Bekämpfung der Rlnderflnne.
Die Fleischer-Innung in Freiburg i. Breisg. schickt an jeden
Verkäufer eines bei der Fleischbeschau finnig befundenen Tieres
ein Zirkular, in welchem der Betreffende unter Hinweis auf den
Finnenfund darauf aufmerksam gemacht wird, daß wahrscheinlich
jemand in seinem Haushalt an einem Bandwurm leide und es
dringend zu raten sei, diese Person zu einer entsprechenden Kur
zur Abtreibung des Parasiten zu veranlassen.
Petroleum zur Denaturierung de« Fleisches.
Um Konfiskate vor dem Vergraben zu denaturieren, ist auf de».
Lande die Verwendung von Petroleum, das überall zur Hand ist,
so häufig, daß ein besonderer Hinweis auf die Unzulässigkeit eines
solchen Verfahrens nicht überflüssig erscheint. In § 45, Ziffer 2
B. B. A sind die zulässigen Denaturierungsmittel namhaft gemacht,
und es bed«arf der Zustimmung des Reichskanzlers, wenn andeer
als die dort aufgezählten Mittel zur unschädlichen Beseitigung
benutzt werden sollen.
Vergiftung durch Gänsefleisch.
Einen Beweis für die Notwendigkeit einer Geflügelbeschau
liefern die in letzter Zeit in verschiedenen Städten vorgekommenen
Vergiftungen nach Gänsefleischgeunß. Aus Berlin wurden in den
letzten Wochen zwei derartige Vergiftungsfillle gemeldet.
2. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
495
Ist Leberkls eine Wurstware oder eine Backware?
Das Landgericht Freiburg i. Br. hat in einem Streitfall eine
Entscheidung dahin gefällt, daß der in Freiburg hergestellte Leber¬
käs, wenn er auch wie fast alle Pastetenware im wesentlichen
aus Leber und Fleischteilen besteht und von Metzgern hergestellt
wird, nicht zu den Wurstwaren zu rechnen sei, sondern vielmehr
zu den Backwaren, weil er durch Backen fertig gemacht wird.
Es könne deshalb ein geringer Zusatz von Mehl zum Zwecke der
besseren Bindung beim Backen nicht als Verfälschung angesehen
werden.
Anerkennung der deutschen Fleischbeschau.
Nach einer Zeitungsmcldung hat in der französischen Kammer
der Deputierte Ferrette die in Deutschland bestehenden musterhaft
eingerichteten Schlachtviehböfe zur Nachahmung empfohlen. Die
Rede machte großen Eindruck und wurde mit Beifall begrüßt.
Ziegenfleisch statt Schaffleisch.
Wegen Verkaufs von Ziegenfleisch statt Hammelfleisch wurde
der Fleischermeister A. von dem Schöffengericht in Zossen zu einer
Geldstrafe verurteilt.
Katzenfleisch statt Kaninchenfleisch.
Junge geschlachtete Katzen wurden von einer Händlerin in
Guben als Kaninchen verkauft.
Giftige Pilze.
Nach dem Genuß von giftigen Pilzen erkrankte in Posen eine
Familie von vier Köpfen unter schweren Vergiftungserscheinungen.
Trotz ärztlicher Hilfe starben drei der Patienten.
Fischigkelt der Schweine.
Der Vorstand des ostpreußischen landwirtschaftlichen Zentral-
Vereins hat sich gutachtlich über die Verwendung von Fischen als
Schweinefutter dahin ausgesprochen, daß eine solche Fütterung
nur in den Fischerdörfern stattfinde, und nur ausnahmsweise bei
reichen Fängen Fische von anderen Besitzern der Umgegend an¬
gekauft wurden. Versuche über die Zeitdauer, in welcher der
Fischgeruch und -Geschmack entständen, sind nicht bekannt ge¬
worden, mit Ausnahme einer Mitteilung, daß dazu eine etwa
14 tägige Verabreichung ausreichen könne.
Veröffentlichung der Zahl der Schlachtungen eine« Fleischers.
Die Fleischcrinnung zu Speyer hat beantragt, daß seitens der
Stadt von dem veralteten Verfahren, die Zahl der Schlachtungen
zu veröffentlichen, abgesehen wird. Mancher Fleischer schlachte,
um mit einer großen Zahl Tiere in der Liste glänzen zu können,
mehrere kleine geringwertige Stücke, statt wertvollere größere,
was nicht im Interesse der Bevölkerung gelegen sei. Ein gleiches
Gesuch der Fleischer in Pirmasens wurde von der Stadtverwaltung
abgelehnt mit der bemerkenswerten Begründung, daß nach einer
Umfrage in anderen Städten die Zahl der Schlachttiere der einzelnen
Metzger sogar nach der Qualität wöchentlich öffentlich bekannt
gegeben wurden. Ohne Zweifel liegt in solchen Publikationen
eine ungerechtfertigte Belästigung der Fleischer; denn es inter¬
essieren zwar zur Gewinnung eines Überblickes über die Fleisch¬
versorgung der Stadt die Zahl der Schlachtungen und die Qualität
der Schlachttiere, aber nicht die Namen der einzelnen Fleischer.
Monopolisierung des Fleisohhandels.
In der Kapkolonie ist im September 1907 ein Gesetz erlassen,
nach dem alle Verträge und Vereinbarungen, die eingegangen
werden zu dem Zwecke, die Kontrolle des Fleischhandels zwecks
willkürlicher Festsetzung der Preise in die Hand zu bekommen,
für ungültig erklärt werden. Der Geltungsbereich des Gesetzes
wird von dem Gouverneur für einzelne Bezirke auf Antrag der
Bezirksbehörde nach Bedarf bestimmt.
Fleischhackerel und Eisfabrik.
Die Errichtung einer kommunalen Eisfabrik und einer Fleisch¬
hackerei auf dem Schlachthofe ist seitens der Stadtverordneten in
Frankfurt a. M. genehmigt worden.
Transport von Eis.
Vom 1. Januar ist im Bereiche der preußisch-hessischen und
oldenburgischen Staatsbahnen ein wesentlich ermäßigter Ausnahme¬
tarif für den Transport von Eis in Kraft getreten.
Vermeidung der Beschmutzung von Fleisch durch das Einkassieren.
Der Polizeipräsident in Breslau erklärt es in einer Bekannt¬
machung für bedenklich, daß diejenigen Personen, welche Fleisch
verkaufen, gleichzeitig Geld in Empfang nehmen oder wechseln,
und empfiehlt, besondere Kassierer anzustellen, die mit dem Ver¬
kauf nichts zu tun haben, oder, wo das nicht angängig ist, die
Fleischwaren nicht unmittelbar mit der Hand, sondern mit Gabeln
zu verabreichen.
DUngerproduktion an Schlacht und Viehhöfen.
Im Berichtsjahre 1906 sind auf dem Berliner Schlacht- und
Viehhofe 276 708 Zentner Dünger anfgekomraen und für 60 6^2 M.
(also für den Zentner durchschnittlich 22 Pf.) verkauft worden.
Fleischpreise der •Aohslsohen Sohlaohtviehverslcherung.
(Vergl. Nr. 18, S. 335.)
Gemäß § 14 des Gesetzes, die staatliche Schlachtviehversicherung
t A ^ J 2. Juni 1898 . . _ ,
betreffend, vom ——-—■ ■ sind vom Verwaltungsausschusse der
24. April 1906
Unterzeichneten Anstalt hinsichtlich der in der Zeit vom 1. Juli bis
30. September 1908 stattfindenden Schlachtungen die der Er¬
mittlung der Entschädigungen nach § 2 des angeführten Gesetzes zu¬
grunde zu legenden Durchschnittspreise für die einzelnen Fleisch¬
gattungen für je 50 kg Schlachtgewicht wie folgt festgesetzt
worden:
A. Ochsen: (1 kg demnach)
M M
1. vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlacht¬
wertes bis zu 6 Jahren.76,— 1,52
2. junge fleischige — ältere ausgemästete. . . . 70,50 1,41
3. mäßig genährte junge — gut genährte ältere . 65,— 1,30
4. gering genährte jeden Alters.58,— 1,16
6. a) magere.48,— —,96
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziff 1b
des Gesetzes von . der Versicherung aus¬
geschlossen sind.35,— —,70
B. Kalben und Kühe:
1. vollfleischige, ausgemästete Kalben höchsten
Schlachtwertes. 72,50 1,45
2. vollfleischige, ausgemästete Kühe höchsten
Schlachtwertes bis zu 7 Jahren. 69,50 1,39
3. ältere ausgemästete Kühe und gut entwickelte
jüngere Kühe und Kalben.64,— 1,28
4. gut genährte Kühe und mäßig genährte Kalben 57,— 1,14
5. gering bzw. mäßig genährte Kühe und gering
genährte Kalben.48,— — ,96
6. a) magere dergl.40,— —,80
b) abgemagerte dergl., soweit sie nicht nach § 1
Ziff. lb des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.30,— —,60
G. Bullen:
1. vollfleischige höchsten Schlachtwertes .... 68,60 1,37
2. mäßig genährte jüngere und gut genährte ältere 65,— 1,30
3. gering genährte.60,— 1,20
4. a) magere..45,— — ,90
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziff. lb
des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.40,— —,80
D. Schweine:
1. vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlacht-
wertes und zwar der feineren Rassen und deren
Kreuzungen im Alter bis zu l 1 /* Jahren . . 60,— 1,20
2. fleischige. 57,50 1,15
3. gering entwickelte Mastschweine, sowie aus¬
gemästete Schnitteber (Altschneider) und aus¬
gemästete Sauen . 53,60 1,07
4. nicht ausgemästete Sauen, Schnitteber (Alt¬
schneider), Znchtsauen und Zuchteber .... 40,— —,80
5. a) magere bzw. im Ernährungszustände zurück¬
gebliebene Tiere.30,— —,60
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziff. lb
des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind . ..28,— —,66
Dresden, den 25. Juni 1908.
Anstalt für staatliche Schlachtviehversicherung.
496
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
Bücheranzeigen und Kritiken.
Veterinfirhygiene. Grundriß der Gesundheitspflege der landwirtschaft¬
lichen Haustiere mit besonderer Berücksichtigung der Fütterungslehre.
Von Dr. Martin Klimmer, ord. Professor der Hygiene und Direktor des
Hygienischen Instituts der Königl. Tierärztlichen Hochschule in Dresden.
Mit 81 Textabbildungen. Berlin 1908. Verlag Paul Parcy. Preis 12 M.
Verfasser hat mit der Herausgabe dieses Buches einem allgemeinen
Bedürfnis entsprochen; denn die Hygiene nimmt sowohl in der Human-
wie in der Veterinärmedizin einen immer breiteren Ranm ein, und
dürfte das Studium dieser Verhältnisse den Studierenden nicht warm
genug ans Herz gelegt werden können. Wie der Verfasser richtig in
der Einleitung bemerkt, ist das Verhüten einer Krankheit noch wichtiger
als das Heilen. Eine gute Prophylaxis ist aber nur möglich, wenn wir
Uber die ätiologischen Verhältnisse unterrichtet sind und vor allem die
Nälirmedien kennen, in welchen die Erreger einer Krankheit zu finden
sind. Deshalb macht uns der Autor zunächst mit der Atmosphäre, mit dem
Boden, dem Wasser und dem Futter bekannt. Eine nicht zu unter¬
schätzende Rolle für die Gesunderhaltung unserer Haustiere spielen
gerade die Futtermittel, besonders die als Kraftfutter wegen ihres
geringen Preises gern benutzten Rückstände der Ölfabrikation, die als
Mehle und Kuchen in den Handel kommen. Leider besitzen wir nur
geringe Kenntnisse über die solchen Futtermitteln anhaftenden
Schädlichkeiten, und es sind noch ausgedehnte Studien notwendig, um
gerade die durch das Futter verursachten Schädigungen auf einer
wissenschaftlichen Grundlage aufzubauen.
Infolgedessen ist dieses Kapitel trotz seiner hohen Bedeutung etwas
stiefmütterlich behandelt, immerhin hätten aber neuere Arbeiten, be¬
sonders Uber die Bedeutung des Senföls und der Rizinnssamen, zweier
der am meisten zu fürchtenden Schädlichkeiten, eine eingehendere Be¬
achtung finden können.
Das gleiche gilt von der Beurteilung des Raubfutters. Es wird
sich empfehlen, bei einer Neuauflage speziell diesem Kapitel, mit dem
der praktische Tierarzt fast täglich in Berührung kommt, einen
größeren Rahmen einzuräumen.
Die Mär von der (beim Abschnitt der Weide) den jungen Blatt¬
knospen und Trieben der Laub- und Nadelbäume zugesprochenen
Schädlichkeit sollte endlich aus den Lehrbüchern verschwinden. Es
handelt sich hierbei stets um eine Infektion mit Piroplasma bigeminum
durch Zecken. Vielleicht wäre auch beim Stall auf die Bedeutung der
täglichen Bewegung der Tiere für die Gesunderhaltung derselben noch
mehr aufmerksam zu machen. Eine ausführliche Beschreibung der für
den Bau verwendeten Materialien wäre gleichfalls sehr wünschenswert,
da eint? Kenntnis derselben für die Ventilationsfähigkeit der Stallungen
von großer Bedeutung ist.
Daß der Verfasser die eigentliche Ätiologie und Prophylaxis aus
diesem Buche ganz weggelassen hat, halte ich für einen besonderen
Vorzug. Diese Kapitel sind so ausgedehnt — und finden bei der
Schilderung der Krankheiten, selbst in anderen Werken eine aus¬
reichende Berücksichtigung, daß es in einem Werke der Hygiene nur
eines Hinweisens darauf bedarf. Verfasser stellt uns außerdem in
Aussicht, in einem besonderen Werke auf diese Fragen einzugehen.
Da der Tierarzt häufige Gelegenheit hat, bei Fischkrankheiten zu
Rate gezogen zu werden, so wäre bei einer Neuauflage ein kurzes
Eingehen auf diesen Gegenstand sehr erwünscht.
Im großen und ganzen kann man den Verfasser zu seiner Arbeit
nur beglückwünschen und das Werk allen studierenden und Tierärzten
angelegentlichst empfehlen. Mießner.
Bakteriologische Diagnostik mit besonderer Berücksichtigung der
Immunitfltslehre der Serodiagnostik und der Schutzimpfungen für Tier¬
ärzte und Studierende von J. Bongert, stellvertr. atädt. Obertierarzt und
Leiter des Bakteriologischen Laboratoriums auf dem städtischen
Schlachtviehhofe in Berlin. Zweite, stark vermehrte und verbesserte
Auflage Mit 16 Abbildungen und 1 Farbendrncktafel im Text sowie
20 Lichtdrucktafeln, enthaltend 111 vom Verfasser hergestellte
Photogramme. Verlag Nemnich-Leipzig 1908. Preis 12 Mark.
Verfasser ist bereits vier Jahre nach Erscheinen der ersten Auflage
in die angenehme Notwendigkeit versetzt, eine Neuauflage seiner
bakteriologischen Diagnostik anfertigen zu müssen. Es zeugt dies dafür,
daß die Diagnostik überall eine gute Aufnahme gefunden haben muß.
Infolge des riesigen Anwachsens des Stoffes ist die Seitenzahl von 236
auf 403 gestiegen. Der Verfasser hat die für die Veterinärmedizin
besonders wichtigen Arbeiten der letzten Jahre über die Serodiagnose
des Rotzes, die Filtrierbarkeit des Schweinepestvirus und über die
Tuberkulose, desgleichen alle neueren Entdeckungen auf dem Gebiete
der Bakteriologie und Serologie eingehend berücksichtigt
Allerdings teilt Referent keineswegs die Ansicht, die Bongert in
der Identitätsfrage der Tubcrkelbazillen, in der Entstehung des Rotzes
vom Verdauungstraktus aus, in der Zugehörigkeit des chronisch-
infektiösen Darmkatarrhs der Rinder zur Tuberkulose vertritt. Bezüglich
der Agglutinationsprobe, eines zuverlässigen diagnostischen Hilfsmittels
für die Erkennung des Rotzes, stehe ich im Gegensatz zum Verfasser
auf dem Standpunkte, daß die Ausführung der Agglutination, ihre
Erkennung und vor allem ihre Beurteilung allergrößte Fertigkeit und
Übung beansprucht und daher nur im besonders darauf eingearbeiteten
Laboratorium ausgeführt werden kann. In Anbetracht der hohen Be-
dentung der Fleisch- und Wurstvergiftungen für den Sanitätstierarzt
würde es sich empfehlen, diesem Kapitel künftig eine ausführlichere
Besprechung zuteil werden zu lassen Es wäre dies ohne Umfangs-
vergrößerung des Buches möglich, wenn die bei einigen Krankheiten
ausführlich beschriebenen aber nicht in eine bakteriologische Diagnostik
hinein gehörenden anatomischen Veränderungen wegfielen.
Mießner.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen den Stabsveterinären
Ueinrüh Draeyert im Leibhusaren-Regt. Nr. 1 und Enil Kuli im
Leibhusaren Regt. Nr. 2, der Kgl. Kronenorden 4. Klasse, dem
Stabsveterinär Ebertx im Feldart.-Regt. Nr. 76 das Ritterkreuz
2. Klasse des Herzogl. Sachsen-Ernestinischen Hausordens.
Ernennungen: Dr. Kurt Schern , bisher Assistent am Kaiser
Wilhelm-Institut zu Bromberg, Abteilung für Tierhygiene, ist als
wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in die bakteriologische Abteilung
des Kaiserl. Gesundheitsamtes berufen worden. Distriktstierarzt
Julius N/pZ-Pöttmes zum Königl. Bezirkstierarzt in Vohenstrauß,
städt. Bezirkstierarzt Max Spieyler- Amberg zum Königl. Bezirks¬
tierarzt in Nabburg.
Niederlassung: Die Tierärzte Karl Puppe in Eberswalde, Philipp
Brawn-Markt Oberdorf in Blieskastel (Rheinpr.), Richard Burka r t-
Pfaffenhofen in Wörishofen (Schwaben). — Verzogen: Die Tier¬
ärzte Otto EYse/c-Creglingen als Assistent des Oberamtstierarztes
nach Hall (Schwäb.', Franz AacÄr«t«er-Emmendingen nach Nürnberg
(Mittelfr.), Friedrich ÄrÄ«6'rM)resden nach Creuzburg a. d. Werra,
Dr. Kunibert Müller nach Berlin NW. 6, Philippstr. 7/8.
Examina: Promoviert: Die Tierärzte Paul Dunkel aus Rinteln
a. Weser, Friedrich Eir hackt r aus Lahr, Viktor Leonhardt in Weil-
heim a. d. Teck zum Dr. med. vet. in Gießen. — Approbiert:
Die Herren Christian Rhodius aus Gillersdorf und Richard Wagner
aus Dresden in Dresden.
Todesfall: Stabsveterinär a. D. Dr. Karl Knoch in München.
Vakanzen.
Kreistierarztstellen: a) Neu ausgeschrieben: Reg.-Bez.
Marienwerder: Rosenberg. Bewerbungen innerhalb 3 Wochen
an den Regierungspräsidenten. — b) Nach Ablauf der Melde¬
frist noch unbesetzt: Reg.-Bez. Köslin: Belgard. Köln-
Rheinbacb. Reg.-Bez. Osnabrück: Lingen. Reg.-Bez. Posen:
Koschmin.
Schlachthofstellen: Nach Ablauf der Meldefrist noch un¬
besetzt: Barmen (Rhld.): 1. Assistenztierarzt, 2400 bis 4500 M.,
freie Wohnung usw. — Bitburg: Tierarzt. 1600 M. — Bremen:
IV. Tierarzt. 2400 M. bis 3900 M. — Duisburg-Meiderich:
I. Tierarzt. 3000 M. — Erfurt: Schlachthofstierarzt 3100 M. bis
4900 M. — Freienwalde: Tierarzt. — Halle a. S.: Assistenz¬
tierarzt. 200 M. pro Monat und freie möblierte Wohnung. — Katto-
witz: Schlachthof di rektor. 3600 M. — Königsberg i. Pr.: Zwei
Tierärzte. — Bad Kreuznach: Assistenztierarzt. 2400 M. — Lands¬
berg a. W.: Assistenztierarzt. 2400 M. — Liegnitz: Assistenztier¬
arzt. 2400 M. — Pforzheim: Direktor. 3600 M. bis 6000 M.,
freie Wohnung usw. — Prüm (Rhld.): Verwalter (Tierarzt).
1200 M. bis 1500 M., freie Wohnung usw. — Pyritz: Schlachthof¬
direktor. 1800 M. bis 2400 M. — Schwiebus (Bez. Frankfurt
a. O.): Schlachthofleiter. 2400 M. — Stettin: III. Tierarzt bei
der Auslandflei8chbe8cbau8telle. 2400 M. — Treptow a. R.:
Schlachthofdirektor. 2400 bis 3600 M.
Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis:
a) Neu ausgeschrieben: Schwetz (Weichsel): Tierarzt. Aus¬
kunft erteilt Landrat von Halem in Schwetz.
b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Rem¬
berg (Kr. Wittenberg). — Kirchberg-Hunsrück. — Langels¬
heim (Herzogt. Braunschweig). — Mengede (Kr. Dortmund):
Fleischbeschautierarzt. Gehalt 3600 M, Wohnungsgeld 300 M., Wege¬
geld 300 M.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält* in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoets In Berlin. —
Druck von W. BOxenstcln, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Scboetz in
Berlin SW. 48, Wilhelmatr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5.— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 Pt für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (Österreichische Poat-Zcitungs-
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Orlginalbeitrige werden mit SO Sk., fn Petltsata mit
•0 ttk, für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
an senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Ltuisenstrafle 56. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbucbhan dl ung.
Wochenschrift
Med.-Rat Dr. Boeder
Professor ln Dresden.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Blage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departements-T. in Cöln.
Professor Dr. Peter
Staatstierarzt in Hamburg.
Veterinärrat Peters
Departements T. in Bromberg.
Dr. Sohlegel
Professor in Freibarg.
Dr. J. Schmidt
Professor in Dresden.
Helfer
8ehlaehth.-Direktor in Mülhausen L R
Dr. H. Sieber
am Tropeninstitut in Hamburg
Reg.-Rat Dr. Vogel
Landestierarzt in München.
Dr. StSdter
Stadt-Tierarzt in Hamburg.
Veterinärrat Prenfie
Departements-T. ln Danzig.
Wehrte
Dr. Richter
Professor in Dresden.
ZOndel
Kais. Regierangsrat in Berlin. KreUtierarzt in Mülhausen L B.
Dr. Trapp
t Kaiser Wilhelm-Institut in Bromberg
Dr. Zlmmermaita
Dozent in Budapest.
Jahrgang 1908. _ M 28 . _ Ausgegeben am 0. Juli.
Inhalt: Lorenz: Zur Ätiologie der Brustseuche. — Regenbogen: Zwei Fälle von Chylurie (Lipurie) beim Hunde. — Eiten:
Infektiöse Ruhr und Lungenbrustfellentzündung der Kälber. — Beddies: Mykotische Gastroenteritis bei
Haferwert. — Referate: Grobou: Koprostase und comatöse Urämie infolge Verwundung bei einer jungen Katze. — Gold¬
beck: Zur Anwendung der Massage in der Veterinärmedizin. — Pröscholdt: Papilläres Akanthom auf der Innenfläche des
Pferdeohres. — Die Gölubacer Fliegen. — Ludewig: Beziehungen des Bodens zn sogenannten Bodenkrankheiten. — Stand¬
fuß: Über die ätiologische und diagnostische Bedeutung der Negrischen Tollwutkörperchen. — Sauer: Können ohne veterinär-
polizeiliche Bedenken die Häute rauschbrandkranker Tiere zn Gerbereizwecken verwendet werden? — Rieger: Wann kann
man das Fleisch und die Milch der gegen Anthrax geimpften Tiere dem menschlichen Genüsse znlassen? — Nicolas: Über
die Unschädlichkeit der Milch der an Tollwut erkrankten oder intravenösen Injektionen von Tollwut-Virus unterworfenen
Herbivoren. — Aus der medizinischen Literatur. — Tageogeochlohte: Frey tag: Zur Anstellung der Kreistierärzte. — Doen-
hardt: Ein Zeichen der Zeit. — Verschiedenes. — Tierzucht und Tierhaltung: Jahrbuch der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft.
_— Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen. — Verzeichnis der Tierärzte ohne Wohnortsangabe.
Zur Ätiologie der Brustseuche.
Von Obermedizinalrat Prof. Dr. Lorenz-Darmstadt.
Seit der Zeit, in der ich meine Beobachtungen über die
Brustseuche in dem Großherzoglichen Landgestüt zu Darmstadt
iMid -m - dem 24; -Dragonerregiment daselbst gemacht habe
(Winter 1905 auf 1906), habe ich nur vereinzelt und nur vor¬
übergehend Brustseuchepatienten gesehen und Gelegenheit gehabt,
von diesen Infektionsmaterial zu gewinnen. Es war dies bei
einem Bauernpferd in Goddelau (der Fall ist von Dr. Schweickert
in Nr. 30 und 35 dieser Zeitschrift beschrieben und von mir in
Nr. 45 derselben 1906 erwähnt) und in dem Landgestüt zn
Dillenburg a. d. Lahn (erwähnt von mir in Nr. 23 und 24 dieser
Zeitschrift von 1907). Im Frühjahr 1907 brach bei den Pferden
des Hanauer Ulanenregiments die Seuche ans und ich hatte
auch hier Gelegenheit, einige Patienten zn sehen, jedoch ohne
sie genauer beobachten zu können. — Die Versuche, die dort
zur Immunisierung mit von mir hergestellten Kulturen vor¬
genommen worden sind und die im zweiten Abschnitt der Ver¬
suchsreihe keinen günstigen Erfolg hatten, sollen an dieser
Stelle nicht erörtert werden. — Auch im letzten Winter hatte
ich wieder Gelegenheit, einige Brnstseuchepatienten unter den
Pferden des Dragonerregiments zu Karlsruhe vorübergehend zu
sehen und von ihnen Infektionsmaterial zu entnehmen. Ich
konnte dabei die Beobachtung machen, daß die Seuche nicht
immer denselben Charakter hat, dann aber auch die, daß die
trainierten Militärpferde manche Abweichungen in den Krankheits-
erscheinuugen bieten, von denen, die man bei weichlicher ge¬
haltenen Privatpferden findet, namentlich aber auch wie ich sie
bei Landgestütsbeschälern gesehen hatte. Insbesondere machte
ich dabei die Bemerkung, daß von den Militärpferden nur selten
Hautborken mit den virulenten Coccen zn bekommen waren.
Dahingestellt will ich es lassen, ob nicht die letztere Wahr¬
nehmung darauf beruht, daß die Erkrankungen hier einen etwas
veränderten Charakter hatten nnd hei ihnen die Ansscheidnngen
auf der Haut mehr zurücktraten, vielleicht als eine Folge der
kühlen Ränme, in denen die Tiere untergebracht waren. Gänzlich
war jedoch die Absonderung auf der Haut auch in diesen Fällen
nicht unterdrückt, denn es ist mir auch hier gelungen, in
einigen Fällen Kulturen von charakteristischen Eigenschaften
zu gewinnen.
Die letzte Zeit hat mir nun einige Patienten zugefülirt, an
denen ich besonders eingehende Untersuchungen vornehmen
konnte, und es ist der Zweck dieses Artikels, die Ergebnisse
dieser Untersuchungen hier kurz als vorläufige Mitteilung zu
veröffentlichen. Am 9. Mai 1. J. wurden dem Großherzoglichen
Hofstall von einer Händlerfirma drei Wagenpferde von vier bis
fünf Jahren geliefert. Diese Pferde wurden, wie alle Zngänge,
kontumaziert. Am 17. Mai erkrankte das eine der Pferde unter
den Erscheinungen der Brustseuche. Ich konnte bei diesem
Pferde ganz besonders am dritten Krankheitstage das Vor¬
handensein eines in geringer Menge die Nasenscheidenwand
befeuchtenden klaren bernsteinfarbigen Sekrets wahraekmen,
wie ich es bei den früher oft sehr eingehend darauf unter¬
suchten brustseuchekranken Landgestütsbeschälern nie gesehen
hatte. Um behufs einer eingehenden Untersuchung dieses Sekret
möglichst rein zu gewinnen, befestigte ich Wattebäuschchen an
Holzstäbchen, brachte sie in mit Wattebausch geschlossene
Reagenzgläser nnd sterilisierte sie so im Trockenofen ziemlich
lange. Dann wurden die Holzstäbchen aus dem Reagenzglas
genommen und vorsichtig in die Nasenöffnungen des Pferdes
geschoben, um mit den Wattebäuschchen das Sekret aufzunehmen,
ohne die äußeren Ränder der Nasenöffnungen zu berühren.
Die von den befeuchteten Wattebäuschchen alsbald an¬
gefertigten Ausstriche auf Deckgläschen zeigten unter dem
Mikroskop feine Stäbchen von anscheinend gleicher Art und in
lichten Kapseln befindliche Doppelcoccen. Frisch gemachte Auf¬
schwemmungen von diesen Wattebäuschen in sterilem Wasser
blieben bei intraperitonealer Anwendung auf Mäuse ohne sicht-
498
bare Wirkung. Die Mäuse blieben munter und gingen auch
später nicht ein. Eine Aufschwemmung von einem 1 Tag alten
Wattebausch tötete Mäuse bei intraperitonealer Anwendung in
1 bis 2 Tagen. Aus deiii Blut dieser Mäuse wuchsen Strepto¬
coccen, wie ich sie früher aus den Hautborken gezüchtet hatte.
Sie waren bei Kaninchen sehr virulent.
Nach acht Fiebertagen war die Temperatur des Pferdes
wieder normal und am fünften fieberfreien Tage zeigten sich an
Hals, Schulter, Bauch und Extremitäten zahlreiche Haut¬
erhöhungen, auf denen sich einige verklebte Haare und kleine
Borken befanden. Letztere wurden vorsichtig in sterile Gläschen
gesammelt, mit sterilem Wasser aufgeschwemmt und zerrieben,
und die so gewonnene getrübte Flüssigkeit Mäusen in die Bauch¬
höhle gespritzt. Diese gingen meist bis zum dritten Tage ein.
Aus ihrem Blut wuchsen in Bouillon die gleichen Streptococcen,
wie aus dem mit Nasensekret behandelter Mäuse. Weder beim
Wachsen in Bouillon, auf Agar, Blutserum usw. besteht ein
Unterschied, noch in ihrer Wirkung auf Kaninchen.
Nach dem ersten Pferde erkrankten in kurzen Zwischen¬
räumen auch die beiden anderen in dem Kontumazstalle unter¬
gebrachten Pferde in derselben Weise. Auch bei ihnen wurden
die Versuche mit Nasensekret und bei dem zweiten auch mit
Hautborken angestellt, welch letztere auch hier genau am
fünften fieberfreien Tage auftraten. Beim dritten Patient, der
intensiv mit einem besonderen Mittel behandelt worden war,
zeigten sich Hautborken nicht. Im übrigen war das Ergebnis
der angestellten Untersuchungen dem beim ersten Pferde voll¬
kommen gleich. Von den beiden ersterkrankten Pferden wurden
oberflächliche Hautstückchen an den mit Borken versehenen
Hautverdickungen mit dem Messer entnommen, um später zu
Schnittpräparaten verwendet zu werden.
Bald nachdem der letzte der drei Hofstallremonten genesen
war, erhielt ich die Nachricht, daß auf der Fohlenweide zu
Dieburg eine Seuche, wahrscheinlich die Brustseuche, aus¬
gebrochen sei. Ich begab mich dorthin und sah drei Patienten,
die die Erscheinungen der Brustseuche erkennen ließen, wenn
auch das Krankheitsbild bei diesen nur ein Jahr alten Tieren
etwas verändert war. Das am schwersten erkrankte Füllen
zeigte das bernsteingelbe Nasensekret in geringer Menge. Auch
dieses wurde mit sterilem, an Holzstäbchen befestigten Watte¬
bäuschen in derselben Weise, wie oben angegeben, abgetupft und
dann zu Mäusepassagen verwendet, die dasselbe Ergebnis
lieferten, wie bei den Marstallremonten. Zur Entnahme von
Hautborken bin ich bei den Dieburger Weidefüllen noch nicht
gekommen, da ich hierzu nicht Zeit fand.
Die dritte Verseuchung an Brustseuche sah ich kürzlich
auf der Fohlenweide in Hungen, im Kreise Gießen. Es waren
dort erst ein Füllen und dann bald danach hintereinander
13 teils leicht, teils sehwer erkrankt. Zwei waren schon ein¬
gegangen, ein drittes lag tot im Stalle. Ein neu zugegangener
Patient, der erst seit zwei Tagen erkrankt war und deutlich
Spuren von dünnflüssigem, gelblichem Sekret auf der Nasen¬
scheidewand zeigte, wurde, da die übrigen noch vorhandenen
Patienten schon wieder genesen schienen, zur Untersuchung
verwendet. Auch in diesem Falle benutzte ich die sterilen
Wattebäusche. Auch hier war das Ergebnis das gleiche, wie
in Darmstadt und Dieburg.
Die Wattebäusche wurden, soweit sie nicht zu Auf¬
schwemmungen zwecks Mäuseimpfüng benutzt wurden, teils
No. 28.
trocken, teils mit sterilem Wasser angefeuchtet aufbewahrt. Auf
ihnen zeigten sich nach einiger Zeit eigentümliche Pilz Wucherungen.
Es ist ja zwar anzunehmen, daß das Nasensekret der Pferde
auch allerlei saprophytisch lebende Pilze enthält, und es wäre
auch mir nicht aufgefallen, als ich die weißlichen Belege auf
den trocken gehaltenen Wattebäuschen und dem darüber hervor¬
ragenden, leicht angefeuchteten Holzstäbchen sah, wenn nicht in
diesen Pilzformen unter dem Mikroskop eine ganz auffallende
Übereinstimmung mit den von mir früher beobachteten, in meiner
Arbeit in Nr. 23 und 24 der B. T. W. von 1907 beschriebenen
Streptothrixformen zu erkennen wäre.
Es soll nicht in dieser Arbeit näher auf diese Beobachtungen
eingegangen werden, da sie noch längerer Nachprüfung bedürfen.
Dagegen halte ich es für an der Zeit, hier kurz einige Be¬
merkungen über die von mir früher beschriebenen Form¬
umwandlungen zu machen, die einem Kritiker Veranlassung
gegeben haben, sie für Irrtümer zu halten.
In der Zeitschrift für Veterinärkunde, Band 1907, Seite 448,
hat Tröster meine Arbeit in Nr. 23 und 24 der B. T. W. von
1907 zu bekritisieren versucht. Es ist dies unter den Refe¬
raten geschehen, obwohl Tröster eigentlich gar nicht referiert
hat, denn er hat aus meiner Arbeit zu seinem Zweck ver¬
schiedenes anders angeführt, als es im Original steht. Er er¬
wähnt z. B. im Absatz 1 seiner Arbeit: „Von den in Bouillon
gewachsenen Kulturen spritzte (Lorenz) gesunden Pferden je
1 ccm in die Halsvene und 1,5 ccm in die Luftröhre. Hiernach
trat bei den Pferden nach einigen Tagen Fieber ein (bei einem
Pferde soll auch Schmerz in der Schulter und Dämpfung in
einer Lunge nachgewiesen worden sein). Das Fieber hielt nur
einige Tage an, dann waren die Pferde wieder gesund.“ Es
sind hier offenbar die beiden in Büttelbom gehaltenen Versuchs¬
füllen gemeint, worüber Dr. Schweickert in Nr. 30 und 35 der
B. T. W. von 1906 referiert hat. Von diesen war tatsächlich
nur eines künstlich infiziert worden. Es erkrankte mit41°C
Temperatur nach 24 Stunden, also nicht erst nach einigen
Tagen. Die Erkrankung war bei diesem Tiere nicht eine
leichte, sondern eine recht schwere und dauerte nicht bloß
einige Tage, sondern über eine Woche. Ich gebe zu, daß man
die künstlich erzeugte Erkrankung gerade nicht als typische
anzusehen braucht. Bei welchen Infektionskrankheiten wäre
dies auch der Fall. So ist es z. B. kaum einmal gelungen,
Schweine künstlich an typischem Rotlauf erkranken zu lassen.
Immerhin waren die Erscheinungen bei jenem Füllen so, daß
man sie, von der künstlichen Infektion abgesehen, für solche
der Brustseuche halten dürfte. — In Absatz 2 erwähnt Tröster
auch des zweiten Büttelborner Füllens, von dem die Abbildungen
Fig. 8, 9 und 10 meiner Arbeit in Nr. 45 der B. T. W.
von 1906 herrühren. Er sagt im letzten Satze des
Abs. 2: „Auch zeigten sich die Fäden und Stäbchen in den
Ausstrichen aus der Lunge eines Versuchspferdes, das zwar
nach der Impfung wieder gesund geworden, aber infolge
eines im Stalle ausgebrochenen Feuers zugrunde gegangen war.“
Hätte Tröster richtig referieren wollen, so hätte er
aus meiner Arbeit ersehen müssen, daß dieses Füllen
überhaupt nicht geimpft war, sondern sich an dem
geimpften Füllen auf natürlichem Weg infiziert hatte. Auf
Seite 449 unten kritisiert Tröster: „das würde erst angängig
sein, wenn infolge der Impfung ein Pferd unter den typischen
Erscheinungen der Brustseuche erkrankte und letztere auf dem
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
9. Juli 1908.
BERLIN ER TI ERÄ RZTLKil E WO( ’llENSi II RI FT.
Wege der Ansteckung auf gesunde Pferde übertragen worden
wäre. Ein Experiment mit diesem Erfolge hat er (Lorenz) nicht
gemacht.“ Hätte Tröster genau meine Arbeit und die von
Dr. Schweickert nachgelesen, so hätte er gerade in
dem vorher erwähnten Fall das Experiment mit dem
verlangten Erfolge erblicken müssen. Es stand ihm ja
frei, an den Ergebnissen des Erfolges zu deuteln, aber ein
wahrheitsgetreuer Referent dürfte doch so keine tat¬
sächlichen Unwahrheiten aufnehmen. Aus diesem Grunde
unterließ ich es seither, überhaupt etwas zu entgegnen. Ich
erwähne es hier nur, weil ich inzwischen irgendwo gelesen habe,
meine Veröffentlichungen seien widerlegt worden, und da mir
sonst nichts Derartiges zu Gesicht gekommen ist, so muß ich
denn doch erklären, daß ich es nicht als zutreffend anerkenne,
die an ein unrichtiges Referat geknüpften kritischen
Auslassungen eine Widerlegung zu heißen.
Auch die weiteren kritischen Bemerkungen, daß maßgebende
Bakteriologen Formumwandlungen, wie ich sie beschrieben, nicht
gesehen hätten und ich mich deshalb geirrt haben müsse, ent¬
halten keinen Grund zum Zweifeln an den Beobachtungen eines
einzelnen, die der Kritiker, wie er selbst angibt, gar nicht genau
beurteilen kann, weil er die Präparate nicht gesehen hat. Genau
so verhält es sich mit der Kritik über die Streptothrixfäden in
den Hautschnitten, die Tröster kurzer Hand für Fibrinfäden
erklärt. Schon die von Dr. Garth äußerst genau nach den
Präparaten angefertigten Zeichnungen können einem fachlich
gebildeten Pathologen nicht als Fibrinfäden erscheinen. Ich
weise deshalb auch diese Behauptung des Kritikers als einen
offenbaren Fehler zurück.
Wenn man, wie Tröster, nur denjenigen für einen ma߬
gebenden Bakteriologen ausgibt, der „nur einen hört und
auf des Heisters Worte schwört“, dann kann man den
auch schon von anderen beobachteten Pleomorphismus ver¬
leugnen, wie es die mittelalterliche Scholastik mit der Bewegung
der Erde getan hat. Mit einem derartigen Festhalten an einmal
von hervorragenden Männern Gesagtem wird man aber mit der
Erforschung der Krankheitsursachen nicht viel weiter kommen,
als auf den jetzigen Standpunkt. Die Tatsache, daß die
Streptococcen einen konstanten Befund bei bestimmten Krank¬
heiten, so z. B. beim Scharlach und bei der Brustseuche, ab¬
geben, berechtigt aber wohl mehr zu der Annahme, daß hier
konstante Formveränderungen bei den Erregern vorliegen
müssen, als die Behauptung, daß maßgebende Bakteriologen
diese Formveränderungen leugnen, weil sie bei ihren Züchtungs¬
methoden sie noch nicht gesehen haben. Ich habe diese
Formumwandlungen aber gesehen, auch bei künstlicher
Züchtung, und ich halte diese Behauptung voll und
ganz aufrecht. Warum sie die geschulten Bakteriologen
noch nicht gesehen haben, ist mir auch erklärlich. Es beruht
dies auf der von mir an einer ganzen Reihe von Versuchen
festgestellten Eigentümlichkeit reingezüchteter Bakterien, in der
von ihnen einmal angenommenen Gestalt zu beharren. Läßt
man Bakterien erst das langwierige Plattenverfahren durch-
machen, so verlieren sie ihre Neigung, sich zu verändern, selbst
wenn sie es vorher hatten. Ich habe wiederholt aus
Streptothrixfäden Stäbchen und dann Streptococcen hervorgehen
sehen und das mehrmals hintereinander. Ja, ich habe auch
Streptococcen noch aus älteren Streptothrixkulturen erst nach
längerem Wachsen sich entwickeln pefiep, aber auch erfahren
499
müssen, daß auch dieses Umwandlungsvermögen in der künst¬
lichen Züchtung einmal aufhört und daß dann keine Strepto¬
coccen mehr entstehen, auch wenn man die früher mit Erfolg
angewandten Bedingungen bietet. Die Natur läßt sich in
der künstlichen Züchtung mit den einmal jetzt als
schulgerecht eingeführten Methoden doch nicht so
nachahmen, daß jemand berechtigt wäre, etwas, was
andere durch genaue, wohlbedachte und andauernd
fortgesetzte Beobachtungen ergründet haben, kurzer
Hand als irrig von der Hand zu weisen, weil es der
jetzigen, verhältnismäßig doch recht jugendlichen
Lehre von den Bakterien nicht entspricht.
Aus der Klinik für kleine Haustiere der Tierärztl. Hochschule zu Berlin,
Zwei Fälle von Chylurie (Lipurie) beim Hunde.
Von Professor Regenbogen.
Eine 5 Jahre alte deutsche Dogge wurde der Klinik mit
dem Vorberichte zugeführt, daß sie seit mehreren Wochen sehr
abgemagert sei, großen Durst zeige und viel Harn entleere.
Die Freßlust sei sehr gering, zuweilen habe sie erbrochen. Die
Befundaufnahme ergibt einen schlechten Nährzustand. Das Haar
ist rauh und glanzlos. Die sichtbaren Schleimhäute sind blaßrot.
In der Maul- und Rachenhöhle keine Veränderungen. Die Kopf-
und Halslymphdrüsen sind nicht geschwollen. In der Minute
werden 120 bis 130 Pulse gezählt. Der Puls ist mittelkräftig,
regelmäßig. Der Herzschlag ist etwas pochend. Herzdämpfung
ist nicht nachweisbar. Die Herztöne sind rein, jedoch etwas
metaUisch klingend. An der Lunge sind krankhafte Verände¬
rungen durch die Auskultation und Perkussion nicht nachzuweisen.
Nasenausfluß besteht nicht. Der Hund hustet nicht. Die
Palpation des Magens ist nicht schmerzhaft. Der Bauch ist auf¬
gezogen. Die Bauchdecken sind eingefallen. Beim Durchtasten
der Bauchhöhle lassen sich keine Schmerzen auslösen. Die
Futteraufnahme ist gering, der Durst sehr groß. Beim Abtasten
der Nieren äußert der Hund Schmerzen. Die Blase ist leer, nicht
schmerzhaft. An der Prostata ist keine Umfangsvermehrung
nachweisbar.
Der Hund zeigt sich müde und schwach, er legt sich bald
nieder. Der Gang ist etwas unsicher und träge. Die Lenden¬
wirbelsäule wird etwas nach oben gekrümmt und beim Gehen
steif gehalten. Der Hund setzte in 24 Stunden ungefähr iy 2
bis 2 Liter Harn ab. Der Harn zeigt die Farbe von sehr ver¬
dünnter Milch und ist deshalb nur durchscheinend, fast undurch¬
sichtig. Beim Stehen zeigen sich an der Oberfläche keine Fett¬
tröpfchen. Das spezifische Gewicht beträgt 1020. Die Reaktion
ist sauer. Beim Filtrieren durch Papier wird der Harn nicht
klar. Nach Beimischung von Klärmitteln — Kieselgur und
Filtrierpapierbrei — gelingt es, ein ganz getrübtes Filtrat zu
erlangen. Das Filtrat enthält V 2 ? roz - Eiweiß, keinen Zucker,
geringe Mengen Indican. Das Sediment enthält sehr zahlreiche
Fettkügelchen, einzeln und in Haufen zusammenliegend. Auch
zahlreiche zylinderartige Gebilde, aus Epithelien und Fett¬
tröpfchen bestehend, erscheinen im Gesichtsfelde. Nierenepithel
aus den geraden und gewundenen Harnkanälchen ist in großer
Menge vorhanden. Die Epithelien enthalten sehr viele Fett-
tröpfeben und sind außerdem stark gekörnt und lassen die Kerne
nicht erkennen,
500
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28.
Der Harn wurde mit gebranntem Gips zur Trockene ver¬
dampft, der Rückstand pulverigiert und in einem Extraktions¬
apparat mit Äther ausgezogen. Nach Verdunstung des Äthers
blieben 3 / 4 Prozent Fett zurück.
Während der 5 tägigen Beobachtung des Hundes blieb der
Befund unverändert. Auf Wunsch des Besitzers wurde der
Hund vergiftet. Rechte Niere 75 g, Unke Niere 85 g. Die
Kapsel läßt sich nicht leicht abziehen. Die Konsistenz der
Nieren ist ziemlich derb und fest. Die Oberfläche ist fleckig
graurot bis dunkelbraunrot. Auch die Schnittfläche zeigt eine
mehr dunkelgraurote Farbe. Die mikroskopische Untersuchung
der Nieren läßt die Epithelien der Harnkanälchen wenig ab¬
gegrenzt erkennen. Sie sind getrübt oder gekörnt und ent¬
halten zahlreiche kleinere und größere Fetttröpfchen. Die Kerne
sind nicht mehr sichtbar. Auch an den Glomerulis treten ähn¬
liche degenerative Veränderungen hervor.
Der zweite Fall betrifft einen 5—6 Jahre alten Jagdhund.
Nach dem Vorberichte soU der Hund seit einiger Zeit schlecht
fressen und zuweilen erbrechen, viel Durst zeigen und viel
Harn lassen. Der Hund soU in letzter Zeit stark abgemagert
sein. Die Befundaufnahme ergibt, daß der Puls etwas be¬
schleunigt, mittelkräftig und klein ist. Atemzüge und Innen-
temperatur entsprechen der Norm. Der Hund zeigt sich auffällig
müde und matt; er liegt viel und bewegt sich nicht gern. Bei
Druck auf die Nieren äußert der Hund Schmerzen. Harn wird
in großer Menge abgesetzt. Der Harn ist trübe und zeigt eine
milchweisliche Farbe; spezifisches Gewicht 1015. Beim Stehen-
lassen des Harnes zeigen sich an der Oberfläche vereinzelte
kleine Fetttröpfchen. Die Reaktion ist sauer. Bei der Sediment¬
untersuchung finden sich reichlich Fetttropfen und Fett-
tröpfchen neben Nierenepithel, weißen Blutkörperchen und
Epithelzylindern mit fettiger Entartung des Epithels. Der Ham
enthält 0,1 Prozent Eiweiß. Die Fettbestimmung ergab
1 Proz. Fett.
Die Schwäche nahm erheblich zu, die Nahrung wurde ganz
verweigert, der Durst war andauernd sehr groß. Das Tier
konnte sich in den nächsten Tagen kaum erheben, zeigte große
Benommenheit und Hinfälligkeit. Fünf Tage nach der Ein¬
lieferung verendete der Hund.
Durch die Sektion wurde eine chronische Nephritis mit
nachfolgender Dilatation und Hypertrophie des Herzens und
chronische Entzündung einer Zipfelklappe der rechten Herz¬
kammer festgestellt.
Diese beiden Fälle, welche der Chylurie bzw. Lipurie
zugezählt werden dürften, stehen vereinzelt da unter den zahl¬
reichen Harnbefunden, welche im Verlaufe von 10 Jahren erhoben
wurden. Vereinzelte Fetttröpfchen im Sedimente des Hunde¬
harnes werden im Harn gesunder Hunde als auch bei Nieren-
und Blasenentzündungen angetroffen.
In den beiden mitgeteilten Fällen hatte der Harn das Aus¬
sehen von sehr verdünnter Milch und war durch einen hohen
Fettgehalt von 3 / 4 und 1 Proz. ausgezeichnet. Als Ursache
der Fettbeimischung muß die nachgewiesene fettige parenchymatöse
Entzündung der Niere gelten.
In der Literatur liegen, mit Ausnahme einer Mitteilung von
Fröhner, keine Angaben über Chylurie und Lipurie bei Tieren
vor. Fröhner gibt in seinen Untersuchungsmethoden (1007
Seite 369) an, daß über Chylurie bei Haustieren bisher noch
nichts bekannt geworden ist. Ferner berichtet er Seite 425,
daß Fetttropfen häufig ein ganz normaler Bestandteil des Hunde¬
harns sind. In einigen Fällen habe er auch eine pathologische
Lipurie beim Hund beobachtet, so im Verlauf anämischer und
kachektischer Krankheitszustände, sowie bei einzelnen staupe-
kranken Hunden.
Infektiöse Ruhr und Lungenbrustfellentzündung der
Kälber.
Von Distrikstierarzt Eisen-Erkheim.
Gegen die beiden seuchenartigen Erkrankungen hatte ich
häufig Gelegenheit, die Impfung mit dem resp. Serum zu ver¬
suchen. Der Erfolg war ein durchaus befriedigender, sowohl
bei Anwendung als Schutz- wie als Heilimpfung.
Beide Erkrankungen beobachtete ich in mehreren größeren
und kleineren Beständen, in denen die Verluste zum Teil ganz
enorm waren. An der Ruhr ging in einem großen Stalle bis
zur Einführung der Impfung jedes Kalb ein, während in von
der septischen Pneumonie befallenen Beständen doch ab und zu
vorher auch ohne Impfung ein Kalb die Krankheit überstand.
Mit der Impfung waren die beiden Seuchen coupiert, absichtlich
ohne gleichzeitige Desinfektion des Standortes und ohne Depla-
zierung der Tiere, um den Wert des Serums einwandfrei prüfen
zu können.
An der infektiösen Ruhr erkrankte in den betreffenden
Stallungen seit der Impfung nicht ein einziges Kalb. Ähnlich
verhielt es sich mit der Pleuropneumonie, nur mit dem Unter¬
schiede, daß in einem Bestände mehrere Wochen nach der
Schutzimpfung ein bereits abgewöhntes Kalb von einer Pneumonie
befallen wurde, die aber durch Injektion der Heildosis geheilt
werden konnte.
Auf Grund meiner Erfahrungen muß ich die beiden Sera,
die ich von der Rheinischen Serumgesellschaft in Köln bezog,
als verlässige Spezifica gegen die erwähnten seuchenartigen
Erkrankungen der Kälber anerkennen und es hat sich die
Impfung in meinem Praxisbezirk bereits sehr gut eingeführt
trotz des verhältnismäßig hohen Preises des Serums.
Mißerfolge möchte ich nach meinen Beobachtungen nur mit
Mischinfektion, Septikämie erklären.
Mykotische Gastroenteritis bei Haferwert
Eine Erwiderung von Dr. Beddies.
Aus dem Krankheitsbilde, welches Herr Tierarzt*Carl Berndt
in Chemnitz in seinem Artikel „Mykotische Magendarmentzündung
infolge Verftitterung von Haferwert“ der B. T. W. vom 9. Januar 1908
van den Pferden der Posthalterei vorführt, ist mit absoluter Sicherheit
obige Diagnose nicht festzustcllen, da vor allen Dingen der übel¬
riechende Durchfall und die zerebralen Erscheinungen (große
Schwäche) die zum Symtomenkomplex der mykotischen Gastro¬
enteritis gehören, bei jenen Patienten fehlen.
Der angeführte Befund paßt auch zu anderen Kolikformeu, die
nicht mykotischer Natur sind. Überdies ist es eine bekannte Tat¬
sache, daß Schimmelpilze in erheblichen Mengen nicht immer, auch
nicht bei jedem Tiere krankmachend wirken, denn Fütterungs¬
versuche mit jenen Pilzen sind häufig negativ ausgefallen. In
zahlreichen Kraftfuttermitteln sind Schimmelpilze in größeren Mengen
neben den stets vorhandenen Millionen von Bakterienkeimen
(ä Gramm) durch Züchtung auf künstlichen Nährböden bakteriologisch
und auch makroskopisch leicht nachweisbar. Wohl können deshalb
bei der Untersuchung des Haferwert Schimmelpilze gefunden worden
sein, ob aus diesem Befunde aber kurzer Hand der Schluß gezogen
9. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
werden kann, daß die Pilze unter allen Umständen auch die
Krankheitsursache darstellen, ist mindestens fraglich. Mir ist ein
derartiger Fall nach der Verbitterung von Haferwert bis jetzt nicht
bekannt geworden, trotzdem in zahlreichen großen Betrieben schon
jahrelang das Futter verwendet wird.
Bemerkung zu obiger Erwiderung.
Von Tierarzt Carl Berndt-Chemnitz.
In Nr. 2 dieser Zeitschrift h. a. veröffentlichte ich einen Artikel:
„Mykotische Magendarmentzündung beim Pferd infolge Verbitterung
von Haferwert.“ Auf die Erwiderung des Herrn Dr. Beddies
möchte ich folgendes bemerken.
Die von mir seinerzeit beschriebenen Erkrankungsfälle liegen
nun zirka 3 / 4 Jahr zurück. Seit dieser Zeit stellte die hiesige Post¬
halterei die Verfütterung mit Haferwert ein. Obgleich ich seitdem
des öfteren zu Pferden mit Kolik in die Firma gerufen worden
bin, trat doch kein einziger Fall auf, der den von mir beschriebenen
auch nur in einem Symptom glich und noch viel weniger waren auch
nur ein einziges Mal Multiplitäten zu verzeichnen. Dies als Indizien¬
beweis für die Richtigkeit meiner Diagnose.
Als direkten Beweis erbringe ich hiermit drei Zeugnisse von
drei vereidigten Nahrungsmittelchemikern bei*). Die Untersuchung
ergab einstimmig einen hohen Gehalt an Schimmelpilzen, Vorhandensein
von lebenden Milben und einen muffigen dumpfigen Geruch.
Ferner steht ein Brief von einem Fabrikanten aus Schwarzach i. Th.
zur Verfügung, in dem mir derselbe mitteilt, daß ein 10jähriger
Rappwallach innerhalb eines Vierteljahres dreimal schwer unter
den von mir angegebenen Symptomen an Kolik erkrankte. Das
Pferd bekam Haferwert und da der behandelnde Tierarzt nach jeder
Kolik, derselbe hatte von der Verfütterung des Haferwertes keine
Ahnung, strenge Diät anordnete mit Entziehung des Hafers, bildete
dieses Pferd insofern ein gewisses Versuchsobjekt, als sich das
Tier bei Entziehung des Haferwertes wohl befand und bei er¬
neuter Verfütterung desselben dieselben schweren Zufälle wieder¬
bekam. — Nachdem mit dem Verfüttern von Hafer wert aufgehört
wurde, blieb das Pferd gesund.
Daß bei den von mir beschriebenen Fällen kein Durchfall vor¬
handen war, kann mir nach Lage der Tatsachen eben nur beweisen,
daß eine Kolik, die durch Schimmelpilze veranlaßt wurde, eben
auch ohne denselben verlaufen kann. Betreffs der zerebralen Er¬
scheinungen möchte ich bemerken, daß nach dem Exzitations- ein
Depressionsstadium eingetreten war, das wohl durch das hohe
Fieber und die große Schwäche verbunden mit der starken Medikation
bedingt war.
Zum Schluß möchte ich noch bemerken, daß ich als Tierarzt
niemals ein Futtermittel empfehlen würde, das mit zahlreichen
Schimmelpilzen durchsetzt wäre.
Im übrigen möchte ich noch kurz erwähnen, daß ich nicht das
Futtermittel als solches, sondern nur im verdorbenen Zustande für
minderwertig erklärt habe; wie eben auch jedes andere Futter im
verdorbenen Zustande als gesundheitsschädlich zu erklären ist.
I. Das untersuchte Futtermittel hat dumpfen, muffigen Geruch. In
einer Anzahl hergestellter mikroskopischer Präparate sind Schimmel¬
pilze nachweisbar. pro Dr. C. Huggenberg,
i. V. Dr. Kober, gepr. Nahrungsmittelchemiker.
II. Die Untersuchung der am 4. d. M. hier eingegangenen Probe
* Futtermittel“ hat ergeben, daf dasselbe iü ganz erheblichem Maße
mit Schimmelpilzen durchsetzt ist. Aus diesem Grunde ist das Futter¬
mittel als verdorben zu erklären. Die beobachteten Krankheits¬
erscheinungen werden ohne Zweifel durch diese schlechte Beschaffenheit
hervorgerufen. Dr. Paul Trübsbach.
III. Kgl. landwirtschaftliche Versuchsstation Möckern:
Die Untersuchung der am 23. Oktober übersandten Proben Pferde-
fatter „Haferwert“, befindlich in Säckchen bzw. Briefumschlag, ge¬
schlossen mit Siegel für Probe F. 2044 K., Posthalterei Chemnitz, für
Probe F. 2045 Dr. Tr, bezeichnet Pferdefutter „Haferwert“, ergab:
F. 2044/45. Bei der Besichtigung der Proben unter dem Mikroskop
wurden bei beiden Mustern eine geringe Menge von Schimmelpilzen vor¬
gefunden. Die mit Siegel K., Posthalterei Chemnitz, verschlossene
Probe F. 2044 enthielt außerdem zahlreiche lebende Milben. Bei der
bakteriologischen Prüfung nach der Eraraertingschen Methode trat
nach 24 Stunden Milchsäuregärung ein. Bei längerem Stehen ent¬
wickelte sich in der mit Siegel Dr. Tr. ein dichter Schimmelrasen,
während die Probe F. 2044 eine weitere Veränderung nicht er¬
kennen ließ.
501
Referate.
Koprost&se und comatöse Urämie infolge Verwundung
bei einer jnngen Katze.
Von Grobou.
(Revue de Toulouse Januarheft 1907.)
Die Katzen, die bekanntermaßen ein stark entwickeltes
Reinlichkeitsgefühl haben, fahren Öfters mit ihrer Pfote über ihr
Haarkleid, um es zu reinigen. Die Haare, die bei dieser Proze¬
dur ausgerissen werden, werden in den Mund geführt und hinunter¬
geschluckt. Beim Passieren des Pharynx und des Schlundanfanges,
lösen sie durch den Reiz, den sie dort ausüben, Husten aus,
durch welchen ein Teil der Haare wieder ausgehustet wird. Der
größere Teil aber wandert in den Magen, worin sich die Haare
zusammenballen und verfilzen. Hier wirken sie als Fremdkörper,
welcher sich das Tier durch starke Brechbewegungen zu ent¬
ledigen sucht
Eine Partie dieser verfilzten Haarballen wird wieder
erbrochen, während der Rest in den Darm gelangt, wo sie sehr
oft steinhart werden und den Durchgang des Kotes aufhalten.
Nun beginnt die Koprostase mit ihren Folgeerscheinungen, welche
sind: Magen-Darmentzündung, Autointoxikation, Peritonitis usw.
an welchen die Tiere meistens zugrunde gehen.
Um der Koprostase vorzubeugen, sollte man die Katzen
wenigstens alle 2 Monate leicht purgieren, am besten mit
Rizinusöl. Vorteilhaft ist es auch, wenn ihnen der Besitzer
jeden Morgen das Haar auskämmt und ausbürstet, so daß die
Haare, die am Ausfallen sind, in der Bürste hängen bleiben und
sie daher von der Katze laicht verschluckt werden können.
Grobou hat in der letzten Zeit bei einer Katze eine
Koprostase festgestellt, die eine andere Ursache als die oben
angegebene hatte.
Ein junges Kätzchen von 7 Monaten fraß schon eine Zeit¬
lang nicht mehr recht und war ganz abgemagert. Die letzten
Tage hatte es sogar jede aufgenommene Nahrung wieder
erbrochen. Das Tier war teilnahmslos, die Konjunktiven cya-
notisch, der Puls kaum fühlbar, es ließ die Haare fallen, alles
Zeichen einer vorgeschrittenen Autointoxication mit comatöser
Urämie.
Bei der Palpation des Bauches fand Grobou in der Bauch¬
höhle viele sehr harte Körper, welche in den Darmwindungen
lagen. Außerdem war beim Druck auf die Flanken die durch
den Urin sehr erweiterte Harnblase durchzufühlen.
Da eine Heilung nicht zu erhoffen war, wurde das Tier
getötet.
Die Sektion wurde sofort vorgenommen und waren alle
Organe stark anämisch. Die Harnblase war prall gefüllt und
floß bei der Punktion etwa y 4 1 ziemlich klarer Harn heraus.
Sogar die Ureteren waren durch den Ham stark erweitert.
Die Nieren waren vergrößert und sahen wie mazeriert aus, ihre
Kapseln hatten dich losgelöst. Im Nierenbecken war die
Schleimhaut verdeckt und mit Fibrinflocken besetzt. Der
Mast- und Grimmdarm war vollgepfropft mit einer schwarzen
Exkrementenmasse, die steinhart war und die Darmwandungen
auf das Dreifache ausgedehnt hatte.
Der Druck, den diese Masse auf die umliegenden Organe
ausgeübt hatte, dürfte die Blutzirkulation stark beeinträchtigt
und die funktionellen Störungen hervorgerufen haben. Wunder¬
barerweise fanden sich in dieser Masse wenig Haare vor. Die
Ursache der Koprostase war folgende:
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28.
r>02
Als ganz junges Tierchen hatte das Kätzchen einen starken
Schlag erhalten, der einen unvollständigen Lendenwirbelbruch
bedingte. Es hatte sich an der Bruchstelle ein unregelmäßig
geformter Gallus gebildet, der die Bauchenden zusammenhielt.
Die Darmwanduugen waren nun in dem engen Zwischen¬
raum, der von dem Knochenwulst und den Beckenknochen um¬
schlossen wurde, eingezwängt, es trat Darmentzündung ein,
und so wurde dem Darminhalt die Passage versperrt. Der Kot
verhärtete, konnte nicht mehr weiter und übte nun seinerseits
auf die Harnröhre einen Druck aus, so daß eine Harnverhaltung
eintreten mußte. Helfer.
Zur Anwendung der Massage in der Veterinärmedizin.
Von Stabsveterinär Dr. Goldbeck.
(Zeitschr. f. Voterinürk. 1908, S. 71.)
Der Massageausübung haften mannigfache Mängel an;
Goldbeck hat versucht, diese Nachteile mit Hilfe eines Apparats
zu umgehen. In der Humanmedizin wird namentlich zur An¬
wendung der Vibrationsmassage ein Apparat benutzt, der nach
dem Prinzip der zahnärztlichen Bohrmaschine gebaut ist. Er
unterscheidet sich von derselben durch einen stärkeren Unter¬
bau, größeres Schwungrad und durch eine stärkere Spiralfeder.
Läßt man den bei diesen Maschinen üblichen Konkussor fort,
so kann man die verschiedensten Ansatzstücke anbringen und
zur Massage beim Pferd benutzen. Für seine Versuche ließ sich
Goldbeck von der Spezialfahrik Heinrich Buchheim,
Leipzig, eine besonders stark gebaute Maschine senden. Mit
derselben war es dem 4^tor ein leichtes, selbst tiefgelegene Ge¬
lenke (Fessel- oder Kronengelenk) V 4 Stunde und länger zu
massieren. Er vermied es vollständig, irgendwelche Verände¬
rungen an der Haardecke — selbst bei längerdauemdem Mas¬
sieren — vorzunehmen. Die Benutzung von Öl, wäßrigen oder
spirituösen Lösungen, selbst leichten Puders sind bei Anwendung
der genannten Maschine nicht erforderlich. Als Ansatzstücke
verwendet Goldbeck nur noch sogenannte Rotationsklopfer,
welche in der Regel drei Strahlen besitzen, deren Enden
Gummikugeln oder -riemen tragen. Die Massiermaschine sowie
einige Formen der Ansatzstücke sind abgebildet.
Richter.
(Aus der medizin. Klinik der Tierärztl. Hochschule Stuttgart.
Vorstand: Prof. Dr. Klett).
Papilläres Akanthom auf der Innenfläche des
Pferdeohres.
Inaugural-Dissertation von 0. Pröscholdt in Stettin.
(3 Tafeln.)
Auf der innern Ohrmuschel des Pferdes finden sich häufig
wenig über das Niveau ragende Erhebungen, flache Warzen.
Sie sind hirsekom- bis linsengroß; größere Ausdehnung entsteht
durch Konfluenz. Meist sind sie rundlich. Die Warzen sind
größtenteils pigmentlos, ein kleinerer Teil ist pigmenthaltig. Die
Oberfläche ist anfangs glatt, später pflegt sie rauh und borkig
zu werden.
Die histologische Untersuchung zeigt, daß alle Schichten
der Epidermis eine mehr oder weniger starke Verdickung er¬
fahren. Den Hauptanteil hieran trägt das Stratum spinosum.
Die Epithelien sind bedeutend an Zahl vermehrt und haben eine
Größenzunahme eifahren.
Die Neubildung ist aus folgenden Gründen für eine primäre
Epithelwucherung anzusehen:
1. Anfangs ist üur eine Hypertrophie und Hyperplasie des
Epithels festzustellen.
2. Es fehlt im Anfang die Papillenbildung oddr Papillen¬
neubildung.
3. Die Epithelwucherung ruht stets in einer Einbuchtung des
Korium8, welches besonders anfänglich scharf hervortritt.
4. Die Keimschicht enthält zahlreiche Kernteilungsfiguren.
5. Die Epithelien am Rande der Neubildung sind flach, in die
Länge gezogen und verlaufen in Zügen nach unten.
6. Die durch das zapfenartige Hinabwuchern des Epithels in
das Korium entstehenden spitzenartigen Räüme reichen
in den Anfangsstadien nur bis zur normalen Kbriumgrenze.
7. Das Epithel ist und bleibt die Hauptsache der Neubildung.
Die Bildung der sogenannten Papillen tritt erst sekundär ein.
Die Neubildung wird am passendsten als papilläres Akanthom
bezeichnet. Autobeferat
Die Gölubacer Fliegen.
Die sogenannte Mückenhöhle von Gölubac — Io schreibt
Andrees Handatlas, während man vielfach Golubak odeb Golumbac
oder Kolumbatsch liest — liegt bekanntlich an der Donau
zwischen Belgrad und Orsowa, wo die Ufer des Flusses niedriger
werden. Vou dort aus überfällt im Frühjahr ein Insekt in
wolkenartigen Schwärmen die angrenzenden serbischen und
ungarischen Gebiete und richtet unter dem Vieh erheblichen
Schaden an, ist auch dem Menschen nicht ungefährlich. Es
handelt sich nach Untersuchungen von Dr. Tömösvari ztihäclist
nicht um eine Mücke, sondern um eine Fliege. Die Brutstellen
befinden sich auch keineswegs bloß in der berüchtigten Höhle
und deren näherer Umgebung, sondern in den Gebirgswäldern
zu beiden Seiten der Donau auf einem Gebiet von 20000 qkm.
Ende Mai werden die sehr kleinen Eier im klaren Bachwasser
ausgesetzt, wo die Larven bis zum Herbst liegen; dann ver¬
puppen sie sich und im Frühling schlüpfen die Fliegen aus,
welche alsbald jene großen Schwärme bilden, die sich an den
Flußufern ausbreiten. Bei dieser weiten Verbreitung der Brut¬
stätten ist an eine Ausrottung nicht zu denken. Zur Vorbeugung
empfiehlt es sich, das Vieh von Ende April bis etwa Mitte Juni
im Stalle zu halten.
Beziehungen des Bodens zu sogenannten Boden¬
krankheiten!
Von Oberstabsveterinär Lud ewig.
(Zeitschr. f. Veterinärk. 1908. 8. 108.)
Eine infektiöse Wirkung der Bodenluft und eine Entstehung
von Infektionskrankheiten durch Bodenluftmiasmen ist als ent¬
schieden irrtümlich zurtickzuweisen. Für eine hygienische Be¬
deutung der Bodenluft kommen nur toxische und übelriechende
gasförmige Bestandteile in Betracht. Bei Schwankungen des
Grundwassers können sich in den bodenfeuchten Schichten aber
sehr wohl Infektionserreger ansiedeln und an das Futter oder
direkt an das Individuum gelangen. — Der Boden stellt ein
ausgezeichnetes Bakterienfilter dar, und deshalb ist er auch
das wesentlichste Reservoir der Mikroorganismen. Der weitaus
größte Teil der Mikroorganismen befindet sich an der Boden¬
oberfläche oder in den oberflächlichsten Schichten; in Schichten von
1 bis 3 m beginnt eine bakterienfreie Zone. Im Boden finden wir an
pathogenen Bakterien mehrere septische Arten, die Bazillen des
malignen Ödems, des Milzbrands, Nekrosebazillen, die Erreger
des Tetanus, des Rauschbrands, der Wild- und Rinderseuche,
9. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
503
4fi8 Schweinerotlaufs,, vermutlich auch die der periodischen Augen-
pntzüngung und des bösartigen Katarrhalfiebers. Sie gelangen
Jra wesentlichen mit Abfall* und Dungstoffen aus undichten
Gruben und Kanälen auf die Bodenoberfläche und durch die
Niederschläge allmählich unter die Oberfläche. Von den ober¬
flächlichen Schichten des Bodens kann die Verbreitung der
Bakterien erfolgen erstens durch staubaufwirbelnde Winde,
zweitens durch Nahrungsmittel, drittens durch direkte Berührung
mit dem Boden nnd durch Zwischenträger. Richter.
(Aus dem pathologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule
zu Berlin.)
Über die ätiologische and diagnostische Bedeutung
der Negrischen Tollwutkörperchen.
Von Dr. med. vet. Richard Standfuß, Tierarzt
(Archiv f. wissenscli. u. prakt. Tierheilk.. Bd. S4, Hift 2.)
Aus allen bisher bekannt gewordenen Forschungen ist zu
entnehmen, daß die Negrischen Körperchen in den meisten
Fällen von Tollwut (bei Hunden und anderen Tieren, sowie beim
Menschen) nachweisbar sind und ihren Sitz vorwiegend im
Ammonshorn haben. Sehr wichtig ist nun die Frage, ob diese
Gebilde sich ausschließlich bei wutkranken Individuen vorfinden,
odef ob sie nicht auch in anderen Krankheitsfällen nachweisbar
sind. Nach des Verfassers Ansicht könnte nun besonders die
nervöse Form der Hundestaupe wegen der Affinität des Infektions¬
stoffes zum Zentralnervensystem eine Krankheit sein, welche
ebenfalls durch das Vorkommen der Negrischen Körperchen
gekennzeichnet ist. Standfuß untersuchte daher die Gehirne
von 16 mit der nervösen Staupe behafteten Hunden und ver¬
wandte zur histologischen Durchmusterung der Präparate die
sogenannte Mannsche Methode. Bisher galten als Kriterien für
ein Negrisches Körperchen folgende Merkmale: intrazelluläre,
extranukleäre Lage bei meist normaler Beschaffenheit der Zelle,
Färbbarkeit mit sauren Farbstoffen, scharfe Konturierung, Vor¬
handensein eines oder Mehrerer Innenkörperchen, die sich ent¬
weder dunkel gefärbt haben, oder als helle Vakuolen erscheinen.
Nach Standfuß treffen diese Bedingungen auch für ansge¬
wanderte Kernkörperchen zu. Man kann nämlich nicht selten
einen Vorgang beobachten, der darin besteht, daß aus dem
Zellkern ein Kemkörperchen austritt und im unversehrten
Protoplasmaleib der Zelle als besonderer Körper liegen bleibt.
Hierdurch ist dann die Verwechslung mit einem Negrischen
Körperchen leicht gegeben. Die beschriebenen ausgewanderten
Kernkörperchen hat nun der Verfasser verschiedentlich bei der
nervösen Staupe gefunden und folgert daraus mit Recht, daß
die Diagnose „Tollwut“ 'nicht auf dem Fund einzelner intra¬
zellulärer Gebilde gegründet werden darf. Sie ist vielmehr erst
dann als einwandfrei aUzusehen, wenn sich solche Formen von
Negrischen Körperchen vorfinden, welche die von Volpino und
anderen beschriebene komplizierte Struktur deutlich erkennen
lassen oder sonst vermöge ihrer Größe, ihrer Anzahl innerhalb
einer Ganglienzelle oder anderer Umstände, wie z. B. des Nach¬
weises des Karyosoms in dem unverletzten Kem'die Möglichkeit
mit Sicherheit ausschließen, daß es sich um ausgewanderte
Kernkörperchen handelt.
In Anbetracht der Tatsache, daß ih manchen Fällen von
Tollwut nur vereinzelte Negrisehe Körperchen gefunden worden,
und daß gerade in diesen Fällen die Struktur derselben meist
nicht so charakteristisch ausgeprägt ist, glaubt St and fuß be¬
haupten zu dürfen, daß dem erwähnten Vorgang der Aus¬
wanderung des Kernkörperchens bei der nervösen Hundestaupe
eine für die Differentialdiagnose der Tollwut nicht zu unter¬
schätzende Bedeutung zukommt. J. Schmidt.
Können ohne veterinärpolizeiliche Bedenken die Häute
ranschbr&fldkranker Tiere zu Gerbereizweckeil ver¬
wendet werden?
Von Eugen Sauer, Kreisveterinärarzt zu Groß-Goraü (Hessen).
(Zeitschrift für Tiermedizin, 12. Band, 1. Heft.)
Um die vorstehende Frage zu beantworten, hat S. zunächst
Untersuchungen über die Verbreitung .der Rauschbrandkeime
innerhalb der Cutis angestellt. Er fand, daß Rauschbrand¬
stäbchen und Rauschbrandstäbchen mit Sporen die Haut bis an
die Oberfläche der Epidermis besiedeln. Freie Sporen wurden
nicht gefunden, sondern sie hafteten alle am vegetativen (Bazillen-)
Leib. Innerhalb des dichten Gewebes der Cutis beginnt die
Sporulation der Rauschbrandbazillen schon vor dem Tode des
erkrankten Tieres. Sauer schließt sich demnach auf Grund
seiner Untersuchungen der Meinung derjenigen Forscher an, die
in dieser Richtung Kitasato nicht recht geben. Weiter be¬
stätigt Sauer die von den Autoren angeführte Tatsache, daß
oine rein kutane Impfung mit Rauschbrandvirus nicht tödlich
wirkt, sondern daß ein Eindringen des Virus in die Subcutis
notwendig ist. Was die Abtötung der Rauschbrandkeime an¬
betrifft, so kam Sauer zu dem Resultat, daß eine Vernichtung
der Bazillen und Sporen in den Häuten rauschbrandkranker
größerer Tiere durch eine zehntägigeLagerung in lprom. Subliraat-
lösung, in 5proz. Kreolin- und Karbollösung und in frisch zu¬
bereiteter Kalkmilch (in überschüssiger Menge) sicher bewirkt
wird und daß bei einer oberflächlichen Desinfektion solcher
Häute in 5 proz. Kreolin- und Karbollösung zwei Tage lang
oder einer solchen in 1 prom. Sublimatlösung fünf Tage lang
ebenfalls eine Abtötung der Keime und Dauerkeime des Rausch¬
brands in der oberflächlichen Hautschicht hervorgerufen wird.
Für die Häute der kleineren Tiere genügt die Oberflächen¬
desinfektion mit diesen Mitteln und in dieser Dauer vollständig
zur vollen Durchtränkung. Um die Verschleppung der Sporen
und Bazillen hintanzuhalten, genügt nach Sauers Ansicht eine
oberflächliche Desinfektion vollständig. Es können daher die
so behandelten Häute rauschbrandkranker Tiere ohne
veterinärpolizeiliche Bedenken sogleich den Gerbe¬
reien zur weiteren Bearbeitung übergeben werden.
Die weiter aufgeworfene Frage, ob Zwischenträger bei un¬
zweckmäßiger Behandlung der Häute rauschbrandkranker Tiere
eine Infektion bewirken können, beantwortet S. auf Grund an-
gestellter Untersuchungen dahin, daß durch Zwischenträger
(Fliegen) eine Infektion möglich ist. Auf den Rauschbrand-
kadavern fing Sauer mittelst eines besonders konstruierten
Apparates nicht nur die verschiedenartigen Kadaverfliegen,
sondern auch Bremsen jeder Art, jedoch fanden sich keipe
Mücken darunter. Bei allen diesen Fliegen fand Sauer kurz
nach dem Tode im Kopfe derselben die Rauschbrandbazillen mit
Sporen in einer solchen Menge vor, daß eine geringe Anzahl
solcher Fliegenköpfe, subkutan einem Meerschweinchen mit
einem Tropfen Milchsäure injiziert, genügte, um einen typischen
Rauschbrandfall hervorzürufen. Alle diesbezüglichen Versuche
fielen positiv aus. Es machen übrigens die von dem Rausch-
brandkadaver aufgenommenen Bazillen im Körper der Fliegen
eine Vermehrung dnreh, wobei allerdings dem neuen Wirt ent-
504
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28.
sprechend die Stäbchen mit Sporen an Größe und Stärke
kleiner sind.
Bezüglich der Erzielung von Immunität machte Sauer
Versuche mit Einträufeln von Rauschbrandvirus in die Lidsäcke,
mit Verfütteruhg von Glaspillen und nachheriger Verfütterung
von Pillen mit Rauschbrandvirus. Sauer fand, däß Immunität
nach Aufnahme von Virus vom Darme und von den Konjunktiven,
wie auch von einer gequetschten Hautwunde aus eintreten kann.
Rdr.
Wann kann man das Fleisch und die Milch der gegen
Anthrax geimpften Tiere dem menschlichen Gennsse
zulassen i
Von künigl. ung. Tierarzt Julius Rieger-Mödos.
Allatorvosi Lapok 1907, Nr. 39.)
Die Schutzimpfung gegen Anthrax verursacht eigentlich
eine vorübergehende Erkrankung, aber dadurch mindert sie die
Empfänglichkeit des Organismus gegenüber dieser Infektions¬
krankheit. Der Pasteursche Impfstoff besteht bekanntlicher¬
weise aus abgeschwächten, zur Sporenbildung unfähigen
Bakterien, während der Jenner-Pasteur sehe Impfstoff auch
Sporen enthält. Die mit dem Impfstoff in den Organismus ein¬
geführten Bazillen bleiben im Körper noch eine Zeitlang am
Leben, vielleicht vermehren sie sich sogar; die Reaktion nach
dem Impfen tritt in fieberhaften Erscheinungen auf. Das Tier
ist also nach der Schutzimpfung als vorübergehend an Milzbrand
erkrankt zu betrachten und da die einzelnen Individuen sich
gegenüber der Infektionserreger nicht gleichmäßig benehmen,
sondern oft heftiger reagieren, größere Anschwellungen (besonders
nach dem zweiten Impfen mit dem stärkeren Impfstoff) auftreten,
scheint es gerechtfertigt zu sein, unmittelbar nach dem Impfen
die Milch dem meuschlichen Genüsse nicht zuzulassen, und zwar
solange nicht, bis die heftigere Reaktion verschwindet. Bekannt¬
licherweise kommen beim Anthrax auch in der Milchdrüse
Blutungen vor und es kann nicht als ausgeschlossen betrachtet
werden, daß auf diese Art die Antrax-Bazillen in die Milch
übergehen. Das ungarische Veterinärgesetz (1888, VII) schreibt
vor, daß das Fleisch, die Milch und andere Produkte der an
Milzbrand erkrankten oder im Verdachte dieser Krankheit
stehenden Tiere nicht in Verkehr gebracht oder benutzt werden
dürfen, weiter, daß milzbrandkranke oder verdächtige Tiere
zum Konsum nioht geschlachtet werden und die mit diesen in
Berührung gewesenen Tiere innerhalb sechs Tagen nicht ge¬
schlachtet werden können. Diese gesetzlichen Bestimmungen
erstrecken sich nach Riegers Auffassung auch auf die schutz¬
geimpften Tiere und deshalb gestattet er es nicht, daß die Milch
dieser Tiere unmittelbar nach der Impfung während drei bis
vier Tagen zum menschlichen Genuß gebraucht werde.
Dr. Z.
Über die Unschädlichkeit der Milch der an Tollwut
erkrankten oder intravenösen Injektionen von Tollwut-
Virus unterworfenen Herbivoren.
Von Nicolas.
(Journal de LyoD, Dezemberlioft 1906.)
Verfasser gibt 11 Versuche bekannt, bei welchen er Zentri¬
fugenschlamm oder fein zerriebene und mit Wasser verdünnte
Euter pulpa von Ziegen, denen er durch Injektionen in die vordere
Augeukammer oder in das Unterhantbindegewebe Tollwut bei¬
gebracht hatte, Kaninchen eingeimpft hat. Diese sind alle gesund
geblieben.
Ebenso hat er Zentrifugenschlamm der Milch einer Kuh,
die an Tollwut, die sie sich durch Biß von einem Hund zuge¬
zogen hatte, verendet war, mit negativem Resultat Kaninchen
eingeimpft. Die Euter haben sich also in allen Fällen als nicht
virulent erwiesen.
Er hat außerdem, um Aufklärung darüber zu erhalten, ob
die Milch der der Tollwutschutzimpfung ausgesetzten Tiere in
dem freien Verkehr gelassen werden kann, Versuche angestellt.
Dazu hat er 20 Kühe und 4 Ziegen benützt, denen er eine
Emulsion von Tollwutvirus intravenös eingespritzt hatte. Von
ihrer Milch hat er Kaninchen eingespritzt, die auch alle intakt
geblieben sind.
Schlußfolgerungen.
1. Die Milch und das Eutergewebe von 14 tollwütigen
Herbivoren waren in keinem Falle virulent.
2. Die Milch von Herbivoren, denen zu verschiedenen Malen
Tollwutvirus intravenös eingespritzt worden war, ist immer
virulenzfrei geblieben.
3. Der Genuß solcher Milch ist also nicht gefährlich.
Helfer.
Aas der medizinischen Literatur.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose 1907, Band 8, Heft 4.
Fricke, Ein Fall von Karzinom und Tuberkulose der Mamma. Die
Tuberkulose der Mamma kommt beim Menschen viel seltener
vor, als bei den Tieren. Die Literatur enthält nur 80 Fälle
Besonders interessant war ein vom Verfasser beobachteter FaU
von primärer Karzinomatose und sekundärer Tuberkulose der
Brustdrüse.
Dr. Elton, Uber die Tuberkulinreaktion. Unter 45 sicher tuber¬
kulösen Patienten reagierten 30 (66,6 Proz.) positiv und 15
(33,3 Proz.) negativ. Die positive Reaktion wird seltener mit
den schwereren Graden der Erkrankung. Im ersten Stadium
der Phthisis reagierten 78,9 Proz, im zweiten 70 Proz. und im
dritten nur 50 Proz.
Dr. Plgger, Künstlicher Pneumothorax und opsonischer Index. Es
ist eine bekannte Tatsache, daß durch Pneumothorax chronische
Lungentuberkulose häufig zur Besserung und Heilung kommt.
Pigger hat nebst seinen Vorgängern gleiche Erfolge bei ein¬
seitiger Lungenerkrankung durch Erzeugung eines künstlichen
Pneumothorax erzielt und konnte hierbei gleichzeitig ein An¬
steigen des opsonischen Index feststellen.
Dr. Hans Much, Ober die nioht säurefesten Formen des Kochsohen
Tuberkelbazillus. Much hat in tuberkulösen Veränderungen die
sogenannte granuläre Form des Tuberkulosevirus nachgewiesen.
Diese Granula sind nicht nach Ziehl färbbar, dagegen gramfest.
Much glaubt, daß diese gramfesten Körnerreihen leicht in ab¬
gekapselten tuberkulösen Herden durch Zerfall der Tuberkel¬
bazillen entstehen. Mießner.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose , Band 9 , Heft 1.
Wolff-Elsner, Die Ophthalmo- und Kutan-Diagnose der Tuberkulose.
Wolff-Eisner nicht Calmette hat zuerst die Ophthalmo-
oder besser Konjunktivalreaktion zur Tuberkulosediagnose
eingefühlt und legt in einer 200 Seiten langen Arbeit alle seine
bisherigen Beobachtungen und die anderer nieder. Er kommt
zu dem Schluß, daß die Konjunktivalreaktion der Kutanreaktion
bei weitem überlegen ist, warnt aber vor einem allzugroßen
Optimismus. Es ist auch bei dieser Methode die Art der
9. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
505
Reaktion genau zu beobachten und sind die übrigen Unter¬
suchungsmethoden, vor allem die Auskultation und Perkussion,
nicht zu vernachlässigen. Jedem, der sich mit diesem neuen
Tuberkulosediagno8tikum bekannt machen will, ist das Studium
der umfangreichen Arbeit sehr zu empfehlen. In der Veterinär¬
medizin wird die Konjunktivaldiagnose nach Ansicht des
Referenten nicht die gleiche Rolle spielen, wie in der Human¬
medizin, da die sachgemäße Beobachtung von Veränderungen an
den Bindehautschleimhäuten bei Tieren auf größere Schwierig¬
keiten stößt und wir in der Subkutaninjektion des Tuberkulins
ein anerkannt gutes Diagnostikum besitzen. Mießner.
Arb. a. d. Kais. Oes.-A., Band 28, Heft 1 , 1908.
Xylander, Der Ratinbazlllus als RattenvertilgungsmIttel. Xylander
kommt auf Grund umfangreicher Versuche über das kulturelle
und biologische Verhalten des Ratinbazillus zu dem Schluß, daß
der Bazillus zur Gruppe der Fleischvergifter (Gärtner-Gruppe)
gehört und mahnt deswegen zur Vorsicht bei seiner Ver¬
wendung. Nach seinen Versuchen werden etwa 50 Proz. der
Ratten vernichtet. Xylander bestätigt die Unschädlichkeit
d«s Ratinbazillus für größere Haustiere. Nach des Referenten
Ansicht scheint der Ratinbazillus auch für den Menschen un¬
schädlich zu sein, denn sonst müßten bei der großen Ver¬
breitung des Ratins längst Unglücksfälle beim Menschen bekannt
geworden sein. Mießner.
Tagesgeschichte.
t
Stabsveterinär a. D. Ernst Thomas, der zuletzt dem
ICarabinier-Regiment angehörte und seit 1905 ira Ruhestande
lebte, ist am 20. Juni 1908 in Borna, Bez. Leipzig, nach
kurzem Leiden gestorben.
Am 24. Mai 1840 in Schandau geboren, besuchte Thomas
die Schule seiner Vaterstadt und trat, nachdem er die vor¬
geschriebene technische Fertigkeit im Hufbeschiag erlangt
hatte, 1861 beim Gardereiter-Regiment ein, um sich dem ro߬
ärztlichen Berufe zu widmen. 1862 wurde er zur Königlichen
Tierarzneischule Dresden kommandiert und legte 1867 das
Examen als Tierarzt ab. Danach war er als Unter- bzw.
Roßarzt in verschiedenen Truppenteilen tätig. 1877/78 war
Thomas zum Oberroßarztkursus in Berlin kommandiert. 1879
erfolgte seine Beförderung zum Oberroßarzt beim Karabinier-
Regiment.
In den Feldzügen nahm er an verschiedenen Schlachten
und Gefechten teil: 1866 bei Gitschin und Königgrätz, 1870/71
bei Nouart, Beaumont, Donzy, Sedan und der Belagerung von
Paris. Der Verstorbene besaß sieben Orden und Ebren-
auszeichnungen.
Thomas war während seiner 42 Jahre langen Dienstzeit
eine Arbeitskraft ersten Ranges. Gewissenhaft, fleißig und
strebsam verfolgte er sein Ziel mit Energie. Taktvoll, über¬
legt und gewandt im Auftreten und im Verkehr, verstand er
es, sich das Wohlwollen seiner Vorgesetzten zu erwerben und
dauernd zu erhalten. Sein zu Frohsinn neigendes Gemüt er¬
leichterte ihm seine praktische Tätigkeit und hat ihn auch bis
zu seinem Hinscheiden nicht verlassen.
Auch bei der Beerdigung zeigte es sich nochmals, welche
große Liebe der Verstorbene genossen hat. Von nah und fern
waren zahlreiche und kostbare Blumenspenden gesandt worden.
Das Offizierkorps des Karabinier-Regiments, mit dem Herrn
Major beim Stabe an der Spitze, sowie eine Abordnung der
Studentenverbindung „Teutonia“, zahlreiche Kollegen usw.
waren zur Begleitung zur letzten Ruhestätte erschienen. Auch
wir stimmen der Rede des Geistlichen bei der Leichenfeier mit
Recht bei: Mit dem Tode Thomas ist ein Leben reich an
Arbeit zum Abschluß gekommen.
Die Veterinäre des XIX. (2. K. S.) Armeekorps werden
dem Entschlafenen ein dauerndes Gedenken bewahren.
Requiescat in pace!
Walther, Korpsstabsveterinär.
t
Am 8. Juni 1908 verstarb in der Heilanstalt zu Greifswald
ein Veteran unter den Tierärzten in dem hohen Alter von
87 Jahren, der Königliche Kreistierarzt a. D. Herr Theodor
Friedrich Munckel.
Geboren am 20. April 1821 zu Kolberg als der Sohn eines
Bäckermeisters, konnte ihm bis zu seiner Konfirmation nur Volks¬
schulunterricht zuteil werden.
Durch späteren Privatunterricht erreichte Munckel 1840
die Reife, als Militär-Eleve der Tierarzneischule zu Berlin ein¬
geschrieben zu werden, welche er nach erlangter Approbation
im September 1843 verließ und beim Vorpommerschen Feld-
Artillerie-Regiment zu Stralsund eintrat.
Nach Ablauf seiner Dienstverpflichtung schied Munckel im
Jahre 1851 aus dem aktiven Heere aus, praktizierte zunächst
in Stralsund, übernahm 1875 kommissarisch die Kreistierarzt-'
stelle daselbst, welches Amt ihm nach Erlangung des Fähigkeits¬
zeugnisses als Königl. Kreistierarzt für den Stadtkreis Stralsund
und den Landkreis Franzburg 1877 übertragen wurde.
Im Jahre 1893 feierte Munckel im Kreise seiner Vereins¬
genossen und seiner Behörden sein 50jähriges Jubiläum als
Tierarzt, wobei demselben der Kronenorden IV. Klasse verliehen
und vom ehemaligen tierärztlichen Verein Stettin-Stralsund zum
Andenken ein silberner Pokal überreicht wurde.
Bis zu seiner Pensionierung und Übertritt in den Ruhe¬
stand im Dezember 1898 hat Kollege Munckel seine tierärzt¬
liche Tätigkeit im Staatsamte und in der Praxis erfolgreich
ausgeübt, war daher auch von den gesamten Insassen der Stadt
und des Kreises hochgeachtet und geehrt. In Anerkennung
seiner Verdienste wurde Munckel mit dem Roten Adlerorden
IV. Klasse ausgezeichnet.
Dem ehemaligen tierärztlichen Verein Stettin-Stralsund,
dessen Ehrenmitglied Munckel im Jahre 1895 geworden, war
er ein eifriges tätiges Mitglied, seinen Standesgenossen jederzeit
ein liebenswürdiger Kollege und pflichttreuer Berater in allen
L ebens Verhältnissen.
Dem Verschiedenen ist es auch vergönnt gewesen, mit
seiner Lebensgefährtin das Fest der goldenen Hochzeit zu
feiern, aus welchem Anlasse die Ehejubiläums-Medaille dem
Paare verliehen worden ist.
In Ehren sein Andenken!
Stralsund, im Juni 1908.
Der Verein der Tierärzte in Neuvorpommern und Rügen.
Dr. Kampmann, Vorsitzender. Rüden, Schriftführer.
506
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28.
Zar Anstel lang der Kreistierärzte.
Von Freytag.
Bekanntlich haben ca. 400 Tierärzte das Examen zur An¬
stellung als Beamter absolviert und rechnen dementsprechend
auf Anstellung. In Frage kommen für die nächsten Jahre durch
Todesfall noch nicht 40 Stellen.
Um nun den Kandidaten die Möglichkeit zu geben, eher an
ihr Ziel zu gelangen und um bei der Überproduktion Tierärzte
zur Ablegung des Kreistierarztexamens zu veranlassen, dürfte
es sich empfehlen zur Verbesserung der Note Ergänzungs¬
prüfungen einzurichten, wie das ja bei den technischen Staats¬
beamten, den Oberlehrern usw. bereits der Fall ist und dann
eine gesetzliche Verfügung zu erstreben, daß der bestqualifizierte
Bewerber angesteUt wird.
Auf diese Art wird jede Bevorzugung vollkommen aus¬
geschlossen und dem vorwärtsstrebenden Kollegen schadet ein
wenig erfolgreiches Examen nichts, da er ja sich in den weniger
gut bestandenen Fächern resp. den schriftlichen Arbeiten einer
Ergänzungsprüfung unterziehen kann. Man soll jedoch das
Kreistierarztexamen nicht als Vorbedingung aller möglichen
Stellnngen einführen. Ich denke hier nur an die Hochschul¬
laufbahn. Es ist z. B. keine Vorbildung für Anatomie, experi¬
mentelle Medizin usw. Da sollte man die gleiche Qualifikation
wie an Universitäten schaffen und ihr auch den Rang des höheren
öder gar keinen Rang geben. Für die wissenschaftliche Fort¬
bildung des Veterinärwesens halte ich die Einrichtung einer
akademischen Laufbahn für geboten. Es wird dadurch auch die
Stellung der Hochschullehrer gehoben nnd sicherer; denn es kann
nicht jeder gleich Lehrer werden. Erst muß der Doctor mit
wenigstens cum laude erworben sein, dann muß der Privatdozent
so lange in Dienst sein, bis er Titularprofessor resp. sogar A. 0.
Honorardozent ist, um den „Ordinarien Konkurrenz u zu machen.
Es ist selbstverständlich, daß bei geringerer Zahl von Bewerbern
resp. Konkurrenten eine Laufbahn sicherer ist. Zur Einrichtung
einer akademischen Laufbahn bedarf es nur der eventuellen
Einstellung eines Oberassistenten- resp. Honorarprofessorgehaltes
nnd die Bestimmung, daß nur qualifizierte Bewerber Repetitor
oder Oberassistent, Assistenten nur promovierte Herren werden
können usw. Dann ist es auch an der Zeit, Kolleggelder ein¬
zuführen zur Hebung des Gehaltes der Hochschulangestellten.
Ich denke da weniger an die Assistentengehälter als an die der
Ordinarien. Die Gymnasiallehrer erhalten für ihre 18 Wochen¬
stunden mehr als ein Hochschullehrer. Mancher talentvolle
Arbeiter verdient — auch bei mir — mehr als jüngere Hoch¬
schullehrer.
Die in Aussicht kommende Belohnung für die jahrelange
Mühe muß der Mühe entsprechen.
Durch die Einrichtung der akademischen Laufbahn würden
viele für die Kreistierarztlaufbahn in Frage kommende Kollegen
aus dieser Konkurrenz ausgeschaltet nnd vielleicht nicht zu
Schaden der letzteren; denn naturgemäß kennt derjenige, welcher
10 Jahre Anatom war, weniger die Bedürfnisse dieser ihm fremden
Laufbahn als ein Praktiker.
Es ist selbstverständlich, daß wenn man von einem jungen
Mann verlangt, daß er seine Zeit für fast nichts in den Dienst
einer guten Sache stellt, daß diese Sache auch dann die ge¬
bührende Achtung besitzt. Ich meine hiermit die Anerkennung
unserer Hochschulen im Sinne der Dresdener. So sollte erreicht
werden, daß die drei naturwisseuschaftlichen Semester an unserer
Hochschule als „vollwertig“ gelten. Bei der technischen Hoch¬
schule etc. sogar der Handelsakademie in Frankfurt ist dies der
Fall. Warum werden sie in Preußen z. B. nicht auf den
Dr. phil. angerechnet. Auch in der Liste der Anstalten, die
z. B. die Kriegsschule ersetzen können, ist unsere Hochschule
nicht verzeichnet, obwohl sie strenges Matnritätsprinzip hat etc.
Weniger in Betracht kommt für uns die Würde des Dr.-
Tierarztes oder Dr.-Veterinärs. Die Promotionsgebühren würde
der Staat erhalten — der Lehrer für seine Mühe voUkommen
leer ausgehen — wie es ja jetzt schon bei der Entrichtung der
Institutsgebühr der Fall ist.
Mehr für sich hat meiner Ansicht die private Einigung
unserer Hochschulen mit den beiden Universitäten zwecks
Sicherung einer Mitwirkung bei der Promotion. Dann kann man
dieser Frage in Ruhe nnd Würde entgegensehen.
Das eine ist sicher, sobald die alte mature tierärztliche
Hochschule den Doctor verleiht, haben ihn die jüngeren auch.
Ob ein Dr. comm. aber zur Hebung dieser akademischen
Würde dient, scheint mir noch nicht so ganz sicher, besonders
dann nicht, wenn man ev. von dem obligaten Einjährigen ent¬
binden würde resp. Dr. h. c. en masse qualifizieren würde.
Ein Zeichen der Zeit.
Von Max Doenhardt, Köln.
Nachdem ein praktischer Lehrer für Tierkrankheiten —
im gewöhnlichen Leben Kurpfuscher genannt — mit der Er¬
laubnis des Herrn Gemeindevorstehers durch öffentliche Vorträge
über Pferde-, Rinder- und Schweinekrankheiten uud über GeburU-
hilfe (!) bei Pferden etc. die Landwirte beglücken und aufkläjen
will, unter gleichzeitiger Verabfolgung seiner Patent-Medizinen,
sei es mir gestattet, auf einen andern Fall hinzuweisen.
Ich erhielt vor einiger Zeit von einer Berliner Verlagsbuch¬
handlung H. St. die Aufforderung zur Beteiligung durch einen
Insertions-Auftrag im „Ratgeber Diamant — der Tierarzt in
der Hand“.
Dieses epochemachende Werk sollte im März 19Q8 erscheinen
in 50 000 Exemplaren und soll alles in dieser Branche Da¬
gewesene übertreffen.
In dem Prospekt heißt es nnn: „Da ich (die Verlagsbuch¬
handlung) vereint mit einem Tierarzt die Medikamente, die für
alle Leiden der Tiere angegeben, selbst liefere, liegt mir
daran, sämtliche Bücher billig oder auch gar umsonst unter¬
zubringen. — Sie werden erstaunt sein über den Erfolg Ihrer
Geschäftsreklame, die Ausstattung des Werkes wird für die ver¬
schiedensten Haustiere und ihre Leiden sofort den Tierarzt in
der Hand bilden. Da ich den Text liefere usw. so ist Ihnen hier
die beste, noch nie dagewesene Gelegenheit geboten, sich bei den
Landwirten und Bauern mit ihren Erzeugnissen zu empfehlen“.
Hier ist es Ehrenpflicht für die Fabrikanten, auch für den
Stand der Tierärzte einzutreten und ich richte an sämtliche
Fabrikanten, welche mit den Herren Veterinär-Medizinern direkt
oder indirekt arbeiten, die Aufforderung und Bitte, unterstützen
Sie nicht den Verlag durch Erteilung von Inseraten!
Wir Fabrikanten sind für Verleger nicht zu haben, die die
Tierärzte ausschalten aus Ihrem Berufe, speziell aber, wenn
alle Medikamente für alle Leiden an Landwirte und Bauern
durch dieses Institut geliefert werden sollen.*)
*) Zudem verstößt diese Handlungsweise gegen die Kaiserliche
Verordnung vom 22. Oktober 1901.
9. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT,
507
Ganz unerklärlich ist es mir, daß auch ein Tierarzt mit dem
Verleger Hand in Hand geht zum Schaden seiner Herren Kollegen!
Dieser Fall steht wohl einzig da!
Der Tierarzt ist im geschäftlichen Leben die Stütze der
Fabrikanten, somit kann er auch das gleiche von dem
Fabrikanten verlangen.
Für meine Pflicht hielt ich es, speziell die Fabrikanten zu
warnen und der Kurpfuscherei offen gegenüber zu treten!
Die Tierärztliche Hoch8Chule zu München In der bayerischen Kammer der
Abgeordneten.
Bei Beratung des Etats der Tierärztlichen Hochschule kam
nach einer Mitteilung der Wochenschrift für Tierheilkunde und
nach Zeitung8melduugen der Referent Dr. Schädler auf die
umfassenden Baubedürfnisse der Tierärztlichen Hochschule zu
sprechen. Die Anstalt könne nicht mehr alle Anforderungen
der Wissenschaft und der Landwirtschaft erfüllen. Das dringendste
Bedürfnis sei der Bau eines hygienischen Institutes. Angesichts
der Schwierigkeiten bei Berufungen von Professoren sei wohl
die Zulassung von Privatdozenten geboten; die Übertragung
von Spezialkollegien könne um so mehr an Privatdozenten erfolgen,
als die Professoren überlastet seien. Die Einführung der
Rektoratsverfassung müsse auch in München erfolgen, und über¬
haupt müsse die Hochschule ebenbürtig den übrigen Fakultäten
an die Seite gestellt werden. Auch eine Verlegung der Tier¬
ärztlichen Hochschule könne in Frage kommen.
Der Korreferent Dr. Günther stimmte diesen Wünschen
zu, betonte, daß die Einführung der Rektoratsverfassung nicht
länger aufgeschoben werden dürfte, und stellte die Frage einer
Verschmelzung der Hochschule mit der Universität zur Er¬
wägung; er befürwortete namentlich auch die Einführung des
Privatdozenteninstituts.
Der Minister betonte den leider entstandenen Platzmangel.
Eine Verlegung der ganzen Hochschule könne nicht in Aussicht
genommen werden, wohl aber die räumliche Abtrennung einzelner
Teile. Die Forderung der Rektoratsverfassung sei noch nicht er¬
hoben worden; die Tierärztliche Hochschule eigne sich auch nicht
dazu (Warum denn nicht? D. R.), da sie nur acht ordentliche
und drei außerordentliche Professoren besitze. (Das ist gerade
die Zahl der Ordinariate einer medizinischen Fakultät.) Gegen die
Einführung von Privatdozenten bestehe an sich kein Bedenken.
Humanmediziner würden bei den Berufungen nicht bevorzugt.
Aus Bremen.
Senat und Bürgerschaft haben die Anstellung eines Kreis¬
tierarztes für die Stadt Bremen, das Landgebiet und Amt
Vegesack als ruhegehaltsberechtigten Beamten mit einem Gehalt
von 5000 steigend bis 7500 Mark genehmigt.
Diese neugeschaffene Stelle wurde dem bisherigen Kreistier¬
arzt für das Landgebiet unter Anrechnung seiner 14 jährigen
Dienstzeit im Bremischen Staate übertragen. Die Privatpraxis
ist dem beamteten Tierarzt untersagt.
Das Apothekengesetz.
Nach Zeitungsmeldungen sind die Äußerungen der Bundes¬
regierungen zu dem vom Reichsamt des Innern ausgearbeiteten Ent¬
würfe eingegangen. Daß der Entwurf in der nächsten Session dem
Reichstag vorgelegt werden könne, ist mit Rücksicht auf die nicht
überwundenen zahlreichen Schwierigkeiten nicht anzunehmen.
Private Tätigkeit des Schlachtliofiiiepektore.
Dem Schlachthofinspektor T. in A. war von seiner Behörde
Privatpraxis nicht gestattet worden, trotzdem war er aber als
Vertrauensmann einer Viehversicherung tätig. Auf eine Anzeige
hin wurde gegen T. daher eine Ordnungsstrafe verhängt. Einer
hiergegen beim Regierungspräsidenten erhobenen Beschwerde blieb
der Erfolg versagt, auch das angerufene Oberverwaltungsgericht
erachtete die Strafverfügung für gerechtfertigt
Haftpflicht des Tierhalters.
Der Gesetzentwurf, betreffend die Milderung der Haftpflicht
des Tierhalters (§ 833 des Bürgerl. Gesetzbuches) ist im Reichstage
in zweiter Lesung angenommen. Danach tritt die Ersatzpflicht
hicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird,
das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tier¬
halters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der
Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt
beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt
entstanden sein würde.
Zur Ausbildung der Volksschullehrer.
Als für das tierärztliche Studium die Universitätsreife vorge¬
schrieben wurde, trat plötzlich unter den Volksschullehrern eine
merkwürdige Bewegung hervor mit dem Ziele, auch für diese
Universitätstudien obligatorisch zu machen. Das zeitliche Zusammen¬
fallen dieses sonderbaren Anspruches mit jener Maßregel zwang zu
der Annahme, daß diese Wünsche mindestens belebt worden seien
durch die für die tierärztliche Vorbildung eingeführte Verbesserung,
obwohl kein besonnener Mensch einen Zusammenhang zwischen
dem Studium der Tiermedizin und Ausbildung und Aufgaben der
Volkschullehrer wird erkennen können. An jene Zeit und jene An¬
nahme erinnert eine geschmackvolle Bemerkung, welche sich im
Berliner Tageblatt vom 4. Februar 1908 (Nr. 61 a) in einem Artikel
findet, der die Grundursache des Lehrermangels darzulegen ver¬
sucht. Dort steht folgender Satz: „Wenn man den Wert der Lehr¬
arbeit richtig einschätzte, wenn man der Arbeit der Lehrer an
Kinderseelen, die so überaus klug und vorsichtig, so fein berechnend
und abwägend bearbeitet sein wollen, das richtige Verständnis ent¬
gegenbrächte, dann würden sich jene Schichten auch nicht mehr
so schroff ablehnend zur Forderung der Lehrer verhalten, das
Universitätsstudium zugestanden zu erhalten. Wenn derjenige,
der einen Esel kurieren will, Tierarzneikunde studiert
haben muß, so muß derjenige, der aus Kindern Menschen machen
will, erst recht studiert haben.“
Über die Torheit des angestellten Vergleiches braucht kein Wort
verloren zu werden. Man braucht dem Autor nur entgegenzuhalten,
daß j ed er das, was er tun soll, gelernt haben muß und zwar dort,
wo es gelehrt wird. Ob man dieses Lernen Studieren nennen will
oder nicht, ist völlig gleichgültig. Der Mediziner muß seine Kunst
erlernen dort, wo sie gelehrt wird, das sind die Hochschulen;
der Volksschullehrer hat die Grundsätze der Kindererziehung eben¬
falls dort sich anzueignen, wo dieselben gelehrt werden, und
das sind die Universitäten nicht. An die Universität gehört die
Kindererziehung nicht hin, wie Professor P au Isen den für
Universitätsstudium agitierenden Volksschullehrern ja so über¬
zeugend nachgewiesen hat, weil die Universitäten sich nicht mit
der Erziehung von Kindern, sondern mit der von heranreifenden
Männern zu befassen haben. Die Kindererziehung wird eben in
den Seminaren gelehrt; wenn die Volksschullehrer ihren Ehrgeiz
darin suchen, den Seminarunterricht als Studium zu bezeichnen, so
wird niemand etwas dagegen einzuwenden haben. Die Sucht aber,
auf den Universitäten zu studieren, wird man sich nur aus jenen
Empfindungen heraus erklären können, die auch den Autor des
zitierten famosen Satzes zu seinem tiberhebenden Ton gegenüber
der Tiermedizin veranlassen.
Tierärztlicher Gerieralverein für die Provln* Hannover.
48. ordentlichen Generalversammlung am Sonntag, den 26. Juli 1908,
vormittags 11 Uhr im oberen Saale des Hotels zu den vier Jahres¬
zeiten in Hannover, am Ägidientorplatz.
Tagesordnung.
1. Geschäftsbericht des Präsidenten Dr. Esser.
2. Kassenbericht des Rendanten.
508 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 28.
3. Moderne Milchuntersuchung nebst Demonstrationen. Professor
Dr. Rievel.
4. Die Gebühren der Tierärzte in der Fleischbeschau. Becker-
Bevensen.
5. Besprechung des Antrages der Tierärztlichen Gesellschaft zu
Berlin, die außerordentliche Fleischbeschau als besonderen
Lehrgegenstand an den Tierärztlichen Hochschulen cinzuführen.
6. Vorbesprechung des internationalen Tierärztlichen Kongresses
im Haag.
Neuwahl des Vorstandes.
8. Mitteilungen aus der Praxis.
Vormittags 10 Uhr Ausschußsitzung, zu welcher die Herrn
Delegierten der Distriktsvereine hiermit eingeladen werden. Nach
Schluß der Verhandlungen (2^2 Uhr) findet ein gemeinsames
Mittagsmahl statt.
Göttingen, im Juni 1908.
Der Präsident: Dr. Esser.
Gebührenordnung der Tierhygienischen Abteilung des Kaiser Wilhelms-
Instituts für Landwirtschaft zu Bromberg.
I. A. II. e. 52
Genehmigt durch Ministerialerlaß vom 15. 1.08. ——f a III 90
1. Wasseruntersuchung ..6,00 M.
2. Futteruntersuchung
a) zum Nachweis von Mikroorganismen.6,00 „
b) „ „ ,, Giftstoffen.6,00 „
3. Untersuchung von Milch- und Sekretproben .... 3,00 „
4. „ von Magen-Darminhalt.6,00 „
5. Blutuntersucbung (einschl. Milzbrand).3,00 „
G. Untersuchung einzelner Organteile von Tieren jeglicher
Art.2,00 ’ „
7 Sektion ganzer Tierkadaver
a) Pferde, Rinder, Esel.10,00 „
b) Kälber, Schafe, Ziegen, Schweine, Hunde, Wild,
Katzen.3,00 „
c) Kaninchen, Hasen, Geflügel, Fische etc. etc. . . 2,00 „
8. Die sezierten Kadaver einschl. der Haut verbleiben Eigentum der
tierhygienigehen Abteilung.
9. Einsendungen, die für die wissenschaftlichen Arbeiten der tier¬
hygienischen Abteilung von Interesse sind, werden kostenlos
behandelt, die Entscheidung hierüber wird dem Ermessen des
Vorstehers anheimgestellt.
Der Vorsteher der Abteilung für Tierhygiene.
Die Gebühren von... .M. sind nach Empfang des Attestes sofort
portofrei einschließlich des Bestellgeldes an die Kasse des
Kaiser Wilhelms-Instituts zu Bromberg unter Angabe der Journal-
und Untersuchungsnummer einzusenden.
Pharmazeutisches Institut Gans.
Das Pharmazeutische Institut Ludwig Wilhelm Gans teilt mit,
daß es sowohl für Schweineseuche als auch für septische Pneumonie
(ansteckende Lungenbrustfellentzündung) je drei verschiedene Impf¬
stoffe herstellt und zwar je ein Serum, einen keimfreien
Bazillen-Extrakt und eine Heil-Lymphe.
Von diesen Stoffen sind Serum und Extrakt ausschließlich für
die Schutzimpfung der noch gesunden, jungen Tiere bestimmt, indem
das Serum eine kurze passive Immunität erzeugt, der Bazillen-
Extrakt dagegen unter dem Schutze der ersteren langdauernde
aktive Immunität und zwar in ganz ungefährlicher Weise, da der
Impfstoff keine lebenden Bazillen enthält.
Die Heil-Lymphen sind nur bei bereits erkrankten Tieren als
Heilmittel anzuwenden.
Interessenten erhalten auf Wunsch einen ausführlichen ge¬
druckten Wegweiser für die Anwendung unserer Präparate zwecks
Bekämpfung der Schweineseuche und Wegweiser für die Anwendung
unserer Präparate zwecks Bekämpfung der septischen Pneumonie
der Kälber, Lämmer und Fohlen kostenfrei und franko zu Diensten.
Maul- und Klauenseuche.
Die Maul- und Klauenseuche ist auf dem Schlachtviehhof
zu Nürnberg erloschen, in Weizmannsdorf, Amtshauptraannschaft
Freiberg i. S., neu ausgebrochen.
Tierhaltung und Tierzucht.
Jahrbach der Deatschen Landwirtschafts-Gesellschaft«
Herausgegeben vom Vorstande. Band 22. 1907.
Entgegen der bisherigen Gepflogenheit wird das Jahrbuch
der D. L.-G. seit 1907 nicht mehr in einem Band am Jahres¬
schluß herausgegeben, sondern erscheint in vier Lieferungen
und zwar im April, August, September und Dezember. Sämtliche
Hefte werden den Mitgliedern sofort nach dem Erscheinen
kostenlos zugesandt. Es kann nicht geleugnet werden, daß in
dieser Erscheinungsweise gegenüber früher ein gewisser Fort*
schritt zu erblicken ist. Die Mitglieder werden dadurch früher
über die wichtigsten Begebenheiten unterrichtet.
Im übrigen weist die Jahreschronik die alte bewährte Ein¬
teilung auf. Der der Dezemberlieferung beigefügten Darstellung
der Entwicklung der Gesellschaft in der Zeit vom 1. Oktober 1906
bis dahin 1907 entnehmen wir, daß die Mitgliederzahl am
1. Oktober v. J. sich auf 16 459 belief; die Zunahme betrug
262. Das Vermögen hatte am 31. Dezember 1906 die Höhe
von 2 489 129,95 M. (Zunahme 229 757,52 M.) erreicht.
Die mit dem Titelbildnis von Max Eyth, des genialen
Begründers der Gesellschaft, geschmückte erste Lieferung
enthält neben der tief empfundenen Gedächtnisrede auf diese
bedeutende Persönlichkeit von Ministerialdirektor Dr. Tliiel-
Berlin den ausführlichen Bericht über die Winterversamralung
1907 in Berlin, die sog. große Woche. In der Sitzung des
Gesamtaussebusses sprach Prof. Dr. Gerlach-Bromberg über
das neuerrichtete Kaiser Wilhelm-Institut daselbst, dessen Ein¬
richtungen und über die von demselben geplanten Acker¬
bewässerungsversuche. Der Vortrag ist mit mehreren Illu¬
strationen u. a, auch der Abteilung für .Tierhygiene versehen«
ln der Ackerbau-Abteilung berichtete Herr Dr. Raebiger,
Leiter des Bakteriologischen Instituts der Landwirtschaftskammer
für die Provinz Sachsen, über Maßnahmen zur Bekämpfung der
Ratten-, Mäuse- und Schneckenplage. Gegen die erstere empfahl
er das Ratin, das auch bei dem staatlichen Rattenbekämpfungs¬
verfahren in Dänemark als das zurzeit brauchbarste Vertilgungs¬
mittel bezeichnet wird. Gegen die Mäuseplage haben sich
bekanntlich die Kulturen des Löfflerschen Mäusetyphusbazillus
am besten bewährt. Die Schnecken werden in neuerer Zeit
durch das Kalkbestäubungsverfahren bekämpft.
Herr Tierzuchtinspektor Hink-Freiburg hielt in der uns am
meisten interessierenden Tierzucht-Abteilung einen sehr instruk¬
tiven Vortrag über das zeitgemäße Thema: „die Vererbung, ihr
Wesen und ihre züchterische Bedeutung.“ Es wird hier auf
Grund der neueren wissenschaftlichen Forschungen versucht,
die so komplizierte aber bedeutungsvolle Materie in ein wissen¬
schaftliches Gewand zu kleiden.
Die Grundbedingungen alles organischen Geschehens sind
bekanntlich die Veränderlichkeit oder Variabilität, die Verer¬
bung und die Anpassung. Nach Klarlegung dieser Fundamente
unserer Tier- und Pflanzenzucht weist Redner auf den Zellkern
als den Träger der Vererbungssubstanz (Idioplasma nachNägeli)
hin und schildert hierauf die Vorgänge der Zellvermehrung
(sog. Mitose) und bei der Befruchtung (Amphimixis).
Hier setzt nun die geistreiche Determinantenlehre Weiß-
manns ein. Danach sind so viele Vererbungsstücke oder Be¬
stimmungsteilchen (Determinanten) im Keimplasma enthalten,
als es erblich veränderliche Teile am Tier- und Pflanzenkörper
gibt. Gewisse Abzeichen an Pferden, z. B. Blässe, weiße Fessel
9. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
509
U8W. sind nach dieser Theorie darauf zurückzuführen, daß eben
im Keimplasma Teilchen vorhanden sind, die dies Abzeichen
(Blässe, weiße Fessel u. dgl.) hervorrufen.
Wenn wir nun näher auf die Vererbung eingehen, so handelt
es sich bei der natürlichen und künstlichen Zuchtwahl um drei
verschiedene Vorgänge: um die Personal-, Histonal- und Ger¬
minalselektion. Die erstere bewirkt zunächst eine Ausmerzung
unpassender Personen oder Individuen. Die zweite ist eine
nicht vererbbare Beeinflussung der lebenden Gewebe, während
der Entwicklung des Einzeltieres selbst. Es findet je nach dem
Wechsel der zur Entwicklung und Leistung erforderlichen Be¬
dingungen (Klima, Boden, Nahrung usw.) eine Art Gewebs-
auslese (Histonalselektion, „auch Kampf der Teile“ nach Roux
benannt) statt. So ist z. B. bei unserer Haustierzucht je nach
den Fütterungsverhältnissen zu beobachten, daß der Aufoau des
Knochengerüstes und die Leistungsfähigkeit der Muskulatur, der
Nerven und der Drüsen (Verdauungsdrüsen usw.) geändert wird.
Nach der Germinalselektion Weißmanns endlich geht auch
in der Keimsubstanz ähnlich wie in den Geweben des Somas
eine Art Selektion vor sich. Die Bestimmungsanlagen sind
nicht von gleicher Konstitution, auch wenn es sich um homologe
Anlagen handelt. Die Keimsubstanz selbst wird, wie alle
lebenden Zellen, ernährt; die die erstere durchfließenden Nah-
rnngsströme sind von verschiedener Stärke und rufen je nach
der Konstitution der Determinanten verschiedene Veränderungen
hervor, die auf stärkerer und schwächerer Assimilationsfähigkeit
beruhen. In diesen aus den genannten physiologischen Gründen
entstehenden Abänderungen der Elemente der Keimsubstanz
sind nach Weißmann die Wurzeln aller vererbbaren Keimes¬
variationen, aller-Veränderlichkeiten der Lebewesen zu suchen.
Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen kommt Hink
noch auf die verschiedenen Arten der Vererbung zu sprechen,
die Mosaikvererbung, die intermediäre Vererbung, den so¬
genannten Mendelismus usw. Es würde den Rahmen des Re¬
ferats übersteigen, wenn ich auf dieses interessante Thema noch
näher eingehen wollte. Ich kann es mir um so mehr ersparen,
als Hink selbst die Weismannschen Forschungsergebnisse in
einer sehr lesenswerten Schrift: „Befruchtung und Vererbung.
Natürliche und künstliche Zuchtwahl in ihrer Bedeutung für die
heutige Tierzucht“, dargestellt hat.
An den mit großem Beifall aufgenommenen Hink sehen
Vortrag schloß sich in der gleichen Sitzung derselben Abteilung
eine lebhafte Beratung über die von den Herren Geh. Ober¬
regierungsrat Dr. Lydtin-Baden uud Domänenrat Bröder¬
mann-Knegendorf aufgestellten Leitsätze: „Was ist in züchte¬
rischen Kreisen unter Reinzucht zu verstehen?“ Diese Sätze
lauteten:
Als „reingezüchtet“ erkennt die Deutsche Landwirtschafts¬
gesellschaft an, Tiere, die selbst oder deren Eltern in einem
unter öffentlicher Kontrolle stehenden Zuchtregister (Stutbuch,
Stammbuch, Herdbuch) eines Züchters oder einer Züchter¬
vereinigung eingetragen sind, welche ein bestimmtes Zuchtziel
unter Verwendung von Zuchttieren beider Geschlechter der näm¬
lichen Rasse verfolgen oder die zweiten in der vierten Ge¬
schlechtsreihe von reingezüchteten Vater- und Muttertieren der
nämlichen Rasse abstammen, wenn auch die Mutter der ältesten
Geschlechtsreihe den Nachweis als „reingezüchtet“ nicht besitzt,
aber nach ihrer äußeren Erscheinung zu der nämlichen Rasse
wie das mit ihr gepaarte Vatertier gehörte oder die dritte in
der achten Geschlechtsreihe von reingezüchteten Vatertieren der
nämlichen Rasse abstammen, wenn auch die Mutter der ältesten
Geschlechtsreihe einer anderen Rasse wie der der benutzten
Vatertiere entstammte.
Im Anschluß daran führten die Referenten die einzelnen
von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft anzuerkennenden
Pferde-, Rinder-,* Schafe-, Schweine- und Ziegenrassen nament¬
lich an.
Nach einer lebhaften Debatte wurde jedoch die vorliegende
Frage unter anerkennendem Dank an .die beiden Berichterstatter
in Anbetracht der außerordentlichen Wichtigkeit für die Ent¬
wicklung der deutschen Tierzucht an die Sonderausschüsse zur
weiteren Beratung und Berichterstattung verwiesen.
In der Betriebsabteilung hielt der Direktor der Berliner
Rieselgüter, Schroeder, einen Vortrag über die Frage: „Bei
welcher Spannung der Preise zwischen Mager- und Fettvieh ist
die Mast noch einträglich?“ Herr Domäuenrat Brödermann
sprach über „Rindvieh- und Schweinemast“. Bei der Fülle von
Zahlen muß auf die Originale verwiesen werden.
Die Sitzungen der anderen Abteilungen bieten für die Leser
der Wochenschrift kein weiteres Interesse.
Die zweite und dritte Lieferung des Jahrbuchs beschäftigen
sich ausschließlich mit der im Jahre 1907 in Düsseldorf statt¬
gehabten 22. Wanderversammlung bzw. 21. Wanderausstellung
der Gesellschaft. Das dritte Heft enthält außerdem acht gute
photographische Aufnahmen von auf der Ausstellung prämiierten
schweren Pferden (Hengsten nnd Stuten).
Die Ausstellung selbst war beschickt mit: 514 Pferden,
88fi Rindern, 270 Schafen, t>34 Schweinen, 223 Ziegen, 1428 Stück
Geflügel, 192 Kaninchen und 72 Fischeinheiten, ferner mit land¬
wirtschaftlichen Erzeugnissen, Hilfsmitteln, wissenschaftlichen
Darstellungen usw. An Geldpreisen gelangten 107 110 M. und
242 andere Preise zur Verteilung. Bemerkt sei, daß in Düssel¬
dorf zum ersten Male ein Preisbewerb in frischer Milch vor
sich ging.
Bezüglich der dort zur Sprache gebrachten Tätigkeit der
einzelnen uns interessierenden Sonderausschüsse sei erwähnt,
daß der Sonderausschuß für Rinderzucht besonders eingehend
die Rassenbeschreibungen und die Richterarbeit in Angriff ge¬
nommen hat und daß eine Neubearbeitung der Anleitung für
das Richten der Rinder vorgesehen ist. Diejenigen für Schaf¬
zucht nahmen die Anregungen auf, Stammzuchten anzuerkennen,
d. li. dieselben zu besichtigen, um über den Zuchtbetrieb Fest¬
stellungen machen zu können. Der Sonderausschuß für Geflügel¬
zucht brachte die AussteUung ganzer Geflügelhöfe zur Durch¬
führung, derjenige für Tierabbildungen beschäftigte sich u. a.
mit dem Studium von Projektionsbildern und der zur Be¬
kämpfung der Tierkrankheiten billigte die Einsetzung einer Be¬
rufungsinstanz gegen die Entscheidung des leitenden Tierarztes
der Ausstellung.
Da im übrigen über die Düsseldorfer AussteUung in der
B. T. W. bereits referiert wurde, so ist ein näheres Eingehen
an dieser Stelle überflüssig. Es sei nur noch erwähnt, daß die
diesjährige WanderaussteUung bekanntlich in Stuttgart, die für
1909 in Leipzig und endlich diejenige für 1910 in Hamburg
stattfinden.
Die vierte Lieferung endlich enthält neben dem Inhalts¬
verzeichnis des ganzen Jahrbuchs zunächst die Darstellung der
Berliner Oktobertagung 1907, der sogenannten kleinen Woche,
510
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No.* 28.
Sitzungen der Tierzuchtabteilung wurden bei derselben nicht
abgehalten; ihre Sonderausschüsse behandelten dagegen haupt¬
sächlich Fragen der Schauordnung der Düsseldorfer und Stutt¬
garter Ausstellungen. In den Sonderausschüssen für Schaf- und
Schweinezucht wurde ferner die Anerkennung von Stammzuchten
durchberaten und angenommen.
Endlich führt das Schlußheft noch die Berichte über Unter¬
nehmungen der Gesellschaft, die Grundregel für die Deutsche
Landwirtschaftsgesellschaft Anerkennung von Schaf- und
Schweinezuchten (siehe oben) und die Leitung der Gesellschaft
vom 1. Oktober 1907/08 namentlich an.
Bei dem gewaltigen Aufschwung der Tierzucht einerseits
und der stetig anwachsenden Bedeutung der Deutschen Land¬
wirtschaftsgesellschaft, andererseits kann den Kollegen immer
und immer wieder nur der Beitritt zu derselben ans Herz ge¬
legt werden. Über ihre umfassende Tätigkeit gibt uns gerade
das Jahrbuch jeweils die beste Auskunft.
Bezirkstierarzt Maier-Konstanz.
Bücheranzeigen und Kritiken.
„Die wichtigsten Fragen der Tierzucht und Tierhaltung in der
Gegenwart“. Von Felix Hösch, König!. Okonomierat. M. n. H. Schaper,
Hannover. Preis 1,50 M.
Die jeweiligen Leistungen, Mängel, Aufgaben und Ziele eines
Erwerbszweiges von so weitgehender volkswirtschaftlicher Bedeutung
wie der deutschen Tierzucht und -Haltung vermögen eine sachgemäße
Beurteilung und den Interessen der Gesamtheit angepaüte Vor¬
bescheidung nicht allein an der Hand spezialtechnischer Erwägungen
zu erfahren, sondern nur unter gleichzeitiger genügender Be¬
rücksichtigung der allgemeinen wirtschaftlichen und wirtschafts¬
politischen Verhältnisse des Reiches. Von diesem Grundgedanken
geleitet, fordert Hösch, daß die deutsche Tierzucht und -Haltung
durch entsprechende Gestaltung der inländischen Futterquellen den
immer steigenden Bedarf an ausländischen Kraftfutterraitteln nach
Tunlichkeit beschränke.
Klar zeichnet der Verfasser den Weg zu reicher Erschließung
einheimischer Futterquellen und zur Erzüchtnng gesunder, widerstands¬
fähiger Viehbestände, welchen die Fähigkeit höchster Ausnutzung dieser
einheimischen Futtermittel innewohnt — und damit zur benötigten
Selbständigkeit der deutschen Tierzucht.
Die klaren Ausführungen des 45 Seiten haltenden Schriftchens
geben ein auf reiches Wissen und praktische Erfahrungen gegründetes
Programm gesunder Heimatpolitik des bedeutsamsten deutschen Wirt¬
schaftszweiges, das nach der allgemein wirtschaftlichen wie nach der
rein fachtechnischen Seite nicht zum wenigsten auch für den deutschen
Tierarzt hervorragendes Interesse bietet. Dr. Kronacher.
Spezielle Operationslehre des Pferdes. Für Tierärzte und Studierende.
Von Prof. Dr. John Vennerholm, Direktor der Tierärztlichen Hochschule
in Stockholm. Mit 4 farbigen Tafeln und 168 Abbildungen im Text,
712 S. Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke 1907.
Unter den früher erschienenen speziellen Operationslehren befindet
sich keine, in welcher der Tierarzt die Operationen so genau studieren
kann, daß er sie, ohne sie selbst gesehen zu haben, ausfUhren kann.
Auf diesen Umstand macht der Verfasser in der Vorrede aufmerksam.
In der Tat besitzt das vorliegende Werk diesen Mangel nicht, denn die
einzelnen Operationen, die am Pferde vorgenommen werden, sind so
klar und anschaulich beschrieben, daß man über keinen Punkt im Gange
jeder Operation im Zweifel sein kann. Das Werk gewinnt aber auch
dadurch sehr an Wert, daß die typographisch anatomischen Verhältnisse
eingehend berücksichtigt werden, so daß der Ratsuchende nicht erst
die anatomischen Lehrbücher zu studieren braucht. Wo erforderlich,
sind auch die zur Ausführung der Operation nötigen besonderen In¬
strumente abgebildet.
Der Inhalt ist in 4 Abteilungen gegliedert: Operationen am Kopf,
Operationen an der Übergangsgegend zwischen Kopf und Hals und am
Hals, Operationen am Übergang zwischen Hals und Rumpf, sowie am
Rumpf und Operationen an den Extrimitäten.
Der Verfasser hat es verstanden, den Stoff unter Berücksichtigung
der Literatur und unter Einflechtung von interessanten Einzelfällen
recht anregend und lehrreich zu gestalten. Wenn für eine Operation
mehrere Methoden bestehen, so beschreibt Verfasser die Methode am
eingehendsten, welche nach seiner reichen Erfahrung die beste ist.
Das Werk ist buchhändlerisch sehr gut ausgestattet. Der Preis
beträgt 16 M (ungebunden). Die Anschaffung dieses gediegenen Buches
sei hiermit bestens empfohlen. Röder.
Der Einfluß unserer therapeutischen Maßnahmen auf die Entzündung.
Von Dr. Jean Schäffer, Privatdozent für Dermatologie an der
Universität zu Breslau. Mit 11 zum Teil farbigen Tafeln, 237 Seiten.
Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke, 1907. Preis 8 Mark.
Über die Wirkungsweise der physikalischen Behandlungsmethoden
herrschen bekanntlich die verschiedensten Ansichten und an exakten
Untersuchungen hat es bisher so gut wie ganz gefehlt. Die mangel¬
hafte Vorstellung von der Wirkungsweise der erwähnten Methoden
trägt zweifellos viel Schuld an der unsicheren Indikationsstellung für
ihre therapeutische Verwendung. Wenn die bisherigen diesbezüglichen
wissenschaftlichen Untersuchungen keine rechten Erfolge zeitigten, so
lag dies wohl daran, daß die betreffenden Forscher keine bestimmt
dosierten, wohl graduierten Entzündungsreize zur Verfügung hatten.
Der Verfasser hat bei seinen Versuchstieren diese Schwierigkeit dadnreh
überwunden, daß er sterile, aber mit chemisch differenten Stoffen oder
Bakterieuaufschwemmungen imprägnierte Katgut- resp. Seidenfäden an
symmetrischen Stellen in genau gleicher Weise nach einem bestimmten
Verfahren durch die Haut und das subkutane Gewebe zog Die eine
Seite wurde nun der betreffenden Behandlung unterzogen, während die
andere Seite als Kontrollseite diente. Nach gewissen Zeiten wurden
dann die betreffenden Stellen bis auf die Faszie herausgeschnitten und
mikroskopisch untersucht. Die Versuche, die der Verfasser vornahm
und die Resultate, die er erzielte, sind nun in dem vorliegenden Werke,
aus dem ein Bienenfleiß spricht, zusammengestellt. Der Inhalt der
sechs Abschnitte ist folgender: 1. Einfluß der Wärmebehandlung auf
die Entzündung; 2. die Einwirkung der Eisbehandlung auf den Ent¬
zündungsvorgang; 3. der Einfluß feuchter Verbände und Prießnitzscher
Umschläge auf den EntzündungsVorgang; 4. Einfluß der Spiritus¬
verbände auf die Entzündung; 5. Wirkung der Jodtinktur und der
sogenannten derivierenden Mittel; 6. Einfluß der Stauungsbehandlung
auf Entzündungsprozesse. *
Das Werk verdient die vollste Aufmerksamkeit der Tierärzte. Es
sei daher bestens empfohlen. Röder.
Neue Eingänge. (Besprechung Vorbehalten.)
Handbuch der Tierärztlichen Chirurgie und Geburtshilfe. Heraus¬
gegeben von Prof. Dr. Jos. Bayer und Prof. Dr. Eug. Fröhner. 27. Lfg.:
Extremitäten, Hufe, Klauen. II. Teil 3. Lfg.: Prof. Dr. Eberlein,
Die Hufkrankheiten des Pferdes. (Mit Ausnahme der Krankheiten
der Homkapsel.) [Bogen 26—35 ] Mit 58 Abbildungen. Wilhelm
Braumüller, Wien 1907. Preis 4 M.
Dasselbe 28. Lfg.: M. 6. de Bruin, Geburtshilfe bei den
kleineren Haustieren. Mit 36 Abbildungen. Ebenda 1908. Preis 4M.
Dasselbe III. Bd., II. Teil: Kopf, Hals, Brust, Bauch. II. Teil:
Korpsstabsveterinär Bartke, Sattel- und Geschirrdrücke, Wider¬
ristfisteln. — Prof. W. Gutmann, Chirurgische Krankheiten des
Magens und DarmeB. — Prof. Hendrick, Männliche Geschlechts-
nnd Harnorgane inkl. Kastration. — Prof. Dr. Gmelin, Die
Krankheiten des Nabels. 2. Aufl. Mit 78 Abbildungen. Ebenda 1908.
Preis 12,60 M. - ~
Dasselbe IV. Band, I. Teil: Extremitäten, Hufe, Klauen.
Prof. Dr. Zschokke, Die Krankheiten der Knochen. — Korpsstabs¬
veterinär Hell, Krankheiten der Muskeln, Faszien, Nerven und
Gefäße an den Extremitäten. — Prof. Dr. Siedamgrotzky, Krank¬
heiten der Sehnen, Sehnenscheiden und Schleimbeutel. Neu
bearbeitet von Prof. Dr. Lungwitz. — Korpsstabsveterinär Bartke, Kriegs¬
chirurgie und Statistik. — Prof. Dr. N. Lanzilotti-Buonsanti, Krank¬
heiten der Gelenke inkl. Spat und Schale. 2. verbesserte und
vermehrte Auflage. Mit 162 Abbildungen. Ebenda 1908. Preis 18 M.
Dasselbe VI. Band: Prof. Dr. Hugo Schindeika, Hautkrankheiten
bei Haustieren. Mit 95 Abbild, und 8 Chromotafeln. 2. neubearb.
Aufl. Ebenda 1908. Preis 22,60 M.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Veterinärrat, Kreis¬
tierarzt Liebener -Delitzsch und dem Korpsstabsveterinär Ernst Buß
beim Generalkommando des XI. Armeekorps der Rote Adler¬
orden IV. Klasse.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Professor Dr.
Wilhelm Zwick an der Tierärztlichen Hochschule Stuttgart zum
Regierungsrat und Vorstand der Abteilung für experimentelle Tier¬
seuchenforschung im Reichsgesundheitsamt. —Veterinärbeamte:
Tierarzt und Schlachthofdirektor Dr. Karl IPienrfiedr-Barth i. Poram.
wurde mit den kreistierärztlichen Geschäften in Lingen betraut;
Oberveterinär a. D. Uhlich zum Bezirkstierarzt für den Stadt- und
Landratamtsbezirk Ohrdruf; Philipp .Brawn-Blieskastel (Rheinpfalz)
zum Distriktstierarzt daselbst. — Schlachthofverwaltung:
Schlachthofticrarzt Ferdinand ßaf/er-Saargemünd zum Schlachthof¬
vorsteher daselbst, Schlachthoftierarzt Joseph SZraw/l-Flensburg zum
städtischen Bezirkstierarzt in Freising (Bay., Oberbay.) — Ruhe¬
standsversetzung: Veterinärrat Bolle, Kreistierarzt in Ebers¬
walde, ist in den Ruhestand getreten.
Verzogen: Kreistierarzt Traeger von Belgard a. Persante nach
Berlin NW., Tielo Wardcnbergstr. 3—4 I, die Tierärzte Georg Ludwig
als Assistent nach Minden (Westf.), Heinrich Ritteimann von Stra߬
burg nach Karlsruhe (Baden), Distriktstierarzt Ludw, Wirx von
9. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
511
Neukirchen bei Heil. Blut als Einjährig-Freiwilliger im 7. Feldart.-
Regt. nach München.
Examina: Das Examen als Tierzuchtinspektor hat be¬
standen: Tierarzt Heinrich Probst aus München. — Promoviert:
Die Tierärzte Oskar Kögel aus Völksen und Andreas Mächens aus
Gr.-Algermissen zum Dr. med. vet. in Gießen, Wilhelm Baumeier-
Halle a. S. zum Dr. med. vet. in Bern. — Approbiert: Die Herren
Alfred Bierwald aus Rawitsch, Gottfried Caemmerer aus Berlin,
Willibald Domis aus Cöln a. Rh., Arthur Hollatz aus Klein-Tarpen,
Ernst Jahn aus Ulm (Württ.), Emst Kürschner aus Torgau, Robert
Langkau aus Patricken in Berlin; Wilhelm Janssen aus Elberfeld in
Hannover.
In der Armee: In Preußen: Versetzt: Die Oberveterinäre
Pätx y Assistent bei der Militär-Lehrschmicde in Königsberg i. Pr.,
zum Train-Bat. Nr. 6, Dr. Goßmann im Train-Bat. Nr. 6 zum
1. Leib-Hus.-Regt. Nr. 1, Tiegs im 1. Leib-Hus.-Regt. Nr. 1 als
Assistent zur Militär-Lehrschmiede in Königsberg i. Pr., Altmann
im Ulan.-Regt. Nr. 14 zum Hus.-Regt. Nr. 12, Unterveterinär Schulz
im Feldart-Regt. 35 von Graudenz nach Dt.-Eylau.
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1908: Oberstabsveterinär Hönscher
im Feldart.-Regt. Nr. 21 als technischer Vorstand zur Militär-Lehr-
schmiede in Hannover, Oberveterinär Kopeke im Drag.-Regt. Nr. 9
zur Wahrnehmung der Stabsveterinärgeschäfte zum Feldart-Regt.
Nr. 21, Stabsveterinär Ludwig im Drag.-Regt. Nr. 22 und Unterveterinär
Ammelounx im Feldart.-Regt. Nr. 20 zum Jäger-Regt. zu Pferde Nr. 5.
Kommandiert: Oberveterinär Laabs im 1. Garde-Drag.-Regt.
als wiss. Assistent zum Hygien. Inst, der Tierärztl. Hochschule in
Berlin, Einj.-Freiw. Unterveterinär Zimmermann im 2. Garde-Drag.-
Regt zum Ulan.-Regt. Nr. 14, Oberstabsveterinär Wilde im Regt.
Königs-Jäger zu Pferde Nr. 1 zur Vertretung des abkommandierten
Inspizienten zur Militär-Veterinär-Akademie — dieses mit Wirkung
vom 1. Oktober 1908; das Kommando ist einer Versetzung gleich
zu erachten.
Sachsen: Befördert: Militärstudierender Grunert beim
Feldart-Regt. Nr. 12 zum Unterveterinär.
Kommandiert: Oberveterinär Jurk im Garde-Reiter-Regt zum
Feldart.-Regt. Nr. 32; die Kommandierung ist einer Versetzung
gleich zu achten.
Im Beurlaubtenstande: Preußen: Den Stabsveterinären a.D.
Giesecle (Bez.-Kdo. III Berlin), Kattner und Bohner (Bez.-Kdo. Cosel)
der Charakter „Oberstabsveterinär“ mit dem persönlichen Rang der
Räte 5. Klasse. —- Befördert: Die Unterveterinäre der Reserve
Scfuifclc und Zierer (Bez.-Kdo. Karlsruhe), Klentz (Bez.-Kdo. Rheydt),
Martin (Bez.-Kdo. Colmar), Idngenberg (Bez.-Kdo. Siegen), Schmook
(Bez.-Kdo. Lübeck-Garde), Haan (Bez.-Kdo. III Berlin-Garde) zum
Oberveterinär des Beurlaubtenstandes.
Bayern: Abgang: Dem Oberveterinär Dr. Kurt Wolffhiigel ,
von der Landw. I. Anfgeb. (Hof) ist der Abschied bewilligt
In der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika:
Oberveterinär Christian aus der Schutztruppe ausgeschieden und
im Drag.-Regt. Nr. 20 wiederangestellt.
Vakanzen. (v g i. Nr. 27.)
Schimchfhofstelle : Frankfurt a. M. : Tierarzt alsbald. Gehalt
2500 M. Bewerbungen bis 15. Juli an die Schlacht- und Viehhof¬
verwaltung.
Verzeichnis der Tierärzte ohne Wohnortsangabe
(nach Approbationsjahrgängen geordnet.)
Die in folgender Liste verzeichneten Herren werden gebeten, ihre Adresse anzugeben. Die Angehörigen der jüngsten Jahrgänge, welche
noch keine längerdanernde Niederlassung haben, werden am besten ihre Heimatsadresse nennen. Unter den aus älteren Jahrgängen angeführten
Namen werden sich manche befiuden, deren Träger dem Stande nicht mehr angehören. Auskunft darüber seitens Unterrichteter wäre sehr erwünscht.
1883.
Braun, A. G.
| 1899. t Büdel, Otto.
I Bertram,Wilhelm,O.-V.a.D. I Burghardt, Dr. Karl, aus
Hundsberger, Heinrich. t Frankfurt a. O.
Kant, Hermann, O.-V. a. D.
1885.
Ronneberger, Paul.
Strohn, J. A. W.
1887.
Hennig, Otto.
Schmid, Ludwig, K. Bez.-T.
a. D.
Wahl, Josef.
1888
Nothnagel, \V., St.-V.
1889.
Bader, Jos.
Link, Gustav.
1892.
Braun, Max, O.-V. a. D.
Dapper, A. II.
1894.
Koch, P.
Paetz, Wilhelm.
Plath, Heinr., O.-V. a. D.
1895.
Boese, Herrn.
Isermann, Franz.
Speer, Alfred.
1896.
Däinghaus, H., O.-V. a. D.
Gutfeld, A.
Hering.
Schmidt, Rud.
Schneider, G.
Trautmann, Oskar.
1897.
Demien, Magnus, O.-V. a. D.
Holzapfel, Ernst.
Keller, Joseph.
Kröhn, J.
Schönster, Otto.
Wiese, A.
Wulf, Theod. Mor.
1898.
Bock, August.
Bruns, Fr.
Voitmann.
Melchers, Dr. Friedrich.
Rüther, Dr. Rudolf, O.-V. a. D.
1900.
Brenneisen, Carl.
Burchardt, Hermann.
Gierer, Fritz.
Holtz, Wald.
Laps, Ang.
Meyer, Heinrich.
Schmerg, Fr.
Szaley, Jos.
Türnao, Fritz.
Wilke, Herrn.
1901.
Baumgart, Dr. phil., Martin.
Dieckmann, Dr., Paul, O.-V.
a. D.
Engelmann, Otto.
Guthke, Dr. Ernst.
Hansen, Jens.
Ochmann, Robert.
Pantke, C.
1902.
Brunner, Aug.
Goldauer, Jul.
Hempel, Hans.
Hennig, Hans, O.-V. a. D.
Hoffman, Ludwig.
Mack, Otto.
Marko witsch, Dragomir.
Meyer, Heinrich.
Müller, Dr. Kunibert.
Müller, Nikolaus.
Ochler, Adolf.
Osterburg, Bruno.
Peters, Dr. Karl.
Schüller, Rudolf.
Weiß, Gustav.
Westmeier, Frdr.
1903.
Beier, Josef,
i Braninger.
Haag, A.
Jacobs, Berthold.
Leonhard, Konrad.
Liepe, Paul, aus Tremmen
bei Nauen.
Regler, Wold.
Rißling, Dr. phil., Paul.
Schmidt, H. W.
Schmiedt, Ottmar.
Schneider, Paul.
Schulz, Karl Friedr. Theodor.
Siebert, Hans.
Sommer, Max
Stolz, Dr. Wilhelm.
1904.
Albrecht, Karl.
Baum, August.
Baumgarten, Emil.
Bertram, Friedrich.
Busch, Adolf.
Fries, F.
Hambach, Johann.
Heintzel, Lothar.
Jüling, Rudolf.
Klemme, Oskar.
Kobe, Paul, O.-V. (bisher
in der Schutztruppe).
Langmann, Gustav.
Lindholm, Johann.
Mesem, Friedrich.
Nehls, Dr., Paul.
Peters, Rieke.
Prö8chmann, Gerhard.
Regler, Josef.
| Richter, Hans.
| Schacht, Claus.
! Schellhase, Dr. med. vet.,
j Willy, aus Grabow.
I Seidemann, Bernhard.
; Senft, Dr., Max.
1 Söderlund, Hans.
1 Ullrich, Bruno.
, Wiemann, Joseph.
| Wolff, Julius,
i Zikic, Andreas.
1 1905.
Alefeld, Julius.
Angenete, Wilhelm.
Brasch, Erich.
Braun, M., aus Rittersbach.
Brauner, Alexander.
; Bühl, Heinrich.
Ditthorn, Christian.
Friemann, Ferdinand.
Garke, Kurt.
Goldberg, Norbert.
Gorski, Franz.
Gust, Franz, O.-V. (bisher
in der Schutztruppe).
Uattesohl, Ernst.
Huith, Otto.
Jaeger, Otto.
Janzen, Dr. Rudolf.
! Kaempfe, Arno.
I Kaeser, Alfred
Kahle, Fritz.
Koch, Friedrich.
Lottermoser, Ernst, aus
Tilsit.
Minor, W.
Neumark, Dr. med. vet.,
Eugen.
Petterson, B.
Pitzschk, Kurt.
Rösner, R.
Rothenstein, Kurt.
Schache, Karl, Friedrich,
Julius.
Schwarte, Hermann.
Seitz, Dr. med. vet. Karl,
aus Lanbach i. Hessen.
Speierer, Jakob, O.-V.
(bisher i. d. Schutztruppe).
Stern, Paul.
Volkmann, Friedrich.
Walz, Rudolf.
Wiegert, Wilhelm,
j Zettl, August
; Zschiesche, Alfred.
1906.
Alexander, Erich, aus Wan-
gcrin.
Aüinann, Walther.
Bähl, Gustav.
Bauer, Johann, aus Lauband.
Beiz, Erich.
Berg, Adolf.
Biederstedt, Max, aus Wild¬
berg.
Brauer, Wilhelm, aus Alsum.
Brinkmann, Friedrich.
Davis, Ulrich, aus Briesen.
Dun, Ilelmar.
v. Durski, Dr. Stanislaus,
aus Gnesen.
Eckeberg, Ferdinand, 190G.
Fichtner, Paul.
Fürther, Hubert, aus Reit
i. W.
Gruenberg, Egon, aus Thorn.
Helm, Dr. med. vet. Richard.
Hetzel, Erich, aus Conne¬
witz.
Hock, Franz.
Janz, Paul.
KaBke, Paul.
Kayser, Fritz.
Klee, Dr. Herrn.
Kohl, Ludwig, aus Finthen
b. Mainz.
Kortmann, Christian.
Kupilas, Johann.
Kwiatkowski, Friedrich.
Längrich, Fritz.
Lambertz, Nicolaus.
Lang, Friedr., aus München.
Lenz, Ernst, aus Frankfurt
a. M.
Lindberg, Christian, aus
Altona.
Lindhof, Josef,
Lüdje, Heinr., aus Farmsen.
Marioth, Wilhelm, aus
Arolsen.
Mayer, Oskar, aus München.
512
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2ö.
Meckelburg, Dr. med. vet.,
Rieh., aus Masehnen, Post
Rosengarten in Oßtpr.
Messenzahl, Karl, aus Damm.
Michael, Ernst, aus Wald¬
burg.
Müller, Dr. med. vet., Willi,
aus Elbing.
Oppermann, Alwin, aus
Manch enguth.
Peitzschke, Karl.
Piechotta.
Pifrement, Hans, aus
Brandenburg a. II.
Rehberg, Johannes, aus
Marienwerder.
Reiche, Georg, aus Sommer¬
feld, Bez. Frankfurt a. O.
Ritteimann, Heinr.
Rösch, Joseph, aus Weiden¬
kamm.
Roske, Erich, aus Alt-
Gurkowschbruch.
Saunus, Heinr., ausRokaiten.
Schmidtberger, Jacob.
Seemann, Georg.
Schumann, Karl.
Siebei, Ernst.
Sievert, Walter, aus Groß-
Germersleben.
Sobotta, Stanislaus.
Suckrow, Friedrich, 1000.
Sperling, Franz, aus Alt¬
damm.
SteinhofT, Carl, aus Schwelm.
Theel, Karl.
Thies, Friedrich, aus Bremer¬
vörde.
Thiessen, Johannes.
Thoernert, Kurt.
Trautmann, Oskar.
Ullmann, Wilhelm, aus
Breisach.
Utter, Ernst, aus Helsing-
fors.
Vogel, Otto, aus Lübbenau.
Weinberg, Friedrich.
Wenzel, Otto, ans Stuttgart.
Wessendorf, Bernhard.
Westphal, Rudolf.
Wienholtz, Johann, ans
Borichum.
Wilke, Wilhelm, aus
Himmelsthur.
Wilke, Richard, 1906.
Wirtanen, WaYnö, aus Abo.
1907.
Ackerberg, Adolf, ausKotka
(Finnland).
Antoni, Niklas, aus Weener.
Bauch, Ernst, aus Oderberg
a. O.
Beck, Otto, aus Nördlingen.
Becker, Dr. Paul, aus Fried¬
rich-Wilhelm-Gestüt bei
Neustadt a. Dosse.
Becker, Gustav, aus Görlitz.
Berger, Karl, aus Augsburg.
Berthold, Paul.
Best, Karl, aus Darmstadt.
Boehm, Paul, aus Alt-
Landsberg.
Boesner, Arthur, aus Breslau.
Bolle, Walter, aus Magde¬
burg.
Braunert, Walter, aus Neu¬
stadt in Schics.
Bremer, Konrad, aus Hildes¬
heim.
Drilling, aus Pillichowo
Brömstrnp, Heinrich, aus
Gaste.
Bues, Rudolf, aus Braun¬
schweig.
Casper, Paul, aus Anger¬
münde.
Deckard, Walter.
Degenkolb, Heinrich, aus
Breslau.
Degward, Rudolf, aus
Loewenberg.
Eckhard, Hermann, aus
Annweiler (Pfalz).
Eisele, Otto, ans Weillieim.
Eisenbarth, Robert, aus
Erding.
Engmann, Otto, aus Neu¬
markt (Schl.).
Erhard, Julius, aus Obcr-
w’armensteinach.
Erhardt, Hans, aus Seitental.
Ertl, Georg, aus Deggendorf.
Esclirich, Max, ans Herren-
grund.
Feibel, Bruno, aus Culm.
Felber,Dr.med. vet., Wilhelm,
aus Augsburg.
Feldkirch.
Ferazin, Franz, aus Weiden.
Festl, Hans, aus Unter-
wessen.
Fligg, Johann, aus Clawsdorf.
Fraas, E., aus Zell.
Freese, Carl, aus Korbach.
Friesicke, Paul.
Fritsch, Wilhelm, aus
München.
Gaußelmann, gen. Essing,
aus Laer.
Gebhardt, Adolf, aus Wun-
siedel.
Goerdt, Wilhelm, aus
Solingen.
Goeroldt, Fritz, aus Hamers-
lcben.
Goertz, Ernst, ans Kulm-
Roßgarten.
Götscli, ErieJ), aus Rathenow.
Grebe, Dr. med. vet., Wilhelm
aus Helmseheid.
Greif,.Karl, au« Jforchbeim.
Güldenhaüpt, Aug., ans
Bcrgeamen.
Haase, Anton, aus
Hermannsdorf.
Ilänsel, Gerhard, aus
Herwigsdorf.
Heindel aus Ansbach.
Hellbcrg, Hermann, aus Hof.
Huber, Friedrich, aus
Miinehen.
Hünigen, Ernst, aus
Hermsdorf.
Ilürter, Franz, aus Kochern.
Jacob, Georg, aus Gollnow.
Immel, Max, aus Bialla.
Jnho, Hakkila, aus
Saaksmaki (Finland).
Kegel, Oskar, aus Völkscn.
Kiderle, ans Berchtesgaden.
Kjollerfeldt, Markus, aus
Helsingfors.
Klaiber, Rudolf, ans
Augsburg.
Koch, Franz.
Korsch, Erich, ans
Königsberg.
Krebs.
Krell, Theodor, aus
Würzburg.
Kurt, Ernst Rieh.
Kuschel, Paul.
Lambardt, Dr. med. vet.,
August, Unna-Königsborn.
Lamprecht, Bernhard, aus
Judtchen.
Lanzl, Friedrich, aus
Neukirchen.
Laux, Hermann, aus
Altleiningen.
Lecheier, Joseph, aus
Breitental.
Lcinberger, Friedrich, aus
Georgensgmünd.
Lindemann, Rudolf, aus
Schnaekenburg.
Loeb, Leopold, aus Ungstein.
Lucr8sen, Karl, aus Limmer.
Lüssem, Gustav, aus
Sinzenich.
Lutter, Albrecht, aus Berlin.
Manthey, Ambrosius, aus
Luianno.
Matthias aus
Brandenburg a. II.
Mayser aus Stuttgart
Mey, Bernhard, aus Berlin.
Meyer, Bruno, aus
Königsberg.
Meyer, Paul, aus Barmen.
Mönning, Gustav E.
Moses, Ludwig, aus Briesen.
Müller. F. E. Paul.
Münicli, Dr. med. vet., Julius,
aus Straubing.
Neumeyer, Georg, aus
Großhabersdorf.
Nicoloff aus Bulgarien.
Nordmeyer, Hugo, aus
Hannover.
Nordt aus Königsberg i. Pr.
Oehmke, Friedrich, aus
Eydtkuhnen.
Panske, August, aus Granau.
Paulus, Wilhelm
Polomski, Hipolit, aus
Rogasen.
Pooth, Richard.
Preuß, Dr. med. vet. Julius,
aus Strasberg.
Puschke, Wilhelm, aus
Repitz.
Rast, Adalbert.
Reck, Karl, aus Wohlfahrts¬
weiler.
Reichelt, Kurt, aus Oelsnitz.
Reichenwallner, Joseph, aus
Perbing.
Rieger, Matthias, aus Regens¬
burg.
Ritter, Karl, aus Udenheim.
Rosenthal, Ludwig, aus
Altenschönbach.
Ruth, Ernst, aus Geithain.
Saalbeck, Andreas, aus
Schwandorf.
Sach aus Zarnekau.
Schmid, Ernst
Schneider, Oskar, aus
Traunstein.
Schober, Franz, aus
Gr. Naujehnen.
Schroeder, Joh., aus Sulmin.
Schubert, Friedr., aus
Dresden.
Schüler, Ernst, aus
Dodendorf.
Schultze, Friedrich, aus
Lindenwerder.
Schwab, Gustav, aus Stutt¬
gart
Schwander, Innocenz, aus
Augsburg.
Schwedler, aus Spremberg.
Schwermann, Ludwig, aus
Nottuln.
Siech, Erich, aus Dossoczvn.
Sommer, Max, aus Oebles.
Stambke, Emanuel, aus Aken.
Steck, gen. Schulte-Abteloh,
Heinrich aus Hamborn.
Steckban, Heinrich.
Steding, Lous, aus Arnheim
(Holland'.
Stedtfeld, Heinrich, aus
Gütersloh.
Steinbach, Reiuhold, aus
Thannenhain bei Leipzig.
Stößenreuther, Konrad, aus
Marktcrlbach.
Stute,Otto, aus Königslutter.
Tanck, Wilhelm, aus Groß-
Capermoor.
Tiedemann, Dietrich, aus
Lüdingworth.
Tietäwainen, Victor, aus
St. Petersburg.
Tuchler, Josef, aus Gollub.
Turowski, Herbert, aus
Schwentainen.
Veitkamp, Constanz, aus
Osterwick i. W.
Völkel, Waldemar, aus Arns¬
dorf.
Wachowski, Valerie, aus
Bresnow.
Wächter, Hermann, aus
Ohrum.
Wagenknecht, Franz, aus
Tempelburg.
Weichbrodt, Georg, aus
Lorgendorf.
Weile, Richard, aus Neu¬
stadt i. Schles
Weißer, Edmund, aus St.
Georgen (Bad. Schwarz¬
wald).
Wichinann, Gustav, aus
Borstleth
Wiemann, Franz, aus
Rohsen.
Wilkens Carl, ausKrumstadt
Windrath, ans Barmen.
Wirth, Dr. Friedei, aus
Wörrstadt.
Wolflf, Dr. med. vet.
Alexander aus Dransfeld.
Wolfstein, Leo, aus
Gr. Lemkendorf.
Zahn, Georg, ans Saar¬
brücken.
Zeiner, Johann.
Zimmermann, Richard, aus
Schönau.
1908.
Albert, Paul Kurt, aus Plauen.
Bachor, Rudolf, aus Lahna.
Barnowsky, Oskar, aus
Pakuß.
Bartels, Gustav, ans Steinbke.
Baum, Erwin, aus Deut¬
mannsdorf.
Bernert, Arthur,aus Grottkau.
Bode, Albert, aus
Opperhausen.
Böhm, Bruno, aus Piskorsine.
Bosch, Eugen, aus Wesel.
Brechtei, Georg, aus
Pappenheim.
Conradi, Peter, aus Elbingen.
Dammhahm, Karl, a. Röglitz.
Dietrich, Wilhelm, aus
Brötzingen (Baden).
Egen aus Dachau.
Freyer, Andreas, aus
Zippnow.
Garrelts, Anton, aus Völlen.
Grüttner, Felix, a. Köln a. Rh.
Haag, Fritz, aus Görlitz.
Hartje, Hans, aus Stendal.
Hartmann, Ernst, aus Calbe.
Hauckoldt, Erich, aus
Fraustadt.
Heine, Edmund, aus Eilsdorf.
Henn, Walter, aus Braun-
fcls a. Rh.
Hey mann, Robert, aus
Breslau.
Heymanns, Otto, aus Jülich.
Heyne, J. nugo, aus Krögis.
Hirsch, Nathan, aus Stolp.
Hölting, Heinrich, aus
Westenholz (Westf.).
Joop, Richard, aus Penchewo.
Klump, Dr. Wilhelm, aus
Darmstadt.
Knoblauch, Cornelius, aus
Essen.
Kubitza, Gustav, aus
Karchwitz.
Laureil, Kaarle, aus Nystadt
(Finnland).
Lehnert, Edwin, aus
Mehlauken.
Lenze, Franz, aus Geseke.
Lindt, Wilhelm, aus Nortorf.
Loeve, Arthur, aus
Widminnen.
Mächens, Andreas, aus Gr.
Algermissen.
Mader, Gustav, aus Lewin.
Malad, Alfred, aus Sprem-
berg.
Melzer, Hermann.
Mühlenbruch, Christian, aus
Othfresen.
Murawski, Arthur, aus
Stettin.
Ohlinger. Joseph, aus
Niederkontz.
Pohl, Rudolf, aus Breslau.
Prasse, Friedrich, aus
Kühnem.
Roeloffs, Karl aus Hönnepel.
Rosenfeld, Ernst, ans Neu¬
wied.
Rowold, Johannes, aus
Sorsum.
Sauer, Otto, aus Berlin.
Schlögel, aus Freiberg i. Br.
Schmidt, Karl aus Ansbach.
Schneider, Gustav, aus
Dortelweil.
SchrÖdter, Paul, aus Zerbst.
Schumacher, Georg, aus
Elsheim.
Schumann, Dr. med. vet.
Kurt, z. Z. 1 j. Fr. im
Train-Bat. in Leipzig.
Spekker, Heinrich, aus
Rorichum.
Stark, Guido, aus Franken¬
stein (Schles).
Steinke, Paul, ans Emmerich.
Tang, Richard, aus Piepers¬
berg.
Uhlmann, aus Cranzahl.
Utzath, Otto, aus Loetzen.
Wegener, Richard, aus
Jacobshagen.
Weiffenbach, Wilhelm, aus
Waldkappel.
Weineck, Kurt, aus Saalfeld.
Werk, Albert, aus Pristara.
Wittmann, Christ. Friedr.
Karl, aus Unterwohlsbach.
Wolf, Bruno, aus Berlin.
Zeniecki, Adolf, aus Dirschau.
Zimmermann, Rolf, aus Ober¬
waldenburg.
Zniniewicz, Johann, aus
Posen.
Jahr der Approbation
unbekannt.
Bente.
Hoffmann, W.
Klußmann, Karl.
Krage, Dr. Paul.
Meyer, Gustav, (früher in
Bochum).
Oppermann, Alwin, aus
Manchenguth.
Patett.
v. Petrykowski, Bernhard.
Ruttkowske, G.
Scheike, Georg, aus Winzig.
Schmidt, Ludwig (früher in
Arnberg).
Schwartz, Eugen.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält* in Berlin. — Verlag and Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz in Berlin. —
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Riohard Schoetz in
Berlin SW. 48. Wilhelmstr. 10. Dnrcli jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert. (Österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Original bei träge werden mit 60 Hk., In Petitsatz mit
60 Hk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Luisenstrafle 56. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schuialtz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departement*-!’, ln CÖln.
Professor Dr. Peter
6taatstierarzt für Hamburg.
VeterinUrrat Peters
Departements T. in Biomberg.
Veterinärrat Preuße
Departements-T. ln Danzig.
Dr. Richter
Professor ln Dresden.
Med.-Rat Dr. Boeder Dr. Schlegel Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel Wehrte Ziindel
Professor in Dresden. Professor in Freiburg. Profei-sor in Dresden. Landestierarzt in München. Kais. Regierungsrat in Berlin. Kreistierarzt in Mülhausen L E.
Helfer
8cblach h.-Direktor in Mülhauren 1. E.
Dr. H. Sieber
am Tropeninstitut in Hamburg.
Dr. Städter
Stadt-Tierarzt in Hamburg.
Dr. Trapp
am Kaiser Wilhelm-Institut in Bromberg.
Dr. Zimmermann
Dozent in Budapest
Jahrgang 1908. ,M. 29 . Ausgegeben am 16. Juli.
Inhalt: Guerrini: Beitrag zu der Kasuistik der kompensatorischen Hypertrophie der Nebennieren. — Reichert: Mit¬
teilungen aus der Praxis. — Referate: Marchand, Petit und Pöcard: Diffuse subakute Meningo Enzephalitis beim
Hund. — Floris: Schwefelkohlenstoff gegen Distomatosis. — Oadix und Pineau: Behandlung der blutig-serösen Ansamm¬
lungen durch Injektionen von reiner Jodtinktur. — Schade: Zur Wirkung des Antiperiostin. — Koppänyi: Über eine mit
fibrinöser Pleuritis einhergehende Pyämie der Kaninchen. — Grimm: Untersuchungen über die bei der sog. „Kopfkrankheit“
der Pferde gefundenen Bakterien. — Zietzschmann: Beiträge zum Studium der Folgen der Thyreoidektomie bei Ziegen. —
Pusch: Die Kindermilchproduktion in wirtschaftlicher und hygienischer Beleuchtung unter besonderer Berücksichtigung der
im Rassestaile der Tierärztlichen Hochschule in Dresden gemachten Erfahrungen. — Pinn er: Das Ledumin. — Tagesgeschichte:
Preuße: Nochmals die Pauschalvergütungen der Kreistierärzte. — Kurpfuschertum. — Verschiedenes. — Tierzucht und
Tierhaltung: Maier: Über die 22. Wanderausstellung der Deutschen . Landwirtschaftsgesellsehaft in Stuttgart-Cannstatt. —
Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen.
(Pathologisches Institut der Kgl. tierärztl. Hochschule za Mailand.)
Beitrag zu der Kasuistik der kompensatorischen
Hypertrophie der Nebennieren.
Von Prof. 6uido 6uerrini,
Direktor des Instituts. __
Ich hoffe, daß der vorliegende Fall von einiger Wichtigkeit
ist wegen den Beobachtungen, die sich über denselben an¬
stellen lassen.
Es handelt sich um eine kleine Hündin, welche in der
Krankenabteilung der hiesigen Schule wegen einer Verwundung,
die sie durch Überfahren von einem Vehikel (Motorrad) davon¬
getragen hatte, aufgenommen wurde. Das Tier starb nach
drei Tagen und wurde in der pathologisch-anatomischen Ab¬
teilang des von mir geleiteten pathologischen Instituts sektioniert.
Ans dem Sektionsprotokoll entnehme ich einige der inter¬
essantesten Vorgänge:
Jahrgang 1908. Sektion Nr. XIX. Kleine Hündin, ans
verschiedenen Rassen stammend, von vorgerücktem Alter, 53 cm
lang. — Das Tier liegt auf der rechten Seite. Die äußere
Besichtigung des Körpers bietet nichts Bemerkenswertes, mit
Ausnahme von einer Wunde, die längs des hinteren linken
Gliedes entlangläuft; dieselbe ist vernäht worden.
Besichtigung nach Entfernung der Haut, Besichtigung der
Mnndhöhle, der Rachen- und Halsorgane, der Bauchhöhle und
der in derselben enthaltenen Teile, die jedoch keine besonderen
Eigentümlichkeiten aufweisen, außer einem starken Grad von
Anthracosis der Lungen und der Lymphdrüsen und einer leichten
Trübung des Myokarden. Die Schilddrüse und die Neben¬
schilddrüsen sind vollständig normal. Das Bauchfell ist rot
geworden. Die Blutgefäße desselben sind hyperämisch. Eine
starke Blutanstauung hat sich in den Darmwindungen ein¬
gestellt. Diese Stauung geht bis zu den Nieren. In der rechten
Niere herrscht großer Blutandrang sowohl auf der äußeren
Oberfläche derselben als in der Rindensubstanz.. Die linke
Niere zeigt dagegen die Rindensubstanz in einer weißlich¬
schmutziggrauen Farbe. In beiden Nieren löst sich die Kapsel
nur schlecht ab. Die Nebennieren sind von unregelmäßig-
kugeliger Form und sind bedeutend größer geworden, wie aus
untenstehenden Angaben ersichtlich ist:
Länge rechts 47 nun, links 31 mm
Breite „ 27 „ „ 13 „
Dicke „ 24 „ „ 14 „
Die linke Nebenniere hat eine stark kongeste Oberfläche.
Wenn man sie zerschneidet, so erscheint sie in die Gestalt
einer dünnen, kreisähnlichen Schicht versetzt, deren Breite sich
auf höchstens l / 4 mm beläuft und welche etwa so schmal wie
ein Blatt Papier ist. Bei dem weiteren Verlaufe der Sekretion
zeigt sich eine starke Anhäufung von gestautem Blute von
dunkelroter Farbe und fester Form. Bei ganz vorsichtiger
Behandlung gelingt es, diesen Blutkumpen, der sich im Innern
der Nebenniere befindet, zu entfernen. Der losgelöste Blut-
klnmpen hat die Form einer unregelmäßig-kugeligen Masse,
während der übrige Teil der Nebenniere, von der der Blutklumpen
losgelöst wurde, eine gleichmäßige, ebene Oberfläche zeigt, auf
der beinahe keine Spur von Blut mehr haften geblieben ist.
Die Oberfläche gleicht dem Membran einer Cyste die vom
Parenchym der Nebenniere gebildet wird. Die rechte Neben¬
niere bietet weder äußerlich noch innerlich etwas Bemerkens¬
wertes außer der schon obenerwähnten Vergrößerung. Nachdem
ich den Versuch Cr oft ans*) mit ein wenig Parenchym-Emulsion
vorgenommen hatte erhielt ich ein positives Resultat. Der
Pankreas ist in eine weiche blutige Masse verwandelt, ist form¬
los und von einer starken Blutstauung umgeben, welche die
obenerwähnte Stauung im Innern der Bauchhöhle ist. Auch die
Leber weist einen starken Blutandrang auf und ist der obere
*)Croftan, Notiz über eine chemische Methode Hypernephrome
der Niere von anderen Nierengeschwülsten zu unterscheiden.
Virchows Archiv, Bd. CLXIX, S. 332.
514
nach hinten gelegene Teil sehr bröcklig nnd von dunkelroter
Farbe. Die Kapsel ist unversehrt.
Alle anderen in der Bauchhöhle sich befindenden Organe
zeigen nichts Abnormales, obgleich die Untersuchung derselben
sehr genau vorgenommen wurde. Das Gehirn, das Rückenmark,
die Rftckenmarkshüllen und die Hypophysis sind normal. Diese
Normalität der Rückenmarkshüllen zeigt sich auch in der
Gegend, die nach den Eingeweiden zu liegt, welch’ letztere
jedoch, wie schon gesagt, verändert sind.
Ich will nicht auf die Beobachtungen von geringer Be¬
deutung eingehen, sondern bemerke, daß die wichtigsten Vor¬
kommnisse die nachstehenden sind: Bruch des Pankreas und die
dadurch herbeigefnhrte Blutung, Kontusion an der Leber,
Blutung der linken Nebenniere und Hypertrophie der rechten
Nebenniere.
Der Bruch des Pankreas und die Blutung sind
zweifellos die Ursache der Verendung gewesen.
Zur Vervollständigung der makroskopischen Beobachtung
wurden mikroskopische Untersuchungen an allen Eingeweiden
angestellt. Zusammen mit den allgemein üblichen Methoden
wurden auch noch diejenigen angewendet, welche die Eigen¬
tümlichkeit des vorliegenden Falles beanspruchte (Nißl, Biondi,
Biondi-Heidenhein, Galeotti, Altmann usw.).
Wenn auch die mikroskopische Beobachtung nichts Be¬
merkenswertes gezeigt hat, so hat sie doch die durch die
makroskopische Beobachtung erzielten Resultate bestätigt (z. B.
im Pankreas und in der Leber). Die Schilddrüse, die Neben¬
schilddrüse und die Hypophysis sind in vollkommen normalem
Zustande geblieben, sowohl in bezug auf Bau als auf Junktion
(Sekretion).
In der linken NebenÜiere ist der Häüptteil des Or^atis'vöü
einem Detritum befallen, welches zum größten Teil von mehr
oder weniger veränderten Rotblutkörperchen verursacht wurde.
Unter den Rotblutkörperchen sind Leukocyten, Körnchen und
kleine gelblich-braune Massen, die die mikrochemische Reaktion
des Blutpigmentes zeigen, und Körnchen, Körperchen und Fasern,
welche die mikrochemische Reaktion des Fibrin verursachen,
deutlich sichtbar. Unter diesem Material befindet sich noch
nichts, was in irgendeiner Weise auf das Parenchym der
Nebenniere schließen läßt.
Diese hämorrhagische Substanz ist ringsherum von einer
dünnen Schicht fibrillärem Bindegewebe umgeben, das sehr viel
Kerne mit wenig Chromatin enthält. Diese Kerne sind von
länglicher Form und liegen mit ihrer Längsseite parallel zu
den Fibrillen des Bindegewebes. In diesem Bindegewebe befindet
sich keine Spur von zelliger Infiltration. Außerdem bildet es
keine Fortsetzung zu dem Parenchym der Nebenniere, sondern
ist teilweise durch die Blutung von einem regelmäßigen Epithel
getrennt, hervorgerufen durch große hohe Zellen die aber von
einem hellen Protoplasma und von dicken Kernen geliefert
werden. In diesen Zellen sind weder Sekretions- noch Spuren
von Degenerationsphänomen zu sehen.
Außerhalb des Bindegewebesepiments ist das Parenchym
der Nebenniere geblieben. Dasselbe befindet sich in verschiedenen
Quantitäten an verschiedenen Stellen des Präparates. An den¬
jenigen Stellen wo es am geringsten vorhanden ist, setzt es sich
aus wenigen Zellenlagern der Bindesubstanz zusammen, wo es
jedoch reichlicher sich vorfindet, wird es durch Zellen der
Binden- und der Marksubstanz gebildet. In diesem Falle ist
No. 29.
der Bau des restlichen Parenchyms derjenige einer ganz nor¬
malen Nebenniere. Die der Bindegewebeschicht am nächsten
gelegenen Zellen zeigen einige degenerierte Absonderlichkeiten
von verschiedenen Graden.
Sofern es sich um Zellen der Bindensubstanz handelt, hat
man auch besondere Fälle von veränderter Tätigkeit (Abnahme
oder Unregelmäßigkeit in der Sekretion).
Die rechte Nebenniere bietet, in ihren verschiedenen Lagen
untersucht, nichts anderes als eine Zunahme des eigentlichen
Parenchyms. Die Dimension der Zellen ist nicht größer gewor¬
den. Absonderlichkeiten betr. der Kernteilung zeigen sich nicht
mehr als normal ist. Besondere Degenerationen sind überhaupt
keine zu sehen.
Es lassen sich auch keine außergewöhnlichen Fälle von
Hypersekretion finden. Höchstens läßt sich behaupten, daß der
Unterschied unter den verschiedenen Zonen der Rin den Substanz
weniger auffällt. Aber dies ist nicht überall der Fall. An ver¬
schiedenen Stellen ist der Unterschied ganz klar und deutlich
zu bemerken. Dabei läßt sich folgendes beobachten: Die Zellen
der Zona glomerularis sind von bienenkorbähnlichem Bau. Die
Dimension der Trabekeln ist beinahe gleichmäßig. Wenige
Zellen enthalten hie und da breite Vakuolen, die teils leer,
teils mit Körnchen angefüllt sind. Die Zellen der Zona fasci-
colata haben einen ähnlichen Bau. Die Zellen der Zona reti¬
cularis scheinen mit Körnchen überladen, die sich in de*n
Stroma des Protoplasmas anhäufen. In den Präparaten, welche
mit Flemming oder auch mit der Flüssigkeit Hermann
fixiert wurden, sind in den Zellen der Zona glomerularis wenige
schwarze kleine, aber regelmäßige Körnchen enthalten. Die
Zellen der Zona spongiosa enthalten dagegen größere ungleiche
Tropfen, die braun oder dunkel gefärbt sind, jedoch selten
schwarz. Nach der Zona reticularis zu sind diese Tropfen
noch seltener. In den Präparaten, die mit Altmann fixiert
wurden, nehmen diese Tropfen eine braune Farbe an. Nach
den Methoden Altmann und Galeotti kann man die so¬
genannte Granula fuxinophila deutlich sehen. Dieselben sind
in der Zona glomerularis in Gestalt von wenigen, kleinen
Körnchen enthalten; sie sind aber sehr zahlreich in der Zona
fascicnlata und in der Zona reticularis. In der Zona fasciculata
sind sie dick und unregelmäßig, oft zusammengehäuft. In der
Zona reticularis sind sie klein, aber regelmäßig verteilt. Es
ist nicht schwer, sie von Granula von Pigment zu unterscheiden.
Die Membran der Kerne ist überall rot gefärbt, der Inhalt der¬
selben ist dagegen grün. In der Zona spongiosa und reticularis
enthalten die Kerne zahlreiche Granula fuxinophila. Die Blut¬
gefäße enthalten überall Granula fuxinophila.
*
Die bemerkenswertesten Vorgänge, die aus vorstehenden
Beobachtungen hervorgehen, sind also: 1. Eine starke Blutung,
die in der linken Nebenniere stattgefunden hat; 2. eine sehr
beträchtliche Hypertrophie in der rechten Nebenniere; 3. der
vollkommen normale Bau der Schilddrüse, der Nebenschilddrüsen
und der Hypophysis. Die Beobachtung Nr. 1 dürfte wegen
des außergewöhnlichen Charakters einiger Absonderheiten von
Wichtigkeit sein. Die makroskopische Beobachtung hat gezeigt,
wie das ganze Blut der Hämorrhagie eine Art Stauung hervor¬
ruft, die sich so gut von dem übrigen Parenchym der Neben¬
niere ablöste, daß beinahe kein Blutteilchen auf der Oberfläche
des Parenchyms haften blieb (siehe oben).
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
16. Juli 1908.
Die mikroskopische Beobachtung hat bewiesen, wie ein
Sepiment des Bindegewebes zwischen dem restlichen Parenchym
der Nebenniere und dem Blut der Hämorrhagie entstand, wie
dieses Sepiment das ganze Blut der Hämorrhagie umgab und
isolierte, und daß dieses Sepiment gar kein Kontinuitäts¬
verhältnis weder zu dem Gewebe der Nebenniere hat und noch
weniger zu dem Blut der Hämorrhagie, vor dem es sogar durch
einen Streifen von einer Schicht epithelialischer Zellen geschützt
wurde (siehe oben).
Die Resultate der makroskopischen und mikroskopischen
Untersuchung und die Tatsache, daß in dem Blut der Hämor¬
rhagie sich nichts befand, was noch an die Struktur des Parenchyms
der Nebenniere oder anderes erinnert, rechtfertigen die Hypo¬
these, daß die Blutung in einer Höhle geschehen ist, die schon
existierte, bevor nur die Blutung stattfand.
Wenn aber die hystologische Morphologie des Blutes von
der Hämorrhagie mit Sicherheit zu behaupten gestattet, daß die
Blutung kurz vorher stattgefunden habe, so läßt sich doch nicht
viel sagen über die hystologische Morphologie der Neubildung,
von der ich glaube, daß man sie als die Wand der Höhle be¬
trachten kann, in der die Blutung stattgefunden hat. Man
kann nur mit Gewißheit ausschließen, daß es sich nicht um
die Wand einer parasitischen Cyste handelt, oder auch um eine
entzündliche Neubildung. Jedoch kann man nicht mit der
gleichen Bestimmtheit behaupten, daß es sich z. B. nicht um
eine kongenitale oder erworbene Neubildung handele. Es ist
bekannt, daß in der Literatur eine große Anzahl von Beispielen
der beiden Fälle beschrieben wurden. Ich wiederhole jedoch,
daß die mikroskopische Untersuchung nicht gestattet, im vor¬
liegenden Fall die Frage vollkommen zu lösen. Höchstens
kann man zugeben, daß der Zustand von vollkommen hysto-
logischer Erhaltung nur die richtig funktionierende Tätigkeit
des Parenchyms der Nebenniere und außerdem die Tatsachen,
di© die Beobachtung Nr. 3 betreffen, die wir näher betrachten
werden, uns eine gewisse Berechtigung geben, anzunehmen,
daß es sich um eine erworbene Mißbildung handelt, d. h., daß
dieselbe eingetreten ist, nachdem die Nebenniere schon den
Grad von vollkommener Gleichmäßigkeit des Baus und ihrer
richtig funktionierenden Tätigkeit erreicht hatte.
Die Beobachtung Nr. 2 kann einen gewissen Wert haben,
nicht weil die daraus gezogene Tatsache neu ist, sondern weil
der hier erreichte Grad außerordentlich bemerkenswert ist.
Auch in diesem Falle müssen wir das erhaltene Resultat der
makroskopischen Untersuchung zusammen mit der mikroskopischen
betrachten. Die mikroskopische Untersuchung hat gezeigt, daß
das, was sich bezüglich der rechten Nebenniere konstatieren
ließ, nur einfach eine Hypertrophie und eine Hyperplasie ohne
jedes weitere Metaplasiephänomen ist. Die makroskopische
Beobachtung hat dagegen bewiesen, daß die Dimensionen in
toto des von der Nebenniere erreichten Grades bedeutend
größer geworden sind. Der Wert der Beobachtung wird nicht
durch die Tatsache beeinträchtigt, daß auch im normalen Zu¬
stande die Nebennieren des Hundes ihre Größe in ziemlichen
Abständen verändern können. Günther*) gibt in der Tat in
seiner Tabelle über die vergleichenden Größen der Nebennieren
des Hundes die nachstehenden Durchschnittsziffern an: Dicke
*) Günther: Die Nebennieren. (Siehe Ellenberger: Hand¬
buch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Haustiere.
Berlin, Parey, 1906.
515
j der Kapsel 0,095—0,130 mm; Breite der Zona arenata
0,180—0,240 mm; id. der Zona fasciculata 0,350—0,850 mm;
id. der Zona reticularis 0,480 —0,600 mm. Wenn man um diese
Zahlen mit den von mir oben wiedergegebenen vergleicht, und
wenn man bedenkt, daß es sich in unserem Falle um einen 53 cm
großen Hund handelt, so zeigt sich hiermit der hohe Grad von
Hypertrophie und Hyperplasie, der von dem in Frage Btehenden
Organ erreicht wurde.
Dagegen (und dies ist besonders nützlich für die Diagnoxis
von Hyperplasie) unterscheiden sich die Dimensionen der Zellen,
der Körnchen der Zellen und der anderen hystologischen Ab¬
sonderlichkeiten der Nebenniere nur wenig von den von Günther
in seiner Tabelle aufgestellten Dimensionen.
Aber wie läßt sich jetzt die Hyperplasie und die Hypertrophie
in der Nebenniere in toto erklären? Ich glaube, daß es nicht
möglich ist, sie anders als folgendem aßen zu erklären. Wahr¬
scheinlich handelt es sich hier um ein Kompensationssymptom
und ist die Ursache der Hypertrophie und Hyperplasie der
linken Nebenniere in der Verwundung der rechten Nebenniere
zu suchen, aber sicherlich nicht in der Blutung, sondern in der
Veränderung der Drüse, von der ich vermute, daß sie schon
existierte, bevor nur die Blutung stattfand und aus der sich ja
gerade die Höhle gebildet hat, in die nach meiner Ansicht das
Blut der Hämorrhagie hineingelaufen ist. In der Tat könnte die
Blutung nicht die Ursache der Hypertrophie sein, selbst wenn
sie auch die Zerstörung eines so großen Teiles des Parenchyms
der Drüsen hervorgerufen hätte, denn die Hämorrhagie ist erst
kurz vorher verursacht worden (wie die Hystologie des Blutes
derselben beweist), während dagegen die Hypertrophie schon
älteren Ursprungs sein muß, schon'deswegen, weil in kurzer Zeit
die Hypertrophie und die Hyperplasie der Nebenniere nicht
diesen hohen Grad hätten haben können, den sie in der Tat
erreicht haben; selbst wenn auch die Hypertrophie und die
Hyperplasie kurz vorher eingetreten wären, so müßte man in
dem Parenchym der hypertrophischen und hyperplastischen
Nebenniere Symptome von Zellenmultiplikation, Hypersekretion
und ungleichmäßiger Sekretion wahrnehmen. Diese Anzeichen
fehlen aber.
Wollte man dagegen zugeben, daß die Hypertrophie und
Hyperplasie eine Folge von der Verwundung sei, durch welche
die Abnahme des funktionierenden Parenchyms der auf der
anderen Seite gelegenen Nebenniere entstand, so könnte man die
pathologisch-anatomische Verkettung der beobachteten Tatsachen
wie folgt erklären: a) daß die Hypertrophie und die kompen¬
satorische Hyperplasie einen so hohen Grad erreicht habe, weil
das funktionierende Gewebe, das ersetzt werden mußte, sehr
groß war; b) daß das Fehlen von Hyper- und Metasekretion¬
symptome in der hyperthropischen und hyperplastischen Neben¬
niere von der Tatsache abhängig ist, daß zurzeit der Beobach¬
tung die Kompensation schon ein derart altes Phänomen war,
daß die funktionierende Gleichmäßigkeit der Nebennieren Zeit
genug gehabt hätte, um sich heranzubilden und zu befestigen.
Ich füge außerdem noch hinzu, daß 1. der Umstand, daß
die hyperpIftBtische und die hypertrophische Nebenniere die
Gestalt einer vollkommen normalen Nebenniere aufweist (die
*) Günther. Die Nebennieren Siehe: Ellenberger.
Handbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der
Haustiere. Berlin, Parey 1906.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
516 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 29.
größeren Dimensionen ausgenommen, und 2. die Tatsache, daß
die übrigen Drüsen mit innerer Sekretion eine vollkommene
Normalität der Tätigkeit und des Baues zeigen, einen gewissen
Wert haben, um die Behauptung aufzustellen, daß die Zerstörung
des Parenchyms der linken Nebenniere nur stufenweise erfolgt
ist und nicht rasch und unvorhergesehen. Die Beobachtung
Nr. 3 hat schließlich einen gewissen theoretischen Wert. Die
aufgestellten Hypothesen, um die Bildung der Hypertrophie und
der Hyperplasie zu erklären und die bezüglich der vikarierenden
Vorgänge der mit sekretorischen Eigenschaften behafteten Organe
aufgestellten Hypothesen sind bekannt. Ich sehe daher davon
ab, sie nochmals zu berücksichtigen, um so mehr, als es zweck¬
los ist darauf näher einzugehen ohne darüber zu kritisieren und
beschränke mich darauf, nur auf eine einzige Frage zu kommen,
die schon öfters erörtert wurde. Kann man von einer wirklich
funktionierenden Vikariation zwischen zwei nicht ganz identischen
Organen sprechen? Kann man z. B. zugeben, daß die Schild¬
drüse die Tätigkeit der Hypophysis ersetze und die Hypophysis
die Tätigkeit der Nebennieren? Einige bejahen dies auf Grund
von bystologischen und hystopbysiologischen Beobachtungen,
andere verneinen es, indem sie über den Fall kritisieren. Die
letzteren erklären die Hypertrophie sensu stricto nicht als ein
Kompensationsphänomen aber immerhin als eine Arbeitshyper¬
trophie, die dadurch verursacht worden sei, daß sich im
Organismus sowohl qualitativ wie quantitativ abnormale Substanzen
angehäuft haben, die die Folgen von einer allgemeinen Unordnung
durch die abnehmende Fähigkeit in der Tätigkeit des veränderten
Organs sind (Vassate).
In diesem Fall stehen wir nun vor dem nachstehenden
Sachverhalt: Wir habei^ auf der einen Seite, zwei, identische
Drüsen (rechte und linke Nebenniere) und auf der andern Seite
eine Gruppe von Drüsen, die sich unter sich ähnlich sehen und
die den obengesagten zwei Drüsen ähneln, welch letztere wieder
unter sich gleich sind (Schilddrüse, Nebenschilddrüsen und
Hypophysis). Nun hat eine von den beiden unter sich
identischen Drüsen zum größten Teil ihre eigene Tätigkeit ver¬
loren, und ist diese Tätigkeit von der andern identischen
Drüse ausgeführt worden. Keine von den sich ähnlichen Drüsen
hat dagegen zur Kompensation beigetragen. Nach der Hypothese I
derjenigen, welche einen kompletten Ersatz durch die Drüsen,
die sich nur ähnlich sehen, für möglich halten, ist die Erklärung
nicht ganz leicht. Ohne weiter auf die Lehrfrage, welche
Ursachen die kompensatorische Hypertrophie einer Drüse her¬
vorbringen können, einzugehen, können wir uns darauf be¬
schränken, zu konstatieren, daß der erste Antrieb hierzu von
einem funktionalen Stimulum kommen muß. Wenn also mehrere
Drüsen in gegebenen Umständen zu der gleichen Tätigkeit
fähig sind, wie kann man dann erklären, daß der gleiche
Stimulum nur auf einige Drüsen ein wirke (in unserm Fall sind
die identischen gemeint) und nicht auf alle (im vorliegenden
Fall die sich ähnlich sehenden)? Man müßte gerade behaupten,
daß der gleiche Stimulum, obgleich er ebenso stark auf alle
Drüsen ein wirkt, auch stärker auf einige Drüsen einwirken
könne (die identischen), was doch in sichtlichem Widerspruch
zu der Grundlehre steht. Dagegen nach der Hypothese der¬
jenigen, nach welcher die vikarierenden Vorgänge bloß zwischen
identischen Drüsen geschehen können und die Hyperfunktion
der sich ähnlichen Drüsen nur ein sekundäres Vorkommen ist
(wie oben), läßt sich die Sache bedeutend besser erklären.
Man könnte daher denken, daß die rechte Nebenniere die
linke allein ersetzt habe und die anderen Drüsen mit innerer
Sekretion gerade deshalb normal geblieben seien, weil der Ersatz
schon gleich von Anfang an vollständig gewesen ist, und habe
dadurch die Anhäufung von abnormalen Substanzen im Organis¬
mus nicht stattfinden können, welche das funktionierende Stimu¬
lum ersetzt haben würde, der dazu dienen sollte, die Hyper¬
trophie und die Hyperplasie der anderen Drüsen mit innerer
Sekretion hervorzurufen.
Mit anderen Worten: ich glaube, daß die hystophysiologische
und die hystopathologische Beobachtung des vorliegenden Falles
eine Schlußfolgerung abgeben könne, um die Theorie der Vassate
über den Unterschied zwischen der kompensatorischen Hyper¬
trophie sensu stricto und der sekundären Hypertrophie der
Drüsen mit innerer Sekretion noch zu bekräftigen.
Mitteilungen aus der Praxis.
Von Tierarzt Reichert-Hoflieim.
In der Annahme, daß die Kleinvieh-Praxis in den Ver¬
öffentlichungen meist etwas stiefmütterlich behandelt wird, will
ich gerade aus diesem Gebiete einige Fälle, die in meiner
Praxis vorgekommen sind, zur Kenntnis bringen.
I.
Am 20. Januar 1907 wurde ich nach V. zu einem Kalbe
gerufen, das am vorhergehenden Tage zur Welt gekommen
war. Laut Vorbericht fehlte dem Kalbe der After. Beim
Drängen des Tieres auf den Kot sei Darmpech durch den Nabel
abgegangen, jedoch nur am Tage der Geburt, am nächsten aber
nicht mehr. — Die Untersuchung bestätigte, daß der Anus
fehlte, doch zeichnete sich derselbe in der Haut deutlich ab,
wenn das Kalb auf den - Kot drängte. — Es wurde zur
Operation geschritten, doch konnte nach Anlegen des Kreuz¬
schnittes keine Öffnung im Mastdarm hervorgebracht werden,
selbst nicht, nachdem ich mit der * ganzen Länge des Zeige¬
fingers in der Richtung des Mastdarms vorgedrungen war. Es
mußte also eine Verwachsung des Darmes von größerer Aus¬
dehnung vorliegen. — Nach der Schlachtung des Tieres stellte
ich wirklich eine Verwachsung des Mastdarmes in der Länge
von 20 cm fest. Dieses Endstück war vollkommen unwegsam
und hatte die rote Farbe, das Aussehen und die Konsistenz
eines Muskels. Da, wo das Darmlumen auf hörte, hatte sich
fast ein Liter dünnflüssigen Kots gestaut. Etwa 2 cm vor dem
Anfangspunkt der Verwachsung führte ein Kanal von Bleistift-
dicke und 6 cm Länge nach der Harnblase, die ebenfalls mit
dünnflüssigem Kot gefüllt war. Der Urachus war geschlossen,
so daß also nunmehr kein Kot vom Mastdarm durch die Harn¬
blase nach außen geschafft werden konnte, wie dies gleich nach
der Geburt gesehen worden war.
II.
Am 30. Januar d. J. wurde ich wegen Retentio secundinarum
zu einer Kuh gerufen. Die Secundinae wurden manuell entfernt.
Es handelte sich um eine kleine, elende Kuh, die, wie meine
Untersuchung ergab, stark tuberkulös war. Ich teilte dies dem
Besitzer mit, indem ich ihn zugleich auf die Gefahr aufmerksam
machte, die für das Kalb daraus erwüchse. Als ich mir das
letztere zeigen ließ, bemerkte ich zu meinem Staunen, daß das¬
selbe, obwohl sehr munter, nur wenig größer war als ein
Ziegenlamm. Auf Befragen wurde mir erzählt, daß die Kuh
16. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
517
früher stets große Kälber geboren hätte, auch sei gesundheitlich
nichts an ihr auszusetzen gewesen. Erst im letzten Jahre habe
sie zu husten angefangen, doch habe man sie trotzdem trächtig
werden lassen, weil sie eine sehr gute Milchkuh gewesen sei.
Während der letzten Trächtigkeitsperiode habe sie mehr ge¬
fressen als irgend eine Kuh im Stall, und um so größer sei
daher die Verwunderung gewesen, daß sie ein so kleines Kalb
geboren habe. — Nach etwa 12—14 Tagen wurde die Kuh für
ganze 25 M. verkauft.
Als das Kalb 17 Tage alt war, wurde es an den Metzger
verkauft. Bei der Fleischbeschau stellte ich folgendes fest:
Das Tier hatte sich ganz gut entwickelt und hatte nunmehr
annähernd die Größe eines normalen neugeborenen Kalbes er¬
reicht. Am toten Tier konnte ich wahrnehmen, daß beide
Nieren in der Rinden Schicht reichlich mit Tuberkeln von der
Größe eines Hirsekorns bis zu der eines Stecknadelknopfes
durchsetzt waren. Die Farbe der Tuberkeln war grauweiß bis
gelblich. Einige Renculi waren mit einer roten Entzündungs¬
zone umgeben. Die portale Lymphdrüse der Leber war ver¬
größert und fühlte sich hart an. Beim Durchschneiden knirscht
das Messer, und das Drüsengewebe ist ganz durchsetzt von
kleinen, gelben Punkten. An dem scharfen Rande der Leber,
etwa 2 cm von der Gallenblase entfernt, sitzt ein gelber fester
Knoten von Erbsengröße mit käsigem Inhalt. Die Gekrös-
lymphdrüsen sind geschwollen, eine davon ist so groß wie eine
Walnuß. Konsistenz ist derb, das Messer findet beim Durch¬
schneiden Widerstand. Das Drüsengewebe sieht fast knorpelig
ans. Die Bronchialdrüsen sind geschwoUen. Die linke ist sehr
saftreich. Die rechte ist zur Hälfte von derber Konsistenz und
schneidet sich schwer. An der dem Herzen zugekehrten
Fläche der Lungenflügel sitzen unter der Pleura einige grau¬
gelbliche, sich derb anfuhlende, auf dem Schnitt glasige
Knötchen von Stecknadelkopfgröße. — Bemerken möchte ich,
daß das Kalb von seiner Mutter sofort fortgenommen worden
war, also sich kaum durch deren Milch infiziert haben kann, es
muß also zum mindesten an eine intrauterine Infektion gedacht
werden.
III.
Am 17. Februar d. J. habe ich die Sektion einer dreijährigen
Ziege vorgenommen. Der Vorbericht lautete, daß dieselbe in
den letzten drei Wochen fast gar nicht mehr habe aufstehen
und nicht mehr ohne Hilfe habe stehen können. Gefressen habe
sie, wenn auch nicht so gut, wie früher, bis zum letzten Augen¬
blick; Schmerzen habe sie nur beim Urinieren gezeigt.
Es handelte sich um eine sehr magere Ziege, die nirgends
Fettansammlung aufweist, dagegen sind allenthalben die Merk¬
male allgemeiner Wassersucht vorhanden. Abgesehen hiervon
sind die Bauch- und Brusteingeweide normal bis auf die linke
Niere. Bei der Exenteration derselben fällt es auf, daß sie auf
ihrer Unterlage vollständig festgewachsen ist, so daß bei der
Loslösung eine gewisse Gewalt angewendet werden muß. Die
Niere hat normale Größe, sieht weißlich - grau aus und hat
teigige Konsistenz. Nach Anlegung eines Schnittes quillt aus
der Niere gelbweißer, homogener, musartiger Eiter. Die Rinden¬
schicht hat nur noch die Dicke von 1 mm, das normale Gewebe
ist darin mikroskopisch noch erkennbar. Die Niere war also
nichts weiter mehr als ein Abszeß mit dicker Kapsel. Meta¬
stasen waren nirgends zu finden.
Referate.
Diffuse subakute Meningo-Enzephalitis beim Hnnd
Von Marchand, Petit und Pöcard.
(Recuell de’Alfort, 15. Juni 1907.)
Eine zweijährige Bordeaux-Dogge, die vor mehreren Monaten
an Staupe gelitten und sich seitdem nie recht erholt hatte, wurde
am 7. Mai 1906 der Alforter Klinik zugeführt mit dem Berichte,
daß sie seit einiger Zeit ihre Munterkeit und Lebhaftigkeit ver¬
liere und abmagere.
Das Tier ist mager, dünnleibig, schläfrig und abgestumpft,
ohne Fieber. Es fallen besonders Zuckungen des linken Schläfen¬
muskels auf. Der Zustand des Tieres verschlimmert sich zu¬
sehends, sein Gang wird schwankender, sein Sehvermögen nimmt
ab, so daß es beim Gehen an die Mauer anstößt, es wird immer
schwächer. Oft bleibt es lange mit gesenktem Kopfe und aus¬
gestreckten Vorderfüßen unbeweglich stehen.
Bei der Untersuchung am 17. Mai geht der Hund im immer
kleiner werdenden Kreis herum, zuerst von links nach rechts,
später nach beiden Richtungen. Mit jedem Tag wird er ab¬
gestumpfter, so daß er oft stundenlang unbeweglich in seinem
Stalle steht und die Augenlider fast immer geschlossen hält.
Der Pupillarreflex ist normal. Es bestehen Zuckungen der
Thoraxmuskulatur und besonders des linken Schläfenmuskels.
Vor dem Töten des Hundes, was am 21. Mai geschieht,
bleibt er da stehen, wo man ihn gerade hinstellt, um sich nach¬
her auf seinem Hinterteil zu setzen. Die Sensibilität hat sehr
abgenommen. Gesicht und Gehör funktionieren noch. An dem
linken Schläfenmuskel, dem Kaumuskel und dem Kreismuskel
des linken Augenlides bestehen heftige Zuckungen.
Sektion. Die konvexe Oberfläche der Großhirn-Hemi¬
sphären zeigt Läsionen von Meningität, die sich mehr auf der
rechten als auf der linken und da hauptsächlich vor der Kreuz¬
furche (fissura eruciata) darbieten und in einer Trübung und
deutlichen Granulation der weichen Gehirnhäute bestehen.
Histologische Untersuchung. Die weichen Gehirnhäute (Pia
und Arachnoidea) sind besonders zwischen den Gehirnfurchen
verdickt von embrionalen Zellen infiltriert und mit der unter
ihnen liegenden Gehirnrinde verwachsen. Sowohl in der grauen
als auch in der weißen Substanz der Gehirnrinde besteht eine Peri-
Arteriitis aller mittleren Gesäße, so daß jede Arterie in einem
Entzündungsherd drin sitzt.
Die Gehirnganglienzellen sind wenig granuliert und die
meisten haben ihren Kern exzentisch. Die Längsbündel haben
an Zahl abgenommen und sind stellenweise degeneriert.
Im Kleinhirn finden sich die gleichen Läsionen wie im
Großhirn und sind für etwas weniger ausgeprägt.
Im Bereiche des verlängerten Marks sind die weichen Ge¬
hirnhäute verdickt und von Embryonalzellen infiltriert. Es ist
starke Arteriitis vorhanden.
Wie schon gezeigt, hatte der Hund klinisch, zu gleicher
Zeit sowohl Bewegungs- als auch psychische Störungen gezeigt,
von denen die ersteren besonders ausgeprägt waren.
Die diffuse subakute Meningo-Enzephalitis verläuft beim
Menschen mit Geistesstörungen (Geistesschwäche, Wahnideen),
die auch mit Bewegungsstörungen gepaart sind.
Obiger Befund ist ein Beweis, daß die diffuse subakute
Meningo-Enzephalitis nicht nur eine dem Menschen eigentümliche
Krankheit ist, und sie auch einem anderen Virus als dem
Syphilisvirus ihre Entstehung verdankt, nur sind beim Hunde,
518
der im Vergleiche zum Menschen nur eine rudimentäre Intelli¬
genz besitzt, dabei ganz besonders die Bewegungsstörungen
ausgeprägt.
Helfer.
Schwefelkohlenstoff gegen Distomatosis.
Von königl. ung. Tierarzt Rudolf Floris-Györ.
(AUatorvosi bapok 1907, Xr. 45.)
Im laufenden Jahre sind in Ungarn größere Überschwem¬
mungen vorgekommen und die hatten zur Folge, daß auch die
Distomatose an mehreren Orten in größerem Maße aufgetreten
ist. Bisher kannte man kein Mittel, welches, innerlich gegeben,
die Leberegeln getötet und entfernt hätte. Man beschränkte
sich daher bei der Behandlung der Distomatose auf gute Er¬
nährung und gab höchstens bittere Arzneien mit Mittelsalzen.
In vielen Fällen ist dabei auch 50 Proz. des Viehbestandes
zugrunde gegangen.
Anfangs dieses Jahres veröffentlichte Obertierarzt Julius
Taar seine Versuche, welche er bei Pferden gegen Würmer
mit Schwefelkohlenstoff machte. Floris machte nun ähnliche
Versuche bei der Distomatose. Er verwendete den Schwefel¬
kohlenstoff (Carboneum sulfuratum, CSj) in Gelatinakapseln zu
10—15 g pro dosi. Schon am nächstfolgenden Tage, nach der
Eingabe des Schwefelkohlenstoffes, war der Kot konsistenter,
von dunkelbrauner Farbe und sehr üblem, durchdringendem
Geruch; bei jeder DefÜkation konnte man aber 5—10 Dietomum
im entleerten Kot bemerken. Die erwähnte Gabe wurde sowohl
beim Jungvieh, wie beim Erwachsenen wöchentlich 3—4mal
wiederholt. Während der ganzen Behandlung zeigten sämtliche
Tiere großen Appetit. Eine unangenehme Nebenwirkung des
Schwefelkohlenstoffes wurde nicht beobachtet. Die Behandlung
ist dabei sehr billig, da eine Dosis nur 15 Heller kostet.
Dr. Z.
Behandlung der blutig-serösen Ansammlungen durch
Injektionen von reiner Jodtinktur.
Von Cadix und Pineau.
(Recueil d'Alfort, 15. Mai 1908.)
Schon seit ihrer Bekanntgabe durch Joyeux im Jahre 1903
wenden die Verfasser die Injektionen von reiner Jodtinktur zur
Behandlung der Sehnengallen, der Cysten und der blutig-serösen
Ansammlungen an, auf welch letztere sie in ihrer Abhandlung
näher eingehen.
Nachdem sie den um den hervorragendsten Punkt der Ge¬
schwulst liegenden Teil aseptisch gemacht haben, so stechen sie
dieselbe mit einer dicken Hohlnadel an, lassen etwa ein Drittel
des flüssigen Inhalts herausfließen und spritzen je nach der
Größe der Tasche 1—4 g Jodtinktur hinein, massieren die ganze
Geschwulst, so daß sich die Tinktur recht mit dem Inhalt ver¬
mischt und an die Wandungen herankommt. Ist die Geschwulst
von vornherein von einem Ödem umgeben, so machen sie vorher
einige Tage lang adstringierende Aufschläge von Lehm oder
kohlensaurem Kalk oder schwefelsaurem Eisen und Essig.
Nach der Injektion nimmt das Volumen der Geschwulst
recht schnell zu, um während 6 — 8 Tagen stationär zu bleiben,
worauf die Resorption der Flüssigkeit beginnt, die nach 14 Tagen
erfolgt ist. Während der ganzen Behandlungszeit können die
Pferde zur Arbeit verwendet werden.
Helfer.
No. 29.
Zur Wirkung des Antiperlostin.
Von Amtstierarzt Schade-Dresden.
^Deutsche Tierärztl. Wochenschrift 1908, Nr. 19.)
Schade hatte Gelegenheit bei einem Pferde mit vorn
beiderseitigen und gleichgroßen Überbeinen an dem einen Beine
Dr. Kleins Antiperiostin Quecksilber-Jodkantharidenpräparat)
und an dem anderen Beine ein scharfes Pflaster zu applizieren.
Das mit dem scharfen Pflaster behandelte Überbein war zirka
um */a seiner Höhe und Ausdehnung zurückgegangen, während
das mit Antiperostin behandelte nahezu völlig beseitigt war.
Rdr.
Über eine mit fibrinöser Pleuritis einhergehende
Pyämie der Kaninchen.
Mitteilung aus dem Institut für Seuchenlehre der Kgl. Ungar.
Tierärztlichen Hochschule.
Von Emerich Kopp&nyi,
Assistent des Instituts.
(Zeitschrift für Tiermedizin XI. Bd. 6. Heft.)
Koppänyi, hatte Gelegenheit eine Kaninchenseuche zu be¬
obachten und zu studieren, die von den von Beck, Kraus,
Tartakowszky, Volk, Eberth und Mandry und von Süd-
mersen beschriebenen Kaninchenseuchen verschieden ist. Es
handelt sich um eine zumeist akut verlaufende, fieberhafte
infektiöse Erkrankung, in deren Verlauf sich eine eiterig-fibrinöse
Pleuritis und Perikarditis, mitunter auch eine Peribronchitis
entwickelt, während in mehr chronischen Fällen außerdem auch
eiterige Abszesse im Unterhautbindegewebe entstehen. Der
Krankheitserreger ist ein aerober, polymorph gestalteter, von
einer Kapsel umhüllter, nur bei Körpertemperatur und auf
eiweißhaltigen Nährböden wachsender Bazillus, der sich in
größter Anzahl im pleuritischeri Exsudat vorfindet und fÜt deü
Koppänyi den Namen „Bacillus capsulatus pyaemiae cunciuli
(Tyobazillus capsulatus cuniculi“) vorschlägt. Rdr.
Untersuchungen Aber die bei der sog. „Kopfkrankheit“
der Pferde gefundenen Bakterien.
Inaugural-Dissertation, Gießen
von Tierarzt Hans Grimm aus Waldsee (Württemberg).
Unter dem Namen „Kopfkrankheit u versteht man eine in
Württemberg seit längerer Zeit bekannte und gefürchtete Er¬
krankung des Zentralnervensystems beim Pferde, welche in
genanntem Lande alljährlich nicht unerhebliche Opfer fordert.
Über die Ätiologie dieser Krankheit sind die Ansichten noch
geteilt. Einige rechnen die „Kopfkrankheit u der subakuten
Gehirnentzündung zu, andere wiederum halten dieselbe für iden¬
tisch mit der sogenannten Bornaschen Krankheit. Während für
letztere nach den Untersuchungen von Siedamgrotzky, Schlegel,
John und Ostertag, gewisse Bakterien in ursächliche Beziehung
gebracht werden können, fehlen derartige Untersuchungen für
die „Kopfkrankheit“ noch völlig. Neuerdings ist es Zwick-
Stuttgart gelungen, aus der Ventrikelflüssigkeit von 8 an der
„Kopfkrankheit“ gestorbenen Pferden Streptococcen zu züchten,
die unter einander übereinstimmende Merkmale aufweisen. G. hat
nun diese acht Bakterienstämme einer eingehenden, vergleichen¬
den Prüfung bezüglich ihres kulturellen und biologischen Ver¬
haltens unterzogen. Weiterhin hat G. in zwei weiteren Fällen
der „Kopfkrankheit“ dieselben Bakterien nachgewiesen. Endlich
sind vom Verfasser noch eine Anzahl gesunder Pferde auf das
Vorhandensein von Bakterien im Gehirn kurz nach dem Tode
geprüft worden.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
16. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
519
Auf Grund seiner Untersuchungen gelangt G. zu folgenden
Schlußfolgerungen;
1. In der Ventrikelflüssigkeit der mit der sogenannten
„Kopfkrankheit“ behafteten Pferde werden regelmäßig Strep¬
tococcen angetroffen, die im Vergleich mit den von Ostertag
gefundenen Borna-Streptocoecen keine wesentlichen Unterschiede
darbieten.
2. In der Gehirnflüssigkeit gesunder Pferde sind schon
wenige Stunden nach dem Tode Coccen (Staphylococcen und
Streptokokken) nachweisbar, welche in ihren Eigenschaften von
den Borna-Steptococcen abweichen. Dieser Satz muß allerdings
insofern eine Einschränkung erfahren, als der eine Stamm manche,
allerdings nicht weit gehende Ähnlichkeit aufgewiesen hat mit
den Streptococecn der Bornaschen Krankheit.
3. In Berücksichtigung der weitgehenden Übereinstimmung
des klinischen Bildes und der bei beiden Krankheiten gefundenen
Bakterien ist G. geneigt, anzunehmen, daß die in Württemberg
unter der Bezeichnung „Kopfkrankheit“ bekannte Erkrankung
der Pferde und die in Sachsen auftretende Bornasche Krankheit
als ein und dieselbe Krankheit aufzufassen sind.
Schmidt-Tetzlaff.
Beiträge zum Stadium der Folgen der Thyreoidektomie
bei Ziegen.
Vortrag, gehalten zur
Zschokke-Feier, von Prof. Dr. Zietzschmann-Zürich.
(Archiv für wisaeiuchaftl. und prakt. Tierheilkunde, 33. Band, 4. u. 5. Heft.)
Zietzschmann hat eine Reihe von Schilddrüsen-Exstir-
pationen bei Ziegen vorgenommen und die daraus sich ergebenden
Wahrnehmungen einer kritischen Würdigung unterzogen. Die
Operation machte nicht besondere Schwierigkeiten, immerhin
bedingt der große Blutgefäß-Reichtum eine gewisse Vorsicht.
Die Heilung trat immer per primam ein. Die Exstirpation
der Drüse geschah total, etwaige Teile eines Isthmus wurden
nicht stehen gelassen. Den letzteren trifft man bei Ziegen nicht
selten an, er wird auch zuweilen durch einen deutlich abgesetzten
bindegewebigen Strang ersetzt. Zur Operation gelangten 14 er¬
wachsene milchende und 3 junge, noch im Wachstum befindliche
Ziegen. Von den ausgewachsenen Tieren ließen 4 bei der
Sektion die Gegenwart einer accessorischen Schilddrüse erkennen,
bei einem fand sich ein parenchymatöser Isthmus. Von den
verbleibenden 9 Tieren erkrankten 2 unter leichteren, 3 unter
schwereren Symptomen, die mit dem Tode endigten. Der Rest
von 4 Ziegen, die keinerlei Erscheinungen bis zur Tötung
zeigten, wurde zu kurze Zeit beobachtet, als daß man ein end¬
gültiges Urteil abgeben könnte. Die Folgen der Thyreoidektomie
bestehen in: 1. Störungen des Nervensystems (fibrilläre
Zuckungen, Krämpfe, Stupor, Gleichgewichtsstörung), 2. Stö¬
rungen des Stoffwechsels (Abmagerung, myxödematöse Ver¬
änderungen des Bindegewebes, Hauterscheinungen, Anämie).
Bei den jungen Ziegen beobachtet man nach der Exstir¬
pation der Schilddrüse sofort eintretende Wachstumshemmung
und Atrophie, in selteneren Fällen myxödematöse Erscheinungen.
Um die Frage zu prüfen, ob Gaben von Schilddrüsenpräpa¬
raten (Thyreoidintabletten) den Verlauf der nach der Schild-
drüsenexBtirpation auftretenden Krankheitserscheinungen zu be¬
einflussen imstande sind, wurden 5 Versuche mit den operierten
Tieren angestellt. Die erhaltenen Resultate lassen daran denken,
daß durch die Schilddrüsengaben der Verlauf der entstehenden
Krankheit abgemildert werden kann. Weitere Untersuchungen
sind aber zur völligen KlarsteHung unbedingt nötig.
J. Schmidt..
Die Kindermilchprodnktion in wirtschaftlicher und
hygienischer Beleuchtung nnter besonderer Berück¬
sichtigung der im Rassestalle der Tierärztlichen Hoch¬
schule in Dresden gemachten Erfahrungen.
Von Medizinalrat Prof. Dr. Pusch in Dresden.
(Zeitschr. für Infektiouskr&nkb., paras. Krankl), u. Hyg. der Haustiere, ßd. III, 8. 401.)
Pusch hat in vorliegender umfangreicher Arbeit die viel¬
fachen Erfahrungen niedergelegt, die er während des nunmehr
fünfjährigen Bestehens des Rassestalles der Dresdner Hoch¬
schule bezüglich der mannigfachen Fragen der Milch-, ins¬
besondere der Kindermilchproduktion gesammelt hat. — Nach
kurzer Schilderung der Einrichtung und des Betriebs des Rasse¬
stalles sowie Besprechung der Beziehungen zwischen Kuhmilch¬
genuß und Tuberkulose wendet sich Pusch zur Frage der
Kindermilchgewinnung und zum Betriebe der Milchkuranstalten,
wobei er zunächst bei dem Gesundheitszustand der Kühe näher
verweilt. Pusch geht des Näheren auf den Wert der Tuber-
kulinisation ein. Er erinnert an die Möglichkeit des Vor¬
gespritztseins neu eingestellter Tiere. Kennt man die Herkunfts¬
verhältnisse der Tiere nicht, so besagt ein Impfschein, auf den
seitens der Behörden Wert gelegt wird, nichts. Es kann des¬
halb die bloße Ankündigung, die Tiere einer Milchkuranstalt
seien reaktionslos mit Tuberkulin geimpft worden, lediglich als
Reklame bezeichnet werden; über dem günstigen Impfergebnis
wird oft das klinische Verhalten der Tiere außer acht ge¬
lassen. — Interessant sind die Schlachtungsergebnisse bei 13
reagierenden Tieren des Rassestalles: es waren vier mit Tuber¬
kulose behaftet, die eine Beseitigung der Tiere wünschenswert
machte, drei mit Tuberkulose behaftet, die eine Beseitigung
der Tiere vollständig unnötig machte (die in ihrem Aussehen
schönen und in ihrer Leistung sehr guten Tiere sind bisher
noch nicht wieder in ihrer Qualität ersetzt worden), vier mit
Echinokokken behaftet, zwei gesund. — Ferner geht Pusch
auf den Tierversuch ein, ein wirksames Mittel zur Kontrolle
der Kindermilchkühe, das auch bei den reagierenden, klinisch
einwandfreien Kühen angewendet werden kann.
Im Rassestalle der Tierärztlichen Hochschule werden alle
drei Monate von jeder Kuh Milchverimpfungen an Meerschweinchen
vorgenommen. Dabei ergab sich, daß von den zahlreichen
Impfungen keine erfolgreich war, es blieben auch die 12 Kaninchen
und 93 Meerschweinchen, die Milch von 15 typisch und 5 zweifel¬
haft reagierenden Kühen, und weiter von einer nicht reagieren¬
den, aber leicht erkrankten Kuh — drei knapp erbsengroße
Knötchen in den Bronchialdrüsen — nnd ferner die 6 Meer¬
schweinchen, die Milch von zwei reagierenden und nach der
Schlachtung mit Lungentuberkulose behaftet befundenen Ziegen
intraperitoneal bzw. intramuskulär erhalten hatten, vollkommen
gesund. Pusch konnte somit die Untersuchungen Ostertags
nur bestätigen, der durch die Verimpfung der Milch von 67
lediglich auf Tuberkulin reagierenden, klinisch aber unverdächtigen
Kühen Meerschweinchen nicht zu infizieren vermochte, im Gegen¬
satz zu Mous8U und Lydia Rabinowitsch, die zu einzelnen
positiven Ergebnissen gelangten.
Jedenfalls beweisen die bisherigen Versuche, daß die Gefahr,
die dem Menschen durch den Genuß der Milch reagierender,
520
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29.
klinisch aber unverdächtiger Kühe droht, mehr als gering ist.
Am Schlüsse dieses ersten Teiles der Arbeit kommt er zu
folgenden Forderungen:
Die Kontrolle der Kindermilchkühe hat sich zu erstrecken:
1. Auf eine sorgsame klinische Untersuchung der Tiere bei
ihrer Einstellung.
2. Auf in regelmäßigen Zeitabschnitten wiederkehrende Unter¬
suchungen des Gesundheitszustandes und des Euters, das genau
abzutasten ist.
3. Auf die Tuberkulinisation.
Soll dieselbe aber nicht mehr oder weniger nur dekorativen
Zwecken dienen und unter Umständen nicht mehr schaden als
nützeü, so ist sie
a) nicht nur auf die Kühe vor ihrer Einstellung zu be¬
schränken, sondern
b) bei Tieren des Handels und bei solchen aus nicht ein¬
wandfreien Beständen nach drei Monaten, und
c) bei allen Tieren regelmäßig alljährlich zu wiederholen,
dabei sind aber
d) die unter b und c aufgeführten reagierenden Tiere nicht
zu entfernen, wenn sie sich bei der klinischen Untersuchung
und auf Grnnd ihres bisherigen gesundheitlichen Verhaltens
als unverdächtig erweisen.
4. Trotz Ausbleibens der Reaktion sind auch alle diejenigen
Tiere von der Kindermilchgewinnung auszuschließen, die sich bei
der klinischen Untersuchung verdächtig oder die krankhafte
Prozesse im Eutergewebe zeigen.
5. In zweifelhaften Fällen ist der Tierversuch auszuführen.
Die unter 3 gestellten Bedingungen sind aber nur dort zu
erfüllen, wo die Milch entsprechend hoch bezahlt wird. In vielen
Fällen wird man sich dhher begnügen müssen, wenn nur den
Forderungen unter 1, 2 und 5 Rechnung getragen wird und hier¬
mit auch bei sorgsamer Durchführung auskommen.
Nachdem die Haltung der Kindermilchkühe besprochen ist,
folgen beachtenswerte Darlegungen über die Milchgewinnung
und Milchbehandlung. In diesem Abschnitt werden u. a. be¬
rücksichtigt die Leukozytenprobe nach Kullmann und Tromms¬
dorff, der Keimgehalt bei den regelmäßigen Untersuchungen
im Rassestall, Kleidung und Verhalten des Melkers, der un¬
günstige Einfluß des Melkens und des Einstreuens vor dem
Melken usw. Zum Schluß beleuchtet er die Herstellung der
Kindermilch. Richter.
Das Ledumin.
Ergebnis der im Aufträge des preuß. Ministerium für Landwirtschaft,
Domänen und Forsten ausgeführten Untersuchung von Dr. Pinner,
Professor der Chemie an der tierärztlichen Hochschule zu Berlin.
Infolge der beiliegenden Eingabe des Tierarztes Sprengler
in Brüssow bin ich von Ew. Exzellenz beauftragt worden, das von
der Firma Georg Hauning in Hamburg unter der Bezeichnung
Ledumin in den Handel gebrachte Geheimmittel auf seine Bestand¬
teile zu untersuchen und über das Ergebnis der Analyse zu be¬
richten.
Die Beschaffung des Materials machte anfangs Schwierigkeit
und verursachte empfindlichen Zeitverlust. Bei den Berliner
Drogisten war das Mittel nicht vorhanden, auch nicht bekannt,
ebensowenig wußte man von seiner Existenz etwas im staatlichen
Untersuchungsamt für Nahrungs- und Genußmittel. Eine Bestellung
beim Fabrikanten unter Deckadresse führte nicht zum Ziel, weil
der Fabrikant mit dem Besteller Rücksprache über die Verwendung
des Materials nehmen wollte. So wurde denn durch die Groß-
drogeric Brückner, Lampe & Co. das Waschmittel aus Hamburg
beschafft und in zwei Formen erhalten: 1. in einer Blechflasche
von etwa 1 1 Inhalt, das in beiliegender Reklame bezeichnete Vieh¬
waschmittel, und 2. in Gläsern von etwa 50 g Inhalt mit der Be¬
zeichnung „Mittel gegen Vogelmilben usw.“, eine ebenso aussehende
Flüssigkeit zum Preise von 50 Pf.
Der Inhalt der Gefäße ist eine wie grau gefärbte Milch aus¬
sehende Emulsion von einem sofort an Kreolin erinnernden Geruch.
Nach den Ergebnissen der Analyse scheint auch Kreolin zur Her¬
stellung der Emulsion verwendet zu werden, obwohl es nur einen
untergeordneten Bestandteil ausmacht und wohl kaum als der
wesentlich wirksame Stoff in der Emulsion erachtet werden kann.
Es besteht nämlich der Inhalt der Blechflasche zu etwa 40 v. H.
aus einer wäßrigen Lösung und zu etwa 60 v. H. aus einem in
Wasser unlöslichen Öl, welches nichts anderes als Petroleum ist.
Die wäßrige Lösung ist im wesentlichen eine Seifenlösung, welche
gleichzeitig geringe Mengen einer karbolartigen Substanz enthält,
mit dem Geruch und den Eigenschaften der Phenole. Andere
anorganische Stoffe als Alkali sind in der wäßrigen Lösung nicht
aufgefunden worden. Da auch das in Wasser unlösliche und als
Petroleum konstatierte Öl im Rohzustände starken Teergeruch be¬
sitzt, so ist die Verwendung von Kreolin mehr als wahrscheinlich
gemacht.
Das Öl findet zu etwa 3 / 4 zwischen 120° und 270°, läßt beim
Schütteln mit konzentrierter Schwefelsäure etwa 10 Proz. unter
starker Dunkelfärbung der Säure sich lösen, während der ungelöste
Teil vollkommen unverändert bleibt. Es besitzt das spezifische
Gewicht 0,794 bei 25,6°, ist also amerikanisches Petroleum und
zwar der zu Leuchtöl verwendete Teil. Die in der Schwefelsäure
gelösten Anteile stammen nur zum Teil aus dem Petroleum.
Es ist also der wirksame Bestandteil des Waschmittels
Petroleum. Der wirkliche Wert von 1 1 der Flüssigkeit kann
höchstens 25—30 Pf. betragen, dazu kommt der Preis für die
Blechflasche mit etwa 15—20 Pf., während 1 1 tatsächlich
1,50 M. kostet.
Der Inhalt der Gläser unterscheidet sich nur unwesentlich und
nur in den Mengenverhältnissen von dem der Blechflaschen.
Tagesgeschichte.
Nochmals die Pauschal Vergütungen der Kreistierärzte.
Von Veterinärrat Preuße.
In Nr. 20 der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift be¬
findet sich ein mit Malkmns Unterzeichneter Artikel über „Die
Pauschalierung der Reisekosten und Tagegelder der preußischen
Kreistierärzte“, der diese Maßnahme in sehr ungünstigem Sinne
beurteilt. Dieser Artikel kann in verschiedenen seiner Be¬
hauptungen nicht unwidersprochen bleiben. Der Herr Artikel¬
schreiber zeigt sich über die Pauschalierung sehr aufgeregt, als
ob er selbst Kreistierarzt wäre und als ob er als solcher hier¬
durch bis in das Innerste seines Portemonnaies hinein auf das
empfindlichste getroffen worden wäre. Da er aber dies nicht
ist, so muß er einen oder auch vielleicht mehrere Gewährs¬
männer besitzen, deren Angaben er sodann auf die Allgemeinheit
der Kreistierärzte angewendet hat. Es hat stets Unzufriedene
gegeben und werden diese auch in Zukunft nicht aussterben;
daher wird es Niemanden Wunder nehmen, daß es auch jetzt
wieder Unzufriedene gibt, welche sich durch die Art der Fest¬
setzung der Pauschalvergütungen, wie sie jetzt vorgenommen
worden ist, für sehr benachteiligt halten. Ohne weiteres muß
auch zugegeben werden, daß die Einzelvergütung der Dienstreisen
eine gerechtere und demnach bessere Art der Bezahlung
ist, wie die Pauschalvergütung. Ebenso dürfte es zutreffen,
daß die Interessen der Vetbrinärpolizei durch die Einzel¬
liquidationen im allgemeinen besser gewahrt werden. Aber
andererseits bringt die Pauschalvergütung auch nicht unwesent-
16. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
521
liehe Vorteile mit sich, ich nehme hierin Bezug auf meinen
Artikel auf Seite 362 B. T. W. Der Herr Artikelschreiber in
der D. T. W. sagt nun, daß die Pauschalierung ausschließlich
im Interesse der Finanzen ohne Rücksicht auf das übrige Staats¬
wohl, ohne Rücksicht auf die Interessen der betreffenden Beamten
erfolgt ist. Dem muß nun entschieden widersprochen
werden. Wenn das Ministerium diesem Grundsatz hätte folgen
wollen, so hätte es eine ganz andere Art der Festsetzung der
Vergütungen annehmen können, als wie dies geschehen ist.
Wenn man die Summe, welche für Dienstreisen der Kreisärzte
in den diesjährigen Etat eingestellt worden ist, mit der Summe
der Pauschalvergütungen der Kreistierärzte vergleicht, so
bemerkt man auf den ersten Blick, daß letztere erheblich besser
gestellt worden sind.
Für die Kreisärzte sind für das ganze Jahr 865 000 M.
in den Etat gestellt worden, die Summe der Vergütungen der
Dienstreisen der Kreistierärzte beträgt 760 500 M. für das
halbe Jahr April/September. Sie ist also ganz erheblich
höher, wie die erstere, trotzdem die Reisekosten und Tagegelder,
wie sie die Kreisärzte früher bezogen haben, um 50 Proz. höher
waren, wie die bisherigen Reisekosten und Tagegelder der Kreis¬
tierärzte. Es kommt ferner hinzu, daß für die Berechnung der
Pauschal Vergütungen ein für die Kreistierärzte fast durchweg
sehr günstigesJahr gewählt worden ist, das Jahr 1906. Der
clu. Artikel sagt nun zwar mit Recht, daß ein Jahr nicht den
richtigen Durchschnitt von Reisekosten ergeben kann; er be¬
hauptet aber dann, daß das Jahr 1906 allgemein geringe
Reisekostenbeträge aufweist. Letzteres ist nur eine willkürliche
haltlose Annahme, sie mag vielleicht für einzelne Kreise zu¬
fällig zutreffen, im allgemeinen aber haben gerade im Jahre
L906 die Kreistierärzte verhältnismäßig hohe Reisekostenbeträge
su liquidieren gehabt, selbst unter Berücksichtigung des Durch¬
schnitts der letzten fünf Jahre. Die Pauschalvei gütung ist daher
im allgemeinen nicht wesentlich niedriger wie dieser Durch¬
schnitt. Ganz besonders trifft dies für die Kreistierärzte im
Osten zu.
Es dürfte vielleicht interessieren, wie die Verteilung der
760 500 M. auf die einzelnen Regierungsbezirke vorgenommen
worden ist und welcher Durchschnitt sich hiernach für die
Kreise eines jeden Bezirks ergibt. Die Stadtbereiche sind hierbei
außer acht gelassen, weil für diese entweder gar keine oder
nur verhältnismäßig geringe Vergütungen festgesetzt worden sind:
Durchschnitt für
Regierungsbezirk Pauschalbetrag jeden Kreis
Königsberg . . .
. 35 000 M.
rund 2 500
M.
Gumbinnen . . .
. 26800 „
„
2 230
n
Allenstein . . .
. 29 800 „
3310
„
Danzig ....
. 15 900 „
„
1 590
„
Marienwerder . .
. 33 000 „
„
2 200
r
Potsdam ....
. 27100 „
„
1 800
Frankfurt a. 0. .
. 22600 „
„
1250
„
Stettin ....
. 16 500 „
„
1370
V
Köslin ....
. 14 500 „
„
1220
V
Stralsund . . .
. 5 300 „
V
1320
n
Posen .
. 64 000 „
„
2 370
„
Bromberg . . .
. 4L 800 „
„
3 210
„
Breslau ....
. 44300 „
„
1 850
*
Liegnitz ....
. 35 600 „
„
1 890
„
Oppeln ....
. 41 800 „
„
2 090
„
Magdeburg . . .
. 17100 „
„
1252
„
Merseburg . . .
. 15 400 „
„
850
„
Erfurt .
. 3800 „
V
420
»
Durchschnitt für
Regierungsbezirk Pauschalbetrag jeden Kreis
Schleswig ....
. 41 000 M.
rund 2 000
»
Hannover ....
. 10100 „
„
920
Hildesheim ....
9100 „
„
610
Lüneburg ....
. 16 000 „
V
1 230
V
Stade .
. 12 300 „
n
880
Osnabrück ....
. 8 800 „
880
V
Aurich.
. 3 800 „
„
630
n
Münster.
. 15 400 „
1 540
v
Minden .
. 9 500 *
V
950
„
Arnsberg ....
. 23 000 „
„
1210
„
Cassel.
. 31600 „
„
1440
„
Wiesbaden ....
. 16 700 „
1040
v
Coblenz.
. 21 200 „
„
1 510
„
Düsseldorf ....
. 20 100 „
„
1 120
Cöln.
. 5 500 „
460
„
Trier.
. 13 300 „
„
1 100
„
Aachen.
. 11000 „
„
1 100
Sigmaringen . . .
. 1 400 „
„
360
„
Er stellt dies, um es nochmals zu wiederholen, die Ver¬
gütung für ein halbes Jahr dar. Aus vorstehender Nach¬
weisung ist ersichtlich, daß die für Pauschalvergütungen den
einzelnen Regierungen zur Verfügung gestellten Fonds sehr
differieren. Es hängt dies natürlich von der Größe der einzelnen
Kreise bzw. Bezirke und von dem Umfang der Dienstgeschäfte
ab. Die letzteren sind naturgemäß in den Grenzbezirken be¬
sonders den östlichen am umfangreichsten, hier mußten daher
auch die größten Pauschalvergütungen gewährt werden. Man
sieht aber auch aus der obigen Tabelle, daß das Ministerium
bemüht war, allen Verhältnissen gerecht zu werden und
die Vergütungen so zu verteilen, wie die Größe des Dienst¬
bezirks der Kreistierärzte uud der Umfang der Dienstgeschäfte
es erfordern. Der Umstand, daß hierbei ein für die Kreistier¬
ärzte besonders arbeitsreiches Jahr zugrunde gelegt worden
ist, berechtigt doch gewiß nicht dazu, zu behaupten, daß die
Festsetzung der Pauschalvergütungen ohne Rücksicht auf die
Interessen der Beamten erfolgt ist und daß letztere erheblich
benachteiligt worden sind. Das, was Herr Geh. Rat Schröter
in der Versammlung der beamteten Tierärzte im Dezember v. J.
gesagt hatte, daß bei der Pauschalierung der Kreistierärzte
„das erwähnte Sparsystem nicht die treibende Kraft sein dürfte“
ist demnach, so weit es sich um das erste Halbjahr 1908/09
handelt, erfüllt. Von dem Reisekostenaufkommen des Jahres
1906 hat der Herr Minister 10 Proz. zurückbehalten, um einen
Ausgleichsfond zur Hand zu haben. Hierzu macht der betr.
Artikel in der D. T. W. folgende Bemerkung: „Also von den
notorisch zu niedrigen Reisevergütungen wird noch ein Abzug
gemacht, daraus ein Fonds gebildet, zu Remunerierung solcher
Kreistierärzte, die erheblich über das Pauschale erhalten würden,
wenn die Pauschalierung nicht bestände? Was es mit den
„notorisch zu niedrigen Reisevergütungen“ auf sich hat, glaube
ich vorhin gezeigt zu haben. Die Bildung eines Ausgleichsfonds
halte ich im übrigen für sehr zweckmäßig, weil sie es er¬
möglicht, Bolche Kreistierärzte, welche durch die Pauschalierung
tatsächlich benachteiligt worden sind, angemessen zu entschädigen.
Da die Pauschalvergütungen für die meisten Kreistierärzte
ziemlich hohe sind, so werden sie durch einen Abzug von 10 Proz.
nicht allzusehr benachteiligt. Nach alledem können die Kreis¬
tierärzte im allgemeinen mit den für das 1. Halbjahr 1908/09
festgesetzten Pauschalvergütungen zufrieden sein. So weit ich
die Stimmung kenne, sind sie es auch. Die Behauptung
522
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29.
des Herrn Artikelschreibers, daß die Stimmung unter den Kreis¬
tierärzten eine sehr gedrückte ist, und daß ihre Berufsfreudig¬
keit eine starke Erschütterung erlitten bat, ist sicher unzutreffend.
Tatsächlich ist dies nicht der Fall, es liegt hierzu vorläufig
auch kein Grund vor. Ungewiß bleibt aUerdings die Zukunft,
da es immerhin nicht ausgeschlossen erscheint, daß die Pauschal¬
vergütungen späterhin herabgesetzt werden. Dies wäre dann
allerdings sehr zu bedauern, denn eine Herabsetzung der
Pauschalvergütung würde eine Benachteiligung der Kreistierärzte
zur Folge haben.
Es ist meines Erachtens nicht Aufgabe einer Fachpresse,
die Unzufriedenen durch ohne Grund beunruhigende Artikel in
ihrer Unzufriedenheit zu bestärken und die Zufriedenen
unzufrieden zu machen. Für vollends unangebracht muß
man es aber ansehen, wenn in dem betreffenden Artikel
den Kreistierärzten aus Anlaß ihrer Pauschalierung empfohlen
wird, bei den bevorstehenden Landtagswahlen frühzeitig
auf einen Schutz ihrer Interessen bedacht zu sein. Die
KreiBtierärzte besitzen wohl politische Reife genug, um zu
wissen, wie sie ihr Wahlrecht auszuüben haben, hierzu bedürfen
sie nicht des Rates des Redakteurs der Deutschen Tierärztlichen
Wochenschrift. Im übrigen ist die Ideenverbindung zwischen
Pauschalierung bzw. Gehaltsaufbesserung der Kreistierärzte und
Landtagswahl nicht recht verständlich, denn bekanntlich haben
bisher alle Parteien im Abgeordnetenhause der Aufbesserung
der Einkommensverhältnisse der Kreistierärzte wohlwollend
gegenüber gestanden.
Kurpfuschertum.
Die hiesige Strafkammer verhandelte heute gegen den
königl. Kreis- und Grenztierarzt Wolf Räbiger aus Habel-
schwerdt, und zwar unter Aufwendung eines größeren Zeugen¬
apparates. Die Anklage legte Räbiger zur Last, im Februar 1908
zu Habelschwerdt in Beziehung auf den königl. Kreisarzt
Medizinalrat Dr. Ludwig zu Habelschwerdt nicht erweislich
wahre Tatsachen behauptet oder verbreitet zu haben, welche
denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung
herabzuwürdigen geeignet sind. Auf der Tagesordnung der
letzten Generalversammlung des Vereins beamteter Tierärzte
(Berlin) stand unter anderem auch ein Vortrag des Angeklagten
Räbiger über das Überhandnehmen des Kurpfuschertums.
Dieser Vortrag ist nicht gehalten worden, und zwar aus dem
Grunde, weil andere vorher gehaltenen Vorträge die Zeit, welche
gedachter Generalversammlung zur Verfügung stand, in Anspruch
genommen hatten. Räbiger veröffentlichte daraufhin seinen
Vortrag in der „Berliner Tierärztl. Wochenschrift“ (Nr. 6).
Von der Tatsache, daß Räbiger genannten Vortrag veröffent¬
lichte, erfuhr ein Kunde des Räbiger, Maurermeister Tietze
in Habelschwerdt. Dieser ersuchte Räbiger um Überlassung
einer Nummer genannter Wochenschrift, in welcher der Aufsatz
betreffend Überhandnahme des Kurpfuschertums enthalten ist.
Räbiger gestattete daraufhin im Beisein eines Fabrikbesitzers
dem Tietze die gewünschte Einsicht, und zwar in einer Habel-
schwerdter Weinstube. Der Räbigersche Aufsatz befaßt sich
unter anderem eingehend mit der Tätigkeit des „Pfuschers“
Ludwig und mit dessen Verhältnis zu seinem Bruder, dem
königl. Kreisarzt Medizinalrat Dr. Ludwig, beide in
Habelschwerdt wohnhaft. In dem Aufsatze wird gesagt oder ist
zwischen den Zeilen zu lesen: Medizinalrat Dr. Ludwig habe
seinen Bruder (Tierheilkundiger), den „Pfuscher“ Ludwig
angelernt. Er unterstütze und protegiere ihn; deshalb habe in
der Grafschaft Glatz (Kreise Glatz, Habelschwerdt und Neurode)
der Glaube Wurzel gefaßt: Der „Pfuscher“ Ludwig ist ein appro¬
bierter Tierarzt und von seinem Bruder, dem Medizinalrat an¬
gelernt. Weiter ist in dem Räbigerschen Aufsätze gesagt oder
zwischen den Zeilen zu lesen: Medizinalrat Dr. Ludwig habe dem
„Pfuscher“ Ludwig an einem Kalbe den Schlundschnitt gezeigt
und die Revisionen der Apotheken mangelhaft ausgeführt, um
seinem Bruder die Praxis zu erhalten. (Rezepte.) Auch angesichts
der Tatsache, daß „Pfuscher“ Ludwig Menschen behandelt,
sei Medizinalrat Dr. Ludwig nicht pflichtgemäß vorgegangen,
während er andere Kurpfuscher energisch bekämpfte. Ferner
stehe „Pfuscher“ Ludwig in ungehöriger Verbindung mit
Apotheken. Die Besitzer derselben ließen sich diese Ungehörig-
keiten zu schulden kommen, um nicht Mißfallen des Medizinalrates
Dr. Ludwig, ihres Vorgesetzten, zu erregen. Der Angeklagte
gab an, nur Zustände geschildert zu haben, welche der Wirk¬
lichkeit entsprechen. Er trete den Wahrheitsbeweis für seine
Behauptungen an, außerdem beanspruche er seine Freisprechung,
weil er in Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 St.-G.-B.)
gehandelt habe. Die Beweisaufnahme war eine sehr eingehende.
Es wurden u. a. als Zeugen eidlich vernommen die Königl.
Kreistierärzte Quatscha - Glatz, Kölling - Neurode, Schmidtke-
Frankenstein, Veterinärrat Gückel - Münsterberg, Departements¬
tierarzt Koschel - Breslau, Tierarzt Römer - Glatz, Kreistierarzt
Wittlinger-Hanau, früher Habelschwerdt, sowie die Direktoren
der städtischen Schlachthöfe Glatz, Frankenstein und Neurode.
Nach 6 74 ständiger Verhandlung wurde folgendes Urteil gefäUt:
Der Angeklagte wird freigesprochen; die Kosten des
Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last. Bei Begründung
dieses Urteils führte der Gerichts Vorsitzende, Landgerichts¬
direktor Kalau vom Hofe, u. a. aus: Die Führung des Wahrheits¬
beweises sei Räbiger allerdings nicht voH gelungen. Es müsse
ihm aber unbedenklich der Schutz § 193 St.-G.-B. (Wahrung
berechtigter Interessen) zugebilligt werden. Das gelte nicht
bloß von der Veröffentlichung des Aufsatzes in der „Berliner
Tierärztlichen Wochenschrift“, sondern auch von der Übergabe
der Schrift an Maurermeister Tietze. Die Verhandlung habe
recht üble Mißstände bedenklicher und bedauerlicher Natur
aufgedeckt (Verhältnis des Medizinalrates Dr. Ludwig zu seinem
Bruder, dem „Pfuscher“ Ludwig).
Anklage wegen Meineides bei Ausübung der Sacbverständlgentfitigkeit
Am 3. und 4. Juli wurde vor dem Schwurgericht Bremen gegen
den praktischen Tierarzt Dr. Ehlers aus Bremen wegen Meineides
verhandelt. Der Anklage lag folgender Sachverhalt zugrunde.
Ehlers war am 26. September 1907 zu einer am 25. September
von S. gekauften Kuh gerufen und erklärte nach eingehender Unter¬
suchung die Kuh für hochgradig tuberkulös, weshalb er riet, einen
Prozeß auf Wandlung gegen den Verkäufer aozustrengen. Zur
Unterstützung seiner Diagnose will er alsbald eine Tuberkulin¬
injektion gemacht und am nächsten Tage eine Temperaturmessung
vorgenommen haben. Zwei Tage nachher brachte die Kuh ein
normales Kalb zur Welt. Später traten bei dem Tiere Erscheinungen
einer Gebärmutterentzündung auf, weshalb am 11. Oktober im
PolizeiBchlachthofe in Bremen die Schlachtung erfolgte. Der unter¬
suchende Tierarzt stellte eine jauchig-eitrige Gebärmutterentzündung
fest und eine chronische Katarrhalpneumonie, dagegen keine Tuber¬
kulose. Das Tier wurde für untauglich erklärt. Ehlers besichtigte
die geschlachtete Kuh gleichfalls, entnahm angeblich aus der Lunge
und den Lungenlymphdrüsen kartoffelgroße Stücke mit käsigen
16. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
523
Herden und prüfte diese auf Tuberkelbazillen. Er lieferte im
Termin am 11. März 1908 in der Klagesache zwei Präparate ein,
die er aus der Lunge und Lymphdrttso hergestellt hatte und in
denen Tuberkelbazillen enthalten sein sollten.
Ehlers regte selbst an, die Präparate im Hygienischen Institut
prüfen zu lassen und sie wurden Professor Dr. Tjaden, dem
Direktor des Hygienischen Instituts, zur Begutachtung übergeben.
Dieser erklärte dieselben für Ausstriche und Reinkulturen von
Tuberkelbazellen. Ehlers erbat sich, im Hygienischen Institut
Präparate anzufertigen. Es gelang ihm aber angeblich nicht, bei
wiederholten Versuchen vor Professor Dr. Tjaden, dem Abteilungs¬
vorsteher Dr. Meyer und dem Polizeiarzt Dr. Struwe, gleich¬
wertige Präparate zu machen. Nach einem ausführlichen Gut¬
achten seitens des Hygienischen Instituts erfolgte die
Anklage wegen Meineides. Derselbe sollte darin liegen, daß
entgegen der eidlichen Aussage
1. eine Tuberkulinimpfung nicht vorgenommen sei,
2. daß käsige Herde aus den Lungen und Lymphdrüsen
nicht entnommen waren,
3. daß die Angabe, Angeklagter hätte die Gebärmutter be*
funden, wie nach einer normalen Gebart, falsch sei und
4. die Präparate käuflich erworben, aber nicht aus dem Tier¬
körper hergestellt wären.
Außer den drei medizinischen Sachverständigen vom Hygienischen
Institut waren Geheimrat Eggeling, Berlin, Staatstierarzt Prof.
Dr. Peter-Hamburg, Obertierarzt Prof. Gläge-Hamburg, der
Direktor der städtischen Fleischbeschau, Obertierarzt Koch-Hannover
und der Leiter des Tierseucheninstituts in Kiel Dr. Bügge geladen
und, abgesehen von Geheimrat Eggeling, auch erschienen.
Die Verhandlung führte zur Freisprechung, da alle Verdachts¬
momente sich als hinfällig erwiesen, wie von den tierärztlichen
Sachverständigen überzeugend nachgewiesen werden konnte. Der
ganze Aufsehen erregende Prozeß wäre wohl vermieden
worden, wenn schon bei der Voruntersuchung tierärzt¬
liche Sachverständige eingehend gehört worden wären.
Studentenzahl an den Tierärztlichen Hochschulen im Sommersemester 1908.
Berlin 822 Studierende einschließlich 71 Studierende der Militär¬
veterinärakademie und ausschließlich 36 Hospitanten; Stärke des
1. Semesters 37. — Dresden 188 Studierende; Stärke des 1. Semesters
41. — Hannover 259 Studierende; Stärke des 1. Semesters 46. —
München 248 Studierende; Stärke des 1. Semesters 19. — Stuttgart
136 Studierende; Stärke des 1. Semesters 9. — Gießen 116 Stu¬
dierende; Stärke des 1. Semesters 17.
Gesamtfrequenz der deutschen Tierärztlichen Hochschulen dem¬
nach 1269, wovon auf das erste Studiensemester 169 entfallen. Das
ist eine Frequenz, wie sie auch vor 1902 nicht größer zu sein
pflegte.
Tierärztlicher Verein von Elsaß-Lothringen.
Sommerversammlung am Sonntag, den 19. Juli, vormittags
11 Uhr, in Straßburg, im „Hotel zur Krone“, Kronenburgerstraße,
(zugleichGeneralversammlungfür die Sterbe- und Unterstützungskasse.)
Tagesordnung:
1. Annahme des Protokolls der letzten Versammlung.
2. Vereinsbericht.
3. Kassenbericht.
4. Referat des Herrn Helfer über Milchkontrolle.
5. Mitteilungen aus der Praxis.
6. Aufnahme als« ordentliche Mitglieder der Herren: Gundel,
Kantonaltierarzt in Lauterburg, vorgeschlagen von den
Herren Breuning und Feist; Dr. Müller, Assistent am
Institut für Hygiene und Bakteriologie, vorgeschlagen von
den Herren Bubendorf und Feist; Prietzel, Kantonal¬
tierarzt in Drulingen, vorgeschlagen von den Herren Ruh er
und Dr. Stang.
7. Vorschläge für die nächste Generalversammlung.
8. Wahl des Ortes der nächsten Generalversammlung.
Um 1 Uhr gemeinschaftliches Mittagessen im Hotel zur Krone.
Der 1. Schriftführer: J. Zündel. Der Präsident: J. Bubendorf.
Flelschefel-Berufsgenossensohaft.
Denjenigen Herren Kollegen, welche den Verhandlungen der
Fleischerei-Berufsgenossenschaft beizuwohnen beabsichtigen, zur
Kenntnis, daß am Montag, den 21. d. M., abends 7 Uhr, in Mainz
im Konventhaus der Liedertafel, Gr. Bleiche Nr. 56, Schlaraffia¬
sälchen, eine Vorbesprechung zwecks Stellungnahme zu den An¬
trägen des Vorstandes der Berufsgenossenschaft stattfindet
Kühnau.
Studentische Reformgedanken.
Die Freie Studentenschaft der Technischen Hochschule zu
Berlin hat ein Schriftchen herausgegeben zur Einführung in das
akademische Leben. Neben dem Zweck, dem jungen Studenten
nützliche Winke zu erteilen, ist der Gegenstand auch die Erörterung
anderer wichtiger Fragen: Ehrenschutz, Alkohol und sexuelle Frage.
Die Freie Studentenschaft hat ein Ehrenschiedsamt für Duellgegner
und ein Waffenamt für Anhänger der Satisfaktion mit der Waffe
geschaffen; außerdem fungiert ein Vertrauensmann, der von allen
Studenten Erklärungen über ihre Stellung zur Genugtuungsfrage
entgegennimmt Hinsichtlich des Alkohols wird betont, daß der
akademische Stand auf diesem Gebiete schwere Verfehlungen gut¬
zumachen habe. Diesem Ausspruch wird man allerdings zustimmen
müssen, ohne deswegen Alkoholgegner zu sein. Recht beachtens¬
wert ist auch ein Aufsatz, welcher das Ziel verfolgt, der Kunst
auch in der Studentenbude Eingang zu verschaffen. Dort wird
hervorgehoben, daß Einfachheit, Geschmack und Zweckmäßigkeit
auf der Studentenbude nicht zu finden seien. Zur Besserung hat
unter anderm die Freie Studentenschaft eine „Leihbilderei“ be¬
gründet, aus der guter Bilderschmuck gegen eine mäßige Semester¬
gebühr entliehen werden kann. Mag man über die Einzelfragen
verschieden denken, mag manche Bestrebung weit über das Ziel
hinausgehen oder gar dem guten alten deutschen Studententum
abträglich zu werden drohen: das muß man anerkennen, daß heut¬
zutage in der Freien Studentenschaft ein reger Geist und das
redliche Bestreben sich bemerklich macht, das studentische Leben
auf moderner Basis gesund zu entwickeln. S.
Der Freien Studentenschaft (Wildenschaft) der Königl. Tier¬
ärztlichen Hochschule zu Berlin wurde für eine vorbildlich ein¬
gerichtete Studentenbude, die sie zusammen mit der Freien
Studentenschaft derUniversität Berlin auf der Studentenkunstaus¬
stellung in Stuttgart ausstellte (abgesehen von einzelnen Objekten
von Korporationen aus Hannover — leider die einzige Beteiligung
deutscher tierärztlfcher Hochschulen am Wettbewerb!) ein Ehren¬
preis zuerkannt (Piano im Wert von 900 M.). Mit der Ausführung
dieses Zimmers, ausgeführt in schlichten, aber zweckmäßigen und
gediegenen Formen nach Entwürfen von Prof. Riemers chm id von
den deutschen Werkstätten für Handwerkskunst in Dresden, nehmen
die Freistudentenschaften zum ersten Male in breitester Öffent¬
lichkeit den Kampf auf gegen all jene unwürdigen Verhältnisse
die heute für Studentenwohnungen, insbesondere in Großstädten,
charakteristisch geworden sind, deren Besserung aber das Interesse
des einzelnen, wie der Gesamtheit (Alkoholfrage! Sexuelle Frage!)
dringend erheischt.
Ein Tierarzt tl8 erfolgreicher Herrenfahrer.
Einen erfreulichen Erfolg auf der Trabrennbahn München-
Daglfing konnte am Donnerstag, den 9. Juni 1908, Herr F. Volk¬
mann, Assistent an der Königl. Tierärztlichen Hochschule in
München, feiern. Er gewann unter sieben Teilnehmern mit dem
Herrn Moser gehörigen Hagen I das „Vierte deutsche Herren¬
fahren“ und damit einen wertvollen Ehrenpreis.
Genossenschaftliches.
Der Umsatz und Stand der Wirtschaftsgenossenschaft deutscher
Tierärzte E. G. m. b. H. zu Posen zeigt für das abgelaufene
2. Vierteljahr 1908 gegenüber denen der Vorjahre folgendes Bild:
1905/06 1906/07 1907/08
Zahl der Mitglieder 281 372 481
Zahl der Warenausgänge 1271 1867 2373
Wert der Warenausgänge 37 303,82 M. 70 666,64 M. 79 763,44 M.
In der am 24. Mai d. J. stattgehabten Generalversammlung wurde
524
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29.
beschlossen, den für 1907/08 in Aussicht stehenden Gewinn wie
folgt zu verteilen:
a) dem Reservefonds bis 2000 Mark,
b) Unterstützungskasse einschl. bayerischer bis 2000 Mark,
c) 1500 Mark zur weiteren Verfügung der Generalversammlung,
d) den Rest als Warenrabatt an die Genossen.
Marks-Posen.
Tierhaltung und Tierzucht.
Über die 22 . Wanderausstellung der Deutschen
Landwirtschaftsgesellschaft in Stuttgart-Cannstatt.
Von Bezirkstierarzt Maier in Konstanz.
Begünstigt von der Witterung, fand in den Tagen des 25.
bis 30. Juni auf dem bekannten Wasen in Cannstatt, dem Schau¬
platz des im September alljährlich vor sich gehenden Volksfestes,
die vorzüglich verlaufene und äußerst zahlreich besuchte dies¬
jährige Wanderausstellung der D. L. G. statt Die uns an dieser
Stelle am meisten interessierende Tierzuchtabteilung war beschickt
mit: 319 Pferden, 657 Rindviehstücken, 277 Schafen, 509
Schweinen, 185 Ziegen, über 400 Geflügelnummern, 176 Kaninchen
und 223 Fischeinheiten nebst 8 Krebsaquarien. Außerdem waren
auch noch Schäferhunde ausgestellt, die ich aber leider nicht zu
Gesicht bekam.
Wie immer herrschten auch dieses Mal wieder die in dem
Ausstellungsgau und dessen Nachbarschaft gezüchteten Rassen und
Schläge vor.
Was zunächst die Pferdeabteilung anbetrifft, so hatten sich
an der Ausstellung für Reit- und Wagenpferde (sog. deutsche
Edelzucht) beteiligt: einige Hannoveraner Züchter mit Halbblut,
der Verband der Züchter des Oldenburger eleganten schweren
Kutschpferdes, Rodenkirchen mit Karossiers, das Königliche Privat¬
gestüt Weil mit zwei Halbbluthengsten, einem arabischen Voll¬
bluthengst und einer arabischen Vollblutstute, und endlich noch
einige württembergische Züchter mit hauptsächlich Holsteiner
Stuten. Es waren durchweg schöne, kräftige Tiere, von denen
sich besonders die Oldenburger durch Gewicht und Knochen¬
stärke auszeichneten. Die letzteren waren auch im Besitz von
Stutbuchauszügen. Auffallend hoch war auch das Königliche
Leibreitpferd, ein Halbblutpferd, das jeweils im großen Ring
vorgeführt wurde.
Reichhaltiger war die Abteilung der Arbeitspferde beschickt.
Hier war neben der Gräflich Rechbergschen Gutsverwaltung
mit Stuten des veredelten württembergischen Landschlags in
erster Linie der württembergische Pferdezuchtverein (mit dem
Verbandssitz in Stuttgart) mit 22 Stuten teilweise mit Fohlen
vertreten. Das Zuchtziel des Vereins ist gleich dem des Land¬
gestüts ein gängiges, mittelschweres Pferd, kräftig gebaut und
temperamentvoll. Die ausgestellten Tiere präsentierten sich gut
und kamen zum größten Teil dem Ideal eines Artilleriestangen¬
pferdes ziemlich nahe. Allerdings waren auch einige leichtere
Exemplare vorhanden; im allgemeinen konnte aber die Kollektion
als ausgeglichen angesprochen werden.
Das Landgestüt Marbach, das mit seinen Landbeschälern
in einem entfernter gelegenen Stall untergebracht war, hatte
seinen berühmten Hengst „Faust“ nebst mehreren seiner Söhne
und Enkel zur Ausstellung gebracht. Der erstere ist ein kräftig
gebauter, nunmehr 23 jähriger Original Anglo-Normänner mit tiefer
und breiter Brust und großer Gängigkeit. Er hat eine durch¬
schlagende Vererbungskraft wie seine Nachkommen beweisen.
I Der größte Teil derselben weist nicht allein die schwarzbraune
Farbe, sondern auch den schön gebogenen starken und breit
aufgesetzten Hals und zierlichen Kopf auf. Die Enkel er¬
scheinen allerdings etwas leichter. Aber die Gängigkeit und
die große Aktionsfreiheit haben sich vorzüglich vererbt. Es
war eine Lust, die Tiere vor dem Gig traben zu sehen.
Die Kaltblutzucht hatte verschiedene Vertreter entsandt.
So war zunächst der seit Anfang dieses Jahres gegründete
Verband der Württembergischen Pferdezuchtvereine für den
kaltblütigen Schlag, Geilingen, Steige, mit 3 Hengsten und
18 Fohlen teilweise mit Fohlen, auf dem Plane erschienen. Da •
es sich hier um eingeführte Belgier bzw. Rheinländer handelt,
so kann von einer weiteren Besprechung abgesehen werden.
Immerhin ist aber die Tatsache von Interesse, daß in dem bis¬
herigen fast ausschließlichen Gebiet der Halbblutzucht, wie es
in Württemberg der Fall war, sich auch die Kaltblutzucht An¬
hänger erwirbt. Wenn man in Stuttgart-Cannstatt vor den
zahlreichen Bier- und sonstigen Lastwagen die Kaltblüter sah,
so kann nicht geleugnet werden, daß die Kaltblutzucht einem
| gewissen Bedürfnis entgegenkommt. Das Zuchtziel des Vereins
ist der leichte belgische Schlag.
Der zweite hervorragende Vertreter der Kaltblutzucht war
der Verband der unterbadischen Pferdezuchtgenossenschaften,
der mit einer stattlichen Anzahl von Tieren, meistens Rot¬
schimmeln und Füchsen, zur Stelle war. Wenn dieselben auch
noch nicht die viel ältere Rheinländerzucht erreichten, so war
das Material im allgemeinen doch befriedigend. Ganz besonders
fielen die Jährlinge auf, die von einer rationellen Aufzucht und
guter Behandlung zeugten. Manche Stuten hätten bessere
Preise verdient.
Die Verbandsleitung hatte übrigens auf der Ausstellung von
dem bekannten Züchter und Händler zwei schwere Original-
Belgier Hengste für einen wichtigen Teil des Verbandsgebietes
(Eppingen) angekauft.
Ein ziemlich ausgeglichenes Bild züchterischer Tätigkeit
bot die rheinische Kaltblutzucht (Rheinisches Pferdestammbuch,
W T ickrath), was auch in den vielen Preisen zum Ausdruck kam.
Aber auch hier ist die Einfuhr belgischen Hengstmaterials
immer noch unerläßlich.
Gut abgeschnitten hat wiederum Meulenbergh-Hofstadt
(Rheinprovinz), der mit einer größeren Anzahl von Hengsten
und Stuten, teils Original-Belgier, teils selbstgezüchtet, zur
Stelle war. (Hinsichtlich der Auszeichnung nicht selbst
gezüchteter Tiere kann man verschiedener Ansicht sein. Sicherlich
dürfte die Zeit nicht mehr fern sein, wo auch hier eine ent¬
sprechende Änderung eintreten wird.)
Der Verband Schleswiger Pferdezuchtvereine, Steinfeld, war
mit einer kleinen, aber auserlesenen Sammlung vertreten. Die
temperamentvollen Tiere waren in Form und Farbe (Füchse)
ziemlich ausgeglichen.
Das württembergische Remontedepot Breithülen hatte eine
Anzahl Remonten, Stangenpferde, teils Württemberger, teils
Holsteiner, und zwar außer Preisbewerb ausgestellt. Es befanden
sich auch leichtere Tiere darunter.
Endlich waren auch Artillerie- und Kavalleriepferde des
württembergischen Armeekorps aufgeführt; bei den letzteren
handelte es sich meistens um Ostpreußen. Die prächtigen Vor¬
führungen der Tiere vor dem Geschütz bzw. unter dem Sattel
i6. Juli 1908.
berliner tierärztliche Wochenschrift.
525
im großen Ring waren sehr interessant und erregten stets den
lebhaftesten Beifall der dicht gedrängten Znschanermenge.
Den Clon der Ausstellung der ganzen Ausstellung bildete
entschieden die Rinderabteilung. Hier war es wiederum das
quantitativ und qualitativ weit überragende große Fleckvieh,
das die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich zog. Es bot
aber auch ein Bild zielbewußter züchterischer Tätigkeit, wie es
schöner und interessanter nicht gedacht werden kann. Die
große Anpassungsfähigkeit des Simmentaler Rindes wurde hier
gleichsam ad oculus demonstriert.
Drei große Zuchtverbände: Oberbaden, Oberbayern und
Oberschwaben rangen um die Siegespalme; mächtig wogte der
Kampf hin und her. Die Preisrichter hatten eine ungemein
schwierige Aufgabe zu lösen. Endlich neigte sich die Wag¬
schale zugunsten Oherbadens. Den Ausschlag gaben deren
sämtlich selbstgezüchtete Kühe, die hinsichtlich ihrer Größe,
Milchzeichen, namentlich der Euter und Ausgeglichenheit in
Form und Farbe, sich großartig präsentierten. Dieser günstige
Eindruck w urde noch wesentlich durch das vorherrschende leder¬
gelbe Pigment erhöht. Andrerseits war aber das vorgeführte
selbstgezüchtete männliche Material Oberbayerns vorzüglicher.
Es waren besonders die Söhne des Bullen „Regent“, die eine
sehr gute Aufzucht verrieten. Dagegen boten die Kühe Ober¬
bayerns nicht die Ausgeglichenheit in Form und Größe der¬
jenigen Oherbadens dar.
Die Tiere von Oberschwaben waren etwas kleiner wie die
der zwei anderen Mitbewerber. Sie waren aber ziemlich aus¬
geglichen in der Farbe, hatten vorzügliche Euter und einen
guten Schritt.
Von anderen Zuchtgenossenschaften präsentierte sich u. a.
Lahr gut mit schweren Tieren.
Das gelbe Frankenvieh und die Limpurger waren schön
ausgeglichen und gut in der Milch. Gegenüber früher war ein
entschiedener Fortschritt wahrzunehmen. Ein auffallend heller
Limpurger Farren (Nr. 374) hätte besser zu Hause bleiben
sollen; er wurde allerdings auch nur mit 59 Punkten gewertet.
Wie immer präsentierte sich das graubraune Gebirgsvieh
Württembergs und Bayerns, das Allgäuer Vieh, sehr gut in
Form und Farbe; es war, wie es bei solch alter und konstanter
Zucht nicht anders zu erwarten, sehr ausgeglichen. Dagegen
schien es mir, als ob namentlich die Württemberger auf der
Münchener Ausstellung 1905 besser vertreten gewesen wären.
Die Vogelsberger und die Odenwälder zeigten ausgeglichene
Formen. Die kleine Kollektion der Hinterwälder, die Angler
Süddeutschlands, wie sie der Berichterstatter in der Tierzucht¬
abteilung bezeichnete, erregte mit ihren vorzüglichen Eutern
die Bewunderung der Besucher. Sie heimste auch eine Reihe
von Preisen ein; allerdings fehlten in dieser Klasse die Mit¬
bewerber (Wälder- und Vogesenvieh).
Die Tieflandschläge waren, wie nicht anders zu erwarten
war, numerisch schwach vertreten. Dafür waren sie aber in
der Qualität gut bis sehr gut. Die schwarzbunten Schläge
hätten freilich zum Teil etwas bessere Milchzeichen aufweisen
dürfen. Ein BuUe Nr. 628 machte trotz seines Gewichtes und
seiner Länge einen kühischen Eindruck. Er wurde freilich auch
nur mit 52 5 /6 Punkten bewertet.
Sehr gut in der Milch waren die rotbunten Kühe des
Zuchtverbandes der Rheinprovinz. Hübsch namentlich zeichneten
sich die Kühe Nr. 610, 611 und 612 durch großartig entwickelte
Euter aus. Dabei war von einer Verfeinerung der Tiere
keine Rede.
Sehr ausgeglichen waren die Angler zur Stelle.
Auch die ausgestellten Shorthornkühe aus Bayern zeichneten
sieh durch auffallend gut entwickelte Euter aus. Der Bericht¬
erstatter in der Tierzuchtabteilung, Ökonomierat Walter-
Lengfeld, brachte sogar Akklimatisationsversuche mit dieser
Rasse in Stiddeutschland zum Vorschlag. Derselbe dürfte jedoch
kaum Verwirklichung finden.
Sehr praktisch war auch dieses Mal wieder die jeweilige
Anbringung der Preisrichterurteile (in Punkten) hinter den
Ständen der Tiere. Der erzieherische Wert der Ausstellung
wird dadurch wesentlich erhöht.
Die Schafabteilung bestand aus Merinos (also Wolleschafen),
Fleischschafen (Merino- und englischen Fleischschafen), deutschen
Rassen und Schlägen ( und endlich aus den sog. Karakulschafen.
Besonders die Fleischschafe waren mächtig entwickelte Tiere,
die sich sehr ansgeglichen präsentierten. Ein gewisses Interesse
boten die von Geh. Rat Prof. Dr. Kühn-Halle im Jahre 1905
aus der Buchara (Asien) eingeführten Karakulschafe. Es sind
kleine, sehr genügsame Steppentiere von schwarzbrauner Farbe
und mit eigentümlichen Fettschwänzen. Nach Exzellenz Kühn
haben die Lammfellchen, „Persianer“ genannt, einen hohen
Handelswert. Die Böcke sollen mit Heidschnucken oder anderen
Schafen gekreuzt werden. Prof. Kühn selbst hat bis jetzt gute
Resultate mit Kreuzungen des Rhön- und Frankenschlags, auch
vom Leineschaf und von Merinos erzielt. Bemerkt sei noch,
daß die Tiere zum ersten Male auf der 21. Wanderausstellung
der D. L. G. in Berlin-Schöneberg ausgestellt waren.
Die reichlich beschickte Schweineabteilupg zerfiel nach der
bekannten Einteilung in weiße Edelschweine, Berkshires, unver¬
edelte und veredelte Landschweine und andere nicht diesen
Rassen angehörende Schweine.
Bei den Edelschweinen war die Behaarung eine ungleich¬
mäßige; einige Tiere wiesen zu lange Köpfe auf. Im übrigen
war meines Erachtens diese Abteilung auf früheren Ausstellungen
schon besser vertreten.
Gleichmäßig und ausgeglichen in Form und Farbe (mit den
charakteristischen weißen Rasseabzeichen) waren die Berkshires
zur SteUe.
Die unveredelten Landschweine (Hannover.-Braunschweig.
Landschwein und halbroten bayerischen Landschweine) präsen¬
tierten sich zum Teil auffallend gut im Gewicht. Die Tiere
machten einen robusten, widerstandsfähigen Eindruck, der
durch die Gleichmäßigkeit in Farbe und Abzeichen wesentlich
erhöht wurde.
Die besten züchterischen Leistungen bot aber das veredelte
Landschwein dar. Die zahlreich beschickte Kollektion — fast
die Hälfte sämtlicher Schweine — war auch qualitativ sehr
hervorragend. Die Stuttgarter Ausstellung hat nach meinem
Dafürhalten die früheren weitaus tibertroffen. Die Tiere waren
nicht allein ziemlich ausgeglichen in Form und Farbe und
gleichmäßiger Behaarung, sondern zeichneten sich auch durchweg
durch ein hohes Gewicht und Frohwüchsigkeit aus. Merkwürdig
selten waren dunkle Hautflecken zu beobachten. Jedenfalls
haben wir es hier mit Leistungen zu tun, die dem Fleiß und
der Intelligenz der Züchter zur höchsten Ehre gereichen.
Hannover und Westfalen ragten vor. Zum ersten Male
war auch der Verband der Schweinezuchtgenossenschaften des
526
Kreises Freiburg (Baden) vertreten; die langgestreckten Tiere
dieser übrigens schon Jahrzehnte alten Zucht boten gute Leistungen
dar. Der bekannte Hochzüchter Felix Hoesch-Neukirchen
schnitt sehr gut ab.
Die anderen Rassen und Schläge (Meißner und Baidinger
Tigerschweine) waren nur in wenigen, aber guten Exemplaren
vertreten.
Auffallend gering war die Zahl der Mutterschweine mit
Jungen. Im übrigen hatten die Tiere sehr unter der großen
Hitze zu leiden. Es dürfte sich in Zukunft empfehlen, die Zelt¬
dächer häufiger mit Wasser zu bespritzen, um so eine Ab¬
kühlung zu ermöglichen.
Die Ziegenausstellung überragte den Durchschnitt um
80 Stück. Sie war gegenüber früher ziemlich einfach und über¬
sichtlich, da zum ersten Male die neue Einstellung in weiße
und bunte Schläge in Kraft trat. Die ersteren umfaßten die
Zuchten Hessens und Thüringens (Langensalza), während zu
den letzeren die wtirttembergischen Zuchten, die Harzer Ziegen
und der Zuchtverein Wintersheim (Hessen) gehörten. Die be¬
kannten Ziegenzuchtvereine Badens fehlten.
Bei den weißen Schlägen ragten die Ziegen Oberhessens
wieder vor. Auch die Laugensalzaer Zucht hat gegenüber
früher einen wesentlichen Fortschritt in Größe aufzuweisen.
Die Euter waren gut entwickelt.
Die württembergischen Schläge, hier vor allem der Ziegen¬
zuchtverband Tuttlingen, zeichneten sich durch eine große Aus¬
geglichenheit in Farbe und Abzeichen aus. Es handelt sich hier
um den sog. Schwarz waldschlag. Die Tiere sind von reh¬
brauner Farbe mit dunklem Rückenstreifen und dunkleren Ab¬
zeichen an den Füßen, sie sind kräftig gebaut; haben gute Bein :
Stellung und schöne Euter. Die Böcke sind groß und kräftig.
Wir haben es hier mit einer bodenständigen Zucht zu tun, die
sicher noch eine große Zukunft hat.
Es sei noch bemerkt, daß nach dem Vorgänge früherer
Ausstellungen auch bei den Ziegen, wie ich bemerken konnte,
Messungen vorgenommen wurden. Hoffentlich werden die Er¬
gebnisse auch veröffentlicht werden.
Die Kaninchenausstellung war mit 176 Nummern beschickt.
Das Hauptkontingent stellten die belgischen Riesen mit
66 Nummern. Es handelt sich um ein besonders in Süd¬
deutschland verbreitetes Fleischkaninchen, das sich durch großes
Gewicht und Länge auszeichnet und eine große Anhängerschar
besitzt. Die vorgeführten Tiere waren zum Teil wahre Pracht¬
exemplare. Ferner waren die Silberkaninchen sehr schön ver¬
treten. Hier spielt das Fell eine Hauptrolle.
Ein interessantes Bild züchterischer Leistung boten die
russischen Kaninchen, eine sog. Sportzucht. Das glänzend weiße
Fell weist eigenartige Zeichnungen auf; die Ohren, die Füße,
die Nase und die Blume (Schwanz) sind schwarz, metallisch
glänzend. Die schwarze Farbe muß scharf abgeBchnitten sein
und darf nicht in das Weiß der Nachbarschaft übergehen. Die
Augen (Retina) sind in der Regel rot. Nach der Art der
Zeichnung geschieht auch die Bewertung (in Punkten).
Ferner waren noch Angorakaninchen, französische Widder usw.
vertreten. Die letzteren sind Tiere mit lang herabhängenden
Ohren, wodurch das widderartige Aussehen herbeigeführt wird.
Zu bedauern war, daß sowohl die Standards (Preisrichter¬
urteile) wie auch die Bezeichnung der Rassen bzw. Schläge der
Kaninchen an den Käfigen fehlten. Der erzieherische Wert der
No. 29.
Ausstellungen wird dadurch immerhin beeinträchtigt. Gewiß
standen alle diese Rassen in dem Katalog verzeichnet. Es ist
aber nicht jeder Besucher in der Lage oder gewillt, sich den¬
selben anzuschaffen. Hoffentlich wird die sonst so rührige
D. L. G. auch auf diesem Gebiete Wandlung eintreten lassen.
Die Geflügelausstellung umfaßte Hühner, Wassergeflügel
(Enten und Gänse), Truthühner, Perlhühner und Tauben. Das
interessanteste Bild bot die Hühnerabteilung, die in zahlreichen
Rassen und Schlägen vertreten war. Auffallend war das durchweg
große Gewicht nicht allein der Mast-, sondern auch der Lege¬
hühner. Überall sehen wir einen energischen, zielbewußten
Fortschritt, der nicht zuletzt dem genossenschaftlichen Vorgehen
zu verdanken ist.
Eine bemerkenswerte Neuerung war die Vorführung eines
Teils der Tiere in mit Auslauf versehenen Stallungen. Auch
die Anbringung der Richterurteile an den Käfigen war mit
Freuden zu begrüßen. Aber auch hier fehlte wieder zum
größten Teil die Bezeichnung der Rassen bzw. Schläge.
Sehr interessant und lehrreich waren die Darstellungen von
Geflügelzüchtereien und Einrichtungen für ländliche Geflügel¬
haltung und derjenigen zur Förderung der Geflügelzucht; die
letzteren waren allerdings außer Preisbewerb. Eine große An¬
ziehungskraft üben jeweils die in voller Tätigkeit befindlichen
Brutapparate aus.
Eine sehr interessante, fast überreichliche Ausstellung war
endlich noch die Fischereiabteilung. Sie erstreckte sich in der
Hauptsache auf den Ausstellungsgau; ihre Darbietungen legten
aber ein beredtes Zeugnis ab von dem günstigen Stand der
Fischzucht des allerdings ziemlich flußreichen Ausstellungs-
gebietes. Sie bestand aus den Zuohtfischen (Salmoniden, Karpfen*
Schleien und sonstigen Nutzfischen) nach Jahrgängen und aus
Wildflschen (Bach- und Regenbogenforellen, Aale usw.). Ferner
waren noch mehrere Krebsaquarien vorhanden. In der Vorhalle
befand sich die sog. Trockenausstellung mit wissenschaftlichen
Darstellungen und Hilfsmitteln zur Fisch- und Krebszucht.
Der jeweils herrschende starke Andrang machte die Be¬
sichtigung in dem langen, schmalen Zelt ziemlich schwer. Meine
Teilnahme an der Sitzung der Fischereiversammlnug und die Be¬
handlung einiger auf der Aufstellung gemachter Wahrnehmungen
daselbst, wie Kiemendeckelverkürzung und die Drehkrankheit,
machten mir klar, daß neben vielen anderen Gegenständen auch
die Fischzucht so bald als möglich in den Lehrplan der tierärzt¬
lichen Hochschulen aufzunehmen ist.
Die Abteilung 2 wurde nach dem Schauverzeichnis von den
Erzeugnissen gebildet. Hier nahmen Milch, Butter und Käse
einen breiten Raum ein; dieselben waren in der Butter- bzw.
Käsehalle untergebracht.
Nach dem Vorgang in Düsseldorf fand auf der Stuttgarter
Ausstellung in Anbetracht der großen Bedeutung einer reinlich
gewonnenen und gehaltreichen Milch zum zweitenmal ein Wett¬
bewerb in Frischmilch statt. Derselbe ging nach dem Punktier¬
verfahren mit folgenden Höchstzahlen vor sich: für Geschmack 6,
für Geruch 3 und für Aussehen (Farbe, Dickflüssigkeit, Boden¬
satz) 3 Wertmale. Es gelangten drei Preise und vier Aner¬
kennungen zur Verteilung.
Eine große Anzahl von Molkereien hatte Butter (ungesalzen
und gesalzen) ausgestellt; auch hier geschah die Bewertung nach
einem bestimmten Schema.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
16. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
527
Daneben erregten noch Darstellungen verschiedener Art in
der Bütterhalle das Interesse der Besucher, so die illustrierten
Wandtafeln zur Veranschaulichung des Hegelundschen Melk¬
verfahrens (Ausst. milchwirtschaftliches Institut der Molkerei¬
schule Weihen8tephan), ferner die Karten der D. L. G., die die
Milcherzeugung im Deutschen Reiche im Verhältnis zur Ein¬
wohnerzahl und ferner im Verhältnis zur landwirtschaftlich be¬
nutzten Fläche usw. zur DarsteUung brachten.
In der Käsehalle waren alle möglichen Sorten von Käse
ausgestellt.
Von ganz hervorragendem Interesse waren die in der großen
Erzeugnishalle untergebrachten und das Ziel vieler Tausenden
bildenden wissenschaftlichen Darbietungen wtirttembergischer
Staatsbehörden und Lehranstalten. Die Statistik, Wasser- und
Straßenbau, Meteorologie, Geologie usw. kamen da in sehr an¬
schaulicher Weise zur Darstellung. Neben den Vorführungen
der landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim waren es aber
ganz besonders die Tierärztliche Hochschule Stuttgart, die auf
diesem Gebiete den Vogel abgeschossen hatte. Da war in erster
Linie das Anatomische Institut, das eine Anzahl von Skeletten
landwirtschaftlicher Nutztiere und eine charakteristische Schädel¬
sammlung ausgestellt hatte. Außerdem war eine Reihe von
Injektions-Korrosionspräparaten von Blutgefäßen vom Hut bezw.
Klanen, Euter usw. znr Stelle. Das Institut für Seuchenlehre,
Fleisch- und Milchhygiene war mit Sammlungen pathogener
Bakterien, Milchbakterien, Impfstoffen usw. vertreten. Die
chirurgische Klinik hatte Instrumente, Arbeiten von Professor
Hoffmann über künstliche Befruchtung der Stuten usw. zur
Darstellung gebracht. Das Pathologische Institut lieferte eine
Anzahl interessanter Präparate, so Tuberkulose des Herzens,
ferner Abbilder einer Pferdeleber mit Echinokokken, Schnittbilder
großer Röhrenknochen usw. Endlich war die Beschlagschmiede
mit Zeichnungen, Modellen und Präparaten am Platze.
Nach meinem Dafürhalten übten die Darbietungen der Tier-
ärztUchen Hochschule die größte Anziehungskraft auf die un-
gemein große Besucherzahl aus. Sicherlich werden viele der¬
selben einen Begriff von dem hohen Stand der tierärztlichen
Wissenschaft erhalten haben.
Der Vollständigkeit wegen sei noch erwähnt, daß an der
„Thaerstraße“ wieder mehrere Verlagsanstalten mit einer Reihe
von Zeitschriften und Werken tierärztlichen und landwirtschaft¬
lichen Inhalts vertreten waren. (Das Schauverzeichnis führt
diese Gruppe unter der Bezeichnung „Lehrmittel“.)
Die dritte Abteilung umfaßte die landwirtschaftlichen Ge¬
räte- und Bauwesen. Wenn sie im allgemeinen auch kein so
großes Interesse für uns Tierärzte bot, wie die zwei anderen
Gebiete, so waren doch auch ganz bedeutsame und beachtens¬
werte Vorführungen am Platze.
In erster Linie waren die milchwirtschaftlichen Maschinen
und Geräte in einer großen Mannigfaltigkeit vertreten. Es sei
nur an die vielen Milchschleuder (Hand und Kraft), Milchkühler
und sonstigen molkereitechnischen Gegenständen erinnert. Sie
zeugen von den großen Fortschritten der deutschen Milch¬
wirtschaft.
Daß die bekannte Firma H. Hauptner-Berlin vertreten
war, braucht bei deren großer Rührigkeit an dieser Stelle nicht
weiter auseinandergesetzt zu werden. Beachtenswert waren
auch die Ausstellungen der Nürnberger Sonderfabrik für Stall-
einrichtungeu Berg. Die Schwebe Vorrichtung für kranke Pferde
oder Rinder bot allerdings nichts Neues dar. Franz Hütten¬
rauch-Apolda hatte unter anderem auch einen Sprungkasten
für Schweine ausgestellt; derselbe soll das Decken schwacher
Muttertiere durch den schwersten Eber ermöglichen.
Eine merkwürdige Vorführung war der von einer liannove-
ranischen Firma ausgestellte Geburtshelfer für Rindvieh, der
den bezeichnenden Namen „Victor“ trug und stets von einer
andächtigen Menge angestaunt wurde. Daß eine derartige Vor¬
richtung zum mindesten höchst überflüssig ist, bedarf hier
keiner weiteren Begründung.
Wenn wir am Schlüsse noch einmal einen Rückblick auf
die so glänzend verlaufene Stuttgarter Wanderausstellung der
D. L. G. werfen, so hat sie uns gezeigt, daß sich die deutsche
Landwirtschaft dank der Selbsthilfe auf allen Gebieten in er¬
freulicher Weise aufwärts bewegt. Ganz besonders trifft diese
Tatsache für die Tierzucht zu. Hier ist namentlich der ge¬
nossenschaftliche Gedanke, der immer größere Triumphe feiert.
Nicht das letzte Verdienst hieran gebührt der D. L. G. und
ihrem genialen Begründer, dem unvergeßlichen Württemberger
Ingenieur Max v. Eyth.
Aber auch wir Tierärzte dürfen mit dem Verlauf der Aus¬
stellung zufrieden sein. Hat sie doch einerseits wiederum vor
Augen geführt, daß sich eine große Anzahl von Kollegen,
namentlich in Süddeutschland in leitender Stellung, auf sämt¬
lichen Tierzuchtzweigen und nicht zum Schaden derselben tätig
war. Andrerseits war ihre Mitwirkung als Preisrichter eine so
zahlreiche, daß sie dem Berichterstatter in der Tierzucht¬
abteilung auffiel und von ihm eine vermehrte Heranziehung von
Tierzüchtern verlangt wurde. Es wurde ihm allerdings auch
eine entsprechende Änwort zuteil. Endlich war auch die Zahl
der tierärztlichen Besucher eine sehr große.
Erwähnt sei noch, daß ein Festkommers Studenten und eine
große Anzahl alter Herren vereinigte. Der Vertreter der Land¬
wirtschaft sprach unter großem Beifall bedeutsame anerkennende
Worte für die Tiermedizin und ihre engen Beziehungen zur
Landwirtschaft.
Bücheranzeigen und Kritiken.
Beitrag zur Geschichte des Landesverbandes Preußischer Triohinen-
und Fleischbeschauer-Vereine mit besonderer Berücksichtigung der
Bestrebungen desselben für die Fleisch- und Trichinenschauer eine
Teilnahme an den staatlichen Wohlfahrtseinrichtungen zu erzielen.
Von Wilh. Schmidt in Düsseldorf, ersten Vorsitzenden des Verbandes.
Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz, Berlin SW. 48, Wilhelm-
Straße 10. Preis 0,60 M.
Der soziale Ausschuß von Vereinen technischer Privatangestellten
hatte an den Präsidenten des Kaiserlichen statistischen Amtes die Bitte
gerichtet, in den Veröffentlichungen des Statistischen Amtes Übersichten
über die Entwicklung und den Stand der Organisationen der Privat¬
beamten in zusammenhängender Form zu veröffentlichen. Die in
Betracht kommenden Verbände, darunter auch der den Privatbeamten
angeschlossene Landesverband Preußischer Trichinen- und Fleisch¬
beschauer - Vereine, sind daraufhin anfgefordert, Material über die
Geschichte, Organisation und Verfassung des Verbandes zu liefern. Die
vorliegende Druckschrift, die einen Sonderabdruck aus der „Deutschen
Fleisch beschauer-Zeitung“ darstellt, ist der von Schmidt zu diesem
Zwecke verfaßte Rericht. Glage.
Der Trichinenschauer. Leitfaden für den Unterricht in der Trichinen¬
schau. Von Dr. A. Johne, Geheimer Medizinalrat, ehemaliger Professor
an der Königlichen Tierärztlichen Hochschule in Dresden. Zehnte Auf¬
lage. Verlagsbuchhandlung Paul Parey, Berlin, Hedemannstr. 10/11.
Preis 3,76 M.
Die zehnte Auflage ist im wesentlichen abgefaßt wie die neunte,
nur an einigen Stellen vervollständigt und den einschlägigen Reichs¬
und Laudesgesetzen angepaßt. Mehrere Abbildungen wurden neu ein-
gefügt, andere durch bessere ersetzt, Glage.
5*28
No. 29.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Taschenkalender für Fleischbeschauer und Trichinenschauer. Achter
Jahrgang, 1908, herausgegeben von Dr. A. Johne, Geheimer Medizinalrat,
ehemaliger Professor an der Königlichen Tierärztlichen Hochschule zu
Dresden. Verlagsbuchhandlung Paul Parey, Berlin, Hedemannstr. 10/11.
Preis geb. 2,25 M.
Der Johnesche Taschenkalender ist seiner bewährten Einteilung
und der Vielseitigkeit des Inhaltes wegen den in der Fleischbeschau
tätigen Tierärzten bereits so bekannt, daß es genügt, das Neuerscheinen
der achten Auflage anzuzeigen. Einer eingehenden Besprechung bedarf
der Taschenkalender nicht mehr. Glage.
Die Schlachtviehversicherungs-Gesetzgebung des Königreichs Sachsen
nach den Gesetzen vom 2. Juni 1898 und 24. April 1906. Zum
Gebrauch für Verwaltungsbeamte, Gemeindvorstände, Tierärzte, Fleisch¬
beschauer und Tierbesitzer, zusammengestellt und erläutert von Medizinal-
rat Dr. Richard Edelmann, Königlich Sächsischer Landestierarzt, Professor
an der Königlichen Tierärztlichen Hochschule in Dresden. Leipzig 1907.
RoßbergBche Verlagsbuchhandlung. Preis 1,80 M.
In dem handlichen, kleinen Werke sind alle in Betracht kommenden
Gesetze, Bekanntmachungen und Verordnungen, die die sächsische staat¬
liche Scblachtviehversicherung betreffen, übersichtlich zusammengestellt.
Dem Tierarzt und dem Fleischbeschauer wird daher die Sammlung bei
ihrer Mitwirkung an der staatlichen Schlachtviehversicherung sehr will¬
kommen sein, um so mehr, als die Einzelheiten, soweit es nötig erschien,
durch Fußnoten entsprechend erläutert und näher aufgeführt sind.
Glage.
Einrichtung und Betrieb von Sfiuglingsmilchanstalten. Von M. Kühnau,
Direktor des städtischen Schlacht- und Viehhofes in Köln und
Dr. A. Clevisch, städtischer Tierarzt und Leiter der Säuglingsmilch¬
anstalt der Stadt Köln. Berlin 1908. Verlag und Druck von Rein¬
hold Kühn, Berlin SW. 19, Leipzigerstr. 73/74.
In Köln ist in Verbindung mit dem Schlachthofe eine Sänglings-
milchanstalt errichtet, die seit Juli 1906 im Betriebe, von den Verfassern
geleitet wird. Das Buch schildert eingehend die Einrichtung und den
Betrieb dieser Anstalt, die als Muster für ähnliche Wohlfahrtsein¬
richtungen dienen kann. Die Vorzüge, die Milchküchen auf dem
Schlachthofe zu errichten, sind unverkennbar, da durch das Vorhanden¬
sein der maschinellen Anlagen und genügender Arbeitskräfte der Betrieb
sich billig gestalten kann. Während in Berg.-Gladbach eine ähnliche
Einrichtung in für die Kleinstadt passendem Rahmen vorhanden ist,
zeigt Köln die Anlage für eine Großstadt. Es ist zu erwarten, daß
nach und nach in vielen Städten Milchküchen entstehen werden, die
sich unter Leitung der Schlachthoftierärztc befinden. Dieses erstrebens¬
werte Ziel zu fördern, ist die vorliegende Beschreibung sehr geeignet
und die Durchsicht des Buches deshalb besonders zu empfehlen.
* Glage.
Die Kindermilchproduktion in wirtschaftlicher und hygienischer Be¬
leuchtung unter besonderer Berücksichtigung der im Rassestall der Tier¬
ärztlichen Hochschule in Dresden gemachten Erfahrungen. Von Medizinal¬
rat Dr. Pusch, ordentlicher Professor an der Tierärztlichen Hochschule
in Dresden und Landestierzuchtdirektor. Mit 10 Textabbildungen.
Berlin 1908. Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz, Wilhelm¬
straße 10. Preis 2 M.
In einer ausgezeichneten Arbeit bespricht Verfasser die Förderungen,
die speziell an die Kindermilchproduktion zu stellen sind, nach eignen Er¬
fahrungen in erschöpfender Weise. Bei der außerordentlichen Wichtig¬
keit, welche heute der Verbesserung der Milch Versorgung für die Säuglings-
ernährung beigemessen wird, besitzt die Arbeit für die Tierärzte eine
besondere Bedeutung und sei deshalb zur Beschaffung bestens empfohlen.
Glage.
Neue Eingänge.
(Besprechung Vorbehalten.)
Nevermann, Regierungsrat, Veröffentlichungen aus den Jahres¬
veterinärberichten der beamteten Tierärzte Preußens für
daB Jahr 1905. VI. Jahrg, II. Teil. Verlagsbuchhandlung Paul
Parey. Berlin 1908.
Dr. med. vet. Richter, Hoftierarzt, Die Hundestaupe, ihre Vor¬
beugung und Behandlung durch Impfung. Mit 4 Doppeltafeln
Eduard H. de Rot. Dessau 1908. Preis 3,50 M.
Geheimrat Prof. Rubner, Direktor des Hygien. Inst. d. Universität
Berlin, Volksernährungsfragen. Akademische Verlagsgesellschaft
m. b. H Leipzig 1908. Preis brosch. 5 M., geb. 6 M.
Entscheidungen des Preußischen Ehrengerichtshofes für Ärzte.
I. Band. Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz. Berlin 1908.
Preis broschiert 4,80 M, gebunden 5,50 M.
Dr. Ernst König, Die Autochrom-Photographie und die
verwandten Dreifarbenraster - Verfahren. Gustav Schmidt,
Berlin 1908. Preis geheftet 1,20 M.
Albert Ammelounx, Über Entwicklung und Entwicklungs-
Störungen der Nieren. (Inaug.-Dissert. der veterinär-medizin.
Fakultät Bern.) Mit 7 Abbildungen auf Tafel I und II. Berlin 1908.
Farbige Tierbilder von Wilhelm Kuhnert. 10 Lieferungen mit
60 Bildern. Verlag von Martin Oldenbourg. Preis in Lieferungen ä 2 M.,
komplett in Sammelmappe 24 M.
Das Tierleben der Erde von Haacke und Kuhnert in demselben Ver¬
lage umfaßt 3 Bände (nicht 4 Bände) und kostet 50 M. (und nicht, wie
irrtümlich angegeben, 80 M.). (Besprechung s. B. T. W. Nr. 19, Seite 35*2.)
Prof. Dr. Franz Müller, Lehre vom Exterieur des Pferdes
oder von der Beurteilung des Pferdes nach seiner äußeren Form.
VII. Aufl. Mit 28 Holzschnitten und der Abbildung eines Original-
Araber-Hengstes und eines Pferdeskelettes. Wilhelm Braumfiller.
Wien 1908 Preis gebunden 4,20 M.
H. Groß, Das ostfriesische Pferd (Monographien Bd. VII.)
Mit 5 Tafeln, 1 Karte und 96 Abbildungen ira Text. M. und H. Schaper,
Hannover 1908. Preis 4 M., für Abonnenten 3 M.
E. Suckow, Gestütsdirektor, Über Vererbung und Aufzucht
der Pferde mit besonderer Berücksichtigung der Schritt¬
pferdezucht. M. und H. Schaper, Hannover 1908. Preis 1,20 M.
G. Francke, Kreistierarzt. Merkbuch für Zicgenhalter. Im
Aufträge der Kommission zur Förderung der Ziegenzucht im Landkreise
Köln. Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz, Berlin 1908. Preis
50 Pfg. Bei Bezug von 50 Exemplaren ä 40 Pfg, 100 Exemplaren
ä 35 Pfg, 200 Exemplaren h 30 Pfg.
Ludwig von Müller, Beiträge zur Lehre vom Zahnalter des
Pferdes. (Inaug-Diss der philosoph. Fakultät Leipzig) 1908.
Prof. J. Njegotin, Über die Methode der graphischen
Registrierung desPulses und dessen Arhythmie beim Hunde.
(Sonderabdruck aus der „Zeitschrift für wissenschaftliche und praktische
Veterinärmedizin“, Bd. II, Lfg. 1. Dorpat 1908)
Richard Gasse, Untersuchungen über das Verhalten dei
Blutkörperchen bei chirurgischen Krankheiten des Pferdes,
besonders bei eitrigen Entzündungen. [Inaug.-Diss. der vet.-
med. Fakultät Gießen]. (Separatabdruck ans „Monatshefte für
praktische Tierheilkunde“, XIX. Band) Mit einer farbigen Tafel.
Union, Deutsche Vcrlagsgesellschaft, Stuttgart 1907.
Ad. Walther, Zwei Beiträge zur Kenntnis des Pferdeblutes.
Mit zwei Textflguren. (Separat-Abdruck aus dem Archiv für die ges
Physiologie Bd. 123) Martin Hager, Bonn 1908.
Arthur Fischer, Über Scheiden- und Wurftuberkulose bei
der Kuh. (Inaug.-Diss. der Philosoph. Fakultät Leipzig), 1908.
E. Klinge, Die inneren Irisschichten der Haussäugetiere.
(Inaug.-Diss. der vet.-med. Fakultät Zürich). Mit 24 Figuren ira Texte.
J. F. Bergmann, Wiesbaden 1908.
Berloht über den XIV. internationalen Kongreß für Hygiene und
Demographie, Berlin 23. -29. September 1907. Bd. III, erster Teil.
Mit 7 Tafeln im Text; Bd. III, zweiter Teil, mit einer Tafel und zwei
Karten im Text; Bd. IV, mit General-, Namen- und Sach-Register.
August Hirschwald, Berlin 1908.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Geheimen Ober-
regierungsrat Dr. Lyrf/m-Baden-Baden der preußische Kronenorden
2. Klasse, dem Kreistierarzt a. D. Veterinärrat Robert Bö/fe-Ebers-
walde der Rote Adlerorden 4. Klasse.
Ernennungen: Distriktstierarzt Deisenhnfer -Reichling zum städt.
Bozirkstierarzt in Freising (Oberbay.) Die Tierärzte August Dechant
ans Schweinfnrt znm Assistenten am pharm. Institut und August
Mulxer , bisher Assistent am pharm. Institut zum 2. Assistenten an
der Chirurg. Klinik der Tierärztlichen Hochschule in München. —
Personalien betr. Prof. Dr. Wilhelm Zwick -Stuttgart aus Nr. 28 vgl.
die Personalnotiz der Tagesgeschichte in Nr. 27 S. 484.
Examina: Promoviert: Städt. Amtstierarzt A T oadr-Dresden, die
Tierärzte A. Dttm^-Berlin, B. Jacobi- Tostedt, 0. Skiba -Halle a. S. und
Valerian Zniniewicz aus Posen zum Dr. med. vet. in Bern. —
Approbiert: Die Herren Willibald Domis aus Köln a. Rh.,
Julius Eckert aus Biebrich, Paul Bahn aus Freystadt, Heinrich
Hommelsheim aus Dürwis, Ernst Jahn aus Ulm, Arthur Kortbein aus
Kolberg, Emst Kürschner aus Torgau in Berlin; Georg Gender aus
Schwarzenbach (Bayern), Paul Mayer aus Dinglingen (Baden), Karl
Stein aus Grünberg (Oberhessen), Fritz Volkmar aus München in
Gießen; Emst Lötsch aus Sebastiansberg, Julius Mockel ans Leipzig,
Georg Müller aus Plaue, Kwt Roscher aus Ehrenriedersdorf in
Dresden; Herrn. Kopf aus Lahr, Friedr. Magnussen aus Adebüll in
Hannover; Emst Grelher aus Holzen, Jakob Huber aus Amberg,
Heinrich Riedner aus Nürnberg, Hans Schreck aus Pfullendorf,
Saphir Seiderer aus Blaibach, Otto Zirker aus Hammelburg, Joseph
Zisterer aus Straubing in München.
Todesfall: Kreistierarzt Joseph Wimmer , Mitglied des Kreis-
Medizinal-Ausschusses in Landshut
Vakanzen.
(Vgl. Nr. 27.)
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. 8olimaltz in Berlin. — Verlag and Eigentum der Verlagsbachhandlang von Richard Schoeta In Berlin.
Druck von W. BOxenstein, Berlin.
Die „Perliner Tierärztliche Wochemchrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48, Wilhelmatr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe *um Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4.88 für die Wochenschrift, 1* Pf. für Bestellgeld)
frei Ins Haus geliefert. {Österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Hk., fn Petitsata mit
00 Jlk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schtnaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW-, Luiscnstrafie 53. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Med.-Rat Dr. Boeder
Professor in Dresden.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinürrat Dr. Lothes
Hamburg. Departements-T. in Cöln.
Dr. Schlegel
Professor in Frei bürg.
Professor Dr. Peter
Staatstierarzt für Hamburg.
Dr. J. Schmidt
Profe»sor in Dresden.
Helfer
Schlach b.-Direktor in Mülhauien i. E.
Dr. H. Sieber
am Tropeninstitnt in Hamburg.
Veterinärrat Peters Veterinärrat Preuße
Departements T. in Bromberg. Departcments-T. in Danzig.
Reg.-Rat Dr. Vogel Wehrte
Landestierarzt in München. Kais. Regierungsrat in Berlin.
Dr. Stödter Dr. Trapp
Stadt-Tierarzt in Hamburg. am Kaiser Wilhelm-Institut in Bromberg.
Dr. Richter
Professor in Dresden.
Zündet
Krelstlerarst in Mülhausen L E.
Dr. Zimmermann
Dozent in Budapest
Jahrgang 1908.
30 . Ausgegeben am 23. Juli.
Inhalt: Knoll: Vorkommen und Häufigkeit des Aneurysma verminosum, dessen Einfluß auf die Kolik und die damit
verbundene Volvuli. — Raebiger: Erfahrungen in der Schutz- und Heilimpfung mit [polyvalentem Kälber/uhr-
serum nach Ludwig Wilhelm Gans-Frankfurt a. M. — Roschig: Tannyl-Gehe. Ein neues Antidiarrhoicum mit
antiseptischer Wirkung. — Referate: Hißbach: Über das Vorkommen der amyloiden Degeneration |bei Tieren. —
Froehmer: Schlempemauke beim Pferde. — Horn: Beiträge zur Kenntnis der chronischen Nierenerkrankungen des
Schafes, — Tageegeschichte: Deckblätter zur Militärveterinärordnung. — Gebhardt: Deutscher und Schweizer Dr. med. vet. —
Preußische Technische Deputation für das Veterinärwesen. — Kreistierarzt Raebiger und Kreisarzt Ludwig zu Habelschwerdt.
Ein Landgerichtsurteil. — Versammlung der Tierärzte des Reg.-Bez. Lüneburg. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Vorkommen und Häufigkeit des Aneurysma vermi¬
nosum, dessen Einfluß auf die Kolik und die damit
verbundenen Volvuli.
Von Schlaehthoftierarzt Paul Knoll-Elbing.
AtreurysmenbHdung^ beim Pferd kommt zustande durch
Parasitismus von Strongylus armatus (Sclerostoma equinnm) in¬
folge einer durch denselben veranlaßten entzündlichen Affektion
der Arterienwand, die von Bollinger als $ine rezidivierende
traumatische Endarteriitis bezeichnet wurde. Nach neueren
Untersuchungen von Sticher, Ellenberger und Schütz,
Jahresbericht 1902, „über das Zustandekommen des Aneurysma
verminosum“ gelangen die Larven auf dem Wege der Vasa
vasornm in die Arterienwand, bedingen dort eine hämorrhagische
Infarzierung eines bestimmten Gebietes der Mnscnlaris mit nach¬
folgender zelliger Infiltration, dringen dann gegen das Lumen
des Gefäßes vor, erregen Substanzverluste der Media und
Intima, starke Thrombenbildung, Hypertrophie der Mnscnlaris
und Dilatation der Gefäßwand. Nach Schlbgel „über die
Sclerostomen8eucke der Pferde“ erklärt sich die Allgemein-
wirknng der Parasiten teils ans Resorption spezifischer Toxine,
teils aus Resorption von Zersetzungsprodukten der zerstörten
Ge websteile, indem durch Wanderung der Larven in den be¬
fallenen Organen hämorrhagisch-nekrotisierende Bohrgänge her¬
vorgerufen werden. Aneurysmen der Bauchaorta können jedoch
durch lokale Steigerung des Blutdruckes entstehen.
Die Bildnng eines Aneurysma wird durch die mit der ent¬
zündlichen Schwellung der Wand einhergehenden Verengerung
des Arterielumens, sowie durch die gleichzeitige Bildnng eines
Thrombus begünstigt, letzterer unterhält und begünstigt auch
die Entzündung der Innenwand.
Bollinger sagt, daß dem Aneurysma Strongyliden nur
zufällig fehlen und, wie bereits erwähnt, Aneurysmabildung
lediglich durch Strongylus armatus zustande komme. Bei 121
Aneurysmen fand ich 39 mal angegeben, daß sich gleichzeitig
Strongyliden vorfanden. Diese Angabe stimmt mit derjenigen
überein, nach der man nenerdings annimmt, daß die in den
Blutgefäßen ansässigen Würmer nur verirrte Exemplare dar¬
stellen. Bei regelrechter Entwicklung spricht man Strongylus
armatus nur Darmparasitismns zu. Der Wurm gelangt — Wie
später in einem Falle erwähnt werden wird — als Embryo oder
Larve in den Verdauungsschlauch und entwickelt sich hier im
Coecum oder Colon zur Geschlechtsreife. Häufig jedoch gelangen
I junge mikroskopisch kleine Larven in die Darmschleimhant und
so in die Blutgefäße, namentlich in die Venen der Submucosa;
von dort aus können sie dann überall hin verschleppt werden.
Andererseits nimmt nach der neuesten Arbeit Prof. Dr.
Schlegel-Freiburg in der B. T. W. Nr. 4 1907 „Über die
Sclerostomenseuche der Pferde“ an, daß im Aneurysma regel¬
mäßig einige Larven von Sclerostomum Vorkommen, durch¬
schnittlich neun in einem Anenrysma, zuweilen auch Hunderte.
Zweimal fand ich zahlreiche Pallisadenwürmer vor, ohne irgend¬
welche Andeutung auf aneurysmatische oder thrombotische Pro¬
zesse hin. Trotz Anwesenheit von zahlreichen Strongyliden
war ein Einfluß auf die Arterienwand nicht zu verspüren.
Andererseits soll aber auch die Bildung eines Aneurysmas durch
gleichzeitige Anwesenheit eines Thrombus begünstigt werden;
ja Ray er bezeichnet das gleichzeitige Vorkommen eines Throm¬
bus im Aneurysma als charakteristisch für dieses.
In meiner Zusammenstellung fand ich von 121 Aneurysmen
90 mal Thrombose gleichzeitig mit vor. Nur Thrombose fand
ich von 503 Fällen 44 mal vor und endlich ein Anenrysma ohne
Thrombose 31 mal. Hiernach bestätigt sich die Ansicht, daß
Aneurysmenbildung durch gleichzeitiges Vorhandensein eines
Thrombus begünstigt wird.
Neuerdings neigt man der Ansicht zu, daß ein Pferd
Aneurysma, Thrombose und Volvulus aufweisen, die letztere
aber unabhängig von ersteren akquiriert haben kann. Die
530
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30.
Thrombose ist dann nur Nebenbefund. (Oft ist es in Ermange¬
lung anderer Anhaltspunkte nur ein Wahrscheinliehkeitsschluß
über die Ätiologie, wenn wir jene zwei Dinge in Abhängigkeit
zueinander setzen.)
Die meisten Aneurysmen finden sich nach Bo 11 inger am Stamm
der vorderen Gekrösarterie, unmittelbar am Stamm aus der
Bauchaorta. Von 121 Fällen war der Sitz des Aneurysma
80 mal die vordere Gekrösarterie, neunmal die Grimmdarm¬
arterie, dreimal die Blinddarmarterie und einmal die Aorta.
Daß aber auch an den verschiedensten Stellen des Körpers
Aneurysmen Vorkommen können, zeigen Ellenberger und
Schütz 1901, wo sich ein Aneurysma der unteren Halsarterie
vorfand. Ellenberger und Schütz 1904 beschreiben in einem
Falle ein Aneurysma der linken Nasenarterie, wobei infolge
Ruptur derselben der Tod durch Verblutung eintrat. In zwei
anderen Fällen wurde ein Aneurysma der Art. thoracica und
der Art. hepatica vorgefunden.
Hering hat in seinen Untersuchungen nachgewiesen, daß
sich bei den meisten Pferden ein Aneurysma der Art. ileo-coeco-
colica vorfindet; er hat sogar in der Rec. de möd. vet. be¬
hauptet, daß ein Pferd eher mit mehreren als mit keinem
Aneurysma behaftet wäre. Daß diese letzte Behauptung zu
optimistisch war, ist wohl klar. Seine Angaben werden weiter¬
hin von Bollinger bestätigt, indem er bei 35 Pferden 60 Aneu¬
rysmen vorfand, ein Prozentsatz der demjenigen Herings
wenig nachsteht. Hering fand bei 65 Pferden 108 Aneurysmen.
Ebenso sagt der Münch. J. B. 1871: „Bei allen zu ana¬
tomischen Zwecken verwendeten Pferden wurde das Wurm¬
aneurysma gefunden.“ Bruckmüller, Röll und Bollinger
haben angegeben, daß 90 bis 94 Proz. aller Pferde mit Aneu¬
rysmen behaftet sind. Unter 85 zu anatomischen Zwecken in
der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden verwendeten Pferden
fand Ellenberger nur eins ohne Aneurysma. Desgleichen
haben auch früher Ray er und Bruckmüller (Archiv de möd.
comp. 1842 und Mittig, für Vet.-Kunde, Bd. II) dieselben Er¬
fahrungen gemacht. Ersterer fand unter 50 Pferden nur zwei,
letzterer unter 65 nur eins ohne Aneurysma.
Die von mir angestellten Nachforschungen ergaben fol¬
gendes :
Von 503 Pferden waren nach Angabe der betreffenden
Quellen 121 mit Aneurysmen behaftet. Ein Vorkommen von
gleichzeitig zwei Aneurysmen konnte ich nicht feststellen.
Früher schon hat man bei ganz jungen Pferden vom dritten
Monat an Aneurysmen vorgefunden. Seamen (Edinbourgh
Vet. Rew. 1804) meldet sechs Fälle von Aneurysmen bei Föten
im Alter von 6—15 Monaten. Poeppel „Untersuchungen über
den Bau von Strongylus armatus“ nimmt auch eine intrauterine
Infektion mit jungen Larven an, da er schon bei einem zehn
Tage alten Saugfohlen ein taubeneigroßes Aneurysma vermino-
sum feststellen konnte. Von anderen wurde auch ein epizob-
tisches Vorkommen angenommen.
Hier sei hinzugefdgt, daß sich öfters Fohlen als mit
Aneurysma behaftet vorfanden.
Zeitschrift für Vet.-Kunde 1899 beschreibt folgenden Fall:
Ein Jährling erkrankte heftig an Kolik und verendete nach
30 Stunden Krankheitsdauer. Die Sektion ergab eine Darm¬
ruptur und ein 2 m langes Stück des Blinddarmes hämorrhagisch
geschwollen. Die vordere Gekrösarterie fand ein Aneurysma
mit wandständigem Thrombus auf. Weiter schreibt Hann.
Jalirg. 1876: Ein bisher gesundes Fohlen erkrankte plötzlich
und ging, ohne Kolikerscheinungen zu zeigen, an Diarrhöe zu¬
grunde. Die A. ileo-coeco-colica fand ein Aneurysma ver-
minosum mit frischem Thrombus und 51 Strongyli. Die Grimm¬
darmarterie war vollständig verstopft und die Blinddarmarterie
mit frischen Thromben durchsetzt. Es ist dieser Fall doppelt
interessant, als auch bei Fohlen tödlich verlaufende embolische
Leiden Vorkommen können, und daß ferner Wurmaneurysmen
vorhanden sein können, ohne unbedingt charakteristische
Koliksypmtome erzeugen zu müssen. Hier sei noch folgender
Fall erwähnt: Ein Patient war an Pleuritis gestorben
und batte auch intra vitam niemals Kolikanfälle gezeigt. Die
Sektion fand »am hinteren Ast der hinteren Gekrösarterie einen
einen festen Thrombus mit Strongylen vor. Daß trotz Thrombos
und Strongylen keine Koliksymtome erzeugt zu werden brauchten,
geht klar und deutlich aus den anatomischen Verhältnissen vor,
indem sich leicht ein kollateraler Blutkreislauf bilden konnte.
Nach Ellenberger und Schütz 1905 kam im Gestüt zu
Beberbeck das Aneurysma bei Fohlen und zwar bei kleinen
säugenden Fohlen und viel mehr noch im ersten Lebensjahre
bald nach dem Absetzen von der Mutter im Alter von fünf
Monaten und später vor. Die Ursache des starken, fast seuchen-
haften Auftretens wurde im Tränkwasser gefünden, indem sich
neben reichlicher Sättigung mit organischen Substanzen auch
eine Larve von Strongylus armatus vorfand. Ellenberger
und Schütz 1901 beschreiben ebenfalls einen Fall von
A. verminosum bei einem 8 Monate alten Fohlen. Das manns¬
kopfgroße Aneurysma der vorderen Gekrösarterie war mit
der rechten oberen Grimmdarmlage verwachsen. Infolge Ruptur
des Aneurysmas war der Tod spontan eingetreten.
Die Ansichten Bollingers gehen dahin aus, c|aß zwischen
dem Thrombus des Wurmaneurysmas und den Ursachen der
Kolik die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges eine sehr
große ist. Je nach der Größe der verstopften Gebiete und der
Unmöglichkeit zur Bildung eines kollateralen Blutkreislaufes
richten sich die funktionellen Störungen des Darmes, und diese
bewirken eine teilweise Lähmung der betreffenden Darmpartie.
Es kommt somit zur Bildung einer Darmstenose und diese, sagt
Bollinger, bildet in der Mehrzahl der Fälle den Ausgangs¬
punkt derjenigen Erscheinungen, die man als Kolik bezeichnet.
Dieser Sentenz Bollingers gemäß wurde nun in einer
großen Anahl von Fällen der letale Ausgang der Kolik einfach
auf die Anwesenheit eines Aneurysmas geschoben. Wenn auch
die Thrombose im Aneurysma Embolie der Darmwand zur Folge
hat, so darf man darauf allein nicht den Tod beziehen. Erst
wenn sich eine tatsächliche, durch die Embolie veraulaßte
arterielle bzw. funktionelle Störung nachweisen läßt, darf man
mit Sicherheit die Embolie oder das Aneurysma für den Exitus
letalis der Kolik verantwortlich machen. Es ist ferner be¬
obachtet worden, daß eine Verlagerung des Darmrohres bei
gänzlich freier Gefäßbahn, also beim Fehlen von A. Thrombosen
oder Embolien zu sehen war. Dieser Umstand legte vor Augen,
daß ein Volvulus bzw. überhaupt ein letaler Kolikausgang auch
unabhängig von seiner bei Pferden so häufigen und für andere
Anomalien des Darmes so hochwichtigen GekrösWurzelerkrankung
stattfinden kann.
Sächs. Jahrb. 1874 schreibt:
Die bekannten Veränderungen der Gekrösarterie mit Thromben
fanden sich unter 11 tödlich verlaufenden Fällen von Kolik
23. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
531
7 mal vor. Ohne Einfluß schienen sie in 4 Fällen zu sein. Bei
2 mal vorhandener Achsendrehung des Dünndarmes schien diese
auf Embolie zurückzuführen zu sein. Genau festzustellen, daß
ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen dem Wurmaneurysma
und der tödlich verlaufenen Kolik bestanden hat, war nur in
einer geringen Anzahl von Fällen möglich. (M. J. B. H. J. B.
D. J. B. usw.)
Es findet sich erwähnt, daß das Aneurysma in bestimmten
Gegenden überhaupt noch nicht beobachtet wurde.
Ellenberger und Schütz, 1895, schreiben:
Wurmaneurysmen in der Gegend von Stralsund wurden
niemals bei Pferden gesehen. Diese Angabe deckt sich mit
derjenigen Sc am ca 8, der ein epizootisches Vorkommen des
Aneurysma beobachtet hat. Ein einziges Mal fand ich, daß sich
ein Referat voll und ganz der Meinung Bollingers anschloß,
indem gesagt wird, daß 3 / 4 aller Todesfälle bei Kolik durch
Wurmaneurysmen veranlaßt werden. Es wird aber absolut kein
Beweis, fährt betr. Bericht fort, für diese längst als zu weit
gehende Tatsache erbracht.
Die Zeitschrift für Veterinärkunde, 1893, erwähnt einen
Fall, wo sich ca. 300—400 PallisadenWürmer in einem Ast der
A. ileo-coeco-colica vorfanden, die Wand des betreffenden Gefäßes
durchbohrten und eine mit letalem Ausgange verbundene Blutung
in die Bauchhöhle verursacht hatten. Patient litt nur dieses
eine Mal an Kolik und somit waren die Strongyliden bzw. das
Aneurysma einerseits, die Kolikursache und andrerseits auch die
Todesursache. Briche meint, daß so große Mengen von
Strongyliden nicht immer Kolik erzeugen müssen und daß eine
Verblutung durch Strongylus armatus eine große Seltenheit sei.
Daß der erste Teil seine Richtigkeit hat, ergeben die ver¬
schiedenen Liferatürangaben, daß aber eine innere Verblutung
durch Strongylus armatus keine absolute Seltenheit ist, ergibt
sich aus folgenden Fällen: Die Berliner Tierärztliche Wochen¬
schrift, 1900, erwähnt folgenden Fall, der insofern interessant
ist, als eine innere Verblutung durch ein Annurysma stattfand»
betreffender Patient aber nicht den geringsten Kolikanfall gezeigt
hatte. Es handelte sich um ein sechsjähriges Militärpferd, das,
nachdem es tags zuvor eine beträchtliche Menge Blut aus dem
After entleert hatte, am anderen Tage plötzlich unter dem
Reiter zusammenbrach. Die Obduktion ergab ein faustgroßes
Aneurysma der vorderen Gekrösarterie und einen ca. 30 1
starken Bluterguß in den Grimmdarm. Des weiteren fand sich
eine bindegewebige Verbindung vom Ende der oberen Grimmdarm¬
arterie nach dem Stamm der Art. ileo-coeco-colica vor und in
dieser ein Kanal, der genau den Weg anzeigte, den der Parasit
auf seiner Wanderung genommen hatte. Kreistierarzt Franke-
Mülheim beschreibt folgendes Vorkommnis. Ein ca. 8 Monate
altes Weidefohlen hatte intra vitam niemals Kolikanfälle gezeigt,
war auch sonst niemals krank gewesen und war eines Morgens
plötzlich verendet. Die Obduktion fand die rechte obere
Grimmdarmlage mit einer über der Wirbelsäule liegenden zirka
mannskopfgroßen Geschwulst fest verwachsen. Von dort aus
ging es in einen Hohlraum, der mit der hinteren Aorta
kommunizierte. In dem dort sitzenden Aneurysma fanden sich
ca. 200—300 Larven von Strongylus arm. vor. Selbiges
Aneurysma hatte ein Gewicht von 7 kg und einen Umfang von
70 cm. Der Tod war spontan durch innere Verblutung ein¬
getreten. Hier wird einerseits der Beweis geliefert,
daß ganz bedeutende Aneurysmen schon im jugend¬
lichen Alter bestehen können und, daß andrerseits
Strongyliden den Tod durch Verblutung spontan
herbeiführen können.
In Ellenberger u.Schütz 1905, S.201, beschreibt Zietsch-
mann einen Fall, wo durch ein Aneurysma der hinteren Aorta
eine Verblutung in die Bauchhöhle unter Koliksymptomen statt¬
gefunden hatte.
Auch die Berliner Tierärztliche Wochenschrift 1893,
S. 144, liefert den Beweis, daß eine außergewöhnlich
große Anzahl von Strongyliden in der Gekrösarterie
keineswegs Anlaß zu Koliken zu geben brauchen, wohl
aber eine innere Blutung und somit den Tod herbeiführen
können. Besagtes Pferd lag eines Morgens tot im Stalle. Die
Sektion fand die Bauchhöhle mit ca. 6—8 1 Blut angefüllt. Die
obere Grimmdarmarterie war geborsten, ferner fanden sich
ca. 300—400 Stück Strongylen vor und an der A. ileo-coeco-
colica ein Aneurysma mit wandständigem Thrombus.
Weiterhin beschreibt die Tierärztliche Wochenschrift 1889
einen Fall, wo ein Patient plötzlich ohne nachweisbare
Krankheitsursache erkrankte und in größeren Mengen Blut
durch die Nase entleerte. Am folgenden Tage trat der Tod
ein. Die Sektion fand Verblutung in den Magen infolge eines
Aneurysma der Bauchaorta.
Einen Fall, wo Patient blutigen Kot entleerte, aber keinerlei
Krankheitssymptome aufwies, beschreibt die Berliner Tierärztliche
Wochenschrift 1893, S. 261. Eines Morgens war der Tod
spontan eingetreten. Die Sektion fand ein Aneurysma der
vorderen Gekrösaterie und diese mit dem Grimmdarm ver¬
wachsen und in Verbindung. Der Tod war spontan durch
Ruptur der vorderen Gekrösarterie eingetreten.
Diese sechs Fälle von fast spontanem Tod infolge von
innerer Verblutung, verursacht durch Strongylus armatus, be¬
weisen, daß eine derartige Todesursache absolut keine Seltenheit
ist. Zum großen Teile betrafen die erwähnten Fälle auch
Fohlen im Alter bis zu einem Jahr. Auch hier bestätigt sich
die Ansicht Poppels, der Aneurysmen bei Fohlen mehrmals
beobachtete. Im Anschluß hieran seien noch drei Fälle von
Aneurysmen bei Fohlen bemerkt, wo jedoch die teils mit vor¬
handenen Kolikerscheinungen nicht auf Rechnung der anwesenden
Aneurysmen zu setzen sind.
Berliner tierärztliche Wochenschrift 1895, S. 554 beschreibt
einen Fall, wo sich bei einem 5 Monate alten Fohlen in der vorderen
Gekrösarterie ein bedeutendes Aneurysma mit hühnereigroßem
wandständigen Thrombus und unzähligen Strongyliden vorfand; auch
in den Anfängen der Nierenarterie fanden sich Embolien vor.
Patient hatte vor dem Tod geringe Kolikerscheinungen gezeigt,
da sich jedoch post mortem über 100 Ascariden vorfanden, so
findet sich hierin die Erklärung für die vorhanden gewesenen
Kolikerscheinungen. Weiter spricht auch hierfür der Umstand,
daß trotz bedeutender Thrombosebildung am Stamme der vorderen
Gekrösarterie sich nirgends eine partielle Darmparese oder
Fäcalstase vorfand. Als weiterer Befund waren 100 Gastro-
philuslarven zu verzeichnen. — Es ist dies ein Fall wo trotz
Aneurysma und Thrombose sowie Bildung von Embolien kein
letaler Ausgang, selbst nicht einmal darauf zurückzuführende
Koliksymptome ausgelöst wurden.
Den zweiten Fall betraf ebenfalls ein 5 Monate altes Fohlen,
wo der Tod beziehentlich die vorhanden gewesenen Koliksymp-
tohae nicht mit dem Aneurysma Zusammenhängen konnten.
532 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT._ No. 30.
Berliner tierärztliche Wochenschrift 1895, S. 537 meldet, daß
die Sektion im Leerdarm 50 Ascariden vorfand, ferner die A. ileo-
oeco-eolicac daumdick geschwollen war und ebenso die Hüft-,
Blind- und Grimmdarmarterie. Weiter fanden sich in der A. ileo-
coeco-colica 50 Exemplare von Strongylus armatus vor. Embolien .
waren nicht vorhanden, ebenso wird eine Todesursache nicht an¬
gegeben. Auch in diesem Falle darf der Tod wohl der An¬
wesenheit der 50 Ascariden zum größten Teile zugeschoben
werden.
Endlich beschreibt B. T. W. 1904 einen Fall, wo ein drei
Monate altes Fohlen, das bis zu seinem Tode fortwährend auf
der Weide gewesen und niemals krank war, eines Morgens
plötzlich verendet war. Die Sektion fand ein Aneurysma von
7 cm Länge an der vorderen Gekrösarterie, und ebenso ein solches
an der Bauchschlagader mit 65 Strongyli. Referent und Ein¬
sender des Präparates nehmen übereinstimmend als causa mort.
Erstickung bzw. Ertränkung an, wofür die schlammigen Massen
in der Luftröhre deutlich sprachen. Die charakteristischen
Merkmale der embolischen Kolik waren auch hier in keiner
Weise auffindbar und ein eventueller Kolikanfall wäre wohl
kaum mit dem Aneurysma in Verbindung zu bringen gewesen.
Nach den Untersuchungen von Jelkmann soll in einer
großen Anzahl von Fällen die Achsendrehung des Grimmdarmes
durch rein mechanische Einflüsse zustande kommen. Wo sich
ein Volvulus und gleichzeitig Aneurysma, Thrombose oder
Embolie vorfand, schreibt Kitt, kann man nicht ohne weiteres
aus dem Zusammentreffen von Aneurysma usw. mit einem Vol¬
vulus die gleiche Schlußfolgerung ziehen. Es kann ein Pferd
ein Aneurysma, Thrombose und gleichzeitig Lageveränderung
vorweisen, die letztere aber unabhängig vom ersteren erworben
haben. Oft ist es, schreibt Kitt weiter, nur ein Wahr¬
scheinlichkeitsschluß über die Ätiologie, wenn wir jene zwei
Dinge in Abhängigkeit zueinander setzen.
Das Aneurysma resp. die ev. Thrombose wird in folgenden
Fällen für den letalen Ausgang verantwortlich gemacht.
Bollinger erwähnt einen Fall, wo Patient 18—20 mal an
intermittierenden Kolikanfällen gelitten hatte. Die Sektion
ergab eine Verlagerung der Unken Grimmdarmlagen und ein
10 cm langes und 2—3 cm dickes Aneurysma an der vorderen I
Gekrösarterie. Bollinger nimmt als Ursache der Verlagerung
des Aneurysma an ohne allerdings nähere Grundangabe. Da von
vorhandenen Darmembolien nichts erwähnt ist, so kann man
das Aneurysma ohne weiteres nicht für die Verlagerung ver¬
antwortlich machen; ebenso können intermittierend auftretende
Kolikanfälle durch individuelle Disposition erzeugt werden.
Embolie und Aneurysma konnte man dem H. J. B. 1876 zu¬
folge 10 mal als Todesursache ansehen, leider allerdings auch
ohne nähere Grundangabe. Bemerkt sei, daß sich allein 7 mal
Embolie der Blinddarmarterie vorfand, obwohl gerade diese aus
anatomischen Gründen am ungünstigsten situiert ist.
Was endlich den Einfluß des Aneurysma auf Lage¬
veränderungen anbelangt, so sei folgendes erwähnt.
A. J. B. 1874 schreibt:
Zum Tode direkt hat das Aneurysma nur in einem Falle
geführt, dagegen bleibt es zweifelhaft, ob es zu Lageveränderungen
in anderen Fällen Anlaß gegeben hat: jedoch sprechen keine
Anzeichen dafür.
Weiter melden M. J. B. 1893/94 9mal eine Achsendrehung
des Colons, und nicht einmal fand sich Thrombose oder
aneurysmatische Bildungen vor; ferner fanden sich bei 23 Fällen
letalen Ausganges 12 mal ein Volvulus des Colons vor, und nur
gleichzeitig einmal fand die Sektion eine Thrombose der Blind¬
darmarterie sowie ein daselbst sitzendes Aneurysma vor.
Derselbe J. B. 1888/89 fand bei viermaliger Achsendrehung
auch viermal ein Aneurysma der vorderen Gekrösarterie; ob
jedoch das vorhandene Aneurysma die Ursache des Volvulus
war, ist nicht angegeben.
Das Ergebnis der angestellten Nachforschungen kann in
folgendem zusammengefaßt werden:
1. Aneurysma verminosum kommt bei Pferden jeden Lebens¬
alters vor, so daß sein Vorkommen bei Fohlen keine Seltenheit ist.
2. Bei Anwesenheit von selbst großen Mengen von Strong.
armatus in der Arterienwand braucht es nicht immer zu
aneurysmatischen Bildungen zu kommen.
3. Eine innere Verblutung durch Strong. armatus ist keine
Seltenheit; auch waren bei innerer Verblutung durch Strong.
armatus keine Koliksymptome bemerkbar.
4. Anzahl von 300—400 Strong. armatus sind keine Selten¬
heiten, sondern wurden öfters gefunden.
Nach den vorhandenen Angaben ist der direkte Einfluß des
Aneurysma verminosum auf das Zustandekommen eines Volvulus
nicht zu groß. Aneurysma war nur dann verantwortlich zu
machen, wenn durch Darmembolien die Bildung eines kollateralen
Blutkreislaufes verhindert war und somit eine partielle bzw.
totale Darmparese bedingt war.
Erfahrungen in der Schutz- und Heilimpfung mit
polyvalentem Kälberruhrserum nach Ludwig Wilhelm
Gans-Frankfurt a. M.
Von Raebiger-Habelschwerdt.
Die moderne Tierheilkunde bedient sich mehr und mehr bei
der Bekämpfung der Krankheiten der Serumbehandlung! Nicht
alle Sera haben das gehalten, was sie versprochen, ich denke
dabei an die Staupesera, die empfohlenen Impfmethoden gegen
Starrkrampf und die Druse der Pferde usw.
Mit sehr gemischten Gefühlen denke ich der Zeiten zurück,
in denen ich der Kälberruhr mit medikamentöser Behandlung
und den sattsam bekannten Desinfektionsverfahren Herr zu
werden suchte, ich erlebte immer Enttäuschungen! Schon vor
'Jahresfrist habe ich an gleicher Stelle über Schutz- und Heil¬
impfungen mit dem polyvalenten Kälberruhrserum Ludwig
Wilhelm Gans-Frankfurt a. M. berichtet. Damals berichtete
ich über Impfungen, die ich selbst ausgeführt hatte; der Tier¬
arzt wird aber wohl nur selten in der Lage sein, die genannten
Impfungen persönlich ausführen zu können, denn die Kosten für
die tierärztlichen Bemühungen würden in keinem ökonomischen
Verhältnis zum Werte des Kalbes stehen! Ich habe daher, um
den unbestrittenen Nutzen der Schutzimpfung der Landwirtschaft
zugänglich zu machen und diese Impfung allgemein einzuführen,
mich in der Folge damit begnügt, das Vorhandensein der Kälber¬
ruhr selbst durch Untersuchung und Sektion zweifellos festzu¬
stellen. Danach habe ich den betreffenden Besitzern den Impf¬
stoff selbst abgegeben, nachdem ich ihnen die nötigen Anweisungen
gegeben hatte!
- Der auf kleinlichem Standpunkt stehende Tierarzt wird nun
die Hände ringen und rufen, wie kann man so tierärztliche
Interessen schädigen und die Landwirte im Impfen unterweisen?
23. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Ich bin überzeugt, daß mir dieser Vorwurf gemacht werden
wird, aber ich bin auch überzeugt, daß der weitaus größere
Teil der Tierärzteschaft, sich auch auf meinen Standpunkt
stellen wird.
Es liegen mir die Resultate der Schutzimpfungen mit dem
genannten Serum von insgesamt 31 Gehöften mit bisher 278
Impfungen vor. Auf jedem der Gehöfte stellte ich die Kälberruhr
dnrch Untersuchung und Sektion fest. In fast allen Fällen
handelte es sich um Seuchengehöfte, auf denen die Krankheit
seit Jahr und Tag und länger geherrscht hatte.
Die genügend, aber nicht rühmlichst bekannten Thüringer
Pillen seeligen Angedenkens, jetzt „Thürpil“ genannt, waren
ohne jeden Erfolg in größten und freigebigsten Dosen verfüttert
worden, von Eingeben ist bei solchen Mengen wohl füglich nicht
mehr zu reden. In einigen Fällen hatte man auch mit viel
Ausdauer und großer Sorgfalt die bekannten Methoden sowohl
von Poels de Bruin, als auch das Pfeifersche Verfahren ange¬
wandt, doch ohne den gewünschten Erfolg.
Ich halte mich versichert, daß es nur noch sehr w'enige
Tierärzte gibt, die auch nur entfernt an eine Heilkraft der
„Thürpil“ bei wahrer Kälberruhr glauben, ja ich stehe nicht an
zu behaupten, daß diese vielgerühmten (vom Fabrikanten) Pillen
in keinem Falle eine Kälberruhr verhütet oder geheilt haben.
In den gerühmten Fällen wird es sich immer um einen harm¬
losen Darmkatarrh, aber nie um die Ruhr gehandelt haben.
Die angeführten Verfahren von Poels de Bruin und Pfeifer haben
mich bis jetzt fast immer im Stich gelassen. Ich bitte mir mein
Abschweifen gütigst nachzusehen.
Die mir vorliegenden Resultate ergeben, daß auf den
Seuchengehöften nach erfolgter Schutzimpfung kein Kalb mehr
an der Kälberruhr erkrankte. Alle Tiere wurden möglichst
unmittelbar, spätestens einige Stunden nach der Geburt mit 10 ccm.
polyvalentem Kälberruhrserum von Gans-Frankfurt a. M. geimpft!
Stalldesinfektionen wurden nicht vorgenommen, Medikamente
sind in keinem Falle verabreicht worden. Die sonst üblichen
und empfohlenen prophylaktischen Vorsichtsmaßregeln wurden
auf sämtlichen Gehöften ausser acht gelassen.
Ich selbst habe an zirka 28 mit der Kälberruhr behafteten
Tieren die Heilimpfung versucht, diese Versuche liegen zwar
schon acht Monate zurück, da ich sie aber genau registriert
habe, bin ich in der Lage, darüber zu berichten. In diesen
Fällen handelte es sich stets um das Anfangsstadium der Ruhr!
Ich habe 21 Kälber subkutan mit bis 50 ccm pro Tier geimpft,
ohne das Verenden dieser Tiere verhüten zu können. Ich habe
sieben Kälber, die mit der Kälberruhr im Anfangsstadium be¬
haftet waren, intravenös in gebrochenen Dosen & 5 ccm geimpft
und in stündlichen Zwischenräumen in einem Falle bis zu 20 ccm
intravenös verimpft. Die Tiere zeigten nach der intravenösen
Impfung ausnahmslos Temperatursteigerungen bis 1,5 0 und
zeigten sich sehr hinfällig. Das Allgemeinbefinden verschlechterte
sich in fünf von diesen sieben Fällen schnell und zusehends, in
zwei Fällen trat nach intravenöser Injektion von 10 und 15 ccm
Serum Besserung und schon am folgenden Tage Heilung ein.
Auch in diesen sieben Fällen wurden keinerlei Medikamente
verabreicht!
Auf Grund dieser Erfahrungen empfehle ich das polyvalente
Kälberruhrserum Gans in Form der Schutzimpfung gegen die
Kälberrnhr als außerordentlich zuverlässig und nie versagend,
533
vorausgesetzt, daß die Kälber möglichst unmittelbar, spätestens
einige Stunden nach der Geburt geimpft werden.
Die subkutane Heilimpfung hat mich bis jetzt fast stets im
Stich gelassen! Die intravenöse Heilimpfung bewirkte in zwei
Fällen Heilung, weitere Versuche werden lehren müssen, ob die
intravenöse Impfung in der Tat geeignet ist, die Kälberruhr in
einem wirtschaftlich günstigen Prozentsatz zu heilen.
[Aus der Klinik für kleine Haustiere der Tierärztl. Hochschule zu
Dresden. Direktor: Obermedizinalrat Prof. Dr. Müller.]
Tannyl-Gehe. Ein neues Antidiarrhoicum mit
antiseptischer Wirkung.
Von Tierarzt Dr. Roschig.
Die chemische Fabrik Gehe & Co., Dresden-N., bringt
neuerdings ein Tanninpräparat in den Handel, das nach Angabe
der Hersteller neben der adstringierenden Gerbsäure als wirk¬
same Komponente noch Oxychlorkasein mit antiseptischen Eigen¬
schaften enthält.
Chemisch-physikalisch stellt dieses Oxychlorkaseintannat ein
I graubraunes, luft- und lichtbeständiges, nicht hyproskopisches
Pulver dar, das in kaltem Wasser, verdünnten Säuren und
Alkohol fast unlöslich ist, sich aber in verdünnten Alkalien in
Tannin und Oxychlorkasein spaltet. Geruch und Geschmack ist
indifferent.
Nach Salkowski-Berlin ist das Präparat in künstlichem
Magensaft viel weniger löslich als beispielsweise Tannalbin
(von 1 g Tannalbin gingen 74,65 Proz. in Lösung, von 1 g
Tannyl nur 17,57 Proz., in einem andern Falle von Tannalbin
91,40 Proz., von Tannyl 22,06 Proz.) Da außerdem nach Tier¬
versuchen ca. 8 Proz. des Mittels in den Darmentleerungen
unzersetzt wieder erschienen, wurde eine ausgiebig adstringierende
Wirkung auch auf die unteren Darmabschnitte angenommen.
Über die Verwendung des Tannyls in der Humanmedizin
findet sich eine Veröffentlichung von Umber-Altona, der es
bei 42 Darmkranken verschiedenster Art in Anwendung brachte.
Er empfiehlt es vor allem bei schwer stillbaren Durchfällen
Tuberkulöser, wo er nach erfolgloser Tannalbin-, Wismut- oder
Kalkwassertherapie die Durchfälle mit Tannyl behoben hat.
Auf Anregung des Herrn ObermedizinaLiat Prof. Dr. Müller
habe ich in hiesiger Klinik für kleine Haustiere mit dem von
der Fabrik bereitwilligst zur Verfügung gestellten Präparat
Versuche an Hunden (ausschließlich Spitalpatienten) angestellt.
Das Mittel wurde zu 2—3 g mehrmals täglich eingegeben und
zwar in der Regel mit etwas Wasser oder Wein verrührt, um
wegen der Trockenheit des Pulvers Aushusten resp. Aspiration
zu verhüten. Nicht unterlassen möchte ich, auf die Anweisung
der Fabrik aufmerksam zu machen, das Präparat nach Aufhören
hartnäckiger Diarrhöen noch einige Tage weiter zu geben, um
Rezidiven vorzubeugen.
Nachstehend kurz die Krankengeschichten der bis jetzt mit
Tannyl behandelten Tiere. Weitere Versuche und möglichst
auch an großen Tieren sollen folgen:
1. Pudel, 4 Jahre alt, seit 3 Tagen Durchfall, Fortgang der
unverdauten Nahrung. Am Tage der Einlieferung Vor- und Nach¬
mittag je 3 g Tannyl. Am nächsten Tage keine Entleerungen, am
darauf folgenden Kot normal.
2. Spitz, 3 Jahre alt, seit 4 Tagen Erbrechen und übelriechender
Durchfall. 3 g Tannyl. Am nächsten Tage Entleeren von wenig
aber dünnflüssigem, übelriechendem Kot Vor- und Nachmittag je
534
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30.
2 g Tannyl. Entleerungen tags darauf normal, Erbrechen ebenfalls
nicht mehr vorhanden.
3. Spitz, 7a Jahr alt. Nervöse Form der Staupe verbunden mit
übelriechendem Durchfall. 2 g Tannyl, Kot am nächsten Tage
bröckelig.
4. Kollie, 2 Jahre alt, Durchfall seit 4 Tagen, ebenso Appetit¬
losigkeit. 2 g Tannyl. Am nächsten Tag keine Entleerung, am
übernächsten Appetit gut, beim Eingehen ins Rectum weicher Kot
zu fühlen. 2 g Tannyl. Tags darauf Kot normal.
5. Schweißhund, 1V 4 Jahr alt, seit 5 Tagen Durchfall und Appetit¬
losigkeit Vor- und Nachmittag je 3 g Tannyl. Am nächsten Tage
nochmals 3 g Tannyl, Entleerungen tags darauf normal.
6. Foxterrier, Jahr alt, mit Durchfall seit 3 Tagen. 2 g Tannyl.
Kot an den nächsten Tagen von normaler Konsistenz.
7. Dobermann, 3 / 4 Jahr alt, Staupedurchfall seit dem Morgen
der Einlieferung. 2 g Tannyl. Entleerungen an den folgenden
Tagen normal.
8 Dogge, 3 Jahre alt, zur Operation eingestellt, bekam in der
Klinik Durchfall. 4 g Tannyl, am nächsten Tage die gleiche Dosis.
Kot zäher, noch nicht völlig normal. Patient wird abgeholt.
9. Kurzhaariger Vorstehhund, 4 Jahre alt, hat mit 2 andern
Hunden blutigen Durchfall. Besitzer gibt Tannin und Opium. Bei
zweien schlägt die Kur an, der Dritte wird, nachdem der Durchfall
bereits 8 Tage besteht, eingeliefert.
Tannalbin. 3,0, Xeroform 1,0, Dent. tal. Doses Nr. III. Innerhalb
2 Tagen nebst 6 Kreosotpillen. Durchfall hält an. Darauf am über¬
nächsten Tage dreimal je 3 g Tannyl. Kot wird breiiger. Die medi¬
kamentöse Behandlung wird eingestellt, nach 3 Tagen Entleerungen
normal.
10. Dobermann, 3 / 4 Jahr alt, Staupedurchfall seit 8 Tagen, teil¬
weise blutig. 4,5 g Tannyl, tags darauf 3 g Tannyl, Konsistenz des
Kotes am nächsten Tage fester.
11. Zwergspitz, 8 Jahre alt, seit 3 Tagen Brechen und Durch¬
fall. 2,5 g Tannyl, am nächsten Tage nochmals die gleiche Dosis.
Kot tags darauf normal.
Aus dem Angeführten läßt sich schon jetzt der Schluß
ziehen, daß Tannyl-Gehe ein gutes Antidiarrhoicum ist und den
andern modernen Tanninpräparaten als etwa gleichwertig an die
Seite gestellt werden kann. Die Herren Kollegen aus der Praxis
auf das neue Darmadstringens aufmerksam zu machen, war der
Zweck dieser vorläufigen Mitteilung.
Referate.
Über das Vorkommen der amyloiden Degeneration
bei Tieren.
Inaugural-Dissertation. Von Rudolf Hißbach, Leipzig.
Druck von A. Th. Engelhardt, Leipzig.
Hißbach faßt die Hauptergebnisse seiner Untersuchungen
dahin zusammen, daß *
1. die amyloide Degeneration bei den Tieren als ein äußerst
seltenes Vorkommnis zu betrachten ist,
2. die diese Degenerationsform veranlassenden Primär¬
erkrankungen beim Menschen und beim Tier manches Gleich¬
artige, aber noch größere Verschiedenheiten bieten. Gemeinsam
sind gewisse, durch chronische Eiterung bedingte kachektische
Zustände. Ein durchgreifender Unterschied besteht jedoch darin,
daß die Tuberkulose beim Menschen als wichtige Primär¬
erkrankung für die amyloide Degeneration angesehen wird,
während dies beim Tier, wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen,
so doch in vereinzelten Fällen (Geflügel) beobachtet worden ist.
Bezüglich des Nachweises von Amyloid usw. sei auf die
Arbeit verwiesen. Richter.
Schlempemanke beim Pferde.
Von Dr. Reinhard Froehmer, Groß-Strehlitz.
Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 1808, Nr. 25.
Froehmer beobachtete Schlempemauke bei 6 Pferden, die
während der Brennkampagne jeden Abend je 2 Eimer voU
lauwarme Kartoffelschlempe erhielten. Der Krankheitsprozeß
begann in der Fesselbeuge und an der Krone einer Hinterglied¬
maße und es kam zum Ausfall von ca. markstückgroßen, harten
Hautstücken. Nach Aussetzen der Schlempefutterung und durch
örtliche Behandlung trat bald Heilung ein. Rdr.
Beitrage zur Kenntnis der chronischen Nieren¬
erkrankungen des Schafes.
Inaugural-Dissertation. Von Alfred Horn, Leipzig.
Mit 3 Tafeln. Druck von Gebr. Gebhardt, Leipzig.
Horn hat im Verlaufe eines Jahres die Nieren von
7000 Schafen untersucht und hierbei im ganzen in 58 Fällen
chronische Nierenerkrankungen gefunden, also häufiger, als aus
den bisher niedergelegten Literaturangaben zu schließen ist.
Es fanden sich 12 mal Echinococcen, 15 mal Hydronephrose,
23 mal chronische Nephritis, 7 mal eitrige Nephritis, 1 mal eine
Geschwulst. Richter.
Tagesgeschichte.
Deckblätter zur Militärveterinärordnung.
Wie in der B. T. W. schon erwähnt, sind neue Deckblätter
zur M. V. 0. ausgegeben worden. Wesentliche Änderungen
bringen dieselben nicht. Das ist durchaus erklärlich im Hin¬
blick auf die Tatsache der für das Frühjahr 1909 bestimmt zu
erwartenden gänzlichen Neuordnung des Militärveterinärwesens.
Immerhin ist aus den Abänderungen des Textes der M. V. O.
von 1896 einiges hervorzuheben.
Zunächst erscheint in § 8 die bereits bekannte wichtige
und dankenswerte Veränderung betreffs des Eintrittes in die
Karriere. Die Zeit des Eintritts ist nicht mehr nur der 1. Oktober,
sondern auch der 1. April. Am 1. April dürfen nur Einjährig-
Freiwillige eintreten, während am 1. Oktober noch Mehrjährig-
Freiwillige zugelassen werden. Der Truppenteil wird den am
1. April Eintretenden zugewiesen. Vor Erteilung des Annahme¬
scheines muß sich jetzt der Vater zur Gewährung einer an¬
gemessenen Zulage für die Studienzeit verpflichten.
Die vielfach geäußerten Wünsche bezüglich der Vermehrung
der Reitfähigkeit der Veterinäre haben in gewisser Weise
Berücksichtigung gefunden, indem in § 7 (Gebührnisse) unter
b (Berittenmachung) verfügt ist, daß den Veterinären aller
Dienstgrade, einschließlich der Veterinäraspiranten, ausreichend
Gelegenheit gegeben werden soll, sich eine gute Reitfertigkeit
anzueignen und zu erhalten, daß auch in den Personalberichten
darauf Bezug genommen werden soll. Wenn diese dankenswerte
Anregung freilich die richtige Wirkung haben soll, so wird
die Rationsberechtigung der Veterinäre unbedingt eingeführt
werden müssen, was wohl auch bei der Reorganisation zu er¬
warten ist.
Ebenso dankenswert ist es, daß die Fortbildungskurse durch
eine neue Einrichtung vervollkommnet worden sind. Neben dem
bereits von alters her bestehenden Kursus für Oberveterinäre,
der den Zweck hat, zur Stabsveterinärprtifung vorzubereiten, und
neben dem seit einigen Jahren eingeführten Kursus für Korpsstabs-
23. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
535
veterinäre wird neu ein Kursus für Regiments veterinäre einge¬
richtet, der alle zwei Jahre für je 30 Teilnehmer stattfinden
soll. Es bestehen also jetzt Korpsstabsveterinär-, Stabsveterinär-
und Oberveterinärkurse. (Die letzteren wurden bisher Stabs¬
veterinärkurse genannt, weil eie zur Stabsveterinärprüfung vor¬
bereiten, werden aber wohl nun eine andre Bezeichnung erhalten.)
Nicht befriedigen kann die Abänderung des Textes derjenigen
Bestimmungen, die sich auf die Dienstpflicht der approbierten
Tierärzte beziehen. Bezüglich der Prüfung im Hufbeschlag ist
nämlich alles beim alten geblieben. Das Kriegsministerium hatte
am 14. März 1907 (vgl. B. T. W. 1907, Seite 410) bestimmt,
daß bis zu endgültiger Regelung vorläufig das Hauptgewicht auf
die mündliche Prüfung zu legen sei, allerdings mit dem Hinzu¬
fügen, daß der praktische Teil auf die in § 10, 3 der M. V. 0.
vorgesehenen Handfertigkeiten und die Beurteilung des Pferdes
vor oder nach dem Beschläge zu beschränken sei. Man durfte
hiernach erwarten, daß bei einer neuen Fassung aus den Er¬
fordernissen für die Prüfung das Schmieden eines Eisens aus¬
gemerzt werden würde. Das ist jedoch nicht der Fall; sondern
in wörtlicher Übereinstimmung mit jener Verfügung des Kriegs¬
ministeriums wird in § 18 verlangt, daß die in § 10, 3 geforderten
Handfertigkeiten dargetan sind; zu diesen Handfertigkeiten gehört
aber, „daß sie in der Lage sind, ein Hufeisen zu schmieden“.
Schmaltz.
Deutscher und Schweizer Dr. med. ?et.
Von Kreistierarzt Gebhardt.
Nachdem ich meinerseits über dieses Thema schon zur
Tagesordnung übergegangen war, kann ich nach dem Erscheinen
des zweiten Artikels des Herrn Dr. Jonas nicht umhin, einige
Worte anzufügen*).
Während der erste Artikel von Jonas sich nicht gerade
durch Achtung vor den Erfolgen der älteren Tierärzte aus¬
zeichnete, enthält der zweite in Nr. 25 der B. T. W. Wider¬
sprüche, die beleuchtet werden müssen.
Zuerst ersuchte Jonas die Regierung um Schutz, daß sein
in Deutschland erworbener Dr. med. vet. nicht mit dem in der
Schweiz (ohne Abiturium) erworbenen verwechselt werden könne,
obwohl feststeht, daß die zu diesem Zwecke angefertigten Arbeiten
den deutschen gleichwertig zur Seite stehen, im zweiten Artikel
sind nun, anscheinend zur Erklärung dieses Verlangens,
allerlei Ausführungen über den Doktortitel überhaupt zu
lesen. Wir erfahren da, daß „der Doktortitel nicht eine Be¬
kundung guter Fachkenntnisse sei, sondern ein jahrhundertaltes
Dekorum zum äußerlich erkennbaren Unterschied zwischen den
im Besitz einer gewissen akademischen Bildung befindlichen und
den Nichtakademikern!“ Treffender hätte allerdings kaum
jemand obenerwähnte Forderung charakterisieren können als
dies Jonas mit dieser Ausführung getan hat. Denn seine
Forderung läuft darauf hinaus, den Dr. med. vet. nicht als
Kennzeichen des akademischen Studiums im allgemeinen, sondern
speziell als Prämie für die zwei Jahre, die er länger auf der
Schule zugebracht hat, zu verlangen, oder aber sollte er die
Tierärzte ohne Maturität als nicht „im Besitz einer gewissen
akademischen Bildung“ erachten?**)
*) Der obige Artikel ist gleich nach dem Erscheinen der Nr. 25
eingesandt, die Veröffentlichung konnte erst jetzt erfolgen.
**) Diese Folgerungen lassen sich meiner Ansicht nach aus
dem Artikel des Herrn Dr. Jonas nicht ziehen. Schmaltz.
In direktem Widerspruch zu dieser schroffen Forderung
in bezug auf den Dr. med. vet. hat er keine Bedenken, sowohl
den in Deutschland als in der Schweiz erworbenen Dr. phil. an¬
zuerkennen. Und die Begründung dafür? „Diese DDr. phil.
haben nach Vollendung ihrer Fachstudien sich in ein oft viele
Semester langes Studium der Philosophie versenken müssen,
haben auf Grund einer oft ganz weit vom Fache liegenden
wissenschaftlichen bedeutenden Leistung mit hohen pekuniären
Opfern ihr Ziel erkämpft!“ Meint denn Jonas, daß der
Schweizer Dr. med. vet. ohne pekuniäre Opfer und ohne wissen¬
schaftliche Leistung, welche allerdings, was uns als Tierärzte
doch nur erfreuen kann, nicht ganz weit vom Fache Regt,
sondern eng damit verknüpft ist, erlangt wird? Vielleicht gibt
Jonas eine Grenze an, wie viel Semester man noch arbeiten
und wie viel Geld man noch opfern muß, um in den Besitz
„einer gewissen akademischen Bildung“ zu kommen, damit
man die Genehmigung des Schweizer Dr. med. vet. bean¬
spruchen kann.
Weiter meint Jonas, würde auch im FaUe fortgesetzter
Genehmigung des Schweizer Dr. med. vet. zwischen Promo¬
vierten und Nichtpromovierten sich dieselbe Spaltung bilden.
Weit gefehlt, Herr Doktor! Wenn die Tierärzte ohne Maturität
den Dr. med. vet. nicht erwerben können, stehen sie eben den
DDr. med. vet. als minderberechtigt gegenüber, anders jedoch,
wenn es in das Belieben jedes einzelnen gestellt ist, zu jeder
ihm passend oder nützlich erscheinenden Zeit, ebenfaUs den
Doktortitel erwerben zu können. Glauben Sie wirklich, daß die
Spaltung resp. Spannung zwischen den Parteien in beiden FäUen
die gleiche ist?
Weiter will ich auf die Kundgebung des Herrn Jonas
nicht eingehen, ich möchte nur, um nicht in falschen Verdacht
zu geraten, erklären, daß ich nicht die Absicht hatte und habe,
in der Schweiz zu promovieren, also zu eignem Vorteil zu
schreiben. Bereits in eine Kreistierarztstelle eingerückt, ist es
für mich wenig von Belang, ob später die Dr. med. vet. bei
Besetzung amtlicher Stellen bevorzugt werden, und so glaube
ich nicht gerade anmaßend zu sein, wenn ich mich in dieser
Frage für ziemlich unparteiisch halte.
Zum Schluß möchte ich noch folgendes erwähnen: AUe
KoUegen, die in ihren Stellungen ihrem Stande und sich selbst
die gebührende Achtung errungen haben, werden faßt ohne Aus¬
nahme zugeben, daß ihnen dies bedeutend leichter geworden
wäre, wenn sie im Besitz des Doktortitels gewesen wären. Eben
deshalb, und um auch den Schein einer Spaltung in zwei Klassen,
deren Folgen nicht abzusehen wären, zu vermeiden, wünsche
ich, daß allen Kollegen die MögHchkeit geboten wird, den
Doktortitel zu erwerben und zwar ohne das Abiturientenexamen
nachzumachen. Daß der Dr. med. vet. dann anfängRch nicht
so exklusiv wird, wie scheinbar von manchen Seiten gewünscht
wird, ist meines Erachtens nebensächRch, denn ein exklusiver
Doktortitel allein kann die Hebung unseres Standes nicht
bringen, sie muß vielmehr durch die Tierärzte selbst, die im
öffentlichen Leben stehen, geschehen (selbstverständlich neben
der äußeren Anerkennung der Staatsregierung durch Verleihung
von Titeln usw). Ob der Dr. med. vet. mit oder ohne Maturität
erworben ist, danach wird draußen, außer einigen Nörglern, sich
kaum jemand kümmern, die Hauptsache ist, daß man das Recht
zur Führung desselben hat. Bei Änderungen im Studium
eines Faches müssen für die älteren Standesgenossen
536
No. 30.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
erleichternde Übergangsbestimmungen geschaffen
werden, das ist nicht nur recht und billig, sondern sogar
Pflicht der Staatsregierung. Damit möchte auch ich meinerseits
diese Auseinandersetzung schließen.
Preußische Technische Deputation für das Veterinär¬
wesen.
In die Deputation sind die beiden neuen Professoren der
Tierärztlichen Hochschule zu Berlin, Geheimrat Dr. Frosch als
Mitglied und Professor Abderhalden als Hilfsarbeiter ein¬
gereiht worden. Die Deutsche Tierärztliche Wochenschrift
knöpft in ihrer Nr. 26 daran die Bemerkung, daß die Zahl der
„Techniker auf dem Gebiete des Veterinär wesens“ in der Depu¬
tation immer kleiner werde, und daß sie sich immer mehr zu
einer wissenschaftlichen Deputation entwickle.
Der ersteren Bemerkung ist die Tatsache entgegenzuhalten, daß
in den letzten Jahren zwei Departementstierärzte neu in die
Deputation aufgenommen worden sind, nämlich Kl ebb a-Potsdam
und der jetzige Regierungsrat Nevermann, während früher
nur der Departementstierarzt von Berlin, wie auch jetzt, der
Deputation angehörte. Die Zahl der „Techniker auf dem
Gebiete des Veterinärwesens“ ist also nicht vermindert,
ondern vermehrt worden, da auch der Professor Ostertag
der Deputation nicht verloren gegangen, sondern als Mitglied
erhalten geblieben ist. Die beiden Herren Frosch und Abder¬
halden sind einfach in neue Stellen eingerückt.
Im übrigen ist in tierärztlichen Kreisen meines Wissens
ausdrücklich der Wunsch ausgesprochen worden, die „Technische“
Deputation möge, entsprechend der Deputation für das Medizinal¬
wesen, eine „wissenschaftliche“ genannt werden. Dem würde
ja mithin auch die „Entwicklung zu einer wissenschaftlichen
Deputation“ durchaus entsprechen. Es ist überdies nicht zu
verkennen, daß sich auch die Aufgaben der technischen Deputation
bereits erheblich verschoben haben. Denn sie ist durchaus nicht
mehr die ausschließliche Beraterin des Ministeriums auf dem
wichtigen Gebiete des Staatsveterinärwesens; die früheren
bedeutsamen Arbeiten auf diesem Gebiete sind ihr großenteils
entglitten und mehr oder weniger von dem inzwischen erstarkten
und selbständig gewordenen Veterinärbeamtentum übernommen
worden. Auch die Beratungen im Kaiserlichen Gesundheitsamt
üben mit ihrem wachsenden Gewicht einen Einfluß aus. Die
Tätigkeit der Deputation ist tatsächlich eingeschränkt worden.
Es würde daher ganz erklärlich sein, wenn sie sich in Zu¬
kunft mehr nach der rein wissenschaftlichen Seite hin ent¬
wickeln würde. Schmaltz.
Kreistierarzt Eaebiger und Kreisarzt Ludwig zu
Habelschwerdt.
Ein Landgerichtsurteil.
Im Namen des Königs!
In der Strafsache gegen den Königlichen Kreis- und Grenz¬
tierarzt Wolf Raebiger aus Habelschwerdt, geboren am
28. Februar 1873 in Bruch, Kreis Neumarkt, evangelisch, wegen
Beleidigung hat die erste Strafkammer des Königlichen Land¬
gerichts in Glatz in der Sitzung vom 8. Juli 1908, an welcher
teilgenommen haben:
1. Kalau vomHofe, Landgerichtsdirektor,alsVorsitzender,
2. Ulke, Landgerichtsrat,
3. Scheller, Landgerichtsrat,
4. Pauly, Landrichter,
5. Schrödter, Landrichter, als beisitzende Richter,
Bogatsch, Staatsanwalt, als Beamter der Staats¬
anwaltschaft,
Nevendorf, Referendar, als Gerichtsschreiber,
für Recht erkannt: Der Angeklagte ist der Beleidigung nicht
schuldig und wird deshalb freigesprochen. Die Kosten des Ver¬
fahrens werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe: Der Angeklagte ist beschuldigt, im Februar 1908
in Habelschwerdt in Beziehung auf den Königlichen Kreisarzt,
Medizinalrat Dr. Ludwig in Habelschwerdt nicht erweislich
wahre Tatsachen behauptet und verbreitet zu haben, welche
geeignet sind, denselben verächtlich zu machen und in der
öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, also sich gegen die
§§ 186, 194, 61 St.-G.-B. vergangen zu haben. Gegenstand der
Beschuldigung ist ein in Nr. 6 der Berliner Tierärztlichen
Wochenschrift, ausgegeben am 6. Februar 1908, veröffentlichter
Bericht des Angeklagten über Punkt 12 der Tagesordnung der
7. Generalversammlung der beamteten Tierärzte Preußens,
Seite 104 der Zeitschrift. Der Bericht enthält einen Vortrag,
den der Angeklagte auf der Generalversammlung beamteter
Tierärzte halten sollte, demnächst aber wegen Mangel an Zeit
nicht gehalten hat. Er behandelte, wie auch in der Überschrift
gesagt ist, die Überhandnahme des Kurpfuschertums. — In dem
größeren Teil des Artikels wendet sich der Angeklagte gegen
die Kurpfuscherei in der Tierheilkunde, die von einem gewissen
Josef Ludwig, einem Bruder des Kreisarztes Ludwig, in
Habelschwerdt ausgeübt wird und gegen die Rolle, die der
Kreisarzt Ludwig dabei spielt. Kreisarzt Ludwig hat wegen
dieser gegen ihn gerichteten Angriffe am 15. Februar, also
rechtzeitig, Strafantrag gestellt.
Josef Ludwig, der Bruder des Kreisarztes, war früher
Sattler, betreibt aber seit vielen Jahren in Habelschwerdt, wo
er ebenso wie sein Bruder wohnt, und in der weiteren Umgebung
die Heilbehandlung der kranken Tiere. Der Angeklagte führt
nun in seinem Artikel aus, der Josef habe bei der ländlichen
Bevölkerung deshalb großen Anklang gefunden, weil der Glaube
bestehe, er sei von seinem Bruder, dem Kreisarzt Medizinalrat
Dr. Ludwig ausgebildet. Veranlassung zu diesem Glauben gebe
besonders der Umstand, daß JosefLudwig Rezepte lege artis
schreibe, wodurch die Annahme verbreitet sei, der Sattler
Ludwig könne dies nur von seinem Bruder, dem Kreisarzt,
gelernt haben. Nach Angabe des Vorgängers des Angeklagten
sei es unbestrittene Tatsache, daß der Kreisarzt, Medizinalrat
Dr. Ludwig seinerzeit dem Kurpfuscher Ludwig an einem
Kalb des Viehbestandes des Habelschwerdter Krankenhauses
den Scblundschnitt gezeigt habe, wessen sich der Kurpfuscher
einem Gutsbesitzer gegenüber gerühmt habe. Häufige Regierungs¬
verfügungen hätten die Apotheker der Kreise in der Grafschaft
Glatz ermahnt, auf Rezepte des Kurpfuschers Ludwig keine
Medikamente zu verabreichen, die der Tabelle B entstammen.
Die weiteren Ausführungen des Artikels enthalten unter Weg¬
lassung dazwischen liegender Sätze noch wörtlich folgende Be¬
merkungen über den Kreisarzt, Medizinalrat Dr. Ludwig:
1. Ich gebe zu, daß besonders die Herren Apotheker des
Kreises sich hier in einer schwierigen Lage befinden, weil der
Kreisarzt der Bruder des Kurpfuschers ist. Es ist leider nicht
bekannt, „ob Herr Medizinalrat Ludwig bei seinen Revisionen
jemals ein Rezept seines Bruders beschlagnahmt oder gefunden
23. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
537
hätte, auf das Medikamente der Tabelle B verbotenerweise ver¬
abfolgt sind? Daß aber auf solche Rezepte trotz Regierungs-
Verfügung Medikamente abgegeben wurden, liegt klar auf der
Hand.“
2. Nach meinem Gewährsmann, Herrn Schlachthofdirektor
Machnig hier, behandelt der Pfuscher Ludwig aber auch
Menschen; sollte auch hiervon Herr Medizinalrat Ludwig keine
Ahnung haben?
Das sind Tatsachen, von denen schon mein Vorgänger, Herr
Kreistierarzt Wittlinger, wußte und die zu bezeugen, er jeder¬
zeit bereit sein wird. Andere Pfuscher des Kreises hat Herr
Medizinalrat Ludwig allerdings schon zur Anzeige gebracht.
3. Was sagen die Herren Mediziner dazu, daß ein aktiver
Kreisarzt einem Pfuscher an einem Tier eine Operation zeigt,
also lehrt, und daß dieser selbe Herr einen hier weit und breit
als Pfuscher bekannten Tierheilkundigen derartig protegiert?
Es ist doch in erster Linie und vor allem der Rolle des
Herrn Medizinalrates Ludwig zu verdanken, daß sich dieser
„Tierheilkundige“ in allen Kreisen als Tierarzt einzuschmuggeln
verstanden hat.
Es liegt auf der Hand, daß die in dem Artikel gegen den
Medizinalrat Ludwig erhobenen Beschuldigungen Tatsachen
enthalten, welche geeignet sind, ihn verächtlich zu machen und
in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Schon die Ver¬
bindung, in die hier der Kreisarzt Dr. Ludwig mit der Tätigkeit
seines Bruders als Pfuscher gebracht wird, entspricht nicht den
überkommenen berechtigten Anschauungen über die Standes¬
pflichten eines Arztes, insbesondere eines beamteten Arztes.
Diese Anschauungen stimmen mit denen aller anderen studierten
Berufe überein und gehen dahin, daß von denjenigen, die diese
Berufe ausüben, besondere Garantien zu verlangen sind, wie sie
durch Vorbildung, Bestehen bestimmter Examina und Standes¬
vertretung gewährt werden. Diese Anschauungen stehen daher
in unüberbrückbarem Gegensatz zu der Ausübung eines solchen
Berufes, wenn die genannten Garantien nicht geboten werden.
Jeder, der diese Garantie nicht bietet, wird als Pfuscher
bezeichnet. Jede auch nur stillschweigende Begünstigung eines
Pfuschers widerspricht diesen Anschauungen und ist ganz
besonders von einem Beamten zu vermeiden, dessen amtliche
Tätigkeit Berührungen mit dem Pfuscher nicht ausschließt. Im
einzelnen enthalten aber auch die zu 1 bis 3 wiedergegebenen
Bemerkungen herabwttrdigende Vorwürfe für den Medizinalrat
Ludwig:
Zu 1 wird der Verdacht durchblicken gelassen, daß der
Medizinalrat Ludwig die Apotheker nicht ausreichend auf
Rezepte, die für seinen Bruder verbotswidrig angefertigt seien,
revidiere.
Zu 2 wird der Verdacht ausgesprochen, daß der Medizinal¬
rat Ludwig gegen die Behandlung von Menschen durch seinen
Bruder nicht in gleicher Weise einschreite, wie gegen andere
Pfuscher.
Zu 3 wird dem Medizinalrat Ludwig Verletzung der
Standespflichten vorgeworfen, indem er einem tierärztlichen
Pfuscher eine Operation gelehrt habe und diesen derartig prote¬
giere, daß dieser Pfuscher es verstanden habe, sich in allen
Kreisen als Tierarzt einzuschmuggeln.
Die Verbreitung dieses Artikels ist, da er in einem Fach¬
blatt erschienen ist, zunächst auch nur in tierärztlichen Fach¬
kreisen erfolgt, die dieses Blatt halten. Der Angeklagte hat
aber .auch den Artikel nach seinem Erscheinen dem Maurer¬
meister Tietze in Habelschwerdt in der Buchalsehen
Weinstube zu Habelschwerdt übergeben. Tietze hat den
Angeklagten um den Artikel gebeten, nachdem ihm der An¬
geklagte Ende Januar oder Anfang Februar 1908 davon erzählt
hat, daß dieser Artikel, indem er das Kurpfuschertum des
Josef Ludwig brandmarke, erscheinen werde. Es ist nicht
erwiesen, daß damals der Angeklagte auch die Angriffe gegen
den Medizinalrat Ludwig erwähnt hat. Auch hat Tietze er¬
klärt, daß er sich den Artikel anderweitig verschafft hätte,
wenn er ihn nicht vom Angeklagten erhalten hätte. Nicht
erwiesen ist ferner, daß der Angeklagte den Artikel noch zur
Kenntnis anderer Personen gebracht hätte. Tietze hält es
zwar für möglich, daß er Tietze damals bei Buchal einige
Stellen aus dem Artikel vorgelesen habe. Es läßt sich aber
nicht feststellen, welche Stellen des Artikels es gewesen sind
und ob außer dem Angeklagten andere Personen darauf ge¬
achtet haben.
Der Angeklagte hat sich gegen die Beschuldigung in der
Weise verteidigt, daß er den Beweis der Wahrheit für die von
ihm behaupteten Tatsachen angetreten und auch für sich in
Anspruch genommen hat, daß er die Äußerungen zur Wahr¬
nehmung berechtigter Interessen gemacht habe.
Der Beweis der Wahrheit ist dem Angeklagten allerdings
nicht in vollem Umfange gelungen. Denn durch das eidliche
Zeugnis des Medizinalrates Ludwig ist erwiesen, daß dieser
niemals eine belehrende Tätigkeit bezüglich tierärztlicher Be¬
handlung gegenüber seinem Bruder ausgeübt, insbesondere
diesem nicht den Schlundschnitt gezeigt hat, daß er auch nur
irrtümlich bis zum Jahre 1904 die Revision der für die Be¬
handlung von Tieren bestimmten Rezepte unterlassen hat.
Dagegen ist folgendes erwiesen:
Medizinalrat Ludwig und sein Bruder Josef Ludwig
stehen im nahen persönlichen Verkehr miteinander. Josef
Ludwig hat das Grundstück, in dem er wohnt, Vorjahren von
seinem Bruder gekauft und auch noch eine Hypothek von
12 500 Mark für seinen Bruder auf dem Grundstücke stehen.
Medizinalrat Ludwig fährt häufig mit einem Lohnfuhrwerke
seines Bruders, wobei dieser auch als Kutscher mitfährt, auf
die Praxis. Die Lohnfuhrwerke des Josef Ludwig sind aller¬
dings auch als sehr gut bekannt. Infolge dieser nahen persön¬
lichen Beziehungen begegnen die Tierärzte der Grafschaft Glatz
in bäuerlichen Kreisen vielfach der Ansicht, daß Josef Ludwig
selbst Tierarzt sei, und daß ihn jedenfalls sein Bruder aus¬
reichend ausgebildet habe. Medizinalrat Ludwig hat dies zwar
nicht getan. Nur ist ihm die tierbehandelte Tätigkeit seines
Bruders bekannt und hat er vor 12 oder 13 Jahren zugesehen,
wie sein Bruder im städtischen Krankenhause zu Habelschwerdt
an einem Kalbe den Schlundschnitt vomalim. Irgendwelche
Belehrungen hat er dabei seinem Bruder nicht gegeben. Die
Oberin des Krankenhauses hat es aber so weiter erzählt, daß
der Arzt Dr. Ludwig in Habelschwerdt es so aufgefaßt hat,
als ob Medizinalrat Ludwig seinem Bruder den Schlundschnitt
gezeigt hätte. Josef Ludwig hat sich auch vor etwa 6 Jahren
dem Gutsbesitzer Päßler in Altwaltersdorf gegenüber, bevor
er an dessen Pferd einen Schlundschnitt machte, dahin
ausgesprochen, daß er den Schlundschnitt von seinem
Bruder, dem Medizinalrat, gelernt habe. Kreistierarzt
Wittlinger, der Vorgänger des Angeklagten in Habel-
538
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30.
sch wer dt, und Schlachthofdirektor Machnig in Habelschwerdt
haben ein jeder in einem Fall erfahren, daß Leute Rezepte-Ein-
reibungen des Josef Ludwig für Tiere auch bei Menschen an¬
gewendet haben. Es ließ sich aber nicht feststellen, daß dies
auf Anordnung des Josef Ludwig geschehen wäre. Allerdings
ist es hier und da vorgekommen, wie Medizinalrat Ludwig
selbst zugegeben hat, daß Josef Ludwig einen Menschen Um¬
schläge angeraten hat. Josef Ludwig hat auch einen Um¬
schlag, Kataplasma genannt, erfunden, der auch für Menschen
bestimmt ist. Diese Kataplasma wird auch von Medizinalrat
Ludwig empfohlen und angewandt. Scliließlich hat, wie bereits
erwähnt, Medizinalrat Ludwig bis zum Jahre 1904 Rezepte,
die sich auf die Behandlung von Tieren beziehen, bei seinen
amtlichen Revisionen in den Apotheken nicht mitrevidiert und
mußte erst durch eine Verfügung der Königlichen Regierung
darauf hingewiesen werden, daß seine Auffassung, er habe diese
Rezepte nicht zu revidieren, eine irrtümliche sei. Dem Kreis¬
tierarzt Wittlinger hat einmal der Apotheker Schunke,
früher in Habelschwerdt, erzählt, daß er oder sein Vorgänger
infolge seines schlechten Verhaltens zu Josef Ludwig einige
Zeit vom Medizinalrat Ludwig weniger Rezepte erhalten zu
haben glaube. Dem Schlachthofdirektor Lindner in Franken¬
stein hat der Gutsbesitzer Bittner in Heinersdorf, Kreis
Frankenstein, erzählt, sein Bruder, der Apotheker Bittner in
Habelschwerdt könne sich nicht gut den Josef Ludwig vom
Halse halten, weil der Medizinalrat Ludwrig der Bruder des
Josef Ludwig sei. Apotheker Bittner kommt allerdings dem
Josef Ludwig außerordentlich entgegen, indem er seine
Rezepte mit roten Zetteln beklebt, auf denen er Ludwig unver¬
ständlicherweise als Tierarzt bezeichnet, trotzdem er weiß,
daß Ludwig kein Tierarzt ist
Alle diese Tatsachen ergeben jedenfalls, daß der Angeklagte
im vollen Umfange im guten Glauben gehandelt hat, als er
seinen Artikel veröffentlichte. Diese Tatsachen lassen auch
die Schlüsse, die der Angeklagte bezüglich der Rolle
des Medizinalrates Ludwig aus ihnen zieht, durchaus
zu. Unverkennbar sind die Beziehungen des Josef
Ludwig zu seinem Bruder durchaus geeignet, jenem
eine bevorzugte Stellung bei seiner Praxis, als tier¬
ärztlicher Pfuscher zu geben, und die gleichzeitige
Tätigkeit des Medizinalrates und seines Bruders an
demselben Orte entspricht durchaus nicht den oben
geschilderten berechtigten Berufs- und Standesan¬
schauungen und ist daher von deren Standpunkte
aus außerordentlich zu bedauern. Dem Berufs- und
Standesinteresse des Angeklagten entspricht es nun durchaus,
wenn er diese bedauerlichen Verhältnisse bekämpft und unter
seinen Berufsgenossen zum Zweck gemeinsamer Bekämpfung
bekannt macht, durch Veröffentlichung des Artikels in dem Fach¬
blatte hat daher der Angeklagte nur berechtigte Interessen
wahrgenommen. In dieser Beziehung stimmt das Gericht mit
der Anklage überein. Es geht aber noch weiter. Die Anklage
will dem Angeklagten nicht zubilligen, daß er den Artikel dem
Zeugen Tietze zur Wahrnehmung berechtigter Interessen über¬
geben habe. Mit Recht weist aber der Angeklagte darauf hin,
daß in seinem Berufsinteresse auch eine Verbreitung des Artikels
unter seinen Kunden, zu denen Tietze gehört, liege.
Gerade seinen Kunden gegenüber muß dem Angeklagten
daran gelegen sein, den Pfuscher Ludwig zu bekämpfen und
die berechtigte Auffassung seiner Berufskreise über das Ver¬
hältnis des Josef Ludwig zu seinem Bruder zu verbreiten.
Auch bei Übergabe deB Artikels an Tietze hat daher der An¬
geklagte zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt.
Der Angeklagte war daher auf Grund des § 193 St. G. B.
freizusprechen, da weder die Form seiner Äußerungen noch die
Umstände das Vorhandensein einer Beleidigung ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 499 St. G. B.
gez. Kalau vom Hofe, Ulke, Pauly, Schrödter, zugleich
für den beurlaubten Herrn Landgerichtsrat Scheller.
Berlin.
Professor Dr. Abderhalden, der Physiologe der tier¬
ärztlichen Hochschule, hat einen unter sehr ehrenvollen Be¬
dingungen an ihn ergangenen Ruf nach Tübingen als Nachfolger
v. Hüfners (vgl. B. T. W. Nr. 22) erhalten. Er hat den¬
selben ab gelehnt, nachdem ihm die Zusicherung gemacht
worden ist, daß der Bau eines neuen physiologischen Instituts so
schleunig wie möglich zur Ausführung kommen werde.
Die Deutsche tierärztliche Wochenschrift, welche von dem
Rufe Kenntnis erhalten hatte, begleitet die Mitteilung mit der
Bemerkung, es werde schwer sein, Abderhalden zu halten, da
die Stellung eines Ordinarius von Tübingen doch noch etwas
anderes sei als die eines Professors an der tierärztlichen Hoch¬
schule. Dieser für Tierärzte überaus wunderlichen Ansicht hat
der Mediziner Abderhalden durch Ablehnung der Berufung
nach Tübingen die beste Widerlegung zuteil werden lassen.
Bayern.
Die Kammer der Abgeordneten hat die neue Gehalts¬
ordnung nach den Beschlüssen des Ausschusses einstimmig
angenommen. ,
Schlesien.
In Reinerz ereignete sich ein bedauerliches Unglück. Forst¬
meister v. Raesfeld, Tierarzt Dr. Standfuß und ein Diener
wurden von einem Hunde gebissen, bei dem nach der Tötung
Tollwut festgestellt wurde. Die Verletzten haben sich zur
Impfbehandlung nach Breslau begeben.
Verurteilung wegen Rotlaufimpfling.
Das Schöffengericht zu Heilsberg hat am 30. Mai 1906 den
Beklagten wegen Impfung mit Rotlaufkulturen und wegen Über¬
tretung des § 46,3 des Gesetzes vom 30. Juni 1900 mit 20 M. Geld¬
strafe bestraft. Das Gericht hat in der Verimpfung von Kulturen
durch den Beklagten nur eine Übertretung gegen § 2 der Vorschrift
vom 2. Mai 1904, § 48 Nr. 3 des Reichsgesetzes vom 30. Juni 1900,
nicht aber ein Vergehen gegen den § 328 des Strafgesetzbuches
erblickt. Wegen der Übertretung erschien eine Geldstrafe ange¬
messen. Diesem Standpunkt hat sich die Strafkammer in Barten¬
stein im wesentlichen angeschlossen. Aus den Gründen ist folgendes
hervorzuheben.
Der Angeklagte hat sich auch der Übertretung des § 46 Nr. 3
des Gesetzes betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krank¬
heiten vom 30. Juni 1900 schuldig gemacht, welcher den mit Strafe
bedroht, der den auf Grund der §§ 24, 26, 27 des Gesetzes erlassenen
Vorschriften zuwiderhandelt. Der § 27 bestimmt, daß der Bundes¬
rat ermächtigt ist, über den Verkehr mit Krankheitserregern usw.
Vorschriften zu erlassen. Der Bundesrat hat eine solche Vorschrift
unter dem 4. Mai 1904 (Reichsgesetzblatt Seite 159) erlassen, wonach
derjenige der Erlaubnis der zuständigen Polizeibehörde bedarf, der
mit Erregern von Krankheiten (exklusive Cholera und Rotz), welche
auf den Menschen übertragbar sind, oder von Tierkrankheiten,
welche der Anzeigepflicht unterliegen, oder mit Material, welches
solche Erreger enthält, arbeitet. In dem Impfen mit Kulturen hat
das Berufungsgericht ebenso wie der erste Richter nur eine Über-
23. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
539
tretung gegen den § 46 des oben zitierten Gesetzes, nicht auch ein
Vergehen gegen § 328 des Strafgesetzbuches erblickt, da diese Vor¬
schriften sich nicht als Aufsichtsmaßregeln im Sinne dieses
Paragraphen darstellen. Die vom Schöffengericht wegen dieser
Übertretung verhängte Strafe erschien auch angemessen.
Gehaltsverhfiltnisse in den kleinen Bundesstaaten.
In einigen kleineren, namentlich thüringischen Bundesstaaten
sind die Gehälter der Beamten bekanntlich im allgemeinen außer¬
ordentlich gering. Daß darunter in erster Linie die beamteten
Tierärzte mit zu leiden haben, versteht sich von selbst. So bezieht
der Bezirkstierarzt zu Rudolstadt, der eine wohl 20 jährige Dienst¬
zeit -hinter sich hat, 1400 M. Gehalt. Die Tagegelder betragen
dort für den ganzen Tag 4.50 M., für den halben Tag, das sind
sechs Stunden (also zwölfstündiger Arbeitstag?) 2.25 M. An
Transportkosten wurden die eigenen Auslagen vergütet; für Land¬
wege werden 25 Pf. für das Kilometer, aber nicht über 4 M. für
den ganzen Tag gezahlt. Die Wegegebühr ist übrigens die gleiche
wie die des Gendarmen. Der Fußweg spielt dort eine größere
Rolle, da in den steilen Bergen Gefährt vielfach gar nicht zu be¬
nutzen ist. Rudolstadt hat drei Bezirkstierärzte, die vergeblich auf
eine Aufbesserung warten.
Ärztliches Einkommen.
Die Nachweisung der Ärztekammer Berlin-Brandenburg für 1907
ergibt eine Hebung des Einkommens der Ärzte und zugleich eine
Verringerung ihrer Zahl. Die Zahl der steuerpflichtigen und wahl¬
berechtigten Ärzte im Kammerbezirk beträgt 4000 (Verminderung
in einem Jahre 180); in Berlin 1821, im Regierungsbezirk Potsdam
ohne Charlottenburg, Schöneberg und Rixdorf: 982, in Charlotten¬
burg 536, in Schöneberg 255, in Rixdorf 53, im Regierungsbezirk
Frankfurt 352. Die Steuersumme ist auf 1136 337 M. gestiegen, wo¬
von Berlin etwas über die Hälfte, nämlich 571 000 M. und Charlotten¬
burg 217 000 M. deckt, der Regierungsbezirk Potsdam ohne jene Orte
zählt 225 000 M. und der Regierungsbezirk Frankfurt rund 63 000 M.
Die Zahl der Ärzte mit weniger als 3000 M. ist von 909 auf 778
zurückgegangen; 683 beziehen 3000 bis 5000 M.; die Gesamtzahl im
Einkommen bis zu 5000 M. macht 36 Proz. aus. In Berlin beträgt
die Zahl innerhalb dieser Einkommenklassen 636, gegen 1066 über
5000 M. Ärzte mit mittleren Einkommen besitzt Berlin 91, der
ganze Kammerbezirk 156. In Berlin haben 25 Ärzte ein Einkommen
von 34 000 bis 40 000 M , 29 von 40 000 bis 50 000 M., 29 von 50 000
bis 100 000 und 6 von 100 000 bis 225 000 M.
Die neue Kaiser Wilhelm-Akademie.
Der Neubau der Kaiser Wilhelm-Akademie für das militär¬
ärztliche Bildungswesen in der Invalidenstraße zu Berlin wird ein
ebenso gewaltiges als glänzendes Bauwerk, das ein beredtes
Zeugnis ablegt für die außerordentlich weitgehende Fürsorge, die
dem militärärztlichen Bildungswesen unter unmittelbarer Anteil¬
nahme Seiner Majestät zuteil wird. Die Bauten schließen sich um
einen weiten Hof und gliedern sich in das Hauptgebäude, das
große Wohnhaus für die Studierenden, das Hörsaalgebäude und
das Laboratorium. Vorzüglich sind die Sammlungsräume, mit sehr
hohen und breiten Fenstern bedacht. Ein anatomisches Museum,
Geräte- und Instrumentenausstellung und ein Lesesaal sind vor¬
gesehen. Die fast 12 m hohe Aula faßt 600 Personen; zu ihr
gesellt sich ein großer Speisesaal und eine Anzahl geräumiger
Vorsäle und Zimmer. Einen besonderen Saal erhält auch der
Senat. Die Bücherei wird sehr praktisch angelegt und kann
200000 Bände umfassen. Im Wohngebäude erhalten je zwei
Studierende ein Zimmer, das sich aber nach Belieben in zwei
Einzelräume zerlegen läßt. (Sehr richtig! S.) Das Laboratoriums¬
gebäude enthält Ställe für Versuchstiere, Verbrennungsöfen für
Tierleichen usw. Im ganzen enthält die neue Akademie Hunderte
von großen und kleinen Räumen, und nicht bloß für das Studium,
sondern auch für angenehme Lebenshaltung der Studierenden ist
bestens gesorgt. Ein sehr freundliches Kasino für die Studierenden
und ein anderes für die Sanitätsoffiziere, die nötigen Bier- und
Weinkeller, ja im Keller sogar eine Kegelbahn legen davon Zeugnis
ab. Auch die große Zahl der Hausbeamten erhalten freundliche
Wohnungen. Im Dachgeschoß sind Turn- und Fechtsaal unter¬
gebracht. Die Büreaus, Wohn- und Arbeitsräume werden durch
Warmwasser, die Säle und Ausstellungshallen durch Niederdruck-
dampf-Heizung erwärmt. Die guten Lüftungsvorrichtungen ge¬
statten in einer Stunde dreimaligen Luftwechsel. Die Beleuchtung
ist elektrisch. Die Kosten des ganzen Neubaues werden auf nicht
weniger als 6‘/ 8 Millionen veranschlagt. (Berliner Neueste Nach¬
richten.)
Berliner Akademische Nachrichten.
In Berlin erscheinen als neue Folge der Berliner Akademischen
Wochenschrift die „Berliner Akademischen Nachrichten“, heraus¬
gegeben vom Professor Paszkowski, dem Leiter der akademischen
Auskunftsstelle an der Friedrich-Wilhelmsuniversität Verlag der
Universitätsbuchdruckerei. Die Zeitschrift erscheint am 10., 20. und
30. und wird bei allen Berliner Hochschulen und wissenschaftlichen
Instituten unentgeltlich ausgegeben.
Abiturientenüberschuß — Lehrermangel.
Um dem Elementarlehrermangel im Großherzogtum Hessen
zu steuern, ist nach der Darmstädter Zeitung die hessische
Regierung auf den Ausweg verfallen mit Rücksicht auf den
Überschuß der Abiturienten der drei Mittelschularten zunächst ver¬
suchsweise die Abiturienten nach mehrmonatlicher Vorbereitungs-
j zeit zum Yolksschullehrerdienst zuzulassen. Es meldeten sich
auch gleich eine ganze Anzahl Abiturienten, so daß die Vor¬
bereitungszeit auf ein Jahr verlängert werden konnte; zuletzt
betrug die Zahl der sich meldenden nahezu 90 Anwärter.
Dr. G.
Oberlehrerlaufbahn in Preußen.
Im Jahre 1906 waren in Preußen 254 Stellen mangels Be¬
werber unbesetzt geblieben. 1900 herrschte noch eine starke
Überfüllung der Oberlehrerlaufbahn. Im Jahrfünft 1902—1906
waren von den überhaupt angestellten 1349 Oberlehrern nur
4,62 Proz. über 35 Jahre, dagegen 77,82 Proz. unter 30 Jahren.
Während im Jahre 1892 noch 1390 Kandidaten vorhanden
waren, eine Zahl die nach Prof. Dr. Klatts Nachweisen noch
bis 1899 den Bedarf an Oberlehrern deckte, standen bereits
1905 nur 189 Kandidaten zur Verfügung. In den Jahren 1892
waren 36,3 Proz. unter 35 Jahren und nur 15,7 Proz. unter
30 Jahren gewesen, als sie zur Anstellung gelangten. Mithin
sehr günstige Verhältnisse für Philologen zur Zeit.
Dr. G.
Versammlung der Tierärzte des Reg.-Bez. Lüneburg.
Eine größere Anzahl von Tierärzten des Bezirks der Heide und
Nachbarschaft hatte sich am Sonntag, den 5. Juli, in der alten
Stadt Lüneburg versammelt:
Es waren anwesend: Veterinärrat Ho ltzh au er-Lüneburg,
Müll er-Bergen bei Celle, Neumann-Schwarzenbeck (Holstein),
Napp-Ülzen, Behrens - Schneverdingen, Sahling - Harburg,
Ölkers sen.-Wittingen, Dr. ölkers jun.-Wittingen, Schmidt-
Celle, Schulz-Winsen a. L., Holm-Harburg, Brandes-Walsrode,
Niebuhr - Salzhausen, Jabobi - Tostedt, Wolfsberg-Lüneburg,
Becker-Bevensen, Ehling-Ülzen, Winkler-Dömitz (Mecklbg.),,
Iwersen - Lüneburg, Schmidt-Lüneburg, Brückop-Lüneburg,
Scheferling-Lüneburg, Schneider-Bleckede. Kollege Becker
berichtete über das vor Jahresfrist an den Regierungspräsidenten
in Lüneburg gerichtete Gesuch der Tierärzte des Bezirks zwecks
Erhöhung der Reisekosten bei Vornahme der Fleischbeschau; in
dem Gesuche wurde verlangt, daß die Reiseentschädigung nach
denselben Sätzen erfolgen solle, wie sie den Kreistierärzten vor¬
geschrieben sind, jedoch ohne Tagegelder. Eine Antwort darauf
ist bisher nicht eingegangen. Neumann-Schwarzenbeck teilte mit,
daß den Kollegen des Kreises Herzogtum Lauenburg auf ihre Ein¬
gabe an den Landrat der Bescheid geworden ist, daß der Herr
Minister zurzeit eine Erhöhung der Reisekosten bei der Fleisch¬
beschau nicht bewilligen könnte.
f>40
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30.
Da bei einem eventuellen Streike sich doch einige Kollegen
finden würden, welche die Fleischbeschau zu der gegenwärtigen,
niedrigen Reiseentschädigung auszuftthren bereit wären, und da
ferner der tierärztliche Zentralverein der Provinz Hannover in
seiner demnächstigen Generalversammlung ebenfalls sieh mit dieser
Materie befassen würde, so wurde beschlossen, die weitere Ent¬
wicklung der Angelegenheit abzuwarten.
Alsdann demonstrierte Kollege Ehling-Ülzen des Pflanz sehe
Embryotom nebst Extraktor sowie dio Person sehe Kettensäge
und die Embryotomiekrttcke von Lindhorst. Der Austausch der
vielseitigen Erfahrungen, welche die Kollegen bei der Embrytomie
gesammelt haben, zeigte deutlich, in welch hohem Maße die in der
Praxis höchst bedeutungsvolle Embryotomie das Interesse der
praktizierenden Kollegen in Anspruch nimmt. Die gewaltigen Fort¬
schritte und schönen Erfolge in der Embryotomie mit Hilfe der
modernen Instrumente wurden allseitig anerkannt, und alle Kollegen
waren der Meinung, daß der in der Praxis stehende Tierarzt durch
seine Leistungen in der Geburtshilfe und speziell in der Embryotomie
sieh die Achtung des Publikums betreffs seiner Leistungsfähigkeit
als Tierarzt am schnellsten und sichersten verschaffen und erhalten
könnte. Es müsse zu den Seltenheiten gehören, daß der Tierarzt
wegen Geburtshindernisse oder wegen Verletzung des Muttertieres
bei der Geburt eine Notschlachtung vornehmen lasse.
Eine kurze Mitteilung über den Wert und Zweck der Wirtschafts¬
genossenschaft deutscher Tierärzte, E. G. m. b. H. in Posen, hatte
zur Folge, daß einige Kollegen sich als Mitglieder meldeten. Sehr
zu bedauern ist, daß bei weitem die meisten Kollegen immer noch
nicht sich entschließen können, der Genossenschaft als Mitglied
anznschließen, obgleich diese in den wenigen Jahren ihres Bestehens
gezeigt hat, daß sie lebensfähig ist und den Mitgliedern manchen
Nutzen und manche Annehmlichkeit verschafft.
über den schwierigsten Punkt der Tagesordnung, die tier¬
ärztliche Taxe, hatte Kollege Iwersen-Lüneburg das Referat
übernommen. Die Verschiedenheiten in den örtlichen Verhältnissen
sowohl wie die mehr oder weniger große Konkurrenz lassen die
Aufstellung einer f Normaltaxe noch nicht zu. Allgemein muß aber
daran festgehalten wefden, *l!feß bei der Steigerung der Preise fÜr* J
alle Lebensbedürfnisse und der Transportkosten auch die Tierärzte
ihre Preise erhöhen müssen, und daß der Preis für 1 km Landweg
mit 1 M. bis zu einer Entfernung von 12 km durchaus nicht zu
hoch gegriffen ist. Bei weiteren Entfernungen bleibt die Höhe des
Honorars bzw. der Reisekosten dem eigenen Ermessen überlassen.
Nach Schluß der Versammlung fand ein gemeinschaftliches
Essen mit Damen statt, und zwar aus Anlaß der vor 25 Jahren er¬
folgten Approbation des von den Kollegen des Bezirks allgemein I
verehrten und hochgeschätzten Veterinärrates Holtzhauer. Nahezu j
50 Personen beteiligten sich am Essen. Ein prachtvoller Blumen¬
korb mit der Zahl „25“ in weißen Rosen wurde dem Jubilar von !
den Kollegen des Bezirks überreicht. Seiner arbeite- und erfolg¬
reichen fast elfjährigen Tätigkeit als Departementstierarzt in
Lüneburg wurde gedacht, und es wurde besonders hervorgehoben,
welche bedeutenden Fortschritte die Tierärzte des Regierungs¬
bezirks Lüneburg während dieser Zeit gemacht hätten; denn gerade
im Lüneburgischen ist es wohl den Tierärzten am allerschwerstcn
geworden, sich Position und allgemeine Anerkennung zu erringen,
und daß den Tierärzten dies gelungen ist, dazu hat der Veterinärrat
Holtzhauer in seiner Stellung außerordentlich viel beigetragen.
Unermüdlich und von feinem Takt, wenn es gilt, die tierärztlichen
Interessen zu vertreten, war er stets und ist er noch heute ein I
Freund und Berater aller Tierärzte, ein wahrer und wohlwollender !
Kollege dem Kollegen, der voll und ganz seine Pflicht tut.
Während der Tafelfreuden hatten die Teilnehmer auch noch
manchen schönen musikalischen Genuß, und nach Aufhebung der
Tafel beteiligte sich jung und alt lebhaft am Tanz. Selten dürfte
ein ähnliches Fest unter Kollegen in größerer Harmonie und unter
größerem Frohsinn gefeiert sein, und jeder Teilnehmer und jede
Teilnehmerin wird sagen müssen: -Es war eine köstliche Feier!“ ,
B.
Verein Pfälzer Tierärzte.
Die 66. ordentliche Jahresversammlung des Vereins Pfälzer Tier¬
ärzte wird am Sonnabend, den 22. August, vormittags 11 Uhr, in
Homburg, Hotel zur Pfalz, abgehalten mit folgender Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten.
a) Geschäftsbericht des Vorsitzenden.
b) Kassenbericht des Rechners.
c) —f) Statutenmäßige Wahlen.
2. Vortrag und Besprechung über „Die Mitwirkung der Tierärzte
bei Förderung der Haustierzucht“. Referenten: Eckart und
Rabus.
3. Beratung über den Antrag der Tierärztlichen Gesellschaft in
Berlin, die außerordentliche Fleischbeschau als besonderen
Lehrgegenstand an den Tierärztlichen Hochschulen einzuführen.
4. Internationaler tierärztlicher Kongreß im Haag.
5. Mitteilungen aus der Praxis.
6. Wünsche und Anträge.
Nach Schluß der Verhandlungen findet gegen 7 j 3 Uhr im Hotel
zur Pfalz gemeinsames Mittagsmahl statt, wozu Anmeldungen an
Herrn Kollegen d’Alleux erbeten werden. Gäste sind herzlich
willkommen!
Personalien.
Auszeichnung: Den Tierärzten Franx Neugebauer zu Berlin und
Heinrich Husfeldt zu Wandsbeck wurde der Kgl. Kronenorden
IV. Klasse verliehen.
Ernennungen: Dem Polizeitierarzt Dr. Johannes FWer,«-Cöln a. Rh.
ist die Verwaltung der Kreistierarztstelle in Rheinbach übertragen
worden, Distriktstierarzt Karl Oreiner -S ü n ch i n g zum Schlachthof¬
direktor in Amberg, Tierarzt V. Vogel - Jettingen zum Distrikts¬
tierarzt in Schnaitsee. — Versetzt: Kreistierarzt H^c/uw-Adelnau
in die Kreistierarztstelle zu Koschmin, die Distriktstierärztc C.Krünzle-
Aindling und 0. Schmidt -Tittling in gleicher Eigenschaft nach
Mehring bzw. Sünching.
Niederlassungen: Die Tierärzte Bernhard Mey in Berlin N. W.,
Ralhenowerstr. 26, A. Diex in Morbach Kreis Bernkastel. — Verzogen
Professor Dr. SchneideYntfhl-D^t^n na ch E lb ing (W u s tp r.), di e T icr-
ärzte A. Töpfer -Danzig als Vertreter des Schlachthofdirektors nach
Stollberg i. Erzgebirge, Dr Emst Quthke -Bromberg zur Überwachung
der Geflügeleinfohr nach Illowo, Dr. Philipp Lotxcr -Engen nach
Saargemtind, Heinrich Müller- Steinbach, als Assistent des Gr. ßczirks-
tierarztes nach Buchen.
Examina: Promoviert: Kreistierarzt Otto Dammann in Halle a. S.,
die Tierärzte Paul Böhm aus Altlandsberg, Ferdinand L'öcr ans
Stockum zum Dr. med. vet. in Bern; Kreistierarzt Friedrich Diedrichs-
Münster, Walter O. R. Albien , Assistent am bakt. Inst, der Land¬
wirtschaftskammer in Kiel zum Dr. med. vet. in Gießen; Willutm
Felber-Dresdeii zum Dr. med. vet. in Leipzig. — Die amts- und
bezirkstierärztliche Prüfung hat Tierarzt Moritx Böhme-Dresden
bestanden. — Approbiert: Die Herren Oswald Pdzschkc aus
Schladitz in Berlin, Bäumer aus Hiltrup, Sachs aus Heidelberg,
Schiffer aus Pfeddersheim, Schuster aus München in Gießen; Simon
Ignafaff aus Plewna (Bulgarien), Alex Kiriukoff aus Borisowgrad
(Bulgarien) in München.
Todesfall: Oberveterinär a. D. Schleehauf 81 Jahre alt, in
Ditzingen bei Stuttgart.
Vakanzen. (Vgi. Nr. 27 .)
Schlachthofstelle: Osterode (Ostpr.): Direktor zum 1. Oktober cr^
Gehalt 2100 M. bis 3000 M., freie Dienstwohnung usw. Bewerb,
bis 10. August er. an den Magistrat.
Die Stelle eines ersten Assistenten am physiologischen
Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin ist zum 1. Oktober
zu besetzen. Tierärzte, welche zu physiologisch-chemischen Arbeiten
geneigt und qualifiziert sind, wollen ihre Bewerbung baldmöglichst
an Professor Abderhalden einreichen. Sch maltz.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält* in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung tob Richard Bchoeti ln Berlin. —
Druck von W. Bflxenstein, Berlin.
Di« „Berliner Tierärztlich« Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Scboeta in
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsch«
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 PL für Bestellgeld)
fr«i ins Haus geliefert, (österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674, Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Mk.« in Petitsats mit
60 Uk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
cu senden an Prof. Dr. Schmalts, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., LuisenstraSe 66b Korrekturen,
Resenaions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departements-T. in Cöln.
Med.-Rat Dr. Boeder Dr. Schlegel
Professor in Dresden. Professor in Freiburg.
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Dr. Peter Veterinärrat Peters Veterinärrat PreuBe Dr. Richter
Staatstierarat für Hamburg. Departements T. In Bromberg. Departements-T. in Danzig. Professor in Dresden.
Dr. I. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel Wehrte ZDndel
Professor in Dresden. Lzndestierarzt in München. Kais. Regierungsrat in Berlin. Krelstierarat fn Mülhausen L E.
Helfer Dr. H. Sieber Dr. Städter Dr. Trapp Dr. Zimmermann
Schlach’b.-Direktor ln Mülhausen LE. am Tropeninstitut in Hamburg. Stadt-Tierarzt in Hamburg. am Kaiser Wilhelm-Institut in Bromberg. Dozent in Budapest.
Jahrgang 1908. J\(i. 31 . Ausgegeben am 30. Juli.
Inhalt: Müller: Beobachtungen über Vergiftungfälle bei Pferden, Rindern und Schafen infolge Verfütterung rostpilz*
befallenen Futters. — Regenbogen: Bleivergiftung bei Stubenvögeln. — Cämmerer: „Autocauter.“ — Referate:
Hermans: Das Zurückhalten der Nachgeburt bei der Kuh. — Hipp: Untersuchungen über die Wirkung des Digalens bei
Hunden und Pferden. — Nevermann: Über die Wirkungen des Lumbagin. — Tätray: Versuche mit Suptol (Burow) bei
Schweineseuche. — Schnürer: Über flüssigen Rauschbrandimpfstoff. — Schuh: Untersuchungen des Fleisches an Backstein¬
blattern erkrankter Schweine auf das Vorhandensein virulenter Rotlaufbazillen. — Zimmermann: Histologische Untersuchungen
bei Entzündungen der Fleischkrone. — Degen: Untersuchungen über die hämathogene Nephritis des Schweines. —. Tages-
geschickte: Schmaltz: Zur Einführung der Pauschvergütung in Preußen. — Die Gehaltsbezüge der tierärztlichen Staatsbeamten
in Bayern. — Nochmals der Dr. med. vet., ein Wort zur Beruhigung. — Zur Lage der Unterveterinäre. — Verschiedenes. —
Tierhaltung und Tierzucht: Müller: Welche Aufgaben stellt die moderne Forschung in der Tierzucht an die praktischen Tier¬
ärzte? — Personalien. — Vakanzen.
Aus dem Institut für Hygiene und Bakteriologie der Universität
Straßbnrg (Direktor Prof. Dr. J. Förster).
Beobachtungen über Vergiftungsfälle bei Pferden,
Rindern und Schafen infolge Verfütterung rostpilz¬
befallenen Futters.
Von Dr. med. vet. M. Müller, Assistent am Institut.
In den Bezirken Unter-Elsaß und Lothringen sind mit
Anfang Dezember mehrfach seuchenartige Erkrankungen von
Pferden, Rindern und Schafen beobachtet worden, deren Haupt¬
erscheinungen bestehen in: myopathischer Parese oder Paralyse
und bei den Rindern und Schafen außerdem starker Salivation.
Die Puls- und Atemfrequenz ist nur in älteren Fällen bei längerer
Dauer vermehrt, Fieber besteht nicht, ebenso ist das Sensorium
nicht benommen. — Der Verlauf der Krankheit ist teils peraknt
und akut mit letalem Exitns teils chronisch mit tödlichem Aus¬
gang infolge Inanition; andernfalls mit sehr langem Rekonvaleszenz¬
stadium. — Nach Mitteilungen französischer Tierärzte sind in
den Grenzdepartements gleichfalls ähnliche Fälle beobachtet
worden.
In besonders starkem Maße trat die Krankheit unter dem
Tierbestande des Dorfes Essesdorf im Kreise Saarburg auf,
woselbst über 30 Tiere in schwerer Weise erkrankten und
7 Pferde, 10 Rinder und 5 Schafe eingingen oder getötet wurden.
Bei dem Landwirte S. erkrankte der ganze Tierbestand mit
Ausnahme von 2 Kälbern, bestehend ans 4 Pferden und 14 Rindern,
wovon 4 Pferde und 6 Rinder eingingen, während zwei weitere
Rinder getötet werden mußten. An eine Schlachtung der Tiere
war in fast allen Fällen infolge des schnellen Verlaufes oder des
unerwartet eintretenden Todes nicht zu denken, teils wurde von
derselben bei länger kranken Tieren Abstand genommen, da das
Fleisch notgeschlachteter Tiere bei den Bauern des Dorfes
keinen Absatz findet. Die Hauptverluste an Tieren erfolgten
in der Zeit von Weihnachten bis Mitte Januar.
Nach Aufzeichnungen des Herrn Landestierarztes Geheimrat
Fei st auf Grund der Mitteilungen des betroffenen Landwirtes und
des Bürgermeisters ging das erste Pferd am 30. Dezember nach
ein- bis zweistündiger Krankheit unter Lähmungserscheinungen
ein. — Das . zweite Pferd legte sich am 2. Januar nach
dem Füttern nieder, zitterte an den Beinen, versuchte nicht
mehr aufzustehen und verendete nach zehn Stunden. Beim
dritten Pferde setzte die Krankheit gleichfalls mit Lähmimgs-
erscheinungen ein, dann Unvermögen zum Aufstehen, Futter-
aufnahme erfolgte während der zweitägigen Krankheitsdauer
nicht. Fieber war nicht vorhanden, ebenso keine erhöhte Puls¬
frequenz. Das vierte Pferd — ein zehn Monate altes Fohlen —
ferlag unter den gleichen Erscheinungen innerhalb 24 Stunden.
— Bei einem anderen Landwirt^ wurde ein Fohlen morgens
gelähmt im Stalle gefunden. Dasselbe verendete nach einer
halben Stunde. Eine hochtragende Stute zeigte nur vier Stunden
Lähmungserscheinungen und ging dann ein. — Die leichter er¬
krankten Pferde bekundeten eine Parese der Nachhand. Die¬
selben schwankten und taumelten heim Gehen und waren nach
dem Niederlegen unfähig, ohne Hilfe sich zu erheben. Be¬
merkenswert ist, daß die Lähmung sowohl eine motorische als
auch sensible ist. — Ein starkes Speicheln wurde bei den
Pferden nicht beobachtet; auch war in den leichteren Fällen
die Fatteraufnahme kaum gestört. Die Parese der Nachhand
verschwand langsam nach vier- bis achtwöchentlicher Dauer.
Einzelne Pferde, welche infolge der Parese nicht imstande
waren, längere Zeit auf den Beinen zu stehen, wurden zur
Vermeidung von Decubitus bis zu sechs Wochen in Hängevor¬
richtungen gehalten.
Das Krankheitsbild bei den Rindern erinnerte, nach den
Mitteilungen des zuständigen Kreistierarztes Herrn Leveque,
in schweren Fällen an Kalbefieber, in den leichteren infolge
starken Speicheins stark an Maul- und Klauenseuche. Die
nähere Untersuchung auf die Ursache des Speicheins hin ergab
542
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
eine Lähmung des Schlundkopfes und meistens auch der Zunge.
In einzelnen Fällen zeigten die Tiere noch Appetit, vollfiihrten
Kaubewegungen, waren jedoch nicht imstande abzuschlucken.
Da die Lähmungszustände lange anhielten und späterhin nur
allmählich wieder wichen, so gingen die Tiere sehr schnell in
ihrem Ernährungszustände zurück. Auch erholten sich die
Tiere, welche nicht der Krankheit erlagen, nur sehr langsam. Fieber
war — wie oben erwähnt — nicht vorhanden, desgleichen
zeigte die Puls- und Atemfrequenz nur leichte Schwankungen,
die die Normalgrenzen kaum überschritten. In Fällen, die mit
schweren Lähmungserscheinungen einhergingen und bei denen
sich der Exitus letalis verzögerte, wnrde späterhin eine erhöhte
Puls- und Atemfrequenz festgestellt. Diese Tiere lagen dann
mit ausgestreckten Gliedmaßen auf der Seite, Augen- und
Ohrenspiel ließen deutlich das Freisein der Psyche erkennen.
Infolge der gleichzeitig bestehenden starken Abmagerung
machten diese Tiere einen höchst bejammernswerten Eindruck. In
den schweren Fällen mit chronischem Verlauf wurde späterhin
der Abgang breiigen, dunklen, stark übelriechenden Kotes
beobachtet.
Bei dem am stärksten betroffenen Landwirt S. verendete
Vom Rinderbestande zuerst ein Ochse nach dreitägiger, dann
eine Kuh und ein Ochse nach zweitägiger und zwei Kühe und
ein Rind nach eintägiger Krankheitsdauer. Die Tiere fingen
plötzlich an zu zittern, legten sich nieder und waren dann außer¬
stande, sich nochmals zu erheben. Ein Ochse wnrde nach vier¬
zehntägiger schwerer Krankheit getötet. Ebenso mußte eine
hochträchtige Kuh, die keine schweren Lähmungserscheinungen
gezeigt hatte, infolge ihres kläglichen Körperzustandes aber nicht
gebären konnte, getötet werden. Ein Landwirt, dem fünf Schafe
verendet waren, erklärte, daß die Tiere plötzlich stark zu
speicheln anfingen, Lähmungserscheinungen bekundeten und dar¬
auf innerhalb 12 Stunden verendeten.
Am 8. Januar wurden durch den Kreistierarzt Herrn
Leveque in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Stang, Kreistierarzt
im Ministerium, drei Kadaver — ein Pferd und zwei Rinder —
obduziert. Der Sektionsbefund war ein völlig negativer. An
sämtlichen Organen, einschließlich des Gehirns und Rückenmarks,
konnten keine makroskopisch erkennbaren pathologischen Er¬
scheinungen festgestellt werden.
Von den obduzierten Tieren wurden mir Gehirn, Rückenmark,
Milz, Niere und Harn zur bakteriologischen Untersuchung über¬
mittelt. Der Befund an den Organen und auch der Urbericht
berechtigten von vornherein zu der Annahme, daß die vorliegenden
FäUe nicht als Infektions-, sondern als Intoxikationskrankheiten
äufzufassen seien. Immerhin mußte infolge einer Reihe von
Momenten (vornehmliches Eingehen von Pferden bis dahin,
Lähmungen zunächst der Nachhand, Auftreten weiterer Er¬
krankungsfälle trotz angeordneten — jedoch von seiten der
Landwirte wie nachträglich festgestellt, nicht befolgten —
Futterwechsels) doch auch in Erwägung gezogen werden, daß
die von Schlegel betriebene infektiöse Rückenmarksentzündung
vorliegen könne.
Die Untersuchung des übermittelten Materials ergab im
Ausstrich bakterioskopisch das mehr oder weniger starke Vor¬
handensein von Kadaverbazillen in allen Organen. Die von
Schlegel beschriebenen leicht auffindbaren Streptococcen oder
andere Mikroorganismen konnten im Innern der Organe nicht
nachgewiesen werden. Keimisolierungsversuche mit Gelatine-,
Agar-, Endo- und Malachitgrünplatten verliefen ebenso wie Tier¬
experimente bei Mäusen, Meerschweinchen und Kaninchen ver¬
mittelst subkutaner Materialverimpfung negativ. Die gleichen
Befunde ergaben sich gelegentlich der Einsendung weiteren
Materials* durch Herrn Kreistierarzt Michel Dieuze von einem
unter Lähmuugserscheinungen eingegangenen Pferde eines Gutes
im gleichen Kreise, auf dem gleichfalls mehrere Pferde unter
den oben beschriebenen Erscheinungen erkrankt waren. Infolge
bereits stark fauliger Beschaffenheit des Materials ging ein
Meerschweinchen an Sepsis zugrunde. Die bakteriologische
Prüfung bestärkte demzufolge die Vermutung, daß die Ursache
der Enzootie in einer Futtervergiftung zu suchen sei.
Gelegentlich einer Rücksprache mit Herrn Geh. Regierungs¬
rat Feist wies derselbe darauf hin, daß die Verfütterung brand-
oder rostpilzbefallenen Futters vermutlich schuld an den Er¬
krankungen trage, obwohl das Befallensein des Getreides bis¬
lang in Abrede gestellt wurde. Diese Aussicht wurde auch
durch die Angaben in der Literatur (Toxikologie vonFröhner)
bestätigt, wobei zunächst die Vermntungsdiagnose „Brandpilz¬
vergiftung“ gestellt werden konnte.
Durch eine Verfügung des Kaiserlichen Ministeriums wurde
ich dann beauftragt, bei weiter vorkommenden TodesfäUen die
Obduktion in Gemeinschaft mit Herrn Kreistierarzt Leveque
zwecks einwandfreier Entnahme von Material zu weiterer Unter¬
suchung zu entnehmen, und gleichzeitig mit demselben weitere
Ermittelungen bezüglich der Ursache anzustellen — Der nächste
Fall, der mir gleichzeitig Gelegenheit gab, kranke Tiere selbst
zu besichtigen, betraf wieder ein Rind des Landwirtes S. in
Essesdorf. Dasselbe lag seit 14 Tagen völlig gelähmt, jedoch
mit freier Psyche und in stark abgemagertem Zustande im StaUe.
An mehreren Stellen der linken' Körperhälfte war leichter
Decubitus bemerkbar. Die Temperatur betrug 39 °, Pulszahl 100
und die Zahl der Atemzüge 20 pro Minute. Fernerhin war der
Abgang eines dunklen übelriechenden Kotes bemerkbar. Nach
erfolgter Tötung ergab die Obduktion des Tieres gleichfalls das
Nichtvorhandensein irgendwelcher Entzündungserscheinungen an
den Organen. Nur die linke Lunge zeigte die Erscheinungen
einer eitrig nekrotisierenden Pneumonie. Da das Tier intra vitam
ständig auf der linken Seite gelegen und eine deutliche Pharynx¬
lähmung bekundet hatte, so konnte diese Pneumonie als eine
Verschluck- bzw. Fremdkörperpneumonie diagnostiziert werden.
Die übrigen fünf Rinder des Stalles bekundeten gleichfalls
sämtlich einen schwerkranken Zustand. Alle Tiere waren stark
abgemagert und hatten teilweise noch leichten Speichelfluß.
Die Tiere zeigten auch noch leichte paretische Zustände, doch
waren sämtlich imstande, sich noch zu erheben. Nur zwei
Kälber dieses Stalles waren sichtlich gesund.
Die Ermittlungen, welche w f ir dann anstellten, ergaben
folgendes: Zunächst konnte festgestellt werden, daß das letzt¬
jährige Getreide im Essesdorfer Bann stark von Getreidepilzen
befallen war und daß ein ähnlich starkes BefaUensein in den
letzten Jahren nicht beobachtet worden war. Einzelne Felder
Waren nach den Aussagen der Landwirte innerhalb weniger
Tage geradezu „schwarz“ geworden. Dies sei insbesondere bei
denjenigen Feldern der Fall gewesen, die spät angesät worden
waren und stärker unter der Nässe gelitten hatten, sowie bei
den Getreidefeldern, welche durch Umpflügen des Klees eine
Gründüngung erfahren hatten. Der Landwirt S. bestritt
anfangs, an seinen Feldbeständen irgendwelche verdächtige Er-
30. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
543
. scheintmgen insbesondere schwarze Flecken beobachtet zu haben.
Dagegen erklärte der Sohn des Bürgermeisters auf unsere
Fragen hin, daß er in seines Vaters Scheune eine größere
Menge „schwarzfleckigen“ Strohes habe. Die Besichtigung
ergab denn auch, daß ein größeres Strohquantum in starkem
Maße mit schwarzen Flecken besät war. Es hatte nicht das
weiße glänzende Aussehen von gutem Stroh und besaß
einen stark muffigen Geruch. Außerdem konnte man beim
Auseinanderzerren beobachten, daß das Stroh in auffälliger
Weise stäubte. Als der betreffende Landwirt weiter gefragt
wurde, ob er dieses Stroh seinem Viehstande verfüttert habe,
erwiderte derselbe, daß er den Versuch gemacht habe; er habe
jedoch beobachtet, daß sowohl die Pferde als auch die Rinder
dieses Stroh nicht fressen wollten. Deshalb sei von der
weiteren Verfütterung dieses Strohes Abstand genommen
worden und den Tieren nur solches Stroh vorgelegt worden,
das von denselben gern gefressen wurde. Bei der Untersuchung
des Strohes der übrigen Gehöfte, in denen Krankheitsfälle auf¬
getreten waren, konnten dann gleichfalls allerorts Strohbunde
gefunden werden, die in mehr oder weniger starkem Maße
befallenes Stroh enthielten. Insbesondere erinnerte sich auch
der Landwirt S. jetzt, daß er Stroh gehabt babe, welches von
den Tieren ungern gefressen wurde. Um die Tiere zur Auf¬
nahme dieses Strohes zu zwingen, hatte S. dasselbe zu Häcksel
geschnitten und dann mit anderm Futter vermischt. Dieser
Umstand erklärt es denn auch, weshalb gerade der Viehbestand
des S. in so starkem Maße erkrankte. Nur die beiden Kälber,
welche noch kein Stroh, sondern nur Heu fraßen, wurden daher
auch von der Vergiftung verschont. Daß das befallene Stroh
tatsächlich die Ursache der Enzootie war, ergibt sich auch aus
dem Umstand, daß der große Viehbestand des Bürgermeisters,
der das befallene Stroh nur ganz kurze Zeit verfüttert hatte,
keine merklichen Krankheitserscheinungen zeigte. — Immerhin
machte sich aber doch in gewisser Hinsicht das starke Be-
faUensein des Getreides der Essesdorfer Gegend an den Tieren
auch allgemein bemerkbar. Nach den Aussagen des Bürger¬
meisters und einiger Landwirte waren nämlich die Pferde in
diesem Winter auffallend schlapp, und gerieten dieselben sehr
leicht in Schweiß. Hierzu war nicht einmal ein Anspannen
nötig, der Schweiß trat vielmehr schon nach zirka halb¬
stündigem Umherführen in Erscheinung. Dieses leichte In¬
schweißgeraten der Pferde scheint mir die Folge leichtgradiger
Paresen zu sein, die durch die Aufnahme geringerer Mengen
pilzbefallenen Futters verursacht wurden. Schließlich geht die
schädigende Wirkung des pilzbefallenen Strohes auch aus der
Tatsache hervor, daß nach dem effektiven Aussetzen der Stroh¬
fütterung bei dem Landwirt S. kein weiteres Tier von den er¬
krankten Rindern mehr umgestanden ist, und daß sich die
Tiere bei einer Besichtigung nach vier Wochen bereits
wesentlich in ihrem Ernährungszustände wieder gebessert hatten.
Was die botanische Natur der schwarzen Beläge des Strohes
anbelangt, so erwecken dieselben anfangs infolge ihrer tief¬
schwarzen Färbung den Verdacht auf Brandpilze (Ustilagineae).
Auch die Landbevölkerung bezeichnet derartiges Stroh ent¬
sprechend seiner Färbung im allgemeinen als „brandig“. Eine
Untersuchung von der Spreu auf das Vorhandensein von Brand¬
pilzsporen konnte leider nicht mehr erfolgen, da die Spreuvorräte
bereits aufgebraucht waren. Die Verfütterung der Spreu scheint
aber jedenfalls nickt schädigend gewirkt zu habe», da sieb die
Krankheitsfälle erst später, als man viel Stroh futterte, mehrten.
Durch die mikroskopische Untersuchung der schwarzen Mycelien
konnte ich feststellen, daß es sich nicht um „Brand“-, sondern
um „Rostpilze“ (Uredineae) handelte, und daß die schwarzen
Beläge der Wintersporenlager oder Teleutosporen das durch
einen zusammengesetzten Generationswechsel sich auszeichnen¬
den Getreiderostes (Puccinia graminis) darstellten. Mithin ist
auch die vorbeschriebene Eurootie durch die Verfütterung „rost¬
pilzbefallenen“ Futters verursacht.
Die schwarzen Flecken des Getreiderostes bestehen bei Be¬
trachtung mit starker Vergrößerung und straußförmig nebenein¬
ander stehender Hyphen, welche die Expidermis durchbrochen
haben, und an deren Ende sich eine Doppelspore die Teleuto-
spore befindet. Die im Frühjahr auskeimenden Teleutosporen
infizieren dann vornehmlich die Berberstreu- und Queckenblätter,
an denen sich Becherrost mit den Aecidiosporen erzeugen. So¬
bald die Aecidiosporen dann wieder auf die Halme und Blätter
von Gräsern insbesondere von Roggen, Weizen, Hafer und
Gerste gelangen, erzeugen dieselben im Sommer zunächst „rost¬
rote“ aus einzelligen Miedosporen und im Herste „schwarze“
aus zweizeiligen Teleutosporen bestehende Mycelien. Die Rost¬
pilze sind in weit stärkerem Maße schädlich als die Brandpilze,
die epidemisch auftreten und ganze Felder befallen, während
der Brand sich auf einzelne Pflanzen beschränkt.
Zur Prüfung der pathogenen Wirkung des rostpilzbefallenen
Strohes habe ich dasselbe einige Zeit hindurch an Meerschwein¬
chen verfüttert und auch die Sporen subkutan auf Mäuse über¬
tragen. Der Erfolg war jedoch ein negativer. Eine wesent¬
liche Schlußfolgerung läßt sich daher aus diesem Befunde nicht
ziehen. Es ist ja auch für die Haustiere bekannt, daß die vor¬
übergehende Fütterung pilzbefallenen Futters meist ohne Schä¬
digung vertragen wird, und daß erst eine länger andauernde Ver¬
abreichung einen toxigenen Effekt auslöst. Über die nähere
Genese und die auslösenden Faktoren dieser Vergiftungen sind
wir leider noch völlig im unklaren. Herr Privatdozent Dr.
Heubner vom pharmakologischen Institut der Universität Berlin,
bisher in Straßburg hat sich der weiteren toxikologischen Er¬
forschung der Rostpilz Vergiftung angenommen und wird darüber
später berichten.
An gleichen Vergiftungsfällen durch rostpilzbefallenes Futter
erwähnt Fröhner in der Kasuistik seiner Toxikologie diejenigen
von JohoiW (Berl. Arch. 1897), Lameris und Poels (Holland.
Jahresberichte 1889) und Winke (Berl. Arch. 1893). Johow
beobachtete nach der Verfütterung von rostigem Stroh und Kleeheu
bei Rindern Lähmung der Zunge, des Schlundkopfes und der
Gliedmaßen. Lameris und Poels berichten, daß diese Krank¬
heit jährlich in Süddeutschland große Verluste verursache.
Wienke beobachtete ebenfalls nach der Verfütterung von rost¬
pilzbefallenem Haferstroh in einem Rinderbestande Speichelfluß,
Rötung und Schwellung der Maulschleimhaut, steife Bewegung
und Hinfälligkeit. Nach dem Aussetzen des Futters genasen alle
Tiere. — Eine entzündungserregende Wirkung auf der Haut und
Schleimhaut wurde in den vorstehenden Fällen nicht beobachtet.
Die Bekämpfungsmaßnahmen bestanden zunächst in dem
Aussetzen der Fütterung von pilzbefallenem Stroh und kräftiger
Ernährung der kranken Tiere. Eine Behandlung kranker Tiere
ist nur bei Pferden und leicht erkrankten Rindern anzuraten.
In Gegenden mit guter Fleischverwertung wird sich bei Rindern
mit schwere» Vergiftungserscheinungen infolge des häufig sehr
544
BERLINER TIERÄRZTLIC HE WOCHENSCHRIFT.
No 31.
akuten Ablaufes und der langwierigen Rekonvaleszenz, vielfach
die Notschlachtung empfehlen. Der Genußtauglichkeit derartigen
Fleisches dürften in gleicher Weise wie bei Tetanus nur dann Be¬
denken entgegen stehen, „wenn die Ausblutung eine mangelhafte
ist und sinnfällige Veränderungen des Muskelfleisches bestehen“.
—Wir konnten auch hier bei einem Fall die Erfahrung machen, wie
schwierig sich zuweilen die technische Begutachtung von Fleisch
auf Grund des Schlachtbefundes allein gestaltet. Bei der Obduktion
des getöteten Rindes, welches eine linksseitige Verschluck¬
pneumonie aufwies, das aber sonst keinerlei entzündliche Er¬
scheinungen an den Organen zeigte und dessen Fleisch gleich¬
falls ein gutes Aussehen hatte, äußerte ich, es sei schade, daß
das Fleisch nicht verzehrt werde und auf den Wasen käme. Bei
der späteren bakteriologischen Untersuchung stellte sich dann
heraus, daß in diesem Falle sowohl das Fleisch als auch die
Organe eine ziemlich starke bakterielle Infektion, die von der
eitrigen Pneumonie ausging, bekundeten, daß insbesondere Aus¬
striche von Fleisch und Niere auf der Endo- und Malachitgrün¬
platte das Vorhandensein von Kolonien erkennen ließen, die zur
Flei8chvergiftung8gruppe zu rechnen sind. Weitere Unter¬
suchungen, über die in einer späteren Arbeit noch berichtet wird,
ergaben, daß das gefundene Bakterium auf Grund des Mangels
der Agglutinabilität nicht unter dieHauptrepräsen tantenderFleisch¬
vergiftungsgruppe (Bac. enteritidis; Bac. paratyphus B; Bac.
morbificans bovis) eingereiht werden kann. Da aber das
Bakterium eine sehr hohe Pathogenität für Mäuse besitzt und
Toxine bildet (0,5 ccm einer 24 ständigen Bouillonkultur tötet
Mäuse innerhalb 12 Stunden; ältere und abgetötete Kulturen
töten Mäuse unter Erzeugung starken Durchfalles), ist die An¬
nahme berechtigt, daß der Genuß dieses Fleisches unter Um¬
ständen schädigend auf die Gesundheit der Konsumenten hätte
wirken können.
Bleivergiftung bei Stubenvögeln.
Von Professor Regenbogen.
Vergiftungen durch Blei und bleihaltige Präparate sind bei
Tieren sehr oft beobachtet worden; Bleivergiftungen bei Stuben¬
vögeln gehören jedoch zu den Seltenheiten. Es dürfte deshalb
einiges Interesse bieten, eine Bleivergiftung bei Dompfaffen
mitzuteilen.
Nach Mitteilung des Besitzers waren seit etwa 6 Monaten
hintereinander 3 Paare, also 6 Vögel, verendet. Die zuerst
lebhaften und anscheinend ganz gesunden Vögel wurden in einem
neu angekauften Drahtkäfig untergebracht. Nach etwa 14 Tagen
zeigten sie sich weniger lebhaft, sie taumelten zuweilen und
saßen meist mit gesträubtem Gefieder in einem schlafsüchtigen
Zustande da. Nach wenigen Tagen verendeten die Vögel. Der
Käfig wurde sehr sorgfältig gereinigt, etwa 8 Tage unbenutzt
gelassen und alsdann mit 2 anderen Dompfaffen besetzt. Die
Vögel zeigten das Bild vollkommener Gesundheit. Das verab¬
reichte Futter war von tadelloser Beschaffenheit. Die Vögel
hatten die Angewohnheit, wie die zuerst verendeten Vögel,
überall an dem Drahtgitter mit dem Schnabel zu reiben und zu
beißen; ganz besonders gern knabberten sie an den gelöteten
Stellen. Nach zwei Wochen nahm die Munterkeit der Tiere ab,
sie saßen oft traurig da, das Gefieder war gesträubt. Zuweilen
zitterten sie. Weiterhin zeigten sie große Schwäche, Benommen¬
heit und Hinfälligkeit, Schlafsucht. Etwa 8 Tage nach dem
Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen gingen die Vögel
ein. Der Besitzer beschaffte ein drittes Paar und brachte sie
in dem vorher mit heißer Lysollösung gründlich gereinigten und
gut getrockneten und gelüfteten Käfig unter. Auch diese Vögel
erkrankten nach kurzer Zeit und wurden krank zur Klinik ge¬
bracht. Meist sitzen sie zusammengekauert und zeigen Schlaf¬
sucht. Die Federn stehen gesträubt und sind aufgeplustert.
Die Atmung ist beschleunigt und etwas angestrengt. Zuweilen
bemerkt man ein leichtes Zittern. Die Futteraufnahme ist
mangelhaft; der Kot zeigt keine auffälligen Veränderungen.
Die Bewegungen sind unsicher, die Vögel taumeln und drohen
oft von der Sitzstange zu fallen. Die Benommenheit und die
Schwäche nimmt zu; nach 2 Tagen verendet der eine, nach
weiteren 2 Tagen der zweite Vogel.
Die Haut ist duukel bläulich gefärbt. Die Gefäße sind
stark mit dunkelrotem Blute gefüllt. Die Organe der Bauch-
lind Brusthöhle zeigen außer Blutfülle keine besonderen Ver¬
änderungen. Die mikroskopische Untersuchung des Blutes fiel
negativ aus. Die mit Blut geimpften Mäuse und Vögel blieben
gesund. Nunmehr wurden alle Weichteile der Vögel einschließlich
der Organe und Eingeweide mit Salzsäure und Calcium chloricum
vollständig zerkocht. In die erhaltene filtrierte, erkaltete Lösung
wurde Schwefelwasserstoff 2 Stunden lang eingeleitet. Es ent¬
stand ein schwarzer Niederschlag, welcher gesammelt und aus¬
gewaschen mit Salpetersäure behandelt, in Lösung überging.
In dieser Lösung wurde durch eine Jodkalilösung ein gelber
Niederschlag (Jodblei), durch chromsaure Kalilösung ein gelber
Niederschlag (chromsaures Bleioxyd), durch Schwefelsäure und
Salzsäure ein weißer Niederschlag von Bleisulfat bzw. Blei-
oflorid hervorgerufen. Demnach enthielten die Gewebe und
Organe der Vögel Blei und es dürfte erwiesen sein, daß die
Vögel an einer Bleivergiftung verendet sind.
Die Herkunft des Bleies ließ sich unschwer nachweisen.
Der Käfig ist aus verzinntem Draht hergestellt. Die Ver¬
bindungsstücke des Drahtes und die Abteile des Käfigs sind
durch Lot verbunden. An den zahlreichen Verbindungsstücken,
namentlich in der Höhe der Sitzstangen, haften größere Mengen
Lötesubstanz dem Drahte an. Da die Vögel die Angewohnheit
hatten, unausgesetzt in der ersten Zeit ihres Aufenthaltes in
dem Käfig an den Drähten zu beißen, den Schnabel zu wetzen
und zu knabbern, so war daran zu denken, daß es sich um eine
stark bleihaltige Lötsubstanz handeln könnte, das sogenannte
Schnellot, welches aus einer Legirung von 1. Teil Zinn und
2—3 Teilen Blei besteht.
Die Lötmasse an dem Käfige wurde abgeschabt und einer
Analyse unterzogen. Es ergab sich, daß sie tatsächlich einen
Bleigehalt von etwa GO Prozent Blei aufwies.
Nach der deutschen Reichsverordnung vom 25. Juni 1887
dürfen Eß-, Trink- nnd Kochgeschirre, sowie Flüssigkeitsmaße
an der Innenseite nur mit einen Lot gelötet werden, welches
nicht mehr als 10 Prozent Blei enthält.
Die Toxikologie lehrt, daß Vögel gegenüber Blei außer¬
ordentlich empfindlich sind. Es ist deshalb erklärlich, daß die
Menge Blei, welche die Vögel durch Schaben und Beißen an
den gelöteten Stellen des Käfigs täglich aufnehmen, ausreichend
war, um eine Bleivergiftung zu bewirken. Gegebenenfalls
würde demnach darauf zu achten sein, daß derartige Käfige
30. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
545
nicht verwendet werden oder daß eine Schutzvorrichtung an
den Innenflächen des Käfigs angebracht wird, damit die Vögel
die gelöteten Stellen nicht benagen können.
„Autocauter“
Von Tierarzt Cämmerer Rheden i. Westpr.
„Autocauter nach Decherry ohne Gebläse selbsttätig arbeitender
Brennapparat, der mit Äther gespeist wird, mit einem beilförmigen,
einem kugelförmigen Brenner, einem Brenner mit einschraubbaron
Brennstiften von 16, 20, 35 mm Länge und 2—2 1 /* mm Stärke. Der
komplette Apparat im Etui nebst Spirituslampe und Reservebrenn¬
stiften kostet M. 85,00.“
Unter dieser Beschreibung wird ein Instrument von der
Firma Hauptner in ihrem Jubiläumskatalog von 1907 empfohlen.
Mir wurde Nr. 2807 des Katalogs mit der Aufforderung zu-
ge8chickt, den Apparat zu probieren. Ich muß gestehen, daß
ich mit stark pessimistischen Gefühlen diesem Versuch näher
getreten bin. Aus Erfahrung wußte ich, alle diese schönen
i
#.}
Instrumente mit ihren schönen Namen sind für den praktischen
Tierarzt hervorragend unpraktisch. Das alte Brenneisen stellte
alle diese Knnstprodnkte in den tiefsten Schatten. Beim Nadel¬
brennen kam ich mit einer Benzinlötlampe, einem Nadelhalter
und einem Sortiment Stricknadeln aus.
Einen schönen Anblick hat das Arbeiten mit dem Kolben¬
eisen ja nie geboten. Wir haben uns daran gewöhnt, wie ein
Tabakskauer an das Spucken. Mir ist es passiert, daß Laien
beim Anblick einer Brennoperation sich schaudernd mit den
Worten „eine Pferdekur“ abwandten. Diese Exklamation
kränkte mich so, daß ich beschloß, in Zukunft meine Operationen
so ästhetisch wie möglich zu gestalten.
Dieser Vorsatz überwand meine pessimistischen Gefühle und
ich zog mit dem sehr schön ausgestatteten, „doch medizinisch
aussehenden“ Brennapparat aus, um einen an Schale erkrankten
Wallach zu behandeln. Das erste Resultat, das mein Autocauter
zeitigte, war eki Ausruf des Besitzers: „Herrgott, hat es ihre
Wissenschaft weit gebracht“. Der Brennapparat funktionierte
damals, -wie alle seines Zeichens, nämlich gar nicht.
Die Capillare, welche in der Düse bei x liegt, hatte sich
verstopft. Wenn sich diese Capillaren verstopfen, so mußte
man sich dabei beruhigen. Wer nicht wissen sollte, was es
heißt, eine Capillare von der lichten Weite eines Haares zu
reinigen, dem sei gesagt, daß dies ein Geduldsspiel ersten
Ranges sei.
Dieser Übelstand ist von der Firma in sehr einfacher, aber
recht geistreicher Form gehoben worden. Die auslösbare Düse
kann auf eine kleine, jedem Etui beigegebene vernickelte Luft¬
pumpe aufgeschraubt werden. Beim ersten Druck ist die
Passage für die Stellagen frei. Ein weiterer Übelstand lag in
der Konstruktion der Brennstifte. Diese waren mit einem
Gewinde in ein Bett eingeschraubt. Bett und Stift waren von
verschiedenem Metall und diese von verschiedenen Ausdehnungs¬
koeffizienten. Beim Erhitzen löste sich nun der Stift aus
| seinem Bett und blieb im Tierkörper stecken. Als mir das
passierte, schickte ich der Firma den Autocauter sang- und
klanglos zurück.
Die Firma Hauptner beseitigte alle Mißstände. Ich hatte
sehr oft Gelegenheit, das Instrument zu brauchen. Der
Autocauter in seiner jetzigen Form ist ein tadelloses, leider
etwas teures Instrument. Bevor ich diese Zeilen schrieb, habe
ich nach der Uhr kontrolliert, wie viel Zeit mit der Auffüllung
von Äther (stets 0,72 spez. Gewicht nehmen, sonst funktioniert
der Autocauter nicht!), Durchblasen der Düse, Erhitzen bis zur
Rotglut, gebraucht wird. Ich habe noch nicht fünf Minuten auf
alle drei Manipulationen verwendet.
Die großen Vorzüge des Autocauters sind:
1 . Einmal in Gang gesetzt, arbeitet er ohne jedes Ge¬
bläse usw. kontinuierlich.
2. Der Hitzegrad kann reguliert werden.
3. Der Apparat ist handlich und von netter Aufmachung
(man entschuldige den Ausdruck).
4. Das lästige Aufsuchen einer Schmiede und die Aus¬
bildung des Schmiedes zum Medicaster fallen fort.
5. Das Operieren mit dem Autocauter macht einen
ästhetischen Eindruck.
Der Autocauter kann trotz seines Preises empfohlen werden.
Referate.
I)as Zurückhalten der Nachgeburt bei der Kuh.
Von Assistent Herrn ans.
(Annnles de Bruxelles. Marx 1908.)
Folgt die Nachgeburt dem Kalbe nicht innerhalb zwölf
Stunden nach der Geburt nach, so heißt man diesen Zustand
„Zurückhalten der Nachgeburt“, das von allen Haustieren am
meisten bei der Kuh vorkommt. Diese abnorme Prädisposition
bei der letzteren findet ihre Erklärung im anatomischen Bau
der Plazenta und der Kotyledonen, die das Zurückhalten hervor¬
rufenden Ursachen dagegen liegen in drei Hauptmomenten:
1 . in der Untätigkeit des Uterus,
2. in der abnormen Adhärenz der Plazenta,
3. in mechanischen Hindernissen.
546
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
Die Untätigkeit des Uterus spielt eine Hauptrolle in der
Ätiologie des Nichtabgangs der Nachgeburt, denn durch das
Ausbleiben der Uteruskontraktionen wird die Kongestion in den
Kotyledonen aufrecht erhalten, und ist es infolgedessen der diese
umhüllenden Plazenta nicht möglich, sich abzustoßen. Diese
Untätigkeit des Uterus wird gewöhnlich bei Tieren beobachtet,
welche durch eine lange Reise oder durch schwere Arbeit ab¬
geschwächt sind, ferner tritt sie meistens als Folge einer
Zwillingsschwangerschaft oder von Eihautwassersucht ein, oder
wenn das Kalb wassersüchtig oder zu groß ist. Auch nach den
sehr heftigen, vergeblichen Kontraktionen des Uterus, wie sie
sich bei der Torsion der Gebärmutter oder bei jeder lang¬
andauernden Schwergeburt einstellen, bleibt jener untätig und
wie gelähmt. Ferner stellen sich bei sehr fetten Kühen wohl
infolge der fettigen Infiltration der Uterus Wandungen keine oder
nur sehr schlaffe Uteruskontraktionen ein, und der Verfasser
selbst hat beobachtet, daß Scheiden- und Uterus wunden die
Untätigkeit der Uterusmuskelhaut bedingen.
Von manchen Autoren wird die pathologische Adhärenz
zwischen der Plazenta und den Kotyledonen einer Entzündung
oder dem Verwerfen zugeschrieben. Nach einer Beobachtung
des Verfassers, der bei einer Frühgeburt die Plazenta zugleich
mit dem Kalbe abgehen sah, braucht eine pathologische Ad¬
härenz zwischen Plazenta und Kotyledonen beim Verwerfen
nicht notwendigerweise zu bestehen. Beim Ablösen der Nach¬
geburt mit der Hand hat der Verfasser faust- bis kindskopf¬
große Kotyledonen angetroffen, um deren Hals in der Gegend,
wo sich die sie umhüllende Plazenta umbiegt, um sich auf
benachbarte Kotyledonen zu werfen, sieh ein starkes fibröses
Band legte und ihn einschnürte.
Als mechanisches Hindernis wirkt zweifellos am meisten
der zu früh eintretende mehr oder weniger vollständige Ver¬
schluß des Gebärmuttermundes, welcher eine Inkarzeration der
Eihäute zur Folge hat. Außerdem gelten als mechanische
Hindernisse das Ödem und das Emphysem der letzteren, das Vor¬
handensein einer bindegewebigen Narbe in der Scheide und von
Geschwülsten in den Eihäuten, sowie die letzteren, selbst wenn
sie ineinander verschlungen sind. In manchen Fällen hat der
Verfasser gefunden, daß die Nachgeburt den Hals der Kotyle¬
donen umschlungen hielt.
Um den Abgang der Nachgeburt zu bewirken, werden
medikamentöse oder chirurgische Mittel oder beide zugleich
angewendet.
Als medikamentöse Mittel wurden hauptsächlich die uterus-
kontrahierenhen (Emmenagoga) im Einschütt gegeben, z. B.
von Hering
Rp.: Infus. Summitat. Sabinae 30:500
Kal. carbonic. 15,0.
Dieser Einschütt ist lauwarm auf dreimal in sechsstündigen
Zwischenräumen zu geben. Von Cruzel:
Rp.: Decoct. Folior. Rutae 40 : 1500 oder
Rp.: Decoct. Summit. Sabinae 40:1500 oder
Rp.: Secal. Corunt. 10,0
Pulv. Summit. Sabinae 20,0.
Gar re au empfiehlt die Tinctura Caramija, und zwar 100 g
in 2 1 einer Sabinakrautinfusion, und Ziindel folgendes Rezept
als Einschütt:
Rp.: Fruct. Lauri 300,0
Fruct. Foeniculi 200,0
Natr. bicarbonic. 500,0
in fünfmal innerhalb 36 Stunden zu geben. Nach 24 Stunden
soll die Wirkung eintreten. Andere Autoren geben wieder die
alkalischen Mittel allein, so Baumeister und Ru eff, 45 g
kohlensaures Kalium pro Tag. Hümmer gibt sogar das
Doppelte dieser Dosis.
Nach den Beobachtungen verschiedener Autoren und des
Verfassers selbst beschleunigen alle diese Mittel den Abgang
der Nachgeburt nicht und sollen nach Schaak den Zustand
der Tiere nur noch verschlimmern. Der Verfasser rühmt die
günstige Einwirkung des Zuckers auf den Abgang der Nach¬
geburt, und er gibt sowohl den Kühen, bei welchen er die
manuelle Entfernung der Nachgeburt vorgenommen hat, als auch
denen, welche sie noch ia sich tragen, l*/ 2 —2 kg Zucker in
3—4 Tagen nebst einer zuckerreichen Nahrung, wie Runkel¬
rüben und Mohrrüben, der Zucker verhindert bei dem Tier den
Austreibungsdrang und erhöht das Durstgefühl und damit auch
die Wasseraufnahme, was der Laktation zugute kommt. Die
Erfahrung des Verfassers in dieser Hinsicht gründet sich auf
Hunderte von Fällen.
Manche Praktiker haben ihre Zuflucht zu hypodermischen
Injektionen genommen, und de Bruin hat, um die Untätigkeit
der Gebärmutter zu bekämpfen, folgende Injektion mit Erfolg
angewandt:
Extr. Secal. Cornut. 6,0
Glycerin 8,0
Aqu. dest. 12—20,0.
Zu gleicher Zeit löst er Uteruskontraktionen auf reflektorischem
Wege aus durch Frottieren der Bauchwandung mit Strohwischen
und Einreiben folgenden Liniments:
Liqu. Amon, caust.
01. Terebinth.
Spirit, camphorat. aä.
Am meisten Anhänger hat zurzeit die Anwendung der
chirurgischen oder der medikalen und chirurgischen Mittel zu¬
gleich. Der Verfasser sieht als bestes Mittel die manuelle
Herausnahme der Nachgeburt an und hat in den Jahren 1900
bis 1905 129 Nachgeburten auf diese Weise entfernt und dazu
im Durchschnitt ungefähr 20 Minuten gebraucht. Den Eingriff
macht er ausnahmslos zwischen der 36. und 48. Stunde nach
der Geburt, in welcher Zeit die Nachgeburt noch nicht in
Fäulnis übergegangen ist, und der davon ausgehende Geruch
wohl fade und etwas ekelerregend, aber noch nicht so stinkend
ist, daß man ihn nicht mehr von sich abbringt. Infektionen,
welchen schon manche Praktiker erlegen sind, werden nur
dann zugezogen, wenn die Nachgeburt schon völlig in Fäulnis
übergegangen ist.
Der Verfasser geht bei der Operation folgendermaßen vor.
Nachdem er die ganze Schamgegend gut gereinigt hat, läßt er
den Schwanz durch einen Gehilfen, der beim Drängen des Tieres
zu gleicher Zeit auf die Lendengegend einen Druck ausiiben
muß, auf die Kruppe hochheben. Beide Hände, die abwechselnd
in die Gebärmutter eingeführt werden, werden tüchtig mit Öl
eingerieben. Ist die Adhärenz zwischen den Eihäuten und den
Kotyledonen keine zu starke, so geht er mit dem Daumen
zwischen die Anhaftungsstelle hinein und zieht, indem er zu
gleicher Zeit den Gebärmutterknopf zurückdrückt, die Plazenta
nach rückwärts von jenem weg. Löst sich die Eihaut durch
das Ziehen nicht los, so faßt er den Gebärmutterknopf an seiner
Basis und drückt ihn leicht zusammen, worauf sie sich leicht
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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT
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äblösen läßt, falls der Knopf nicht zu groß und die Adhärenz
nicht zu fest ist. Ist der Gebärinutterknopf von Faust- oder
Kindskopfgröße und haftet die Plazenta zu fest an ihm an, so
fängt er an, die letztere an irgendeinem Punkte vom Knopfe
loszulösen und drückt darauf den Daumen immer tiefer zwischen
diesen und die Plazenta hinein, so daß sie sich nach und nach
abstößt. Wird die heraushängende Plazentamasse so schwer,
daß sie eine zu starke Traktion auf die Kotyledonen ausübt
und dadurch bei der Kuh einen Austreibungsdrang auslöst, so
hält er diese Masse in der freien Hand. Um zu den letzten
in der Tiefe der Gebärmutter sitzenden Kotyledonen zu gelangen,
steht er auf ein Strohbund und sucht stoßweise so weit wie
möglich in die Gebärmutter vorzudringen.
Der Verfasser spricht antiseptischen Irrigationen weder vor
noch nach der Operation das Wort. Den größten Teil der
Flüssigkeit schöpft er mit der hohlen Hand heraus. Soll eine
Ausspülung stattfinden, so verwendet er dazu eine physiologische
Kochsalzlösung von 30 — 35° Wärme, die er mittelst eines als
Sauger wirkenden Gummischlauches mit der Uterusflüssigkeit
wieder herausfließen läßt Antiseptische Mittel wendet er nur
an, wenn die Nachgeburt schon in Fäulnis übergegangen ist und |
benutzt dazu nur schwache Lösungen von Borsäure, Kreolin,
Lysol. Das Sublimat ist selbst in einer Lösung von 1:4000
seiner irritierenden Wirkung wegen zu verwerfen; die Karbol¬
säure kann ihren Geruch auf das Fleisch und die Milch über¬
tragen, und in stärkeren Quantitäten sogar eine Vergiftung der
Kuh hervorrufen. Das von einigen Autoren angepriesene über¬
mangansaure Kalium und das Pyoktanin haben den Nachteil,
daß sie die Hände und Arme zu sehr färben. Manche Autoren
rühmen das Bazillol, andere wollen kaltes und wieder andere
warmes Wasser ohne Beimischung angewendet wissen.
Helfer.
Untersuchungen über die Wirkung des Digalens bei
Hnnden und Pferden.
Inangural-Dissertation, Gießen.
Von Tierarzt Heinrich Hipp aus Remscheid (Rhld.).
Das von der Firma Hoffmann-La Roche u. Co., Basel,
in den Handel gebrachte „Digalen“ stellt nach dem HersteUer
Cloi'tta eine wäßrige Lösung von Digitoxin unter Zusatz von
25 Proz. Glyzerin dar, und zwar sind in 1 ccm Digalen 0,3 mg
Digitoxin enthalten. Wegen der Möglichkeit einer sicheren
Dosierung und seiner vielseitigen Applikationsfähigkeit findet
das Digalen in der Humanmedizin umfangreiche Verwendung mit
angeblich günstigen Resultaten. Das Präparat wird per os, per
rectum, subkutan und intravenös angewandt und soll auch von
Patienten viel besser vertragen werden als das bisher übliche
Digitalisinfüs. In der Veterinärmedizin berichtet bisher nur
Dörn über günstige Erfolge bei Pferden und Rindern. Im Ge¬
gensatz zuDörn hat Hipp gefunden, daß verhältnismäßig hohe
Gaben von Digalen (0,303 ccm pro kg Körpergewicht) sowohl bei
gesunden als kranken Pferden die Qualität des Pulses nicht
wesentlich zu beeinflussen vermögen, während schon geringe
Dosen von 0,045 ccm pro kg Körpergewicht Durchfall und
Appetitstörung veranlassen.
Bei Hunden wirkt das Digalen in Mengen von 0,857 ccm
pro kg Körpergewicht an Verlangsamung des Pulses und Steige¬
rung des Blutdruckes. Es hat sich auch bei chronischer Indo¬
karditis verbunden mit Ascites bewährt und kann nach Hipp
wegen seiner sicheren Dosierung und der Möglichkeit der sub¬
kutanen Anwendung bei Verbrauch verhältnismäßig kleiner
Mengen (5—10 ccm) zur Behandlung von Herzkrankheiten beim
Hunde empfohlen werden. Lokale Reizerscheinungen, wie sie
Dorn beim Digalen beobachtet hat, konnte Hipp sowohl bei
subkutaner als intravenöser Applikation weder beim Pferd noch
beim Hund feststellen. Schmidt-Tetzlaff.
Uber die Wirkungen des Lnmbagin.
Veröffentlicht a. d. Jahres-Veterinär-Berichten der beamteten Tier¬
ärzte Preußens für das Jahr 1905. II. Teil. Zusammengestellt von
Veterinärrat Nevermann. Berlin 1908.
Die zahlreichen Mitteilungen über die Wirkungen des Lum-
bagin lauten vorwiegend ungünstig. Mehrere Kreistierärzte
berichten, daß kurz nach der Einspritzung des Lumbagin
heftige, zum Teil lang anhaltende Aufregung auftrat, wobei die
Pferde schwitzten und zitterten. Thrombose der Jugularis war
eine häufig zu beobachtende Erscheinung. In manchen Fällen
wurden drei, selbst fünf Dosen Lumbagin ohne Erfolg injiziert.
Einzelne Mitteilungen lauten hingegen zugunsten des Mittels.
Einige Berichterstatter sahen bei leichten, zuweilen auch bei
| schweren Lumbagofällen eine gute Wirkung. Rdr.
Versuche mit Suptol (Burow) bei Schweineseuche.
Von königl. ung. Veterinärinspektor Johan Tätray-Budapest.
(Allatrowi hapok 1908. Nr. 5.)
Im Aufträge des königl. ung. Ackerbauministeriums stellte
Tdtray Versuche mit Suptol bei Schweineseptikämie an. Es
wurden 42 kranke und in Verdacht der Infektion stehende
Schweine geimpft (5 g Suptol subkutan), bei schwerkranken
wurde die Impfung nach 24 Stunden und nach einer Woche
wiederholt. In einem anderen Stand hat man älmlicherweise
35 Schweine mit Suptol behandelt und nachdem man schon
über günstige Resultate verfügte, haben andere noch an 17 ver¬
schiedenen Stellen, unter verschiedenen Verhältnissen weitere
Versuche angestellt. Überall ließ man Kontrolltiere nngeimpft.
Auch wurden an gesunden Tieren Schutzimpfungsversuche vor¬
genommen. Die Resultate der Suptolimpfungen ergaben, daß
das Suptol auf gesunde Schweine keine krankmachende Wirkung
ausübt. Bei Schweineseptikämie und bei Mischinfektionen von
Schweineseptikämie und Schweinepest konnte man nach den
Suptolimpfungen beobachten, daß von den geimpften Tieren
mehrere genesen sind, als von den nichtgeimpften Kontroll-
schweinen, aber bei Schweinepest und in den chronischen Fällen
von Schweineseptikämie bekam man weniger günstige Resultate.
Suptol versuche können aber hauptsächlich bei akuten Schweine-
septikämiefällen mit Erfolg gemacht werden. Dr. Z.
Über flüssigen Ranschbrandimpfstoff.
Von Prof. Dr. J. Schnürer in Wien.
Tierärztliches Zentralblatt 1908. Nr. 1&
In einem im Aufträge des k. k. Ackerbauministeriums in
Wien erstatteten Gutachten über die vom Jenner-Pasteur-Institut
in Budapest hergestellten flüssigen Lyoner Rauschbrandvaccins
kommt Prof. Schnürer zu folgender Zusammenfassung:
1. Die vom Jenner-Pasteur-Institute in Budapest hergestellten
flüssigen Lyoner Rauschbrandvaccins entsprechen bezüglich
ihrer physikalischen Beschaffenheit den Angaben der
Hersteller.
2. Ebenso stimmt die Pathogenität des Stammvaccins mit
den Angaben überein.
r>48
3. Die kunstgerecht vorgenommene Immunisierung hatte
keinerlei schädliche «Folgen und verleiht aller Wahr¬
scheinlichkeit nach Schutz gegen natürliche Rauschbrand¬
infektion. Rdr.
Untersuchungen des Fleisches an Backsteinhlattern
erkrankter Schweine auf das Vorhandensein virulenter
Rotlauf bazillen.
Von August Schuh-Hildesheim.
(Aus dem Patliolog. Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Hannover.)
(Deutsche Tierärztl. Wochenschrift 1908, Nr. 16 u. 17.)
In dieser Dissertation wird der Nachweis erbracht, daß bei
allen frischen Fällen von Backsteinblattern spärlich Rotlauf¬
bazillen im Fleische und in den Organen vorhanden sind,
während solche Schweine, bei denen die Backsteinblattem in
der Abheilung begriffen sind, Bazillen im Fleisch und in den
Organen nicht mehr enthalten. Da die Übertragung oder Ver¬
breitung des Rotlaufs durch das Fleisch an Backsteinblattern
erkrankter Schweine nicht erwiesen ist, dürfte es sich auch
nicht empfehlen, für den Verkehr mit Fleisch an Backstein¬
blattern erkrankter Schweine die gleichen Maßnahmen einzu¬
führen wie bei den rotlaufkranken Schweinen. Falls jedoch die
Organe bei bakterioskopischer Untersuchung viel Rotlaufbazillen
enthalten, müßte eine Sterilisierung des Fleisches vorgenommen
werden. Damit müßte aber auch die Beurteilung des Fleisches
an Backsteinblattern erkrankter Schweine der Kompetenz der
nichttierärztlichen Fleischbeschauer entzogen werden.
Rdr.
Histologische Untersuchungen bei Entzündungen der
Fleischkrone.
Von Dozent Dr. A. Zimmermann-Budapest.
(Allatorvosl Lapok 1908, Nr. 4.)
Verfasser untersuchte vier Fälle von Entzündung der
Fleischkrone im Anschluß an Kronentritt in vier verschiedenen
Stadien, dann einen Fall, wo die Entzündung der Krone sich
zur Hufrehe gesellte. In den vier erstgenannten Fällen stellte
die mikroskopische Untersuchung der in Celloidin eingebetteten
Schnitte (Fixation und Chromsäure) teils akute Veränderungen:
Hyperämie, entzündliches Ödem, Blutungen nsw. fest, teils
konnte man chronische Veränderungen, hauptsächlich Induration,
Sklerose wahrnehmen. Infolge des Kronentrittes sind die Papillen
in dem lädierten Felde verschiedenartig verlagert und behalten
meist auch bei den vorgeschritteneren Fällen eine unregelmäßige
Anordnung. Zur Infektion durch die Kontinuitätstrennung der
Epidermis gesellt sich mehr-weniger ausgebreitete zellige In¬
filtration in den einzelnen Schichten der Cutis, hauptsächlich
um die Gefäße herum. Die Bindegewebsfasern lösen sich in das
eitrige Exsudat auf, Hornzellen lösen sich gleichfalls in den
tieferen Schichten ab und man findet kleinere oder größere
Eiterherde zwischen der Epidermis und Cutis, oder in denselben.
An den der Kronenwunde am nächsten liegenden Stellen bemerkt
man in dem vorgeschritteneren Stadium starke Zellproliferation;
die Kronenpapillen erscheinen hier länger und breiter, während
bei der im Verlauf von chronischer Rehe entstandenen Kronen¬
entzündung mehr die Sklerose der tieferen Schichten der Cutis
in den Vordergrund tritt und die Papillen weniger breit zu sehen
sind. Auffallend ist auch in den Schnitten bei dem Kronen¬
wundenrande die vielfach vermehrte Zahl der Blutgefäße. Die
No. 31.
Gestalt und Richtung der Papillen zeigt die größte Mannig¬
faltigkeit, man kann spitz endende, stumpfe, keulenartige,
spindelförmige, sogar verästelnde oder im Gegenteil zusammen¬
gewachsene Papillen unterscheiden, einzelne krümmen sich,
andere scheinen wie abgeknickt usw. Dementsprechend ist auch
in der Epidermisschicht die unregelmäßige Gestalt und Ver¬
änderungen im Verlauf der Hornsäulen wahrnehmbar. Stellen¬
weise erscheint die Interpapillarschicht verbreitert und bis an die
äußerste Schicht enthält sie Zellen mit gut färbbarem Kern.
An manchen Stellen ist in der Epidermis Blutpigment vorhanden
(Imbibition). Dr. Z.
Aus dem Pathologischen Institut der Kgl. Tierärztl. Hochschule zu
Dresden (Direktor: Med.-Rat Prof. Dr. Joest).
Untersuchungen über die hämatogene Nephritis
des Schweines.
Von Tierarzt Kurt Degen aus Kahla.
Inaugural-Dissertation Gießen 1907.
Bei geschlachteten Schweinen zeigen die Nieren bisweilen
sehr charakteristische multiple, zirkumskripte Entzündungsherde
die in der Regel ein helles, gelbliches Zentrum aufweisen und
von einem roten Hof umgeben sind. Trotzdem diese Erkrankung
verhältnismäßig häufig ist, enthält die tierärztliche Literatur
nur wenig Angaben über dieselbe.
Degen hat nun eingehende Untersuchungen angestellt, aus
deren Ergebnissen die hauptsächlichen Punkte hier wiedergegeben
seien. Aus den Studien über die pathologische Anatomie des
Leidens ist zu entnehmen, daß es sich um eine herdförmige
Erkrankung der Nieren handelt, bei der sich drei Stadien
unterscheiden lassen. Das erste Stadium ist gekennzeichnet
durch intensive Hyperämie, das zweite durch die Differenzierung
der Herde in eine zentral gelegene Partie mit überwiegender
eitriger Infiltration und in eine periphere, hyperämische Zone,
während das dritte Stadium durch Substitution des eitrig in¬
filtrierten Gewebes durch Fibroblasten und Umwandlung des sich
bildenden jungen Granulationsgewebes in fertiges Bindegewebe,
also Heilung durch Narbengewebe, den Prozeß beendet.
Die ätiologischen Untersuchungen haben ergeben, daß eine
ganze Anzahl von Bakterien als Erreger in Frage kommen.
Jeder Fall wies in der Regel eine Spezies von Bakterien
auf; es wurden nacbgewiesen: Bac. coli immobil» 8 mal, Bac.
coli communis 7 mal, Bac. lactis aerogenes 2 mal, Bazillen der
Enteritisgruppe 2 mal, Bac. polymorphus suis 10 mal, außerdem
waren in je einem Falle gleichzeitig noch Strepto- und Staphylo-
coccen vorhanden. Es handelt sich also nicht um eine spezi¬
fische, stets durch einen und denselben Mikroorganis bedingte
Erkrankung, sondern um eine polybakterielle Infektion.
Das Atrium der Infektion konnte trotz genauer Prüfungen
der Befunde, wie aus den ausführlichen Protokollen zu ersehen
ist, nicht mit Sicherheit aufgedeckt worden. Die hämatogene
eitrige Nephritis des Schweines muß somit vorläufig als krypto¬
genetische Infektion angesprochen werden.
Das Leiden stellt in der Regel eine durchaus gutartige
Erkrankung dar, deren Häufigkeit Degen — unter Mit¬
berücksichtigung der abgeheilten Fälle — auf etwa 0,5 Proz.
aller in Dresden geschlachteten Schweine berechnen zu können
glaubt. Richter.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
30. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
549
Tagesgeschichte.
Zur Einführung der Pauschvergfitung in Preußen.
Gegen den Artikel von Preuße (B. T. W. Nr. 29, S. 520)
veröffentlicht Prof. Malkmus in Nr. 30, S. 439 der Deutschen
Tierärztlichen Wochenschrift eine heftige Abwehr. Ich muß es
Herrn Preuße, der sich auf einer Reise befindet, tiberlassen,
darauf; wie er es für geboten halten wird, zu antworten. Den
letzten Teil des Abwehr-Artikels muß ich jedoch selbst einer
Besprechung unterziehen, schon weil Herr Malkmus die Ver¬
öffentlichung einer „Berichtigung“ in der B. T. W. verlangt
hat. Der Schluß seines Artikels, der sich sachlich mit jener
Berichtigung deckt, hat folgenden Wortlaut:
„Die Redaktion der B. T. W. bleibt weiterhin wieder
einmal nicht bei der Wahrheit“.
„Ich habe in meinem Artikel wirklich geschrieben:“
„Ohne weiteres muß man sagen, daß ein Jahr nicht den
richtigen Durchschnitt an Reisekosten ergibt; wenn nun gar das
Jahr 1900 allgemein geringe Reisekostenbeträge aufweist, wie
mir dies von einzelnen Stellen berichtet wird, so würde sich
das Pauschale noch ungünstiger für die Kreistierärzte gestalten.“
„Das gibt dem Herrn Veterinärrat Preuße Anlaß zu
folgender Äußerung:“
„Der qu. Artikel sagt nun zwar mit Recht, daß ein Jahr
nicht den richtigen Durchschnitt von Reisekosten ergeben kann;
er behauptet aber dann, daß das Jahr 1906 allgemein geringe
Reisekostenbeträge aufweist. Letzteres ist nur eine willkür¬
liche haltlose Annahme.“
„Es liegt hier eine offenkundige Entstellung meiner Worte
vor; ob der Herr Veterinärrat Preuße diese absichtlich vor¬
genommen oder ob sie ihm aus mangelhaftem Verständnis
unbewußt passierte, lasse ich dahingestellt, jedenfalls kann man
mit einem solchen Manne nicht rechten“. — —
Herr Malkmus behauptet danach, daß Herr Preuße dem
in Rede stehenden Artikel der Deutschen Tierärztlichen Wochen¬
schrift etwas anderes unterlege, als darin stehe. Wer aber, von
der Sicherheit dieser Behauptung unbeirrt, die beiden zitierten
Sätze Wort für Wort vergleicht, der wird zu der erstaunten
Frage kommen, worin denn eigentlich der sachliche Unterschied
liegen soH. Preuße hat in dem Artikel die Behauptung gefunden,
daß das Jahr 1906 allgemein ungünstig sei, und greift diese
Behauptung an. Diese Behauptung steht auch in dem Artikel.
Ob sie der Verfasser des Artikels selbst ausspricht (was
Preuße nicht etwa sagt) oder einigen Berichterstattern das
Wort gibt, ändert an dieser Behauptung so wenig, wie die
halb hypothetische Form. Nach der logischen, der juristischen
und der rein sprachlichen Beurteilung des betreffenden Artikels
erscheint die von Preuße an den Tag gelegte Auffassung, der
Artikel solle die Annahme vertreten, das Jahr 1906 sei allgemein
ungünstig, durchaus gerechtfertigt; es kann daher von einer
„EntsteUung“ gar keine Rede sein.
Für den jetzigen Widerspruch des Herrn Malkmus bleibt
daher schlechterdings nur die Erklärung übrig, daß er etwas
anderes hat sagen wollen, als er tatsächlich sprachlich aus¬
gedrückt hat, daß er vielleicht gemeint hat: für einzelne Stellen ist
das Jahr ungünstig; wenn das allgemein so sein sollte, dann usw.
Dann hätte Herr Malkmus aber schreiben müssen: „Wenn das
Jahr 1906 allgemein so ungünstig ist, wie dies von einzelnen
KreistierarztsteUen berichtet wird, usw.“ So hat er aber nicht
geschrieben. Sein Satz kann sprachlich nicht anders aufgefaßt
werden, als daß ihm einige Stellen berichtet haben, das Jahr 1906
sei allgemein ungünstig, und daß diese Behauptung wieder¬
gegeben wird. Wenn daher hier wirklich ein Mißverständnis
vorliegen sollte, so liegt die Schuld nicht an Herrn Preuße,
sondern lediglich an der unrichtigen Satzkonstruktion des Artikels.
Auf den ersten oben zitierten Satz, durch welchen Herr
Malkmus grundlos die Redaktion der B. T. W. angreift, versage
ich mir, an dieser Stelle einzugehen. Schmältz.
Die Gehaltsbezüge der tierärztlichen Staatsbeamten
in Bayern.
In der Gehaltsordnung für die bayerischen Staatsbeamten,
die am 1. Januar 1908 in Kraft treten soll und von der Kammer
der Abgeordneten (2. Kammer) einstimmig genehmigt wurde,
sind die im Staatsdienste stehenden Tierärzte eingereiht wie folgt:
Der Landestierarzt im Kgl. Staatsministerium des
Innern in Klasse 5 (Ministerialräte usw.) — Anfangsgehalt
8400 M., Höchstgehalt 11400 M.;
der Landesinspektor für Tierzucht in Klasse 6
(Oberregierungsräte usw.) — Anfangsgehalt 7200 M., Höchst¬
gehalt 9600 M.;
die Kreistierärzte, der Landgestütstierarzt, die
Landstallmeister (unter diesen 1 Tierarzt), die Gestüts¬
direktoren und die ordentlichen Professoren der Tier¬
ärztlichen Hochschule in Klasse 7 (Regierungsräte usw.) —
Anfangsgehalt 6000 M., Höchstgehalt 8400 M.;
die Professoren der Akademie für Landwirtschaft
und Brauerei (unter diesen 1 Tierarzt) in Klasse 8 (Bezirks¬
amtmänner) — Anfangsgehalt 5400 M., Höchstgehalt 7800 M.;
die außerordentlichen Professoren der Tierärzt¬
lichen Hochschule in Klasse 11 — Anfangsgehalt 3600 M.,
Höchstgehalt 6000 M.;
die Bezirkstierärzte, die Gestütstierärzte, die mit
Beamteneigenschaft ausgestatteten Assistenten und
Lektoren der Hochschulen und die Lehrer der Akademie
für Landwirtschaft und Brauerei (unter diesen 1 Tier¬
arzt) in Klasse 12 — Anfangsgehalt 3000 M., Höchstgehalt
6000 M. (das Gehalt der Klasse 12 beziehen auch die Bezirks¬
ärzte).
•In den genannten Klassen finden von 3 zu 3 Jahren bis
zur Erreichung des Höchstgehaltes Gehalts Vorrückungen statt,
sie betragen für die fünfte Klasse 600 M., für die übrigen
Klassen 500 M.
Die Beschlußfassung der Kammer der Reichsräte (1. Kammer)
über die Gehaltsordnung steht noch aus, wird bei den für die
Tierärzte in Betracht kommenden Gehaltsklassen aber kaum
eine Änderung ergeben.
(Die tierärztliche Gehaltsskala macht einen recht guten
Eindruck; hoffentlich wird sich die Regelung der Tagegelder usw.
dementsprechend gestalten.)
Nochmals der Dr. med. vet., ein Wort zur Beruhigung.
Beim Studium der Anti-Jonasschen Artikel kann man sich
der Wahrnehmung nicht verschließen, daß unter den Kollegen
nachgerade eine große Nervosität und Bitterkeit Platz greift,
die im Interesse der uns Tierärzten so nottuenden Solidarität
nicht genug bedauert werden kann. Ich habe nicht die Absicht,
den Herren Ärtiklern in ihren einzelnen, bisweilen sehr extremen
No. 31.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
550
Äußerungen zu folgen, sondern es scheint mir an der Zeit zu
sein, einen versöhnlichen Ton anzuscblagen. Zunächst verfallen
die Herren Kollegen in den Fehler zu generalisieren, ihre
Apostrophierung der „Mature“ zittert vor verhaltener Bitterkeit,
ich glaube aber nicht, daß die Mehrzahl der maturen Tierärzte
und Doctoren sich mit den Anschauungen des Herrn Kollegen
Jonas identifizieren. Ich stehe nicht an zu erklären, der
Jonassche Artikel wäre besser unterblieben. Für jeden vor¬
urteilsfreien Kollegen wird prinzipieller Unterschied hinsichtlich
der wissenschaftlichen Bewertung des, sagen wir, externen und
internen Dr. med. vet. kaum bestehen. Der Schwerpunkt des so
heiß entbrannten Streites gipfelt in der Frage: Hat der Dr.
med. vet. cum maturitate in den Augen der gebildeten Welt etwas
voraus vor dem ohne Maturität erworbenen,—fachwissenschaftlich
besteht ja, wie eben hervorgehoben, Parität — oder mit anderen
Worten: liegt in dem Besitze der Universitätsreife eine Garantie
für ein bestimmtes Maß allgemeiner oder universeUer Bildung? —
Ich stehe durchaus nicht auf dem naiven Standpunkte, daß in
dem Besitze des Maturitätszeugnisses eine stillschweigende
Garantie für intellektuelle Präponderanz liege, das Abgangs¬
zeugnis ist quasi ein Freibrief, der die Aussicht und die Berechti¬
gung zum Eintritt in alle akademische Berufe erschließt, neben¬
bei auch ein wirksamer Damm, Wohlbefähigte, aber nach ihrem
äußeren Bildungsgang nicht ganz Gleichwertige zwecks unnötiger
Überfällung zurückzuhalten. Man wird mir zustimmen müssen,
daß der Unterricht in den höheren Klassen das Schablonenhafte
mehr abstreift und großzügiger angelegt ist; es unterliegt auch
keinem Zweifel, daß hier mehr Gelegenheit und Anregung zu
freier wissenschaftlicher Betätigung und vielseitiger Gedanken¬
arbeit gegeben und dadurch eine, wenn auch noch bescheidene
Grundlage zu einer Allgemeinbildung gelegt wird, die auch der
Abiturient, da sie ja noch lange nicht abgeschlossen ist, auto¬
didaktisch vervollkommnen muß. Diesen Vorsprung kann aber
ein jeder Immaturus nachholen. Die Bedeutung der 2jährigen
Primanerzeit schlankweg mit einem Atemzuge zu desavouieren,
wie es Herr Kollege Seber tut, geht aber doch nicht an und hieße
das Kind mit dem Bade ausschütten; ein gewisses Maß all¬
gemeiner Bildung ist doch in der Regel durch die Erwerbung
der Maturität gewährleistet. Ob man aber recht daran tut, sich
darauf etwas Besonderes einzubilden und seinen immaturen
Kollegen „de haut en bas“ zu behandeln, ist eine andere Frage.
Beide, Maturi und Immaturi, müssen sich schon etwas entgegen-
kommen, dann kann das Kriegsbeil begraben werden, und das
drohende Gespenst der Dr. I und II. Klasse oder wie sonst die
komparative Bezeichnung lauten soUte, wird verschwinden. Freuen
wir uns lieber gemeinsam über das wachsende Ansehen unseres
Standes, das Hand in Hand geht mit dem unermüdlich von allen
Seiten betätigten und achtunggebietenden wissenschaftlichen
Ausbau der modernen Tierheilkunde gegenüber dem primitiven
fast rein empirischen Charakter zu Olims Zeiten und wenden
wir uns geschlossen, ob mit ob ohne Maturität, gegen die Vor¬
urteile und das Odium, das uns noch manche akademische Berufs¬
und Gesellschaftskreise unbegründeterweise entgegenbringen.
Zum Beweise, daß es gebildete Leute gibt, die den obersten
Stufen der Gymnasiallaufbahn eine geradezu unerklärliche und
übertriebene Bedeutung imputieren, will ich noch die Auslassungen
eines bekannten Nervenarztes der Vergessenheit entreißen:
Die keineswegs von zarter Rücksicht diktierten Auslassungen
erschienen in der Zukunft aus der Feder eines Karlsrüher Nerven*»
arztes Dr. He 11pach und richteten sich in der Hauptsache
gegen die Pharmazeuten; dort einen Sturm der Entrüstung und
scharfe Repliken hervorrufend. Unter der Überschrift „Berufs¬
psychosen“ veröffentlicht Dr. Hellpach einen Artikel über den
Einfluß des Berufes auf abnorme Gestaltung der Psyche.
Er sagt: „Wahrscheinlich ist, daß eine recht erhebliche
Anzahl von Psychopathen in den Apothekerberuf gelangt.. Phar¬
mazie, Zahnheilkunde, Tierheilkunde bezeichnen so zu sagen die
subalternen Möglichkeiten akademisch gefärbter Berufe und
waren bisher in gleicher Weise durch die Immaturität ihrer
meisten Jünger auch äußerlich so gekennzeichnet. Am meisten
die Pharmazie, für die der bescheidenste Vorbildungsan¬
spruch erhoben ward, und die jetzt überhaupt als einsame
Immatura Zurückbleiben wird. Diese Sachlage treibt aber manche
eigentümliche Begabung in eine solche Laufbahn: Junge Menschen
von guter oft mehr als durchschnittlicher Intelligenz, denen doch
etwas für die Absolvierung der Oberstufe ihrer Schule Unerlä߬
liches fehlt: Mut, Spannkraft, Eifer oder ähnliche Züge. Kein
Zweifel, daß dieses Mißverhältnis zwischen Intellekt und intel¬
lektuellem Willen das Stigma vieler degenerativen Naturen ist.
Jedenfalls begleitet die Halbheit, mag sie selbst nicht in seiner
ursprünglichen Art liegen, den Apotheker jünger auf Schritt und
Tritt: die Halbheit der Schulbildung, des Studiums und des
Berufes. Seine Wissenschaft ist spezialistisch aber eng. Er ist
Krämer als Lehrling, dann Student, stud. pharm., und schließlich
Krämer und Doktor zugleich: ein Amphibium, das in 2 Atmo¬
sphären lebt. Unter Buchhändlern, Ingenieuren, Zahnärzten usw.
findet man ähnliche Pflänzlein; was sie aber alle vom Apotheker
trennt, ist ein Rest an schöpferischer Tätigkeit, dessen völliges
j Fehlen den Apotheker vielleicht am schwersten drückt. Nun
denke man sich in dieses Dorado der Halbheit die ab origine
Halben versetzt und man wird ahnen, w r ie die Natur in solcher
sozialen Konstellation den Weg nimmt, an dessen Ziel die Vulgär¬
terminologie den „Apothekerklaps“ setzt.“
Man könnte nun sagen, für uns Tierärzte kommt diese
Expektoration (so weit sie die Halbheit ab origine nach
Hellpach betrifft), post festum und wir dürften froh sein, der
Gefahr einer ähnlichen Qualifizierung durch die Einführung der
Maturität glücklich entronnen zu sein; gleichwohl werden sich
unsere immaturen Kollegen für eine ähnliche Bewertung bedanken,
sie werden aber beruhigt sein können, da eine solche Auffassung
sicherlich nur sporadisch vorherrschen wird; solche sanguinische
Hoffnungen auf die beiden Primanerjahre setzen, hieße ja gerade¬
zu alles Heil in der Maturitas suchen.
Dr. med. vet. Adelmann-Oppenau (Baden).
Zur Lage der Unterveterinäre,
In der Armee befinden sich zurzeit (Ende Dezember 11 >07)
123 Unterveterinäre. Vor diesen stehen noch 9 überetats¬
mäßige Oberveterinäre (aus S.-W.-A.), so daß der älteste Unter¬
veterinär (vom 14. Februar 1903) bis zur Befö'rderuug zum
Oberveterinär noch neun Vorderleute hat. Aus dem Jahre 1903
sind 21 Unterveterinäre vorhanden, die also zurzeit 4 Jahre
und 10, 6, 5 und 3 Monate in ihrer Stellung stehen. Der älteste
ist 1874 geboren, steht also im 33. Lebensjahre, der jüngste
1878. Wenn man nun die Beförderungsziffer der letzten Jahre
ansieht, so ist mit Sicherheit anzunehmen, daß der letzte der
Unterveterinäre von 1903 noch mindestens zwei Jahre warten
30. Juli 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
551
muß, ehe er zum Oberveterinär befördert wird. Dann hat er
sechs Jahre als Unterveterinär in der Stellung als Portepee-
nnteroffizier zugebracht. (In Sachsen ist es noch schlimmer!)
Wenn die Beförderungen augenblicklich so sehr stocken, so ist
das wohl darauf zurtickzuführen, daß viele ältere Veterinäre der
zu erwartenden höheren Pension wegen noch bis zur Einführung
des Veterinäroffizierkorps im Dienst bleiben.
Aber dann später? Ob wohl die Beförderungen zum
Veterinär und Oberveterinär dann schneller vonstatten gehen?
Das darf wohl sehr bezweifelt werden. Für die jüngeren
Herren sind die Aussichten mit dem Veterinäroffizierkorps
durchaus nicht rosig. Oder es müßte eine etwas gewaltsame
Verjüngung vorgenommen werden!
In welchem Lebensalter wird der Veterinär späterhin die
Stellung eines Stabsveterinärs erklimmen! Vor dem 45. Jahr
wohl kaum! Früher wurde man mit 35, ja sogar mit
32 Lebensjahren Oberroßarzt.
Mit 32 Jahren ist man aber jetzt noch Unterveterinär!!
Die späteren Veterinäroffiziere im Range eines Leutnants
und Oberleutnants werden lange warten müssen, bis sie das
Ziel erreichen — und mit welchem Gehalt!!
Was haben die Unterveterinäre seither erhalten? 1903 den
Titel und 1905 die karmoisinroten Achselklappen mit
dem silbernen Tressenbesatz. Fürwahr keine große Er¬
rungenschaft! Und die Veterinärbeamten! 1903 den neuen
Titel und 1905 die silbernen Offiziersachselstücke und den
persönlichen Rang der Räte V. Klasse, der aber durch nichts
sichtbar gemacht ist. Subaltern sind sie gewesen, subaltern sind
sie geblieben.
Weshalb die jungen Kollegen nicht in hellen Haufen ab¬
gehen? Alle hält die Hoffnung, daß es einmal besser werden
wird. Ob es aber besser werden wird!? Das ist stark zu be¬
zweifeln. Man kann ja keinem jungen Mann mit gutem Ge¬
wissen zu der Veterinärlaufbahn raten! Und nach alledem,
was über das Veterinäroffizierkorps bekannt geworden ist (mögen
es nur Vermutungen sein oder Tatsachen), kommt das V. 0. K.
nicht über den Rahmen des Feuerwerksoffizierkorps heraus.
Die Schaffung von höheren Stellen, z. B. bei der Division, ist
wohl nicht beabsichtigt, würde auch keinen Zweck haben. Die
Divisionsarzt stellen sind auch nur geschaffen, um den Korps¬
generalarzt von den InvalidiBierungspatienten, die im Dienst der
Sanitätsoffiziere den breitesten Raum einnehmen, zu entlasten.
Invalidisierungen von Pferden werden jedoch durch die Chargen¬
pferdekommission der Brigade kurzer Hand erledigt.
Was sollte also ein Divisionsveterinär zu tun haben! So
gut wie gar nichts.
Die Gesamtzahl der Veterinäre ist eben eine zu geringe,
als daß die Beförderungen einigermaßen schnell vonstatten
gehen können: — 18 Korpsstabs-, 158 Oberstabs- und Stabs¬
veterinäre, 206 (-f- 9) Ober- und 123 Unterveterinäre, zu¬
sammen 514 Köpfe. — Diese Zahl ist einem Durchschnittsdienst¬
alter von 30 Jahren für den einzelnen Veterinär entgegenzu-
steUen. Um dem sehr tief gesunkenen Stand des
Hoffnungsbarometers der Veterinäre etwas zu heben,
wäre es dringend zu wünschen, daß die Militärver¬
waltung ihre Absichten möglichst bald und möglichst
bestimmt äußern möchte.*)
*) Daß die Reorganisation zum 1. April 1909 durchgeführt wird,
ist vollkommen gewiß. S.
Wenn jeder Veterinär weiß, wann die Umgestaltung in
ein Veterinäroffizierkorps erfolgt, und wie es erfolgt, dann wird
auch die quälende Ungewißheit, die zur Nervosität führt,
aufhören. Dann werden auch die bedauernswerten Unterveterinäre
von 1903 wieder Mut fassen.
Württemberg.
Dem Landestierarzt, Wirklichen Oberregierungsrat Beiß-
waenger ist das Ehrenkreuz des Ordens der Württembergischen
Krone mit dem persönlichen Adel verliehen worden.
Professor Dr. E. Marchi f.
Soeben erhalte ich durch ein Telegramm von Herrn Santini,
dem Vorsitzenden der Abteilung Florenz der Unione veterinaria,
die schmerzliche Nachricht, daß Ezio Marchi verschieden ist.
Wir beklagen in dem Heimgegangenen einen hervorragenden
Fachmann und liebenswürdigen Menschen, der für unsere deutschen
Verhältnisse stets Anerkennung und Interesse gezeigt und auch
die deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde durch die Über¬
nahme von Arbeiten in Italien zu fördern gesucht hat. In
seiner Heimat fand der rastlos fleißige Mann die vollste An¬
erkennung, die ihm auch die deutschen Fachmänner zollen
werden, die seine Leistungen kennen. H. Kraemer.
Tierhaltung und Tierzucht.
Welche Anfgaben stellt die moderne Forschung in der
Tierzucht an die praktischen Tierärzte?
Von Prof. Dr. Robert Müller.
Vortrag gehalten in der Versammlung des Vereins österreichischer
Tierärzte (L an desgruppe Böhmen) zu Leitmeritz am 3. März 1907.
(Tier&rztltcbei Zentralblatt 1907, Nr. 26.)
Wenn die praktische Tierzucht zuverlässigere Grundlagen
für gewinnbringende Arbeit erhalten soll, muß die wissenschaft¬
liche Tierzucht die ihr gebührende Förderung erfahren. Dazu
können die praktischen Tierärzte beitragen einmal durch An¬
stellung von Beobachtungen, sowie durch Sammlung von Er¬
fahrungen und dann durch Versuchsanstellung.
Die Versuchsanstellung gehört in die Hochschulstätten,
dürfte also nur für wenige Praktiker in Frage kommen. Zwei
der bedeutsamsten Probleme, welche die Züchtigungskunde auf¬
weist, sind die Zeugung und die Vererbung. Beide Probleme
lassen eine mikroskopische und eine makroskopische Unter¬
suchung zu. Für den praktischen Tierarzt kommt die letztere
in Betracht. Es werden zunächst Erhebungen nötig sein über
die Geschlechtsreife, insbesondere über den Eintritt derselben
bei unseren Haustieren, ebenso Beobachtungen über die
Äußerungen des Geschlechtstriebes, namentlich des abnormen.
Von höchster Wichtigkeit sind auch Beobachtungen über die
Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale (hinsichtlich
der Bemuskelung, der Hautbeschaffenheit, der Knochen, der
Haarfarbe, der Stimme usw., nicht zumindest aber auch hin¬
sichtlich der psychischen Eigenschaften).
Es bestehen zwischen den sekundären Geschlechtscharakteren
der Zuchttiere und der Ausbildung ihrer Geschlechtsdrüsen
gewisse Wechselwirkungen. Sind die Geschlechtscharaktere gut
ausgebildet, so darf man folgern, daß auch die Geschlechts¬
drüsen zu reger Tätigkeit veranlagt sind. Diese gegenseitigen
Beziehungen sind aber noch nicht vollkommen klargestellt, ob¬
wohl sie für die Beurteilung der Zuchttiere von höchster prak¬
tischer Bedeutung sind. Auch sind Erhebungen über die Ver-
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
552
einigung männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere in
einem Tiere anzustellen. Wenn über diese Punkte mehr
Klarheit gebracht worden ist, lassen sich auch fiir die Zucht¬
wahl wichtige Anhaltspunkte gewinnen.
Eine zweite Hauptfrage, die das Interesse des Tierarztes
verdient, sind die Erscheinungen der Brunst. In dieser Hinsicht
lassen sich wichtige Beobachtungen anstellen über das Ver¬
halten der Tiere während der Brunst, über die Periodizität
ihres Auftretens, die Dauer derselben, ihre Beziehungen zum
Optimum der Befruchtung und über die Superfökundation oder
Überschwängerung. Unter Superfökundation verstellt man die
Befruchtung nach eingetretener Empfängnis innerhalb derselben
Brunst- oder Menstruationsperiode. Daß sie bei mehrgebärenden
Tieren vorkommt, wird vielfach behauptet, obgleich wissen¬
schaftlich exakte Beweise dafür noch nicht vorliegen.
Ein weiteres Beobachtungsgebiet für den Praktiker ist das
Verhalten der Tiere während der Trächtigkeit. Namentlich sind
lange Zeit hindurch fortgesetzte Beobachtungen über die Dauer
der Trächtigkeit erwünscht. Dann käme der Geburtsvorgang
in Betracht und es wären in dieser Beziehung Beobachtungen
zu sammeln über leichte und schwere Geburten, über fehlerhafte
Lagen, besonders aber über die Fruchtbarkeit und die mehrfache
Trächtigkeit. Die Beobachtungen hätten davon auszugehen, daß
man bei ihnen mit dem Erblichkeitsfaktor zu rechnen hat.
Weiter ist die Beobachtung der Entwicklung der Nachkommen¬
schaft zu erwähnen. Sie müßte sich erstrecken auf die Lebens¬
kraft, das Wachstum, die Neigung zu Erkrankungen, die Ent¬
wicklung der Frühgeburten, die Sterblichkeit in den ersten
Lebensjahren, endlich auch auf Frühreife und Spätreife.
Überdies sind für die Biologie auch Beobachtungen über die
Anordnung und Beschaffenheit der Geschlechtsorgane sehr er¬
wünscht. Hierauf könnte bei der Vornahme von Sektionen
geachtet werden.
Von besonderer Wichtigkeit sind jedoch Beobachtungen über
die Vererbungskraft und über die Vererbung erworbener Eigen¬
schaften. Die Vererbungskraft hängt ab von dem Alter, der
Geschlechtsreife, dem Entwicklungszustande, der Gesundheit, mit
einem Worte von der individuellen Kraft des Tieres. So
büßte z. B. eine Araberstute, welche im Bereiche der Geschlechts¬
organe erkrankt war, ihre Vererbungskraft ein, bis sie wieder
genesen war. Solche Beobachtungen, die nur ganz spärlich in
der Literatur vorliegen, sind im Interesse der Biologie zu ver¬
mehren. Es muß auch noch festgestellt werden, ob Tiere mit
stärker ausgeprägten Geschlechtscharakteren eine stärkere Ver¬
erbungskraft besitzen und welche Beziehungen zwischen der
Aufzucht und der Vererbungskraft bestehen.
Die Vererbung erworbener Eigenschaften, oder besser gesagt
erworbener Veränderungen kann man von zwei Gesichtspunkten
aus betrachten, einmal von dem Gesichtspunkte, daß eine Ver.
erbung oder eine Übertragung durch das Blut und durch die
Nerven auf das Keimplasma möglich ist. Das ist sogar höchst¬
wahrscheinlich. Es fragt sich nun, ob es nicht auch eine andere
organische Reizleitung gibt. Die ganze Lichttherapie spricht
dafür, daß Reize von dem Körper aufgenommen und in demselben
auf anderen Wegen fortgeleitet werden, als auf Nerven- und
Blutbahnen.
Ferner müssen noch die Beziehungen aufgeklärt werden,
die zwischen Krankheit und Geschlecht bestehen. Beim Menschen
sind diesbezügliche Beobachtungen angestellt worden, bei den
Tieren aber noch nicht. Es müßte festgesteUt werden, welche
Tierkrankheiten vorwiegend dem männlichen Geschlecht, und
welche vorwiegend dem weiblichen Geschlecht eigentümlich sind.
Das weibliche Tier ist -infolge der Anordnung seiner Geschlechts¬
organe und der dadurch bedingten Leichtigkeit des Eindringens
von schädlichen Keimen bis in die Bauchhöhle gewiß mehr Er¬
krankungen ausgesetzt. Dies gilt aber nur für Geschlechts¬
krankheiten. Dies gilt aber nicht, wie der Engländer Campbell
festgestellt hat, für die allgemeinen Erkrankungen. Zn diesen
Erkrankungen neigt nach Campbell das männliche Tier mehr
als das weibliche. Auch darüber müssen Beobachtungen bei
den Haustieren angestellt werden.
Prof. Müller ist der Meinung, daß die biologische Sammel¬
tätigkeit in den Kreisen der praktischen Tierärzte durch eine
Anleitung zu biologischen Beobachtungen angeregt werden kann.
Es wird eine der nächsten Aufgaben der Deutschen Gesellschaft
für Züchtungskunde sein müssen, eine derartige Anleitung zu
verfassen. Rdr.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem kgl. württembergischen
Landestierarzt, Wirklichen Ober - Regierungsrat Beißwänger das
Ehrenkreuz des Ordens der Württembergischen Krone mit dem
persönlichen Adel, dem Stabsveterinär Jos. Krill, Vorstand der
Militär - Lehrschmiede in Königsberg (Ostpr.), das Ritterkreuz
II. Klasse des Badischen Ordens vom Zähringer Löwen.
Ernennungen: Dr. Paul Kißling aus Straßburg zum Repetitor
am Hygien. Institut der Tierärztlichen Hochschule Berlin, Tierarzt
Ganxenmüller -Frankfurt a. M. zum Schlachthofdirektor in Frankfurt
a. M. — Versetzt: Kreistierarzt Dr. Rrärfe/-Stuhm in gleicher
Eigenschaft nach Belgard in Pommern, Kgl. Bezirkstierarzt Dr. Bans
Schmitt- Berneck nach Wolfratshausen.
Verzogen: Tierarzt Heinrich Bomhard von Bechhofen nach
Ansbach (Mittelfr.).
Examina: Promoviert: Die Tierärzte Ewald Kühne, z. Z. am
Kaiser Wilhelm-Institut in Bromberg, zum Dr. med. vet. in Gießen;
TF. Frant-Oetzsch, Heinrich Mahlstedt am bakter. Inst. d. Ostpreuß.-
Holl. Hcrdbuchgesellschaft in Königsberg (Ostpr.), A. Rosendahl aus
Gütersloh, Alfred Steinbci'g in Dortmund zum Dr. med. vet. in Bern.
Die Prüfung als beamteter Tierarzt haben in Preußen
bestanden die Tierärzte: Emil Baumyarien aus Löcknitz, Paul
Hasencamp aus Hannover, Paul Heyden aus Hermülheim, Hans
Jacohsen aus Homberg, Dr. Tillmann Krautstrunk aus Berlin, Walter
Lorscheid aus Hannover, Dr. Theodor T^oweg aus Ahlen i. Westf.,
Walter Pfaar aus Berlin, Hermann Rieken aus Linden, Dr. Paul
Rißling aus Berlin, Dr. Paul Thoms aus Danzig.
Approbiert: Die Herren Max Bub aus Ulm, Paul Oeibel aus
Maxsein, Rohrt Kcher aus Weingarten, Paul Piek aus Sagard,
Eduard Richters aus Kehdingbruch, Robert Scheel aus Michaelsdorf,
Heinrich Teipel aus Arnsberg i. W., Kurt Fröhlich aus Kurschen,
Theodor Hoenccke aus Paderborn, Friedrich Scheele aus Pr.-Stargard,
Adolf Walther aus Mainz in Berlin; Gabriel Bayer aus München,
Karl Burgkart aus Holzen, Hans Talk aus Issing, von Neger aus
Diessen in München.
Todesfall: Oberamtstierarzt a. D. Christian Dieterich in Heilbronn.
Vakanzen. (v g i. Nr. 27.)
Tierärztliche Hochsohule Stuttgart: II. Assistent a. d. chirurg.
Pferdeklinik zum 1. Oktober 1908. Gehalt 1270 M., freies Zimmer
usw. Bewerb, bis 8. August an die Direktion der Hochschule.
Tierseucher.institut der Landwirtschaftskammer fiir die Provinz
Schleswig-Holstein : Bakteriolog. Assistent zum 1. Sept. oder 1. Okt. er.
Gehalt 2400 M. Bewerbungen an das Institut in Kiel, Krons¬
hagenerweg 7.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Scbmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoeta in Berlin. —
Druck ron W. BOxenstein, Berlin.
Dl« „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint OriglnalbeltrSge werden mit 60 Mit., fn Petltsatz mit
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz in _ _ 60 Slk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Berlin SW. 48. Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche ■ B "I # Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,—Vierteljahr- LF A'M I "■ 'W'k * u »enden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld) I Bi-* I III I ft-* I liehe Hochschule. NW., Luisenstraße 56. Korrekturea,
frei ins Haus geliefert. (Österreichische Post-Zeitungs- V/JL Bill ^ / B Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 85.) Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor I)r. Schinaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes Professor Dr. Peter Veterinärrat Peters Veterinärrat Preuße Dr. Richter
Hamburg. Departements-T. in Cöln. Staatstierarzt für Hamburg. Departements T. in Bromberg. Departements-T. in Danzig. Professor ln Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder Dr. Schlegel Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel Wehrle Ziindel
Professor in Dresden. Professor in Freiburg. Profe*>sor in Dresden. Landestierarzt in München. Kais. Regierungsrat in Berlin. Kreistierarzt in Mülhausen L E.
Helfer Dr. H. Sieber Dr. Stödter Dr. Trapp Dr. Zimmermann
Schlach'h.-Direktor in Mülhausen i. E. am Tropeninstitut in Hamburg. Stadt-Tierarzt in Hamburg. am Kaiser Wilhelm-Institut ln Bromberg. Dozent in Budapest
Jahrgang 1908.
M 32 .
Ausgegeben am 6. August.
Inhalt: Walther: Ein Beitrag zur Fraktur des Hufbeins. — Janssen: Chronischer Magendarmkatarrh der Kühe nach dem
Abkalben. — Holterbach: Intrauterine Bauchwassersucht bei einem Kalbe als Geburtshindernis. — Zimmermann:
Pillen- und Eingußapparat, ein neues Instrument. — Reinhardt: Fibrolysin. — Loewenthal: Erbrechen bei einem
Schwein, verursacht durch Ascaris lumbricoides s. Ascaris suilla. — Lehmann: Haematocystis hepatis. —
Referate: Cadiot: Über die Behandlung der pneumonischen Myokarditen beim Pferd. — Nevermann: Schutz- und Heil¬
impfungen bei der Druse der Pferde. — Wagenheuser: Zur Bekämpfung der Druse. — Beck: Das „Schroten“ der Säue. —
Zschokke: Über Zellgifte und Zellkrankheiten. — Pröscholdt: Papilläres Akanthom auf der Innenfläche des Pferdeohres. —
Tagesgeschichte: Haupt: Tierärztlicher Optimismus. — Zur Geschichte des Veterinärinstitutes zu Gießen. — Gebühren für
Behandlung der Gestütpferde. — Bericht über die 34. ordentliche Generalversammlung des tierärztlichen Vereins im Herzogtum
Braunschweig. — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen: Bekanntmachung. Verhandlungen im Landes-Ökonomie-Kollegium. —
Tierseuchen in Deutschland 1906. — Verschiedenes. — Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel: Verschiedenes. —
Tierhaltung und Tierzucht: Geschäftsbericht der bayerischen Landes-Viehversicherungsanstalt. — Bücheranzeigen und
Kritiken. — Personalien. — Vakanzen.
daß die Hufbeinbrüche noch nicht genügend aufgeklärt sind.
Anderseits verlangt aber die unaufhaltsame Vermehrung des
Lernstoffes auf allen Gebieten der Veterinärmedizin, daß gerade
der erfahrene Praktiker seine Beobachtungen bekannt gibt,
welche geeignet erscheinen, die verschiedenen Leiden diagnostisch
leichter zu sichern.
Obgleich das Hufbein mit einer starken Hornkapsel umgeben
und durch dieselbe gegen direkte Einflüsse sehr geschützt ist,
so zerbricht dasselbe dennoch und nach meinen Erfalirnngen
sah bei einem Pferde, welches im Sprunggarten über den
Wassergraben ging, daß es mit dem linken Hinterschenkel zu
kurz sprang, so daß nur die Hufzehe den Querbalken am
Graben traf, während die hintere Huf hälfte in voller Wucht sich
nach unten durchbog. Die Folge war, daß der Schenkel in den
Graben znrückrntschte und das Pferd zum Stürzen kam. Nach¬
dem das Tier stand, wurde der linke Hinterschenkel in der
Beugestellung gehalten, eine Belastung desselben fand nicht
statt. Darauf wurde das Pferd mit Unterstützung in den Stall
Ein Beitrag zur Fraktur des Hufbeins.
Von Korpsstabsveterinär Walther-Leipzig.
Ein Hufbeinbruch beansprucht für sich ein Allgemein¬
interesse, um so mehr, als der Veterinär seltener Gelegenheit
hat, durch Obduktion die vermutete Diagnose nachprüfen zu
können. Auch aus den vorhandenen Berichten geht nicht immer
hervor, ob es sich um einen wirklichen oder vermuteten Huf¬
beinbruch handelt. Ja, wir können ohne weiteres zugeben,
öfter, als gewöhnlich angenommen wird. Sie sind diagnostisch
deshalb noch wenig geklärt, weil die Zeichen des gebrochenen
Hufbeins wegen dessen verborgener Lage sehr undeutlich sind.
Auch die Entzündungsersclieinungen, wie stärkeres Pulsieren
der Arterien, Auftreibungen und vermehrte Wärme an der
Krone, treten oft erst nach einigen Tagen hervor.
Von den vielen Beobachtungen möchte ich nur zwei aus
dem Vorjahr herausgreifen. Stabsveterinär Richter in Chemnitz
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 3.
554
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
und in das Hängezeug gebracht. Infolge der hochgradigen
Schmerzen schwitzte das Pferd sehr heftig und verweigerte die
Futter- und Getränkeaufnahme fast vollständig. Die Behandlung
geschah nach den bekannten Grundsätzen. Am zehnten Be*-
handlungstage Versuchte der Patient mit der Hufzehe des
leidenden Schenkels sich auf den Boden zu stützen. Der Zu¬
stand besserte sich von nun an derart, daß nach dreimonatlicher
Buhe das Pferd beim Vorführen an der Hand, nicht mehr lahmte.
Auch an der Hornkapsel waren keinerlei Veränderungen nach¬
zuweisen. Bei dem nun vorgenommenen täglichen Führen lief
das Pferd einmal weg, kam zum Stürzen und mußte wegen
eines hinzugezogenen Splitterbruches des rechten vorderen
Schienbeins getötet werden. Da sich nun Gelegenheit bot, die
früher gestellte Diagnose „Hufbeinbruch“ nachzuprüfen, so
wmrde der linke Hinterhuf abgesetzt, gekocht uud mazeriert.
Nach Freilegen des Hufbeins fand sich nun die Diagnose voll
und ganz bestätigt.
Das fragliche Hufbein befindet sich in der Stabsveterinär
Rieht ersehen Sammlung. An den Abbildungen 1, 2 und 3 ist
das Hufbein mit dem Bruch in natürlicher Weise dargestellt.
Man sieht an der Längsfraktur, wie sie in der Zugrichtung der
Hufbeinbeugesehne entstanden ist.
An der Figur 1 ist ersichtlich, daß an einigen Stellen die
Kallusbildung etwas zusammengeschrumpft ist. Der Bruch
zeigt sich als Rinne. Darüber bildet der Heilungsvorgang eine
wulstartige Verdickung.
Die Figur 2 zeigt den Bruch an der Gelenkfläche. Der¬
selbe ist noch nicht mit Knorpel bedeckt.
Die Fi gar 3 zeigt den Bruch an der Sohle. Der Heilungs¬
vorgang mit Kallus- und Knochenbildnng ist hier ersichtlich.
Über den zweiten Hufbeinbruch berichtet der Oberveterinär
Scholz folgendes: Beim Durchlaufen des Sprunggartens blieb
ein Pferd mit dem rechten Hinterhuf im Graben hängen, so daß
die Wucht des Ganges die vordere Hufwand traf. Darauf
blieb das Pferd sofort stehen uud hielt den Schenkel in der
Bengestellung. Bei der Untersuchung mit der Visitierzange
konnten, im Huf keine Schmerzen nachgewiesen werden, aber
schon bei einer leichten Drehung im Hufgelenk zuckte der
Patient erheblich. Im Verlauf der nächsten drei Wochen ver¬
änderten sich die Erscheinungen nicht wesentlich. Von da ab
zeigte sich am Kronenrand der Hufzehe eine ziemlich starke
Hervorwölbung, die sich nach den Seiten abflachte. Es bandelte
sich um eine erhebliche Knochenauftreibung, welche aus der
Hornkapsel hervorzuquellen schien. Nach weiteren vier Wochen
war die Verdickung etwas zurückgegangen. Der Patient wurde
täglich geführt. Die Lahmheit und der Auftritt besserten sich,
so daß Hoffnung besteht, daß das Pferd wieder dienst¬
brauchbar wird.
Im vorliegenden Fall handelte es sich zweifellos um einen
Bruch des Hufbeins in der Gegend der Hufbeinkappe, wo sich
der gemeinschaftliche Zehenstrecker inseriert. Durch die Ab¬
knickung nach vorn wurde die Strecksehne so angespannt, daß
an ihrer Ansatzstelle eine sog. Rißfraktur am Hufbein entstand.
Unter den gewöhnlichen Verhältnissen und in den allermeisten
Fällen von Hnfbeinbrnchen nimmt die Hufbeinbeugesehne be¬
sonders hohen Anteil. Das Zustandekommen derselben ist wie
folgt zu erklären: Die einfallende Gewalt trifft die Hufbein¬
beugesehne mit ihrer sehnigen Unterstützung zuerst, da dieselbe
aber auch nicht die denkbar kleinste Durchbiegung nach unten
zuläßt, so überträgt sie in dem Moment des Auffallens die Last
auf das entfernt gelegene Hufbein. Dieses wird über seine
Elastizitätsgrenze angespannt und bricht. Wir bezeichnen den
Vorgang als indirekten Bruch. Wie weit die Kohätion des
Knochengewebes überwunden werden und das Alter des Patienten
mit beachtet werden muß, soll uns hier weiter nicht interessieren.
Nur so viel, daß die Ausdehnung des Knochenbruches bestimmt
wird durch das Verhältnis zwischen der Festigkeit, Kohäsions¬
kraft des Knochens und der Größe der einwirkenden Gewalt.
Die Gewalt, welche zum Knochenbruch führt, liegt im Kör¬
per selbst.
Wichtig für den Veterinär sind die Symptome der Hufbein¬
brüche, mit deren Kenntnis er dann in der Lage sein wird, auch
in schwierigen Fällen die richtige Diagnose und Prognose zu
stellen. Der Praktiker gewöhnt sich, objektive und subjektive
Symptome zu unterscheiden. Von den objektiven Symptomen
sind die plötzlich nach der Verletzung eingetretene abnorme bzw.
aufgehobene Bewegungsfähigkeit des fraglichen Schenkels und
die heftigen Schmerzen. Um den Bruch zu erkennen, so umfaßt
man den Fuß über dem Huf mit der Hand, legt den Daumen
auf den Beuger in der Ballengrnbe und bewegt den Huf nach
verschiedenen Richtungen. Dabei werden seltener Krepitationen
wohl aber stets Schmerzen ausgelöst. Oft schon beim einfachen
Drücken in der Ballengrube stöhnt das Pferd. Die Untersuchung
des Hufes mit der Visitierzange bietet keine Sicherheit. Als
drittes ebenfalls objektives Symptom ist die Veränderung der
normalen Haltung des Hufes durch Dislokation des Hufbeins und
die Veränderung des Hufes an der Krone. Im weiteren Verlauf
nimmt dieselbe an Umfang mehr oder weniger zu.
Die subjektiven Symptome, welche, zuweilen maßgebende
Bedeutung gewinnen, sind einerseits die Funktionsstörungen des
gebrochenen Knochens, anderseits sind es die Bruchschmerzen.
Natürlicherweise ist infolge eines Hufbeinbruchs der Schenkel
in seiner Funktion behindert, teils deshalb, weil jdie als Stütze
der Extremität dienende Hufbeinbeugesehne eine Störung bzw.
eine Trennung erfahren hat, teils deshalb, weil der Patient bei
der Belastung Schmerzen empfindet. Was nun aber den Bruch¬
schmerz angeht, so müssen wir bedenken, daß es sich hierbei
nicht um den natürlichen Schmerz handelt, welcher oft gleich
beim Entstehen des Bruches weniger durch das Brechen des
Knochens als durch gleichzeitige Quetschung der Weichteile
hervorgerufen wird. Derselbe kann auch erst später infolge der
Schwellung, des Blutergusses und anderer Vorgänge eintreten.
Wir wissen, daß der Huf die Fähigkeit hat, unter der ab¬
wechselnden Belastung seine Form zu verändern. Bei der
Belastung erweitert sich der Huf an der Krone zunehmend nach
dem Ballen, während dagegen der Tragrand nach der Hufmitte
abweicht. Die Hufbeinbeugesehne mit ihren sehnigen Unter¬
stützungen ist zur Auihahme der Last da. Auf ihr ruht das
Pferd monatelang, ohne daß physiologische Störungen eintreten.*)
Wird sie nun beim Hufbeinbruch mehr oder weniger außer
Tätigkeit gesetzt, so wird der rege Blutumlauf im Huf auch
entsprechend gehemmt, und die Druckschmerzen vermehren sich
ganz erheblich.
Was nun die Behandlung der Hnfbeinbrüche angeht, so
sind die bekannten Regeln zu beachten, ganz besonders aber
*) Siehe auch „österreichische Monatsschrift“ über Huf-
mechanik etc. 1906/1907 Seite 4SI bzw. 104.
6. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
555
ist der Druckschmerz zu mindern. Um das zu erreichen, muß
das tote Horn aus der Sohle und den seitlichen Strahlfurchen
entfernt und diese Hufteile müssen möglichst verdünnt werden.
An den Seitenwänden des in Frage kommenden Hufes müssen
möglichst tiefe Rinnen an der Hornwand in der Richtung der
Hornröhrchen eingeschnitten werden, um durch Nachgeben der
Wand die Druckschmerzen zu mildern.
Chronischer Magendarmkatarrh der Kühe
nach dem Abkalben.
Mitteilungen aus der Praxis I.
Von Tierarzt janssen-Meldorf.
Wohl jeder Tierarzt, mag er auch schon Jahre hindurch
in ausgedehnter Landpraxis sich reichliche Erfahrungen ge¬
sammelt haben, wird es beklagen, daß unsere Kenntnisse über
die hochwichtigen Krankheiten der Verdauungsorgane der
Wiederkäuer mangelhafte sind. In vielen Fällen ist es un¬
möglich, eine derartige Krankheit nach Ursache, nach Örtlichkeit
und Charakter festzustellen und dem Besitzer des Tieres eine
auch nur annähernd sichere Prognose anzugeben.
Im folgenden will ich den Versuch machen, für eine Einzel¬
diagnose bestimmte pathognostische Kennzeichen aufzustellen
und meine Heilmethode hinzufügen. Ich bezeichne als
„chronischen Magendarmkatarrh der Kühe nach dem Abkalben“
eine Affektion der Verdauungsorgane, die in hiesiger Gegend
mindestens ebenso häufig auftritt wie das Milchfieber und auch
nicht selten tödlich endete. Der Vorbericht wie auch die
Symptome sind in aHen Fällen wenig abweichend.
Wenn die Kühe, die meistens die besten im Stalle sind,
zur Behandlung vorgestellt werden, sind nach dem Abkalben
durchschnittlich 3—6 Wochen vergangen. In der ersten Zeit
nach dem Abkalben sind Appetit und Milchertrag vorzüglich
gewesen, allmählich aber ist beides zurückgegangen, und eine
in keinem Verhältnis zu dem noch vorhandenen Appetit ein¬
getretene bedeutende Abmagerung der Kuh ist auffällig ge¬
worden. Diese Abmagerung beträgt in einigen Fällen einige
100 Pfund. Häufig wird vom Besitzer der Verdacht auf
Tuberkulose ausgesprochen. Die Untersuchung ergibt folgendes:
Beim Vergleich mit nebenstehenden Tieren Mit starke Ab¬
magerung, unlustiges Benehmen, trübe Augen, geringer Bauch¬
umfang, eingefallene Hungergrube in die Augen, das Haar ist
rauh, die Haut hart und trocken, Temperatur nie über 40° C,
Puls von 100—120 klein, gespannt. Pansenbewegung unter¬
drückt, Appetit gering, wechselnd, wählerisch, der Kotabsatz ist
entsprechend der Futteraufnahme, Futter normal verdaut; die
Körperbewegungen sind unlustig und schweifällig, das Belasten
der Hinterbeine oft schmerzhaft; in einzelnen Fällen werden die
Fesselgelenke überkötet, die Sprunggelenks Winkel gestreckt.
Dieses hindert die Patientin niemals, mit ihren Stallgenossinnen
bei herannahender Futterzeit aufzustehen. Als prägnante
Symptome, als Symptome, die schon allein die Diagnose sichern,
sind zu nennen ein süßlicher, widerlicher Geruch aus dem
Maule, der so stark sein kann, daß er sich im ganzen Stall
verbreitet, und weiter ein nicht definierbarer, unangenehmer
Geruch der Milch. Einige Besitzer, auf den Geruch der Milch
aufmerksam gemacht, bezeichneten ihn als „kuhig“, d. h. stark
nach der Kuh riechend.
Differentialdiagnostisch bemerke ich, daß die Erkrankung
immer nur in den ersten Wochen nach dem Kalben auftritt, daß
nur vorzügliche Milchgeber von ihr befallen werden, daß bei keiner
anderen Erkrankung der abnorme Milchgeruch festzustellen war
und daß die Erkrankung ausschließlich bei Stallfütterung be¬
obachtet wurde.
Wird keine Therapie eingeleitet oder können die Patienten
nicht auf die Weide geschickt werden, gehen sie unfehlbar
kachektisch zugrunde.
Es ist mir wohl in früheren Jahren gelungen, die Krankheit
durch Anwendung der gebräuchlichen Mittel zu heilen, allerdings
nicht in jedem Fall und nie, wenn die Tiere bereits einen höheren
Grad der Abmagerung erreicht hatten.
Seit drei Jahren verwende ich ausschließlich die Luftinfusion
ins Euter. Die Wirkung ist ebenso prompt und zuverlässig wie
beim Milchfieber. Schon nach einigen Stunden Mit das bedeutend
munterere Aussehen der Tiere in die Augen, die Bewegungen des
Körpers sind freier, der Appetit wird rege, der Kotabsatz ist
nach anfänglichen schmerzhaften Darmbewegungen, wobei der
Rücken stark eingezogen oder aufgekrümmt wird, reichlich.
Immer ist die Heilung vollständig und der Milchertrag erreicht
bei lebhaftem Appetit rasch seine vorherige Höhe.
Ich habe die beschriebene Erkrankung „chronischen Magen-
Darmkatarrh der Kühe nach dem Abkalben“ genannt. Würde ich
die von mir angenommenen Ursachen der Erkrankung, die sich
vollständig mit der von Witt-Hadersleben in der B. T. W.
Nr. 34. 1904 aufgestellten Milchfieber-Theorie decken, berück¬
sichtigen, würde die besprochene Erkrankung wohl richtiger und
einfacher als „Euterlähme“ zu bezeichnen sein.
Intrauterine Bauchwassersucht bei einem Kalbe als
Geburtshindernis.
Von Heinrich Holterbach, Tierarzt in Offenburg (Baden.)
Den nachstehenden Beitrag zur Kasuistik der Geburtshin¬
dernisse“ glaube ich in Anbetracht der Seltenheit des Falles
veröffentlichen zu sollen:
Eine etwa 10 Jahre alte Kuh des gewöhnlichen Land¬
schlages liegt seit 1 Uhr nachmittags, um welche Zeit der Ab¬
gang der Fruchtwässer beobachtet wurde, in heftigen Geburts¬
wehen. Die Lage des Fötus ist eine ganz normale, die
beiden Vorderfüße und der Kopf treten in die Scheide und können
mit Leichtigkeit vorgezogen werden. Alles versprach eine leichte,
rasche Geburt. Allein, trotzdem vier kräftige junge Männer mit
aller Macht zogen, gelang es nicht den Fötus herauszubeför¬
dern. So wurde ich denn in stürmischer Eile gerufen. Kurz
bevor ich im Stalle eintreffen konnte, war das Kalb, das in Be¬
ginn der Geburt gelebt und kräftige Bewegungen gemacht hatte,
erstickt. Die Zunge hängt zum Maule heraus und ist cyanotisch.
Vom Fötus liegen vor: Der Kopf bis zum Genick und die beiden
Vorderfüße bis zum Ellbogenhöcker. Das Kalb w r ar klein, die
Mutter beckenweit gebaut. Die am liegenden Tier vorgenommene
Untersuchung ergab: Die Geburtswege breit und geräu¬
mig genug, um der normalen Frucht leicht den Durch¬
gang zu gestatten. Nirgends irgendeine Formverän¬
derung am Becken, welche die Dystokie erklären
könnte. Das Kalb erscheint auffallend mager! Die
Knochen an der Wirbelsäule treten sehr stark vor. Die Ge¬
burtswege und der Fötus wurden stark eingeölt, eine Schlinge
No. 32.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
556
um den Hals gelegt und nun von vier Mann gezogen, so fest
als sie nur ziehen konnten. Umsonst! Ich mußte mich nach
einem halben Dutzend vergeblicher Versuche überzeugen, daß
es unmöglich ist, die Frucht auf diesem Wege zu
entwickeln.
Um Platz für eine genaue Untersuchung zu gewinnen,
schritt ich nun zur Embryotomie: Die beiden vorderen Glied¬
maßen wurden entfernt. Ich konnte jetzt mit Leichtigkeit die
ganze Frucht umtasten.
Bei der Loslösung der Vorderfiiße erwies sich Haut und
Unterhaus bis auf die starke Füllung der Venen, die ja leicht
erklärlich ist, vollkommen normal. Auch sonst läßt sich an der
Haut des Kalbes nirgends eine Abnormität auffinden. Dagegen
zeigt es sich nun beim Betasten des Hinterteils, daß dieser
einen ganz außerordentlichen Umfang hatte. Schob
man den zurück, dann konnte man beim Nachlasse der
Spannung der Bauchdecken eine deutliche Fluktuation,
ein „Schwappen“ fühlen, wenn man mit der Faust einen
kurzen Stoß dagegen versuchte; wurde dann angezogen,
dann spannten sich, in dem Maße als der Zug wuchs,
die Bauchdecken an, die hintere Hälfte des Hinter¬
leibs wölbte sich unter dem Druck des nach rückwärts
gepreßten Wassers prall hervor und bildete
eine das ganze Becken ausfüllende, am
Schambein eine nachgiebig anstehende
Masse, ein Geburtshindernis, welches durch
jeden Zug naturgemäß wachsen mußte und
unüberwindlich war.
Ich ließ nun das Kalb möglichst weit aus der
Scheide herausziehen und öffnete mit einem kräftigen
Schnitt hinter dem Brustbein die Bauchhöhle. In
einem bis an die Decke spritzenden Strahl entleerte
sich das Wasser. Die Entwicklung der Frucht ge¬
schah nun mit leichter Mühe.
In der Bauchhöhle des Kalbes hatte sich weit
über ein Stalleimer Flüssigkeit befunden, die
schwach gelblich gefärbt und von fadem Geruch
war. Beim Aufschneiden der Bauchdecke fiel mir eine mäch¬
tige, noch gefüllte Blase auf, welche die Größe eines
Pferdemagens besaß. Es war die Harnblase.
Die Ursache der Dilatation konnte ich leider nicht fest¬
stellen; denn während ich mich im Hause umkleidete, hatten
Neugierige die Eingeweide herausgeschnitten und verstümmelt.
Es ließ sich nur noch eine Erweiterung der beidenUreteren
sowie linksseitige vollständige und beginnende rechts¬
seitige Hydronephrose nachweisen. Die übrigen Organe
waren abgesehen von der Blässe normal; das Herz war gleich¬
falls unverändert.
Die Erkennung und richtige Deutung dieses Geburts¬
hindernisses war, da der Kopf und die Vorderfüße leicht
entwickelt werden konnten, nicht leicht und eigentlich erst
möglich, als nach der Abnahme der Vorderfiiße durch Betasten
und stoßweise Palpation des Hinterleibes der Nachweis der
Flüssigkeit glückte.
Pillen- und Eingußapparat, ein neues Instrument.
Von Oberveterinär Dr. Zimmermann.
Im folgenden gestatte ich mir, den verehrten Kollegen ein
von mir erdachtes Instrument vorzuführen, welches durch deut¬
sches Gebrauchsmuster geschützt und allein von der Instrumen¬
tenfabrik Hauptner-Berlin zu beziehen ist. Ich hoffe, daß das
Instrument, dem ich nach seinem Gebrauchszwecke die Bezeich¬
nung „Pillen- und Eingußapparat“ gab, eine Lücke im tierärzt¬
lichen Inventar ausfüllt und den Beifall der Kollegen schon
deshalb finden wird, weil es 2 Zwecken zugleich dienlich ist,
wenn es nicht sonstige Vorzüge empfehlen sollten.
Das Instrument als Pilleneingabeapparat ist schon in seinem
Aussehen — siehe Abbildung — genügend gekennzeichnet. Aus
praktischen Gründen wählte ich flaches Mundstück (A). Am
Rohre befindet sich ein Gewinde (B), an dem ein Querstab (C)
mit kleinen Löchern (D) beweglich befestigt ist. Der Zweck
des Querstabes dürfte ohne weiteres einleuchten; er soll das
Widerlager des Pilleneingabeapparates nach Malkmus ersetzen.
(Hauptners Katalog Nr. 350L). Während nach Malkmus
die Hand des Eingebenden das Widerlager hält und damit
einer Verletzung des Pferde- usw. Maules beim Stoße zum
Schleudern der Pille in den Schlund durch das Mundstück
vorgebeugt werden soll, findet die Querstange (C) den natür¬
lichen Halt an den Maulwinkeln des Pferdes (Tieres). Durcs
Schnüre (D) in den Löchern der Querstange kann der Apparat
an den seitlichen Halfterringen befestigt und vor dem Heraus¬
fallen aus dem Maule und vor seitlicher Verschiebung bewahrt
werden.
Das Gewinde ermöglicht ein Einstellen der Querstange
nach Belieben, so daß das Mundstück weiter und weniger weit
in das Tiermaul ragt.
Der Griff (E) ist abschraubbar, so daß der Schieber (F)
im Rohr und Mundstück aus ihnen herauszunehmen ist. Danach
ist der Apparat ziemlich fertig zum Einguß. Es ist nur das
Anbringen eines Gummischlauches (G) mit Trichter (H) am
Ende des Rohres nötig, der sonst zu Klistieren Verwendung
finden mag. Beim Eingießen wird zweckmäßig der Kopf des
Tieres etwas hochgehalten — bei ruhigen Tieren gelingt die
Prozedur auch bei normaler Kopfhaltung — und unter das
Maul ein Gefäß zum Auffangen allenfalls aus dem Maule ab¬
fließender Arznei gehalten. Eine Person hält den gefüllten
Trichter zunächst niedrig und hebt ihn allmählich höher. Das
Tier wird hierdurch auf die kommende Arznei vorbereitet und
schluckt fast immer anstandslos ab. Bei Schüttelbewegungen
des Tieres mit dem Kopf besteht weder die Gefahr, daß das
Instrument herausgeschleudert wird, noch daß Arznei sich ver¬
schüttet, wenn nur der Schlauch genügend lang ist. Die ev.
aus dem Maul abgeflossene Arznei wird erneut dem Trichter
6. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
557
einverleibt und so vollständige Gewähr geleistet, daß die ge¬
samte verordnete Arznei vom Tier eingenommen wird. Das
Gewinde am Rohr ermöglicht wiederum, das Mundstück so weit
in das Maul zu schieben, als es nach dem Bau der Tiere und
um das Bewegen der Zunge nicht zu verhindern und Ver¬
schlucken zu verhüten, geboten ist. Die Gefahr des Ver-
schluckens ist übrigens bei dem flachen Mundstück und wenn
der Schlauch mit Trichter langsam gehoben wird, ohnehin
nicht groß.
Empfehlen möchte ich noch, nächst dem Griff des In¬
strumentes ein Gummistück (K) anzubringen, wie es sich an
Uhren oder an dem Patentverschluß von Flaschen findet, welches
den Stoß beim Pillengeben verringern wird.
Ich würde mich freuen, wenn recht viele Kollegen das
Instrument verwenden würden, insbesondere wenn es Zu¬
friedenheit erzeugte.
Fibrolysin.
Therapeutische Notiz.
Von Oberamtstierarzt Dr. Reinhardt.
Bei einem Pferde, das im März d. J. an Einschuß erkrankt
war, war eine bedeutende Verdickung eines Hinterfußes vom
Fesselgelenk bis über das Sprunggelenk hinauf zurückgeblieben,
die den üblichen Mitteln — Einreiben mit verdünnter Queck¬
silbersalbe, Massieren, Bandagieren, Bewegung — nicht weichen
wollte. Da gerade in der Literatur bei derartigen Fällen die
Anwendung des Fibrolysins empfohlen wurde, beschloß ich, einen
Versuch damit zu machen. Das Mittel — ausreichend zu
fünf Einspritzungen — wurde mir von der Fabrik E. Merck
in Darmstadt bereitwilligst zur Verfügung gestellt, wofür ich
hier bestens danke. Es wurde nun jeden zweiten Tag eine
subkutane Einspritzung am Halse des Pferdes gemacht. Während
der Behandlung wurde das Pferd zu leichter Arbeit verwendet.
Nach etwa 14 Tagen war die Verdickung vollständig ver¬
schwunden. Dieser Erfolg ist so auffallend, daß das Mittel
sicher wert ist, in ähnlichen Fällen probiert zu werden.
Erbrechen bei einem Schwein, verursacht durch
Ascaris lumbricoides s. Ascaris suilla.
Von Tierarzt Loewenthal, Breslau.
Nach einem Bericht der Frau Bäckermeister St. erbrach das
eine ihrer beiden zirka 4 Monate alten Läuferschweiue, die vor
wenigen Tagen geschnitten worden waren, plötzlich mehrere
Mal. Mit dem zuerst erbrochenen Mageninhalt soll, wie die Frau
selbst beobachtet hat, ein regenwurmähnlicher, langer, weißer
Wurm herausbefördert worden sein, der sich auf der Erde leb¬
haft bewegte. Frau St. führte die Erkrankung des Schweines
auf das Schneiden zurück, da nach ihrer Meinung der Schweine¬
schneider das stark unruhige Tier zu kräftig angefaßt und viel¬
leicht den Darm verletzt habe. Das Erbrechen hatte zwar schon
nachgelassen, doch war die Freßlust noch vollkommen unter¬
drückt, weshalb mein Besuch für den nächsten Tag gewünscht
wurde.
Am Morgen dieses Tages hatte das betreffende Schwein bereits
etwas Futter zu sich genommen, ln den Garten gelassen sprang
es lebhaft herum, wühlte mit dem Rüssel in der Erde und fraß
kleine Kohlenstücke. Die Kastrationswunde war gut verheilt.
Der erbrochene Mageninhalt w T ar noch an verschiedenen Stellen
im Garten zu sehen, jedoch zu einer krustenähnlichen, leichten
Masse, eingetrocknet. Er zeigte eine schwärzlich grün glänzende
Farbe, die wohl infolge Eingebens von Stib. sulf. nigr., nach dem
erstmaligen Erbrechen, durch die Besitzerin hervorgerufen
worden war.
Der aufbewahrte Wurm hatte eine Länge von 26 cm, eine
zylindrische, nach beiden Enden verjüngte Form mit vier Längs¬
und zahlreichen Querstreifen. Er war blaßrötlich und von
elastischer und transparenter Beschaffenheit.
Nach dem makroskopischen Befunde handelt es sich hier um
ein weibliches Exemplar des Ascaris lumbricoides s. Ascaris
suilla, der wohl durch Reizung der Schleimhaut des Magens resp.
Dünndarmes das Erbrechen, das sonst bekanntlich bei Schweinen
nur selten und mit großer Anstrengung eintritt, verursacht hat.
Trotz Verabreichung von Tart. stibiat. wurden weitere
Abgänge von Würmern nicht beobachtet und war das Schwein
nach zw f ei Tagen wieder vollkommen gesund.
Haematocystis hepatis.
Von Tierarzt Dr. mcd. vet. Lehmann-Traben.
Eine ausgedehnte Haematocystis serosa hepatis konnte ich
bei einem zirka 14 Tage alten Kalbe nach der Schlachtung
beobachten. Derartige Cystenbildungen kommen nicht gar zu
selten vor und werden als kongenitale oder intra partum er¬
worbene Anomalien gedeutet. Es mag wohl die Annahme
Nach der Natur gcxeichnet vom Verfasser,
a Grundxone, b Endxonc (oberhalb des ireitrerxueigten Gefäßbaumes
verläuft ein Nerv), c Ijcber.
berechtigt erscheinen, daß derartige Cysten von subserösen oder
subkapsulären Blutungen infolge partieller Leberberstung und
Quetschung herrühren und von geringer pathologischer Be¬
deutung sind.
Im folgenden Falle jedoch erregt die Cystenbildung Interesse
wegen ihrer besonders hervortretenden anatomischen Eigen¬
schaften und des Einflusses, den derartige Cysten auf das
betreffende Individuum im Falle dessen Lebenbleibens ausüben,
558
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
Die Cyste saß an der Stelle der Leber, wo die Nabelvene
in dieselbe eintritt. Sie hatte ein zirka drei Pfund schweres
Gewicht und war mit einer bräunlichgelben serösen dicken
Flüssigkeit gefüllt. Der Inhalt der Cyste entsprach allerdings
nicht der Größe derselben, denn sie konnte zirka drei Liter
Flüssigkeit fassen. Sie hatte ein luftballonartiges Aussehen,
das der Form der Ballonhülle eines modernen Luftschiffes glich.
Man konnte an ihr deutlich zwei Zonen unterscheiden und zwar
a) die Grundzone und b) die Endzone. Die Grundzone nahm
ihren Ursprung an der Leber selbst und unterschied sich von
der Endzone dadurch, daß ihre Wandung bedeutend dicker als
die der Endzone war, infolgedessen dunkler erschien, und vor
allem starkentwickelte Blutgefäße und noch stärker entwickelte
Nervenstränge barg. Der Hauptnervenstrang war zirka 4 mm
breit und 1 mm dick. Die Blutgefäße zeigten an dem in der
Grundzone verlaufenden Hauptstamm eine Breite von 1—1V 2 mm.
In der Grundzone verliefen Gefäße und Nerven, die an der
medialen Seite der Anheftungsstelle aus dem Lebergewebe auf
die Cystenwand übertraten, ziemlich wagerecht, während ihre
Abzweigungen, die auf die Endzone übertraten, dies in fast
senkrechter Richtung zu dem Hauptstamm taten.
Den Inhalt der Cyste untersuchte ich chemisch auf eventuelle
vorhandene Gallenbestandteile, konnte jedoch solche nicht vor¬
finden, sondern nur geringe Mengen von Eiweiß. Es ist aus
dem Gesagten die Annahme berechtigt, daß man es hier nicht
mit der Bildung einer zweiten Gallenblase zu tun hat, sondern
mit einer regelrecht organartig entwickelten Cyste der Leber,
deren Entstehung der Ursache nach wohl nicht festzustellen ist.
Referate.
Über die Behandlung der pneumonischen
Myokarditen beim Pferd.
Von Prof. Cadiot.
(Rocucil d’Alfort, 15. Oktober H>07.)
Der tödliche Ausgang bei der Pneumonie ist selten durch
die größere Ausdehnung der Lungenläsionen bedingt, sondern
hat seine Ursache meistens in den mit diesen einhergehenden
Komplikationen, welche sind die Abszedierung und das Gangrän
der Lunge, die Pleuritis und die Neuro-Myokarditis. Diese
letztere ist, obsclion sie häufig verkommt, doch noch sehr wenig
bekannt. Die bei den Pneumonikern beobachteten Störungen
am Herzen sind lange Zeit der Zirkulationsstörung zugeschrieben
w'orden, welche aus der durch die Hepatisation der Lunge
entstandenen Obliteration der Lungengefäße, aus der Stase im
rechten Ventrikel und der zeitweisen Ektasie seiner Wandung
resultiert. Diese Theorie von der mechanischen Beeinflussung
des Herzens bei den Lungenentzündungen mußte darum auf¬
gegeben werden, weil oft bei einer durch Auskultation und
Perkussion festgestellten ganz geringen Ausdehnung der Hepa¬
tisationszone, doch äußerst schwere Herzsymptome beobachtet
werden.
Wenn bei den Lungenentzündungen die größte Gefahr vom
Herzen herkommt, so ist gewöhnlich die Ursache die, daß das
Myokard oder seine Nerven durch die infektiösen Keime oder
deren Gifte stark betroffen worden sind. Der Verfasser hat bei
seinen Sektionen bei geringer Ausdehnung der Lungenentzündung
oder bei Lösuug derselben den Herzmuskel manchmal infiltriert,
blaß, stellenweise gelblich und mit Echymosen durchsetzt
gefunden, während alle anderen Organe unversehrt waren. In
diesen Fällen ist der Tod zweifellos durch die Myokarditis
bedingt worden.
Bei der pneumonischen Myokarditis ist das Herz während
den ersten 2—3 Tagen in starker Aufregung, die Herzschläge
gehen überstürzt und pochend vor sich, der Puls ist schnell,
Dyspnoe und Erscheinungen von Angst und Beklemmung sind
vorhanden; auf dies folgt das Stadium der Asthenie mit immer
schwächer werdendem, arythmischem Herzschlage, mit dumpfer
werdenden Herztönen und mit noch schnell gehendem aber
immer schwächer werdendem, fadenförmigen und kaum noch
fühlbarem Puls. Diese Symptome brauchen nicht gerade die
Folge der Myokarditis zu sein, sondern sie können auch, ohne
daß das Herz groß verändert w r äre, eine nervöse Ursache haben.
Die pneumonischen Gifte erwecken ausgedehnte Störungen in
der Innervation des Herzens, und wie es scheint, insbesondere
eine Paralyse oder Parese der vom Pneumogastrikus ausgehen¬
den Nervenfäden, woraus auch die Tachykardie mit zunehmender
Schwäche des Pulses zu erklären ist, die man oft bei Pneu¬
monikern konstatiert und gegen welche die gebräuchlichen Herz¬
kräftigungsmittel versagen.
Die Störungen in der zweiten Periode der pneumonischen
Neuro-Myokarditis hat man mit den verschiedenen Reiz- und
Kräftigungsmitteln des Herzens und hauptsächlich mit der
Digitalis, dem Koffein und dem Äther zu bekämpfen gesucht.
Die Digitalis wirkt sowohl auf das Myokard als auch auf
den Nervenapparat des Herzens und auf die Gefäße. Es treibt
das erstere an, bewirkt eine kräftigere Zusammenziehung der
Kammern, reizt den Pneumogastrikus, verlangsamt dadurch den
Herzschlag und verlängert die Dauer der Diastole, erzeugt eine
Kontraktion der kleineren Gefäße, erhöht den peripheren Wider¬
stand und hebt die arterielle Spannung. Diese seine bei vielen
chronischen Herz Veränderungen so sicher auftretenden Wirkungen
lassen bei akuten Krankheiten und besonders bei Pneumonie
mit starker Hyperthermie, welche mit Herzschwäche einher¬
gehen, im Stiche. Im Gegenteil, wenn sie längere Zeit fort¬
gegeben wird, so riskiert man, eine Vergiftung des kranken
Tieres herbeizuführen. Diese Intoxikation zeigte sich durch
Herzklopfen, Arythmie und Schwäche oder gänzliches Schwinden
des Pulses, Blässe der Schleimhäute, Kaltwerden der Extremitäten
und leichte Kolikanfälle an. Da sich die Tiere an die Digitalis
nicht gewöhnen können, so ist es ratsam, eine tägliche Dosis
von 3—5 g nicht zu übersteigen und diese nicht länger als
4—5 Tage zu geben.
Das Digitalin hat die gleiche Wirkung wie die Digitalis.
Das Koffein wird in der Behandlung der Herzkrankheiten
dann angewandt, wenn die Zeichen von Herzmuskelschwäche
mit Neigung zu Ohnmachtsanfällen auftreten. Der Verfasser
gibt es in hypodermischer Injektion in Dosen von I—2 g, die
zwei- bis dreimal am Tage wiederholt werden. Seine Löslich¬
keit in Wasser wird durch Hinzufügen von Natrium benzoicum
ermöglicht. Es verstärkt die Energie der Herzkontraktionen
und kräftigt den Puls. Sind die Störungen schwerer Natur, ist
die Zirkulation sehr beschleunigt oder das Myokard außer¬
ordentlich geschwächt, so ist seine Wirkung gleich Null, bei
den infektiösen Myokarditen ist sie auch nur gering.
Der Äther ist ein gutes Exzitant des Herzens und es tritt
seine Wirkung viel schneller ein als die des Koffeins oder der
Digitalis. In subkutanen oder intramuskulären Injektionen in
6. August 1908.
der Dosis von 10—25 g, dreimal täglich, wird es angewandt.
Werden nur 5—6 ccm auf einmal eingespritzt, so läßt das Medi¬
kament außer einem ganz kleinen Ödem keine lokalen Reaktionen
zurück. Die besten Dienste leistet es bei den adynamiscken
Lungenentzündungen, die mit Herzstörungen einhergehen, welche
zu Ohnmächten hinneigen, und ist es mit Vorliebe da anzuwenden,
wo man schnellstens auf das Myokard direkt einwirken will.
Seine Wirkung ist nur vorübergehend und ungenügend, wenn
ihm nicht der Kampfer beigegeben wird.
Der Kampfer ist ein ausgezeichnetes Mittel ftir jene Pneu¬
monien, im Verlaufe welcher schwere Zirkulationsstörungen in¬
folge von Herzmnskelschwäche eintreten, dann wenn das am
Muskel selbst oder in seiner Innervation erkrankte, übermüdete
Herz zu unterliegen droht. Es ist das ausgewählte Herzmittel
bei den Neuro-Myokarditen. Der Verfasser verwendet ihn in
subkutanen Injektionen zu 1: 10 oder 1 :5 oder 4 in Äther oder
Öl oder in beiden aa aufgelöst und gibt im Tage 60—100 g so¬
gar der starken Kampferöllösung. Werden von dieser Lösung
nur 5—6 ccm per Stich eingespritzt, so bleibt ein kaum bemerk-
liches Ödem zurück, werden aber Injektionen von 10 oder mehr
ccm an der gleichen Stelle gemacht, so rufen diese gewöhnlich
lange dauernde entzündliche Schwellungen hervor, von welchen
viele während der Konvaleszenz in Eiterung übergehen. Die
Injektionen sollen daher nur an Stellen gemacht werden, an
welchen eine Nekrose nicht zu befurchten ist, z. B. an beiden
Halsseiten, seitlich an der Vorderbrnst oder in der Gegend der
Vorarm streck er. Durch sie wird das Herz gestärkt, der Puls
gekräftigt und die Zirkulation verlangsamt. Helfer.
Schutz- und Heilimpfangen bei der Druse der Pferde.
(Veröffentl. aus den Jahrea-Veterihär-Berichten der beamteten Tier¬
ärzte Preußens für das Jahr 1905. II. Teil. Zusammengestellt von
Veterinärrat Nevermann, Berlin 1908).
Schutz- und Heilimpfungen mit den verschiedenen Seris sind
in mehreren Kreisen versucht worden, sie haben sich aber in allen
Kreisen als wirkungslos erwiesen. Die Impfungen mit dem Jeß-
Piorkowskischen] Druseserum sind besonders zahlreich vor¬
genommen worden. Es scheint, als ob eine Schutz Wirkung von
etwa 5 Wochen Dauer erzielt werden kann. So berichtet Kreis¬
tierarzt Haake in Culm, daß die neu eingestellten Fohlen bald
nach Ihrer Ankunft mit dem erwähnten Serum geimpft wurden,
weil in den vorhergegangenen Jahren immer 10 bis 15 Proz. der
Druse erlagen. Der Erfolg war nun der, daß die Tiere die ersten
5 Wochen nicht erkrankten, dann aber um so heftiger und mit
einem Verlust von 20 Proz. Obwohl manche Fohlen noch 2- bis 4-
mal geimpft wurden, war ein günstiger Einfluß auf den Verlauf
der Seuche durch die Impfung nicht erkennbar. Nur Kreistier¬
arzt Hennig in Templin erzielte bei fehlender Abszedierung
der Drüsen und bei Behinderung des Atmens oft schon durch
eine einmalige Einspritzung Besserung des Zustandes.
Eine eigenartige, erfolgreiche Behandlung nahm Kreistier¬
arzt Träger in Belgard auf den Rat von Oberveteriuär
Kownatzky vor. Er wendete bei 34 Pferden lediglich eine
Einspritzung von verdünntem Wasserstoffsuperoxyd an. Die in
den Apotheken käufliche Lösung wird mit 2 Gewichtsteileu
2 bis 4 Proz. Kochsalzlösung versetzt und von dieser Mischung
werden je nach Größe der Tiere und Schwere der Erkrankung
25 bis 40 ccm, auf ca. 30° erwärmt, in die Jugularis einge¬
spritzt. Zur Zeit der Einspritzung vorhandene Abszesse wurden
chirurgisch behandelt. Das Allgemeinbefinden hob sich innerhalb
559
24 Stunden nach der Einspritzung sichtlich. Der Regel nach
genügte eine Einspritzung, nur bei 3 Pferden waren 2 bis 3
Einspritzungen erforderlich. Eine weitere innere Behandlung
kam dabei nicht zur Anwendung. Es erschien zunächst bedenk¬
lich, größere Mengen der angegebenen Lösung in die Blutbahn
einzuführen, denn es findet eine starke Gasentwickelung in der
Lösung statt, sobald diese mit Blut in Berührung kommt. Es
traten aber bei keinem der so behandelten Pferde üble Zu¬
fälle ein. Rdr.
Zur Bekämpfung der Druse.
Von Hofstabs veterinär Wagenheuser.
(Zeitschrift für Gestütkundo und Pferdezucht, 1908, Heft 2.)
Verfasser legt in kurzer Ausführung seine Erfahrungen mit
dem Druseserum von Jeß-Piorkowski dar. Als Fazit stellt
er folgende Grundsätze auf:
1. Das Bestehen der Druse seitens der Mutter muß nicht
eine Infektion des Fohlens im Mutterleibe herbeiführen.
2. Das Überstellen der Druse des Muttertieres schützt das
geborene Fohlen nicht vor Erkrankung.
3. Trotz der Schutzimpfung — selbst mit doppelter Dosis —
erwerben Mutter und Kind die Druse.
4. Die Druse bricht trotz wiederholter Seruminjektionen ihren
Verlauf nicht ab, derselbe wird jedoch gekürzt und ge¬
mildert.
5. Eine wesentliche Rolle bei der Druseerkrankung spielt
die Körperkonstitution der Patienten.
6. Bei Saugfohlen stellt die Muttermilch ein souveränes
Allheilmittel dar.
Nach Wagenheus er 8 Überzeugung ist die Serumtherapie
bei Druse noch nicht geklärt. Die etwaige Schutzwirkung, die
eventuell der Injektion sich anschließt, dauert nicht über vier
Wochen. Trotz Reduzierung des Preises ist das Serum immer
noch zu teuer, so daß schon hierdurch ein großes Hindernis
für die allgemeine Einführung gebildet wird. J. Schmidt.
Das „Schroten“ der Säue.
Von Tierarzt A. Beck.
(AUatorvodi Lapok 1908, Nr. 9.)
Die Ovariotomie beim Schwein erfordert gewisse Geschick¬
lichkeit, Gewandtheit und wird trotz der nicht geringen Mühe,
mit welcher sie verbunden ist, in den meisten Fällen nicht oder
kaum entsprechend honoriert. Auch deshalb beschäftigen sich
verhältnismäßig wenig Tierärzte mit der Kastration der Säue
und überlassen diese Manipulation Laien, welche aber gar zu
oft während ihrer Wanderschaft, Seuchen von Hof zu Hof
schleppen. Diesen Übelstand abzuschaffen wendet man sich in
Ungarn in neuerer Zeit wieder zu einem älteren Verfahren,
dem sogenannten „Schroten“ der Säue, welches darin besteht,
daß man 3—4 Schrotkörner (aus Blei) in die Gebärmutter der
Schweine hineinführt. Das Verfahren ist ziemlich einfach und
kann gelegentlich der Brunst auch ohne jeden besonderen Apparat
bewerkstelligt werden. Da aber die Brunst in einem größeren
Schweinebestand nicht gleichzeitig an demselben Tag bei jeder
Sau auftritt und daher der Tierarzt gezwungen wäre, öfter das
Schroten vorzunehmen, hat man Apparate konstruiert, mit welchen
man die Schrotkörner auch außerhalb der Brunstzeit in die
Gebärmutter hineinführen kann. Die meisten dieser Apparate
haben den Pistolen ähnliche Federkonstruktion, versagen aber
bald den Dienst. Beck hat jetzt einen einfacheren und leicht
handlichen Apparat zum Schroten der Schweine erfunden. Es
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
560
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
ist ein 35—40 cm langes, am Ende abgerundetes Metallrohr,
in welchem 3—4 Schrotkörner hinlänglich Platz haben; in das
Rohr kann weiter ein Schieber leicht hineingeführt werden.
Der Gebrauch des Apparates ist folgender. Die Sau wird bei
den hinteren Extremitäten hochgehoben und das beölte Rohr
durch die Scheide mit drehenden Bewegungen in den Cervix uteri
hineingeführt bis es in das Cavum uteri hineingelangt; dann zieht
man den Schieber heraus und steckt 3—4 geölte Bleischrot¬
kugeln in das Rohr, welche durch dieses in die Gebärmutter
gelangen, worüber man sich mit dem abermaligen Hineinführen
des Schiebers überzeugen kann. Das Verfahren ist also sehr
einfach und ermöglicht das gleichzeitige Schroten aller Säue
eines Bestandes, was sowohl im Interesse des Mästers als auch
zur Bequemlichkeit desselben und des Tierarztes dient, da man
nicht die Brunst, die spontane Öffnung des Gebärmuttermundes
abwarten muß. Sollten aber einige von den Säuen nicht ge¬
schrotet werden, so beunruhigen sie bei der Brunst die übrigen
und beeinflussen deren Mästung. Dr. Z.
Über Zellgifte und Zellkrankheiteu.
Von Prof. Dr. F. Zschokke, Zürich.
(Österr. Monatsschrift für Tierheilkunde, 1908, S. 1.)
An den einzelligen Wesen prüft heute die Wissenschaft die
elementaren Vorgänge des Lebens. Zschokke verbreitet sich
in seinem in einer Gesellschaft von Tierärzten gehaltenen
Vortrag zunächst über den Kern (Sitz und Ausgangspunkt des
Lebens), das Protoplasma (die Werkstatt des Kerns) und die
Zellmembran, spricht dann über Zell gifte und vor allem über
die Zellveränderungen in Gestalt von Veränderungen von Form,
Struktur und chemischer Reaktion und von veränderter Funktion.
Veränderung des Protoplasmas gibt Zellerkrankung (trübe
Schwellung, hyaline, schleimige, wachsige, wässerige Entartung),
des Kerns Tod (Zerfall, Auflösung). Mittelst Farben und
Reagentien ist es möglich, Zellerkrankungen nachzuweisen.
Praktisch besonders wichtig sind die funktionellen Störungen,
welche die sichersten Beweise für Erkrankung der Zellen
liefern. Diese Funktionsstörungen bestehen in einer Ver¬
minderung (Lähmung) oder Vermehrung (Reizung) oder in
einer qualitativen Veränderung der Zelltätigkeit.
Verminderung der Zellfunktion sieht man z. B. auffällig bei
frisch infizierten, fiebernden Tieren, indem zahlreiche Drüsen
wenig oder gar nicht funktionieren (Milchdrüse versiegt oft voll¬
ständig, das Flotzmaul wird trocken; Leistungsfähigkeit der
Muskeln wird geringer — Herzschwäche, Schildern der Pferde).
Die vermehrte Tätigkeit der Zellen ist teils durch direkte
Beeinflussung des Zellkörpers durch Toxine, teils indirekt durch
nervöse Reize bedingt. Zu erinnern ist an die enorme Sekretion
der Darmdrüsen bei Cholera, an den Nachtschweiß der Tuber¬
kulösen; auffallender ist die gesteigerte Funktion der nervösen
Elemente (Schmerz, Lichtscheu, Juckreiz usw.). Eine recht
bedeutsame Funktionssteigerung ist die Förderung der Assimi¬
lation, des Wachstums und der Vermehrung der Zellen (örtliche
Zellwucherung bei Tuberkulose, Rotz usw. in der Nähe des
Pilzherdes).
Die qualitativ veränderte Zelltätigkeit zeigt sich am be¬
deutendsten in der Bildung von Antikörpern. Diese kurze
Skizze zeigt, daß — wie schon Wich ow lehrte — der Krankheits¬
und Heilprozeß sich letztinstanzlich in den Körperzellen abspielt.
Richter.
Aus der medizinischen Klinik der Tierärztlichen Hochschule in
Stuttgart.
Papilläres Akanthom auf der Innenfläche des
Pferdeohres.
Von Assistent Dr. Pröscholdt-Stettin.
(Archiv für wissenschaftliche und praktische Tierheilkunde, 31. Itl., Heft 2.)
An der konkaven Innenfläche des Ohres mancher Pferde
kann man rundliche, durch ihre Farbe besonders gekennzeichnete
Erhabenheiten bemerken. Die einen sind weiß, pigmentlos, die
anderen dagegen schwarzbraun bis schwarz, pigmenthaltig.
Beide Typen werden gewöhnlich als Warzen bezeichnet.
Pröscholdt hat zwecks genauerer Bestimmung dieser
Protuberanzen eine Reihe von Untersuchungen vorgenommen.
Nach seiner Auffassung ist die Bezeichnung Akanthom für die
erwähnte Neubildung am geeignetsten. Dieser von Au^spitz
und Unna herrührende Ausdruck hat bis jetzt in der Veterinär¬
medizin noch keinen Eingang gefunden. Die Neubildung weist
alle für das Akanthom charakteristischen Momente auf. Sie
stellt eine Wucherung der Stachelschicht vor; letztere wächst
zuerst und nimmt schließlich die Hauptmasse der Neubildung
ein. Infolge des späteren Zutritts von bindegewebigen
Wucherungen, welche sich im mikroskopischen Bilde wie Papillen
repräsentieren (die Cutis der Ohrmuschel besitzt normalerweise
keinen Papillarkörper), erscheint die Benennung als papilläres
Akanthom am zutreffendsten.
Die Pigmentverteilung in der Epidermiswucherung ist sehr
wecliselvoll. Die pigmentlosen Akanthome sind die vor¬
herrschenden Übergänge zwischen beiden Typen können Vor¬
kommen.
Die Versuche, die Ätiologie aufznklären, ergaben kein
positives Resultat. Die Übertragung der Neubildung auf das
Ohi* von Hund, Katze und Kaninchen gelang nicht. Die Ent¬
wicklung der Akanthome geht sehr langsam von statten. Erst
nach Monaten ist es möglich, Veränderungen der Herde oder
neue Erhabenheiten zu konstatieren. J. Schmidt.
Tagesgeschichte.
t
Am Freitag, den 31. Juli 1908 verschied plötzlich im besten
Mannesalter nach kurzem Leiden der Tierarzt Dr. Dittmer
aus Ladenthin. Dr. Dittmer hat während seiner zweijährigen
Tätigkeit als Beamter der Landwirtschaftskammer die Tuber¬
kulosebekämpfung in den den Herdbüchern angeschlossenen
Herden der Provinz Posen ausgeführt und außerdem, so weit es
seine Zeit erlaubte, in der Tierhygienischen Abteilung gearbeitet.
Er hat es verstanden, durch Fleiß, Umsicht und Gewissen¬
haftigkeit das Vertrauen und die Zuneigung seiner Kollegen und
der Landwirte sowie der Landwirtschaftskammer im hohen
Grade zu gewinnen.
Wir betrauern in dem so früh auf der Höhe seiner Schaffens¬
kraft im 29. Lebensjahre Dahingeschiedenen nicht nur einen
tüchtigen und verehrten Kollegen, sondern auch einen lieb¬
gewordenen Freund. Wir werden ihm ein dauerndes und
ehrendes Andenken bewahren.
Im Namen der Mitglieder der Abteilung für Tierl^giene
des Kaiser Wilhelms-Instituts für Landwirtschaft
der Vorsteher: Dr. Mießner.
Bromberg, den 1. August 1908.
6. August 1908.
Tierärztlicher Optimismus.
Von Haupt-Gelsenkirchen.
„Welcher Kollege leiht jüngerem 1500 M. zur Erwerbung
des Doktorgrades? Ratenweise Rückzahlung nach Jahresfrist.“
So lautet ein Inserat in Nr. 28 der B. T. W. — Ob sich der
Herr Kollege, der „ratenweise Rückzahlung nach Jahresfrist“
garantiert, der schwierigen Verhältnisse bewußt ist, die ihn im
Leben erwarten?
Wer, wie Verfasser, in der Zeit von 1906 an seine Studien¬
zeit abgeschlossen hat und ins Leben hinausgetreten ist, ganz
auf sich selbst angewiesen, wird jedem Kollegen bezeugen müssen,
wie schwer es ist, als Tierarzt in eine Stelle zu kommen, die
ihn vorläufig gerade ernährt, jedoch zur Tilgung höherer
Geldverpflichtungen kaum Gelegenheit gibt. Im Durchschnitt
werden die Kollegen, die keine Verbindungen haben, Ver¬
tretungen in der Praxis oder Assistenzen bei Kreistierärzten usw.
annehmen. Und hier schon hört man vielfach den Wunsch,
„ja keine Herren zu bekommen, die noch keine Vertretung
hatten“. Nun, im Sommer ist ja, wie auch aus den Inseraten
der Fachzeitschriften zu ersehen ist, die Nachfrage nach Tier¬
ärzten scheinbar größer, als das Angebot; jedoch merkt man
deutlich ein Abflauen der angebotenen Vertretungen gegen den
Herbst hin. Dann beginnen die Bewerbungen um ausgeschriebene
Schlachthoftierärzte-Stellen. Von anderer Seite ist schon ge¬
nügend betont, daß Bewerber, die keine Schlachthoferfahrungen
aufweisen, überhaupt keine Aussicht auf ein Ankommen in
Sclilachthofdiensten haben; es sei denn, daß sie einen „Vetter“
in der städtischen Verwaltung oder sonstige Fürsprache haben.
Es kann einem Jeden so gehen wie Verfasser, daß in der
nächsten Nähe seiner Heimat ein anderer Bewerber, der
absolut keine Schlachthof- und Fleischbeschau-Technik hatte,
einem selbst vorgezogen wird, weil dieser an einem Hochschul¬
institute (sagen wir z. B. für Tierzucht!) tätig gewesen war!
Und ist es nicht ein deutliches Zeichen der Überfüllung,
wenn sich um letzte Assistenztierarztstellen größerer Schlacht¬
höfe verschiedene Kollegen mit der Qualifikation zum beamteten
Tierarzt melden? Wenn im Durchschnitt um jede ausgeschriebene
2400 M.-Stelle 25—30 Bewerber da sind? — Man sehe sich
ferner die Zahl der Doktoranden und „Volontärassistenten“ an
unseren Hochschulinstituten an, die sich in bedrohlicher Weise
vermehrt; nicht alle sitzen dort, um aus dem Born der Weis¬
heit zu schöpfen, sondern um abzuwarten, bis sich ihnen ein
Unterkommen bietet!
Sollte jetzt nicht die rechte Zeit sein, ein Wort der
Warnung zu sprechen vor etwaigem Optimismus der angehenden
Kollegen, denen vielleicht noch der Himmel voller Geigen hängt,
was die Hoffnung auf das spätere Geldverdienen anbelangt?
Die fortwährenden Klagen über die schlechten Gehalts¬
verhältnisse der Schlachthoftierärzte ziehen sich wie ein ganzer
Konglomerat roter Fäden durch die Geschichte der letzten Jahre,
und von der Privatpraxis hat einmal jemand im Scherze das Wort
von dem tierärztlichen Taler geprägt, der „nur 75 Pfennige
wert sei“! Und mancher Praktiker, dem einst seine pekuniäre
Zukunft golden erschien, wird sich in dem harten Kampfe ums
Dasein, in Konkurrenz mit Pfuschern usw. von der bitteren
Wahrheit dieses Scherzwortes überzeugt haben!
Die Zeiten sind ernst für uns geworden; die Folgen
der Überproduktion an Tierärzten machen sich
in schwerer Weise bemerkbar. Infolgedessen haben,
561
wie ich in einer Leipziger Zeitung mit Befriedigung
gelesen habe, die sächsischen Tierärzte an alle höheren
Schulen Sachsens einen Warnruf vor dem tierärztlichen
Studium ergehen lassen, ein Vorgehen das man für alle
andern Bundesstaaten als nur nachahmenswert bezeichnen
kann. Gott sei Dank ist in letzter Zeit nicht mehr für den
tierärztlichen Beruf Propaganda gemacht worden, wie es vor
ungefähr 6 Jahren noch, wenn ich nicht irre, im „Berliner
Tageblatt“ geschah, wo man lesen konnte, daß z. B. in Ost¬
preußen den Tierärzten goldene Quellen zur Verfügung ständen,
aus denen sie nur zu schöpfen brauchten! Ein jeder aber, der
die dortigen Verhältnisse kennt, weiß genau, daß zwar der
Kreistierarzt alles, der Privattierarzt dagegen nichts ist.
Mögen nun diese Zeilen dazu dienen, die jüngeren Kollegen
und die, die im und vor dem Studium stehen, vor einem falschen
Optimismus zu bewahren, sie zu warnen vor einem Eingehen
von Verpflichtungen, die später nicht nur für sie selbst, sondern
auch für die gutmütigen Kollegen, die ihnen halfen, recht drückend
werden könnten!
Zur Geschichte des Yeterinärinstitutes zu Gießen.
Die Gegenwart hat mit Freuden ein ungeahntes Aufblühen
des ehemals so einfachen und von den Studenten fast ver¬
gessenen Veterinärinstitutes zu Gießen und seine Entwicklung
zu einem vollberechtigten und wichtigen Teil der hessischen
Landesuniversität erlebt.
Da bietet es vielleicht ein besonderes Interesse, etwas von
den Anfängen dieser Anstalt zu vernehmen, und zwar aus die
Feder desjenigen Mannes, der Augenzeuge und Träger jener
bescheidenen Anfänge war.* Dr. med. Carl Wilhelm Vix, der
erste Lehrer der Veterinärwissenschaft zu Gießen, hat uns eine
kurze Autobiographie hinterlassen, die von Herrn Obermedizinal¬
rat Dr. Lorenz in Darmstadt aufgefunden worden ist und
folgendermaßen lautet:
„Geboren bin ich zu Gießen am 27. März 1802 und habe
daselbst bis zu meiner Konfirmation die Schulen besucht, wo ich
mir, außer der gewöhnlichen Schulbildung, auch einige Kennt¬
nisse der älteren Sprachen zu eigen machte. Im Jahre 1816
zog meine Mutter, mein Vater war schon seit 1807 gestorben,
nach Darmstadt, wo mein Taufpathe, der würdige großherzogl.
hessische Stallmeister Gebhardt, sich meiner annahm und dem
1830 verstorbenen Herrn Landgrafen Christian empfahl, der
mich zuerst in den höheren Schulfächern weiter unterrichten
ließ, mich überhaupt bei meinem Studium unterstützte und in
seine Dienste nahm. Die Jahre 1816, 1817 und 1818 erlebte
ich, auf mein späteres Studium mich vorbereitend, in Darmstadt,
übte mich auf großherzoglicher Manege im Reiten, sowie ich
auch bei dem Marstalls-Tierarzte Herrn Britsch Unterricht in
der Zootoraie und dem Exterieur der Pferde genoß. In den
Jahren 1819 und 1820 besuchte ich die Tierarzneischule zu
Hannover, wo Hausmann und Günther meine Lehrer waren, und
die Jahre 1821 und 1822 verbrachte ich an der Universität und
dem Tierarznei-Institute zu Wien und besuchte einige Gestüte.
Im Herbst 1822 bestand ich mein tierärztliches Examen im
Vaterlande, wurde jetzt Tierarzt an dem Marstalle meines hohen
Protektors und praktizierte in meinem Fache zu Darmstadt und
dessen Umgegend. Das Jahr 1823 verwendete ich zur Er¬
lernung der französischen und englischen Sprache und übte
ferner noch die Reitkunst. Es wurde mir jetzt die Aussicht
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
***
562
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
eröffnet, an der neu organisierten Tierarzneischule zu Utrecht
in Holland ein Lehramt zu bekommen, ich zog es vor, im Vater¬
lande zu bleiben. Im Frühjahr 1824 wurde ich zum Assessor
cum voto beim großherzogl. Medieinal-Collegio zu Darmstadt
ernannt; nahm mir jedoch sogleich Urlaub, um in Göttingen
Medizin zu studieren. Im Herbst 1820 bestand ich das
medizinische Examen und erwarb mir dadurch die Doktorwürde
in der Medizin, Chirurgie uud Geburtshilfe des Menschen. Den
Winter 1820/27 verlebte ich in Paris und benutzte daselbst alle
Institute, welche mir von Interesse waren. Im Frühjahr 1827
bereiste ich. Frankreich, überstieg die Pyrenäen und besuchte
einen Teil der Halbinsel; im Sommer kehrte ich durch das süd¬
liche Frankreich nach Straßburg zurück, durchreiste von da die
Niederlande und begab mich nach England. Im Spätherbst
desselben Jahres, nachdem ich noch einen großen Teil Nord¬
deutschlands, namentlich Mecklenburg, bereist und Berlin besucht
hatte, kehrte ich nach Darmstadt zurück und trat daselbst in
meine älteren Dienstverhältnisse und in meiner neuen Stellung
bei dem Medieinal-Collegio ein. Im Jahre 1828 wurde mir die
Kreistierarztstelle dahier zu Gießen übertragen und mir die
Stelle eines Privatdozenten an der Landesuniversität eröffnet.“
Mit dieser Anstellung war auch die Verpflichtung verknüpft,
jährlich encyclopädisch-tierheilkundige Vorlesungen für Juristen,
Mediziner, Camaralisten und Öconomen zu halten. Vix kündigte
diese Vorlesungen zwar jedes Semester an, aber in der Zeit
von 8—10 Jahren wurden sie nur von zwei Medizinern benutzt.
Damit also seine Stellung an der Universität nicht eine ganz
passive bliebe, eröffnete er 1828 einen Kursus für das Studium
der gesamten Tierarzneiwissenschaft und 1820 ein Tierspital.
Als für dieses Tierarznei-Institut auf dem Landtage von 1835/30
die Bewilligung einer jährlichen Unterstützung verlangt wurde,
erhob sich dagegen eine starke Opposition und der Antrag
wurde verworfen. 1835 wurde Vix zum außerordentlichen
Professor der Tierarzneiwissenschaft ernannt. 1834 setzte er
im Verein mit Prof. Nebel, wozu späterhin noch Dietrichs
in Berlin trat, die durch den Tod des Prof. Busch in Marburg
eingegangene Zeitschrift fort. Als Kreistierarzt hatte Vix
früher auch zootomische Vorträge für jüdische Theologen gehalten.
Seine Zeitschrift hörte 1851 mit dem 17. Jahrgang auf.
Die Emanzipation der Tierärzte Hessens wurde durch die
Verordnung vom 30. Mai 1830 bewirkt, welche für das Studium
der Tierheilkunde dieselbe Maturitätsreife und eben solche
Fakultätsprüfungen forderte, wie für die Mediziner; hierdurch
soll sich die Universität bewogen gefunden haben, den Tierärzten
die Doctorwürde zu verleihen.*) 1847 wurde Vix zum ordent¬
lichen Honorar-Professor ernannt und 1849 sein Institut vom
Staate durch einen Betrag eigentlich erst anerkannt. Außer
vielen Abhandlungen in der genannten Zeitschrift gab Vix
heraus: eine Beschlaglehre (1834), eine allg. Pathologie (1840)
und eine Zoo-Symptomatologie (1846).
Aus den Akten der Landes-Universität geht ferner hervor,
daß Vix im Jahre 1829 mit einem Jahresgehalt von 300 Gulden
und Vergütung der Pferdefourage mit jährlich 130 Gulden zum
*) Diese wichtige Einrichtung, durch welche Hessen als erstes
Land der ganzen Welt die Universitiitsreife für seine Tierärzte ein¬
führte, wurde faktisch bald wieder zunichte gemacht, indem im
Jahre 1842 die Ausbildung von Tierärzten II. Klasse eingeführt
wurde, deren Zahl nach Eichbaum, Geschichte der Tierheilkunde
Seite 137, allerdings gering geblieben sein soll.
Tierarzt des Bezirks Gießen ernannt wurde. 1835 wurde das
Gehalt von 300 Gulden auf jährlich 500 Gulden und im
Jahre 1847 auf 600 Gulden erhöht. Am 10. Februar 1835
wurde Vix, wie bereits erwähnt, zum außerordentlichen Professor
erwählt und am 4. Mai 1847 wurde ihm der Charakter als
Prof. Ordinarius honorarius verliehen.
Gebühren für Behandlung der Gestütpferde.
In betreff der Vergütung der tierärztlichen Behandlung von
Gestütspferden hat der Herr Minister für Landwirtschaft usw.
den Gestütsdirigenten eine Zusammenstellung der für die Ver¬
gütung der tierärztlichen Behandlung erkrankter Pferde der
Staatsgestüte geltenden Bestimmungen zugehen lassen. Da
diese Bestimmungen ein allgemeines Interesse haben, so werden
sie hier wiedergegeben:
A. Behandlung durch beamtete Tierärzte.
1. Für die Behandlung erhalten Kreistierärzte, die ver¬
pflichtet sind, den entsprechenden Ersuchen Folge zu leisten,
wenn die Behandlung außerhalb ihres Wohnortes stattfindet,
Tagegelder und Reisekosten nach den Vorschriften des Gesetzes
vom 24. März 1873 (Gesetzsammlung S. 122).
2. Hat die Behandlung am Wohnorte des Kreistierarztes
stattgefunden, so sind die Gebühren nach den Sätzen der in den
betreffenden Landesteilen geltenden Taxen zu liquidieren. Für
die alten Provinzen Preußens ist dies die auch in dem Gebiete
des ehemaligen Herzogtums Nassau eingeführte Medizinaltaxe
vom 21. Juni 1815, vgl. Erlasse vom 27. Februar 1892 und
29. Januar 1893 (Minist.-Blati 1893, S. 31).
3. Zu der Behandlung, so weit sie nicht durch Gestüt¬
roßärzte wahrgenommen werden kann, ist in der Regel der
Kreistierarzt desjenigen Kreises heranzuziehen, in dem die zu
behandelnden Pferde aufgestellt sind. Nur in besonders wichtigen
Fällen, z. B. wenn ein Obergutachten erforderlich erscheint,
darf der Gestütdirigent den Departementstierarzt zuziehen. Für
die tierärztliche Untersuchung außerhalb seines Wohnortes
erhält der Departementstierarzt alsdann Tagegelder und Reise¬
kosten nach den Vorschriften des Gesetzes vom 24. März 1873
(Gesetz-Sammlung S. 122) Erlaß vom 21. November 1892
(Minist.-Blatt S. 364).
Zu A. wird noch bemerkt, daß die Bestimmungen des
Gesetzes, betreffend die Dienstbezüge der Kreistierärzte vom
24. Juli 1904 (Gesetz-Sammlung S. 169) nicht in Frage kommen.
Nach der Begründung des Gesetzes zum § 1 (siehe Druck¬
sachen A.-H. Se8S. 1904/05, Nr. 91, S. 14) sind als amtliche
Verrichtungen im Sinne dieses Paragraphen nur solche an¬
zusehen, die dem Kreistierarzte, als dem staatlichen Veterinär¬
beamten des Kreises obliegen. Darunter fallen, wie ausdrücklich
hervorgehoben ist, nicht die ihm nebenamtlich, oder in einzelnen
Fällen übertragene Behandlung von Pferden der Staatsgestüte.
* B. Behandlung durch Privattierärzte.
Für die Behandlung erhalten Privattierärzte in Ermangelung
angängiger anderweitiger Vereinbarung Vergütungen nach den
Sätzen der in den betreffenden Landesteilen geltenden Taxen.
Für das Gebiet, in dem die Medizinaltaxe vom 21. Juni 1815
Geltung hat, erhalten sie bei Behandlungen außerhalb ihres
Wohnortes mangels einer anderweitigen Vereinbarung an Tage¬
geldern 6 M. für den Tag und an Reisekosten 30 Pf. für den
Kilometer Landweg, 67a Pf für den Kilometer Eisenbahn oder
6. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
563
Dampfschiff und 1,50 M. für jeden Zu- und Abgang. Erlasse
vom 9. Juli und 8. September 1881 (Minist.-Blatt S. 204).
Die Gestütsdirigenten sind ersucht worden, in jedem Falle
der Behandlung von Gestütspferden durch Privattierärzte
eine Honorarvereinbarung in der Weise zu treffen, daß ihnen
vor Beginn der Behandlung, eventuell durch die Stationshalter,
die Gewährung der ortsüblichen Behandlungssätze zuge¬
sichert wird.
In betreff der Behandlung von Gestütspferden am Sitze des
Gestüts durch den daselbst wohnenden Kreistierarzt wird auch
künftig die Vereinbarung von Pauschalsummen, wo irgend
angängig, anzustreben sein.
Von den Instituten der Landwirtsohaftskammern.
(Nach den Berichten für 19C6/07.)
Am bakteriologischen Institut zu Halle sind außer dem
InstitutleiterDr. Räbiger dreiAssistenztierärzte,Dr. Rautmann,
Dr. Grosso und Holth angestellt; dazu kommen fünf Bureau¬
beamte und sechs Arbeiter. Das Institut der Schleswig-hol¬
steinischen Landwirtschaftskammer zu Kiel beschäftigt neben dem
Vorsteher Tierarzt Dr. Bugge fünf Tierärzte, zwei Bureau¬
beamte und vier Arbeiter; im Jahre 1906 wurde ein Neubau
bezogen. Auch das bakteriologische Institut der Landwirtschafts¬
kammer von Pommern wird im Sommer 1908 einen Neubau be¬
ziehen, der einen Kostenaufwand von 175 000 M. erfordert und
sich an der Stadtgrenze Stettins in Ziillchow auf einem 7 Morgen
großen Gelände erhebt. Die Landwirtschaftskammer für Ost¬
preußen hat im Oktober 1906 das Laboratorium der ostpreußischen
Holländer Herdbuchgesellschaft übernommen, das seit dem Jahre
1900 bahnbrechend und mit entschiedenem Erfolge an der Be¬
kämpfung der Rindertubekulose gearbeitet hatte. Das Personal
besteht aus dem Leiter, Tierarzt Dr. Müller nebst zwei Assi¬
stenten und vier Beamten.
Ein unleserliches Rezept und seine rechtlichen Folgen.
(Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle.)
Ein Tierarzt hatte einem Hofbesitzer ein Rezept für seinedrei an
Bandwurm leidenden Hunde verschrieben und dieses selbst aus der
Apotheke geholt. Eine Stunde, nachdem die Hunde dieses Mittel
eingenommen, krepierten sie und es stellte sich heraus, daß das
Rezept stark strichninhaltig war. Der Hofbesitzer verklagte darauf
den Apotheker, ihm den Wert der Hunde mit 500 M. zu ersetzen,
weil sein Gehilfe durch ein falsch bereitetes Rezept ihren Tod ver¬
schuldet habe. Der Gehilfe behauptete, daß diese falsche Bereitung
durch ein unverständliches Wort des Rezeptes „arec“ veranlaßt sei,
dafür treffe aber den Tierarzt die Schuld. — Das Landgericht Stade
wies die Klage ab, weil zwischen den Parteien, also zwischen dem
Hotbesitzer und dem Apotheker, gar kein Vertragsverhältnis zu¬
stande gekommen sei; denn auf dem Rezepte habe der vom Tier¬
arzt geschriebene Vermerk: ,.pro me“ (tiir mich) gestanden. Ein An¬
spruch wegen Verletzung eines Vertragsveihältnisses könne demnach
nicht geltend gemacht werden. Es käme aber auch kein Verschulden
des Beklagten wegen Vernachlässigung der im Verkehre erforder¬
lichen Sorgfalt bei der Auswahl seines Gehilfen in Betracht, denn
dieser habe eine langjährige, von keiner Revision beanstandete
Tätigkeit in verschiedenen Apotheken hinter sich. Für das Ver¬
schulden, was den Gehilfen dadurch treffe, daß er den Tierarzt
nicht nach der Bedeutung des Wortes „arec“ gefragt, könne daher
der Apotheker nicht haftbar gemacht werden. — Diesem Urteil trat
das Oberlandesgericht Celle nur zum Teile bei, indem es den An¬
spruch des Klägers zu x j K für gerechtfertigt erklärte. Den Abschluß
eines Vertrages zwischen den Parteien verneinte es ebenfalls, da¬
gegen v/ar es der Ansicht, daß der beklagte Apotheker bei der An¬
stellung des Gehilfen nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt an¬
gewendet. Der Gehilfe habe nur die österreichische Approbation
als Apotheker und habe in Deutschland keine Prüfung abgelegt.
Nach Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 13. Januar 1883
dürfe aber als Apothekergehilfe nur tätig sein, wer den maßgeben¬
den Vorschriften über die Prüfung der Apothekergehilfen durchweg
genügt habe. In Ausnahmcfällen könne allerdings der Reichs¬
kanzler in Übereinstimmung mit der zuständigen Zentralbehörde
eine Ausnahme eintrelen lassen und Personen, die die Gehilfen¬
prüfung im Inlande nicht abgelegt, mit Rücksicht auf eine im Aus¬
lande abgelegte Prüfung in einer deutschen Apotheke als Gehilfe
zulaBsen. Eine solche Ermächtigung besitze aber der in Frage
kommende Gehilfe nicht, er habe deshalb wegen dieser Be¬
stimmungen i. J. 1891 seine bis dahin 25 Jahre ausgeübte Gehilfen¬
tätigkeit aufgeben müssen. Von diesen Bestimmungen hätte der
Beklagte Kenntnis haben müssen und deshalb den Gehilfen nicht
anstellen dürfen. Daß der zuständige Kreisarzt die ihm gemeldete
Anstellung des Gehilfen nicht beanstandet, tue nichts zur Sache.
Allerdings sei das Verschulden des Tierarztes größer, daher sei
dieser zu 3 f i nnd der Gehilfe zu ’/i zu verurteilen.
(Nachdruck verboten) E. Voigt, Celle, Kanonenstraße 2.
Deutscher Richterbund.
Nach der Nationalzeitung soll die Gründung eines „Deutschen
Richterbundes“ endgültig gesichert sein. Die Bewegung ging vom
Süden Deutschlands, von Augsburg aus, wo zunächst ein bayerischer
Richterverein gegründet wurde. Obwohl manche Kreise, besonders
des Nordens, einstweilen der Sache noch nicht gewonnen sind,
soll am 1. Januar 1909 der Richterbund ins Leben treten. Man
will ein eigenes Organ gründen und einen besonderen Sekretär an¬
stellen. Jedenfalls dürften wirtschaftliche Gründe auch bei der
Gründung nicht ausgeschlossen gewesen sein, zumal die Oberlehrer
die finanzielle Gleichstellung mit den Richtern glücklich durcli-
gesetzt haben. Dr. G.
Kolonial-ln8titut in Hamburg.
Das Reichskolonialamt und der Hamburgische Senat haben
seit längerer Zeit Verhandlungen über die Errichtung eines
Kolonialinstituts in Hamburg geführt, das sich andieHamburgischen
wissenschaftlichen Anstalten und das Vorlesungswesen anschließen
soll. Der Senat hat nun seine Anträge der Bürgerschaft zur
Genehmigung unterbreitet. Die Errichtung des Instituts ist
hiernach auf den 1. Oktober d. J. geplant. Um dem Institut
die wünschenswerte ständige Fühlung mit der Kaufmannschaft
zu sichern, soll ein aus drei von der Handelskammer zu
delegierenden Mitgliedern bestehender kaufmännischer Beirat
gebildet werden, dem Gelegenheit gegeben wird, sich über alle
wesentlichen, das Kolonialinstitut betreffenden Fragen zu äußern,
und der seinerseits das Kolonialinstitut betreffende Anträge und
Wünsche an den Senat richten kann. Dazu soll zum 1. Oktober
das Vorlesungswesen der Oberschulbehörde durch eine ständige
Professur für Geographie und eine ständige Professur für öffent¬
liches Recht ergänzt werden.
Bericht über die 34. ordentliche Generalversammlung
des tierärztlichen Vereins im Herzogtum Braunschweig
am 21. Juni 1908 in Daums Hotel zu Braunschweig.
Tagesordnung: 1. Jahresbericht. 2. Kassenabrechnung. 3. Be¬
richt über den Kongreß für Hygiene und Demographie. 4. Vortrag
über „Milzbrand bei Schweinen“. 5. Mitteilungen aus der Praxis.
Der Vorsitzende, Herr Medizinal-Assessor Schräder, eröffnetc
um ll*/ 4 Uhr die Versammlung und gab seiner Freude Ausdruck
über die zahlreiche Beteiligung.
In seinem Rückblick auf das verflossene Vereinsjahr gedachte
er mit Worten der Anerkennung des so früh verstorbenen Kollegen
Nabel-Schöningen, zu dessen Ehren sich die Anwesenden von
ihren Sitzen erhoben.
Unsere Eingabe an das Medizinal-Kollegium betreffend Er¬
richtung einer Tierärztekammer habe ihren Weg bereits ins
564
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
Ministerium genommen und da könnten wir getrost das Weitere
abwarten.
Es wurde sodann ein Schreiben des Tierärztlichen Vereins fttr
Schleswig-Holstein, betreffend den Verkehr mit Milch und die Über¬
wachung dieses durch die Tierärzte, zur Kenntnis der Versammlung
gebracht, sowie ein ähnliches Schreiben der Tierärztlichen Gesell¬
schaft zu Berlin, betreffend Überwachung dos Verkehrs mit
animalischen Nahrungsmitteln durch die Tierärzte.
Von jüngeren Kollegen waren unserer Einladung gefolgt die
Herren Fehse-Calvörde, Fischer-Schöningcn, Gilbert-Vechelde,
welche ihrem Anträge gemäß zugleich mit Herrn Dr. Sonnenbrodt-
Harzburg als Mitglieder aufgenommen wurden.
2. Der vom Kassierer erstattete Kassenbericht weist eine Ein¬
nahme auf von 123,45 M., welcher eine Ausgabe von 124,58 M.
gegen überstellt, so daß mit dem Bestände aus dem Vorjahre von
155,57 M. ein Kassenbestand verbleibt von 154,44 M.
Nachdem die Rechnung von den Kollegen 0. und R. Schräder
geprüft und für richtig befunden, wird dem Kassierer Decharge erteilt.
3. Im Anschluß an die Verlesung der Protokolle über die beiden
Versammlungen aus dem Vorjahre, gegen welche Einwendungen
nicht erhoben werden, berichtet Kollego Poetting über den Ver¬
lauf des Kongresses für Hygiene und Demographie zu Berlin.
Herr Poetting hatte es übernommen, auf eigene Rechnung an
diesem Kongresse als Vertreter unseres Vereins teilzunehmen und
ist deshalb sein Bericht mit um so größerem Dank anzuerkennen.
Der Kongreß sei berufen und geleitet von hohen und höchsten
Herrschaften der Reichshauptstadt, besucht von Tausenden der
gelehrtesten Häupter aller Nationen, und der gebotenen Vorträge
seien so mannigfaltige und zahlreiche gewesen, daß es einem
einzelnen längst nicht möglich gewesen, sie alle zu besuchen und
anzuhören. Von tierärztlichen Vertretern seien ca. 100 anwesend
gewesen, doch sei leider wenig für deren Zusammenhalt und
Geselligkeit gesorgt.
Der Berichterstatter geht dann in genauer Schilderung auf alle,
besonders den Tierarzt interessierenden Einzelheiten ein und erntet
dafür reichen Beifall.
4. Gleich interessant und zugleich belehrend, indem er mancherlei
Neues brachte, war der nächste und von Herrn Fr. Römer gehaltene
Vortrag über „Milzbrand bei Schweinen“, welcher als eigener Bericht
erscheinen wird. Für den sehr ausführlichen Vortrag wird ihm vom
Vorsitzenden der Dank der Versammlung dargebracht
Nach Eröffnung der Diskussion meint der Vorsitzende, er habe
in seiner langjährigen Praxis noch keinen Milzbrand bei Schweinen
feststellen können. Nach den Ausführungen des Vortragenden sei
zwar an dem Vorkommen nicht mehr zu zweifeln, doch bliebe er
immerhin eine Seltenheit Durch die Fleischbeschau würden jeden¬
falls, besonders wenn von den Kollegen erst mehr Aufmerksamkeit
den erörterten Veränderungen in der Milz zugowandt würde, noch
öfter solche Fälle aufgedeckt.
Der Vortrag von Herrn Krüger, der nicht hatte erscheinen
können, wird auf die Herbstversammlung verlegt
5. Herr Dr. Oehmke spricht über einige Fälle aus seiner Praxis:
einen eigenartigen Befund von Melano-Sarcom bei der Sektion eines
Pferdes, Durchschneidung des Zehenstreckers bei einem Pferde ohne
Lahmheit, zweckmäßige Uterus-Irrigationen und Behandlung des
Paneritiums mittelst eines eigens dazu konstruierten Lederriemen-
Verbandes. Herr Poetting erzielte günstige Erfolge bei der
Behandlung dieses Leidens mit Verbänden, welche feucht erhalten
werden von einer Flüssigkeit, bestehend aus einem halben Eimer
Wasser, worin ein Pfund Sap. virid gelöst ist
Nachdem nunmehr die Besprechungen ihr Ende erreicht, wird
um 2 Uhr die Versammlung geschlossen und zur Tafel geschritten,
wozu sich eine größere Anzahl unserer Damen eingefunden hatte.
Schräder - Helmstedt. L Ö li r - Königslutter.
Vorsitzender. Schriftführer.
Staatsveterinärwesen.
Redigiert von Voterinärrat Preuße.
Bekanntmachung,
betreffend die Anzeigepflicht für die als Influenza der Pferde bezeichneten
Krankheiten.
Vom 29. Juli 1908.
Auf Grund des § 10 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die
Abwehr und Unterdrückung der Viehseuchen, vom 23. Juni 1880/
1. Mai 1894 (Reichsgesetzbl. 1894 S. 409) bestimme ich:
Für den ganzen Umfang des Reichs wird vom 1. Oktober d. J.
ab bis auf weiteres für die als Influenza der Pferde bezeichneten
Krankheiten (Brustseuche und Rotlaufseuche oder Pferdestaupe)
die Anzeigepflicht im Sinne des § 9 des erwähnten Gesetzes
eingeführt.
Berlin, den 29. Juli 1908.
Der Reichskanzler.
Im Aufträge: Wermuth.
Verhandlungen im Landes-Ökonomie-Kollegium.
Über die im Februar 1908 stattgehabte Sitzung des preußischen
Landes-Ökonomie-Kollegiums ist bereits in Nr. 10 der B.T. W. kurz
referiert worden. Nunmehr ist im 37. Band Ergänzungsband II
der landwirtschaftlichen Jahrbücher der amtliche Bericht über
diese Tagung erschienen. Aus diesem erfahren wir nun u. a.
auch das Schicksal der im vorigen Jahr gefaßten Beschlüsse.
Hier interessiert zunächst der Beschluß zu dem Referat über
die Wirkungen des Fleischbeschaugesetzes. Dieses ist auf
S. 246 der B. T. W. 1907 wiedergegeben. Um es kurz zu
wiederholen, handelt es sich hier 1. um die Übernahme der
Kosten der Fleischbeschau auf den Staat, 2. um Einführung
einer obligatorischen Schlachtviehversicherung und 3. um all¬
gemeine Regelung der Freibankfrage. Auf die diesbezügliche
Eingabe hat der Herr Minister erklärt, daß eine Verfolgung
der Beschlüsse zu 1 und 2 nach den bisher in dieser Richtung
gepflogenen Verhandlungen aussichtslos erscheint. Im Sinne
des Beschlusses zu 3 sind entsprechende Änderungen durch
den Ministerialerlaß vom 17. August v. J. getroffen worden
(B. T. W. 1907, S. 817).
In betreff der Eingabe über die gesetzliche Regelung des
Notierungswesens an den Schlachtviehmärkten ist die Antwort
zuteil geworden, daß zwischen den beteiligten Ministerien Ver¬
handlungen im Gange sind über die Art und Weise, auf welche
die in dem Beschluß des Landes-Ökonomie-Kollegiums aus¬
gesprochenen Wünsche zur Durchführung gelangen können.
Eine nochmalige Wiederholung der Beschlüsse und Ver¬
handlungen über „Statistik der Fleischpreise“ und „Die Kosten
der Fleischbeschau“ erübrigt sich wohl. Es kann hier nur
auf die frühere Veröffentlichung auf S. 187 der B. T. W. hin-
gewiesen werden. Es dürfte jedoch interessieren, noch etwas
genauer auf das Thema „Die Bekämpfung der Druse“ einzu¬
gehen. Der Referent, Rittergutsbesitzer von Zitzewit^-
Weedern, sprach zunächst sein Verwundern darüber aus, daß
bisher der Druse, einer Seuche, deren Verheerungen im Osten
fast noch bedeutender wie die der übrigen Tierseuchen sind,
so wenig Interesse entgegengebracht und so wenig für sie getan
worden ist. Referent erklärt sich dies daher, daß die Druse
im Westen verhältnismäßig selten auftrete und meist auch
einen milden Verlauf zeige. Die Verluste, die Ostpreußen durch
die Druse erleide, seien geradezu erschreckend. Von 30000 Fohlen
gehen etwa 15 Proz. an Druse im 1. Lebensjahre ein. Bei einem
Durchschnittspreis des Füllens von 250 M, berechne sich de?
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
6. August 1008.
Verlust auf 1125 000 M. Die Druse sei eine Jugendkrankheit
der Pferde, doch seien auch ältere Pferde vor ihr nicht sicher.
Das einmalige Überstehen der Krankheit gebe Seuchenfestigkeit
für das ganze Leben. Für Absatzfüllen sei die Druse am ge¬
fährlichsten, im späteren Alter nehme die Widerstandsfähigkeit
anscheinend zu. Der Infektionserreger sei als ein ketten¬
bildender Mikrococcus bekannt. Verfasser geht nun des Nähern
auf die Krankheitserscheinungen und den Krankheitsverlauf ein,
ferner auf die Behandlung und die Prophylaxe. Er kenne kein
wirklich nützliches Mittel gegen die Druse. Er glaube, daß
ein wirklich sicheres Heil- und Vorbeuguugsmittel nur in einem
Impfstoff zu erwarten sei. Das bisher gegen Druse angewandte
Heilserum habe sich bei schweren Fällen als erfolglos erwiesen.
Für -die Provinz Ostpreußen sei die Anzeigepflicht für die
Druse der Pferde eingeführt worden, und können demgemäß
auch Sperr- und Schutzmaßregeln Anwendung finden. Diese
Maßregeln werden nach Ansicht des Referenten entschieden
günstig wirken.
Er habe nun den Herrn Minister um Ausschreibung eines
hohen Preises für den Entdecker eines wirksamen Druseserums
gebeten, der Herr Minister habe dies jedoch abgelehnt. Er
gebe ja zu, daß die Ausschreibung eines Drusepreises auch seine
Bedenken habe, denn es würden sich sehr viele um diesen Preis
bewerben und die Tierärztliche Hochschule wäre nicht in der
Lage, alle die empfohlenen Mittel zu prüfen. Er bitte daher
deu Herrn Minister, einen maßgebenden Bakteriologen mit der
Erforschung der Druse zu beauftragen und die hierzu nötigen
Mittel zur Verfügung zu stellen. Der Staat müsse die Er¬
forschung in die Hand nehmen. Ohne die erfolgreiche Be¬
kämpfung der Druse sei die-gesamte Edelzucht des Ostens in
Frage gestellt. Diese Zucht würde sich auch selbst bei er¬
heblicher Steigerung der Remontepreise nicht aufrecht erhalten
lassen, wenn es nicht gelinge, die Verluste durch die Druse zu
vermindern. Der preußische Staat brauche notwendig die ost¬
preußische Edelzucht als Wehrmittel, denn Ostpreußen produziere
fast 70 Proz. aller Kavalleriepferde, der Staat könne daher die
energische Bekämpfung dieser furchtbaren Pferdeseuche nicht
länger aufschieben.
Herr Geh. Ober-Regierungsrat Schröter erkannte die Not¬
wendigkeit einer energischen Bekämpfung der Druse an, der
Herr Minister sei der Ansicht, daß weiteres hierin geschehen
müsse und daß besonders auf dem Wege der Forschung Druse¬
bekämpfungsmittel ausfindig zu machen gesucht werden müßten.
Der Herr Minister habe bereits im Oktober v. J. in Aussicht
gestellt, den staatlichen Instituten die Aufgabe zu Btellen, ins¬
besondere die Druse zu erforschen und ein Mittel zu finden, um
die Pferde gegen die Druse immun zu machen. Diese Erklärung
könne er namens des Herrn Ministers nur wiederholen. Von
der Ausschreibung eines Preises verspreche er sich keinen Erfolg.
Nachdem sich auch mehrere andere Mitglieder des Kollegiums
für die Anträge des Referenten ausgesprochen hatten, wurden
dieselben zum Beschluß erhoben, nachdem der Referent den Teil
seines Antrages, welcher die Aussetzung eines Drusepreises be¬
zweckte, zurückgezogen hatte.*)
*) Dem Beschlüsse des L. Ö. K. ist inzwischen vom Herrn
Minister Rechnung getragen worden, die Herren Geheimräte Prof.
Dr. Schütz und Prof. Dr. Frosch sind mit den Arbeiten zur
weiteren wissenschaftlichen Erforschung der Druse unter den Pferden
und zur Ausfindigmachung eines Immunisierungsverfahrens gegen
diese Seuche betraut worden. Hierzu wurden staatliche Mittel
bereitgestellt.
565
Tierseuchen in Deutschland 1906.
Nach dem Jahresbericht des Kaiserlichen Gesundheitsamtes.
(Herlin, Verlag von Julius Springer.)
Die Räude der Pferde.
Die Zahl der räudekrank befundenen Pferde ist im Berichts¬
jahr um 3,3 Proz. größer gewesen, wie im Jahre 1905. Es
wurden als erkrankt gemeldet 655 Pferde. Die einzelnen Fälle
verteilen sich auf 11 Bundesstaaten und 143 Kreise. Betroffen
wurden Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Mecklen¬
burg-Schwerin, Oldenburg, Braunschweig, Lippe, Hamburg und
Elsaß-Lothringen. Die stärkste räumliche Verbreitung hatte
die Räude in den Regierungsbezirken Köslin (33 Gemeinden und
49 Gehöfte), Marienwerder (28 und 33), Liegnitz (25 und 28),
Gumbinnen (25 und 34), sowie in den Kreisen Insterburg (12
und 21), Kolberg-Körlin (11 und 23) und Stadtkreis Berlin (1
und 23). Die höchsten Erkrankungsziffern wiesen auf Mecklen¬
burg-Schwerin (71) und die Regierungsbezirke Körlin (70),
Liegnitz (61), Gumbinnen (56), Marienwerder (46), sowie die
Kreise Waren (68), Insterburg und Kolberg-Köslin (je 39),
Sprottau (36) und Stadtkreis Berlin (29). In 32,9 Proz. aller
betroffenen Kreise ereignete sich nur je ein Fall von Pferderäude.
Von 10000 nach der Zählung vom 1. Dezember 1904 vorhandenen
Pferden erkrankten 1,5 (1905 auch 1,5). Verschleppungen der
Pferderäude aus einem Bundesstaat in den anderen wurden in
3 Fällen festgestellt, so einmal aus Schwarzburg-Rudolstadt in
den preußischen Regierungsbezirk Erfurt, nach Mecklenburg-
Schwerin vermutlich aus Berlin und nach Oldenburg aus der
preußischen Provinz Hannover.
In 34 Fällen waren die Pferde beim Besitz Wechsel bereits
erkrankt oder angesteckt.
In 15 Fällen wurde die Räude auf Pferdemärkten ermittelt,
in einem Falle im Regierungsbezirk Merseburg bei einer öffent¬
lichen Auktion. In 20 Fällen fand die Feststellung der Räude
in öffentlichen Schlachthäusern statt, in 9 Fällen auf offener
Straße und in 2 Fällen in Abdeckereien.
Eine Behandlung räudekranker Pferde auf polizeiliche An¬
ordnung fand in zahlreichen Fällen statt; meist war sie von
gutem Erfolge begleitet, eine Wiederholung der Behandlung war
nur bei einem Pferde nötig, in zwei Beständen hatte die Be¬
handlung keinen Erfolg. Sieben Pferde gingen infolge der
Räude ein oder wurden getötet. An Heilmitteln kamen zur
Anwendung: 2 proz. Sodalösung-Lysol Waschungen, lproz. Kreolin¬
seifenliniment, Perubalsam, Lysolseife, Kreolinspiritus, Tabaks-
abkoclmngen, 3 proz. Sublimatspiritus, Teerliniment, das Brandl-
Gmeiner8cke Verfahren und die Immingersche Räudesalbe.
In mehreren Fällen wurde die Krankheit durch Übergang
der Räudemilben auf Menschen übertragen.
Die Räude der Schafe.
Die Schafräude hat im Berichtsjahre etwas abgenommen.
Es waren in 17 Staaten 452 Gemeinden und 1128 Gehöfte
betroffen, dies sind 6 Proz. Gehöfte weniger wie 1905.
740 Gehöfte wurden neu betroffen. Der Schafbestand in diesem
betrug 53955. Die meisten Ausbrüche (243 Gehöfte) ereigneten
sich im 1. Vierteljahr, die wenigsten (90) im 3. Die stärkste
räumliche Verbreitung wurde beobachtet in dem Reg.-Bez.
Kassel (92 Gemeinden und 109 Gehöfte), Hildesheim (32 und 65),
Osnabrück (21 und 68), Trier (15 und 112), Braunschweig
(30 und 117), sowie in den Kreisen Ziegenhain (22 und 24),
Holzminden (14 und 99), Frankenberg (14 und 19) und Worbis
566
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
(7 und 32). Die größten Bestände an erkrankten und ver¬
dächtigen Schafen wiesen auf die Reg.-Bez. Kassel (11 361),
Hildesheim (5531), Osnabrück (4691), sowie die Kreise Aschen¬
dorf (1898), Ziegenhain (1848), Northeim (1544) und Fritzlar
(1520). Von je 10000 nach der Zählung vom 1. Dezember 1904
vorhandenen Schafen entfallen 68,24 auf neu verseuchte Gehöfte
(71,32 im Vorjahre). Letztere Verhältniszahlen sind in den
einzelnen betroffenen Bezirken Deutschlands sehr verschieden.
Die höchsten derartigen Zahlen wiesen auf Oberhessen (697,05),
Kassel (619,27), Ober-Elsaß (600,52), Stadt Berlin (574,12),
Osnabrück (561,56), Jagstkreis (520,78), Die Schafräude
erstreckte sich hauptsächlich wieder auf die westlich der Elbe
gelegenen Gebietsteile, sowie auf Süddeutschland. Östlich der
Elbe wurden nur die Kreise Stadt Berlin, Westhavelland,
Usedom-Wollin und Militsch betroffen.
Von außerdeutschen Staaten liegen Mitteilungen über Schaf¬
räude vor aus Österreich, Ungarn, Rumänien, Bosnien und
Herzegowina, Bulgarien, Italien, Schweiz, Frankreich, Gro߬
britannien, Luxemburg, Belgien und Niederlande. Eine recht
erhebliche Verbreitung hatte die Räude der Schafe in Österreich,
die größte Ausbreitung, 36 Orte und 255 Höfe, fällt hier in die
1. Maiw r oclie. In Ungarn waren in der letzten Aprilwoche 680 Orte
und 1173 Höfe durch Schafräude betroffen, am Beginn des Jahres
und gegen Ende desselben war die Verbreitung eine sehr viel
geringere. In Rumänien waren 1705 Schafe an Räude erkrankt,
in Italien 32 637. In der Schweiz ereigneten sich 40 Neu¬
ausbrüche in 12 Gemeinden. In Frankreich waren im Monat
Juli 55 Herden betroffen, in den übrigen Monaten weniger. In
Großbritannien ereigneten sich 542 Neuausbrüche von Schafräude.
In den übrigen genannten Ländern war das Auftreten der
Schafräude ein unwesentliches.
Was die Anlässe zu den Ausbrüchen der Schafräude in
Deutschland betrifft, so kommen in erster Linie die Ver¬
schleppungen durch kranke Tiere in Betracht. Verschleppungen
aus einem Bundesstaat in den andern w r urden mehrfach fest¬
gestellt, aus Preußen in mehreren Fällen nach Sachsen-Weimar,
Oldenburg, Sachsen-Koburg-Gotha und Braunschw'eig, aus Bayern
einmal nach Sachsen und zweimal nach Württemberg, aus
Württemberg einmal nach Sigmaringen, aus Hessen einmal nach
Berlin, und aus Waldeck nach 12 Gehöften in Braunschweig.
In 22 Fällen waren die Schafe beim Besitzwechsel bereits
erkrankt oder angesteckt. Die Seuche wurde festgestellt zwei¬
mal bei der Beaufsichtigung von Märkten, viermal bei öffentlichen
Auktionen, fünfmal an Schlachthäusern und bei Vornahme der
Fleischbeschau, in sechs Fällen auf offener Straße.
Bei der in einer Anzahl von Oberamtsbezirken in Württem¬
berg eingeführten periodischen Schafschau wurde bei 3 Herden
Räude festgestellt. In einigen 50 Fällen wurde die Schafräude
durch polizeilich angeordnete Untersuchungen aller durch die
Seuche gefährdeten Tiere am Seuchenort oder in dessen Um¬
gegend ermittelt.
Behandlung. In Preußen wurden 223 Bestände mit
32 019 Schafen einem Heilverfahren unterworfen. 111 Bestände
wurden gebadet, hiervon waren 91 Bestände am Jahresschluß
geheilt, in 16 Beständen war das Heilverfahren am Schluß
des Berichtsjahres noch nicht beendet, 3 Bestände wurden ab¬
geschlachtet und in 1 Bestand hatte die Badekur angeblich
keinen Erfolg. Als Bademittel kamen Kreolinbäder, Kresol-,
Bazillol-, Lysol- und Arseniklösungen zur Anwendung. Im
Reg.-Bez. Kassel außerdem Therosot und zwrar mit gutem Er¬
folg. 112 Bestäude wuirden der Schmierkur unterworfen, davon
wurden 55 Bestände als geheilt gemeldet. Bei 45 war das
Heilverfahren am Jahresschlnß noch nicht beendet, 12 Be¬
stände wurden abgeschlachtet. Als Heilmittel kamen Kreolin-
liniment, Kreolinwasser, Kreolinspiritus, Tabakslauge und Queck¬
silbersalbe zur Anwendung. Auch die Erfolge der Schmierkuren
waren meist günstige. In Bayern wmrden 98 Bestände mit
4450 Schafen gebadet, 75 hiervon wurden geheilt, bei 20 Be¬
ständen dauerte die Behandlung am Jahresschluß noch fort.
316 Schafe wurden geschlachtet, 3 sind verendet. An Heil¬
mitteln gelangten die vorhin genannten zur Anwendung. In
Württemberg wurden 9881 Schafe tierärztlich behandelt, von
diesen sind 9231 geheilt, 35 sind gefallen, 615 wurden am
Jahresschluß noch fortbehandelt. Als Bademittel wurde liier
meist das Zündelsche Bad verwendet, in einigen Fällen auch
das Gerlachsche Bad. In Baden wurde 1 Herde durch 2 proz.
Bazillolbäder vollständig geheilt. In Hessen wurden 2 proz.
Lysolbäder und 2 proz. Lysolum saponatum benutzt. Mit
letzterem Mittel wurde eine Herde trotz zweimaligen Badens
erfolglos behandelt.
In Sachsen-Weimar erhielt eine Herde zunächst ein Vor¬
bereitungsbad mit Kalk- und Pottasche, sodann 2 Bäder 2 proz.
Kreolinlösung. Der Erfolg war ein guter. In Waldeck wurden
4 Herden mit Quecksilbersalbe erfolgreich behandelt. Über
gute Erfolge der Behandlung wird auch berichtet aus Braun¬
schweig und Schwarzburg-Sondershausen. In Elsaß-Lothringen
wurden 250 räudekranke Schafe auf Veranlassung der Besitzer
getötet, 183 konnten unter Anwendung einer Badekur geheilt
werden.
Polizeiverordnung, betreffend Fortschaffung und Vernichtung
von Tierkadavem.
Das Abdeckereiwesen hat nunmehr in Berlin eine Änderung
und Neuregelung erfahren. Nachdem in Rüdnitz eine allen An¬
forderungen der Neuzeit entsprechende Fleischvernichtungsanstalt
errichtet worden ist, ist die alte Abdeckerei in der MüUerstraße
endlich geschlossen worden.
Auf Grund der §§ 5, 6 und 11 des Gesetzes über die
Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 (Ges.-S. S. 265) w’ird
nach Zustimmung des Gemeindevorstandes für den Polizeibezirk
von Berlin folgende Polizeiverordung erlassen.
§ 1. Die Kadaver der sämtlichen im Stadtbezirk Berlin
gefallenen Tiere nachstehend verzeichneter Gattungen und zwar:
Rindvieh, Kälber, Pferde, Esel, Schafe, Schweine, Ziegen, Hunde
von mehr als 50 cm Schulterhöhe, sowie die Kadaver von Hoch¬
wild, Rehen und wilden Tieren von mehr als 50 cm Schulter¬
höhe sind unter Verbot jeder anderweitigen Verwendung, Be¬
seitigung und Unschädlichmachung ausschließlich der von der
Stadtgemeinde Berlin errichteten Vernichtungsanstalt durch
Vermittlung der städtischen Sammelstellen zu überweisen, wo
sie bis auf weiteres im Wege thermochemischen Verfahrens —
durch Einwirkung hochgespannten gesättigten Wasserdampfes —
vernichtet werden.
§ 2. Als gefallen ist jedes Tier anzusehen, das ohne
Schlachtung bzw. Tötung verendet ist.
Geschlachtetes oder getötetes Vieh, so weit es zum mensch¬
lichen Genuß untauglich ist, ist dem gefallenen Vieh gleich zu
erachten.
6. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLIC HE WOCHENSCHRIFT.
567
Wenn bei Schlachttieren innere Organe oder Eingeweide
beseitigt werden müssen, so sind diese ebenfalls ausschließlich
der bezeichnten Vernichtungsanstalt zur Unschädlichmachung
zu überweisen.
§ 3. Die Kadaver sind der Vernichtungsanstalt ein¬
schließlich Haut, Haare, Borsten, Hörner, Klauen usw. zu über¬
weisen.
Waren jedoch Haut, Haare, Borsten, Hörner, Klauen usw.
bereits abgenommen, als sich herausstellte, daß das Tier der
Anstalt zu überweisen ist, so verbleiben diese Teile dem Eigen¬
tümer des Tieres unbeschadet der seuchengesetzlichen Be¬
stimmungen und der dazu ergangenen Ausführungsvorschriften.
§ 4. Das Abhäuten, Zerlegen und Ausnützen der Kadaver
darf nur in der Vernichtungsanstalt erfolgen.
Im Falle des § 2 Abs. 2 und 3 ist von dem Zeitpunkte
an, in welchem die Nichtverwertbarkeit des Tieres oder der
inneren Organe und Eingeweide erkannt wird, jede weitere
Verarbeitung, Zerlegung usw. der Vernichtungsanstalt zu über¬
lassen.
§ 5. Blut und andere Abgangsflüssigkeiten dürfen nicht in
stehende oder fließende Gewässer oder auf Wege fort geleitet
oder verbracht werden.
§ 0. Der Eigentümer oder Halter eines Tieres der im
§ 1 bezeichneten Gattungen bzw. dessen Beauftragter hat
unverzüglich, spätestens jedoch binnen zwei Stunden, nachdem
er von dem Verenden des Tieres Kenntnis erhalten hat, dies
der nächsten städtischen Sammelstelle oder dem nächsten
Polizei-Revierbureau unter genauer Angabe seines Namens und
seiner Wohnung oder des Platzes, von dem der Kadaver abzu¬
holen ist, der Art, des Alters und der Zahl der Tiere bzw. der
Kadaverteile auf die schnellste Weise anzuzeigen. Verendet
das Tier nach 7 Uhr abends, so ist die Anzeige bis spätestens
8 Uhr des nächsten Vormittags zu erstatten.
In denjenigen Fällen, in denen nach den bestehenden
reichs- und landesgesetzlichen Vorschriften Entschädigung ge¬
währt wird, hat die Benachrichtigung erst nach stattgehabter
arat8tierärztlicher Untersuchung — dann aber sofort zu er¬
folgen.
Der Eigentümer sonstiger zur Vernichtung bestimmter
Gegenstände hat die Anmeldung zur Abholung in der Zeit von
7 Uhr früh bis 7 Uhr abends an die städtische Sammelstelle zu
erstatten.
§ 7. Die Beförderung der Kadaver und Kadaverteile bis
zur Sammelstelle hat mittelst besonderer, von der Stadtgemeinde
Berlin beschaffter Wagen zu erfolgen. Die Beförderung auf
andere Weise ist verboten.
§ 8. Lebende Tiere, welche auf Anordnung der Behörde
wegen ansteckender Krankheiten beseitigt werden sollen, sind
nach Maßgabe der behördlichen Anordnungen nach dem von
der Stadtgemeinde Berlin errichteten Seuchenstall zu bringen.
Der Transport darf, sofern er durch Wagen nicht ausge¬
führt werden soll, nur zur Nachtzeit und unter Vermeidung jeder
Berührung mit anderen Tieren stattfinden.
Soll der Transport durch Wagen stattfinden so dürfen dazu
nur die Wagen der Stadtgemeinde Berlin (§ 7) verwandt werden.
Die Samrael8telle ist in diesem Falle vom Eigentümer bzw.
Halter des Tieres oder dessen Beauftragten rechtzeitig wegen
Abholung des Tieres zu benachrichtigen.
§ 9. Die Unschädlichmachung solcher Tiere, die nicht der
Vernichtungsanstalt zu überweisen sind und auch nicht freiwillig
überwiesen werden, bleibt — unbeschadet der bestehenden ge¬
setzlichen oder polizeilichen Sondervorschriften über den Verbleib
und die Vernichtung von Kadavern und Kadaverteilen — den
Eigentümern überlassen. Doch ist das Verbringen solcher Tiere
in stehende oder fließende Gewässer oder auf Wege verboten.
Im übrigen tritt überall da, wo bisher auf Grund gesetzlicher
oder polizeilicher Vorschriften die Überweisung der Kadaver
oder verdorbenen Nahrungsmittel an die Abdeckerei erfolgen
mußte, an deren Stelle die städtische Vernichtungsanstalt.
§ 10. Die Fortschaffung der auf öffentlicher Straße ver¬
unglückten oder aus sonstiger Veranlassung ein nicht zu be¬
seitigendes Verkehrshindernis bildender Schlacht- oder Zucht¬
tiere darf nur durch die von der Stadtgemeinde Berlin eigens
zu diesem Zwecke beschafften Transportwagen erfolgen.
Die Fortschaffung auf andere Weise ist verboten.
§ 11. Der Eigentümer bzw. der Führer oder Begleiter
des verunglückten oder sonst ein Verkehrshindernis bildenden
Tieres ist verpflichtet, den Fall unter genauer Angabe des Orts,
wo das Tier sich befindet, unverzüglich bei dem nächsten
Revier-Polizeibureaus oder in der städtischen Sammelstelle zur
Anzeige zu bringen, von wo aus die Herbeischaffung des
Transportwagens veranlaßt werden wird. Bei eigener Unab¬
kömmlichkeit genügt Benachrichtigung an den nächsten Schutz¬
mannsposten.
Beim Verladen haben die in Absatz 1 genannten Personen
die erforderliche Hilfe zu leisten oder leisten zu lassen.
§ 12. Dem Eigentümer bzw. dem Führer oder Begleiter
bleibt die Bestimmung überlassen, wohin das lebende Tier
geschafft werden soll. Zögert derselbe mit der Angabe der
Erklärung bis nach erfolgter Verladung des Tieres, so wird
dasselbe nach der Königlichen tierärztlichen Hochschule oder
bei Annahmeverweigerung nach der städtischen Sammelstelle
geschafft und dort getötet, falls der Eigentümer usw. nicht
binnen einer von der Sammelstelle zu bestimmenden Frist ander¬
weitig über das Tier Bestimmung trifft. Inzwischen verendete
Tiere werden gleich nach der Sammelstelle gebracht.
§ 13. Zuwiderhandlungen gegen diese Polizei Verordnung
werden mit Geldstrafe bis zu 30 M., im Falle des Unvermögens
mit verhältnismäßiger Haft bestraft, falls nicht nach den be¬
stehenden Gesetzen im Einzelfalle eine höhere Strafe ver¬
wirkt ist.
§ 14. Diese Polizeiverordnung tritt am 1. Juni 1908
in Kraft.
Mit dem Tage des Inkrafttretens dieser Polizeiverordnung
verlieren alle entgegenstehenden Bestimmungen in Polizei¬
verordnungen, insbesondere die am 28. September 1876, betreffend
Abdeckerei wesen, und vom 7. August 1867 Nachtrag, betreffend
Fortschaffung von auf der Straße verunglückten Schlacht- und
Zugtieren, sowie des § 15 der Polizeiverordnung vom 4. Oktober 1900
(Ordnung auf dem städtischen Schlachthofe in Berlin) ihre
Gültigkeit.
Berlin, den 21. Mai 1908.
Der Polizei-Präsident.
Übersicht Ober die im Jahre 1906 zur amtlichen Kenntnis gelangten
Fälle von Bißverletzungen hei Menschen durch tolle oder tollwutverdächtige
Tiere.
Im Jahre 1906 sind 373 Verletzungen durch tolle oder der
Tollwut verdächtige Tiere amtlich bekannt geworden. Von den
568
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
Verletzten standen 94 im Kindesalter bis zu 10 Jahren, 102 im
Alter von 10 bis 20 Jahren und 41 waren über 50 Jahre alt.
Die meisten Verletzungen (178) ereigneten sich in der Provinz
Schlesien, 40 in der Provinz Posen, je 26 in Pommern und
Ostpreußen, 22 im Bezirk Marienwerder, außerdem noch in den
Provinzen Hessen-Nassau, Rheinprovinz, Westfalen, Sachsen,
Brandenburg. Die 373 Verletzungen gingen von 213 Tieren
aus, 202 Hunden, 7 Katzen, je 2 Kühen und Pferden. 16 von
diesen Tieren sind entlaufen, 37 wurden lediglich auf Grund
der Krankheits- und Obduktionserscheinungen für wutkrank oder
dringend wutverdächtig durch den beamteten Tierarzt erklärt.
Von 151 Tieren wurden Gehirn usw. in den Instituten in Berlin
und Breslau untersucht, hiervon erwiesen sich 131 als sicher
tollwutkrank, bei 20 Tieren konnte weder durch den Nachweis
Negrischer Körperchen, noch durch Impfung die Diagnose be¬
stätigt werden. 342 der Verletzten wurden nach Pasteur
schutzgeimpft, 11 wurden in ihrem Wohnort ärztlich behandelt,
von 20 wurde kein Arzt zu Rate gezogen. Von den Verletzten
erkrankten und starben 4 an Tollwut, obwohl sie schutzgeimpft
worden waren. Die Krankheit zeigte sich 20, 39, 64 und
84 Tage nach der Verletzung. Mit Rücksicht darauf, daß nur
131 Tiere tatsächlich wutkrank befunden wurden, von denen
236 Personen Verletzungen erhielten und geimpft worden sind,
ist der Prozentsatz der an Wut erkrankten Personen mit 1,69
zu berechnen (im Jahre 1905 1,14 Proz.).
Nachweisung über den Stand der Tierseuchen in Deutschland
vom 15. Juli 1908.
Die Zahlen bedeuten die Kreise (Oberamtsbezlrke) usw., eingeklanimert die Gemeinden.
Maul- und Klauenseuche.
Regierungsbezirk ubw.
bzw. Staat
(* = neu verseucht)
ö
| Gegenüber d. 15. Juni
Kreise
.3
’S
s
©
C5
Gehöfte
Kreise
Gemein¬
den
Gehöfte
Preußen:
Königsberg ....
0
0
0
— 1
— 1
— 2
Marienwerder . . .
1
1
1
— 1
— 2
- 2
♦Berlin.
o
o
o
— 1
— 1
- 6
♦Potsdam.
o
0
o
- 2
_ 2
_ 2
Köslin.
1
3
8
— 1
— 15
— 95
Magdeburg ....
1
1
1
+ i
+ 1
+ 1
♦Erfurt.
0
0
o
— 2
_ 2
_ 2
♦München .
2
5
26
0
-f 1
+ 18
♦Minden . . . . .
2
3
5
+ i
+ 2
+ 2
♦Arnsberg ....
10
17
60
- 3
~ 1
+ 29
♦Dassel.
0
0
0
— 1
1
— 1
♦Düsseldorf ....
8
5
7
— 5
- 6
— 6
♦Cöln.
1
1
1
- 2
— 1
— 1
Preußen zusammen
Bayern:
21
36 |
109
— 16
— 28
- 68
♦Oberfranken . . .
0
o
o
- 2
_ 2
- 2
Mittelfranken . . .
0
0
0
Ms* 3 '
— 3
— 3
Schwaben ....
0
o
0
— 1 I
- 1
— 1
Sachsen:
1
♦Dresden.
1
1
1
+ 1
+ 1
+ 1
Württemberg:
1
|
Neckarkreis . . .
1 i
1
•>
°
0
0
Sachsen-('oburg-Gotha:
1
♦Gotha.
1 1
1
19
0
0 1
+ 3
Elsaß-Lothringen :
♦Unter-Elsaß . . .
0 1
0 1
0
- i!
- i!
— 1
Zusammen
24 |
39 |
132
— 22 |
- 34 ,
— 71
Schweineseuche und Schweinepest
Regierungs¬
bezirk U8W.
V
seu
©
CD
*©
ü
er-
ebte
ö
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s-3
©
o
Auf je 1000
Gemeinden
waren verseucht
Regierungs¬
bezirk usw.
V
seu
©
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3
er¬
eilte
Ä
© g
i v
Preußen:
Sigmaringen . . .
—
—
Königsberg ....
9
27
9
Waldeck.
1
3
Gumbinnen ....
5
13
4
Bayern:
Allenstein ....
5
9
5
Oberbayern ....
7
9
Danzig.
4
6
5
Niederbayern. . .
7
12
Marienwerder . .
11
32
14
Pfalz.
1
1
Berlin.
1
1
1
Oberpfalz.
2
2
Potsdam.
13
67
26
Oberfranken . . .
—
—
Frankfurt.
17
75
28
Mittelfranken. . .
2
2
Stettin.
9
23
12
Unterfranken. . .
—
_
Köslin.
7
17
9
Schwaben.
2
5
Stralsund ....
—
—
—
Württemberg .
3
3
Posen .
22
78
24
Sachsen.
6
8
Bromberg.
13
85
38
Baden .
7
9
Breslau.
22
208
55
Hessen.
5
9
Liegnitz.
18
151
53
Meckl.-Schwerin
4
9
Oppeln.
9
24
9
Meckl.-Strelitz .
2
4
Magdeburg ....
6
9
6
Oldenburg . . .
9
17
Merseburg ....
13
17
7
Sachs.-Weimar.
2
9
Erfurt.
4
13
22
Sachs.-Meiningen
1
5
Schleswig ....
8
18
8
Sachs.-Altenburg
2
6
Hannover .
8
12
19
Sachs.-Kob.-Got
1
1
Hildesheim ....
7
11
15
Anhalt.
1
8
Lüneburg .
7
9
6
Braunschweig
5
13
Stade .
5
8
11
Schwarz b.-Sond.
—
—
Osnabrück ....
5
7
12
Schwarzb.-Rud.
1
2
Aurich .
2
3
9
Reuß ä. L .
—
_
Münster.
8
15
56
Reüß j. Ti. . . . .
'1
3
Minden .
4
10
20
Schaum b.-Lippe
1
1
Arnsberg.
16
30
35
Lippe-Detmold .
6
14
Cassel.
29
17
Hamburg ....
1
2
Wiesbaden ....
11
36
38
Lübeck .
1
1
Koblenz.
8
20
19
Bremen.
_
_
Düsseldorf ....
15
38
88
Elsaß.
2
2
Cöln.
6
9
30
Lothringen . .
1
1
Trier.
5
6
5
Aachen.
4
5
13
Rotz.
Preußen: Im Reg.-Bez. Köslin 1 (1), Stadtkreis Berlin 1 (1):
in den Reg.-Bez. Marienwerder, Stade je 1 (2), Potsdam, Breslau,
Oppeln, Düsseldorf je 2 (2), Posen 3 (3), Köln 3 (9), Bromberg 4 (4).
Sachsen: Kr.-H. Leipzig 1 (1).
Hamburg: Start 1 (1).
Zusammen 32 Gemeinden (20 am 15. Juni), davon 30 auf
Preußen (18 im Juni).
Lungenseuche.
Preußen: Im Reg.-Bez. Bromberg 1 (1).
Sachsen-Koburg-Gotha; Herzogtum Gotha 1 (1).
Zusammen 2 Gemeinden (4 am 15. Juni davon 1 auf Preußen,
3 im Juni).
Ergebnisse der Untersuchungen der Rindviehbestfinde in den Quarantftne-
anstalten auf Tuberkulose Im 4. Vierteljahr 1907.
Es wurden in die sechs Quarantäneanstalten Apenrade,
Bahrenfeld, Flensburg, Kiel, Rostock, Lübeck insgesamt
18 592 Rinder eingeführt. Die meisten entfielen auf Apenrade,
7943, die wenigsten auf Lübeck, 1174. Die Tiere stammten
sämtlich ans Dänemark. Vor der Tuberknlineinspritzung sind
keine Tiere als tuberkulös oder verdächtig zurückgewiesen worden,
1 Rind ist gefallen, 16 sind notgeschlachtet worden. Bei der
Tuberkulinprobe wurden 111 Tiere = 0,6 Proz. als tuberkulöse-
6. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
569
verdächtig erkannt. Diese wurden zuriickgewiesen. 17 861 Tiere
wurden nach öffentlichen Schlachthäusern überführt Von diesen,
welche also bei der Tuberkulinprobe nicht reagiert hatten, wurden
nach der Schlachtung 4695 = 2(5,3 Proz. tuberkulös be¬
funden. Für die Einfuhr von Qnarantänerindern kamen 26 Schlacht¬
höfe in Betracht. Die meisten gelangten nach Hamburg,
6361 = 35,5 Proz. der Gesamteinfuhr, 18 Proz. derselben waren
tuberkulös. Nach Berlin gelangten nur 119 Quarantänerinder,
von denen 44 Proz. tuberkulös befunden wurden. Die wenigsten,
10, kamen nach Essen, verhältnismäßig viel, 2321, nahm Düssel¬
dorf auf, unter diesen befanden sich nur 18 tuberkulöse =
0,77 Proz. Der höchste Prozentsatz an Tuberkulose bei Quaran¬
tänerindern, 6G 2 / 3 Proz., wurde in Witten ermittelt, in Bochum
48 Proz., in Gelsenkirchen und Paderborn je 46 Proz. Diese
Differenzen in den Tuberkulosefunden bei Quarantänerindern an
den einzelnen Schlachthöfen sind jedenfalls sehr auffallend.
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
Neue Bestimmung Uber die Einfuhr frischen Fleisches.
(Reichs-Gesetzblatt Nr. 41, 1908.)
Auf Grund der Bestimmungen im § 12 Abs. 2, § 15 des Gesetzes,
betreffend die Schlachtvieh* und Fleischbeschau, vom 3. Juni 1900
(Reichs-Gesetzbl. S. 547) hat der Bundesrat beschlossen, der nach¬
stehenden Abänderung der Bekanntmachung vom 10. Juli 1902
(Reichs-Gesetzbl. S. 242) mit der Maßgabe zuzustimmen, daß die
Änderung am 1. August 1908 in Kraft tritt.
Hinter Nr. 2 ist als Nr. 2a einzufügen:
Bei der Einfuhr von frischem Fleische dürfen die Organe
und sonstigen Körperteile, auf die sich die Untersuchung zu
erstrecken hat, nicht angeschnitten sein, bei der Einfuhr von
zubereitetem Fleische die der Untersuchung zu unterziehenden
Lymphdrüsen nicht fehlen oder angeschnitten sein, jedoch
darf in die Mittelfclldrilscn und in das Hcrzileisch je ein
Schnitt gelegt sein.
Berlin, den 4. Juli 1908.
Der Reichkanzler.
In Vertretung: von Bethmann Hollweg.
Zur Einfuhr dänischen Viehs.
Zwischen Berlin und Kopenhagen werden nach Meldungen der
Tagespresse Verhandlungen Uber eine Erleichterung des dänischen
ViehexportB nach Deutschland gepflogen. Die dänischen Landwirte
wünschen, die Grenze bei Hvidding für die Einfuhr von lebendem
Schlachtvieh geöffnet zu erhalten. Während bisher der Transport
über die Seequarantänen ausgeführt w erden mußte. Nach dänischen
Meldungen soll bei dem neuen Handelsvertrag diesem Wunsche
seitens Deutschlands Rechnung getragen sein.
Viehproduktion und ausländische Futtermittel.
Der Wert des in Deutschland gewerbsmäßig geschlachteten
Viehs beträgt etwa 3 Milliarden Mark, der Milchdroduktion
1,8 Milliarden, so daß der Gesamtwert der heimischen Viehproduktion
auf etwa 5 Milliarden Mark jährlich zu berechnen ist. Die Futter¬
mitteleinfuhr beläuft sich in den letzten Jahren durchschnittlich
auf 400 Millionen Mark Wertes, so daß abgesehen von der direkten
Zufuhr an Vieh und Fleisch etwa 6 Proz. der heimischen Vieh¬
produktion eigentlich auf das Ausland zu beziehen sind.
Oldenburgisches Schlachthausgesetz.
Der Landtag in Oldenburg hatte, wie bereits mitgeteilt wurde,
beschlossen, daß auch das von den nichttierärztlichen Fleisch¬
beschauern untersuchte Fleisch bei Einfuhr in eine Schlachtbaus-
gemeindc nur daraufhin untersucht werden darf, ob es seit der
Beschau verdorben oder anderweitig gesundheitsschädlich geworden
sei. Dadurch war die Beschau durch Nichttierärzte als gleichwertig
derjenigen seitens der Tierärzte anerkannt. Die Veröffentlichung
des Gesetzes ist bis jetzt indessen nicht erfolgt und es erscheint
| zweifelhaft, ob die Bestimmung, die weit über die preußischen
j Vorschriften hinausgeht, in Kraft treten wird.
Schlaohthaus-Skandale in Chicago.
Nach telegraphischen Meldungen aus New York von Ende Mai
hat das Bundesgericht dio Besitzer mehrerer großer Schlachthäuser
in Chicago verhaftet. Das Vorgehen gegen sie erfolgt wegen fort¬
gesetzter Massenverwertung von verdorbenem Fleisch zu Wurstwaren
und Konserven.
Tödliche Verletzung durch den Schußapparat.
Durch eine fehlgegangene Kugel aus einem Schußapparat w urde
der Schlächter B. aus H. bei der Betäubung eines Rindes tödlich
verletzt. Die Kugel hatte den Darm durchbohrt.
Neue Zeitschrift.
Unter dem Namen „Desinfektion“ wird vom Juli d. J. ab eine
neue Monatsschrift von (ich. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge, Breslau,
Geh. Ober-Mcd.-Rat Prof. Dr. Gaffky, Berlin, Baurat Herzberg,
Berlin, Geh. Ober Med.-Rat Prof. Dr. Kirchner, Berlin, Geh. Reg.-
Rat Prof. Dr. Pro skalier, Berlin, unter der Schriftleitung der
Abteilungsvorsteher im Kgl. Institut für Infektionskrankheiten Dr.
Lentz und Dr. Lockeraann herausgegeben. Die Zeitschrift
erscheint im Deutschen Verlage für Volks Wohlfahrt und wird in
Originalartikeln, Referaten und Besprechungen das gesamte Gebiet
der Desinfektion, Sterilisation und Konservierung berücksichtigen.
Internationaler Kongreß für Kälte-Industrie.
Der Kongreß ist infolge von Anträgen der amerikanischen,
belgischen und österreichischen Ausschüsse auf den 5.—10 Oktober
verschoben worden.
Gebühren für die Revisionen privater Schlachthäuser durch die Kreistierärzte.
Im Regierungsbezirke Merseburg sind nach der landespolizeilichen
Anordnung vom 29. Februar 1896 auch die privaten Schlachthäuser
nebst den dazu gehörigen Räumlichkeiten der Beaufsichtigung durch
die beamteten Tierärzte unterwarfen. Die Kosten hierfür soll der
Besitzer tragen. Fleischer G. in M., der für vier derartige Revisionen
im Jahre 1906 acht Mark Gebühren zahlen sollte, erhob Beschwerde
und reichte nach Ablehnung derselben durch den Oberpräsidenten
beim Oberverw r altungsgericht. eine Klage ein. Diese w r urdc auf
Kosten des Deutschen Fleischerverbandes geführt. Durch Ent¬
scheidung vom 5. März 1908 ist die Klage indessen abgewiosen
und die landespolizeiliche Anordnung für rechtsgültig erklärt worden.
Die Urteilsgründe lauten nach der „Amtlichen Zeitung des Deutschen
Fleischer-Verbandes“ folgendermaßen:
„Die nach der ursprünglichen Fassung des § 17 des Reichs¬
gesetzes vom 23. Juni 1880 in das Ermessen des zuständigen
Regierungspräsidenten gestellten veterinärpolizeilichen Maßregeln
sind durch das spätere Reichsgesetz vom 1. Mai 1894 ausdrücklich
und ganz allgemein auch auf private Schlachthäuser ausgedehnt
worden. Dieser erweiterten Zuständigkeit der Landespolizeibchörde
entsprechend ist dann die durch § 24 des preußischen Ausführungs¬
gesetzes vom 12. März 1881 dem Regierungspräsidenten übertragene
Befugnis zur Kostenfestsetzung durch § 7 des preußischen Gesetzes
vom 18. Juni 1894 (Gesetzsammlung Seite 115) auch hinsichtlich
derjenigen Kosten festgestellt worden, welche aus der Anwendung
der nach dem Reichgesetze vom 1. Mai 1894 zulässigen veterinär¬
polizeilichen Maßregeln erwachsen. Die Vorschrift des § 7 des
Gesetzes vom 18. Juni 1894 kann nur dahin verstanden werden,
daß die durch die erweiterte Anwendung des § 17 des Reichs¬
gesetzes entstehenden Mehrkosten dem Unternehmer zur Last fallen.
Damit stimmt auch der Erlaß des Ministers für Landwirtschaft,
Domänen und Forsten vom 21. Juli 1895 (I 14913, Bayer, Vieh-
scuchen-Gesctze, Seite 24) überein. Hiermit erledigen sich die von
dem Kläger in rechtlicher Beziehung gegen das Vorgehen des
Regierungspräsidenten erhobenen Einwände. Daß von dem be¬
amteten Tierärzte im Laufe des Jahres 1906 tatsächlich vier
Revisionen in denjenigen Räumlichkeiten, w'elche der Kläger als
privates Schlachthaus benutzt hat, vorgenommen worden sind, ist
nach den Ausführungen des Klägers unbestritten anzunehmen. Auch
der Umstand, daß diese Revisionen von einem besoldeten Staats¬
beamten vorgenommen worden sind, ist für die getroffene Kosten¬
festsetzung unerheblich, da die in Frage stehenden Kosten nach
570
BERLINEU TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
§ 7 des Gesetzes vom 18. Juni 1894 den Unternehmern zur Last
fallen und nach der rechtsgültigen Polizeiverordnung vom 29. Februar
1896 (Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Merseburg Seite 80) von
dem zuständigen Königl. Regierungspräsidenten festzusetzen sind.“
Angemessene Verteilung der Schlachtungen auf die einzelnen Schlachttage.
Für die meisten Schlachthöfe trifft es zu, daß sich die
Schlachtungen vornehmlich auf einzelne Wochentage zusammen¬
drängen, auf die sogenannten Hauptschlachttage, die gemeinhin mit
den Viehmärkten zusammenfallen, da die meisten Schlächter das
dort eingekaufte Vieh tunlichst sofort abzuschlachten pflegen.
Bemerkenswert ist daher der Versuch in der Stadt Rheydt im Bezirk
Düsseldorf, eine angemessene Verteilung der Schlachtungen auf die
einzelnen Tage durch Verordnung herbeizuführen. Der Bürgermeister
hat verfügt, um die starke Zusammendrängung der Schweine¬
schlachtungen an den Montagen und den Dienstagnachmittagen zu
verhüten, daß jeder Metzger an diesen Tagen nicht mehr als drei
Schweine schlachten darf und an allen Wochentagen vormittags
höchstens zusammen 100 und nachmittags 80 Schweine geschlachtet
werden dürfen. Die Kontrolle erfolgt durch entsprechende Be¬
schränkung der Ausgabe der Schlachtkarten.
Yieh- und Schlachthöfe im Jahre 1908 oder 1903/0J.
Von Prof. Rahts, Direktor des Statistischen Amts
der Stadt Charlottenburg.
XIV. Jabrg. des statistischen Jahrbuchs Deutscher Städte. (Hierzu Tabelle.)
Verfasser bringt die Statistik über den Auftrieb auf die Vieh¬
höfe, die Schlachtungen, das Schlachtgewicht und die Beanstan¬
dungen unter besonderer Berücksichtigung der Tuberkulose aus
fünfzig Städten. In Chemnitz, Dresden und Stuttgart gehören die
Vieh- und Schlachthöfe Innungen, in allen übrigen sind sie städti¬
sches Eigentum; in Kassel und Krefeld bestanden neben dem
städtischen noch je zwei private Viehhöfc. Unter den statistischen
Darlegungen bieten mit Rücksicht darauf, daß über die Schlach¬
tungen und Beanstandungen - umfassende Tabellen für das Reich
und die Bundesstaaten regelmäßig veröffentlicht werden, die meisten
kein weitgehenderes Interesse, um so mehr als sie nicht alle Städte
umfassen. Nur eine, die Zusammenstellung des durchschnittlichen
Schlachtgewichts, muß, weil die Kenntnis desselben für die Be¬
rechnung des Fleischkonsums von Wichtigkeit ist, größere Beach¬
tung Anden. Das durchschnittliche Gewicht der geschlachteten
i Tiere betrug in Kilogramm:
Städte
Ochsen
Stiere
Kühe
Jungvieh
Kälber
Schweine
Ferkel
Schafe,
Hammel,
Lämmer
Ziegen
Pferde
Aachen.
1 440
299
130
45
90
10
23 >)
15
287
Augsburg.
320
210
1 210
210
50
55
1 ‘1
20 -)
200
Berlin.
268
271
198
126
50
8
6
20
1
Bochum.
350
250
[ 275
150
50
IM)
20
12
300
Braunschweig.
288
49
110
22
22
Bremen.
283
2^2
250
221
69
67
22
12
239 s)
Breslau.
323
368
272
260
38
89
23
200
Dassel.
332
356
252
195
32
92
6
21
i 13 4 )
Chemnitz.
381
329
242
242
34
86
25
18
295
Cöln.
350
350
300
150
3,5
75
22
15
300
Crefeld.. .
325
250
275
150
50
90
15
15
12
325
Danzig ..
250
275
200
38
80
18
12
215
Darm stadt.
402
292
246
2 62
31
74
.
20
14
300
Dortmund.
250
40
90
18
12
225
Dresden.
300
300
300
35
85
25
25
150 ß )
Düsseldorf.
3
25
250
175
55
60
7
20
15
300
Duisburg.
400
400
300
200
50
75
6
20
20
450
Elberfeld.
275
125
30-35
80
.
25
15
Erfurt.
400
400
300
300
28
100
25
25 •)
200
Frankfurt a. M.
400
225
28
65
•
±2
*)
300
Freiburg i. Br.
350
300
200
200
25
80
20
20
200
Görlitz.
450
350
250
200
35
85
10
20 9 )
20
200
Halle.
426
317
:w
100
4
2,0
307
Hannover .
290
309
251
215
55
90
17, 19, 12
200
Karlsruhe.
252
277
227
206
38
68
3
2
j
200
Kiel.
240
35
8
’)
21
230
Königsberg i. Pr.
227
32 1
84
20
12
175
Leipzig.
372 |
354
261
248
47 |
91
30
18
270
Liegnitz.
250
.
35
75
30
20
200
Lübeck .
240
35
8
">
21
230
Magdeburg.
380
364
278
44 j
92
2
>
300
Mainz.
340
377
246
257
45 !
72
20 m»)
15
200
Mannheim.
360 |
390
210 j
230
40
65
25
15 »■)
200
Metz.
350
460
290
40 ;
65
24
Mülhausen i. E.
326
370
217 |
41 |
64
22
15
München.
310 1
160
200
120
40
45
4 ,a )
20 »)
235 »)
Nürnberg.
270
175
175 |
• 175
3» ,
60
. '
15
15
200
Plauen i. V.
332 !
379
246
37 |
93
24
Posen .
265
34 :
96
• (
20
Potsdam.
420
275
100
60 j
100
!
30
200
Stettin.
256
36 !
80
20
13
232
Straßburg i. E.
317
.366
o;
37
65
8
24 i«)
16
200 ,T )
Stuttgart.
327
195
i;
6
35
80
25
20
241
Würzburg.
338
338
190
183
40
50
4
20 18 )
12
300
Zwickau.
328
314
278
1
274
30
1
98
*
i
25
1 ; Außerdem Lämmer 5 kg. a ) Exkl. Ziegen- und Scbaflämmer 4 kg. 3 ) Außerdem Füllen 100 kg. 4 ) Außerdem Ziegen¬
lämmer 3 kg. :> ) Außerdem Esel 75 kg, Hunde 10 kg. ''j Dazu Hunde 10 kg. 7 ) Dazu Ziegenlämmer 3 kg. 8 ) Außerdem Lämmer und
Ferkel 5 kg. '•') Exkl. Lämmer, diese 3 kg. ut ) Dazu Lämmer 8 kg. ") Dazu Zicklein 2 kg. ,a ) Inkl. Lämmer und Kitzen. ,3 ) Exkl.
Lämmer und K'tzen. ,4 ) Außer lern Hunde 15 kg. D ) Esel 60 kg. Lämmer 10 kg. ,T .) Esel und Folden 70 kg. ,s ) Lämmer 10 kg.
6. August 1908.
Festsetzung der Schlachtzeiten.
Die Festsetzung der Schlachtzeiten ist von vielen mittleren und
kleineren Städten mit beschränktem tierärztlichen Personal zeit¬
weise Gegenstand des Haders zwischen beiden Parteien. Es kann
dem Tierarzt nicht zugemutet werden, z. B. von Sonnenaufgang bis
in die Nacht herein auf der Lauer zu liegen (es soll noch Schlacht¬
höfe geben, wo die Dienstzeit um vier Uhr morgens beginnt), um
die wenigen Schlachtungen, die (besonders zur Hochsommerzeit
sich noch verringern), abzuwarten, zumal sie ganz gut in
3—4 Stunden vollführt sein könnten. Da heutzutage auch die
kleinsten Schlachthöfe fast alle tadellose Kühlanlagen haben und
auch die Natureisktthlanlagen größtenteils befriedigend funktionieren
und mit weit weniger Unkosten an Material, Bedienung und Ab¬
nutzung zu halten sind, und den Schlachthöfen eine gute Rente
verschaffen, als die für größere Anstalten bestimmten ehemo-
thermischen Anlagen, so kann gut Fleischvorrat auf etwa 14 Tage
aufgestapelt werden und die Schlachtzeit auf die wirklich nötigen
Stunden beschränkt werden. — Eine ganz vernünftige Meinung
gibt sich hierin auch seitens der Redakteure einer großen
Fleischerzeitung kund, die folgende beherzigenswerte Worte
einem eine Anfrage sich leistenden Klienten kund und zu wissen
gibt: „Antwort nach G.: „Die Festsetzung von Schlachtzeiten ist
an allen Öffentlichen Schlachthäusern üblich; es liegt in der Natur
der Sache, daß nicht gestattet werden kann, daß in einer Gemeinde
von 5000 Einwohnern jeder Fleischer zu jeder beliebigen Tageszeit
schlachtet. Was an großen Öffentlichen Schlachthäusern allgemein
festgesetzt ist, das müssen sich auch die Fleischer an kleineren
Schlachthäusern gefallen lassen. Gegen eine entsprechende Fest¬
setzung von Schlachttagen und Schlachtzeiten ist absolut nichts
zu machen. Ob als weiterer Zweck die Ermöglichung der Aus¬
übung der Privatpraxis durch den Schlachthaustierarzt anzusehen
ist, ist gleichgültig; der eigentliche Grund ist die Regelung des
Betriebes im Schlachthaus.“ Dr. G.
Neue Garnisonsschlächtereien in Französisch-Lothringen.
Dem „Est Republicain“ zufolge sollen an Stelle der bis¬
herigen Privatlieferungen Garnisonsschlächtereien treten, die in
die verschiedenen Ostfestungen Frankreichs gelegt würden.
Gleichzeitig sollen modernste Kühlanlagen beschafft werden. Alle
Viehgattungen sollen genau untersucht werden vor dem Schlachten,
das Fleisch soll zwecks Prüfung auf Qualität und Genu߬
tauglichkeit erst in einem öffentlichen Fleischsaal geprüft
werden. Nach dem „Iinmeuble“ will man auch das bekanntlich
in Frankreich übliche Verbrauchen ganz frischen Fleisches da¬
durch verhindern, daß man es eine länger dauernde Unter¬
suchung passieren läßt und gewissermaßen einer Quarantaine
unterwirft. Für die Garnison Nancy wurde Militärtierarzt
Cordonier zum Leiter des Laboratoriums ernannt. Dr. G.
Die Broschüre „Sommes nous döfendus?“ erledigt.
Die aufsehenerregende Broschüre des Abgeordneten des
Maasdistriktes Humbert, die u. a. die schlechte Beschaffen¬
heit der französischen Schlachthöfe, sowie der Kühlhäuser ge¬
rügt hatte, ist nach Anfragen an den Verfasser seitens
französischer Patrioten nunmehr erledigt. Nach Humberts
Schreiben hätte sich der Unterstaatssekretär Cheron sowie der
Kriegsminister im Laufe von V/ 9 Jahren die größte Mühe ge¬
geben, alle Mißstände abzustellen. Also wäre die aufsehen¬
erregende Broschüre erledigt. Dr. G.
Neue Schlachtpistole.
Ein neues Schlachtgewehr, das großes Aufsehen erregen
soll, hat der Engländer Hirem Percy, der Sohn der Erfinders
der Schnellfeuergeschütze, dem New-Yorker Tierschutz verein
vorgeführt. Das Gewehr soll vollständig geräuschlos funktio¬
nieren und war gelegentlich eines Ausschreibens desselben New-
Yorker Tierschutz Vereins, der einen Preis für möglichst schmerz-
571
lose Tötung von Schlachtvieh ausgeschrieben hatte, vordemon¬
striert werden. Das Gewehr soll eine furchtbare Waffe dar¬
stellen, weshalb die Schlächter sich verpflichten müßten, es
nicht aus dem Schlachthofe zu entfernen. Dr. G.
Unfallstatistik der Fleischerei-Berufsgenossenschaft Im Jahre 1907.
Der Verwaltungsbericht der Fleischerei-Berufsgenossenschaft
vermerkt im Jahre 1907 insgesamt 4338 Unfälle. Es fanden Er¬
ledigung 1120 durch Entschädigung, 338 durch Ablehnung des
Anspruchs und 2847 durch Wiederherstellung vor Eintritt der Ent¬
schädigungspflicht. Bei den entschädigten Unfällen handelt es sich
um 174 Quetschungen, 495 Schnitt-, Stich-, Riß- und Hiebwunden,
18 Verbrühungen und Ätzungen, 140 Knochenbrüche, 152 Vcrlust-
fälle von Gliedern, 49 Verrenkungen und Zerrungen, 52 Ver¬
stauchungen und Erschütterungen, 10 Lcistenbrüchen, 30 sonstigen
Verletzungen. Von den Unfällen ereigneten sich 540 im Sommer¬
halbjahr (1. April bis 1. Oktober) und 580 im Winterhalbjahr, von
den Verletzten waren 1062 männlichen und 58 weiblichen Geschlechts.
Tödlich verletzt wurden 30 Personen. Auf einen Verletzten entfiel
im Durchschnitt eine Rente von 25,03 Proz. der Vollrente gegen
24,90 Proz. im Jahre 1906. Die Gesamtzahl der Rentenempfänger
betrug Ende 1907 5251.
Forderungen der Fleischer.
Der 31. Verbandstag des Deutschen Fleischer-Verbandes in
Essen nahm zu verschiedenen Fragen des Viehhandcls, der Fleisch¬
beschau und des Schlachthofw r esens Stellung. Bemerkenswert sind
folgende Beschlüsse und Resolutionen:
1. Der Verband verhält sich ablehnend gegen den Versuch
einer gesetzlichen Einführung des Schlußschein- und Wiegezwanges
auf den Schlachtviehmärkten, ebenso gegen die von der preußischen
Regierung beabsichtigte Änderung des § 70 der Reichs-Gewerbc-
Ordnung, da darin ein Versuch der Einführung des obligatorischen
Lebendgewichtshandels bei Schlachtvieh zu erblicken sei.
2. Eine Erweiterung der Hauptmängelliste wird für notwendig
erachtet, eine Nachprüfung und mildere Fassung der Bestimmungen
des Fleischbeschaugesetzes über die Behandlung beanstandeten
Fleisches angeregt.
3. Der Verbandstag erklärt sich gegen das unveränderte Fort¬
bestehen des §11 des Preußischen Kommunalabgabcn-Gesetzes, wie
überhaupt gegen das Bestreben vieler Städte, die Schlachthäuser
als Einnahmequelle für die städtischen Finanzen zu benutzen. Die
Abänderung des genannten Paragraphen wird für dringend nötig
gehalten.
4. Jedo Besteuerung des Fleisches, sei es in Form von Über¬
schüssen aus den Schlachthausbetrieben, sei es durch die Erhebung
von Abgaben, Verbrauchssteuern oder Akzisen seitens des Staates
oder der Kommunen ist im Interesse einer gesunden Volkswirtschaft
abzulehnen und, soweit sie besteht, zu beseitigen. Die Petitionen
der Städte um Hinausschiebung des Termins für die Beseitigung
der Fleischsteuern sind zurückzuweisen.
5. Kolonialwaren- und Vorkostgeschäfte, welche Fleischwaren
führen, sollen hierfür einen abgesonderten Raum als Verkaufslokal
halten.
6. Die obligatorische Untersuchung bei allen Hausschlachtungen
ist durchzuführen.
7. Die Kosten der Fleischbeschau sollen von den einzelnen
Bundesstaaten übernommen werden.
8. Der Verband tritt für die Aufhebung der Freizügigkeit des
Freibankfleisches ein (minderwertigen Fleisches).
9. Der Ausnahmetatif für frisch geschlachtetes Fleisch sollte
auf Fleischwaren ausgedehnt werden.
10. Beim Verdacht des Vorliegens einer Fleisch- oder Wurst¬
vergiftung möchten die Ärzte jedo Äußerung über die Krankheits¬
ursache unterlassen, bis sich der Verdacht als begründet erweist.
Die Verwertung des im Nahrungs- und Genußwerte erheblich herab¬
gesetzt erklärten Fleisches.
Von J. Ehrle, königl. Bezirkstierarzt in Markt-Oberndorf in Bayern.
(Deutsche Fleischbeschauer-Zeitung 1908, S. 20.)
Ehrle wirft die Fragen auf, wer beim Verkauf des minder-
w'ertigen Fleisches den Preis zu bestimmen hat und um wie viel
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
572
No. 32.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
niederer dieser anzusetzen ist, wie für das taugliche Fleisch. Es
fehlt in den Ausfuhrbestimmungen und in den landesherrlichen
Vorschriften die Bestimmung darüber, wer über den Fleischpreis
zu entscheiden hat. Dem Tierarzt wird das Recht zur Preisfest¬
setzung von den meisten Tierbesitzern bestritten. In vielen
Gemeinden haben sich, um einen schnellen Absatz des minder¬
wertigen Fleisches zu ermöglichen, sogenannte Notschlachtungs¬
vereine gebildet und die Preise statutenmäßig festgelegt, andere
Vereine richten den Preis so ein, daß aus dem Verkauf die Hälfte
des Wertes des Tieres erlöst werden muß. Dieser Unsicherheiten
und Verschiedenheiten wegen sollte ein Anhaltspunkt für den
Preis dera r tigen Fleisches auf gesetzlicher Basis gegeben werden.
Nach Ansicht der Redaktion der „Deutschen Fleischbeschauer-
Zeitung“ dürfte die Preisbestimmung Sache des Tierbesitzers sein.
Das Fleischschaugesetz legt nur Wert darauf, daß das Fleisch als
minderwertig gekennzeichnet wird. Vorschriften über den Vertrieb
bleiben dem Landesrecht Vorbehalten. Auch § 10 des N.-M.-G.
fordert für „verdorbenes“ Fleisch nur Deklaration. Die Fleisch¬
schaugesetzgebung wird sich nur auf den gesundheitlichen Stand¬
punkt stellen müssen, der den in Rede stehenden Eingriff in die
Rechte des Tierbesitzers nicht fordert. Wenn sich Leute finden,
die das minderwertige Fleisch übermäßig hoch bezahlen, liegt das
außerhalb des Fleischschaugesetzes und läßt sich dagegen nichts
einwenden.
Fleischbeschau bei Hausschlachtungen.
Im Kreise Teltow ist die Schlachtvieh- und Fleischbeschau
durch Polizeiverordnung auf die Hausschlachtungen von Rindern
ausgedehnt worden.
Kesten der Trichinenschau.
Böhm-Nürnberg berechnet die Kosten der Trichinenschau
folgendermaßen: Untersucht wurden in einem Jahre 160300 Schweine
und Wildschweine und 750 einzelne Fleischstücke. Die Untersuchungs¬
gebühren betragen 80 375 M. (50 Pf. für ein Schwein und 30 Pf. für
ein Fleischstück). Die Untersuchung geschieht in 10130 Tages-
dicnstleistungen von Tricliinenscliauern, 1060 von Probenehmern
und 560 von Buchhaltern. Zur Beschau der höchsten Tagcsschlach-
tung von 1180 Schweinen sind 50 Trichinenschaucr, 5 Probenehmer
und 2 Buchhalter heranzuziehen. Die Ausgaben betragen 3 000 M.
für Verzinsung und Tilgung von 60 000 M. Einrichtungskosten,
2 000 M. für Beleuchtung, Heizung, Reinigung, 300 M. für Inventarien,
Drucksachen, 500 M. für Neuanschaffungen, 750 M. Beiträge für die
Alters- und Invalidenversicherung, 47 000 M. Gehälter, 1 000 M. für
besondere Einberufungen zusammen 54 550 M. Der Gemeindekasse
erwächst bei richtiger Organisation ein Gewinn ohne daß das
Fleisch mehr als 1 Pf. für das Kilogramm durch die Kosten der
Trichinenschau belastet wild.
Hau68chlachtungen in Preußen.
Bei der letzten Viehzählung am 1. Dezember 1907 hat wie am
1. Dezember 1904 eine Zählung der im vorhergegangenen Jahre
vorgenommenen Hausschlachtungen stattgefunden. Vergleicht man
die gewonnenen Resultate der beiden Jahre mit einander, so
ergibt sich:
1.12.03-30.11.04 1
12.03-30.11.04
1.12.03-30.11.04
Gewerbliche
Haus-
Gesamt-
Schlachtungen
Schlachtungen
Schlachtungen
Rindvieh . .
. . 4036 796
124115
4160 911
Schweine . .
. . 8 852 352
3 688 086
12 540 438
Schafe . . .
. . 1465 032
541 969
2G07 001
Ziegen . . .
. . 157 302
503 918
661 220
dagegen 1.12
06-30.11. 07 1.12.06-30.11. 07
1.12.06- 30.11.07
Gewerbliche
Haus-
Gesamt-
Schlachtungen
Schlachtungen
schlachltnngen
Rindvieh . .
. . 4 250 205
139 144
4 389 349
Schweine . .
. . 9 714 005
3 861 366
13 575 371
Schafe . . .
. . 1 477 658
504 906
1 982 564
Ziegen . . .
. . 176 858
468 819
645 677
Der Anteil in Prozenten der Gesamtschlachtung beträgt also
bei Riudern bei Schweinen bei Schafen bei Ziegen
1904 2,98 Proz. 29,41
Proz. 26,22 Proz. 76,21 Proz.
1907 3,17
* 28,44
„ 25,48
„ 72,61 „
Nur bei den Rindern hat eine Zunahme stattgefuuden, während
das Zurückgchcn bei Schweinon auf die mittlerweile vielerorts er¬
folgte Unterstellung der Hausschlachtungen bei diesem Tiere unter
die Fleischbeschau zurückzuführen sein dürfte.
Jüdische Fleischbeschau.
Für koscher erklärt sind am Hamburger Schlachthofe im Jahre
1907 49 Proz. der geschachteten Rinder, 56 Proz. der Kälber und
55 Proz der Schafe.
Unberechtigtes Ausschneiden von Fleisch vor der Bestimmung des Schlacht¬
gewichts.
Der Verein der Viehhändler in Braunschweig hatte nach der
„Allgemeinen Fleischer-Zeitung“ in einer Eingabe darauf hinge¬
wiesen, daß mitunter bei den geschlachteten Tieren vor dem Wiegen
erhebliche Fleischmengen abgeschnitten und der Gewichtsfeststellung
entzogen wurden. Auch die um eine Äußerung ersuchte Fleischer-
Zeitung hat sich dahin ausgesprochen, daß die Klage der Vieh¬
händler betreffs unberechtigten Abschneidens von Fleischteilen vor
dem Wiegen seitens mehrerer Fleischer voll und ganz berechtigt
ist. Ähnliche Mißstände sind wiederholt auch von anderen Schlacht¬
höfen gemeldet worden. Der Schaden bei nicht entsprechender
Feststellung des Schlachtgewichtes oder unkontrolliertem über
mäßigem „Ausputzen“ trifft den Verkäufer und Viehproduzenten.
Berlin: Auszug aus dem Fleisohbeschauberioht für die Monate April bis Juni 1908.
A.
Schlachthof
B. Untersuchungsstationen
Rinder
Jung¬
rinder
Kälber
Schafe
(Ziegen)
Schweine
Rindcr-
viertel
Kälber
Schafe
(Ziegen)
Schweine
Geschlachtet und untersucht.
29 760
5 008
51 219
114 550
289 921
8 776
11 199
2 232
13 574
Es wurden beschlagnahmt: ganz.
1050
158
299
65
2 610
38
104'/,
61
31
„ „ „ teilweise . . .
14 145
874
664
7 745
67 629
—
—-
—
ln der Zahl der beschlagnahmten ganzen Tiere
sind nicht enthalten:
a) verendete Tiere.
3
—
14
10
73
—
—
—
—
b) ungeborene Tiere.
2
-
31
—
-
—
Wegen Tuberkulose teilweise beanstandet:
„ „ minderwertig . . .
265
19
20
! i
894
1
—
1 —
1
„ bedingt tauglich . .
184
23
29
1 i
448
—
| ~
—
2
., untauglich ....
53
16
o
I ,&■!
26
—
1
; —
—
Fleischviortcl, verschieden beurteilt. . . .
149
10
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6. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
573
Entnahme von Nahrungsmittelproben.
Ein Fleischer hatte das Verlangen des Polizeibeamten auf
Verabfolgung einer Probe von einer bestimmten Ware mit dem
Hinweis abgelehnt, daß das betreffende Stück für den Haushalt
gebraucht werden solle. Da das Stück sich im Geschäftsraum be¬
fand und erst beim Eintritt des Beamten nach der Küche geschafft
wurde, war nach Ansicht der „Deutschen Juristenzeitung“ der
Beamte berechtigt, eine Probe von dem Stück zu verlangen. Es
braucht in solchen Fällen auf Erklärungen obiger Art keine Rück¬
sicht genommen zu werden, da das Gesetz die Entnahme von
Proben aus im Geschäftsraum befindlichen Nahrungsmitteln ohne
jede Ausnahme gestattet
Pfobeschlachtungen zur Steuerveranlagung.
Der Magistrat in Braunschweig beschloß, um eine Einsicht in
den Verdienst der Fleischer zwecks zutreffender Steuerveranlagung
zu gewinnen, einige Probeschlachtungcn auf Rechnung der Stadt¬
verwaltung vorzunehmen uud das Fleisch auf dem Markte zu den
üblichen Preisen zu verkaufen.
Kühlanlagen In den Markthallen.
In Berlin sollen nach und nach die Markthallen mit Kühl¬
anlagen versehen werden. In einer Halle ist bereits mit dem Bau
der Kühleinrichtung begonnen worden, für eine zweite-plant man
daneben Ausschlachteräume zu schaffen, um dort Fleisch auszu¬
hauen und Wild und Geflügel, insbesondere Gänse, auszuschlachten.
Die Kosten für eine solche Anlage berechnet man auf 265 000 M.
Polizeiverordnung, betr. Aufstellung von Konflskatbehältern in den
Schlächtereien in Lüneburg.
Vom 14. November 1907 (Amtsbl. S. 253).
Auf Grund der §§ 137, 138 und 139 des Gesetzes über die all¬
gemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 und der §§ 6 und 12
der Königlichen Verordnung vom 20. September 1867 über die
Polizeiverwaltung in den neu erworbenen Landesteilen wird unter
Zustimmung des Bezirksausschusses für den Umfang des Regierungs¬
bezirks Lüneburg hiermit folgendes verordnet:
§ 1. In jeder gewerblichen Schlachtstutte ist durch den Inhaber
derselben zur Aufnahme der bei der Fleischbeschau beanstandeten
Teile ein hinsichtlich seiner Größe dem Umfange des Schlächterei¬
betriebes entsprechender Sammelbehälter aufzustellen.
Dieser Behälter soll aus verzinktem Eisenblech bestehen und
einen verschließbaren und dicht schließenden Entleerungsdeckel
besitzen.
Zu jedem Behälter sind 2 Schlüssel zu beschaffen. Je einen
nimmt der zuständige Fleischbeschauer und der zuständige Polizei¬
beamte in Verwahr.
§ 2. Vor Ingebrauchnahme und nach jeder Entleerung sind I
die Behälter bis zu etwa */ 5 ihres Rauminhalts mit Chlorkalkmilch
(hergestellt aus 1 Teil frischem Chlorkalk und 20 Teilen Wasser)
oder einem anderen, in Wasser löslichen Desinfektionsmittel zu
beschicken.
§ 3. Die Entleerung der Behälter und die Vernichtung des
Inhalts erfolgt nach einem in § 45 der B. B. A (Ausführungs¬
bestimmungen) zum Fleischbeschaugesetze vom 3. Juni 1900 (Reichs¬
gesetzblatt S. 547) vorgeschriebenen Verfahren (Verbrennen oder
Vergraben) unter polizeilicher Aufsicht auf dem von den Polizei¬
behörden bereitgestellten Platze, und zwar durch eine polizeilicher-
seits damit beauftragte Person.
Der Transport des Behälters zu dem Verseharrungsplatz ist
Sache der Schlächtereiinhaber.
§ 4. Die Entleerung der Behälter erfolgt an von den Polizei¬
behörden näher zu bestimmenden Terminen in den Monaten Mai
bis einschließlich September mindestens jede Woche einmal, in den
übrigen Monaten mindestens alle 14 Tage.
Sofern in einzelnen Fällen eine öftere Entleerung notwendig
werden sollte, hat der betreffende Schlächtereiinhaber oder der
Fleischbeschauer der Polizeibehörde Mitteilung zu machen.
§ 5. Die ordnungsmäßige Benutzung der Sammelbehälter
unterliegt der Beaufsichtigung durch die Fleischbeschauer. Etwaigen
Anordnungen derselben ist Folge zu leisten.
§ 6. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieser Polizei¬
verordnung werden mit Geldstrafen bis zum Betrage von 30 M. in
jedem einzelnen Falle geahndet, an deren Stelle im Unvermögens¬
falle verhältnismäßige Haftstrafe tritt.
Unabhängig von der Bestrafung erfolgt zwangsweise Durch¬
führung der Vorschriften dieser Polizeiverordnung nach Maßgabe
des § 132 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom
30. Juli 1883.
§ 7. Diese Polizeiverordnung tritt am 1. Januar 1908 in Kraft.
Der Regierungspräsident
Einfuhr von Fischen, Amphibien, Weichtieren und Krustentieren nach
Deutschland im Jahre 1907.
Die Einfuhr betrug nach den „Monatlichen Nachweisen über
den auswärtigen Handel Deutschlands“ in Doppelzentnern (100 kg)
an: Karpfen, frilche 14 850; andere lebende Süßwasserfische 19 971;
andere nicht lebende Süßwasserfische 57 476; Heringe (Breitling),
Sprotten, frische 939 587; andere Salzwassorfische, frische 247 672;
gesalzene Heringe, unzerteilt; Heringsmilch, Heringslake 1300420Faß
und 2321 Dz; Lachs 35 717; Sardellen 12 601; Stockfisch (ge¬
trockneter Kabeljau, Klippfisch) 9773; Bücklinge usw. 27 309;
Fische zum feineren Tafelgenusse zubereitet 6; Kaviar und Kaviar¬
ersatzstoffe (Fischrogen); Kaviarlake 3812; Austern 9533; Mies¬
muscheln 23177, andere Seemuscheln 1; Schnecken aller Art;
Froschkeulen 191; Schildkröten 130; Süßwasserkrebse, Krebsfleisch
auch zubereitet, 9453; Hummer, Langusten 11713; Krabben 432;
andere Seekrebse, lebend, abgekocht, eingesalzen 6; Seekrebsc;
Seemuscheln, Schnecken usw. anders alo durch Abkochen oder Ein¬
salzen zubereitet 6.
Deutschlands Fischverbrauch.
Nach dem statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich 1907
lieferten die Deutschen Fischereiflotten 1906 für etwa 27,5 Mill.
Mark Fische auf den Markt, wovon für 8,02 Mill. wieder ausgeführt
wurden. Aus dem Auslande eingeführt sind für ungefähr 107,1 Mill.
Mark Fische, vornehmlich aus England (35,9 Mill.), Niederland (21,5
Mill ), Dänemark (9 Mill.), Rußland (7,9 Mill.), Norwegen (9,9 Mill.),
den Vereinigten Staaten (6,2 Mill.) und Schweden (4,7 Mill. Mark).
Transport lebender Seefische.
Im Fischereihafen zu Cuxhaven sind erfolgreiche Versuche
angestcllt, den Transport lebender Seefische in die großen Städte
des Inlandes zu ermöglichen. Die Versuche sind unter Mitwirkung
des Fischereiinspektors Du ge seitens der Fischereitransportfirma
Kau mann Nachfl. A.-G-, Berlin, unternommen, die über besondere
patentierte Spezialwaggons für den Transport lebender Fische
verfügt und in diesen bereits aus Rumänien und Marsaille Ladungen
von je 100—120 Zentner lebender Süßwasserfische bei Reisezeiten
von 90—100 Stunden in tadellosem Zustande nach Berlin gebracht
hat. Nach einigen Vorproben wurden lebende Schollen, Steinbutt,
Terbutt und Seezungen in den Wagen getan, der mit 3V a Proz.
Salz enthaltendem Seewasser gefüllt war. Der Verlust betrug nach
36 Stunden nur einige Prozent Schollen. Die meisten Schollen und
alle übrigen Fische waren in vorzüglicher Verfassung geblieben.
Für die deutsche Seefischerei ist das Gelingen dieser Versuche von
außerordentlicher Bedeutnng.
Zur Versorgung Berlins mit Fischen.
Der Fischhandel gestaltet sich nach dem Bericht über die
Gemeindeverwaltung der Stadt Berlin von Jahr zu Jahr schwieriger.
Die Zufuhren können den Bedarf nicht decken und die Absicht,
den Fisch zum Volksnahrungsmittel zu machen, ist völlig vereitelt.
Die Ursachen liegen in der Verminderung des Fischbestandes in¬
folge der Stromregulierungen und der dabei entstehenden Be¬
schränkung der Laichplätze und in den starken Verunreinigungen
der Flußläufe. Die besten Fische werden immer knapper, auch die
Seefische konnten den Bedarf nicht decken, und besonders erste
Qualitäten fehlen auch unter diesen fast gänzlich. Der Jahresumsatz
an lebenden und toten Fischen bei dem städtischen Verkaufsver¬
mittler betrug:
1903 : 23 900 Zentner im Werte von 1912 810 M.
1904 : 21166 „ „ „ „ 1030 360 „
1905 : 21644 „ „ „ „ 1071 992
574
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
Der Hering als Futtermittel.
Der Heringsfang ist nach Mitteilungen in der „Fisch-Industrie“
in der Ostsee so ergiebig gewesen, daß man die Massen als
Nahrungsmittel nicht verwerten kann und zu Spottpreisen als
Düngemittel den Landwirten anbietet. Viel besser seien die Fische
nach Ansicht des Blattes als Futter- und Mastmittel für Schweine,
Geflügel und Fische zu verwerten, Der Markt hierfür muß freilich
erst erschlossen werden, um die vorhandenen starken Antipathien
gegen eine solche Fütterung zu überwinden. Selbst ein maximaler
Tranansatz verschlechtert den Geschmack der Karpfen und Forellen
nicht, und auch bei den Warmblütern kann durch geeignetes Bei¬
futter ein übler Geschmack des Fleisches verhindert werden. Die
Finna Winkler in Geestemünde hat sogar mit dem aus minder¬
wertigem Material hergestellten Fischbrei (Truttat, Porcin) ansehn¬
liche Erfolge erzielt. Sie stapelt die unverkäuflichen Heringe in
Gefrierhäusern auf und verkauft das Futter zu relativ ansehnlichen
Preisen an die Salmanidenzüchter. Auch die thermischen Ver¬
nichtungsanlagen sollten die Verarbeitung der überschüssigen
Fische in die Hand nehmen. VorzuBchlagen ist ferner, die durch
den Wolf zerkleinerten frischen, ungesalzenen Heringe mit 10 bis
15 Proz. Melasse zu vermengen und das Gemisch als Schweine-,
Geflügel- und Forellenfutter abzugeben. Dieses Futter hält sich,
wie die Präparate der Firma Pallasch in Eideistadt bei Altona
zeigen, lange Zeit. — Die Absicht, die Fischabfälle möglichst
vorteilhaft zu verwenden, ist sicherlich nur zu billigen, als
Schweine- und Gefltigelfutter wären dieselben aber erst dann zu
empfehlen, wenn die Entstehung eines Fischgeschmackes sicher
verhütet werden kann.
Austernfang In der Nordsee.
Die Deutsche Austernfischerei, die von der Unterelbe aus in
der Nordsee betrieben wird, ist mit besonderen Gefahren für die
Fischer verknüpft, da die Austerngründe etwa in dem Mittelpunkte
der Nordsee gelegen sind und die Fischer oft auf hoher See die
Winterstürme über sich ergehen lassen müssen. Die Austern werden
mit besonderen Netzen aus einer Tiefe von 30 bis 35 Faden empör¬
geholt. Als durchschnittliche Ausbeute gilt ein Fang von 15000 bis
20000 Austern in 2 bis 3 Wochen. Die Fangzeit dauert von Mitte
September bis Mitte April. Jährlich werden mehrere Millionen
Nordseeaustern in Cuxhaven auf den Markt gebracht, doch geht
der Austernfang wegen seiner Gefährlichkeit mehr und mehr zurück.
Deutsche Austemzucht.
Zur Förderung der Deutschen Austernzucht sollen Versuche ge¬
macht werden, holländische Austern in das deutsche Wattenmeer
zu verpflanzen. Die deutschen Austernbänke sind noch nicht selbst
imstande, so viel Brut zu erzeugen, daß Saataustern abgegeben
werden können, weshalb die Einfuhr von ausländischen Austern, die
zollfrei erfolgen kann, nicht zu umgehen ist. Das deutsche Watten¬
meer das etwa 4400 Quadratkilometer umfaßt, liegt bis auf die
schleswigschon Naturbänke noch unbenutzt da und könnte teilweise
recht gut zur Austernkultur herangezogen werden, was um so mehr
geschehen sollte, als die Küstenfischerei überall zurück geht Die
Gewässer sind keineswegs ungünstig für das Gedeihen der Austern
und werden durch Verunreinigungen nicht nachteilig beeinflußt.
Aalbrut.
Der wissenschaftliche Leiter der Fahrten des dänischen
Forschungsdampfers „Thor“, Dr. Schmidt, hat Laichplätze des
Aales entdeckt. Seine Feststellungen ermöglichen, die Brut einzu¬
fangen und in geeignete Gewässer zu verpflanzen. Eine Sendung
von '/a Mill. junger Aale (sog. Glasaale) ist neuerdings in Cuxhaven
eingetroffen.
„Krebssuppen.“
Der Inhaber eines bekannten großen Restaurants in Hamburg
war wegen Vergehens gegen das N.-M.-G. angeklagt. Wie in der
Verhandlung festgestellt wurde, hatte er ttbriggebliebene Speise¬
reste verwertet und andern Gästen erneut vorgesetzt, Tropfbier
verschänkt, billiges Geflügel an Stelle teuern Wildes verkauft usw.
Besonders unappetitlich war, daß zu Krebssuppen die ausgelutschten
Ilummerschalen verwendet wurden.
Kanineheii-Zuohtanstalt.
Der Triester Stadtrat beschloß, um für die ärmere Bevölkerung
eine billige Fleischnahrung zu beschaffen, eine Zucht von Kaninchen
in großem Maßstabe einzurichten. Die Anstalt wurde am 1. De¬
zember eröffnet und die Leitung nach einer Notiz im „Tierärztlichen
Zentralblatt“ dem Stadttierarzt Dr. Arnerytsch in Triest übertragen.
Kaninchenhandel.
Die Kaninchenplage sucht die australische Regierung dadurch
zu bekämpfen, daß den betroffenen Bezirk durch ein riesiges Gatter
das mit Fallen versehen ist, eingezäunt wurde. Die massenhaft
gefangenen Kaninchen werden jetzt in gefrorenem Zustande ver¬
sandt, besonders nach England, in geringem Umfange nach Deutsch¬
land. Seit dem 1. Dezember 1907 sind 918 Q00 Körbe Kaninchen nach
England gelangt im Gewichte von 23 000 Tonnen. Die Einfuhr ver¬
minderte dort besonders den Konsum an Hammelfleisch bemerkenswert
Konservierung der Eier.
In der „Zeitschrift für Untersuchung der Nahrung- und Genu߬
mittel“ bemerkte Prall, daß sich die Eier mehrere Monate konser¬
vieren lassen, wenn sie in luftigen kühlen Räumen, in denen kein
zu hoher Feuchtigkeitsgehalt besteht, aufbewahrt werden: Die beste
Temperatur sei 0 Grad, die Luft dürfe nicht über 80 Proz. Feuchtig¬
keit enthalten. Unter den Konservierungsmitteln ist 10 Proz. Wasser¬
glaslösung am empfehlenswertesten.
Eiereinfuhr.
Im Jahre 1907 sind nach den „Monatlichen Nachweisen über
den auswärtigen. Handel Deutschlands“ nach Deutschland einge¬
führt in Doppelzentnern: Eier 1494 552, Eigelb, eingeschlagene Eier
19 218; Eiweiß, flüssig 1540.
Pinguineneler.
Pinguineneier gelangen neuerdings in London und Paris als
Delikatesse auf den Markt. Sie kommen vorwiegend aus dem
Süden und Osten Afrikas, wo sie schon lange den Hühnereiern
vorgezogen werden._
Tierhaltung und Tierzucht.
Geschäftsbericht der bayerischen Landes-
Viehversicherungsanstalt
für das II. Versicherungsjahr 1906/1907.
(1. November 1906 bis 1. November 1907.)
Der vorliegende Jahresbericht enthält einleitend einige Ab¬
änderungen, die sich vorwiegend mit der Ziegenversicherung be¬
schäftigen. Die letztere ist bekanntlich in Bayern der staatlichen
Rindviehversicherung angeschlossen. Bei Ziegen findet aber eine
Wertermittlung nicht statt, der Wert für jedes Stück ist auf 15 M.
festgesetzt. Es ist jedoch den Ortsviehversicherungsvereinen
anheim gestellt, durch Beschluß der Generalversammlung für ver¬
edelte Ziegen die Individualversicherung einzuführen. Die Ent¬
schädigung beträgt bei umgestandenen Tieren 7,o und bei not¬
geschlachteten 8 /,u des Wertes.
Was nun den Geschäftsgang der Anstalt im Berichtsjahr selbst
anlangt, so ergab die Nachschau im Herbst 1907 1614 Vereine mit
81 552 Mitgliedern und 320 776 Tieren mit einem Versicherungswert
von 85 489 565 M. (die beitragspflichtige Versicherungssumme selbst
beträgt 84 567 225 M.).
Auf einen Ortsverein trafen im Durchschnitt 51 Mitglieder mit
199 versicherten Tieren. Der durchschnittliche Versicherungswert
eines Rindviehstückes belief sich auf 312 M. nach der Herbst¬
nachschau (gegen 306 M. im Vorjahr).
Die Zahl der Ortsvereine hat um 42, die der Mitglieder um
2439 und die der versicherten Tiere um 15007 zugenommen, die
Versicherungssumme hat sich um 5 364 060 M. erhöht. Bei den
Schadensfällen ist eine Minderung um 172 eingetreten. An den
Schäden mit im ganzen 3,22 Proz. gegen 3,43 Proz. im Vorjahr ist 'das
Rindvieh mit 2,92, die Ziegen sind mit 4,87 Proz. aller Tiere beteiligt.
Mit Einrechnung eines vom Vorjahre übernommenen Falles
wurden 10 418 Entschädigungsansprüche erhoben. Davon erwiesen
sich 10 330 Fälle als begründet und gelangten zur Auszahlung,
84 Fälle waren nicht begründet, während zwei weitere Fälle noch
6. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
575
schweben. Die Schadensfälle sind gegenüber dem Vorjahre bei
den Ochsen nur um 0,04 Proz. und bei den Kühen um 0,03 Proz.
im Anteil der versicherten Tiere zurückgegangen. Erheblicher ist
der Rückgang beim Jungvieh mit 0,23 Proz. und bei den Ziegen
mit 0,84 Proz.
Von den entschädigten Viehstücken waren
notgeschlachtet. 6771 = 65,55 Proz.
umgestanden. 3347 = 32,40 „
geschlachtet (Schlachtviehversicbcrung) 212= 2,05 „
Wenn auch der Anteil der umgestandenen Tiere an den
Schadensfällen gegenüber dem Vorjahr mit 33,13 Proz. etwas
zurückgegangen ist, so ist diese Zahl immer noch eine auffallend
hohe, wie auch der Bericht mit Recht hervorhebt Der letztere
wendet sich deshalb an die Ausschußmitglieder der Ortsvereine, um
auf Minderung der Schäden durch rechtzeitiges Schlachten zu dringen.
Die notgeschlachteten und umgestandenen Tiere von zusammen
10118 scheiden sich in 7703 Rindviehstücke und 2415 Ziegen. In
5689 Fällen und zwar bei 5511 Rindviehstücken (= 71,54 Proz. der
Schadensfälle) und 178 Ziegen (= 7,37 Proz.) hat eine tierärztliche
Behandlung oder Untersuchung stattgefunden.
Aus der Verwertung von notgeschlachteten und umgestandenen
Tieren wurde ein Erlös von 671097,07 M. erzielt. Davon trafen
649195,30 M. auf 6771 notgeschlachtete und 21901,77 M. auf
3347 umgestandenen Tiere. Im Durchschnitt ergab sich ein Rein¬
erlös von 95,88 M. für ein notgeschlachtetes und von 6,54 M. für
ein umgestandenes Tier. Im ganzen betrug der Erlös 33,80 Proz.
der Entschädigung gegenüber 34,68 Proz. im Vorjahr.
Bei der Schlachtviehversicherung betrug die Entschädigung für
212 Fälle 14453,50 M. Hierbei wurde das Fleisch in 165 Fällen
als teilweise und in 47 Fällen als gänzlich ungenießbar erklärt.
Bei den ersteren wurde durchschnittlich eine Entschädigung von
40,91 M und bei den letzteren eine solche von 163,91 M. gewährt
Dabei ist der Erlös aus der Verwertung von Tjpren den Ver¬
sicherten verblieben.
Die Kosten für die tierärztliche Behandlung und Arzeneien
beliefen sich auf 135595,44 M. = 0,16 Proz. der beitragspflichtigen
Versicherungssumme und für die örtliche Verwaltung auf 72844,90 M.
= 0,09 Proz. gegenüber 0,10 Proz. des Vorjahres.
Der ungedeckte Aufwand betrug 576149,12 M. Demnach war
bei einer beitragspflichtigen Versicherungssumme aller Vereine von
84 567 225 M. (siehe oben) ein Beitrag von 0,68,5 Proz. (sog. Ver¬
bandsumlage) erforderlich.
Der Anfall an Entschädigungen bei den einzelnen Ortsvereinen
belief sich auf 65 < 217,66 Mk. Diese Summe ist statutengemäß von
den einzelnen Ortsvereinen beizubringen. An dieser Summe kommen
aber 25 000 M. in Abzug, die von seiten des Ministeriums des
Innern an 439 Ortsvereine wegen Überlastung verteilt wurden.
Somit verminderte sich obige Summe auf 632 217,66 M.
Sonach war eine durchschnittliche Ortsumlage von 0,74,5 Proz.
notwendig. Naturgemäß schwankt die Ortsumlage bei den einzelnen
Ortsvereinen. So betrug sie auf 100 M. der Versicherungssumme
0,65,5 Proz. bei 100 Ortsvereinen (ohne Schäden),
0,69 bis 1,42 Proz. bei 792 Ortsvereinen,
1.43 Proz. Durchschnitt) bei 20 Ortsvereinen,
1.44 bis 2,00 Proz. bei 568 Ortsvereinen,
2,01 bis 2,50 Proz. bei 108 Ortsvereinen,
2,51 bis 3,00 Proz. bei 16 Ortsvereinen,
3,01 bis 3,50 Proz. bei 10 Ortsvereinen.
Der Satz über 2 Proz. traf hauptsächlich auf Ortsvereinen mit
vorherrschender Milchwirtschaft zu, wodurch das Versicherungs¬
verhältnis meist ungünstigt beeinflußt wird.
Die durchschnittliche Gesamtumlage (= Verbands-Ortsumlage)
stellte sich demnach im Berichtsjahr auf 0,68,5 Proz. und 0,74,5 Proz #
= 1,43 Proz. der beitragspflichtigen Versicherungssumme gegen¬
über 1,40 Proz. im Vorjahre. Wenn man erwägt, daß nach den
Bücheranzeigen und Kritiken.
Über Vererbung und Aufzucht der Pferde mit besonderer Berück¬
sichtigung der Schrittpferdezucht. Von E. Suckow, früher Gestüts-
Direktor und Leiter des Fürst K. E. Fürstenbergschen Rennstalles,
vordem Gestüts-Direktor Ihrer Majestät der Königin von Neapel.
Geschäftsberichten von 15 Viehversicherungsgesellschaften in
Deutschland die Prämien und Gebühren im Jahr 1906 bei 106,3 Mil.
Mark Versicherungssumme im Durchschnitt 4,1t Proz. der Ver¬
sicherungssumme betrugen, so stellen sich obige 1,43 Proz. als
sehr nieder heraus. Außerdem sind in diesem geringen Umlagefuß
bekanntlich noch die Kosten der tierärztlichen Behandlung, Medi¬
kamente und örtlichen Verwaltung mit inbegriffen.
Bemerkt sei noch, daß der Reservefonds, das gemeinschaftliche
Vermögen der angeschlossenen Ortsvereine, sich auf 424 053,31 M.
stellte. An Zinsen desselben konnten diesmal 16 544,28 M. zur
Deckung der Entschädigungen verwendet weiden. Schließlich
möge nach bisheriger Gepflogenheit die Schadensliste folgen; ein
Eingehen auf die einzelnen Krankheiten würde allerdings zu weit
führen. Das Ergebnis ist wie folgt:
I. Krankheiten des Nervensystems und der Sinnesorgane'
381 = 3,69 Proz.
II. Krankheiten des Gefäßsystems 614 = 5,94 Proz.
III. Krankheiten der Atmungsorgane 290 = 2,81 Proz.
IV. Krankheiten der Verdauungsorgane 2105 = 20,38 Proz^
V. Krankheiten der Harnorgane 214 — 2,07 Proz.
VI. Krankheiten der Geburtswege usw. 1891 = 18,31 Proz.
VII. Infektions-Krankheiten 3045 = 29,48 Proz.
VIII. Parasiten (tierische) 256 = 2,48 Proz.
IX. Krankheiten der Haut und Muskeln 179 = 1,78 Proz.
X. Krankheiten der Knochen und Gelenke 167 *= 1>62 Proz.
XI. Krankheiten der Klauen 23 = 0,22 Proz.
Xn. Vergiftungen 11 = 0,11 Proz.
XIII. Störungen der Ernährung 519 = 5,02 Proz.
XIV. Äußere Einwirkungen oder durch dieselben verursachte
Krankheiten 451 = 5,02-Proz.
XV. Unbestimmte Krankheiten 184 = 1,78 Proz.
Es ist das bekannte Bild, das sich hier darbietet.
Wie immer stehen die Infektionskrankeiten (VII) an der Spitze;
hier ist es wiederum nach alter Weise die Tuberkulose, die am ver¬
lustreichsten aufgetreten ist Sie forderte im Berichtsjahr allein;
2925 Opfer =** 28,32 Proz. aller Schadenfälle. Der Bericht verlangt;
zu ihrer Bekämpfung neben der Impfung das von Behringsche^
Schutzimpfungsverfahren beim Jungvieh. Verschiedene Tierärzte teilem
ihre günstigen Erfahrungen mit. Bei den an zweiter Linie marschieren¬
den Krankheiten der Verdauungsorgane (IV) nimmt das Verschlucken
von Fremdkörpern (Nadel, Nägel, Drahtstücke usw.) mit 744 Fällen =
7,20 Proz. aller Verluste, den ersten Rang ein. Behufs Verminderung
der traumatischen Erkrankungen wird von einem Sachverständigen
die Aufstellung einfacher Kästchen im Hofe und auf den Wegen
in Anregung gebracht. Es könnten darin die fraglichen Gegenstände
gesammelt, weiter benützt oder beseitigt werden, statt sie unter den
Dünger zu bringen. Die Schadensfälle durch Krankheiten der Geburts¬
wege (IV) in der Zahl von 1891 = 18,31 Proz. hat sieh gegenüber
dem Vorjahr nicht verschoben. Die Hauptrollen spielen, wie stets
die schweren fehlerhaften Geburten usw. Sie sind mit 1217 Fällen
= 11,78 Proz. verzeichnet
Ein Sachverständiger berichtete über infektiöse Euterentzündung,
hervorgerufen durch Druse Streptococcen. Es wurde festgestellt,
daß die Tiere wegen Streumangel das Steustroh von drusekranken
Pferden erhielten. Die Schadensfälle mit Tieren auf der Alpenwiese
waren wie immer sehr mäßig. Die 20 Fälle verteilten sich mit 12
Verlusten auf Absturz und abrollende Steine und mit 8 Verlusten
auf Krankheiten der Verdauungsorgane. Bei der Schlachtvieh Ver¬
sicherung handelte es sich meistens um Tuberkulose.
Zu erwähnen ist noch, daß zur Kennzeichnung der Tiere ver¬
schiedene Ohrmarken im Gebrauche sind.
Endlich wird den bei den Viehversicherungen mitwirkenden
Persönlichkeiten, so auch ganz besonders den Tierärzten der öffent¬
liche Dank ausgesprochen.
Bezirkstierarzt Maier, Konstanz.
Der von dem Verfasser am 13. März 1908 im Rheinischen
Pferdezucht-Verein in der Königsburg zu Krefeld gehaltene Vortrag
hat den Zweck, der rheinischen Kaltblutzucht die Aufgabe zu
sichern, die übrigen Zuchtgebiete Deutschlands mit Kaltblutpferden
zu versorgen. Nachdem die bedeutendsten züchterischen Forschungen
576
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
von Darwin beginnend bis zu den Arbeiten Kraemers gestreift
und wissenschaftlich verwertet sind, kommt der Verfasser zu dem
Satze, daß für alle Schrittpferdezuchten der Original¬
belgier das allein richtig verwendbare Stammblut bleibt.
Bei der Zucht soll nicht allein auf das hervorragende Exterieur
gesehen werden, sondern die Vererbung soll bei richtig angepaßten
Zuchttieren nach vier Richtungen geschehen, nämlich nach der
Konstitution, dem Temperament, dem Exterieur und dem Leistungs¬
vermögen. Jeder, der sich für Zncht interessiert, kann der aus¬
gezeichnet durchdachte und auf viel praktische Erfahrung basierende
Vortrag angelegentlichst empfohlen werden. Dr. To epp er.
Lehre vom Exterieur des Pferdes oder von der Beurteilung des
Pferdes nach seiner äußeren Form. Bearbeitet von Dr. Franz Müller,
K. und K. Hofrat, emer. Studien-Direktor und Professor des K. und
K. Militär-Tierarznei-Institutes zu Wien. Siebente Auflage. Mit
28 Holzschnitten und der Abbildung eines Original-Araber-IIengstes
und eines Pferdeskelettes. Wien und Leipzig. Wilhelm Braumüller,
K. und K. Hof- und Universitäts-Buchhändler, 1908.
Der Inhalt der in siebenter Auflage erscheinenden Lehre des
Exterieurs des Pferdes wird in drei Abschnitten abgehandelt Im
ersten Abschnitt beschreibt Verfasser allgemeine Verhältnisse in
bezug auf das Geschlecht, die Rasse, die Größe, die Farbe, Ab¬
zeichen und das Alter des Pferdes oder das Nationale. Der zweite
Abschnitt bringt die besondere Betrachtung der einzelnen Körper¬
gegenden. Der dritte Abschnitt handelt von der Stellung und Be¬
wegung des Pferdes, den üblen Gewohnheiten, der Art der Unter¬
suchung und der Auswahl zu verschiedenen Dienstesverrichtungen.
Die in dem Buche angeführte und benutzte Literatur ist nur älteren
Datums, die neuere ist in keiner Weise berücksichtigt. Ganz
besonders aber fehlen die Proportionsmessungen des Pferdekörpers,
auf welche neuerdings so viel Gewicht gelegt wird. Auch bei der
Zucht des Pferdes werden fast nur die Verhältnisse in Österreich-
Ungarn berücksichtigt. Daher kann das vorliegende Buch nur dem
Zwecke dienen, ein Hilfsmittel für den Unterricht zu sein und beim
Selbststudium den Anfänger in die Lehre des Exterieurs einzuführen.
Dr. T o e p p e r.
Dr. H. Schwyter, Über das Gleichgewicht des Pferdes.
Mit 25 Figuren im Text. Stämpfli & Cie., Bern 1907. Preis 3 M.
Sonderabdrücke.
Prof. E. Joeot, Zur pathologischen Anatomie der Lungen¬
wurmkrankheit (Lungenstrongylosc) des Rindes. Mit 2 Tafeln.
(Zeitschrift für Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene
der Haustiere. IV. Band, Heft 3/4). Verlagsbuchhandlung von Richard
Schoetz, Berlin 1908.
Dr. E. Joeot und Dr. 0. Röder, Prof. a. d. Tierärztl. Hochschule
in Dresden. Ein interessanter Fall von Endocarditis val-
vularis chronica beim Pferde. (Monatshefte für praktische Tier¬
heilkunde. XIX. Band, 4. Heft.) Ferdinand Enke, Stuttgart 1908.
Professoren Dr. E. Joest und Dr. K. Wolffhügel, Zur Pathogenese
der Lymphdrüsentnberkulose. (Zeitschrift für Infektionskrank¬
heiten und Hygiene der Haustiere. IV. Band, Heft 3/4.) Verlags¬
buchhandlung von Richard Schoetz, Berlin 1908.
Joest, Untersuchungen zur Frage des Vorkommens
latenter Tuberkelbazillen in den Lymphdrüsen des Rindes
und Schweines. (Verhandlungen der Deutschen Pathologischen
Gesellschaft. Elfte Tagung am 16.—19. September 1907.) Gustav
Fischer, Jena 1907.
Dr. P. Sabatlni, Untersuchungen über die Tragezeit bei
unseren wichtigsten Haustieren, beeinflußt durch Frühreife,
Erstgeburt, sowie Zahl und Geschlecht der Foeten. (Jahr¬
buch für wissenschaftliche und praktische Tierzucht, einschließlich der
Züchtungsbiologie III. Bd. 1908.
Inaugural-Dissertationen.
Kurt Degen, Untersuchungen über die hämatogene eitrige
Nephritis des Schweines. (Med. Fakultät, Gießen) 1907.
Kurt Neumann, Beitrag zur Biologie des Erregers der
Kälberruhr-Colibacillosis. (Med. Fakultät, Gießen). Gustav
Fischer, Jena 1908.
Kurt Schumann, Untersuchungen über Abszesse und ab¬
szeßähnliche Nekroseherde in der Leber des Kalbes. (Med.-
Fakultät, Leipzig) 1908.
Rolf Hartig, Vergleichende Untersuchungen über die
Lippen- und Backendrüsen der Ilaussäugetiere und des
Affen. (Med. Fakultät, Zürich) 1907.
The Philippine Journal of Science. Vol. III. Nr. 2. April 1908.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Stabsveterinär Ludwig
in der Schutztruppe für Südwestafrika das Großherzoglich Mecklen-
burg-Schwerinsche Militärverdienstkreuz 2. Klasse am roten Bande,
dem Tierarzt Heinrich Husfddt zu Wandsbeck der Kgl. Preußische
Kronenorden 4. Klasse.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Tierarzt Fr. Volk¬
mann , Assistent an der Abteilung für Geburtshilfe und Tierzucht
der Tierärztlichen Hochschule München ist auf Ansuchen seiner
Stelle enthoben worden; Tierarzt 0. Meyer aus München ist an
dessen Stelle getreten. — Schlachthofverwaltung: Schlachthof¬
tierarzt Ganxenmüller -Frankfurt a. M. zum Schlachthofdirektor in
Kattowitz (O.-Schles.) [nicht Frankfurt a. M., wie in voriger Nummer
irrtümlich angegeben], Schlachthoftierarzt A/ar/tw-Karlsrube zum
Schlachthofdirektor in Pforzheim.
Verzogen: Dr. Albert Möller von Alpirsbach als Vertreter des
Schlachthofdirektors nach Cammin i. Pomm.
Examina: Promoviert: Die Tierärzte H. Eickmann , einj.-freiw.
Unterveterinär im Ulan.-Regt. Nr. 13 zum Dr. med. vet. in Bern;
Erwin Baum, Wilhelm Felder , Reinhold Hille, Nathan Hirsch, Walther
Kiessiy, Emst Rosenfeld , Rudolf Schmidt zum Dr. med. vet. in Leipzig.
— Approbiert: Die Herren Otto Benzin, Jul. Joh. Herrn. Lauritzen,
J. W. Max Lüth, Ernst Rothfelder in Dresden; Willy Esch aus
Recklinghausen, Ixo Schcffler aus Triesdorf, Werner Müller aus
Amern St. Anton (Niederrhein), Emil Schebler aus Augsburg in
Gießen; Johann Amtier aus München, Max Gressel aus Berlin in
München.
in der Armee: Dr. med. vet E. Kühne zum Leutnant der Res.
im Fuß-Art.-Reg. General-Feldzeugmcister Nr. 3 befördert.
Todesfall: I)r. med. vet. Dittmer- Brömbcrg.
Vakanzen.
Kreistierarztstellen: a) Neu ausgeschrieben: Reg.-Bez.
Marienwerder: Stuhm. Bewerbungen innerhalb drei Wochen
an den Regierungspräsidenten. — b) Nach Ablauf der Melde¬
frist noch unbesetzt: Köln: Rheinbacb. Reg.-Bez. Marien-
werder: Rosenberg. Reg.-Bez. Osnabrück: Lingen. Reg.-
Bez. Posen: KoBchmin.
Tierärztliche Hochschule Stuttgart: II. Assistent a. d. chimrg.
Pferdeklinik zum 1. Oktober 1908. Gehalt 1270 M., freies Zimmer
usw. Bewerb, bis 8. August an die Direktion der Hochschule.
Tierseucheninstitut der Landwirtschaftskammer für die Provinz
Schleswig-Holstein: Bakteriolog. Assistent zum 1. Sept. oder 1. Okt. er.
Gehalt 2400 M. Bewerbungen an das Institut in Kiel, Krons¬
hagenerweg 7.
Schlachthofstellen: a) Neu ausgeschrieben;Osterode(Ostpr.):
Direktor zum 1. Oktober er. Gebalt 2100 M. bis 3000 M., freie
Dienstwohnung usw. Bewerb, bis 10. August er. an den Magistrat
b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt:
Barmen (Rhld.): 1. Assistenztierarzt, 2400 bis 4500 M., freie
Wohnung usw. — Bitburg: Tierarzt. 1600 M. — Bremen:
IV. Tierarzt. 2400 M. bis 3900 M. — Duisburg-Meiderich:
I. Tierarzt. 3000 M. — Erfurt: Schlachthofstierarzt 3400 M. bis
4900 M. — Frankfurt a. M. Tierarzt 2500 M. — Freienwalde:
Tierarzt. — Halle a. S.: Assistenztierarzt 200 M. pro Monat und
freie möblierte Wohnung. — Königsberg!. Pr.: Zwei Tierärzte. —
Bad Kreuznach: Assistenztierarzt 2400M. — Landsberg a. W.:
AsBisteDztierarzt. 2400 M. — Liegnitz: Assistenztierarzt. 2400 M. —
Prüm (Rhld.): Verwalter (Tierarzt). 1200 M. bis 1500 M., freie
Wohnung usw. — Pyritz: Schlachthofdirektor. 1800 M. bis
2400 M. — Schwiebus (Bez. Frankfurt a. O.): Schlachthof¬
leiter. 2400 M. — Stettin: III. Tierarzt bei der Ausland¬
fleischbeschaustelle. 2400 M. — Treptow a. R.: Schlachthof¬
direktor. 2400 bis 3600 M.
Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis:
a) Neu ausgeschrieben: Schwctz (Weichsel): Tierarzt. Aus¬
kunft erteilt Landrat von Halem in Schwetz.
b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Rem¬
berg (Kr. Wittenberg). — Kirchberg-Hunsrück. — Langels¬
heim (Herzogt. Braunschweig). — Mengede (Kr. Dortmund):
Fleischbeschautierarzt. Gehalt 3600 M., Wohnungsgeld 300 M., Wege¬
geld 300 M.
Besetzt: Die Schlachthofstellen in Kattowitz und Pforzheim.
Anfrage betreffs Schlachthofdirektorstelle Osterode Opr.
1. Was versteht man zur Zeit unter Tierarzt 1. Klasse?
2. Beruht das mir zugegangene Gerücht auf Wahrheit, daß die
Stelle gegen früher erheblich schlechter ausgeschrieben ist, weil der
frühere Stelleninhaber aus Privatpraxis erhebliche Einnahmen gehabt
haben soll? Tierarzt N. N.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. 8chmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard SchoeU in Berlin. —
Druck von W. Btlxenstein, Berlin.
Dl« „Berliner Tiertrstllohe Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoeti in
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Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 Pf. fdr Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (österreichische Post-Zeltungs-
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Origlnalbeltrftge werden mit 60 Sfk.« in Petltsata mit
00 Hk. filr den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
zn senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierirst-
iiche Hochschule, NW., Luisenstrafie 56. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare and Annonoen dagegen an die
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Tierärztliche Wochenschrift
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothe«
Hamburg. Departements-T. in Cöln.
Med.-Rat Dr. Roeder Dr. Schlegel
Professor in Dresden. Professor in Freibnrg.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Dr. Peter Veterinärrat Petere Veterinärrat Preuße Dr. Richter
Btaatstierarzt für Hamburg. Departements T. ln Bromberg. Departements-T. ln Danzig. Professor ln Dresden.
Dr. J. Schmidt . Reg.-Rat Dr. Vogel Wehrle Zündet
Professor in Dresden. Landestierarzt in München. Kais. Regierungsrat In Berlin. Kreistierarzt in MQIhaasen L E.
Helfer Dr. H. Sieber
Bchlach'h.-Direktor in Mülhaasen 1. E. am Tropen inst itut in Hamburg.
Dr. Städter Dr. Trapp Dr. Zimmermann
Stadt-Tierarzt in Hamburg. am Kaiser Wilhelm-Institut in Bromberg. Dozent in Budapest
Jahrgang 1908. ,M. 33 . Ausgegeben am 13. August.
Inhalt: Mießner: Die Bradsot der Schafe. — Kern: Immunisierungsversuche gegen die Tuberkulose an Rindern mit
v. Behringschem Bovovaccin. — Blunk: Eine neue Blutstillungszange, die ein Unterbinden durchschnittener
Blutgefäße überflüssig macht. — Holterbach: Zur Lecithintherapie. — Kongo: Ein neues Wurfzeug und eine
Tragbahre für Pferde. — Referate: Sieber: Tropenhygiene und Protozoen-Krankheiten. — Bi erste dt: Grauer Star. —
Jakob: Geheilte Fraktur des linken Metatarsus beim Zebu. — Bruns: Über die Anwendung des Oleum Ricini bei den Haus¬
tieren. — Botzner: Behandlung des ansteckenden Scheidenkatarrhs mit Bissulin. — Beck: Über Digalen. — Beck: Zur
Behandlung der Fohlenlähme. — Sz öl lös: Die Behandlung der Dämpfigkeit des Pferdes. — Kleine Mitteilungen. — Tages-
gesohlchte: Schmaltz: Zur Geschichte der internationalen tierärztlichen Kongresse. — Verschiedenes. — Tierhaltung und Tier¬
zucht: Plath: Stand der größeren Deutschen VLeh-Versicherungs-Gesellschaften am Schluß des Jahres 1907. — Kiesel: Über
die Vererbung von Farben und Abzeichon beim Pferd. — Personalien. — Vakanzen.
(Aus der Tierhygienischen Abteilung des Kaiser Wilhelm-Instituts
für Landwirtschaft in Bromberg.)
Vorläufige Mitteilung.
Die Bradsot der Schafe.
Vor Dr. Mießner, Abteilungsvorsteher.
Unter Hinweis auf die demnächst erfolgenden Veröffent¬
lichungen in den Mitteilungen des Kaiser Wilhelm-Instituts für
Landwirtschaft in Bromberg möchte ich au dieser Stelle folgende
Mitteilungen vorausschicken, die ein allgemeines Interesse haben
dürften. Ich bemerke dabei, daß die Ergebnisse meiner Unter¬
suchungen in zwei im November 1907 und im Februar 1908
eingesandten ausführlichen Ministerialberichten bereits nieder¬
gelegt sind.
Bei meinen im Dezember v. J. nnd Anfang d. J. an
größeren Beständen ausgefiihrten Untersuchungen habe ich fest¬
gestellt, daß sowohl in der Provinz Pommern als auch in der
Provinz Westpreußen eine Schafkrankheit auftritt, welche voll¬
ständig unter dem Bilde der Bradsot verläuft, wie sie von
Nielsen, Jensen, Peters, Hamilton beschrieben wird.
Insbesondere fanden sich in den meisten Fällen flache
Sebleimhautdefekte in der Pylornsgegend, der Tod trat ohne
wesentliche Krankheitserscheinnngen in wenigen Stunden ein,
nnd die Kadaver gingen schnell in Fäulnis über. Aus solchen
Kadavern ließen sich mit Leichtigkeit anaerob wachsende, den
Ödembazillen ähnliche Bakterien züchten, welche sich dnrch
nichts von den sogenannten Bradsotbazillen unterschieden.
Gelang es mir aber, kurz nach dem Tode obduzierte oder
kranke und getötete Tiere zn untersuchen, so konnte ich weder
in den Organen noch dnrch Tierversuche — in einem Fall
wurden fünfzig verschiedene Versuchstiere (Meerschweinchen,
Kaninchen, Tanben, Schafe) erfolglos infiziert — die bezeichneten
Bakterien feststellen. In Übereinstimmung hiermit steht auch
die auffällige Tatsache, daß es noch niemals einwandfrei ge¬
glückt ist, durch Fütterung selbst ungeheurer Mengen von
Bradsotbazillen und Sporen — man kann davon ganze Liter
Bouillonkultur stomachal eingeben — bei Schafen Bradsot zu
erzeugen. Ebensowenig ist man bisher imstande gewesen, nach
subkutaner Infektion von Bradsotbazillen das anatomische Bild
der Bradsot zu erzeugen. Auch die Impfversuelie, die in Island
und in Schottland nnd teilweise auch in Pommern im letzten
Winter mit Bradsotbakterien ausgeführt sind, haben einen wirk¬
samen Schutz nicht hinterlassen. Von Hamilton sind Tausende
von Tieren durch Verfütterung von Bradsotbazillen geimpft.
Die Tiere sind hiernach nicht erkrankt, haben aber auch keinen
genügenden Schutz gegen eine spätere Erkrankung erworben.
Es ist mir ferner gelungen, ans Organen von Tieren
(Pferd, Kalb, Schaf), die nicht an Bradsot eingegangen sind,
bradsotähnliche Bazillen zu züchten. Im übrigen verweise ich
auf die ausführliche Arbeit.
Angesichts dieser nnd anderer hier nicht weiter berührter
Tatsachen erscheint es berechtigt, Zweifel daran zu hegen, ob
die als Erreger der Bradsot angesprochenen Bakterien tat¬
sächlich in ursächlichem Zusammenhang mit der Bradsot stehen,
ob sie nicht vielmehr nur zufällige, der Fäulnis zuznschreibende
Befunde darstellen.
Weitere Untersuchungen nach dieser Richtung sind er¬
forderlich nnd müssen an frisch gestorbenen oder kranken
Tieren ansgeführt werden. Zweck dieser Mitteilungen ist, die
Herren Kollegen auf diesen Umstand aufmerksam zu machen,
mit der Bitte, der Tierhygienischen Abteilung, die vom Herrn
Minister mit der Bradsotforschung beauftragt ist, im bevor¬
stehenden Winter durch rechtzeitige Meldungen Gelegenheit
zu verschaffen, die geplanten Untersuchungen ansführen zu
können.
578
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
Aus dem Kgl. Kroatisch-Slawonischen bakteriologischen Landes¬
institute in Krizevci (Kroatien).
Immunisierungsversuche gegen die Tuberkulose
an Rindern mit v. Behringschem Bovovaccin.
(Vorläufige Mitteilung.)
Von Prof. Dr. Ferdinand Kern, Vorstand des Institutes.
Die neueste Methode der Tuberkulosebekämpfung, die
präventive Immunisierung gegen sie, hat in der Praxis noch
lange nicht jene tiefen Wurzeln gefaßt, welche erforderlich
sind, damit sie die verkündeten Früchte in ausgiebigem Maße
zum Wohle der Allgemeinheit trage. Die Ursache dessen liegt
darin, daß der Boden für die Immunisierung gegen die Tuber¬
kulose noch nicht in genügendem Maße und entsprechender
Form vorbereitet ist und auch jene Schichten der Bevölkerung,
welchen diese neue Errungenschaft in erster Linie zugute kommen
sollte, noch nicht das erforderliche Vertrauen ihr entgegen¬
bringen, andererseits aber auch die Veterinäre noch nicht über
jenes Beweismaterial verfügen, mit welchem Sie dieses Ver¬
trauen bei den Tierbesitzern entsprechend anzuregen vermöchten
und sich dazu auch vollkommen berechtigt fühlten.
Es liegt wolil schon eine Reihe von Berichten vor, welche
über günstige Resultate einwandfreier in der Praxis durchge¬
führter Versuche berichten, doch decken sich diese Erfolge nicht
in allen Punkten vollkommen. Daß man die zur Schutzimpfung
gegen die Tuberkulose zurzeit verwendeten Impfstoffe und
Verfahren nicht allgemein als vollkommen, einer Verbesserung
unbedürftig betrachtet, dies beweist schon der Umstand, daß
sowohl mehrere Impfstoffe als auch Impfverfahren vorgeschlagen
wurden und im Gebrauche stehen. Zur Klärung der Frage
sind viele Versuche und zwar gute, zweckmäßige, einwandfreie
Versuche mit Kontrolltieren und deren Veröffentlichung erforderlich.
Versuchen ohne Kontrolltieren, aber auch jenen mit solchen,
wenn sie nicht mit genügender Umsicht ausgeführt werden,
unterlaufen leicht Irrtümer, welche der Sache mehr schaden
können als sie nützen.
Indem ich meine Immunisierungsversuche veröffentliche,
glaube ich einen Beitrag zur Immunisierungsfrage der Tuber¬
kulose zu liefern. Die ausgeführten Versuche, welche ich in¬
folge Auftrages der hohen Landesregierung fürKroatien-Slawonien-
Dalmatien im Jahre 1905 begonnen und Ende 1907 beendet
habe, werden hier ganz kurz mitgeteilt, in der nächsten
Nummer der „Mitteilungen“ des Institutes aber in den Einzel¬
heiten beschrieben werden, welcher Beschreibung die ent¬
sprechenden Tabellen und Kurven beigefügt sein werden.
Meine Versuche hatten folgenden Verlauf:
Den 24. Mai 1905 wurden fünf Saugkälber, Simmentaler
und Pinzgauer Kreuzungen von sechs (eines sieben) Wochen
angekauft und in einem reinen, separatstehenden Stall allein
untergebracht. An den Kälbern waren klinisch keine Krank¬
heitssymptome nachweisbar, sie wurden von einem ausschließlich
für ihre Pflege engagierten Manne gepflegt.
Den 28. desselben Monats wurden alle diese fünf Kälber
mit v. Behringschem Bovovaccin (1 I E) in die Vena
Jugularis geimpft. Keines der Tiere reagierte auf diese Impfung,
weder thermisch noch organisch. Auch die körperliche Ent¬
wicklung der Tiere war anfangs im allgemeinen eine befriedigende
und gleichmäßige. Vom vierten Monat an nach der Impftmg
machte sich an dem einen Kalbe (IV) in seiner Entwicklung
ein Zurückbleiben bemerkbar, denn es zeigte von allen Kälbern
das kleinste Körpergewicht, obwohl es zu Beginn des Versuches
nicht das leichteste war. Auch ließ es von Zeit zu Zeit ein
trockenes Husten hören.
Die zweite Schutzimpfung mit 5 I E des von den
Behringwerken bezogenen Bovovaccins wurde den 17. Ok¬
tober, oder auch 4% Monate nach der ersten, genau nach den
v. Behring sehen Vorschriften ausgeführt. Sie erregte bei allen
Impflingen eine starke Reaktion, bei welcher sich deren Körper¬
wärme von der fünften Stunde beginnend bis zur siebenten nach
der Impfung auf 40,5° C und darüber erhob und sich bis zum
dritten und vierten Tage wieder aufs normale Niveau senkte.
Außerdem trat bei allen Tieren Husten ein und an der Impf¬
stelle entwickelten sich kleine, unbedeutende Schwellungen,
welche bald wieder verschwanden. Mit Ausnahme des bereits
erwähnten Kalbes Nr. IV entwickelten sich auch weiterhin aUe
Kälber gleichmäßig un<J den Verhältnissen angemessen gut.
Das Kalb IV zeigte demgegenüber bei der nächsten Wägung
noch eine bloß kleine Gewichtszunahme, um von da an sukzesive
abzunehmen. Diese Abnahme erstreckte sich nicht bloß anf das
Körpergewicht, sondern auch auf die Körperkraft; das Tier
zeigte oft Fiebererscheinungen, hustete stets mehr, konnte sich
Mitte März 1906 nicht von der Lagerstätte erheben und ist am
24. März 1906 gestorben. Die Obduktion ergab eine ausgebreitete
Lungentuberkulose.
Hinweisen wül ich hier darauf, daß, nachdem dieses Kalb IV
an einer offenen (Lungen-) Tuberkulose längere Zeit hindurch
litt, die übrigen Kälber dadurch einer ständigen natürlichen
Infektion mit Tuberkulose ausgesetzt waren.
Mit Beginn des April 1906 wurden noch zwei, den früheren
ähnliche Rinder angekauft und nachdem sie einer Tuberkulin¬
probe Stand gehalten hatten, als KontroUtiere den vier jenne-
risierten Rindern angeschlossen. Über anderthalb Monate standen
alle sechs Tiere im selben Stalle unter gleichen Verhältnissen
unter Beobachtung. Es zeigte sich während dieser Zeit kein
hindernder Umstand, so daß an ihre Infektion geschritten werden
konnte, welche den Nachweis einer vorhandenen Tuberkulose¬
immunität in den jennerisierten Tieren oder deren Fehlen
erbringen sollte.
Den 28. Mai 1906, das ist sieben Monate und zehn Tage
nach der zweiten Schutzimpfung, wurden sowohl die vier
jennerisierten als auch die beiden KontroUtiere, mit der gleichen
Menge der in physiologischer Kochsalzlösung fein zerriebenen
tuberkulösen Milz eines Meerschweinchens unter die Haut der
Halsfläche geimpft.
Gleichzeitig wurden mit gleichem Milzbräu auch zwei
Meerschweinchen infiziert, welche zufolgedessen nach 37 bzw.
46 Tagen an Tuberkulose starben.
Die geimpften Kälber reagierten, außer mit kleinen An¬
schwellungen an den Impfstellen, nicht und war zwischen
immunisierten und KontroU-Rindern kein Unterschied zu finden.
Dem Anscheine nach bUeben aUe sechs geimpften Tiere gesnnd
und war demnach der Infektionsversuch als mißlungen, znm
Nachweise einer eventuell vorhandenen Immunität untauglich
zu betrachten. (Nach ca. einem halben Jahre wurde bei dem
einen KontroUtiere beobachtet, daß die eine Bugdrüse ver¬
größert sei.)
Es mußte aus diesem Grunde zu einem neuerlichen Infektions-
Versuch gegriffen werden, diesmal mit einem Virus von be¬
kanntem Virulenzgrade. Die Anschaffung solchen Virus war aber
13. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
mit Schwierigkeiten verbunden, so daß es erst nach langem
Suchen, nach ca. einem Jahre, gelang ihn zu besorgen.
Noch vor dem neuen Infektionsversuche wurden die sechs
in Rede stehenden Versuchstiere (den 14. Juni 1907) einer
regelrechten Tuberkulinprobe unterworfen. Es war dies ein
Jahr und acht Monate nach der zweiten Schutzimpfung und über
ein Jahr nach dem Infektionsversuche. Das Resultat war ein
unerhofftes, welches sich recht interessant gestaltete, denn
während die vier jennerisierten Rinder keinerlei Reaktion
erkennen ließen, traten bei den beiden Kontrollieren typische
Tuberkulinreaktionen auf, so daß sich ihre Körperwärme von
38,1° C auf 40,6° C bzw. von 38,4° C auf 40,7° C erhob.
Die Tuberkulinprobe kennzeichnete somit die beiden Kontroll¬
iere als tuberkulös im Gegensätze zur bisherigen Annahme,
die jennerisierten als nicht tuberkulös. Die beiden ersteren
und ein jennerisiertes Tier wurden geschlachtet, und bei ihrer
Obduktion wurden jene wirklich als von Tuberkulose behaftet
erkannt, in diesen hingegen keine tuberkulösen Prozesse vor¬
gefunden.
Es waren nun aber schon alle Vorbereitungen zu einem
zweiten Infektionsversuche getroffen worden, zwei weitere I
Kontrolltiere angekauft, der nötige Infektionsstoff besorgt und
so wurde der Versuch auch ausgeführt.
Den zur Infektion notwendigen Virus überließ mir Herr
Prof. Dr. Klimm er-Dresden auf die zuvorkommendste und
liebenswürdigste Weise. Es war dies eine Kultur von Tuberkel¬
bazillen, welche nach Mitteilung von Herrn Dr. Kl immer
14 Tage bis 4 Wochen alt, 1,2 mg intravenös verabreicht, ein
l U Jahr altes Kalb der Niederungsrasse in 4—5 Wochen tötete.
Von diesen Kulturen erhielt nun eines der immunisierten
Rinder und ein Kontrollrind (die Kontrollrinder hielten der
Tuberkulinprobe stand), je 2,4 mg, die übrigen zwei jennerisierten
und ein Kontrollrind je 4,8 mg in die Hals-Drosselvene injiziert.
Die Folge war diese:
Bei den mit 2,4 mg Virus geimpften beiden Rindern sank
in den ersten 24 Stunden die Körperwärme unbedeutend. Beim
jennerisierten Tiere verblieb sie in normalen Grenzen (Maximum
39,5° C), demgegenüber sie sich beim entsprechenden Kontroll¬
rind vom dritten Tage an jäh erhöhte, am vierten Tage mit
40,7° C kulminierte, um am sechsten nach derselben wieder
unter 39° C zu fallen.
In der zweiten Versuchsreihe, deren Tiere mit 4,8 mg
Virus geimpft waren, reagierten alle mit Fieber bis 40,5° C und
darüber und zwar die beiden jennerisierten Tiere gleich nach
der Infektion mit einer fünf Tage andauernden Reaktion das
Kontrollier vom dritten Tage an mit viertägigem Fieber.
Während weiter nach dieser Reaktion die Körperwärme der
jennerisierten Rinder keine weiteren Schwankungen zeigte, erhob
sich jene des Kontrollrindes nach sieben fieberlosen Tagen wieder
jäh, und blieb dann ständig über 41° C bis zum Tode des
Tieres, welcher 25 Tage nach der Infektion, zufolge akuter
Lungentuberkulose eintrat.
Beiläufig nach einem halben Jahre wurden die am Leben
gebliebenen Rinder (drei jennerisierte, ein Kontrolltier) ge¬
schlachtet und genau untersucht. In der Lunge des Kontroll-
tieres (der mit 2,4 mg infizierten Serie) war ein Knötchen mit
eitriger, lebende Tuberkelbazillen enthaltender Masse gefunden
worden, in den jennerisierten Tieren fanden sich keine tuberkulösen
Prozesse noch Anzeichen, daß solche hier verlaufen wären.
579
Gelegentlich der hier beschriebenen Jeimerisierungsversuche
waren folgende Beobachtungen zu verzeichnen:
1. Es scheint, daß der v. Behringsche „Bovovaccin“
genannte Impfstoff, intravenös einverleibt, für Kälber
nicht immer gefahrlos ist, da eines der Versuchskälber
allem Anscheine nach durch die intravenöse Ein¬
verleibung dieses Impfstoffes tuberkulös wurde.
2. Mit v. Behringschem Bovovaccin ist es gelungen,
vier Kälber der Tuberkulose gegenüber so weit
resistent zu machen, daß sie sowohl der natürlichen
Infektion, welcher sie längere Zeit hindurch aus-
gesetzt waren, standhielten, als auch (drei davon)
eine subkutane künstliche Infektion, welche zwei
gleiche, doch nicht jennerisierte Rinder tuberkulös
machte, ohne Schaden vertrugen.
3. In den jennerisierten Rindern konnte eine er¬
höhte Widerstandsfähigkeit der Tuberkulose gegen¬
über, noch zwei Jahre nach der Jennerisierung nach¬
gewiesen werden, doch ist es möglich, daß selbe
nicht unmittelbar und ausschließlich vom Jennerisieren
I herrührt, sondern daß die durch die Jennerisierung in
den Kälbern erregte Widerstandsfähigkeit zufolge des
ersten Infektionsversuches verlängert wurde. Es
scheint somit die Möglichkeit gegeben, Rinder für
zwei Jahre und darüber gegen die Tuberkulose künst¬
lich genügend widerstandsfähig machen zu können,
daß sie auch der natürlichen Tuberkuloseinfektion
zu widerstehen vermögen.
Eine neue Blutstillungszange, die ein Unterbinden
durchschnittener Blutgefäße überflüssig macht.
Von Oberveterinär Blunk-Wesel.
Um bei Operationen oder nach Verletzungen das Unter¬
binden oder Abdrehen durchschnittener Blutgefäße überflüssig
zu machen, habe ich einige Instrumente in Pinzetten- und
Arterienklemmenform herstellen lassen, mit denen man durch
einfaches, vorübergehendes Erfassen der betreffenden Gefäße
eine Blutstillung erzielt.
Die Wirkung der Instrumente beruht darauf, daß sie auf
die erfaßten Gefäße nicht nur einen Druck, sondern gleichzeitig
eine schabende Wirkung ausüben, wobei die Gefäßinnenhäute
durchquetscht und zentrifugal sowie zentripetal in der unversehrt
bleibenden Adventitia aufgerollt werden, so daß sie die Arterien¬
stümpfe an zwei Stellen verstopfen. Von den so gebildeten
Pfröpfen bildet der dem Ende des Gefäßstumpfes zunächst
liegende einen Ventilverschluß, daß also, falls der dem Blut¬
strom zunächst entgegenstehende Pfropf dem Blutdruck einmal
nicht Btandhalten sollte, eine Blutung durch den Ventil Verschluß
verhindert wird. Zwischen den beiden Pfröpfen bildet sich
außerdem schnell ein Trombus, da hier ja die Intima fehlt.
Die nach einer Photographie hergestellte Abbildung 4 zeigt
die Carotis eines 6 Wochen alten Kalbes, deren Blutung durch
Erfassen mit der Blutstillungsklemme Nr. 3 gestillt war.
Figur 5 zeigt das Gefäß in der Längsrichtung aufgeschnitten.
Die in der Figur 1—3 abgebildeten Blutstillungsklemmen,
welche in halber natürlicher Größe hergestellt sind, haben sich
als die im Gebrauche bequemsten erwiesen. Das Instrument
Nr. 3 ist für Benutzung bei Gefäßen jeder Größe berechnet,
580
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38.
während Nr. I und 2 nur für Gefäße bis zu Strohhalm- bzw.
Gänsefederkieldicke anwendbar sind.
Neben Versuchen, die ich bei Schlachttieren an den Caro-
tiden und Ohrgefäßen sowie bei gelegentlichen Operationen mit
dem Instrumente ausführte, hat der Oberarzt I)r. Stappenbeck
die Klemme gemeinsam mit mir an Versuchstieren systematisch
ausprobiert, und sie alsdann bei Operationen am Menschen
benutzt. Ein ausführlicher Bericht des genannten Herrn wird
alsbald erscheinen.
Die Benutzung des Instrumentes hat, abgesehen von der
Bequemlichkeit, folgende Vorteile:
1. schnellerer Verlauf der Operation; folglich
2. weniger Chloroform oder dergl.;
3. kein Fremdkörper (Seide) in der Operationswunde;
4. geringere Reizung der Wunde und verminderte Infektions¬
gefahr, weil weniger mit den Händen in der Wunde mani¬
puliert wird;
5. leichte Stillung kleinster Hautgefäße, die sich schwer
unterbinden lassen;
6. schnelle und leichte Blutstillung mit leicht zu desinfi¬
zierendem Instrumente bei Unglücksfällen (Eröffnung größerer
Blutgefäße).
Verhehlen will ich nicht, daß die Anwendung der Zange
beim Pferde weniger bequem ist als beim Rinde und Hunde, weil
sich bei zuerst genanntem Tiere die durchschnittenen Gefäße
stärker zurückziehen. Auch muß das Einklemmen der Gefäße beim
Pferde sorgfältiger ausgeführt werden als beim Rinde und Hunde,
da die anatomische Einrichtung der Gefäße des Pferdes, be¬
sonders die der Adventitia, eine andere ist als bei Rind und Hund.
Die Firma Rud. Bl unk-Hamburg, Hopfenmarkt 18, ist
gerne bereit, deutschen Tierärzten das patentierte Instrument
zu kostenfreiem Versuche zu überlassen.
Zur Lecithintherapie.
Von Tierarzt Holterbach-Offenburg.
Von den neuerdings aufgetauchten „Novitäten“ scheint auch
das Lecithin sich behaupten zu wollen. Zwar hat sich seine
Verwendung als „Specificum“ gegen Infektionskrankheiten vom
Schlage der Bornaschen Pferdekrankheit nicht bewährt.
Allein wer wird auch von einem Mittel, das die Zusammen¬
setzung des Lecithin zeigt, eine so hochgespannte Erwartung
hegen? Muß man nicht vielmehr Erfolg sich versprechen bei
allen Zuständen, die mit einem Gefühl der Schwäche, Mattigkeit
verbunden sind, kurzum in Fällen, in denen der „Nerventonus
herabge8timrat w ist, um einen in Mode gekommenen Ausdruck
zu gebrauchen. Im Rekonvaleszenzstadium nach schweren
Krankheiten, wie Staupe der Hunde, Druse der Pferde,
Influenza der Pferde, Lungenentzündung etc. etc. er¬
probe ich seit ca. drei Jahren Lecithin. Leider fehlen
gerade über dieses Präparat die eingehenden Untersuchungen,
auf Grund welcher wir uns ein klares Bild von seinerWirkung
machen könnten. Wir sind noch vielfach auf das „Raten“
angewiesen. Man weiß zwar ans den Untersuchungen von
Slowtzoff, daß unter dem Einfluß der Lecithintherapic
das Eiweiß der Nahrung rascher in Gewebe-Eiweiß umgesetzt wird.
Das ist aber nicht viel. Immerhin läßt sich etwas dabei denken
und der Erfolg der Verabreichung des Präparates verstehen.
Es empfiehlt sich, so lange wir noch außerstand sind, eine
präzise Indikation aufzustellen, „versuchsweise“ das Lecithin
anzuwenden, und wäre es auch nur, um sich in der Beobachtung
zu üben. Der Preis steht nicht mehr dem Gebrauch des
Lecithin im Wege. Im Gegenteil!
Ich bringe hiermit bereitwilligst und mit dem größten Ver¬
gnügen zur allgemeinsten Kenntnis, daß die Firma Bengen & Co.,
Hannover, das Gramm öllösliches Lecithin mit 35 Pf.
berechnet! Damit ist das Lecithin „ä la portee de tont le
monde“ gerückt. Denn die gleiche Firma erklärt sich bereit,
die von mir gegebene Vorschrift des Lecithinpulvers, das halt¬
bar, handlich und leicht in jeder Dosis zu applizieren ist, um
einen entsprechend billigen Preis den Kollegen zu überlassen.
Die Vorschrift für mein Pulvis Lecithini compositus ist
folgende:
Rp! Lecithin, ex 000 5,0
Calc. phosphoric. pur. 50,0
m. excactiss. c.
Magnes. carbon. q. s. f. pulv.
subtiliss.
Ich gebe es Hunden Kaffeelöffel weise, größeren Tieren
Eßlöffelweise im Futter für längere Zeit. Die Erfolge, die
ich damit erzielt habe, sind gut.
Ein neues Wurfzeug und eine Tragbahre für Pferde.
Von Woldemar Kotige- Petersburg.
Das Kapitel über Wurfmethoden ist wohl sehr groß und
doch ist es immer noch unvollständig, da ja allen Wurfmethoden
gewisse Nachteile eigen sind. Die meisten Komplikationen
entstehen beim Werfen infolge mangelhafter Befestigung der
Gliedmaßen des gefesselten Pferdes. Die langjährige Be¬
obachtung in der Klinik des Veterinärinstituts zu Dorpat
brachte den klinischen Diener Peter Hanni auf den Gedanken,
ein neues Wurfzeug zu konstruieren. Das Wurfzeug ist an
13. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
581
mehr als 200 Pferden erprobt und sind dabei bis heute noch j
keine Komplikationen entstanden.
Das Wurfzeug besteht aus folgenden Teilen: einer Leine b,
einem Sattel h, einem Bauchbrustriemen a, einem Riemen für
Vorderbein c, zwei Riemen für die Hinterbeine d und zwei
Hufkappen.
Die Leine (a) besteht aus einem weichen Riemen von
24 Zoll Länge und 1 Zoll Breite mit einer Schnalle zur Be-
| 160 Zoll lang, l 1 /» Zoll breit und tragen an einem Ende
Schlingen für die Fesselgelenke. Die zwei Hufkappen tragen
an der hinteren Wand eine Öse aus Riemen und einen Riemen
von 80 Zoll Länge und l l ' a Zoll Breite.
Das Werfen des Pferdes geht in folgender Reihenfolge:
Der Sattel (h) wird auf den Rücken gelegt, der Bauchbrust¬
riemen (a) durch die Rinne des Sattels gezogen und so unter
der Brust gespannt, daß die beiden großen Ringe (f) an den
Fiy. 1.
festigung am Zäumen und einer Öse zum Einfahren der Hand.
Der Sattel (h) ist 13 Zoll lang und 3 Zoll breit, in der Mitte
der Dorsalfläche befindet sich ein eiserner Ring und eine ge¬
schlossene Lederrinne zum Durchgang des Riemens (a). Der
Bauchbrustriemen (a) ist 150 Zoll lang und 2 Zoll breit und
Fiy. 2.
Seiten, der Ring (k) am Brustbein zu jliegen kommen, das
weitere Ende des Riemens wird vorn quer über die Brust ge¬
zogen und am gegenüberliegenden Ringe (f) befestigt. Die
Leine b wird am linken Zäumen befestigt und durch den Ring
(h) gezogen; der Riemen (c) wird am rechten Vorderfessel be-
Fig 3.
endet mit einem eisernen Ring von 5 Zoll Durchmesser, an j
diesem Ring ist noch ein solcher Riemen von 16 Zoll Länge
mit einem ebensolchen Ringe am Ende und einem kleineren in
der Mitte angenäht.
150 Zoll 16 Zoll
ctt ~: . 0===0
Der Riemen fürs Vorderbein (c) ist 140 Zoll lang, Vs Zoll
breit und trägt an einem Ende eine Schlinge fiir das vordere
Fesselgelenk. Die zwei Riemen für die Hinterbeine d sind
festigt und durch den Ring (ty gezogen; ein Riemen (d) wird
am rechten Hinterfessel befestigt und durch den Ring (f) der
linken Seite gezogen. Beim gleichzeitigen Spannen der Riemen
b, c und d gleitet das Pferd leicht auf die rechte Seite. Nach
dem Sturze des Pferdes werden die beiden Vorderbeine am
Ringe k befestigt, die beiden Hinterbeine werden durch die
zwei Riemen d an den Ringen f der entsprechenden Seiten be¬
festigt, die Hufkappen werden aufgesetzt und die an ihnen
befindlichen Riemen (m) unters Kniegelenk geschwungen. Das
**
582
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
Pferd ist nun verhindert, seine Sehnen und Muskeln allzustark
zu spannen. Figur 1 und 2 erläutern die Beschreibung und
zeigen den Erfinder bei h und bei b.
Die Tragbahre (Fig. 3) besteht aus zwei Stangen und
drei mit Ösen versehenen Gurten, von denen sich zwei zwischen
den Hinterbeinen kreuzen. Die Tragbahre eignet sich be¬
sonders zum Heben lumbagokranker Pferde.
Referate.
Tropenhygiene and Protozoen-Krankheiten.*)
Von Dr. Sieber-Hamburg.
M. Thiroux and M. Teppaz. Animal Trypanosomiasis in Senegal.
(The Journal of tropical veteriuary Science. 1907. Vol. II. Nr. 4.)
Verfasser haben in Nianing, südlich von Dakar, im Blute
von Pferden Trypanosomen gefunden, die eine schon über 20 Jahre
bekannte Krankheit erzeugen sollen. Auch einige der Über¬
tragung verdächtige Fliegen, u. a. auch die Glossina palpalis
wurden dort gefunden.
Bei Beginn der Krankheit werden die Pferde gegen Peitsche
und Insektenstiche unempfindlich. Atmung und Verdauung sind
normal. Obwohl bei gutem Appetit, magern sie im II. Stadium
bald ab. Die sichtbaren Schleimhäule werden blaß und blutleer,
die Augen thränen, nicht selten sind hierbei ein- oder doppel¬
seitige Katarakte. Das Scrotum ist schlaff, wenig oder gar
nicht ödematös und unempfindlich für Stiche. Weitere Symptome
sind: Lahmheiten und Unsicherheit der Nachhand. Im letzten
Stadium magern die Beine ab, sie werden im Liegen angezogen.
Der Appetit nimmt ab, die Tiere stolpern und fallen, besonders
bei Druck auf die Weichen. Bei zunehmender Lähmung Coma
Exitus.
Die Dauer der Krankheit schwankt zwischen 4 und 30 Tagen,
nur ausnahmsweise beträgt sie bis zu drei Monaten. Die Tier¬
arten sind in folgender Reihenfolge für die Krankheit empfänglich:
Pferd, Esel, Maultier, Hund. Ochsen und Schafe gibt es dort
nicht; Ziegen scheinen immun. Der Erreger ist das Trypanosoma
dimorphon. Zuweilen sind Trypanosomen sichtbar, die an beiden
Enden ausgezogen und sehr dünn sind. Manchmal schienen die
Parasiten nur noch aus dem Zentrosom und der Geißel zu
bestehen. Die gewöhnlichen Formen sind von mittlerer Größe
und haben ein abgerundetes Hinterende. Längsteilung.
Dieselbe beginnt entweder am Kern oder am Zentrosom
und Geißel. Verfasser haben in diesen Trypanosomen proto¬
plasmatische Granulationen gesehen. Sie sind der Ansicht, daß
die Abwesenheit dieser Granulationen nicht ein deutliches Merk¬
mal von Trypanosoma dimorphon ist, das durch die Mannig¬
faltigkeit seiner Formen wohlcharakterisiert erscheint. In einem
Präparate aus einem verendeten Pferde sahen Verfasser kleine
nierenförmige Körper von 5 n Länge und 1,5 ^ Breite, die mit
einem Kerne versehen waren. Bei den infizierten Hunden und
Ratten wurden diese Körperchen* nicht gefunden. Bei Pferden
fanden sie auch endoglobuläre Formen. Das Trypanosomen
dimorphon ließ sich auch auf Hunde und Ratten übertragen.
# j In den Referaten der Nr. 16 der B. T. W. sind einige sinn¬
entstellende Druckfehler stehen geblieben, die hier nachträglich
berichtigt werden sollen. Es muß heißen: Seite 286, linke Spalte,
Abs. 4 „Doppelinjektion“. Abs. 8 „trypanosoinenübertragend“; rechte
Spalte, bei Leopold „Babesia“, bei Panse ,,Tanga“; S. 287 bei
Christophers Piroplasmose des Hundes“, bei Boyce die ersten
beiden Worte Therapeutische Versuche“, bei Spielmeyer im letzten
Absatz, Zeile 2 „Hinterwurzelsystem“.
Die Virulenz der einzelnen Stämme erkrankte. Die Krankheit
erstreckt sich von Niomedena bis Balegni. Aus dem Umstande,
daß die Krankheit nur in Tsetsefliegengegenden vorkommt,
schließen Verfasser, daß das Trypanosoma dimorphon nur durch
die Tsetsefliege übertragen wird.
Teppaz fand im Blute von Kamelen ein feines
Trypanosoma, das von L ave ran als Trypanosoma Evansi be¬
schrieben wurde. Die Krankheit richtet unter den Kamelen in
Mauretanien große Verheerungen an. Si.
Dobrosrakow. Serotherapie des Typhus recurrens.
(Zentralbl. f. inn. Med. 1908, H. 1.)
Verfasser gewann von einem Pferde, dem er spirochaeten-
haltiges Blut infizierte, Serum. Das Serum hatte folgende Wir¬
kung: 1. Die Krankheitsdauer wurde kürzer; 2. der zweite
Anfall wurde häufig verhütet; 3. wenn er auftrat, war das zweite
Intervall länger, und 4. der zweite Ausfall selbst um einen Tag
kürzer; 5. Exantheme traten selten auf. Si.
Mackie. The part played by pediculus corpories in the transmission of
relapsing fever.
(Brit. med. Journ. 1907, Nr. 9150.)
Von 36 infizierten Läusen waren 31 weibliche und nur
5 männliche. Die Spirochaeten sitzen im obersten Verdauungs-
traktus. Der aus dem Munde abgesonderte Saft enthält Spi¬
rochaeten. Woher dieses Sekret kommt, vermag Verfasser nicht
anzugeben. Fast in jedem Falle wurde beobachtet, daß das
Mundsekret infiziert war. Drückte man mit einer Nadel auf
dem Kopf der Laus, so kam eine kleine Menge Flüssigkeit zum Vor¬
schein, die in 9 von 13 Fällen Spirochaeten enthielt. 2 Über¬
tragungsersuche auf Affen fielen negativ aus. Weder in Fliegen
noch Mücken von den Betten der Patienten wurden, wie Verfasser
gelegentlich einer Epidemie beobachtete, Spirochaeten nach-
gewiesen. Diese Epidemie war in einer Pension ausgebrochen,
in der Knaben und Mädchen getrennt untergebracht waren. Die
Knaben wohnten in alten Häusern, welche viele Läuse ent¬
hielten. Der Prozentsatz der befallenen Knaben war viel höher
als der der Mädchen. Si.
Lingard, A. Different species of trypanoaomata observed in bovines
In India.
(Journ. of trop. Veterlnary acieuce. Vol. II, 1907, Nr. 1, S. 4—50.)
Trypanosomen bei indischen Rindern:
a) Tryp. himalayanum nennt Lingard ein dem Tryp. theileri
Lav. außerordentlich ähnliches, sehr großes Tryp. Er läßt den
Schluß offen, daß es sich um eine Varietät des Tryp. theileri
handeln könne.*)
b) Während Tryp. himalayanum nur im Gebirge gefunden
wurde, beobachtet Lingard eine recht polymorphe Art, die er
als Tryp. indicum bezeichnet. Hierbei fand er im Milzparenchym
kleine, von einer dünnen Membran umgebene Körperchen, dio
im Innern ein deutliches Trypanosomen zu enthalten schienen
(Oocysten?).
c) Tryp. muktesari, ähnlich den Tryp. theileri, ist kleiner
als letzterer und besitzt nur eine sehr kurze Geißel. Si.
Theiler, A., Experiments with serum against ooast fever.
(Journ. of trop. Veterin. ac. Vol. II 1907. Part 8 p. 249.)
Unter Hinweis auf Kochs Küstenfieberuntersuchungen
immunisiert Theiler Rinder nicht durch Injektion von viru¬
lentem, defibriniertem Blut, sondern durch Transfusion von
*) Nach den von Lingard dem Institut für Schiffs- und Tropen¬
krankheiten zugesandten Präparaten scheint jedoch eine selbständige
Form vorzuliegen, die sich außer der Größe durch eine eigen-
< tümlicbe Spitze und ein derbes Periblast auszeichnet.
18. Atigüst 1908.
Blut kranker Tiere auf die Immuntiere. Versuche verliefen
negativ. Die Injektionen beeinflußten weder kranke Tiere, noch
Nvurde dadurch ein Schutz gegen spätere Infektion erzeugt.
Si.
Glaubermann, Klinische Beobachtungen über die Wirkung des Atoxyls bei
Typhus recurrens.
(Zentralblatt für innere Medizin. 1908, Kr. 1.)
Bei höheren Dosen Atoxyl ergab sich eine deutliche Be¬
einflussung der Krankheit. Recidive traten seltener auf, die
Anfälle selbst waren leichter. Dosis: 0,2—0,5 täglich, acht bis
vierzehn Tage lang. Niemals Vergiftungserscheinungen. Si.
Mott and Stewart Some further observations an the cell changes in
dourine and sleeping sickness.
(Brif. med. Journ. 1907, Nr. 2415, S. 1327).
In den Drüsen von 2 Hunden, die mit Tryp. equiperdum
geimpft waren, in den hinteren Nervenwurzeln in einem
Falle von Dourine, ferner in den perivasculären Infiltra¬
tionen bei Schlafkrankheitspatienten fanden Verfasser 1. kleine
Zellen mit tief gefärbtem Kern, der im Verhältnis zum Proto¬
plasma klein war. Nicht selten enthalten diese Zellen ein rund¬
liches oder stäbchenförmiges Chromatinkorn. 2. Wachsende
Chromatinkörper mit mehr oder weniger Protaplasma an der
concaven Seite. Die Größe der Körper schwankt zwischen win¬
zigen Ringen bis zu Zellen von 4 fi und mehr im Durchmesser.
3. In die Länge gezogene Körperchen mit 3 und mehr Kernen,
die dünn und zugespitzt sein können oder als unregelmäßige
Protoplasmamassen erscheinen und zahlreiche Chromatinkörper
von verschiedener Größe und Gestalt enthalten. Si.
Möllers. Experimentelle Studien Ober die Übertragung des RQckfallflebers
durch Zecken.
(Zcitacbr. f. Hyg. Bd. 58. 8. 2)
Zecken konnten bei jedesmaliger Fütterung 10 mal hinter¬
einander gesunde Affen mit Rekurrens infizieren. Die ersten
8 Affen erlagen der Infektion, der 9. und 10. bekam eine leichte
Erkrankung und überstand sie. Der 11. und 12. erkrankte nicht
mehr. Noch anderthalb Jahre, nachdem die Zecken an kranken
Tieren gesogen hatten, waren sie imstande, Spirochaeten auf
gesunde Tiere zu übertragen. Die Nachkommenschaft der Zecken
erwies sich bis zur 6. Serie von Eiern als infektionstüchtig.
Die Eiablage erfolgte in Zwischenräumen von 2 Monaten. Die |
Spirochaeten vererbten sich bis in die 3. Zeckengeneration.
Zecken, deren Eltern ihre Infektiosität ausschließlich durch
Vererbung erhalten haben, ohne daß beide Generationen mit
einem rekurrenskranken Tiere jemals in Berührung gekommen
Bind, sind noch imstande, gesunde Tiere mit Rekurrens zu
infizieren. Si.
Dutton, Todd and Kinghorn. Cattle Trypanosomiasis in the
Kongo Freestate:
(Annala ot Tropical Medizin«. 1907. Vol. I. Nr. 2.)
Rindertrypanosomiasis ist im Kongostaate sehr verbreitet.
Der Erreger ist wahrscheinlich das Trypanosoma dimorphon.
Verfasser empfehlen strengste Kontrolle der Viehtransporte.
Die Plätze für Rinderzucht müßte sorgfältig gewählt und ge¬
pflegt werden. Haustiere erwerben wahrscheinlich eine gewisse
Immunität gegenüber einigen Stämmen von Trypanosomen und
können sich sogar von selbst wieder erholen. Si.
Levaditi et Rocht. Immunlsation des splrilles de la Tick-fever
contre les antlcorps.
(Compt. rend. d. 1. aoc. d. blol. 1907, Nr. 15, S. 816.)
Verfasser haben den Mechanismus der Rückfälle bei Tick-
fever untersucht. In der Zwischenzeit zwischen zwei Anfällen
583
enthalten das Blut und die Organe Parasiten, aber nur in
geringer Zahl. Trotz der vom Blutserum gewonnenen bakteri-
ciden und opsonischen Eigenschaft findet das Recidiv statt, trotz¬
dem diese Eigenschaften bestehen bleiben. (?) Nur Zeigen sich
die Spirillen immer gegen dieses Serumresistent, während die
Spirillen der Primärinfektion es nicht sind. Es findet also eine An¬
gewöhnung des Parasiten statt, die sogar erblich ist. Das
Auftreten der Recidive dürfte daher mit dieser Immunisierung,
die auch Ehrlich-Franke für Trypanosomen gegen Trypanrot
feststellen konnten, Zusammenhängen. Si.
Levaditi et Roch6. Les opsonines et la mechanisme de la crise
dans la Tick-fever.
(Compt. iend. de la Soc. de Biol. 1907, S. 619)
Bei experimentellem Tick-fever weiden in der am 4.-5.
Tage eintretenden Krise die Spirillen im Blute zerstört. Diese
Zerstörung ist rein phagocytär und hängt nicht mit Bakteriolysinen
oder Opsoninen zusammen.*) Die bakteriolytischen und
opsonischen Eigenschaften treten erst nach dieser Zerstörung auf.
Si.
Novy and Knapp. The cultivation of Spirillum Obermeieri.**)
(The Journal of the Americ. Med. Assoc., Bd. 47, 8. 2152.)
Verfasser füllten Kollodiumsäckchen mit defibriniertem,
infiziertem Rattenblut und brachten sie in die Bauchhöhle einer
weißen Ratte. Aus diesen Säckchen wurde aufs neue umgeimpft
mit positivem Erfolge. Wenn man die Säckchen sieben Tage
lang in der Ratte läßt, nehmen die Spirillen stark an Zahl ab
und können schließlich ganz verschwinden. Nach Entfernung
des infizierten Kollodiumsäckchens aus der Ratte starben die
Spirillen bei Zimmertemperatur in 1—2 Tagen ab. Si.
Moore, Nierenstein, Todd. Concerning the treatment of experimental Tryp.
(Annala of trop. med., 1907, Vol. I. Nr. 2.)
In der Behandlung von mit Tryp. Brucei infizierten Ratten
gibt die Anwendung von Atoxyl, gefolgt von Quecksilber¬
perchlorid bessere Resultate als die ununterbrochene Behandlung
mit Atoxyl allein. Diese kombinierte Methode sollte bei
menschlichen und tierischen Infektionen sorgfältig erprobt werden.
Die Behandlung muß möglichst früh einsetzen, es müssen
Maximaldosen (full, therapeutic) gegeben werden. Die Atoxyl-
lösungen müssen immer frisch bereitet werden. Das Quecksilber
soll nicht eher gegeben werden, als bis die Parasiten aus dem
peripheren Blute verschwunden sind. Si.
Swellengrebel. La volutine chez les trypanosomes.
(Compt. rend. d. 1. aoc. d. biol., 1908, Bd. 64, Nr. 2, S. 88.)
Verfasser konnte bei Trypanosoma brucei, gambiense und
equiperdum mit intensiver Giemsa-Färbung, mitEisenhämotoxylin,
Toluidinblau den von Robertson beschriebenen Achsenfadeü
darstellen. Er beginnt mit einer nicht färbbaren Partie, durch¬
zieht den Kern und erstreckt sich bis zum andern Ende der
Zelle. Er zeigt zuweilen Verdickungen, von denen Fädchen
ausgehen. An dem im Kern liegenden Teile des Achsenfadens
bilden sich Körnchen, die sich sehr stark rot färben. Diese
Körnchen finden sich auch außerhalb des Kernes und werden
als Chromidien und somit nucleären Ursprungs gedeutet. S i.
*) Da die Annahme von der Protozoennatur der Spirochaeten
(aber nicht Spirillen) immer mehr gefestigt erscheint, sind wohl die
Verhältnisse bezüglich spezifischer Reaktionsprodukte der Antigene
(Bakteriolysine usw.) nicht ohne weiteres auf Spirochaeten-
erkrankungen anzuwenden. Ref.
**; i. e. Spirochaeta recurrentis europ.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
584
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
Grauer Star.
Von Oberveterinär Julius Bierstedt.
(Zeitschrift f. Veterinärk. 1908, S. 112.)
Die Mitteilungen über das subjektive Empfinden der Tiere
bei Erkrankungen der Augen, d. h. über die durch dieselben
hervorgerufenen Störungen im Sehvermögen sind spärlich*
Bierstedt hat deshalb bei den Pferden seines Regiments die
Erkrankungen des Linsensystems, den sogenannten grauen Star
in seinen verschiedensten Formen, besonders aber die durch
denselben hervorgerufenen Sehstörungen geprüft. Untersucht
wurden im ganzen 580 Pferde. Bei 34 Pferden = 5,86 Proz.
wurden angeborene Stare gefunden; von diesen bedingten
3 Stare Sehstörungen. Erworbene Starformen wurden bei
59 Pferden beobachtet = 10,17 Proz.; in 7 Fällen waren Seh¬
störungen vorhanden. Sklerose der Linse fand Bierstedt
im ganzen bei 73 Pferden = 12,58 Proz.; bei 27 derselben
konnten auch noch Risse und Sprünge in der Rindenschicht
nachgewiesen werden. Sehstörungen wurden durch diese Linsen¬
anomalie mit Bestimmtheit hervorgerufen bei 23 Pferden.
Bierstedt kam zu folgendem Schlußurteil:
Durch den angeborenen grauen Star wird bei unserem
Militärpferde nur in den seltensten Fällen eine erhebliche, die
Diensttauglichkeit derselben beschränkende Sehstörung hervor¬
gerufen, durch die erworbenen partiellen Stare auf einem Auge
aber meistens nur für kürzere Zeit. Selbst totale Stare auf
einem Auge beeinträchtigen den Dienstgebrauch des Militär¬
pferdes kaum, wie ja die fast in jeder Eskadron vorkommenden
Fälle von einseitiger Erblindung beweisen.
Die den Dienstgebrauch beeinträchtigenden Sehstörungen
sind vielmehr zurückzuführen:
1. auf andere Erkrankungen des Auges, besonders der
Netzhaut; 2. auf Ametropie; 3. in vielen Fällen auf Sklerose
der Linse. Richter.
Geheilte Fraktur des linken Metatarsns beim Zebu.
Von Dr. H. Jakob, München.
(Wochenschrift f. Tierheilkunde and Viehzucht, 53. Jahrg., Nr. 6;.
Ein 1^2 jähriger Zebu-Stier hatte sich durch Einklemmen
des linken Hinterfußes zwischen zwei Stäben einen Bruch des
Metatarsus drei Finger breit unterhalb des Sprunggelenkes zu¬
gezogen. Wurde letzteres fixiert, so pendelte der Unterfuß
leicht beweglich hin und her. Abgesehen von einer starken
Hautquetschung in der Gegend der Bruchstelle, war eine weitere
Komplikation nicht zugegen. Am stehenden Tier legte J. nach
Desinfektion der Haut mit 2 proz. Lösung von Liquor Cresoli
saponatus und der zirkulären Applikation eines mit diesem Mittel
getränkten Wattestückes über die gequetschte Haut einen gut
handbreit über dem Sprunkgelenk beginnenden und noch abwärts
bis zu den Klauen reichenden, zirka 3 cm dichten Gipsverband
an. Nach 3 Wochen konnte der Verband entfernt werden: es war
völlige Heilung eingetreten. J. Schmidt.
Über die Anwendung des Olenm Ricini bei den Haus¬
tieren.
Von Dr. Wilh. Br uns-Gevelsberg.
(Aus der mcd. Veterinlrklinlk der Universit&t Gießen. Direktor: Prof. Ur. Gineiner.)
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 1908, Nr. 24.)
Auf Grund zahlreicher Versuche kommt Bruns zu folgender
Zusammenfassung:
1. Die bislang in der Literatur angegebene Dosis von
250—500,0 Rizinusöl für das Pferd ist zu einem Laxiereffekt
nicht ausreichend, vielmehr sind 500—750,0 erforderlich.
2. Für das Pferd ist die einzig zweckmäßige Verordnungs¬
form des Öles die Rohemulsion (Rizinusöl und die gleiche oder
die mehrfache Menge warmen Wassers mit einer Hand voU
Kochsalz).
3. Auch für das Rind und die kleinen Wiederkäuer hat sich
die mit Kochsalz und warmem Wasser hergestellte Rohemulsion
als die geeignetste Arzneiform erwiesen.
4. Entgegen den Angaben in den Lehrbüchern waren beim
kleinen Hunde 6,0 resp. 5,0 Rizinusöl ausgesprochen wirksam.
5. Als die für Hunde bequemste und am schnellsten wirkende
Form zeigte sich die in Gelatinekapseln.
6. Kapseln zu 10,0 bis 15,0 werden von Hunden mit
Leichtigkeit abgeschluckt.
7. Auch für Geflügel ist die Applikation in Gelatinekapseln
die bequemste (5—30,0; für Tauben genügen meist 2,0).
8. Für das Kaninchen ist eine ziemlich hohe Dosis
(10—15,0 01) notwendig, um dünne Entleerung zu verursachen.
9. Als die für Kaninchen bekömmlichste Form zeigte sich
die Rohemulsion.
10. Das Rizinussiccol (weißes Pulver, das 50 Proz. Rizinus-
I öl enthält) hat sich beim Schafe und zum Teil beim Hunde als
unwirksam erwiesen.
11. Da immer große Mengen Siccol nötig sind, welche
ihrerseits wiederum größere Wassermengen bedürfen, stellt sich
regelmäßig beim Hunde Erbrechen ein; aus alledem erhellt, daß
das Siccol kaum eine Empfehlung verdient.
12. Ob in der Tat die Rizinolsäure als solche das wirksame
Prinzip des Rizinusöles ist, geht aus den Ergebnissen mit
Sicherheit nicht hervor; fraglos dürfte der wirksame Körper in
ihr in irgendeiner Form enthalten sein. Rdr.
Behandlung des ansteckenden Scheidenkatarrhs mit
Bissnlin.
Von königl. ung. Tierarzt Julius Botzner in L6va.
(Allatorvosi bapok 1908, Nr. 10.)
Verfasser wendet das von Trommsdorf erzeugte Bissnlin
(= Sozojodolhydrargyrum) in Form von Suppositorien beim
ansteckenden Scheidenkatarrh der Rinder mit sehr gutem Erfolg
an. Selbst in Fällen, wo die bisher angewandten Irrigationen
mit schwacher Sublimatlösung, Einführen von Bazillolkapseln,
Bazillolsalben usw. versagten, führte die Behandlung mit Bissnlin
in höchstens drei Wochen zur Heilung. Schon in den ersten
acht Tagen tritt eine wesentliche Besserung ein, in der zweiten
Woche platten sich die Knötchen aus und in der dritten Woche
der Behandlung ist die Scheidenschleimhaut wieder glatt und
eben. — Erscheinungen auf Merkurialismus konnte bei keinem
Falle beobachtet werden. Dr. Z.
Über Digalen.
Von Tierarzt A. Beck.
(Allatorvosi hapok 1908, Nr. 13.)
Verfasser wendete das Digalen (= Digitoxinum solubile
cevetta) beim Pferd, Rind und Hund an in solchen Fällen, wo
die Herztätigkeit sehr schwach, der Puls ebenfalls schwach und
kaum ausfühlbar war. Die Wirkung des Digalens trat bereits
in einigen Stunden ein: die Pulsschläge wurden stärker, ihre
Zahl verminderte Bich, die Diurese wurde gesteigert. Die Dosis
für Pferd und Rind ist 10 ccm pro die et pro dosi, für Hunde
0,25 — 1 ccm per os. Als weitere Vorteile des Digalens werden
gerühmt, daß es nicht kumulativ wirkt und daß es sich nicht
13. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
585
zersetzt. Man kann es auch intravenös anwenden, Beck hatte
aber bei dieser Applikation einmal einen schnell darauffolgenden
letalen Verlauf beobachtet, so daß er hier zur Vorsicht mahnt.
Dr. Z.
Zur Behandlung der Fohlenlähme.
Von Bezirkstierarzt Beck-Schongau.
(Wochenschr. f. Tierheilk. u. Viehzucht, 52. Jahrg., Nr. 8.)
Unter Bezugnahme auf die von Eckardt-Neuß a. Rh.
empfohlene Behandlung der Fohlenlähme mit Jodkalium,
welches der säugenden Mutterstute zu verabreichen ist, schildert
Beck seine mit derselben Behandlungsmethode an sechs Fohlen
wahrgenommenen Ergebnisse. Die Stuten erhielten pro die
10 g Jodkalium. Die Fohlen wurden weder an den Gelenken
noch am Nabel behandelt. Fünf der erkrankten Tiere genasen
wieder. Schon einige Tage nach Beginn der Therapie konnte
Beck bei den Patienten eine sichtliche Besserung erzielen. Er
empfiehlt daher dringend die Anstellung weiterer Versuche.
J. Schmidt.
Die Behandlung der Dämpfigkeit des Pferdes.
Von Gemeindetierarzt A. Szöllös in Jäszkisör.
(Allatorvusi hapok 1908, Nr. 10.)
Unreelle Pferdemakler, besonders Zigeuner, beschäftigen
sich, man könnte sagen berufsmäßig, mit der Behandlung der
Dämpfigkeit des Pferdes. Im Wirkungskreise des Verfassers
gehören solche Fälle gar nicht zur Seltenheit, bei welchen es
den Pferdemaklern gelingt, auf mehrere Stunden die Schwer¬
atmigkeit vollkommen zu stillen. Nach der Beobachtung des
Verfassers wenden sie zu diesem Zweck die reifen Körner der
Datura Strammonium an, man kann solche in großen Massen
bei jeder Zigeunerkaravane finden. Vor der Behandlung werden
die dämpfigen Pferde durch 7—10 Tage bei grünem Futter,
wenn solches nicht vorhanden ist, mit viel Wasser (auch Salz¬
wasser) aufgeweichtem Trockenfutter gehalten. Unmittelbar
vor der Eingabe der Daturakömer bekommen die Tiere am
Abend kein Futter. An dem Tage, an welchem sie verkauft
werden sollen, werden am Morgen ungefähr 25—45 g der Datura-
köraer — die Menge ist nach dem Zustand und Alter der Tiere
verschieden — in 500,0 g Wasser per os eingegeben, worauf
sie nach zwei Stunden mit dem jetzt scheinbar gesunden Pferd
am Markt erscheinen.
Verfasser stellte auf diese Art mehrere Versuche an und
konnte dadurch die Schweratmigkeit bei Lungenerweiterung,
bei chronischer Rippenfellentzündung und bei Herzfehler in
20 Fällen vermindern. Am auffallendsten sind die Resultate
beim Lungenemphysem, hingegen zeigt diese Behandlung weniger
Erfolg bei Herzfehler. Sachverständige wird man aber auf
diese Art kaum täuschen können, denn die Erweiterung der
Pupille und die Trockenheit der Maulschleimhaut weist gleich
auf diese Behandlung hin. Auch nach einer stärkeren Be¬
wegung von über 10 Minuten tritt die Dyspnoe wieder auf,
besonders wenn das Pferd noch getränkt wird. Dr. Z.
Kleine Mitteilangen.
Schutz der Pferde vor der Insektenplage.
Angeregt durch eine in Nr. 22/08 dieser Wochenschrift unter
obigem Titel enthaltene Notiz habe ich mit dem „Floriafliegenöl A“
der Firma Dr. Nördlinger-Flörsheim a. M. Versuche angestellt.
Das Ergebnis ist kurz folgendes:
Das Floriafliegenöl ist zwar imstande, die Fliegen nach jedes¬
maligem Bestreichen der zu schützenden Tiere eine kurze Zeit von
denselben fernzuhalten, die häufige Anwendung des Mittels ver¬
bietet sich aber durch die nachteilige Wirkung auf die Behaarung.
Es ist sogar, wie mir kürzlich Herr Kollege Gerhardt in Alsleben
mitteilte, nach längerer Anwendung des Präparates bei einem seiner
Pferde Haarausfall zu beobachten gewesen.
Dr. H. Raebiger-Halle a. S.
Serumaufnahme durch Pflanzen.
Dem Sanitätstierarzte ist die Wichtigkeit frischen Rinderblutes
fiir Pflanzendüngung wohl bekannt, auch daß gerade frischem Serum
eine stark w'aehstumstreibende Kraft innewohnt. Interessant ist
nun die Angabe von Kraus, von Portheim und JamanouchY
in der Umschau, daß die Wurzeln höherer Pflanzen zur Ernährung
außer anorganischer Nahrung auch Eiweiß aufnehmen. Sie wuschen
Keimlinge von Bohnen mit Sublimat, spülten mit Wasser ab und
setzten sie in Kulturgefäßen mit Wasser zur weiteren Entwicklung
an. Nach einigen Jahren wurde der Kulturflüssigkeit Pferdeserum
resp. Rinderblut zugesetzt. Bei Zusatz von Pferdo9erum entwickelten
sich die Keimlinge nicht gut; sie zeigten eigentümliche Krankheits¬
erscheinungen. Im Rinderblut gediehen sie jedoch besser als in
Kontrollkulturcn ohne Blut. Nach 3—8 Tagen wurden die Wurzeln,
sowie die oberirdischen Organe der Keimlinge zerrieben und aus-
gepreßt und der gewonnene Preßsaft verdünnt und dann zu dieser
Flüssigkeit eines Kaninchens gefügt, das mit Rinderserum vor¬
behandelt war. Hiernach entstand ein deutlicher Niederschlag, der
bewies, daß die Keimlinge Rinderblutserum aufgenommen hatten.
Bei der Keimlingskultur im Rinderblut ließ es sich bereits nach
vier Tagen wahrnehmen. Der Extrakt aus Keimlingen, die in einem
Quellwasser gezüchtet wurden, reagierte weder mit Menschen- noch
mit Rinder- oder Pferdeserum. Dr. G.
Toxikologisches.
Hexametylentetramin ist nach Beardsley Berliner Klin.
Wochenschrift 1908, Nr. 11 auch in geringen Dosen schon giftig.
Beim Menschen wurde bereits bei 0,4 g in mehrmaligen Dosen
Hämaturie und scarlatinöses Exanthem beobachtet, die sofort ver¬
schwanden, nachdem die Medikation ausgesetzt war. — Vor allem
dürften wie gewöhnlich gastrische Störungen auftreten, falls größere
Dosen verabreicht werden. Kleine Dosen, wie sie in Konser¬
vierungsmitteln verabreicht werden, fand ich durchaus nicht toxisch
bei Versuchen am eigenen Körper! Dr. G.
Ungt. Hydragyri clnereum.
Nicht weniger alB 5 Kühe auf einmal erkrankten nach der
Schweizerischen Wochenschrift für Chemie 1908, Nr. 15. Es
wurden 100 g 20 proz. Quecksilbersalbe als Ungeziefermittel für
Kühe abgegeben. Dabei wurden 3 Kühe sehr krank, zwei starben
obwohl nur 00 g (also 12 g auf ein Tier) verbraucht worden waren.
Der Apotheker mußte 1030 Franken Schadenersatz leisten, dazu
die hohen Gerichtskosten bezahlen. Dr. G.
Schmelzveränderungen von Tierfetten.
Bei 133° fand Struck, daß die Veränderungen bei dieser
Temperatur noch nicht deutlich wahrnehmbar sind. Erst bei
Lagerung tritt der Einfluß der Erhitzung Btärker auf. Längeres
Ausschmelzen fand Struck bei Rinderfett schädlicher, als bei
Speck und Schweinefett. Das geräucherte Speckfett ist trotz
Neigung zu Säurebildung weniger der Zersetzung ausgesetzt als
Schweineschmalz und Rinderfett. Die Ausschmelzdauer soll sich
demnach möglichst kurz verhalten, sobald längere Lagerung
gewünscht wird. Dr. G.
Gesundheitsschädliche Erdnußkuchen- und -Mehle.
ln einer ganzen Anzahl Wirtschaften der Rheinprovinz traten
schwere Erkrankungen der Kühe auf, die sich in heftigem Du:chfall
und Versiegen der Milch äußerten. Die der landwirtschaftlichen
Versuchsstation Bonn eingesandten Proben enthielten Ricin
(bekanntlich w ie Abein ein alkaloidartig wirkender Pflanzengiftstoff.
Mehle und Kuchen waren die sogenannten Marseiller Waren, die im
Handel für minderwertig gelten. Dr. G.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT,
Nö. 33.
Tagesgeschichte.
Roll ? Hering Hertwig Gerlach Haubner Leisering Fürstenberg
Teilnehmer am ersten internationalen tierärztlichen Kongreß zu Hamburg 1863.
Zur Geschichte der internationalen tierärztlichen
Kongresse.
Von Professor Dr. Schmaltz.
Die tierärztliche Welt rüstet sich zum IX. internationalen
Kongreß im Haag. Das gibt Anlaß, einen Rückblick auf die
Geschichte dieser Kongresse zu werfen, welche vielen Lesern
der B. T. W. gewiß interessant, wenigen aber genauer bekannt
sein dürfte. Eine kurze Zusammenstellung ist vielleicht um so
willkommener, als die Berichte über die ersten Kongresse keines¬
wegs leicht und allgemein zugänglich sind.
Der erste Kongreß hat zu Hamburg*) vom 14. bis
18. Juli 1863 stattgefunden. Der Gedanke, einen internationalen
tierärztlichen Kongreß zusammenzuberufen, ist englischer Ab¬
stammung; er ist das Verdienst John Gamgees (spr. Gemschi).
Dieser nahm jedoch nicht für sich die Ehre in Anspruch, diesem
ersten Kongreß zu präsidieren, sondern überließ das Präsidium dem
Direktor der Tierarzneischule zu Stuttgart, Hering (s. Abbildung),
und begnügte sich mit dem zweiten Platz. In die Präsenzliste
haben sich damals eingetragen 101 Mitglieder, worunter
80 Deutsche und nur 21 Ausländer. Unter den letzteren w r aren
nur 2 Engländer; außerdem waren Schweden, Norwegen, Däne¬
mark, Rußland, Österreich und die Schweiz vertreten. Einen
wirklich internationalen Charakter kann man daher jenem
Kongreß kaum schon zusprechen. Auffällig ist namentlich, daß
das Vaterland des Urhebers sich nur so wenig beteiligt hatte.
Ein eigener Bericht des Kongresses ist uns nicht überliefert.
Das oben veröffentlichte Bild, welches ich dem Herrn Kreis¬
tierarzt Dr. Grimme-Melsungen verdanke, ist eine von diesem
Kongreß herrührende und heute höchst wertvolle Aufnahme;
sie zeigt uns eine Reihe jener großen Führer, die um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts begonnen hatten, die Tierarzneisclmlen
umzugestalten und eine tierärztliche Wissenschaft zu schaffen.
(Leider sind nur noch einige der Porträts von Lebenden
erkannt worden.)
*) Vgl. Adams Wochenschrift 1863, S. 121, 218 und 253.
Der zweite Kongreß wurde 1865 am 21. bis 26. August in
Wien*) unter dem Präsidium des Studiendirektors der dortigen
Tierarzneischule, Röll (siehe das Bild), abgehalten. Unter den
170 Mitgliedern befanden sich neben 65 Österreichern schon
105 Ausländer.
Der dritte Kongreß tagte zu Zürich vom 2. bis 7. Sep¬
tember 1867. Sein Präsident war der Direktor der dortigen Tier¬
arzneischule, Zangger. Auch dieser Kongreß hat noch unter¬
lassen, einen Bericht über seine Verhandlungen abzufassen, und
aus den verhältnismäßig kurzen Mitteilungen der damaligen
tierärztlichen Presse, wenigstens der deutschen,**) geht die Zahl
der Teilnehmer nicht hervor.
Dem Züricher Kongreß folgte eine sehr lange, zum Teil
auch durch die politischen Ereignisse herbeigeführte Pause, so
daß es fast schien, als ob der Kongreßgedanke wieder ent¬
schwunden sei. Man hatte in Zürich beschlossen, den nächsten
Kongreß in Brüssel abzuhalten, doch hatten zunächst die
Mittel gefehlt. Erst nachdem 16 Jahre vergangen waren, im
Jahre 1883, konnte dank der energischen Wiederaufnahme des
Planes durch die Belgische Tierärztliche Gesellschaft der
Kongreß stattfinden. Er läßt auch schon eine erfreuliche
organisatorische Weiterentwicklung erkennen, die sich auch in
der erstmaligen Abfassung eines besonderen Berichtswerkes***)
kundgibt. Vor allen Dingen hat sich der vierte Kongreß
zum ersten Male der offiziellen Anteilnahme der Staatsbehörden
erfreut, und es ist ihm als dem ersten die hohe Ehre zuteil
geworden, unter dem Protektorat des Landesherrn, Seiner
Majestät des Königs Leopold, zu tagen. Ehrenpräsidenten w r aren
der Ackerbauminister und der Professor Del wart, der Be¬
gründer der Ecole v^terinaire, deren 50jähriges Jubiläum bei
dem Kongreß gefeiert werden konnte. Der leitende Präsident
war Thiernesse, der Direktor der Ecole, Sekretär w’ar
Wehenkel. Unter den 310 Mitgliedern befanden sich 93 Aus-
*) Adams Wochenschrift 1865, S. 297, 307, 313, 321/
**) Badische Tierärztliche Mitteilungen, II. Jalirg., 1867, Nr. 10.
***) Bruxelles bei Brogniez & Van de Wegho.
13. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
587
länder. Der Kongreß wählte zum ersten Male Ehrenmit¬
glieder (12).
Der fünfte Kongreß hat zu Paris*) im Jahre 1889 vom
2. bis 8. September statt gefunden**) und hatte 635 Mitglieder,
unter ihnen 170 Ausländer. Er tagte unter dem Präsidium
Chauveaus und als Sekretär fungierte Nocard. Der Kongreß
hat drei Ehrenpräsidenten ernannt, darunter Pasteur.
Der sechste Kongreß, vom 16. bis 21. September 1895,
fand zum zweitenmale in der Schweiz eine gastliche Aufnahme,
und zwar zu Bern.***) Das Ehrenpräsidium führte der damalige
Bundesrat Dr. D euch er, nachmaliger schweizerischer Bundes¬
präsident. Präsidenten waren für jede Sitzung besonders er¬
nannt. Die Mitgliederzahl, namentlich diejenige der Ausländer,
wies ein weiteres Wachstum auf; neben 375 Schweizern waren
295 Ausländer; darunter 77 Deutsche, 64 Rumänen, 55 Franzosen,
24 Belgier, 17 aus Österreich-Ungarn, 12 Holländer, 11 Italiener
und 4 Engländer.
In besonders guter Erinnerung steht uns Deutschen und
hoffentlich allen Teilnehmern der siebente Kongreß zu
Baden-Baden f) vom 7. bis 12. August 1899, mit welchem die
Entwicklung der Kongresse eine glänzende Höhe erreichte.
S. K. H. der Großherzog von Baden hatte das Protektorat über¬
nommen und beehrte die Versammlung mit seiner Gegenwart.
Der Kongreß wählte zwei Ehrenmitglieder, Chauveau und
Ly dt in. Präsidenten wurden für jede Sitzung ernannt. Die
Mitgliederliste wies bis zur Eröffnung 958 Eintragungen auf,
darunter 462 Ausländer; durch die größten Zahlen waren ver¬
treten Belgien mit 147, die Schweiz mit 80 und wiederum
Rumänien mit 54 Mitgliedern. Von außereuropäischen Ländern
hatten Vertreter gesandt Egypten, Algier, Argentinien, Kanada,
Equador, Jamaika, Japan, Indien, Marokko, Transvaal, Natal,
der Oranjefreistaat, Tunis, Uruguay, Nordamerika, Venezuela;
es fehlte nur noch Australien.
Der achte Kongreß, welcher zu Budapest vom 3. bis
9. September 1JK)5 stattfand, ist gegen seinen glänzenden Vor¬
gänger in nichts zurückgeblieben, hat ihn in mancher Beziehung
sogar wiederum übertroffen. Die Zahl der Teilnehmer betrug
1400 (gegen etwa 1000 in Baden), und es befanden sich dar¬
unter fast 900 Ausländer, und zwar UDter anderen 300 Deutsche,
an 150 Österreicher (die der Ungar als Ausländer zählt),
62 Franzosen, 56 Rumänen, 36 Belgier, 39 Schweizer, 30 Serben,
25 Russen und 16 Engländer; durch je etwa 10 Landsleute
waren vertreten Nordamerika, Italien, Holland, Dänemark,
Schweden, Norwegen, Bulgarien; auch China, Japan, Egypten,
Tunis, Südamerika und Britisch-Afrika hatten einzelne Delegierte
entsandt. Ungarn selbst stellte zwischen 500 und 600 Teilnehmer.
Gerade die ununterbrochene Steigerung der Teilnahme des jedes¬
maligen Auslandes zeigt, daß der eigentliche Charakter der
Kongresse, die Internationalität, immer mehr zum Durchbruch
gelangt. Der ungarische Staat hatte 20000 Kr. zur Verfügung
gestellt, die Stadt Budapest 10000 Kr. und der vortrefflich
*) Eigenbericht, Paris 1890 bei Asselin & Houzeau.
**) Die damals zugespitzten politischen Verhältnisse ließen,
wie hier nebenbei bemerkt sein mag, eine Anteilnahme deutscher
Delegierter unzulässig erscheinen. Ein einziger Deutscher hatte
ein Referat zugesagt, zog aber unter diesen Umständen die Zusage
zurück.
***) Eigenbericht vom Generalsekretär Prof. Noyer-Bern, hei
Stämpfli & Co., 1896.
f) Eigenbericht Baden-Baden 1899, bei Emst Kölblin.
organisierte ungarische tierärztliche Landesverein 4000 Kr.
Die Veranstaltungen waren ebenso angenehm als glanzvoll.
Das Protektorat hatte ein Mitglied des Kaiserhauses, der Erz¬
herzog Josef übernommen, der auch persönlich den Kongreß
eröffnete und in der Hofburg einen glänzenden Empfangsabend
veranstaltete. Der Kongreß hat Chauveau und Lydtin,
die bereits in Baden zu Ehrenmitgliedern ernannt worden
waren, zu Ehrenpräsidenten gewählt. Von der Ernennung von
Ehrenmitgliedern hat er abgesehen, weil, wie Hutyra allen
aus der Seele sprach, dafür zuerst Nocard ausersehen gewesen
wäre, und da diesen der Tod dahingerafft habe, kein anderer
diesmal dieser Auszeichnung teilhaftig werden solle. Der
Kongreß besitzt zur Zeit außer Chauveau und Lydtin nur
noch ein Ehrenmitglied, Robert Koch (seit Bern), nachdem
Röll im Alter von 89 Jahren voriges Jahr in Graz ent¬
schlafen ist.
Der Zweck des ersten Kongresses, wie ihn schon Gamgee
in seinem Aufruf niedergelegt hat, war ein ausge¬
sprochen einseitiger: „In einer Versammlung der Professoren
und Praktikern, sowie von unterrichteten Landwirten sollten
Fragen von allgemeinem Interesse, insbesondere Ursachen, Ver¬
breitung und Vorbeugung der Tierseuchen besprochen werden“.
Diese Grundidee des ersten Kongresses war unzweifelhaft vor¬
trefflich; denn einmal mußten die damals noch so dunklen Rätsel
der Ätiologie der Seuchen und die faktisch ungelösten Aufgaben
der praktischen Seuchenbekämpfung die tierärztliche Wissen¬
schaft in erster Linie anziehen, andrerseits sicherte sich der
Kongreß durch jenen Gegenstand sofort die Aufmerksamkeit der
Staatsregierungen und konnte damit einen Einfluß auf das
Staatsveterinärwesen gewinnen. Gemäß seiner vorbezeichneten
Aufgabe behandelte der erste Kongreß vor allem die Rinder¬
pesttilgung, daneben die Lungenseuche. Auf Antrag von Fuchs-
Baden wurden auch bereits die für eine veterinärpolizeiliche
Bekämpfung geeigneten Seuchen bezeichnet: Rinderpest,
Lungenseuche, Tollwut, Maul- und Klauenseuche, Schafpocken
und Räude. Zangger-Zürich wies besonders auf die Not¬
wendigkeit der Überwachung des Eisenbahntransports hin, und
gemäß einem Anträge Gerlachs sprach sich die Versammlung
für tierärztliche Feststellung des Ausbruchs und Erlöschens der
Seuchen aus. Mit Genugtuung können wir heute kon¬
statieren, daß das ganze, von jenem ältesten tierärzt¬
lichen Kongreß aufgestellte Progromm der Seuchen¬
bekämpfung heute verwirklicht und bewährt ist.
Der zweite Kongreß zu Wien trat in die Fußstapfen des
ersten. Wiederum füllte die Seuchentilgung fast ganz die Tages¬
ordnung aus. Unterberger-Dorpat hielt einen Vortrag über
die sibirische Pest. Im übrigen erstreckten sich die Verhand¬
lungen auf Rinderpest, Tollwut und Desinfektion der Eisenbahn¬
wagen. Daneben wurde die Haftverbindlichkeit beim Tierverkauf
besprochen und deren Beibehaltung empfohlen.
Der dritte Kongreß behandelte abermals die Rinderpest,
wobei eine internationale Kommission zum Studium an Ort und
Stelle empfohlen wurde, ferner Lungenseuche und Beschälseuche.
Aber dieser Kongreß erweiterte sein Programm. Zum
erstenmal wurde die Einführung der Fleischbeschau Gegen¬
stand der Besprechung. Ihre allgemeine Durchführung wurde für
notwendig erklärt zum Schutze der menschlichen Gesundheit
und zur Verhütung von ansteckenden Tierkrankheiten. Zur
Ausführung sollten Tierärzte und Laien unter tierärztlicher
No. &3.
BERLIN Eil TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
588
Aufsicht zugelassen werden; bei Pferden und kranken Tieren
sollten nur die Tierärzte zuständig sein. Wildpret, Fische und
Geflügel sollten ausgeschlossen sein. In den größeren Städten
wurde die Fleischbeschau nur in besonderen Schlachthäusern
für durchführbar erachtet. Die mikroskopische Fleischbeschau
wurde mit besonderer Berücksichtigung der Trichine „im Prinzip
anerkannt“. Außerdem ging der Kongreß zur Besprechung
wichtiger Standesfragen über. Das Veterinärwesen, so ver¬
langte er, sollte ein selbständiger Zweig des Sanitätswesens
sein; bei. den Zentral-, mittleren und unteren Verwaltungs¬
behörden sollten Tierärzte zu Sachverständigen bestellt werden.
Es wurde gesetzliche Regelung der Ausübung der Tierheilkunde
und die Verleihung des Rechts, Arzneien zu bereiten und ab¬
zugeben, für nötig erklärt. Der Kongreß schnitt endlich auch
die Unterrichtsfrage an. Er stellte den Grundsatz auf: für die
Tiermedizin ist dieselbe Vorbildung nötig wie für die Medizin.
Er bekannte sich jedoch resigniert zu der Ansicht, daß die
Durchführung jenes Zieles zurzeit unerreichbar sei, und empfahl
etwa Primanerreife. Die Ausbildung von Tierärzten niedern
Grades, das sogenannte Zweiklassensystem, wurde entschieden
verworfen. Ebenso wurde die damals noch nicht grnz
verschwundene Einrichtung gemißbilligt, daß an gewissen
Universitäten Tierärzte durch einen einzigen Professor in allen
Fächern ihrer Wissenschaft ausgebildet würden. Die tier¬
ärztlichen Bildungsanstalten, so resolvierte der Kongreß, können
ebensowohl als Universitätsinstitute, wie als selbständige Schulen
organisiert werden.
Auf der Tagesordnung des nach so langer Pause statt¬
findenden vierten Kongresses zu Brüssel standen wiederum
die tierärztliche Vorbildung, die Organisation des tierärztlichen
Dienstes, das Dispensierrecht und von Tierseuchen die LuUgen-
seuche, sowie zum ersten Male die Tuberkulose. Die Ver¬
handlung über die Lungenseuche nahm jedoch einen so weiten
Raum ein, daß es an Zeit für die Besprechung der Tuberkulose
gebrach. Eine zu diesem Gegenstand von Herrn Ly dt in ver¬
faßte, viel belobte Denkschrift wurde dem nächsten Kongreß als
Unterlage tiberwiesen.
Auf dem fünften Kongreß zu Paris spielten bereits die
Tuberkulose und die Fleischbeschau die Hauptrolle. Die
erstere wurde sowohl von dem Standpunkt der Veterinärpolizei,
als auch von dem der Nahrungsmittelhygiene aus betrachtet.
Daneben verhandelte man über Rotz und Dourine, über die
Prophylaxe der Lungenseuche, die Entschädigung polizeilich
getöteter Tiere und eine internationale Veterinärpolizei.
Der sechste Kongreß zu Bern brachte eine neue Be¬
wegung zur Geltung: die allgemeine Aufnahme der Impfungen
unter die Maßregeln der Tierseuchenbekämpfung. Damals ist
über Mallein und Tuberkulin, über Schutzimpfung gegen Tollwut,
Rauschbrand, Lungenseuche, Starrkrampf, Rotlauf und Schweine¬
seuche eingehend debattiert worden. Außerdem wurde speziell
die Lungenseuchentilgung sowie der Einfluß der Veterinär¬
wissenschaft auf soziale Entwicklung und Wohlstand, und die
Frage einer internationalen Seuchenkonvention behandelt. Die
Anatomen traten zu einer Konvention behufs Vereinbarung
einer einheitlichen Nomenklatur zusammen.
Das reiche Programm des siebenten Kongresses zu
Baden-Baden ist noch in frischer Erinnerung. Die Anbahnung
einer internationalen Regelung der Grundsätze für die Be¬
kämpfung der Tierseuchen wurde von diesem Kongreß abgelehnt.
Besonderes Interesse erregte die Frage der Impfung gegen
Maul- und Klauenseuche, die Bekämpfung der Tuberkulose,
die Verwendung von Fleisch und Milch tuberkulöser Tiere und
die Bekämpfung der Schweineseuchen. Daneben wurden die
Anforderungen an eine wirksame Fleischbeschau erörtert und
dem Kongreß die erfolgte Vereinbarung einer internationalen
veterinäranatomischen Nomenklatur zur Kenntnis gebracht.
Der Kongreß zu Budapest hat ebenfalls den Schwerpunkt
seiner wissenschaftlichen Arbeiten auf die Erörterung der
Infektionskrankheiten gelegt, jedoch insofern zwei Neuheiten
gebracht, als zum erstenmale neben Haupt Sitzungen Sektions¬
sitzungen abgehalten wurden, und als die Tropenkrankbeiten
zum erstenmale eine Rolle spielten. Auf der Tagesordnung
standen: die Vieh Versicherung; der Versuch, ein einheitliches
Schema für die periodischen Veterinärsanitätsausweise auf¬
zustellen; der Milch verkehr; die Beziehungen zwischen der
Tuberkulose des Menschen und der Tiere; die Milch als Ver¬
breiterin der Tuberkulose und die Bekämpfung der Tuberkulose
der Haustiere; die Serotherapie der infektiösen Krankheiten;
die Schutzimpfung gegen Maul- und Klauenseuche; die Bekämpfung
der Tollwut und, wie gesagt, die Tropenkrankheiten. Auch
beschloß der Kongreß, den beteiligten Staatsregierungen die
Notwendigkeit darzulegen, die tierärztlichen Unterrichtsanstalten
mit dem Promotionsrecht auszuRtatten.
*
Im allgemeinen sehen wir, daß jenes, für den ersten
Kongreß von John Gamgee aufgestellte Programm die Richt¬
schnur auch für die Arbeiten aller folgenden Kongresse ab¬
gegeben hat. Dem öffentlichen Veterinärwesen sind diese
Arbeiten fast ausschließlich gewidmet gewesen, und die
Infektionskrankheiten haben die Tagesordnungen souverän be¬
herrscht. Gewiß ist mit richtigem Blick hierin die vornehmste
Aufgabe unserer Kongresse erkannt. Gewiß haben diese sich
gerade hierdurch Verdienste erworben und das Interesse der
Staatsregierungen gesichert. Gewiß sind gerade auf dem Ge¬
biete der Infektionskrankheiten die tiefgründigsten Forschungen
geleistet, haben wir hier die bewunderungswürdigsten Erfolge
kennen gelernt, liegen hier die anziehendsten und schwierigsten
Probleme und werden diese immer von neuem unser Interesse
in Anspruch nehmen. Aber wenn die Erforschung der Infektions¬
krankheiten auch höchste Wissenschaft ist, es ist doch nicht
unsere ganze Wissenschaft, und von einer gewissen Ein¬
seitigkeit kann ich unsere bisherigen Kongresse nicht firei-
sprechen. Ich meine, nachdem für alle Zweige des öffentlichen
Veterinärwesens jetzt die Grundlage geschaffen und bereits,
unter wesentlicher Anteilnahme der Kongresse, weit ausgebaut ist,
sollten diese sich nunmehr auch noch anderen Gebieten etwas mehr
zuwenden und auf ihre Fahne schreiben: Förderung der ge¬
samten Veterinärwissenschaft. Das Programm der
künftigen internationalen Kongresse wird meiner Ansicht nach
nicht mehr vermissen lassen dürfen die Berücksichtigung der
Heilkunde im engem Sinne, der speziellen Pathologie und
Therapie, der Chirurgie und Akiurgie. Dieser Kern der
Medizin ist bisher entschieden zu kurz gekommen.
Der internationale Meinungsaustausch über eine neue Be¬
handlungsmethode- ist von nicht geringerem Interesse für einen
Teil der Anwesenden, wie die Erörterung der MaUein-Reaktion
für einen anderen. Wo wir heute überall Institute mit zweck¬
mäßigen Operationssälen finden, wäre wohl der internationale
13. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT
589
Kongreß der geeignetste Ort, eine neue Operation oder An¬
wendung neuer Instrumente zu zeigen. In Bern ist wohl ein
Anfang gemacht worden, der viel Interesse erweckte, aber
nicht völlig zu seinem Rechte kam, weil er nicht
offiziell war. Auch hierin hat der Kongreß zu Budapest
bereits einen weiteren Schritt getan, indem er die hoch¬
bedeutsame Behandlung der Gebärparese offiziell in seine Tages¬
ordnung aufnahm. Auch der Physiologie muß ein Platz ein¬
geräumt werden und der Anatomie; daß auch diese auf den
internationalen Kongressen etwas zu sagen hat, ist schon durch
die Vereinbarung der internationalen Nomenklatur bewiesen.
Übrigens hat schon 1892 der Verein der Tierärzte in Österreich
die Ausarbeitung gemeinsamer Krankheitsbezeichnungen bei den
deutschen Kollegen angeregt (7. Plenarversammlung des Deutschen
Veterinärrats). Es sind also vielleicht noch mehr solcher
Arbeiten zu leisten.
Wenn freilich das wissenschaftliche Programm eine Er¬
weiterung vertragen soll, so muß andrerseits eine Beschränkung
des Stoffes bei den einzelnen Gegenständen durchgeführt
werden. Im allgemeinen hat sich, wenigstens bei den letzten
drei Kongressen, die Tagesordnung als zu reichhaltig erwiesen.
Denn man würde den Zweck der Kongresse verkennen, wenn
man ihn nur in dem Austausch wissenschaftlicher Meinungen
und Errungenschaften sehen würde. Er soll der Geselligkeit
dienen, weil sie am besten die persönlichen Beziehungen
knüpft, die, wie man heute von den internationalen Kongressen
vielleicht ganz allgemein behaupten kann, die wertvollste Wirkung
solcher internationalen Veranstaltungen bilden.
Der Kongreß zu Budapest hat einen erheblichen Fortschritt
in der Organisation der Kongresse gebracht, indem
er derselben einen festen Rahmen gegeben und die
Kontinuität gesichert hat. Es ist auf meinen Vorschlag
damals eine ständige internationale Kommission
gewählt worden, an deren Spitze zurzeit der Ehrenpräsident
des Deutschen Veterinärrates, Dr. Lydtin, steht. Diese
Kommission hat die Aufgabe, die Verbindung von einem
Kongreß zum folgenden herzustellen und die Tagesordnung für
den kommenden Kongreß vorzubereiten, damit diese Tages¬
ordnung nicht einseitig von örtlichen Interessen und An- |
Behauungen beeinflußt werde, sondern wirklich den inter¬
nationalen Wünschen entspreche. In die weiteren Vor¬
bereitungen des Kongresses hat sie allerdings, meiner Ansicht
nach wenigstens, nicht einzugreifen, sondern in dieser Beziehung
muß das jeweilige Kongreßkomitee völlig souverän bleiben.
Ich möchte diese kurze historische Zusammenstellung mit
einer leisen, die Gegenwart betreffenden Mahnung schließen.
Es ist sehr erfreulich, daß im Laufe der Zeit die Kongresse sich
immer mehr das Interesse der Regierungen zu sichern gewußt
haben. Die dankenswerte Folge davon ist eine doppelte: einmal,
daß die Beschlüsse der Kongresse von vornherein der amtlichen
Beachtung sicher sind; zweitens, daß die Regierung des den
Kongreß beherbergenden Landes in hervorragender Weise die
ganze Veranstaltung fördert und namentlich auch finanziell sicher
stellen hilft. Trotzdem ist gerade in dieser Hinsicht ein gewisses
Maßhalten am Platze; es gibt auch hier eine Grenze, die takt¬
voll innegehalten werden muß. Der Charakter der Kongresse darf
nicht gar zu offiziell werden; es sollen freie Versammlungen
bleiben, die unbeirrt von äußeren Einflüssen und Rücksichten
ihre wissenschaftlichen Ziele verfolgen können. Daran zu er¬
innern, scheint nicht unnütz, auch wenn dieser Grundsatz noch
nicht verletzt worden ist. Ein aus derselben Neigung entspringender
innerer Mangel hat sich aber tatsächlich schon zu zeigen begonnen,
das ist die Hervorkehrung irgendwelcher offizieller Beauftragung
unter den Kongreßmitgliedern selbst. Bei diesen Kongressen mögen
die Männer hervortreten, denen es durch irgendwelche Verdienste
oder Leistungen gelungen ist, sich eine Stellung in der Wissen¬
schaft und unter ihren Standesgenossen zu erwerben; und sie
werden um so mehr hervortreten, je mehr ihr Ruf über die
Grenzen ihres Heimatlandes hinausgekommen ist. Dagegen ist
es meiner Ansicht nach für die Stellung eines Teilnehmers des
Kongresses völlig gleichgültig, ob er ein Mandätchen irgendeiner
Körperschaft, sei es selbst einer Universität, aufzuweisen hat;
auch Diejenigen, welche in einem staatlichen Aufträge erscheinen,
können nicht deswegen allein vor allen anderen in den Vorder¬
grund geschoben werden. Ich habe das Gefühl gehabt, als ob der¬
artige Bestrebungen anfingen, hervorzutreten, und ich halte es
für meine Pflicht, rechtzeitig dagegen zu protestieren.
[Man müßte mit menschlichen Gewohnheiten nicht vertraut
sein, wenn man nicht die Möglichkeit in Betracht ziehen wollte,
daß einer der vielleicht unbequemen Mahnung die Ver¬
dächtigung entgegentreten könnte: der Mahner hat sich verletzt
gefühlt. Demgegenüber kann ich mit besonderer Freude
konstatieren, daß ich persönlich, obwohl ich ohne jedes Mandat
in Budapest war, dank der mir stets bewiesenen Freundschaft
der dortigen führenden Kollegen, mich einer ganz besonders
ausgezeichneten Aufnahme zu erfreuen gehabt habe.]
Der Kongreß im Haag wird nicht verfehlen, eine starke
Anziehungskraft, namentlich auch in Deutschland ausüben.
Sollte dabei die Mitgliederzahl etwas kleiner bleiben, wie in
Baden und Budapest, so wäre das durchaus kein Fehler. Auch
für die Zahl gibt es ein Zuviel, in Rücksicht auf die Behaglichkeit.
Ein Budapester Beschluß hatte die Absicht aufgestellt, das
50jährige Jubiläum der internationalen tierärztlichen Kongresse
im Jahre 1913 mit der Veranstaltung eines Kongresses in
England zu feiern, weil ein Engländer die Bildung der Kongresse
angeregt hatte. Dieser Absicht tritt, wie die Erkundigung bei
englischen Kollegen ergeben hat, leider wahrscheinlich eine
Schwierigkeit entgegen, indem die englische Regierung für die
Förderung solcher Kongresse nicht zu haben ist.
t
Veterinflrrat Röttger.
Der Tierärztliche Generalverein für die Provinz Hannover
hat eins seiner eifrigsten Mitglieder, den Kgl. Kreistierarzt a. D.
Veterinärrat Röttger-Heiligendorf, durch den Tod verloren.
Heinrich Friedrich Karl Röttger wurde am 23. Oktober
1835 in Isenbüttel, Kreis Gifhorn, geboren. Nachdem er seine
Schulausbildung vollendet hatte, widmete er sich dem Studium
der Tierheilkunde an der damaligen Tierarzneischule in Hannover,
an der er im Jahre 1854 die Approbation mit der Zensur „Sehr
gut“ erhielt und seiner Approbation gleichzeitig der Vermerk
beigefügt wurde, daß er den Behörden als Gutachter zu empfehlen
sei. Zunächst praktizierte Röttger bei seinem Vater, der
damals in Fallersleben Tierarzt war, 1857 zog er nach Heiligen¬
dorf, Kreis Gifhorn, wo er bis zu seinem Lebensende gelebt
und praktiziert hat. Im Jahre 1870 wurde ihm die kommissarische
Verwaltung der Kreistierarztstelle für die Kreise Gifhorn und
No. 33.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
590
Isenhagen übertragen, 187.3 wurde er definitiv als Kreistierarzt
angestellt.
Röttger erfreute sich innerhalb seines Wirkungskreises
eines seltenen Vertrauens und einer großen Beliebtheit, was
sich besonders bei seinem 50jährigen Jubiläum als Tierarzt
bemerkbar machte. Bei dieser Gelegenheit wurde er auch durch
Verleihung des Roten Adlerordens IV. Klasse ausgezeichnet;
1906 trat er unter Gewährung der gesetzlichen Pension und
des Titels Veterinärrat in den Ruhestand. An die rastlose
Tätigkeit schloß sich leider nur ein kurzer Lebensabend; am
13. Juli 1908 machte ein Schlaganfall dem tatenreichen Leben
Röttgers, nachdem er bis zuletzt noch der auch nach der
Pensionierung beibehaltenen Privatpraxis nachgehen konnte,
ein plötzliches Ende.
Die Beerdigung fand statt am 16. Juli unter großer Be¬
teiligung der Bevölkerung und der Kreisbehörden. Im Namen
der beamteten Tierärzte des Regierungsbezirks legte Kreis¬
tierarzt Arndt-Gifhorn ein Palmenarrangement am Sarge des
Verstorbenen nieder.
Röttger hatte seine Ehefrau schon vor langen Jahren ver¬
loren. Sein Sohn ist praktischer Arzt in Schöneberg bei Berlin,
eine Tochter ist an einen Pastor, eine andere an einen Seminar¬
oberlehrer und die dritte an einen praktischen Arzt verheiratet.
Im Verein fehlte Röttger bei keiner Versammlung; mit
regem Interesse folgte er den Verhandlungen und griff häufig
in die Diskussion ein. Die markige ansprechende Erscheinung
des bei allen Mitgliedern beliebten alten Herrn wird im Verein
noch lange in der Erinnerung weiterleben.
Göttingen, im Juli 1908.
Der Präsident des Tierärztlichen General Vereins: Dr. Esser.
Der Schriftführer: Dr. Heine.
Neue Gebührenordnung in Württemberg.
Nach einer Mitteilung der Deutschen Tierärztlichen Wochen¬
schrift ist die geplante Neuordnung der Gebühren der beamteten
Tierärzte herausgekommen. Näheres wird demnächst mit¬
zuteilen sein.
Persönliches.
Zu dem in Nr. 31, S. 549 mitgeteilten Artikel der Deutschen
Tierärztlichen Wochenschrift wünscht Herr Departementstierarzt
Preuße folgende Bemerkung zu veröffentlichen:
„Nach meiner Rückkehr von einer Urlaubsreise habe ich
von dem auf mich wegen meines die Pauschalierung betreffenden
Artikels erfolgten Angriff Kenntnis erlangt. Durch die bereits
in Nr. 31 der B. T. W. erfolgte Erörterung erachte ich denselben
inhaltlich auch für mich als erledigt. Auf die Form einzugehen,
lehne ich ab.“ Preuße.
Ferner hat dazu die Deutsche Tierärztliche Wochenschrift
in ihrer Nr. 31 folgendes veröffentlicht:
Zur Klarstellung.
„In meinem Artikel in der vorigen Nummer „Zur Abwehr“
gegen den Artikel des Herrn Veterinärrat Preuße in der
Berliner Tierärztlichen Wochenschrift findet sich die Bemerkung:
„Die Redaktion der B. T. W. bleibt weiterhin wieder einmal
nicht bei der Wahrheit.“ Ich erkenne an, daß dieser Angriff
gegen die Redaktion der B. T. W. nicht gerechtfertigt ist und
nehme ihn zurück.“ Malkmus.
Berichtigung.
Die in Nr. 29 der B. T. W. enthaltene Mitteilung betreffend
Anklage wegen Meineides bei Ausübung der Sachverständigen¬
tätigkeit schließt mit dem Satze: Der ganze Aufsehen erregende
Prozeß wäre wohl vermieden worden, wenn schon bei der Vor¬
untersuchung tierärztliche Sachverständige eingehend gehört
worden wären.
Diese Angabe entspricht nicht der Tatsache, denn es sind
in der Voruntersuchung die hiesigen Kollegen Elsässer und
Siebke gerichtlich vernommen worden.
Körnig. Elsässer. Schneider. Priewe. Keller.
Dr. Brenneisen. Kreuzberg. Leefhelm. Englert. Siebke.
Neuß.
Schlachthofdirektor Dr. D’heil in Neuß a. Rh. wurde nach
einjähriger Probezeit mit Pensionsberechtigung angestellt. Das
Gehalt wurde auf 3900—6000 M., steigend alle zwei Jahre um
300 M., festgesetzt. Die Nebenbezüge, freie Wohnung, Heizung
und Beleuchtung, werden bei der Pensionierung mit 15 Proz.
des bezogenen Gehaltes in Anrechnung gebracht.
Maul- und Klauenseuche.
Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche ist gemeldet aus
Splawie (Kreis Posen-Ost) und aus Rahm (Landkreis Dortmund).
Tierhaltung und Tierzucht.
Stand der größeren Deutschen Vieh-Versicherungs-
Gesellschaften am Schluß des Jahres 1907.
Von Tierarzt Dr. Plath-Köln.
Aus der nachstehenden Tabelle, in welcher wie in den
früheren Jahren die Geschäftsergebnisse der größeren Deutschen
Vieh-Versicherungs-Gesellschaften pro 1907 zusammengestellt
sind, wird man zu allgemeiner Befriedigung entnehmen können,
daß fast alle Gesellschaften im verflossenen Jahr einen zum Teil
sogar recht erheblichen Zuwachs zu verzeichnen hatten. Es ist
dies um so erfreulicher, als man bei dem durch die Geldteuernng
verursachten allgemeinen Geschäftsrückgang auch bei der Vieh¬
versicherung einen solchen erwartete. Daß dieser Rückgang
nicht nur nicht eingetreten, sondern sogar ein nicht unbedeutender
Zuwachs zu verzeichnen ist, beweist, daß man sich im aU-
gemeinen von der Notwendigkeit und Zweckdienlichkeit der
Viehversicherung immer mehr überzeugt. Hoffentlich nimmt der
Aufschwung der Vieh-Versicherungs-Gesellschaften in gleicher
Weise seinen Fortgang, dann wird auch allmählich der Wunsch
nach Verstaatlichung, welcher noch hier und da zutage tritt,
mmer seltener werden. Aber auch bei den Gesellschaften selbst
kann man feststellen, daß das Bestreben, den Versicherten etwas
Gesundes zu bieten, bzw. die Einrichtungen und Verwaltungen
zu verbessern, immer mehr und mehr in den Vordergrund tritt.
So kann man mit Befriedigung aus der Tabelle entnehmen, daß
die Verwaltungskosten fast bei sämtlichen Gesellschaften geringer
geworden sind. Nur wenige Ausnahmen gibt es noch, die die
vereinnahmten Prämien nicht als eine Schuld den Versicherten
gegenüber betrachten, sondern als eine Einnahme, mit der sie
schalten und walten zu können glauben, wie es ihnen beliebt.
Durch einen Vergleich der Tabelle mit der vorjährigen kann
man aber auch konstatieren, daß bei diesen Gesellschaften der
Zugang ein sehr geringer gewesen, wenn nicht gar ein Rück¬
gang zu verzeichnen ist, ein Beweis, daß sie von dem ver¬
sicherungssuchenden Publikum richtig eingeschätzt werden.
Besonders erwähnt sei noch, daß es mir unmöglich war,
von einzelnen Gesellschaften die Originaljahresberichte zu er¬
halten. Letztere müssen nämlich den Vorschriften des Kaiser-
Stand der größeren Deutschen Viehversicherungs Gesellschaften am Schluß des Jahres 1907.
13. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
591
•) Authentischen Unterlagen entnommen. ’) 75% für Pferde, 105% für Rinder, 20% für Schweine. 3 ) 128,8 = 3% der Versicherungssumme als Ergänzungsprämie -f 80% der Vorprämie als Nachschufi.
Die mit * versehenen Gesellschaften arbeiten nach dem System der festen Prämie, kürzen aber ev. im Schadenfall die Entschädigungscjuote ( . « T . v 1Qn , -o.
Die mit ** versehene Gesellschaft erhebt ausrchliefllich nachträglich die Prämien in der erforderlichen Höhe (Umlageverfahren) ’
592
BERLIN KU TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
liehen Aufsichtsamtes entsprechend über Punkte, die den einzelnen |
Gesellschaften nicht gerade angenehm sind, so z. B. über die ;
Zahl, Ausgang usw. der schwebenden Schadenprozesse Angaben
enthalten. Hierüber schweigen mehrere Gesellschaften aber
lieber und verbergen solche der Öffentlichkeit dadurch, daß sie
Auszüge usw. ihrer Jahresberichte herausgeben, die den dies¬
bezüglichen Vorschriften nicht entsprechen und über die der
Gesellschaft unangenehmen Punkte nichts enthalten. Die solche
Gesellschaften betreffenden, in der Tabelle aufgeführten Zahlen
sind den Veröffentlichungen im Reichsanzeiger entnommen.
Über die Vererbung von Farben und Abzeichen
beim Pferd.
Von Kiesel-Gaildorf (Württemberg).
(Archiv f. wUsensch. u. prakt. Tierheilkunde, 34. Band, 2. Heft.)
Über die Vererbung von Farben und Abzeichen bei unsern
Haussäugetieren ist bis heute wenig Sicheres bekannt. Kiesel
hat nun versucht, einen Beitrag zu diesem interessanten Kapitel
der Tierzucht zu liefern. Das ihm zu Gebote stehende Material
bestand zum Teil aus mehr oder weniger vollständigen Auf¬
zeichnungen (Hengstbüchern, Stuten Verzeichnissen), zum Teil
aus lebenden Tieren, beide dem Königl. Württembergs eben
Landgestüt gehörig.
Hinsichtlich des Einflusses der Kreuzung stellte Kiesel
folgendes fest: Bei Farbgleichheit der Eltern erhält das Junge
mit größter Wahrscheinlichkeit die elterliche Farbe. Sind die
Eltern ungleich an Farbe, so entspricht die Farbe des Jungen
derjenigen eines der Filtern. Die Rassenkreuzung hat die
Tendenz, bei der Nachkommenschaft häufiger dunkle Farben
auftreten zu lassen, als dies bei homogenen Tieren der Fall ist.
Es hängt diese Tatsache offenbar mit der Besserung der
Konstitution durch die Kreuzung zusammen. Beim württera-
bergischen Landgestütschlag macht sich eine deutliche Ab¬
dunklung der Deckhaarfarbe (verbunden mit Reduktion der
Abzeichen) bemerkbar.
Ferner gelangt Kiesel noch zu nachfolgenden Thesen:
Abzeichen können in gleicher oder ungleicher Zahl und Größe
vererbt werden. Die Vergrößerung eines Abzeichens kann ein-
treten, wenn beide Eltern ein Abzeichen an derselben Stelle
haben, und besonders dann, wenn bei beiden Eltern das be¬
treffende Abzeichen konservativ ist. So wird beispielsweise aus
zweimal Stern und Schnippe der Eltern mit Leichtigkeit eine
durchgehende Blässe beim Jungen. Ferner vereinigen sich oft
große Abzeichen mit starkem Melanismus. Verkleinerung bzw.
Abnahme der weißen Abzeichen findet man bei Rassenkreuzung,
dieses Verhalten ist wahrscheinlich auf Veränderung der
Zirkulation zurückzuführen. Die Kopfabzeichen sind viel
weniger konservativ als die der Beine. Große Neigung zum
Verschwinden zeigt die Blässe, noch mehr aber die Schnippe,
während der Stern sich lange konstant vererbt. Vermindert
sich die Zahl der Abzeichen an den Gliedmaßen, so reduziert
sich auch die Größe der Zeichen.
Zum Schluß spricht sich endlich Verfasser dahin aus, daß
es ihm mit seinem Material nicht gelungen ist, ein förmliches
Gesetz eines Zusammenhanges zwischen der Änderung der
Farbe und der Vergrößerung oder Verkleinerung der Abzeichen
zu konstruieren. Daß aber ein gewisser Zusammenhang
bestehen muß, ist als sicher anzunehmen. J. Schmidt.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurdo verliehen dem Oberveterinär Gesch
im Feldart.-Regt. Nr. 14 das Ritterkreuz zweiter Klasse mit
Schwertern des Gr. Badischen Ordens vom Zähringer Löwen, dem
Bezirkstierarzt Yeterinärrat Lorenz Fischer -Breisach bei seiner Ver¬
setzung in den Ruhestand das Ritterkreuz erster Klasse desselben
Ordens.
Ernennungen: Der Kreistierarzt Dr. K. Fcrer^-Meiningen zum
Hoftierarzt, Tierarzt Oswald Becker definitiv zum Kreistierarzt in
Ouhrau, Dr. Emil Rnthhaar, bisher Assistent an der medizinischen
Klinik der Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart, zum Assistenten
am bakteriologischen Institut der Landwirtschaftskammer für
Pommern in Stettin.
Verzogen: Die Tierärzte Ludwig Adam von Stockach nach
München, Seülerer aus Blaibach als Assistent beim K. Bezirkstier¬
arzt nach Oberdorf, Witlmann aus Kager «als Assistent beim Distrikts¬
tierarzt nach Ilshofen (Wilrtt.).
Examina: Promoviert zu Doctores med. vet.: Schlachthof¬
inspektor Kurtxwig in Gießen, städt.' Tierarzt Schachtschabei zu
Leipzig an der dortigen Universität, Stabsveterinär Karl Schuh
im Feldart.-Regt. Nr. 17 in Bromberg in Bern. — Approbiert:
Die Herren Fritx Balxer aus Ostrowo, Wilhelm Gärtner aus Kraut-
heim (Baden), Fritx. Jaehnke aus Driesen, Hugo Schröder aus Radosto-
witz, Friedrich Schüttler aus Welleringhausen in Berlin; Otto Fraser
aus Thusby in Hannover.
In der Armee: Preußen: Befördert: Die Stabsveterinäre
Goerte , technischer Vorstand der Militär-Lehrschmiede Hannover, und
Emst Krüger , Assistent bei der Militär-Lehrschmiede Berlin, zum
Oberveterinär mit dem persönlichen Range der Räte V. Klasse;
Unterveterinär Bemdt im Drag.-Regt. Nr. 17 zum Oberveterinär;
die Studierenden der Militär-Veterinär-Akademie Domis im Feldart.-
Regt. Nr. 20, Kirschner im 1. Garde-Feldart.-Regt., Eckert im Ulan.-
Regt. Nr. 1, Kortbcin im Ulan.-Regt. Nr. 11, Hommelsheim im Drag.-
Regt. Nr. 7, Paul nahn im Ulan.-Regt. Nr. 14, Teipel im Feldart.-
Regt. Nr. 76, Piek im Ulan.-Regt. Nr. 2, Qeibel im Feldart.-Regt.
Nr. 25, Müllauer im Drag.-Regt. Nr. 16, Richters im Feldart.-Regt.
Nr. 9, Fröhlich im Hus -Regt. Nr. 5, Scheele im Drag.-Regt. Nr. 10,
Hoenecke im Drag.-Regt. Nr 22, sämtlich unter gleichzeitiger
Kommandierung auf sechs Monate zur Militär-Lehrschmiede Berlin,
zum Unterveterinär.
Versetzt: Oberstabsveterinär Goerte , techn. Vorstand bei der
Militär-Lehrschmiede Hannover, zum Hus.-Regt. Nr. 17, Oberveterinär
Stahn im Feldart.-Regt. Nr. 67 zum Hus.-Regt. Nr. 15, Oberveterinär
Christian im Leib-Drag-Regt. Nr. 20 zum Jägcr-Regt. zu Pferde
Nr. 5 —- letzterer mit Wirkung vom 1. Oktober 1908. Die zum
Oktober 1908 verfügte Versetzung des Oberstabsveterinärs Hönscher
als techn. Vorstand zur Militär-Lebrschmiede Hannover und des
Oberveterinärs Kopeke zur Wahrnehmung der Stabsveterinärgeschäfte
im Feldart.-Regt. Nr. 21 tritt sofort ein.
Württemberg: Befördert: Stabsveterinär Breitenbach iui
Feldart.-Regt. Nr. 29 zum Oberstabsvoterinär mit dein persönlichen
Range auf der 7. Stufe der Rangordnung; der Studierende der
Militärveterinär-Akademie Jahn im Drag. Regt. Nr. 25, unter gleich¬
zeitiger Kommandierung auf 6 Monate zur Militär-Lehrschmiede
Berlin, zum Unterveterinär.
Im Beurlaubtenstande: Preußen: Befördert: Die Unter-
veterinäre der Reserve Tillmann (Erfurt) und Schnöring (Barmen)
zum Oberveterinär.
Todesfall: Kgl. Bezirkstierarzt a. D. Johann Schmidt in Lauf a. P.
Vakanzen. (v g i. Nr. 32.)
Kaiser Wilhelm-Institut für Landwirtschaft in Bromberg: Tierarzt,
in Tuberkulosebekämpfung erfahren. Gehalt 3600 M. und 15 M.
Tagesdiäten, Eisenbahnfahrt 9 Pf. pro Kilometer. Bewerb, a. <1.
Vorsteher der Abteilung für Tierhygiene obigen Instituts.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält* in Berlin. — Verlas und Eigentum der Verlagsbuchhandlung ron Richard Schoets ln Berlin. —
Druck von W. BOxenstein, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz ln
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert, (österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
öriglnalbeitrfige werden mit 60 Mt., fn Petltssfz mit
GO Mk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe inan
zu senden an Prof. Dr. Schmält/., Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Luisenstraßu 56. Korrekturen.
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegeu an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departements-!', in Cöln.
Med.-Rat Dr. Roeder
Professor in Dresden.
Dr. Schlegel
Professor ln Freiburg.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Veterinärrat Peters
Departements T. in Bromberg.
Helfer
8ch1ach'h.-Direktor in Mülhausen 1. E.
Professor Dr. Peter
Staatstierarzt für Hamburg.
Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel
Professor in Dresden. Landestierarzt in München.
Dr. H. Sieber Dr. Stödter
am Tropeninstitut in Hamburg. Stadt-Tierarzt in Hamburg.
Veterinärrat Preuße
Departements-T. ln Danzig.
Wehrle
Kais. Regierungsrat in Berlin.
Dr. Richter
Professor in Dresden.
Zündel
Kreistierarzt in MUlhansen L E.
Dr. Trapp
am Kaiser Wilhelm-Institut in Bromberg.
Dr. Zimmermann
Dozent ln Budapest.
Jahrgang 1908. J\[g. 34 . Ausgegeben am 20. August.
Inhalt: Gutbrod: Atrichie beim Kalbe. — Willerding: Versuch einer Heil- und Schutz-Impfung bei der Influenza (Brust¬
seuche) der Pferde. — Müller: Beitrag zur Agglutinationstechnik hei Rotz. — Vogel: Mitteilungen aus der
Praxis. — Referate: Über Unfruchtbarkeit bei den Kühen und ihre Behandlung. — Bürgi: Über Neurektomie und ihre
Folgen. — Littmann: Geheilter Beinbruch beim Pferd. — Baiäs: Paralysis bulharis infectiosa hei Ratten. — Hilhrand:
Beiträge zur Kenntnis des Bradsot. — Ehrle: Impfung gegen Kälberruhr. — Fischer: Über Scheiden- und Wurftuberkulose
bei der Kuh. — Pfeiler: Über die gangränöse Euterentzündung bei Schafen. — Gasse: Untersuchungen über das Verhalten
der Blutkörperchen bei chirurgischen Krankheiten des Pferdes, besonders bei eitrigen Entzündungen. — Heiß: Über thermo¬
chemische Kadaververnichtung. — Tagesgeschichte: Meier: Betätigung der Tierärzte in der Öffentlichkeit. - Bange Zweifel?
— Die Bekämpfung der Schafräude im Regierungsbezirk Kassel. — Kolonialinstitut in Hamburg. — Reichsgerichtsentscheidung
betreffend Haftpflicht des Reichsmilitärfiskus wegen Schädigung eines Pferdebesitzers infolge Ansteckung durch kranke Militär¬
pferde. — Eine neue Kammergerichtsentscheidung betreffend Abdeckereiprivilegien. — Verschiedenes. — Tierhaltung und
Tierzucht: Naumann: Die Grasfluren der Erde, Deutschlands Wiesentypen und die Wertbestimmung des Wiesenheues. —
Verschiedenes. — Bücherbesprechungen. — Personalien. — Vakanzen.
Atrichie beim Kalbe.
Von Tierzuchtinspektor Gutbrod -Gunzenhausen.
Eine Ellingerkuh des Bauern H. in Untersteinbacli gebar
(gedeckt von einem Frankenbullen) ein vollständig nacktes
Kalb. Das muntere Tierchen hatte nur einige Borsten am
Schwanz aufzuweisen, sonst zeigte sich aber auch nicht eine
Spur von Flaumbildung auf der goldgelben Haut. Das Tierchen
gedieh sehr gut und kam mit vier Wochen nach Roth zur
Schlachtung, nachdem sich mehrere Metzger der Umgebung ge¬
weigert hatten, es zu schlachten.
Die Photographie verdanke
ich der Liebenswürdigkeit des
Kollegen Löhe in Roth.
Versuch einer Heil- und
Schutz-Impfung bei der
Influenza (Brustseuche) der
Pferde.
Von Kreistierarzt Dr. Willerding-
Mohrungen, Ostpr.
Seit etwa vier Jahren herrscht
die Influenza (Brustseuche) der
Pferde im hiesigen Kreise. Zeitweise nahm dieselbe eine ;
ziemlich erheblicheVerbreitung unter den hiesigen Pferdebeständen, j
Dieser Umstand gab mir Veranlassung, dieser Seuche besondere t
Aufmerksamkeit zuzuwenden und zu versuchen, die symptomatische
Behandlung durch Arzneimittel, auf welche wir bei dieser Seuche
leider bisher ausschließlich angewiesen sind, möglicherweise
durch eine spezifische zu unterstützen bzw. zu ersetzen. Meine
Untersuchungen richteten sich zunächst darauf, festzustellen, ob
der Infektionsstoff im Blut kranker Pferde vorhanden und bak¬
teriologisch nachzuweisen sei. Die mikroskopische Untersuchung
des Blutes kranker Pferde aus verschiedenen Beständen, sowie
die intraperitoneale Verimpfung desselben an Mäuse (1—3 ccm)
und Kaninchen (10—30 ccm) hatte ein negatives Ergebnis.
Auch 18 gesunde Pferde verseuchter Bestände (Maldeuten,
Louisenthal, November, Dezember 1905) erhielten 1—30 ccm
Blutserum von kranken Tieren unter die Haut gespritzt. Bei den
während einer Zeitdauer von acht Tagen bei diesen Pferden aus-
geführten, täglichen Temperaturmessungen wurde bei einem sechs
Jahre alten Tier am Tage nach der Injektion ein mittelgradiges
Fieber ermittelt, welches einige
Tage anhielt und das Allgemein¬
befinden des Pferdes bei sonst
normalem Befund nicht wesentlich
alterierte. Da also bei diesen
18 Pferden durch die Applikation
von Blut kranker Pferde eine
Erzeugung der Brustseuche nicht
gelang, war wohl anzunehmen,
daß, auch wenn der Infektions¬
stoff sich dem Nachweise durch
die bakteriologische Untersuchung
entzogen hatte, das Blut kranker
Tiere als Träger des Infektions¬
stoffes kaum Frage in komme. Es
lag nun trotzdem die Möglichkeit vor, daß auch bei Abwesenheit
des Erregers in der Bluthahn, infolge Reaktion des Organismus
auf die eiugetretene Infektion, im Blut aggressinartige Körper an¬
gehäuft werden. Diese Überlegung veranlaßte mich, ein Pferd,
welches von schwerer Form der Brustseuche genesen war, anzu¬
kaufen (Gr.-Wilmsdorf, September 1905) und demselben während
der Dauer von vier Monaten 16 Liter Blutserum von ebensovielen
brustseuchekranken Pferden intravenös zn injizieren, in der Absicht,
durch Einwirkung der mit diesem Serum eventuell eingeführten
spezifischen Stoffe den Organismus anzuregen, Schutzstoffe im
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
594
Blut zu bilden. Von diesem Versuchspferd wurde nun Serum
gewonnen und dasselbe zu Heil- und Schutz-Impfungen, in
ersterem Falle in Dosen von 300 ccm, in letzterem Falle in
solchen zu 100 ccm angewandt. Die bei 15 kranken Tieren
vorgenommene Heilimpftmg ließ einen Einfluß auf den Verlauf
der Erkrankung in keiner Weise erkennen. Die Schutzimpfung
dagegen schien in einem Bestände von Erfolg begleitet zu sein.
Als ich in Ausführung des amtlichen Auftrages, diesen Bestand
(Gut Plenkitten, 22.12.1905) untersuchte, waren von vorhandenen
25 Pferden 12 an der Seuche erkrankt. Die übrigen 13 wurden
mit 100 ccm des erwähnten Serumsschutz geimpft. Diese 13
Tiere blieben von der Brustseuche verschont. In einem anderen
Bestände (Gut Linkenau, 30. 3.1906), in welchem bei der amt¬
lichen Feststellung 10 Pferde infiziert waren, wurde der Rest¬
bestand von 17 Pferden in gleicher Weise mit dem Serum be¬
handelt. Diese Tiere erkrankten im Verlauf von einigen Wochen
sämtlich an der Seuche. Nach Angabe des Besitzers war ein
leichterer Verlauf bei den Impflingen nicht zu beobachten. Auf
Grund dieses Ergebnisses gab ich deü Versuch auf und wandte
mich — inzwischen war auch die erste der interessanten
Lorenzschen Mitteilungen erschienen — weiteren bakterio¬
logischen Untersuchungen zu. Wie nach dem Blutbefund erwartet
werden konnte, verlief die Untersuchung der großen Körper¬
parenchyme negativ. Ein gleiches Resultat ergab die Unter¬
suchung hepatisierter Lungenteile (3 Fälle). Es gelang aber,
aus den pathologischen Sekreten der Schleimhäute der Nasen
und Augen kranker Pferde wiederholt ein Bakterium zu isolieren
(Gut Prohnen, 22. 3. 1907, Gut Cornellen, 27. 3. 1907, Gut
Kröken, 22. 3. 1908), welches durch seine Pathogenität für Mäuse
und Kaninchen die Aufmerksamkeit erregte. Das Bakterium tritt
in diesen Sekreten, sowie auch in Mäusen, Kaninchen und auf
Agar in Diplococcenform, ausnahmsweise in Coccenform, auf.
In Nährbouillon und flüssigem Blutserum legen sich diese Diplo-
coccen, welche etwa 1,3 i« lang und 0,7 p breit sind, an den Polen
in nicht sehr stabilen kurzen Ketten aneinander. Durch Injektion
von 1—5 ccm Bouillonkultur dieses Bakteriums bei fünf Pferden
wurde an der Injektionsstelle eine mäßige Anschwellung und bei
zwei Tieren eine geringe Erhöhung der Körpertemperatur bis
39,5° hervorgerufen. Weitere Störungen traten nicht auf und
war eine Erkrankung an Brustseuche nicht zu erzielen. Ich be¬
gann dann, mit diesem Bakterium größere Versuchstiere (Pferd
und Rind) zu immunisieren. Das von denselben nach fünfmonat¬
licher Behandlung mit Bakterienknltur gewonnene Serum hatte
ich bisher Gelegenheit in zwei Fällen in Anwendung zu bringen,
welche ich in folgender Tabelle zusammengestellt habe.
Zu dieser Tabelle bemerke ich noch folgendes: Ein Pferd
des Gastwirtes M. in Georgenthal erkrankte unter Nachlassen
der Freßlust; ich wurde unmittelbar nach dieser Beobachtung
zur Behandlung desselben zugezogen. Die Untersuchung ergab
folgenden Befund: 40,5° C Mastdarmtemperatur, 25 Atemzüge,
66 Pulse, gelbliche Färbung der Konjunktiva. Das Tier erhält
100 ccm Serum subkutan. Die Untersuchung am zweiten Tage
nach der Behandlung ergab einen normalen Befand. Am nächsten
Tage erkrankte ein zweites Pferd desselben Besitzers. Befund:
41,0° C Temperatur, 30 Atmung, 70 Pulse, fast vollständiges
Versagen der Futteraufnahme. Das Tier erhält gleichfalls
Tabelle.
- - --
- ,—
-:
—-—ffitM ^
.
I. Georgenthal
Erkrankt an
Influenza am:
Erhält
am 12. IV.
Befund
am 12. IV.
Befund
am 14. IV.
1. 5jährige braune Stute
12. IV. 08
100 ccm
Serum subk.
40,5° C I
25 A. 66 P. |
38,3 °C
11 A. 37 P.
2. 6jähriger Fuchswallach
15. IV. 08
am 15. IV.
100 ccm
Serum subk. |
am 15. IV. !
41° C |
30 A. 70 P. |
am 17. IV.
39,5° C
28 A. 66 P.
erhält am 17. IV.
nochmals
100 ccm Serum subk. |
am 19. IV.
38,8° C
12 A. 38 P.
II. Gut Kröken
1. 7jähr. Rappwallach
2. 8jähr. br. Wallach
3. 9jährige Fuchsstutc
4. 5jährige Fuchsstute
5. lljähr. br. Wallach
6. 6jähriger br. Wallach
7. 13jähr. br. Wallach
8. Hjähr. Fuchswallach
9. 17jiihr. hcllbr. Stute
10. 12jähr. Fuchswallach
11. 3jährige Fuchsstute
Erkrankt an
Influenza am:
Befund
am 2. VII.
Erhalten
am 2. VII.
Befund
am 4. VII.
Erhalten
am 4. VII.
Befund
am 7. VII.
Befund
am 12. VII.
Befund
am 16. VII.
27. VI.
41,6° C
100 ccm
39,5° C
100 ccm
37,90 c
38° C
34 A. 80 P.
Serum subk
30 A. 65 P.
Serum subk.
17 A. 60 P.
12 A. 60 P.
27. VI.
39,8° C
do.
37,8° C
_
38,5° C
38,1° C
Die Pferde sind
28 A. 66 P.
17 A. 54 P.
11 A. 58 P.
12 A. 56 P.
nach Angabe
28. VI.
41,0° C
do.
37,5° C
_
37,8° C
38,1° C
des Besitzers
30 A. 59 P.
23 A. 48 P.
20 A. 52 P.
20 A. 54 P. i
ganz gesund
28. VI.
40,0° 0
do.
39,0° G
100 ccm
37,9° C
38,10 c
28 A. 74 1\
22 A. 60 P.
Serum subk.
20 A. 55P.
20 A. 56 P.
2. VII.
40,6° C
do.
41,0° 0
do.
38.8° C
38,4° C
40 A. 64 P.
18 A. 84 P.
21 A. 65 P.
28 A. 60 P.
Lrenott an-
2. VII.
41,2« G
do.
40,8° G
i do.
40,1° C
37,3° c
wesend, son-
26 A. 48 P.
24 A. 72 P.
1
24 A. 54P.
18 A. 60 P.
dem in Arbeit
1. VII.
1 38,6° G
do.
38,8 ö G
do.
37,9° G
38° G
geschickt.
. 30 A. 64 P.
12 A. 55 P.
1
12 A. 47P.
24 A. 54P.
3. VII.
1
—
38,5° G
do.
39,3° C
38,5° C
37,90 C
10 A. 50 P.
16 A. 63 P.
24 A. 64 P.
11 A. 58 P.
3. VII.
j _
_
39,2° C
do.
40,1° C
38,1° C
ebenfalls gesund.
1
13 A. 52 P.
12 A. 52 P.
24 A. 56 P.
auf dem Gehöft
nicht anwesend.
3. VII.
1 _
—
40,2° C
erhält tur
39,40 c
40,1° C
39,3° c
1
21 A. 50 P.
Kontrolle
kein Serum
24 A. 62 P.
55 A. 60 P.
38 Ai 54 P.*)
6. VII.
—
—
do.
39,10 C
40,1° C
am 13. VII.
34 A. 60 P.
35 A. 92 P.
gefallen.
*) Erhält auf Wunsch des Besitzers am 16. Juli 100 ccm Serum subkutan und ist nach 8 Tagen gesund.
20. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
595
100 ccm Serum. Nach Mitteilung des Besitzers hob sich am
Tage nach der Einspritzung die Freßlust bei dem Pferd. Am
zweiten Tage war die Futteraufnahme wiederum geringer, die
vorgenommene Untersuchung ergab 39,8° C Temperatur,
28 Atmung, 66 Pulse. Das Pferd wurde nochmals mit 100 ccm
Serum behandelt. Der Besitzer teilte mir am zweiten Tage
nach der Behandlung mit, daß das Pferd anscheinend gesund
sei. Die daraufhin vorgenommene Untersuchung an diesem
Tage ergab bezüglich der Temperatur, Atmung und Herztätig¬
keit einen normalen Befund. Auch in dem zweiten Falle, in
Gut Kröken, ist die Wirkung des Serums bei den neun be¬
handelten Pferden unverkennbar. Von den beiden nicht geimpften,
kranken Pferden (Nr. 10 u. 11) erkrankten Nr. 10 schwer, Nr. 11
war bei der Untersuchung am 12. Juli mit einer schweren Lungen¬
brustfellentzündung behaftet. Die Atmung geschah unter lautem
Röcheln, das Pferd ging in der Nacht vom 12. zum 13. Juli ein.
Bei meiner ersten Anwesenheit in Kröken, am 2. Juli, war
bei 16 Pferden eine Infektion noch nicht erfolgt. Acht derselben
wurden mit je 50 ccm Serum behandelt; von diesen geimpften
Tieren ist bisher keins an der Seuche erkrankt, während von
den nicht geimpften noch zwei befallen wurden.
Sollten weitere Versuche mit dem Serum ein gleiches,
günstiges Resultat ergeben, so wäre ein Zusammenhang zwischen
der Ätiologie der Brustseuche und dem Diplococcus, welcher
zur Herstellung des Serums als Grundlage diente, wohl nicht
von der Hand zu weisen.
(Aus dem Institut für Hygiene und Bakteriologie an der Universität
Straßburg. Direktor: Professor Dr. Förster.)
- Beitrag zur Agglutinationetechnik bei Rotz.
Von Dr. med. vet M. Müller, Assistent am Institut.
In Verdachtsfällen von Rotz ist im Interesse der veterinär¬
polizeilichen Bekämpfung der Seuche die möglichst schnelle
Sicherung der Diagnose erwünscht. Das von Wladimiroff*)
auf Grund der Gruber-Widalschen Reaktion ausgearbeitete
und späterhin von anderen Forschern gleichfalls angewandte
Agglutinationsverfahren benötigt — die Bereitschaft zur Aus¬
führung des Verfahrens vorausgesetzt — zur Stellung der Dia¬
gnose in der üblichen Weise eine Zeitdauer von 24 Stunden.
Die Gruber-Widalsche Reaktion zeigt beim Rotz im Ge¬
gensatz zum Typhus die Erscheinung, daß die charakteristische
Ausfällung der durch die Einwirkung der Agglutinine zusammen¬
geballten Flocken beim Rotz wesentlich langsamer als beim
Typhus erfolgt. Diese verlangsamte Ausfällung der Rotzbazillen
ist im wesentlichen dem Umstande zuzuschreiben, daß die Rotz¬
bazillen schon auf der Kultur und insbesondere in Bazillen¬
emulsionen eine sehr ausgesprochene schleimig-klebrige Beschaffen¬
heit zeigen. Eine gleiche Eigenschaft kommt den Typhusbazillen
nicht zu. Hier erfolgt daher auch sowohl die Bildung der Flocken
als auch deren Ausfüllung wesentlich schneller als bei Rotz.
Dementsprechend kann auch bei Typhus die Beurteilung des
positiven oder negativen Ausfalles der Gruber-Widalschen
Reaktion' nach wesentlich kürzerer Zeit erfolgen (2 Stunden) als
das bei Rotz möglich ist.
Nun hat Gaehtgens 2 ) gefunden, daß sich das Ergebnis des
Agglutinationsverfahrens für Typhus noch wesentlich beschleunigen
läßt, sofern man nach erfolgter Einwirkung der Agglutinine auf
die agglutinabele Substanz der Bakterien die Ausfällung der
Flocken durch Zentrifugieren beschleunigt. Gaehtgens konnte
in -einer großen Anzahl von Fällen feststellen, daß sich die
Agglutinationsfähigkeit von Serum auf Typhusbazillen durch
10 Minuten langes Zentrifugieren in gleicher Weise feBtstellen
ließ, als in der bisher üblichen Weise durch das langsam er¬
folgende Absetzenlassen der Bakterien. Während sich bei nega¬
tivem Ausfall der Agglutinationsprobe ebenso wie bei der Kontrolle
nach 10 Minuten langem Zentrifugieren ein scharfrandiger klein¬
linsenförmiger Belag von ausgeschleuderten Bazillen in der Kuppe
des Gläschens vorfand, der sich durch Schütteln wieder leicht
gleichmäßig in der Flüssigkeit suspendieren ließ, entstand bei
positivem Ausfäll der Reaktion ein Bodensatz von 2—3 fach
größerem Durchmesser, der nach der Peripherie zu feiner und
durchsichtiger wurde und einen unregelmäßig zackigen Rand
zeigte. Dieser Bodensatz verteilte sich beim Sbhütteln nicht
gleichmäßig, sondern ließ deutliche Flocken erkennen.
Brian 4 ) hat das Gaehtgenssche Verfahren zur Beschleuni¬
gung der bakteriologischen Diagnose bei Meningitis cerebrospinalis
epidemica angewandt. Gaehtgens 5 ) selbst hat den Befund Brians
für die Meningococcenagglutination bestätigt und weiterhin die
Anwendbarkeit des Verfahrens auch für Kolibakterien und
Pneumococcen festgestellt.
Da das Gaehtgenssche Verfahren im hiesigen Institut ständig
geübt wird, schien es mir angebracht, die schwer agglutinier-
baren Rotzbazillen auf ihr Verhalten bei der Agglutination gegen¬
über der Einwirkung der Zentrifugalkraft zu prüfen, zumal ein
gleiches Verhalten derselben wie bei den Typhusbazillen eine
Beschleunigung der Diagnose um 24 Stunden erwarten ließ.
Bereits vor längerer Zeit, gelegentlich einer großen Rotz-
enzootie in Lothringen im Jahre 1906, konnte ich bei Anwendung
des serodiagnostischen Verfahrens feststellen, daß sich die
Agglutination derRotzbazillen durch dasZentrifugieren
in hervorragendemMaßebeschleunigenläßtund zwar der¬
gestalt, daß der positive oder negative Ausfall der Agglutination
beim Schleudern in einer Wasserzentrifuge mit nicht allzuhoher
Umdrehungszahl nach 10 bis 15 Minuten erkennbar war. Beim
Zentrifugieren der Röhrchen in der elektrisch betriebenen Zentri¬
fuge mit hoher Umdrehungszahl (ca. 2000 pro Minute) läßt sich
das Ergebnis der Agglutination schon mit aller Sicherheit nach
5 Minuten langem Schleudern feststellen. Hierbei ist allerdings
zu bemerken, daß der für die Agglutination typische Belag
beim Schleudern nicht in dem ausgebreiteten Maßstabe erfolgt,
wie dies bei der langsam erfolgenden Ausfällung der Fall ist.
Die Flocken werden vielmehr um so mehr nach der Tiefe der
Glaskuppe zusammengeschleudert, je stärker die Zentrifugalkraft
ist. Der Belag ist jedoch bei erfolgender Agglutination auch
hier sichtlich verschieden von demjenigen des Kontrollröhrchens.
Der feinzackige durchscheinende Rand des ausgeschleuderten
unregelmäßig geformten Belages in der Glaskuppe, das besonders
zähe Zusammenleben der agglutinierten Bazillen und deren deut¬
liche Flockenbildung beim Schütteln lassen beim Vergleich mit dem
besonders scharf und gleichmäßig gerundeten, jedoch leicht auf¬
wirbelbaren Belag des Kontrollröhrchens keine Zweifel bei der
Beurteilung des Ausfalles der Reaktion aufkommen. Werden die
Röhrchen mit agglutinierten Bazillen etwas geschüttelt so erfolgt
die nochmalige Absetzung der Bakterienkonglomerate innerhalb
einiger Stunden in Gestalt eines stärker ausgebreiteten schleier¬
artigen Belages, der in gleicher Weise den Boden der Glas¬
kuppe bedeckt wie bei der langsam erfolgenden Ausfällung. —
Mit Rücksicht darauf daß es Eberle 5 ) unter Verwendung spitz
596
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSC HRIFT.
No. 34.
zulaufender Zentrifugenröhrehen nicht geglückt ist, den Befund
Brian8 für die Meningococcenagglutination zu bestätigen, sei
auch hier nochmals darauf hingewiesen, daß die Beurteilung
des ausgeschleuderten Belages auf positiven oder negativen
Ausfall der Agglutination selbstverständlich nur in Aggluti¬
nationsgläschen mit kugelsegmentartiger Kuppe möglich ist.
Ich habe das Schnellagglutinationsverfahren mit dem bisher
üblichen vergleichsweise sowohl unter Verwendung von Emulsionen
lebender als auch abgetöteter Rotzbazillen geprüft und hierbei
gefunden, daß sich abgetötete Bazillen wesentlich besser als
lebende zur Sclmellagglutination eignen, insbesondere auch dann
noch, wenn die abgetötete Bazillenaufschwemmung bereits eine
stark schleimig-klebrige Beschaffenheit angenommen hat. Der
Belag in der Gaskuppe war nämlich unter Verwendung ab¬
getöteter Bazillen bei erfolgender Agglutination nach dem
Zentrifugieren stärker ausgebreitet und seine Beurteilung dem¬
zufolge leichter als dies bei Verwendung lebender Bazillen der
Fall war. Insbesondere möchte ich auch daraufhinweisen, daß
eine Veränderung des Agglutinationstiters der Sera durch das
Zentrifugieren nicht erfolgt.
Da mir zurzeit der vergleichenden Prüfung zwischen den
beiden Verfahren Sera von rotzigen Pferden nicht zur Ver¬
fügung standen, habe ich die Versuche mit den Seris zweier rotziger
Meerschweinchen und zweier gesunder Pferde angestellt. Zu¬
nächst wurden je zwei Versuchsreihen mit lebenden Rotzbazillen
angesetzt, dann die Bazillenemulsion durch zweistündiges Er¬
hitzen auf 60° abgetötet und hiermit nach erfolger Abkühlung
und nach -zwei Tagen in gleicher Weise weitere Versuchsreihen
angestellt. — In den drei Versuchsreihen ergab das Serum des
einen Meerschweinchens einen mikroskopisch erkennbaren Agglu¬
tinationstiter bis zu einer Serumverdünnung von 1:8000 und
das Serum des anderen Meerschweinchens einen Titer von
1:10 000. Der Agglutinationstiter des Serums der gesunden
Pferde wurde in gleicher Weise für beide Verfahren bis zu
Verdünnungen von 1 : 500 und 1: 600 festgestellt.
Bei der Ansetzung der Gruber-Vidalscben Reaktion bediente
ich mich des im hiesigen Institut geübten Verfahrens, dessen
Vorzüge darin bestehen, daß in jedem Glase die Flüssigkeits¬
menge, die Bazillenmenge und demnach auch der Grad der
Dichtigkeit der Bazillenemulsion eines jeden Glases gleich ist.
Zu diesem Zwecke erhält jedes Gläschen 0,2 ccm einer Bazillen¬
emulsion, eine der herzustellenden Verdünnung entsprechende
Menge Serum und so viel physiologische Kochsalzlösung, daß die
Gesamtmenge eines jeden Gläschens 1 ccm beträgt. Die Menge
des benötigten Serums berechnet sich bei 1 ccm Gesamt¬
flüssigkeit aus der jeweiligen Verhältniszahl. In der folgenden
Tabelle ist die Art und Weise, in der die verschiedenen Ver¬
dünnungen anzusehen sind, an einer Reihe von Beispielen
Die Bazillenemulsion hat den für 1 ccm Mischung geeigneten
Bazillengehalt beim Abschwemmen einer zweitägigen Agarkultur
mit 10 ccm 0,85 proz. Kochsalzlösung. Dieselbe wird vor der
Abtötung behufs Absetzung gröberer Partikel und Bakterien¬
konglomerate 5 Minuten lang zentrifugiert.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß wir in
derGruber-Widalschen Reaktion unter Zuhilfenahme des Schnell¬
agglutinationsverfahrens für Rotz eine Methode besitzen, die die
Sicherung der Diagnose in kürzester Frist ermöglichen läßt.
Eine weitere Methode zur möglichst schnellen Sicherung der
Rotzdiagnose ist in der Präcipitinreaktion gegeben. Über die
Anwendbarkeit derselben für die Rotzdiagnose wird nach Ah-
Schluß der Versuche berichtet werden.
Literatur.
1) A. Wladimiroff, zitiert nach Koll. Wassermann, lid. IV,
1904, S. 1049. 2) Walter Gaehtgens, Beitrag zur Agglutinations¬
technik. Münch, rned. Wochenschrift, 1906, Nr. 28, S. 1351. —
Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt. Bd. XXV. Heft 1,
S. 218. 3) Derselbe. Über die Beschleunigung 4er Agglutination
durch Zentrifugieren mit besonderer Berücksichtigung der Meningo¬
coccenagglutination. Archiv f. Hygiene, Bd. LXVI, 8. 379. 4) Otto
Brian, Beschleunigung der bakteriologischen Diagnose bei
Meningitis cerebrospinalis epidemica. Zentralblatt für Bakteriologie,
Bd. 43, S. 745. 5)JuliusEberle, Über Agglutination der Meningo-
coccen (Diplococcus intracellularis meningitidis, Weichselbaum).
Archiv für Hygiene, Bd. LXIV, S. 171.
Mitteilungen aus der Praxis.
Von Dr. Otto E. Vogel-Kreuznach.
I. Verletzung der vena coronaria.
So häufig Herzverletzungen durch verschluckte Fremdkörper
beim Rind Vorkommen, so selten bekommt man sie bei der
Schlachtung ganz frisch zu Gesicht. In dem hier zu schildernden
Fall steckte das corpus alienum zwar schon längere Zeit im
Zwerchfell, aber die Verletzung des Herzens war ganz frisch,
und der Fall ist dadurch bemerkenswert, daß eine Hämorrhagie
in den Herzbeutel erfolgte, die zum Tode geführt hätte, ehe sich
eine Perikarditis hätte ausbilden können.
Im Mai 1906 wurde ich zu einer Kuh in W. verlangt, weil
sie sich nach Einholen eines Wagens voll Futter beklagte und
stark zittere.
Ich fand die Patientin im Stall mit erhobenem Kopf ruhig
liegend an; Ohren, Hörner und Flotzmaul waren kalt, Puls
mäßig kräftig, nicht beschleunigt. Sie stand zögernd, aber ohne
Hilfe auf und streckte sich nicht. Den Kopf ließ sie dann mit
stierem Blick etwas hängen, auch stellte sich sofort Zittern in
den Anconäen ein. Die Jugularen waren mäßig gefüllt, an der
linken eine Aderlaßwunde (ein Schmied hatte angeblich etwa
zwei Liter Blut entnommen.) Die Herztätigkeit war schwach,
63 Schläge per Minute. Zur Verstärkung derselben ließ ich die
Kuh etwa 30 m weit auf der Straße führen. Auch jetzt waren
Geräusche nicht bemerkbar; gleichwohl stellte ich die Diagnose:
Herztrauma. Während ich den Besitzer noch über die Er¬
krankung orientierte, fiel mir auf, daß die Kuh den Kopf mehr¬
mals eigentümlich hin- und herschwenkte wie eine Milchfieber¬
kranke. Gleichzeitig trat Zittern der Hinterschenkel ein, die
Kuh geriet ins Schwanken und stürzte an die linke Mittelwand.
Dieser Vorgang deutete auf Stauungshyperämie des Gehirns
infolge Kompression der Vorhöfe, was die Diagnose erhärtete.
Ich ließ die Kuh sofort schlachten. *Bei Eröffnung der
Bauchhöhle zeigten sich ausgedehnte peritonitische Verwachsungen,
hauptsächlich des Pansens mit dem Zwerchfell und des Netzes
mit der Bauchwand. Der Weg, den der Fremdkörper genommen
20. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
597
hatte, war von der Haube aus nachweisbar. — Der Herzbeutel
war prall gefüllt mit geronnenem Blut und mit dem Zwerchfell
verlötet Beim Lostrennen stieß ich auf einen ganz blanken,
drei Zoll langen Kistennagel. Das Diaphragma war an der
DnrchtrittS8telle auf etwa 4 cm fibrös verdickt. Das Epikard
war an der hinteren Längsfurche etwa in halber Kammerhöhe
von der Spitze des Nagels zerkratzt und der ramus descendeus
der vena coronaria posterior angestochen. In das Myokard
selbst war der Nagel noch nicht eingedrungen.
Trotzdem der Nagel ganz blank war, mußte er schon
wenigstens sechs Monate im Zwerchfell stecken; denn so lange
besaß der Bauer die Kuh und hatte nie Krankheitserscheinungen
bemerkt, hatte auch kein Interesse daran, solche zu verheimlichen.
Auch spricht die starke fibröse Verdickung des Zwerchfells
dafür. Da der Nagel wie neu aussah, muß man annehmen, daß
er mit dem sauren Mageninhalt nicht lange in Kontakt war und
gleich bis zum Kopf durchdrang. Die einmalige kurze Fahrt
hatte später genügt, um durch Verletzung der Vene den
schlimmen Ausgang lierbeizuführen.
2. Nystagmus oscillatorlus.
In Nr. 33 der B. T. W. 1906 wird über eine Arbeit
Ogilvies betreffend Nystagmus oscillatorius bei einer Kuh
referiert. Wessel verzeichnet das Phänomen bei einem Rind
als Symptom einer Vergiftung mit Tanacetum vulgare (Nr. 49,
B. T. W. 1907).
Zur Ätiologie dieser Erscheinung glaube ich einen Beitrag
liefern zu können. Ich habe nämlich wiederholt Nystagmus
oscillatorius bei Kühen konstatieren können, welche an Pericarditis
traumatica erkrankt waren. Insbesondere entsinne ich mich
zweier Fälle, wobei neben starker Füllung der Jugularen und
Venenpuls auch die Bindehautgefäße prall injiziert waren. Auch
in diesen Fällen könnten- Toxine als Ursachen in Betracht
kommen, insofern solche in dem meist jauchigen perikardialen
Exsudat vorhanden sind.
Damit hätten wir die causa externa gefunden, welche den
Anstoß zu dem Augenzittern geben kann, aber noch nicht die
causa interna, welche uns verständlich machen könnte, warum
gerade beim Rind diese Erscheinung so prägnant auftritt. Hier
sehe ich nun in der anatomischen Beschaffenheit des Rinder¬
auges, in seiner überaus freien und leichten Beweglichkeit eine
Prädisposition Für Nystagmus. Das Rind besitzt eine wahre
Virtuosität im Augenverdrehen; wer häufig Fremdkörper aus
dem Auge eines Rindes zu entfernen hat, weiß ein Liedchen
davon zu singen. Auf Grund dessen komme ich zu der Ansicht,
daß es beim Rind einen physiologischen Nystagmus oscillatorius
gibt. Ich definiere diesen als ein förmliches Pulsieren bzw.
elastische Schwingungen der Bulbi infolge der arteriellen
Propulsion, bei welcher die geschlängelten Gefäße sich mit jeder
Pulswelle zu strecken suchen und damit die ganzen Augäpfel in
Schwingungen versetzen. Letztere sind infolge ihres hydro¬
statischen Baues und der Lagerung in einem Fettpolster zu
solchen Bewegungen vorzüglich befähigt, besonders beim Rind.
Eine gleichzeitige Entspannung der Augen- und Akkommodations-
mnskeln (Glotzen) mag noch unterstützend wirken.
Zum Beweise meiner Theorie muß ich hervorheben, daß
ich Nyst. osc. schon häufig bei ganz gesunden Kühen beob¬
achtet habe, so wie Fröhner bei Hunden (Comp. d. Chirurg.).
So sah ich noch vor kurzem, während ich eine Patientin unter¬
suchte, bei der danebenstehenden gesunden Kuh zufällig, als
sie den Kopf nach mir drehte, die Bulbi in dieser zitternden
Bewegung.
3. Quadricep8lfihmung bei Morbus maculosus.
Eine in der Literatur meines Wissens noch nicht erwähnte
Komplikation von Morbus maculosus konnte ich bei einem zwei¬
jährigen Pferde beobachten; nämlich eine Lähmung der Knie¬
scheibenstrecker mit nachfolgender Atrophie genau wie sie
manchmal nach überstandener Lumbago bleibt.
Das Pferd war am 1. September 1906 erkrankt. Die
Infektionsquelle hatte ein nekrotischer Infarkt der Lunge ge¬
bildet (am 15. war ein Sphacelus durch die Tracheotomiewunde
ausgestoßen worden). Am 5. September waren die Hinterbeine
— besonders stark das linke — diffus geschwollen, so daß sich
Patient nur mit Hilfe von drei bis vier Leuten erheben und
nur mit Unterstützung stehen bleiben konnte, wobei das linke
Bein nicht belastet wurde. Das rechte war nach einigen Tagen
wieder normal zu gebrauchen; jenes war zwar weniger ge¬
schwollen, wurde aber nur mit der Zehenspitze aufgesetzt und
knickte bei jedem Schritt in allen Gelenken ein; dabei senkte
I sich das ganze Hinterteil nach links und der rechte Fuß wurde
schnell vorgeschoben. Aufstehen konnte Patient bald wieder
ohne Hilfe, er stöhnte aber bei jedem Schritt infolge der An¬
strengung.
Die Blutfleckenkrankheit konnte nach mehreren Exazer¬
bationen am 10. September als geheilt betrachtet werden. An
dem linken Hinterbein atrophierte aber der musc. quadriceps,
so daß sich über der Patella eine tiefe Grube bildete. Bei der
Belastung des Schenkels hatte der musc. tensor fasciae latae
eine entsprechende Mehrarbeit zu leisten, so daß er stark an¬
gespannt wurde und sein vorderer Rand scharf unter der Haut
hervortrat.
Spirituöse Einreibungen, Massage, Bewegung, Strychnin-
jnjektionen erwiesen sich als erfolglos. Um die Kur bei der
ungünstigen Prognose nicht zu kostspielig zu machen, legte ich
schließlich ein Eiterband an, das der Besitzer selbst mit Veratrin-
lösung zu tränken hatte, aber auch ohne Erfolg. Das Pferd
wurde dann dem Schlächter verkauft.
Die Lähmung und Atrophie dürfte auf parenchymatöse
Myositis zurückzuführen gewesen sein.
4. Das Cheyne-Stocke8sohe Atmungsphänomen bei einem Pferde.
Ich bin in der Lage über das bei Tieren noch selten ge¬
sehene Cheyne - Stockessche Atmungsphänomen zu berichten.
Im Dezember 1905 bekam ich ein dreijähriges, fettes
Arbeitspferd, welches schwer an Lumbago erkrankt war, in Be¬
handlung. Als der Patient bereits auf dem Wege zur Besserung
war, wurde mir eines Tages bei meinem Besuche gemeldet,
am vorhergegangenen Tage habe ab und zu das „Blut stark
gewallt“ als das Pferd ganz ruhig gelegen, dasselbe sei jetzt
wieder der Fall. Das Tier bot folgendes Bild: Es lag flach
ausgestreckt regungslos auf der rechten Seite und atmete ganz
ruhig. Plötzlich setzten mehrere Atemzüge aus. Während
dieser Atmungspause sah man in der linken Unterrippengegend
rhythmische Stöße auftreten, die sich wellenförmig eine Strecke
weit in die erschlaffte Bauchdecke fortsetzten. Das w T ar da
„Blutwallen“ der Bauern. Die Stöße erfolgten synchron der
Herztätigkeit und waren nichts anderes als Spitzenstöße, die
sich während der Atmungspause in der ruhigen Lage und bei
eingesunkener Bauchdecke stärker markierten. Der Herzstoß
598
pflanzte sich wohl auch teilweise durch das erschlaffte Zwerch¬
fell und den Futterbrei in Magen und Darm indirekt fort.
Dieses Spiel konnte ich längere Zeit beobachten, bis ich das
Pferd durch meine Untersuchung störte. Später hörte ich nicht
mehr, daß das Phänomen noch einmal aufgetreten sei.
Ich möchte hier bemerken, daß die Erscheinung nicht mit
der sogenannten „abdominellen Pulsation“ verwechselt werden
darf, obschon dabei das „Abdomen pulsiert“, doch das ist nur
Begleiterscheinung. (Vgl. ein Referat in Nr. 38 der B. T. W. 1908.)
Referate.
Über Unfruchtbarkeit bei den Kühen und ihre
Behandlung.
In verschiedenen der letzten Nummern der Maanedsskrift
for Dyrlaeger veröffentlicht Herr Tierarzt Albrechtsen aus
Aakirkeby auf Bornholm eine lange Abhandlung über Ursachen
und Behandlung der Unfruchtbarkeit bei Kühen. Die sehr ein¬
gehende und sehr umfassende Arbeit eignet sich kaum zur
völligen Wiedergabe in der B. T. W. Um aber den deutschen
Tierärzten seine sehr wertvolle Arbeit zugänglich zu machen,
hat Albrechtsen vor, in kurzer Zeit seine Abhandlung in
deutscher Sprache bei Schoetz erscheinen zu lassen.
Albrechtsen hält die so häufig vorkommende Sterilität
bei Kühen für heilbar in den meisten Fällen. Abgesehen von
verschiedenen heilbaren Leiden der Ovarien hat Albrechtsen
in den meisten Fällen von Unfruchtbarkeit chronische Ent¬
artungen des Uterus und vor allem des Cervix als Ursache
gefunden.
Seine Methode beruht nun darin, den Uterus mittelst von
ihm konstruierter Instrumente durch Fixation des Cervix nach
hinten in die Scheide hineinzuziehen und so sich durch Augen¬
schein von der Beschaffenheit des Cervicalkanals und dann auch
vom Rektum aus durch Palpation von der Beschaffenheit des
Uterus zu überzeugen. ,
Auf diese Weise gelingt es mit Leichtigkeit, Ansammlungen
aus dem Uterus zu entfernen und auch ausgiebige Spülungen
usw. dieses Organs vorzunehmen. Albrechtsen fand in vielen
Fällen Veränderungen des Cervix und des Cervicalkanals. Am
häufigsten kommen Verengerungen des Cervicalkanals und
Schleimhautwucherungen am Orificium externum vor. Gegen
Verengerungen wendet er unter anderen Aufweiten des Kanals
mittelst geeigneter Instrumente und Auspinseln des Kanals mit
Lagolscher Lösung an. In vereiterten Fällen inzidiert er auch
wohl die Wände mit dem Messer. Wucherungen am Orificium
trägt er mit der Scheere ab. In sehr vielen Fällen genügt,
falls Uterus und Ovarien normal sind, die Gangbarmachung des
Cervicalkanals, um bei der nächsten Brunst nach erfolgter Be¬
gattung Konzeption zu ermöglichen.
Die Tiere ertragen, wie ich mich während meines zum
Studium seiner Methode bei Albrechtsen genommenen Aufent¬
halts überzeugte, die operativen Eingriffe bei der bekannten
Insensibilität des Cervix sehr gut und reagieren auch auf ein¬
greifende Operationen fast gar nicht. Insbesondere läßt sich der
Uterus mit Leichtigkeit weit in die Scheide hineinziehen.
Wenn auch die Methode in der Humanmedizin wohl schon
länger in ähnlicher Weise auBgeführtwird,sogebührt Albrechtsen
der Ruhm, sie bei uns eingeführt, modifiziert und vor allem mit
ihr glänzende Resultate erzielt zu haben.
No. 34.
Nicht unerwähnt will ich lassen, daß Albrechtsen in
seiner Abhandlung eine Methode lehrt, Trächtigkeit schon in
ihren frühesten Stadien — ca. 6 Wochen nach erfolgter Kon¬
zeption — bestimmt nachzuweisen. Die fleißige, umfangreiche
Arbeit dürfte wegen der Wichtigkeit des behandelten Stoffes
auch wohl bei uns viele Leser finden.
Zum Schluß möchte ich noch hervorheben, daß Albrechtsen
den Seuchenhaften Scheidenkatarrh in keiner Weise als be¬
dingendes Moment für eine ev. Sterilität gelten lassen will.
Holzhausen.
(Aus dem veterinär-chirurg. Institut der Universität Zürich.)
Über Nenrektomie und ihre Folgen.
Von Oskar Bürgi.
(Schweizer Archiv für Tierheilkunde 1907, 6. Hefl.)
Vorliegende Arbeit, welche einem anläßlich derZschokke-
Feier gehaltenen Vortrag zugrunde liegt, befaßt sich eingehend
mit der geschichtlichen Entwicklung und mit den in der Literatur
vorhandenen Angaben über die Ausführung und Resultate des
Nervenschnittes. Verf. bespricht sodann des Näheren die Folgen
der genannten Operation. Durch die erzielte Gefühllosigkeit
werden schwere Krankheitszustände im Huf und Unterfuß
(Vernagelung, Nageltritte, eitrige Steingallen, Infektionsprozesse
etc.) erst erkennbar, wenn sie bedeutend sich entwickelt haben
und schwer zu heilen sind. Nach jeder Neurektomie tritt Er¬
weiterung der Blutgefäße unterhalb der Operationsstelle ein.
Folgen hiervon können sein: Dickenzunahme der Hufkapsel und
der Kastanie, Ausschuhen (prädisponiert sind Flach-, Zwang-
und Rehhufe), Verdickung des Unterfußes (zuweilen gesellt sich
entzündliche Pflegmone hinzu), Rupturen der Hufbeinbeugesehne
(Verlust des festen Gefüges durch stärkere Durchfeuchtung und
als veranlassende Ursache rücksichtsloseres Auftreten mit der
operierten Gliedmaße). Durch trophische Einflüsse müssen wir
ferner auch die nach der Neurektomie öfter auftretende Bildung
von Knochenbrüchen, Schalen- und Spatauftreibungen erklären.
Nicht selten kann man auch stolpernden Gang mit Nachschleifen
der Zehe sowie die Entstehung von Neuromen wahrnehmen.
B ürgi rät am Schlüsse seiner Arbeit, nicht zu vergessen, daß
jede Neurektomie einen schweren Eingriff darstellt, der nur
dann erfolgen soll, wenn alle anderen in Betrachtung
kommenden Behandlungsmethoden resultatlos geblie¬
ben sind. Namentlich sollte bei jungen, wertvolleren Pferden,
wo die Zeit ja noch so manche Lahmheit heilt, mit der Neu¬
rektomie sparsam vorgegangen werden. Direkt kontraindi¬
ziert ist diese Operation in folgenden Fällen:
1. Bei akuten Leiden im Bereiche des von der Neurektomie
betroffenen Teiles (Steingallen, Wunden usw.);
2. Bei chronischen Leiden, die zu akuten zerstörenden
Prozessen führen können (Hornspalten, Fisteln);
3. Bei Abnormitäten des Hufes (Flach-, Zwang-, Rehhuf);
4. Bei Veränderungen im Beugsehnen-Apparat, sofern es sich
um Pferde mit weicher Fesselung oder um schwere Zug¬
tiere handelt;
5. Bei hochgradiger Schalen- und Spatbildung.
In allen diesen Fällen ist der Besitzer auf die eventuell
verhängnisvollen Resultate der Neurektomie aufmerksam zu
machen. Bürgi stimmt völlig mit Fr ick überein, der da sagt,
daß die besprochene Operation von Fall zu Fall sorgfältig zu
prüfen ist, und daß sie je nach den obwaltenden Umständen
eine wertvolle Heilmethode oder ein mit nachteiligen Folgen
verknüpftes Heilverfahren sein kann. J. Schmidt.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
20. August 1908. BERLINER TIERÄRZTE]
Geheilter Beinbrach beim Pferd.
Von Tierarzt G. Littmann in B&bylna.
(AUatorvosi Lapok 1908, Nr. 14.)
Eine 11 Jahre alte Halbblut-Araberstute des Bäbylnaer
Gestüts erlitt infolge eines Schlages eine Fraktur am rechten
hinteren Mittelfußknochen. Zum Verband wendete man Holz¬
platten an und zwar auf die Art, daß unmittelbar am Mittel¬
fuß Watte mit Calicotbinden und auf diesen Verband 8 bis
10 Stück IVa—2 cm breite und 18—20 cm lange Holzplatten
(von Zigarrenschachteln) darauf gebunden wurden, endlich
applizierte man zur vollkommenen Fixation noch eine 4—5 cm
breite und 35—40 cm lange Eisenschiene auf die plantare
Seite und ließ das untere Ende der Schiene an die Sohlenflftche
des Hufes biegen. Dieser Verband blieb durch 24 Tage am
Fuß, dann nahm man ihn auf einige Minuten herunter, um den
Heilungsprozeß (Callusbildung) zu kontrollieren, nachher wurde
wieder derselbe Verband angebracht; eine Woche später legte
man nur noch die Holzplatten ohne die Eisenschiene an und am
45. Tage nach dem Erleiden der Fraktur konnte diese schon
als geheilt betrachtet werden; an der Stelle der Fraktur ist
zwar eine Knochenanschwellung entstanden, aber die Stute hinkt
kaum merklich, und diese Störung ist auch ganz ohne Bedeutung,
da es sich um eine Zuchtstute handelt. Dr. Z.
Paralysis bnlbaris Infectiosa bei Ratten.
Von Tierarzt Karl Baiäs in Szeged.
(AUatorvosi Lapok 1908 Nr. 7.)
In der Abdeckerei in Szeged beobachtete Bai äs eine eigen¬
artige Erkrankung der Ratten. Im Beginne der Krankheit zeigten
die Tiere Unruhe, wetzten und bissen ihre Hinterextremitäten,
später wurden sie apathisch, so daß man sie leicht abfangen
konnte, worauf der Tod bald unter klonischen Krämpfen eintrat.
Nach einer gewissen Zeit verendete auch ein Hund, später
mehrere Katzen unter ähnlichen Erscheinungen. Der Sektions¬
befund war bei allen negativ. Im Blute, in der Milz, aus der
Leber und den Nieren untersuchten Deckglaspräparate konnte
man keine Mikroorganismen nachweisen. Baiäs schöpfte Ver¬
dacht auf infektiöse Bulbärparalyse und impfte die Emulsion der
Medulla oblongata aus einer verendeten Katze, ebenso die Emulsion
der Medulla oblongata einer Ratte intramuskulär und in die
vordere Augenkammer mehrerer Kaninchen, welche nach 3 bis 4
Tage an der Injektionsstelle heftigen Juckreiz zeigten, bis die
Erscheinungen der Paralyse auftraten und die Versuchstiere mit
klonischen Krämpfen verendeten. Der Impfversuch bestätigte
also die Annahme der infektiösen Bulbärparalyse, welche Krank¬
heit auf den Hund und die Katzen durch Biß der Ratten tiber¬
impft wurde. Einzelne der jüngeren, kleinen Katzen verzehrten
etwas von den Rattenkadavern und konnten durch den Intestinal¬
trakt infiziert werden. Dr. Z.
(Aus dem Hygienischen Institut der Stadt Rostock.)
Beiträge zur Kenntnis des Bradsot.
Von G. Hilbrand, Bezirkstierarzt und Vorstand der Abteilung zur
Erforschung von Tierkrankheiten am Hygienischen Institut der
Universität Rostock.
(Zeitschr. f. Infektlonakr., paraa. Krankh. u. Hyg. d. Haust Bd. III, 8. 925.)
Schon 1890 wurde von Peters auf das Vorkommen des
Bradsot bei Schafen in Mecklenburg hingewiesen. Sahlmann
in Güstrow hat. die Seuche bereits 1870 beobachtet; sie wurde
damals dem Milzbrand zugerechnet und Blutschlag genannt.
Seitdem ist die Seuche vielfach, namentlich in größeren
ICIIE W0( ’HENSf 'IIRIFT. 599
Schäfereien, konstatiert worden und scheint an Ausdehnnng zu¬
genommen zu haben; sie ist nicht nur in Norddeutschland,
sondern auch in Mitteldeutschland verbreitet.
Hilbrand hat nun fünf Fälle näher untersucht. Die
gefundenen fünf Bakterienstämme erwiesen sich in ziemlich
gleichem Maße pathogen, ebenso ließen die Sektionserscheinungen
keinen Untschied erkennen. Hilbrand stellte zum Vergleich
Tierversuche mit Bradsotbazillen (Jensen) an; Unterschiede in
bezug auf die Pathogenität und die pathologisch-anatomischen
Veränderungen bei Impftieren wurden zwischen den fünf Bazillen-
stäramen und dem Bradsotbazillus nicht gefunden. Die Versuche
zur Identifizierung der Bradsoterreger mittelst Agglutination
berechtigen zu der Schlußfolgerung, daß die fünf Stämme mit
dem Bradsotbazillus identisch waren und sich wie dieser vom
Ödem- und Rauschbrandbazillus unterschieden. — Ferner konnte
Hilbrand die schon von Tokishige festgestellte Tatsache
bestätigen, daß Ziegen leicht gegen Bradsot immunisiert werden
können und daß das von diesen genommene Serum imstande ist
Meerschweinchen eine passive Immunität zu verleihen und sie
gegen eine tödliche Dosis von Bradsotkultur zu schützen.
Die Seuche tritt vorwiegend im Winter bei Stallfütterung
auf. Betroffen werden in der Regel nur Schafe (selten Schwein
und Rind) und von diesen hauptsächlich die jüngeren Jahr¬
gänge, jedoch selten die Lämmer. — Die Krankheitsdauer wird
vielfach auf 1—3 Stunden angegeben; die Tiere stehen still,
krümmen sich, schäumen mit dem Maule, fallen um und ver¬
enden. Neben diesem perakuten beobachtet man nicht selten
einen akuten Verlauf von 1—2 tägiger Dauer. Die Erkrankungen
verteilen sich bei einer Mortalität von 5—25 Proz. meist auf
einen längeren Zeitraum (2—3, selbst 6 Monate). — Wahr¬
scheinlich geht die Infektion durch geringe Verletzungen im
oberen Verdauungstraktus (Rachenschleimhaut, Mandeln) vor sich.
Die Prophylaxis müßte sich auf zweckentsprechende Vor¬
sichtsmaßregeln bei der Schlachtung seuchekranker, sowie auf
unschädliche Beseitigung der verendeten Tiere erstrecken. —
Ob die neuerdings von Jensen empfohlene Impfung mit
Serum und Kultur genügenden Schutz gibt, müssen weitere
Versuche lehren. Richter.
Impfnng gegen Kälberrühr.
Von Bezirkstierarzt Ehrle.
Bezirkstierarzt Ehrle, M.-Oberdorf schreibt in der Süd¬
deutschen Landwitfschaftl. Tierzucht, Nr. 28, 1908, daß die
Kälberruhr im Allgäu großen Schaden anrichtet. Nachdem er alle
möglichen Mittel verwendet hatte, versuchte er es, die Schutz¬
impfung zur Einführung zu bringen. Die Verwirklichung dieser
Absicht scheiterte aber an der Abneigung der Züchter gegen
das Impfen überhaupt, teils an der Scheu gegen die Impfkosten.
Auch bestanden zuweilen Zweifel für den Erfolg der Impfung.
Nachdem es endlich gelungen war, den Stierhalter der dortigen
Zucht8tiergenossenschaft, dem schon über ein Jahr lang alle Saug¬
kälber am dritten oder vierten Tage an dieser Krankheit ver¬
endeten, zur Impfung zu veranlassen, blieben demselben von der
Zeit der Serumimpfung an alle Kälber am Leben. Einmal wollte
er einen Versuch machen, ob die Impfung wirklich notwendig
sei und unterließ sie. Das betr. Kalb unterlag aber am dritten
Tage der wiederum in Erscheinung getretenen Krankheit. Nacli
kurzer Zeit kam ein zweiter Ökonom, der dasselbe Unglück im
Stalle hatte und von da an wuchs die Zahl derselben beständig.
600
Auch auswärtige Ökonomen haben sich von der sicheren Wirkung
dieser Schutzimpfung überzeugt. Das Präparat stammte von
der Deutschen Schutz- und Heil-Serum-Gesellschaft in Berlin.
Die Dosis für ein Kalb kostet 2 M., was den Ökonomen noch
zu hoch erscheint, die Hauptsache ist jedoch der sichere Erfolg.
P.
Über Scheiden- und Wurftuberkulose bei der Kuh.
Phil. Dies. Leipzig.
Von Oberveterinär Arthur Fischer in Leipzig.
Fischer kommt zu folgenden Ergebnissen: Die Tuberkulose
der Scheide und des Wurfes tritt äußerst selten auf, was durch
den anatomischen Bau dieser Organe bedingt wird. Sie ist in
der Regel mit allgemeiner Tuberkulose, besonders mit Uterus¬
tuberkulose vergesellschaftet. Die Scheidentuberkulose kenn¬
zeichnet sich durch kleine, über die Oberfläche prominierende,
zum Teil zentralverkästen Knötchen, Erosionen und mehr oder
weniger großen Geschwüren. Mikroskopisch findet sich gefä߬
reiches Granulationsgewebe, in dem sich vereinzelte, aus Rund¬
zellen bestehende, stark infiltrierte und zum Teil in der Mitte
nekrotisch zerfallene Herde deutlich abheben und zahlreiche
Tuberkelbazillen nachweisbar sind. Bei der Tuberkulose der
Scham bemerkt man kleine Knötchen und oberflächliche Ge¬
schwüre mit wesentlicher Verdickung der Haut (Lupus hyper-
trophicans). Rinder mit Scheiden- und Wurftuberkulose sind
wegen der Übertragungsgefahr abzuschaffen. Rdr.
Über die gangränöse Enterentzftndnng bei Schafen.
Von Dr. W. Pfeiler, Berlin.
'Zeitschrift für Infektionskrankheiten nswr. B&tid IV., Seite 132.)
Pfeiler untersuchte im hygienischen Institut der Tier¬
ärztlichen Hochschule in Berlin den Kadaver eines Mutter^
schafes aus einer etwa 500 Köpfe zählenden Mutterschafherde,
in welcher ungefähr drei Wochen vorher bei einigen Tieren,
die vor 6—8 Wochen gelammt hatten, entzündliche Schwellungen
am Euter aufgetreten waren; diese waren in Brand über¬
gegangen und zum größten Teil tödlich verlaufen.
Aus den aus dem Euter angelegten Agarkulturen gelang
es Pfeiler, durch Isolierung einen Mikrokokkus zu züchten,
der die Gramsche Färbung annahm und sich mit dem von
Nocard als Erreger der gangränösen Euterentzündung be- |
stimmten Bakterium als identisch erwies. Pfeiler vermochte
auch den Beweis der Infektiosität des Bakteriums durch
Injektion von Bouillonkultur in das Euter eines laktierenden
Mutterschafes zu erbringen.
Es muß angenommen werden, daß die Erreger in ver¬
seuchten Schäfereien im Boden und im Stallmist vorhanden
sind. Gelegentlich können dieselben dann durch Verletzungen
an der Spitze in den Stichkanal gelangen. — Die lokale Be¬
handlung durch antiseptische Mittel bleibt erfolglos; auch die
vollständige und frühzeitige Amputation des Euters hilft nur
selten. Die einzige zum Ziele führende Maßnahme ist die sorg¬
fältige Auslese der gesunden Tiere und ihre Überführung in
einen besonderen Stall. Richter.
Untersuchungen über das Verhalten der Blutkörperchen
bei chinrgischen Krankheiten des Pferdes, besonders
bei eitrigen Entzöndnngen.
Von Dr. Rieh. Gasse, Tierarzt in Berlin.
'Monatsheft für praktische Tierheilkunde, XIX. Band.)
Die wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Dissertation
sind folgende: Bei allen Entzündungen, speziell bei eitrig ent¬
No. 34.
zündlichen Krankheiten zeigen die Leukozyten mehr oder
weniger Abweichungen von den normalen Werten.
Ist die Gesamtzahl der Leukozyten andauernd vermehrt,
und besteht daneben anhaltend eine erhebliche Erhöhung der
relativen Zahl der neutrophilen Zellen (80 - 95 Proz.), sowie
ein entsprechender Rückgang der Leukozyten und ein völliges
Verschwinden der eosinophilen Zellen, so ist die Prognose auf
schlecht zu Btellen.
Ein Zurückgehen der verschiedenen Leukozytenarten auf
ihre normalen Zahlenverhältnisse deutet auf einen günstigen
Ausgang.
Mangelhafte oder ausbleibende Hyperleukozytose bei Druse
deutet auf einen verzögerten Krankheitsverlauf hin. Besteht
eine geringgradige Hyperleukozytose und fällt diese, selbst
nach bedeutenden Eiterentleerungen nicht ab, so spricht dies
dafür, daß bereits neue Abszesse in der Bildung begriffen sind.
Rdr.
Über thermo-chemische Kadaververnichtung.
Von Schlachthofdirektor H e i ß - Straubing.
(Wochenschrift für Tierheilkunde und Viehzucht, 52. Jalirg. Nr. 5 und 4.)
Unter Würdigung der Bedeutung der modernen Abdeckerei¬
anlagen für die öffentliche Wohlfahrt bespricht Verf. nach kurzer
Erwähnung der zur Zeit bestehenden Fleisch-Vernichtungs-
Apparate das System R. A. Hartmann, welches sich für kleine
Anlagen ganz vorzüglich benützen läßt. Eine Eigenschaft
dieses Systeme» ist die Verwendung des aus dem Eigenwasser
der Kadaver entwickelten Dampfes an Stelle des direkten Kessel¬
dampfes. Es erfolgt also eine innere Durchdämpfung und
Trocknung indirekt durch den Arbeitsdampf. Dadurch wird eine
unnötige Verdünnung der Leimbrühe vermieden und somit die
unverdünnte Leimbrühe rationeller eingedampft. Die sich ent¬
wickelnden Dämpfe dienen zum Extrahieren des Kadavermaterials
und zum Trocknen der ausgezogenen Fleisch- und Kuochenmassen.
Die früher notwendige Verwendung von Kühlwasser zur Konden¬
sation der Leimdämpfe fällt deshalb weg. Ersparnis an Betriebs¬
kosten und Arbeitsdauer, somit Erhöhung der Leistungsfähigkeit
der Apparate ist die Folge dieses praktischen Systems.
Die kleinsten Vernichtungs-Anlagen benötigen nach H.
1. eines Sektionsraumes, der mit undurchlässigem Boden und
abwaschbarer Wandverkleidung ansgestattet sein maß.
Er ist entweder an das Kanalnetz, oder an eine undurch-
lässige Abwassergrube anzuschließen, deren Inh alt sterilisiert
werden kann.
2. eines Maschinenraumes;
3. eines Kesselhauses mit Kohlenlager;
4. eines Lagerbodens für das gewonnene Material.
Der Masehinenraum umfaßt: a) den Extraktor, b) den
Fettabscheider, c) den Rezipienten, d) das Sammel- und Klär¬
gefäß für Fett, e) die Dampfmaschine, f) die Luftpumpe, g) den
Kondensator, h) die Wasserpumpe (wenn Wasserleitungs-Anschluß
fehlt), i) den Dampfkessel, k) die Kontumazstallungen für
seuchenverdächtige Tiere.
Die Anlage arbeitet mit völliger Geruchlosigkeit. Das ge¬
wonnene Fett — ein außerordentlich reines Produkt — kostet
zurzeit 58 M. pro Doppelzentner, das Tierkörpermehl 14 bis
16 M. für dieselbe Menge. Zur Bedienung ist nur ein einziger
Mann nötig; bei großem Ausfuhrbezirk macht sich ferner eine
Hilfskraft nötig. Die baulichen Ausgaben für eine derartige
Anlage beziffert Verfasser auf rund 17000 M. (incl. Baustelle,
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
20. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
601
pro qm .50 M.). Der ferner mit aufgestellte rechnerische Ausweis
ergibt, daß mit einem Betriebsüberschuß sicher zu rechnen ist.
Am zweckmäßigsten dürfte es sein, solche Anlagen aus Privat¬
mitteln errichten zu lassen und die Inhaber durch Gemeinde -
beiträge zu unterstützen. J. Schmidt.
Tagesgeschichte.
Betätigung der Tierärzte in der Öffentlichkeit.
Von Tierarzt G. Meier-Ketzin.
Die immer weitere Ausdehnung des tierärztlichen Gebietes,
das Seuchengesetz, das Ineinandergreifen von Medizin und
Veterinärmedizin in der Erforschung und Tilgung von an¬
steckenden Krankheiten, sowie die Hygiene und Nahrungsmittel¬
kontrolle haben dem tierärztlichen Studium eine immer größere
Bedeutung verschafft und die Einführung der # Universitätsreife
zur Folge gehabt. Auch auf das Ansehen des tierärztlichen
Standes mußte hierdurch ein günstiger Einfluß ausgeübt werden.
Immerhin aber wird es noch viel Zeit und große Mühe kosten,
den Tierarzt derartig zur Geltung zu bringen, daß er an
Ansehen und in seiner Stellung anderen gebildeten Ständen
nicht nachsteht.
Vorzugsweise hat sich die Stellung der im Staats- und
Kommunaldienst stehenden Tierärzte gehoben, weniger die der
Privattierärzte. Die Gründe hierfür liegen in der in den
letzten Dezennien vor sich gegangenen Entwicklung der tier¬
ärztlichen Wissenschaft, wodurch der ganze Stand eine Um¬
änderung erfahren mußte. War früher die kurative Praxis die
Haupttätigkeit, und wurde das Ansehen des Standes in erster
Linie nach den Erfolgen in der Heilkunst bemessen, so trifft
das heute nicht mehr zu. Die Seuchentilgung und Fleisch¬
beschau sind an die erste Stelle getreten, und der Privattierarzt
ist durch den beamteten in den Hintergrund gestellt worden.
Hierin liegt auch wohl der Hauptgrund, daß die jüngeren
Kollegen nicht in die Praxis gehen wollen. Jedermann sucht
eben eine möglichst angesehene Lebensstellung zu erreichen.
Hier Wandel zu schaffen ist Pflicht der Standesvertretung und
des Staates, denn eine gedeihliche Fortentwicklung des tier¬
ärztlichen Standes kann nicht stattfinden, wenn ein großer Teil j
der Angehörigen zurückgelassen wird. Im übrigen jedoch
erblicke ich in der Selbsthilfe das schönste und beste Mittel
zur Hebung unseres Ansehens. Jeder einzelne nuß sich durch
Einsetzen seiner ganzen Kraft selbst die gebührende Stellung
zu erringen suchen. Die etwa bestehenden Vorurteile muß er
zu beseitigen wissen. Allerdings wird dies dem einen leichter
gelingen als dem andern, denn hier sprechen neben der Person
des einzelnen auch vielfach örtliche Verhältnisse mit. Es gibt
einen Weg, der, obwohl er am sichersten zum Ziel führt und
für jedermann zugänglich ist, leider bisher wenig beschritten
wurde. Er heißt „öffentliche Betätigung“.
In erster Linie müssen wir natürlich erwarten, daß jeder
bestrebt ist, in der Ausübung seines Berufes sich die Achtung
und Hochschätzung seiner Mitbürger zu erringen. Lust und
Liebe zu demselben, treueste Pflichterfüllung und etwas Selbst¬
bewußtsein sichern ihm dieselbe. Als Männer von Bildung aber
sollen wir nicht bloß für unsern Beruf und unsere eigenen
Angelegenheiten Interesse bekunden, sondern wir müssen
heraustreten und auch an den Aufgaben des öffentlichen Lebens
Anteil nehmen, mögen sie auf gemeinnützigem, kommunalem
oder politischem Gebiete liegen. Seien wir eingedenk des
Dichterwortes:
„Im engen Kreis verengert sich der Sinn,
Es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken.“
Wenn wir uns als Bürger der Gemeinden und des Staates
zur fleißigen Mitarbeit am Gemeinwesen nicht nur für be¬
rechtigt, sondern auch für verpflichtet halten, dann werden wir
unsern Platz voll und ganz ausfüllen und uns in der bürger¬
lichen Gesellschaft eine geachtete Stellung erwerben. Wohl
wird mancher Kollege durch seinen Beruf so in Anspruch ge¬
nommen werden, daß ihm nur wenig freie Stunden zur Ver¬
fügung stehen, aber mit gutem Willen läßt sich vieles er¬
möglichen. Es wird sich auch hier wieder zeigen, daß gerade
die beschäftigten Kollegen immer noch Zeit zur Verfügung haben,
während andere mit viel freier Zeit vorgeblich niemals Zeit
übrig haben.
In allen Kommunen finden sich Vereine, die einen gemein¬
nützigen Zweck verfolgen, mögen sie Wohlfahrts-, Bildungs¬
oder Nationalvereine genannt werden. Diesen Vereinigungen
anzugehören und ihre Bestrebungen zu unterstützen ist, für
jedermann ehrend. Durch fleißige Mitarbeit können wir meist
in diesen Vereinen eine bevorzugte Stellung einnehmen und uns
die Anerkennung der Bürgerschaft verschaffen. Soll nun ein
gemeinnütziges oder nationales Werk in der Gemeinde selbst
geschaffen oder an anderen Orten unterstützt werden, so steht
der Tierarzt mit an der Spitze. In den größeren Städten
liegen natürlich die Verhältnisse für uns nicht so günstig, aber
dennoch dürfte es möglich sein, daß auch hier die Tierärzte
mehr wie bisher auf der Bildfläche erscheinen und einen Platz
im Vordergründe einnehmen. Wieviel Wohltätigkeitsfeste
werden veranstaltet, wieviel Wohlfahrtseinrichtungen
gegründet und wie oft Aufrufe für eine nationale
Sache in der Presse erlassen von Komitees, die sich
in der Regel aus Mitgliedern verschiedener Berufs¬
klassen zusammensetzen! Ist es da nicht recht be¬
dauerlich, hierunter fast niemals einen Tierarzt zu
finden? Etwas mehr Ehrgeiz würde hier nicht
schaden, selbst wenn er uns zuweilen etwas teuer zu
I stehen kommt.
Auch eine häufigere Beteiligung an den öffentlichen Vor¬
trägen zur Hebung der Volksbildung dürfte unserem Stand zum
Vorteil gereichen. Dies müßte nach meiner Ansicht namentlich
für die Tierärzte ein dankbares Feld sein, die im Kolonialdienst
stehen oder gestanden haben. Die Ärzte sind uns hier mit
gutem Beispiel vorangegangen.
Je mehr wir uns in der bezeichneten Weise betätigen, um
so mehr werden wir uns auch zur Mitarbeit auf kommunalem
und politischem Gebiet hingezogen fühlen. Vielen wird es ge¬
lingen, das Vertrauen der Mitbürger in dem Maße zu gewinnen,
daß sie in die Stadtvertretung gewählt werden. Jeder, der
sich eine gesicherte Lebensstellung verschafft hat, sollte nun
auch soviel Lokalpatriotismus besitzen, daß er sich in den
Dienst der Öffentlichkeit stellt und an der Hebung und Weiter¬
entwicklung seines Heimatsortes mitarbeitet. Eine Kommune
hat auf dem Gebiete der Verwaltung, des öffentlichen Ge¬
sundheitswesens, der Schule, Kirche usw. viele Ehrenposten zu
vergeben, und die Inhaber derselben werden in der Bürger¬
schaft immer eine angesehene und bevorzugte Stellung einnehmen.
In den kleineren und mittleren Städten ist in der Regel kein
602
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
Überfluß an solchen Männern, die der städtischen Verwaltung
großes Interesse entgegenbringen, die sich in unabhängiger
Stellung befinden, und die durch ihre Bildung für ein solches
Amt qualifiziert erscheinen. Daher kann es den meisten Tier¬
ärzten nicht schwer fallen, Mitglied der städtischen Behörden
zu werden.
Ungleich leichter jedoch wird jeder an seinem Wohnort
eine bemerkenswerte Tätigkeit auf politischem Gebiet entwickeln
können. Hier hält es oft recht schwer, Männer zu finden,
welche die Leitung in den Vereinen übernehmen wollen, und
welche geneigt sind, ihren politischen Standpunkt offen zu
bekennen und zu vertreten. Für uns Tierärzte erblicke ich in
der Politik ein Arbeitsfeld, auf dem wir reichlichen Lohn ernten
können. Tierärzte mit sozialdemokratischer Gesinnung gibt es
erfreulicherweise wohl noch nicht, sondern alle stehen auf
nationalem Boden. Müßte es uns nicht mit Stolz erfüllen,
wenn gerade die Tierärzte sich allenthalben dnrch
Förderung nationaler Bestrebungen hervortun und
den Parteien des Umsturzes entgegentrete'n würden?
Wenn auch manchem Kollegen eine Parteipolitik nicht zusagt,
so wird doch jeder an der Stärkung des Nationalbewußtseins
und an der Erhaltung unseres Staatswesens mitarbeiten wollen.
Das aber können wir am besten, wenn wir uns in den Dienst
der Vereine stellen, die über den Parteien stehend eine nationale
Politik verfolgen. Hier einen Platz an leitender Stelle einzu¬
nehmen, sei unser Streben. Wohl überall, wo Tierärzte ansässig
sind, befindet sich ein auf monarchischer und vaterländischer Ge¬
sinnung beruhender Verein, sowie eine Ortsgruppe des Flotten¬
vereins und des Reichsverbandes gegen die Sozialdemokratie,
aber leider allzuselten findet mau einen Kollegen im Vorstand.
Mehr wie bisher müssen sich die Tierärzte mit Politik
befassen, denn kaum ein anderer Stand -- und das wissen auch
wohl viele unserer Abgeordneten -- erscheint für die politische
Agitation mehr geeignet als der tierärztliche. In städtische
und ländliche Verhältnisse erhalten wir Einblick, lernen Industrie
und Landwirtschaft kennen und stehen mit Arbeitgebern und
Arbeitnehmern in unabhängiger Verbindung, so daß wir im
Bereiche unseres Wirkungkreises die Verhältnisse genau kennen
und mit Erfolg einen politischen Aufklärungsdienst verrichten |
können. Das aber würde mit Sicherheit dahin fuhren, daß auch
aus den Kreisen der Tierärzte Abgeordnete hervorgehen werden.
Wenn gegenwärtig weder im Reichstag noch im Landtag ein Tier¬
arzt sitzt, so ist das für unsern Stand nur zu bedauern. Allerdings
können wir nicht einwenden, daß dies zu einer Zurücksetzung
der Interessen der Tierärzte geführt hätte, wir müssen vielmehr
dankend anerkennen, daß unsere Sache in den Parlamenten
stets Fürsprecher gefunden hat, und daß wiederholt von allen
Parteien den Tierärzten Anerkennung gezollt wurde. Aber die
tierärztliche Wissenschaft stellt heut ein so großes, für das
Staats wohl so wichtiges Gebiet dar, daß es als außerordentlich
wünschenswert erscheinen muß, daß bei den Beratungen Männer
von Fach zugegen sind. Eine gute Illustration hierfür liefert
un8 der jetzige Reichstag, der bei der Neuberatung des Vieh¬
seuchengesetzes vorzugsweise Ärzte und Landwirte als tech¬
nische Berater in die Kommission wählen mußte.
So lange wir keine Tierärzte als Abgeordnete haben, müssen
wir umsomehr danach streben, Parlamentarier für uns zu in¬
teressieren, was am besten dadurch geschieht, daß überall dort,
wo sich die Gelegenheit bietet, die Tierärzte in den politischen
Vereinen eine rege Tätigkeit entwickeln und die Leitung der
Ortsgruppen übernehmen. Auf diese Weise erhalten wir einer¬
seits Fühlung mit Abgeordneten, mit den Parteien und mit der
politischen Presse, während andererseits die Beschäftigung mit
der Politik für manchen ein Ansporn zur weiteren politischen
Ausbildung und Betätigung sein wird.
Zur Leitung einer politischen Ortsgruppe in den kleineren
Städten dürften die meisten Tierärzte geeignet sein, denn ein
jeder besitzt soviel Redegewandheit und wird auch den erfor¬
derlichen Mut haben, seine politische Gesinnung in öffentlichen
Versammlungen zu bekennen, für dieselbe einzustehen und
Gegnern entgegenzutreten.
Welcher staaterhaltenden Partei sich der einzelne an¬
schließt, hat hier keine Bedeutung. In der Regel werden wohl
die Landtierärzte, die ja vorzugsweise hier in Betracht kommen,
eine agrarische Richtung vertreten.
Meine Ausführungen enthalten durchaus nichts Neues. Ich
will nur auf allgemein Bekanntes hinweisen, hierfür bei den
Kollegen ein größeres Interesse als bisher erwecken und den
Weg angeben, der zum Ziele führt. Je mehr wir uns in der
Öffentlichkeit betätigen, um so mehr werden wir Anerkennung
finden und zur Hebung des tierärztlichen Standes beitragen,
und um so größer wird unsere Berufsfreudigkeit werden.
Zeigen wir als gute Staatsbürger, daß wir unsere
Pflicht zu tun wissen, nicht nur in der Ausübung
unseres Berufes, sondern auch im Dienste des Gesamt¬
wohles für Volk und Vaterland!
Tierärzte vor!
Bange Zweifel?
Wenn auch die Zeitungen berichten, daß zwischen dem Reich
und Preußen hinsichtlich der Beamtenbesoldung völliges Ein¬
vernehmen erzielt sei, so ist doch die Deckungsfrage noch in
völliges Dunkel gehüllt; und daß in diesem Dunkel noch allerlei
Enttäuschungen verborgen sein, daß aus demselben noch mancher
hoffnungzerstörende Blitzstrahl zucken kann, das darf man ja
nicht verkennen. Mit den Finanzen des Reiches steht es nicht
gut, und diese Tatsache kann auf den Etat und alles, was damit
| zusammenhängt, abfärben. Es ist daher nicht einmal ver¬
wunderlich, wenn man hier und da noch für die Reorganisation
des Militärveterinärwesens zittert. Trotzdem halte ich bange
Zweifel an dem Schicksal dieser wichtigen Frage nicht für be¬
rechtigt. Seine Majestät der Kaiser hat befohlen; demgegenüber
sind Verschleppungen ausgeschlossen. An dem guten Willen
der Heeresverwaltung zu zweifeln, wäre absolut unberechtigt.
Diese hat sich aber auch bezüglich des Zeitpunktes durchaus
festgelegt. Denn es steht ausdrücklich in den Erläuterungen
zu einem früheren Etat, daß die Reform durchgeführt sein muß,
wenn der erste Jahrgang von auf Grund der neuen Bestimmungen
ausgebildeten Studierenden in die, Armee eintritt; der Zeitpunkt
ist demnach am 1. April 1909 gegeben. Daß die Vorbereitungen
in vollem Gange sind, zeigt auch die Einberufung eines Ober¬
stabsveterinärs in das Kriegsministerium. Erklärungen, wie jene
Bemerkung im Etat, sind bisher noch immer für die Staats¬
regierung als bindend angesehen worden. Nur eine wirklich
unüberwindliche Gewalt könnte da noch eine Änderung herbei¬
führen; es ist nicht erfindlich, wo zurzeit eine solche auftauchen
sollte. Für das Finanzwesen kann jedenfalls die Reorgani¬
sation des Militärveterinärwesens unmöglich eine solche Rolle
20. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
G03
spielen, daß deshalb das Kriegsministerium in die Unmöglichkeit
versetzt werden müßte, jene frühere Erklärung zu verwirklichen.
Denn gegenüber einem Bedarf von 400 bis 500 Millionen spielt
die finanzielle Seite der Reorganisation des nur 500 Köpfe
starken Militärveterinärkorps gar keine Rolle. Man könnte ja
sagen: in Zeiten der Not muß auch im Kleinen gespart werden.
Nun, diesejn Grundsatz steht aber hier der wichtigere entgegen,
daß Versprechungen gehalten werden müssen. Schmaltz.
Die Bekämpfung der Schafrände im Regierungsbezirk
Kassel.
Durch die Liebenswürdigkeit eines Kreistierarztes unseres
Bezirks bin ich zufällig auf einen Artikel (ohne Namensunter¬
schrift) in Nr. 27 der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift
vom 4. Juli d. J. aufmerksam gemacht worden, der sich mit
der Schafräude im Regierungsbezirk Kassel befaßt.
Wenn ein Unparteiischer diesen Artikel zu Gesicht bekommt,
dann muß er glauben „Hier unten aber ist’s fürchterlich“ —
— — Nun, gar so schlimm sieht die Saphe denn doch nicht
aus, besonders spielt das Schlachtmesser nicht eine so große
Rolle, wie der Autor dieses Artikels zu glauben scheint.
Wenn der betreffende Verfasser hier einmal durch die
Schule gehen wollte, dann würde er lernen, wie man die Räude
tilgen kann und wie nicht. Sollte er indes die hiesigen Ver¬
hältnisse — vielleicht nicht zu seinem Vorteile — bereits
kennen gelernt haben, dann möge er sich jetzt wieder einmal
umschauen, welche Fortschritte die Tilgung der Räude hier auf¬
zuweisen hat — — er wird finden, daß in einzelnen Kreisen,
die früher recht stark verräudet waren, die Seuche erheblich
in der Abnahme ist, ja, zum Teil ganz verschwunden ist.
Wir Tierärzte des Bezirks sind weit entfernt, zu
glauben, daß durch das Badeverfahren die Räude allein getilgt
werde — o nein! wir wissen vielmehr, daß erst ganz andere
Schwierigkeiten, die der wirksamen Räudetilgung entgegenstehen,
hinweggeräumt werden müssen.
Wir stehen hier mitten in einem* schweren Kampfe und wir
verstehen es, wenn bei einem zielbewußten Vorgehen gegen
diese Seuche und wo einschneidende Wirtschaftsfragen im
Vordergründe des Interesses stehen, die gegnerische Seite sich I
zu wehren sucht. Dasselbe haben doch zur Genüge die Beispiele
der letzten Jahre bei Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche
erwiesen.
Es kann also nicht so sehr wundernehmen, wenn die
Landwirtschaftskammer, als die Vertreterin der landwirtschaft¬
lichen Interessen, sich von einer, ihr lästigen Fessel zu befreien
sucht, beziehentlich sich bemüht, eine Milderung der Räude¬
gesetzgebung zu erstreben.
Was das Richtige ist, will ich dahin gesteUt sein lassen
— nach meinen Erfahrungen kann nur durch ein strenges,
ziehlbewußtes Vorgehen ein Erfolg erzielt werden, sonst gebe
man den Kampf auf — mit halben Maßregeln wird nichts
erreicht.
Ich glaube, daß manche Erfolge an der Kostenfrage scheitern
und ich bin überzeugt, daß wir die Landwirte wieder auf unserer
Seite finden und bessere Erfolge erzielen werden, wenn es gelingt,
die Kosten, die bisher das ganze Verfahren den Betroffenen
auferlegt, auf ein Minimum zu reduzieren. Der Anfang ist
ja bereits gemacht, hoffen wir davon das Beste.
Auf Einzelheiten noch näher einzugehen, kann hier nicht
der Platz sein, ist auch meinerseits nicht beabsichtigt, nur
so viel möchte ich dem Verfasser des betr. Artikels noch ver¬
raten — und ich befinde mich wohl ziemlich mit allen, wenigstens
den beamteten Herrn Kollegen des hiesigen Bezirks in Über¬
einstimmung — daß das Fröhnersche Badeverfahren von allen
Räudemitteln nocli bisher das beste ist, welches imstande ist,
die Räude in einer Schafherde zu heilen. Um die Räude
„absolut“ zu tilgen, dazu gehören, wie bereits angedeutet,
andere Heilmittel — welche? — nun vielleicht verrät sie uns
der Schreiber seines Artikels in der D. T. W., der sich ja
unserer Sache so anzunehmen scheint und der ja auch weiß
— was hier unbekannt istdaß im Reg.-Bez. Kassel der
Kampf gegen die Räude mit Sonderbestimmungen geführt wird.
Veterinärrat Tietze, Depart.-Tierarzt.
Kolonialinstitnt in Hamburg.
Die Organisation des neugegründeten Kolonialinstituts und
das Verzeichnis der Vorlesungen für das erste Semester 1908/09
werden veröffentlicht. Als Senatskommissar fungiert Senator
Dr. v. Melle-Hamburg und als Kommissar des Reichskolonial¬
amts Wirklicher Legationsrat Dr. Schnee-Berlin. Der kauf¬
männische Beirat besteht aus drei Kauf leuten und der Professoren¬
rat aus zwölf Professoren. Der Vorsitzende des Professorenrats
ist Professor Dr. Thilenius. Der Lehrkörper des Kolonial¬
instituts setzt sich zusammen aus den Mitgliedern des Professoren¬
rats und Dozenten mit Lehrauftrag. Einen Lehrauftrag für
Fleischbeschau hat Obertierarzt Professor Glage erhalten, die
Ernennung weiterer tierärztlicher Dozenten ist zu erwarten, da
für das Wintersemester Vorträge über Tierkrankheiten angezeigt
und für das Sommersemester solche über tropische Tierseuchen
in Aussicht genommen sind.
Als Hörer werden zugelassen Abiturienten höherer Lehr¬
anstalten mit neunjährigem Kursus, seminaristisch gebildete
Lehrer nach bestandener zweiter Prüfung, Kaufleute, Industrielle
und andere Personen mit der Berechtigung zum einjährig-frei¬
willigen Dienst, Personen, die als Selektaner von Hamburger
Volksschulen oder auswärtigen gleichwertigen Schulen ab¬
gegangen sind, nach dreijähriger geregelter Berufstätigkeit und
I Beendigung der Lehrzeit und Ausländer mit gleichwertiger Vor¬
bildung. Dazu kommen Hospitanten.
Die Studenten haben sich im Bureau des Kolonialinstituts,
Hamburg 36, Dammthorstr. 25 I, anzumelden, Vorlesungen zu
belegen und am Ende des Semesters abzumelden. Der voll¬
ständige Lehrplan umfaßt zwei Semester, deren Einteilung mit
derjenigen der Universitäten zusammenfällt. Auf Antrag wird
den Hörern ein Abgangszeugnis mit Nennung der besuchten
Vorlesungen erteilt, dieselben können sich nach Beendigung des
Studiums auch einer Diplomprüfung unterziehen.
Die Vorlesungen im Wintersemester 1908/09 umfassen:
Allgemeine Kolonialgeschichte; Kolonialrecht; Übungen im
öffentlichen Recht; Eingeborenenrecht; Verwaltung und Recht
in den deutschen Schutzgebieten; Kolonialpolitik; Landeskunde
der deutschen Kolonien; Anleitung zu Routenaufnahmen und
geographischen Ortsbestimmungen ; die Eingeborenen der deutschen
Kolonien; Islamkunde, die Tierwelt unserer Kolonien; Koloniale
Nutzpflanzen; Übungen im Erkennen und Untersuchen pflanzlicher
Erzeugnisse des Handels; Besichtigungen von Warenlagern
u. dgl.; nutzbare Mineralien; Tropenhygiene; Samariterkursus:
Einführung in das Kisuahali und in das Schriftarabische, ferner
604
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 84.
in die chinesische Umgangssprache; Anleitung zu Himmels¬
beobachtungen; Ausrüstungen für botanisches Sammeln; Zu¬
bereitung der Nahrungsmittel in den Tropen; Fleischbeschau;
Tierkrankheiten; Kursus im Englischen; Kursus zum Abbalgen
und Konservieren höherer Wirbeltiere; Kursus in der Photo¬
graphie; Reitunterricht und Unterweisung in der Wartung und
Pflege des Pferdes. Für das Sommersemester 1909 sind ferner
in Aussicht genommen: Seerecht; Völkerrecht; Reederei; Hafen-
und Kaibetrieb; Ausnutzung von Fischgewässern; tierische
Schädlinge tropischer Kulturpflanzen: Nutz- und Haustiere der
Tropen; tropische Tierseuchen; Anleitung zur Ablage von
Stationen. Zur Ergänzung der Vorlesungen des Kolonialinstituts
werden den Hörem endlich die allgemeinen Vorlesungen und
Übungen empfohlen, auf die einzugehen, hier zu weit führen
würde.
Reichsgerichtsentscheidnng betreffend Haftpflicht des
Retchsmiiitärflskns wegen Schädigung eines Pferde¬
besitzers infolge Ansteckung durch kranke Militär-
pferde.
(Vom Reichsgericht.)
[Nachdruck verboten.]
Der Ziegeleibe8itzer Sch. in Düsseldorf hatte gegen den
Reichsmilitärfiskus Klage erhoben, weil er in seinem Pferde-
bestande durch die an der Brustseuche erkrankten Pferde des
Husarenregiments Nr. 11 zu Düsseldorf geschädigt worden sei.
Landgericht und Oberlandesgericht Düsseldorf erklärten den
Militärfiskus für ersatzpflichtig. Das Oberlandesgericht nimmt
für erwiesen an, daß bei der Unterbringung, Beaufsichtigung
und Absperrung der an der Brustseuche erkrankten Pferde des
Husatenregiments Nr. 11 im August und im September 1905
die gewöhnlichsten und durchaus notwendigen Vorsichtsmaßregeln
zum Schutz der Nachbarschaft vernachlässigt worden sind. Es
stellt fest, daß Pferde des Klägers durch jene Pferde angesteckt
worden sind, und nimmt eine an Gewißheit grenzende hohe
Wahrscheinlichkeit dafür an, daß der Krankheitsstoff unmittelbar
von Pferd zu Pferd übertragen worden ist, und zwar infolge
ungenügender Absperrungen der verseuchten Pferde, die auf den
dem freien Fuhrverkehr offen stehenden und täglich von Fuhr¬
werk benutzten Wegen bewegt, geputzt und getränkt worden
seien. Für die Vernachlässigung jener Maßregeln und damit
auch für den dem Kläger durch die Erkrankung seiner Pferde
und das Umstehen eines dieser Pferde entstandenen Schaden
erachtet es den Beklagten verantwortlich: „den Organen“ des
Beklagten, „der Kommandobehörde“ falle eine Fahrlässigkeit zur
Last, für deren Folgen der Beklagte nach §§ 823, 89, 31 B. G. B.
zu haften habe. Ein eigenes Verschulden des Klägers verneint
das Oberlandesgericht.
Gegen dieses Urteil hatte der Reichsmilitärfiskus Revision
beim Reichsgericht eingelegt. Der VI. Zivilsenat erkannte
jedoch auf Zurückweisung der Revision und führt dazu
folgendes aus: „Diese Angriffe können nicht für begründet
erachtet werden. Die beiden zuletzt erwähnten anlangend, kann
auf die einschlagenden durchaus zutreffenden Ausführungen des
Berufungsgerichts umsomehr verwiesen werden, als die Revision
zu dereü Widerlegung nichts vorgebracht hat. Im übrigen ist
es allerdings richtig, daß das angefochtene Urteil nicht genau
erkennen läßt, welchem verfassungsmäßigen Vertreter es die in
in der Unterlassung der gebotenen Vorsichtsmaßregeln liegende
Fahrlässigkeit (vgl. in dieser Beziehung das Urteil des er¬
kennenden Senats in den Entscheidungen des Reichsgerichts in
Zivilsachen, Bd. 52, S. 373 ff.) zur Last legt. Während das
Landgericht von einem Verschulden des „Regiments“, der
„Regimentskommandobehörde“ (richtiger Regimentskommandeurs)
spricht, scheint das Berufungsgericht das „Garnisonkommando“
zu Düsseldorf (richtiger den Garnisonkommandanten) als den
verfassungsmäßigen Vertreter des Beklagten anzusehen, der
unter Verletzung der ihm obliegenden Verrichtungen dem Kläger
den Schaden zugefügt hat. Die Erörterung der Frage, welche
verfassungsmäßigen Vertreter ein Verschulden trifft, kann jedoch
nach Lage des Falles dahingestellt bleiben. Es ist festgestellt,
daß das „Regimentskommando“ und das „Garnisonkommando“
von dem Ausbruch der Seuche jedenfalls Anfang September 1905
Kenntnis erhalten haben; es kann keinem Zweifel unterliegen,
daß der Regimentskommandeur oder doch der Garnisonkommandant
ein verfassungsmäßiger Vertreter des Beklagten wenigstens im
Sinne des § 30 B. G. B. ist, und daß zu seinen Pflichten gehört,
sofort für die Anordnung jener Vorsichtsmaßregeln zu sorgen.
Daß nun jenen oder diesen oder beide oder einen sonstigen
verfassungsmäßigen Vertreter in dieser Beziehung ein Ver¬
schulden trifft, das hatte der Kläger hier, wo es sich um die
Unterlassung notwendiger Maßregeln handelt, nicht darzutnn;
vielmehr hatte der Beklagte nachzuweisen, daß von ihm, d. h.
von seinen verfassungsmäßigen Vertretern alle Anordnungen
getroffen worden waren, die bei Anwendung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt getroffen werden mußten, um der An¬
steckungsgefahr tunlichst vorzubeugen. Erst wenn er dies getan
hätte, würde die zunächst schlüssige Annahme, daß ihn in seinen
verfassungsmäßigen Vertretern ein Verschulden trifft, weggefaUen
sein und dann erst die Frage aufgeworfen werden können, ob
er für den eingetretenen Schaden auch dann haften würde, weil
die angeordneten Maßregeln nicht ausgeführt worden sein sollten.“
(2. Juli 1908. Akt. Z. VI. 527 07.) K. M.-L.
Eine neue Kammergerichtsentscheidung betreffend
Abdepkereiprivilegien.
iVergl. auch Preufle, B T. W. Nr. 28, S. 418.)
In der B. T. W. (Jahrgang 1907, Seite 22) war eine Ent¬
scheidung des Kammergerichts veröffentlicht über die Frage, ob
dem Abdecker auch Schweine angesagt weiden müssen. Da
Kammergericht hatte sich auf den Standpunkt gestellt, daß,
wenn die Ansage unterbleibe, *der Abdecker gleichwohl keinen
Schadenersatz beanspruchen könne. Denn in dem alten Publi-
kandum sei im Falle Unterlassens der Ansage für die großen
Haustiere ein bestimmter Satz für die Entschädigung aufgestellt,
welcher dem heutigen Wert des Kadavers in keiner Weise ent¬
spricht. Für die Schweine sei dagegen ein solcher Betrag nicht
festgesetzt, und es fehle daher an eiDem Maßstab für die Ent¬
schädigung, da dieselbe nach heutigem Wert offenbar nicht ge¬
schehen könne, weil sonst die Entschädigung für ein Schwein
größer ausfallen würde als die Entschädigung für ein großes
Tier, welche zweifellos nur nach dem im Publikandum festge¬
setzten Betrag erfolgen könne.
Der Vorstand des Vereins der „königlich“ privilegierten
Abdeckereibesitzer hat nun, und zwar schon Ende 1906, ein
Zirkular versandt, in welchem eine andere Entscheidung des
Kammergerichts angezogen ist, die gerade zu dem entgegenge¬
setzten Standpunkt kommt. Wie dieser Widerspruch zwischen
zwei, auch zeitlich nahe aneinander liegenden Entscheidungen
des höchsten preußischen Gerichtshofes zu erklären ist, muß da-
20. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
605
hin gestellt bleiben. Jene erste Entscheidung war mitgeteilt
nach einer Besprechung des Herrn Rechtsanwalt Eschenbach
in der landwirtschaftlichen Presse. Ob es sich bei jener Be¬
sprechung um einen Irrtum handelt oder die Entscheidung nach¬
träglich eine Korrektur erfahren hat, muß dahin gestellt bleiben.
Jedenfalls bezieht sich das vom Abdeckerverein mitgeteilte Er¬
kenntnis nicht etwa auf denselben Fall. Es war einem Ritter¬
gutsbesitzer eine große Zahl von Schweinen eingegangen, die
er dem Abdecker nicht angesagt hatte. Dieser klagte auf Ersatz
nach dem heutigen Wert der Schweinekadaver in der Gesamthöhe
von 750 M. Das Kammergericht hat am 28. September 1906
folgendes Erkenntnis gefällt:
Zu dem nach dem Privileg (Publikandum von 1772 und
Privileg 1786) dem Abdecker anzusagenden großen und kleinen
Vieh sind auch Schweine zu rechnen. In dem Privileg ist aus¬
drücklich gesagt, daß Schafe nicht angesagt zu werden brauchen.
Sollte diese Ansagpflicht auch bei Schweinen erlassen werden,
so wäre dies ebenso wie bei Schafen in dem Privileg ausge¬
sprochen worden. In dem Publikandum werden allerdings anderer¬
seits bestimmte Tiergattungen aufgeführt und es wird angegeben,
was der Eigentümer beim Unterlassen der Anzeige für ein solches
Tier an den Abdecker zu zahlen hat. Dabei sind Schweine
nicht erwähnt. Es hat dies aber offenbar seinen Grund darin,
daß man im 18. Jahrhundert kaum ein Interesse daran hatte,
tote Schweine zu verschweigen, da die IJaut allein kaum den
Weg und das Trinkgeld lohnte, das der Abdecker aufzuwenden
hatte, und die Verwendung des übrigen Kadavers eines Schweines
erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert durch rationelle
Ausnutzung üblich geworden ist. Jedenfalls war der Abdecker
auf Grund seines Privilegs berechtigt, die gefallenen Schweine
für sich zu beanspruchen. Für die ihm durch die Nichtansage
entgangenen Schweinekadaver kann der Kläger den ganzen
Wert derselben als Ersatz verlangen. Nach dem Privileg von
1786 hat derjenige, so sich unterstehen möchte, diesem zuwider
zu leben, jedesmal einen Wispel Hafer Strafe zu erlegen, auch
soll er schuldig sein, dem Scharfrichter Haut und Talg zu be¬
zahlen. Es handelt sich hierbei aber nur um Strafen, die der
Bannpflichtige dem bannberechtigten Abdecker zu zahlen hat,
und die neben der fiskalischen Strafe dem Bannpflichtigen au- |
gedroht sind. Der Abdecker kann als Schadenersatz für die
Nichtansage des verstorbenen Viehs nach den allgemeinen Grund¬
sätzen denjenigen Nutzen verlangen, den er durch Verwendung
des ihm entzogenen Viehs hätte ziehen können.
t
Am 11. August d. Js. verschied zu Weinsberg in Württem¬
berg im Alter von 42 Jahren plötzlich der Königl. Kreistierarzt
Dr. Georg Decker aus Mayen. Derselbe war ca. 15 Jahre
Kreistierarzt im Reg.-Bez. Coblenz und hat sich während dieser
Zeit durch seine offene, kollegialische Gesinnung und durch das
stete Hochhalten der Standesehre all unsere Achtung erworben.
Ehre seinem Andenken!
Der Departementstierarzt und die Kreistierärzte
des Reg.-Bez. Coblenz.
Die Gehaltsbezüge der tierärztlichen Staatsbeamten in Bayern.
Die in Nr. 31 der B. T. W. von 1908 erwähnte Gehalts¬
ordnung für die bayerischen Staatsbeamten hat nun auch die
Genehmigung der Kammer der Reichsräte gefunden und tritt mit
dem neuen „Beamtengesetz“ am 1. Januar 1909 in Kraft. (Bravo!)
Gehälter der Bezirkstierärzte in Baden.
In Baden ist das Diensteinkommen der Bezirkstierärzte
neu geregelt worden. Die Bezirkstierärzte sind in zwei Klassen
eingeteilt, in D 4 und C 5. In der ersteren Klasse beträgt das
Anfangsgehalt 1200 M. und steigt in zweijährigen Perioden bis
2800 M., wozu eine Wohnungsentschädigung von 900 M. tritt.
In der Klasse C 5 beträgt das Anfangsgehalt 2000 M. und
steigt in zweijährigen Perioden um 300 M. bis 3800 M.; dazu
tritt ein Wohnungsgeld von 1050 M. Bei der Pensionierung
werden in der jüngeren Klasse 700 M., in der älteren 1000 M.
von dem übrigen Diensteinkommen als pensionsfähig mit an¬
gerechnet, so daß sich das pensionsfähige Einkommen in der
jüngeren Klasse auf 4400 M., in der älteren auf 5850 M. stellt.
Außerdem erhalten die Bezirkstierärzte 200 bzw. 300 M. außer¬
ordentliche Gehaltsaufbesserung und eine einmalige Zuwendung
von 100 bzw. 150 M.
Die Teilnehmer am ersten internationalen tierärztlichen Kongreß.
Die Veröffentlichung der Mittelgruppe einer photographischen
Aufnahme von Teilnehmern am ersten internationalen tierärztlichen
Kongreß zu Hamburg 1863 hat ein erfreuliches Ergebnis gehabt.
Herr Kreistierarzt Veterinärrat Struve zu Altona hat daraufhin
mitgeteilt, daß er sich im Besitz eines Exemplars des Bildes be¬
findet, auf dem die Namen sämtlicher Dargestellten angegeben sind.
Vielleicht kann die Veröffentlichung in der B. T. W. daher demnächst
noch ergänzt werden. Heute soll nur mitgeteilt werden, daß die
mit Haubner bezeichnete Figur in Wirklichkeit Unterberger
darstellt, und daß ferner in der oberen Reihe links neben Fürsten¬
berg der Kopf von Probstm ei er-München erscheint. Der vor
Gerl ach sitzende Herr ist der Professor Köhne aus Berlin.
Tierärztlicher Verein der Provinz Westfalen.
37. ordentliche Generalversammlung am Sonntag, deu 6. Sep¬
tember, vormittags 11 Uhr, im Hotel Feldhaus in Hamm
(in der Nähe des Bades).
Tagesordnung:
1. Eingänge und Geschäftliches;
2. Rechnungslage und Zahlung der Beiträge;
3. Bewilligung eines Beitrages für ein dem verstorbenen Kreis¬
tierarzt Dopheide zu stiftendes Denkmal in Burgsteinfurt;
4. Aufnahme neuer Mitglieder;
5. Verlängerung des Vertrages mit der Unfall- und Haftpflicht-
Versicherungs-Gesellschaft Winterthur;
6. Besprechung über die eingeführte Taxe;
7. Wahl des Vorstandes und der Delegierten;
8. Mitteilungen aus der Praxis und der Fleischbeschau.
Nach der Sitzung findet gegen 2 Uhr ein gemeinsames Mittags¬
mahl statt, zu dem die Damen recht zahlreich zu erscheinen gebeten
werden (das trockene Kuvert 3,50 M.). Anmeldungen hierzu sind
bis zum 1. September an den Schriftführer Herrn Tierarzt Wolfram
in Bochum zu richten. Der Vorsitzende: Nutt.
Vorlesungsplan der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin im
Wintersemester 1908/09.
Beginn: 15. Oktober.
Dr. Schütz: Spezielle patologische Anatomie, Sektionsübungen.
— Dr. Pinner: Anorganische Chemie, chemische Übungen. — Eggeling:
Geburtshilfe und Übungen am Phantom, Enzyklopädie und Methodologie;
ambulatorische Klinik. — Dr. Fröhner: Spezielle Pathologie und
Therapie; Klinik für große Haustiere, Abteilung für innere Krankheiten
und Gewährmängel Propädeutik in der medizinischen Klinik. — Dr.
Schmaltz: Vergleichende Anatomie, Anatomie des Pferdes, anatomische
Präparierübungen, Exenterierübungen. — Dr. Eberlein: Spezielle
Chirurgie; Klinik für größere Haustiere, Abteilung für äußere Krank¬
heiten, Operationsübungen, Propädeutik in der chirurgischen Klinik.
— Regenbogen: Geflügelzucht und Geflügelkrankheiten, Pharmakologie
und Toxikologie II, Poliklinik für kleine Haustiere und Klinik lür
kleine Haustiere, Harnuntersuchungen für die klinische Propädeutik.
Dr. Frosch: Allgemeine Seuchenlehre und Bakteriologie, bakterio¬
logische Übungen. — Dr. Kärnbach: Krankheiten des Hufes. Übungen
am Hufe, Poliklinik für große Haustiere. — Dr. Abderhalden: Phy¬
siologie. — Dr. Wittmack: Anatomie und Physiologie der Pflanzen.
— Dr. Börnstein: Physik. — Dr. Plate: Zoologie. — Dr. Krämer:
606
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
Vererbungslehre und Tierzucht. — Dr. Knuth: Tropenkrankheiten,
Arbeiten im Laboratorium für Tropenhygiene. — Borchmann: Fleisch¬
beschau. Demonstrationen der Fleischbeschau. — Kiehn: Pharmazeu¬
tische Übungen.
Berlin, den 9. Juli 1908.
Der Rektor der Königlichen Tierärztlichen Hochschule.
Schmaltz.
Vorlesungen für die Studierenden der Veterinärmedizin
an der Universität Gießen.
Geheimer Medizinalrat Prof. Dr. Bostroem: Allgemeine Pathologie
und pathologische Anatomie. Montag — Freitag 8—9 Uhr.
Prof. Dr. Elbs: Organische Experimentalchemie. Montag und
Mittwoch 11 —12 3 / 4 Uhr. Freitag 12—1 Uhr. Chemische Übungen.
Mittwoch und Freitag 4'/a— 7 Uhr.
Prof. Dr. Garten: Physiologie II. Teil. Montag — Freitag 10 bis
11 Uhr
Prof. Dr. Gm ein er: Medizinische Klinik. Täglich 12 x / 4 —1 Uhr.
Spezielle Pathologie und Therapie: Montag, Dienstag, Donnerstag und
Freitag 3 — 4 Uhr. Pharmazeutische Übungen, Arbeiten im Laboratorium
und Anleitung zu wissenschaftlichen Arbeiten: Täglich.
Prof. Dr. Geppert: Toxikologie: Mittwoch 2—4 Uhr. Pharma¬
zeutisch-chemischer Kursus für Veterinärmediziner: Mittwoch 4—6 Uhr.
Prof. Dr. Gisevius: Allgemeine Traproduktionslehre mit Gestüts-
wesen. Mittwoch 2—6 Uhr.
Geh. Hofrat Prof. Dr. Hansen: Systematische Übersicht der
Blutenpflanzen. Montag und Dienstag 5—6 Uhr. Pharmakognosie:
Donnerstag und Freitag 5—6 Uhr.
Kreisveterinärarzt Dr. Kn eil: Poliklinik: Täglich Geburtshilfe mit
Übungen am Phantom, zweistündig.
Prof. Dr. König: Experimentalphysik II. Montag — Freitag 4—5 Uhr.
Prof. Dr. Martin: Anatomie der Haustiere mit besonderer Be¬
rücksichtigung des Pferdes und Rindes: Montag—Samstag 9—10 Uhr.
Präparierübungen I: Montag —Freitag 2—4 Uhr, Samstag 10—12 Uhr.
Präparierübungen II: Montag — Samstag 11—12 Uhr, Montag — Freitag
2—4 Uhr. Topographisch-anatomische Demonstationen und Situs der
Eingeweide. Ein- bis zweimal wöchentlich. Geschichte der Tierheilkunde.
Geh. Hofrat Prof. Dr. Naumann: Anorganische Experimental¬
chemie. Montag, Mittwoch, Freitag 10—12 3 / 4 Uhr. Chemische
Übungen täglich.
Prof. Dr. Olt: Spezielle pathologische Anatomie der Haustiere:
Montag 5—6 Uhr, Dienstag—Freitag 9—10 Uhr. Fleischbeschau mit
Demonstrationen: Donnerstag und Freitag 4—5 Uhr. Pathologisch-
anatomische Demonstrationen und Sektionen nach Verabredung.
Praktikum für Vorgeschrittene und Anleitung zu wissenschaftlichen
Arbeiten täglich.
Prof Dr. Pfeiffer: Chirurgische Klinik und Poliklinik. Täglich
11— 12 V 4 Uhr. Spezielle Chirurgie (einschl. Augenkrankheiten): Diens¬
tag— Freitag 10—11 Uhr. Operationsübungen: Montag 9—11 Uhr.
Theorie des Hufbeschlags mit praktischen Übungen: Samstag 9—11 Uhr.
Übungen in der Anfertigung schriftlicher Gutachten: In zwei noch zu
bestimmenden Stunden.
Geh. Hofrat Prof. Dr. Spengel: Zoologie und vergleichende
Anatomie II. Teil. Montag — Freitag 8—9 Uhr.
Vorlesungen und praktische Übungen an der Königlichen Tierärztlichen
Hochschule zu Hannover.
Direktor, Geheimer Regierungsrat Dr. Dam mann: Enzyklopädie '
und Methodologie der Tierheilkunde, Diätetik (Hygiene), Über Tropen¬
krankheiten, Hygienische und seuchenklinische Übungen und Demon¬
strationen, Übungen im Anfertigen von Berichten.
Geheimer Regierungsrat, Professor Dr. Kaiser: Exterieur des
Pferdes und der übrigen Arbeitstiere, Tierzuchtlehre und Gestütskunde,
Ambulatorische Klinik.
Professor Tereg: Physiologie II, vierstündig, Physiologische Chemie,
zweistündig.
Professor Dr. Arnold: Anorganische Chemie.
Professor Boether: Anatomie der Haustiere, Anatomische Übungen.
Professor Dr. Malkmus: Spezielle Pathologie und Therapie,
täglich von 8—9 Uhr, Propädeutische Klinik und Spitalklinik für
große Haustiere (Medizinische Klinik).
Professor Fr ick: Theorie des Hufbeschlags, Spezielle Chirurgie,
Propädeutische Klinik und Spitalklinik für große Haustiere (Chirurgische
Klinik), Operationsübungen.
Professor Dr. Rievel: Fleischbeschau mit Demonstrationen,
Spezielle pathologische Anatomie, Milch und Milchkontrolle, Pathologisch¬
anatomische Demonstrationen, Obduktionen.
Professor Dr. Künnemann: Arzneimittellehre (Pharmakognosie
und Pharmakodynamik), Spitalklinik für kleine Haustiere.
Professor Haeseler: Physik, Physikalische Übungen.
Professor Dr. Otto: Über das Wesen und die Bekämpfung der
Geschlechtskrankheiten des Menschen und sonstige hygienische Fragen,
einstündig.
Dr. Schaff: Zoologie.
Obertierarzt Koch: Fleischbeschaukurse auf dem Schlachthofe,
jeder Kursus von dreiwöchiger Dauer.
l)r. Behrens: Diagnostik der Arzneipräparate, Pharmazeutische
Übungen. Außerdem Repetitionen.
Ausbrüche der Maul- und Kiauenseuobe.
Die Maul- und Klauenseuche beginnt anscheinend im Süden zu
grassieren. Das Kaiserliche Gesundheitsamt meldet aus den Tagen
vom 13.—17. August nicht weniger als sechs Neuausbrüche in
Bayern, und zwar vom Schlachtviehhof in München, aus Friedberg
und aus Ascholding, Bezirksamt Wolfratshausen (Reg.-Bez. Ober¬
bayern, aus Augsburg, aus Bobingen (Bezirksamt Schwab-München)
und aus Türkheim (Bezirksamt Mindclheim), beide im Reg.-Bez.
Schwaben Ncuburg.
Unpassende Annonce.
Erst durch die in Nr. 32 S. 576 veröffentlichte Anfrage bin ich
auf eine Annonce im Anzeigenteil der Nr. 31 der B. T. W. aufmerksam
gemacht worden, deren Veröffentlichung ich bedauern muß. Der
Magistrat zu Osterode in Ostpreußen, gezeichnet Dr. Herbst,
schreibt die Stelle des Direktors am dortigen städtischen Schlacht¬
hause dergestalt aus, daß sie mit einem „Tierarzt erster Klasse"
besetzt werden soll. Der Magistrat sollte wohl darüber orientiert
sein, daß seit mehr als 50 Jahren Tierärzte erster Klasse und
zweiter Klasse nicht mehr unterschieden werden, daß es daher nur
„Tierärzte“ gibt. Die Annonce paßt also nicht für die heutigen
Verhältnisse. Sie würde, wenn ich sie gesehen hätte, nicht auf¬
genommen worden sein. Der Kreistierarzt von Osterode hat den
Magistrat dem Vernehmen nach um eine Berichtigung ersucht, was
unbeantwortet geblieben ist. Daher müssen wir wohl die Berichtigung
selbst vornehmen in der Form, daß wir derartige falsche Be¬
zeichnungen öffentlich zurtickweiscn. Übrigens ist die Stelle pekuniär
nicht, wie aus der Anfrage in Nr. 32 geschlossen werden könnte,
verschlechtert, sondern im Gegenteil etwas verbessert insofern, als
sie zwar mit demselben Gehalt ausgeschrieben ist, aber ( die Auf¬
besserungsperioden abgekürzt worden sind. S.
Offener Brief.
An die Redaktion der „Berliner Tierärztlichen Wochenschrift“,
z. H. des Herrn Professor Dr. Schmaltz, Berlin.
Sehr geehrte Redaktion!
Im Anschluß an den von Ihnen in der letzten Nummer der
„B. T. W.“ veröffentlichten Artikel „Tierärztlicher Obthntsmus”
erhalte ich von einem Kollegen die sehr richtige Mitteilung, daß
zur Vergrößerung dieses Optimismus nicht zum mindesten die Rubrik
Ihrer Zeitung „Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt“ beiträgt.
Die Stellen, die dort monatelang stehen, Bind längst besetzt, und,
abgesehen von der unberechtigten Hoffnung, die Sie solchen Kollegen
machen, die nicht genau darüber orientiert Bind, haben sie noch
zur Folge, daß sich Wochen und Monate nach der Besetzung der
Stelle Tierärzte zum Gaudium der Stadtverwaltungen bewerben.
Eine genauere Führung dieses Teiles des Personal- und Stellen¬
verzeichnisses wäre bei der außerordentlichen Verbreitung der
„B. T. W.“ dringend erforderlich und wird sicher von Ihnen ein¬
geleitet werden, wenn Sie über diesen Übelstand benachrichtigt sind.
Mit dem Ausdruck der vorzüglichsten Hochachtung
Haupt, städt Tierarzt
Anmerkung.
Insoweit die in der obigen Zuschrift enthaltene Kritik berechtigt
ist (es sind doch wohl immer nur eine kleine Zahl von Stellen, die
schon besetzt sind und noch mitgeteilt werden), trifft sie nicht die
Redaktion, sondern diejenigen Kollegen, welche die Stellen ein¬
nehmen und es nicht für notwendig halten, im Interesse der anderen
von der stattgehabten Erledigung Mitteilung zu machen. Ich ver¬
öffentliche daher den Offenen Brief, um den Herren, welche solche
vorher angezeigten Stellen antreten, eine Anregung zu geben. Die
Redaktion kann nichts weiter tun, als bei den länger ausgeschriebenen
Stellen von Zeit zu Zeit anfragen, und das geschieht Schmaltz.
Tierhaltung und Tierzucht.
Die Grasfluren der Erde, Deutschlands Wiesentypen
und die Wertbestimmung des Wieseilheues.
Von Dr. A. Naumann,
Dozent der Botanik an der Tierärztl. Hochschule zu Dresden.
(Zeitachr. f. Infeklionskr., paras. Krankh. u. Hyg. d. Hauftt., Bd. IV, 8. 50.)
Für den Veterinärmediziner sind diejenigen mit Pflanzen
bestandenen Ländereien von besonderer Wichtigkeit, welche
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
607
20. August 1908.
zur Gewinnung von Viehfutter dienen. Das sind in Mittel¬
europa die Wiesen und die mit Futterpflanzen bestandenen
Äcker. Naumann bespricht die Grasflurgebiete der* Erde,
dann Deutschlands Wiesentypen, wobei er drei Haupttypen
(Niederungswiesen, Hügelwiesen und Gebirgswiesen) und von
jedem derselben Nebentypen, beeinflußt durch mangelnde oder
übergroße Feuchtigkeit und angrenzende Formationen unter¬
scheidet. Berücksichtigt man auch die Nebentypen und schließt
lokale und seltenere Fülle nicht aus, so beteiligen sich am
Aufbau der deutschen Wiesen 269 Gattungen mit 611 Arten.
Bei der Wertbestimmung des Wiesenheues ist weniger die
chemische Analyse als vielmehr die botanische Analyse für den
Praktiker das empfehlenswerte, über die sich Naumann aus¬
führlich verbreitet und bezüglich der auf das Original verwiesen
sei. Es sei hier uur hervorgehoben, daß Naumann zur Be¬
stimmung von Grasarten, das mikroskopische Bild von Blatt¬
oder Halmquerschnitten heranzieht, Grasquerschnitte, bei
welchem man auf die Form der Epidermis und ihrer Anfangs¬
gebilde, auf die zwischen den Gefäßbündeln gelegenen Gelenk¬
zellen, auf Vorsprünge der Blattrippen usw. behufs Unter¬
scheidung und Erkennung zu achten hat.
Naumann geht hierauf auf die wertmindernden „Gift¬
gewächse u und „Befallungspilze“ des näheren ein und schließt
Beine durch Tabellen und Tafeln im Werte noch erhöhte Arbeit
mit dem Wunsche, die Botanik möchte nicht nur für die natur¬
wissenschaftliche Prüfung in den Lehrplan der tierärztlichen
Hochschulen angefügt sein.
„Gerade den älteren Veterinärstudierenden müßte mindestens
die Gelegenheit gegeben werden, sich in einem mikroskopischen
und heuanalytischen Praktikum die wichtigsten Grundlagen zu
solchen Untersuchungen zu erwerben. Es wird sicher die Lust
an dieser Disziplin wachsen.
In einem einmütigen Zusammenarbeiten des Botanikers mit
dem Chemiker, Hygieniker und Pathologen erblicke ich tat¬
sächlich eine schöne Zukunft, und ich bin überzeugt, daß auch
an Tierärztlichen Hochschulen die auf das praktische Bedürfnis
gerichtete Botanik die gleiche Stelle einnehmen kann, die ihr
bereits an einigen Technischen Hochschulen eingeräumt
worden ist.“ Richter.
Einfluß der Milohgenossenschaften auf den Rindviehbestand.
Professor Ujhelyi tritt in der Milchzeitung 1907, Seite 816,
der vielfach verbreiteten Ansicht entgegen, daß die Milcbgenossen-
schaften den Viehbestand nachteilig beeinflussen, weil die Land¬
wirte, um den Milchertrag zu erhöben, die Kälberaufzucht nicht
richtig betreiben. Ein Beweis für die Förderung der Rindviehzucht
durch die Milchgenossenschaften sei die Entwicklung des Vieh¬
bestandes des Komitated Mohou, woselbst solange, als die Milch¬
verwertung nicht organisiert war, der Viehbestand ebenso wie in
den übrigen Gegenden Ungarns unverändert blieb, aber nach der
Organisation einen rapiden Aufschwung nahm. In den Jahren
1837—1896 variierte der Viehbestand zwischen 32000 —38000 Stück.
Im Jahre 1896 wurde der Magyar-Ovärer, Rindviehzuchtverein ge¬
gründet, welcher als Ziele die Organisation der Milchverwertung
und die Verbesserung des Exterieurs verfolgte. Heute gehören dem
mit 22 Mitgliedern gegründeten Verein bereits über 2000 Teilnehmer
an, wobei die Milch durch 20 Genossenschaften verwertet wird,
Ihr Einfluß auf die Zucht tritt besonders in den letzten fünf Jahren
auffällig hervor. Im Jahre 1902 betrug der Viehbestand noch
etwa 36 000 Stück, im Jahre 1903 schon 43 000, 1904 49 000, 1905
50000, 1906 518000, 1907 54 600 Stück. Die Entwicklung ist also
eine permanent aufsteigende und betrug in fünf Jahren 18 000 Stück
Vieh. Zur Zeit der Gründung des Vereins entfielen auf je 100 Per¬
sonen 40,7 Stück Vieh, 1907 aber 60,7 Stück, während der Landes¬
durchschnitt gar nur 36,4 Stück beträgt. Dabei ist der Viehbestand
qualitativ bedeutend verbessert worden, die Milcherträge sind im
Durchschnitt beträchtlich erhöht.
Viehbestand der Erde.
Eine internationale Statistik über den Bestand an Schlachtvieh
bringen die „Nachrichten für Handel und Industrie“, wobei die
Angaben sich auf das Jahr 1906, z. T. auch auf die Vorjahre bis
1903 beziehen.
Rindviehbestand:
Nordamerika . .
66,9 Millionen
Übertrag:
282,2 Millionen
Russisches Reich
43,2
„
Spanien . . .
2,2
,,
Argentinien . .
21,7
„
Bulgarien . . .
1,8
,,
Britisch-Ostindien
52,0
Dänemark. . .
1,8
Deutschland . .
19,3
,,
Neu-Seeland . .
1,8
L
Frankreich . .
14,3
„
Belgien. . . .
1,8
„
Großbritannien .
11,7
Niederlande . .
1,7
Österreich. . .
9,5
Schweiz . . .
1,5
Australien . .
8,3
»,
Japan . . . .
1,2
„
Uruguay . . .
7,0
Kapkolonie . .
1,9
,,
Ungarn ....
6,7
,,
Algerien . . .
1,1
„
Kanada. . . .
6,3
,,
Serbien....
1,0
,,
Mexiko ....
5,1
„
Norwegen . . .
1,0
Italien ....
5,0
,,
Natal ....
0,6
Rumänien . . .
2,6
„
insgesamt 301,6 Millionen
Schweden. . .
2,6
„
SchafViehbestand:
Australien. . .
72,8 Millionen
Übertrag:
421,0 Millionen
Argentinien . .
74,4
Bulgarien . . .
6,8
11
Russisches Reich
61,5
n
Rumänien. . .
5,7
V
Nordamerika . .
50,6
u
Mexiko ....
3,4
11
Großbritannien .
29,2
11
Serbien....
3,1
11
Neuseeland . .
20,1
Österreich. . .
2,6
11
Uruguay . . .
17,9
,,
Kanada....
1,8
t)
Frankreich . .
17,8
Schweden. . .
1,1
Britisch-Ostindien 17,6
Norwegen. . .
1,0
Spanien . . .
13,3
Dänemark. . .
0,9
11
Kapkolonie . .
11,8
Holland . . .
0,7
11
Algerien . . .
9,1
11
Natal ....
0,6
11
Ungarn....
8,1
ii
Belgien. . . .
0,2
11
Deutschland . .
9,9
n
Schweiz . . .
0,2
11
Italien ....
6,9
ii
insgesamt 447,1 Millionen
Schwein
ebestand:
Nordamerika . .
52,1
Millionen
Übertrag:
116,0 Millionen
Deutschland
18,9
11
Belgien. . . .
1,0
Russisches Reich
12,7
11
Australien. . .
1,0
11
Frankreich . .
7,6
11
Serbien....
1,0
11
Ungarn ....
7,3
Holland . . .
0,9
Österreich. . .
4,7
11
Schweden. . .
0,8
Großbritannien .
3,6
M
Argentinien . .
0,7
Kanada....
2,2
11
Mexiko ....
0,6
11
Spanien . . .
1,9
1)
Schweiz . . .
0,5
11
Italien ....
1,8
Bulgarien . . .
0,5
11
Rumänien . . .
1,7
„
Andere Länder.
0,8
11
Dänemark. . .
1,5
„
insgesamt 123,8 Millionen.
Viehbestand Großbritanniens im Jahre 1907.
Der Viehbestand Großbritanniens betrug nach „Agricultural
Statistics“ am 4. Jttrii 1907 an Pferden 1556 407, Rindvieh 6 912 519,
Schafen 26 116 503 und an Schweinen 2 636 fc08 Stück.
Geschäftsbericht der Anstalt für staatliche Schlachtviehversicherung im
Königreich Sachsen für das Jahr 1907.
Im Jahre 1907 wurden an Versicherungsbeiträgen erhoben für
ein männliches Rind 2,50 M., für ein weibliches Rind 3,50 M., für
ein Schwein 0,75 M. Diese Beiträge haben zur Decküng der Ent¬
schädigungen nicht au8gereicht, weshalb för das Jahr 1908 die Bei¬
träge auf 3 M. für ein männliches, 5 M. flir ein weibliches Rind
und 0,80 M. für ein Schwein erhöht werden mußten. Im Berichts¬
jahr sind zusammen 29 462 Entschädigungsansprüche angemeldet
worden gegen 28 739 im Jahre 1906.
608
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
Bücherbesprechungen.
Das ostfriesische Pferd. Von H. 6roß-Norden. Band VII der
Monographien landwirtschaftlicher Nutztiere. M. & H. Schaper,
Hannover 1908. Preis 4 M.
Der als Generalsekretär des landwirtschaftlichen Hauptvereines
für Ostfriesland und Hauptgeschäftsführer des Verbandes ostfriesischer
Stammviehzüehtor mit den Verhältnissen des Gebietes aufs beste
vertraute Verfasser, dem wir auch die Monographie „Das ostfriesische
Rind“ verdanken, gibt uns in seiner neuesten Arbeit eine an¬
schauliche Schilderung von dem Entwicklungsgänge und dem
Stande der ostfriesischen Pferdezucht, dem Umfange der Vieh¬
haltung, sowie den natürlichen und wirtschaftlichen Züchtungs¬
grundlagen des dortigen Gebietes, der Geschichte des ostfriesichen
Pferdes, seiner charakteristischen Merkmale, seiner verschieden¬
artigen Brauchbarkeit und Verwendung, der im Zuchtbezirke üblichen
Art der Aufzucht, Haltung und Fütterung, der Regelung der Hengst¬
haltung. Des weiteren werden eingehend die Maßnahmen erörtert,
auf denen die Förderung der Zucht und der Erhalt des Zuchtzieles
des Landes, „die Erzeugung eines kräftig gebauten, edlen Wagen¬
pferdes mit runden Formen, guter Haltung und geräumigen, hohen
Gängen“ fußen. Das mit 5 Tafeln, einer Karte und 96 fast durch¬
weg wohlgelungenen Textabbildungen versehene, vornehm aus-
gestattete Werkchen ermöglicht zufolge seiner übersichtlichen Ein¬
teilung eine leichte Orientierung und vermag allen Interessenten
wertvolle Aufschlüsse zu bieten. Krön ach er.
Über Vererbung und Aufzucht der Pferde mit besonderer Be¬
rücksichtigung der Schrittpferdezucht. Von E. Suckow, fr. Gestüts¬
direktor. M. & H. Schaper, Hannover, 1908. Preis 1,20 M.
In dem 36 Seiten umfassenden Schriftchen, dem Sonderabdruck
eines vom Verfasser im rheinischen Pferdezuchtverein zu Crefeld
gehaltenen Vortrage, werden an der Hand der Ergebnisse der
Rassenforschung und auf Grund umfassender Literaturstudien sowie
reicher persönlicher Erfahrungen die Grundlagen dauernder Erfolge
im Pferdezuchtbetriebe im allgemeinen bezw. der auiblühenden
rheinischen Kaltblutzucht im besonderen'besprochen. Reinzucht,
Vermeidung der Zuzucht, Berücksichtigung der natürlichen Lebens¬
bedingungen, vorsichtige Zuchtwahl, zweckmäßige Wartung und
Fütterung, vor allem das Vorhandensein genügend großer und er¬
giebiger, gut gepflegter Weiden bezeichnet der Verfasser als Grund¬
pfeiler des Erfolges aller Zuchten. Weit über den nach Umfang
und Titel des Werkchens vermuteten Rahmen hinaus birtet Suckow
aus seinem reichen, geklärten Wissen namentlich über die Frage
der Reinzucht und Kreuzung auf weitschauenden Gesichtspunkten
fußende Ausführungen, die, frei von der bei uns vielfach üblichen,
rückhaltslosen Bewunderung ausländischer Zuchtmethoden und
-Leistungen jedem mit Tierzucht befaßten eine Fülle wertvoller
Anregungen geben. Kronacher.
Die Entwicklung der Schweinezucht in Deutschland unter besonderer
Berücksichtigung der wirtschaftlichen Fragen. Von Dr. Crone-Münzebrock.
M. & H. Schaper, Hannover 1908. Preis 2,50 M.
Eine sachliche, vollständige und übersichtliche Behandlung ge¬
nannten Themas durch Zusammenstellung und kritische Bearbeitung
des in allen möglichen Abhandlungen, Büchern, Zeitschriften und
Zeitungen verstreuten einschlägigen Materials entsprach einem
lange gefühlten Bedürfnis. Der Verfasser hat sich seiner Aufgabe
mit viel Geschick entledigt und zeigt sich der Behandlung des
Stoffes nach der volkswirtschaftlichen wie nach der tierzüchterischen
Seite in gleicher Weise gewachsen. Der erste der vier größeren
Abschnitte, in welche das Buch zerfällt, gibt eine Darstellung der
Entwicklung der deutschen Schweinezucht an der Hand der
statistischen Nachweise, im zweiten und dritten erfahren Art,
Gang und Erfolge der neuzeitlichen tierzüchterischen Maßnahmen
eingehendere Erörterung, während der vierte sich mit den Ursachen
und Wirkungen der Produktions- und Preisschwankungen bzw. der
Fleischteuerung in der Schweinezucht, sowie den Maßnahmen zur
Abwehr dieser Übelstände befaßt. Durchsichtige Einteilung des
Stoffes, Klarheit des Ausdruckes und oine bei aller Vollständigkeit
erfrischende Kürze sind besondere Vorzüge des Buches, das allen
Interessenten der Fleischversorgungsfrage, Tierzttchtern, Volks¬
wirtschaftlern und Tierärzten gleich willkommen sein wird.
. Kronacher.
Die erworbenen Eigenschaften und das Vererbungsproblem. Eine
züchtungsbiologische und naturphilosophische .Studie von A. Hinck,
Freiburg i. Br. M. & H. Schaper, Hannover 1908. Pr. M. 1.—.
„Vererbung“ heißt das Schlagwort, das heute Botaniker,
Biologen und Tierzüchter in gleichem Maße beschäftigt. „Ver¬
erbung oder Nichtvererbung erworbener Eigenschaften“ ist jener
Teil des Problems, der auch den praktischen Züchter in hervor¬
ragendem Maße interessiert. Der als Tierzuchtschriftsteller und
begeisterster Vertreter und Verbreiter der Weismannschen Ideen
bestbekannte Verfasser bringt in der 26 Seiten haltenden Broschüre
an der Hand der meist angezogenen Beispiele, wie der Milch-, Renn-
und Legeleistung, Mastfähigkeit, Frühreife, Fruchtbarkeit, des
Gehörnes als Waffe die biologisch-physiologischen und die erkenntnis-
kritischen Beweisgründe, welche nach seiner Ansicht die Möglich¬
keit einer Vererbung erworbener Eigenschaften als ausgeschlossen
erscheinen lassen. Dabei hält er an der Vorstellung unmittelbarer
Übertragung für das Einzelleben fest, die gewissermaßen nur in der
Form eines „Miniaturabdruckes“ des betreffenden Körperteiles zu
denken sei, während von den Neolamankianern gewöhnlich diese
Vererbung als eine allmähliche Abänderung der Anlagen durch
Summierung der auf das Keimplasma im Verlaufe von Generationen
einwirkenden Reize gedacht wird. Die gründliche, unter Berück¬
sichtigung der neuzeitlichen Forschungsergebnisse doch kurz und
übersichtlich gehaltene Darstellung dieser großen biologischen
tierzüchterischen Frage im Sinne der Weismannschen Theorie ist
für den Anhänger und Gegner derselben gleich lesenswert.
Kronacher.
Handbuch der gesamten Landwirtschaft, herausgegeben von Dr. Karl
Steinbrück, Halle. 40 Lieferungen (3 Bände) zu je 50 Mk. Dr. M.
Jänecke, Hannover 1907.
Der Prospekt bezeichnet es als Aufgabe des Werkes, „das
ganze praktische Können und theoretische Wissen ■ In der Land¬
wirtschaft in einer für jedermann verständlichen Form darzustellen
und unter voller Berücksichtigung der neuesten Erfahrungen der
Praxis sowohl als auch der Ergebnisse der wissenschaftlichen
Forschung für die Hebung und Förderung des landwirtschaftlichen
Betriebes nach besten Kräften zu wirken.“ Soweit sich aus der
vorliegenden 1. Lieferung, die den 1. und 2. Bogen der Abteil. 28,
Rindviehzucht und -Haltung, bearbeitet von Dr. Max Fischer, Halle,
sowie der Abteil. 31, Schafzucht und -Haltung, bearbeitet von Dom.-
Rat E. A. Bröd trmann, Knegendorf, enthält, ein Schluß ziehen läßt,
wird das mit zahlreichen, meist recht brauchbaren Abbildungen aus¬
gestattete Werk seine Bestimmung als handliches Nachschlagebuch
zu rascher, ausreichender Orientierung in den einzelnen landwirt¬
schaftlichen Gebieten recht wohl erfüllen. Auch für Schulzwecke,
besonders als Repetitorien werden sich Teile wie die klare und
anschaulich gesebriebne Schafzucht und -Haltung Brödermanns gut
verwendbar erweisen. Wünschenswert erscheint die Ausmerzung
verschiedener Unrichtigkeiten, wie solche sich in der etwas sehr knapp
gehaltenen Rassenbeschreibung der Rinder bei den Höhenschlägen
finden. Kronacher.
Personalien.
Ernennung: Polizeitierarzt Dr. ffansmann-J)ilase\doT( zum Polizei¬
tierarzt in Köln-Ehrenfeld.
In der Armee: Sachsen: Befördert: Stabsveterinär Kunxc im
Feldart.-Regt. Nr. 28 zum Oberstabsveterinär, Oberveterinär l'hlich
im Feldart.-Regt. Nr. 32 bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst
zum Stabsveterinär.
Todesfall: Kreistierarzt Dr. Georg Decker- Mayen.
Vakanzen.
(Vgl. Nr. 32.)
Besetzt: Schlachthofstelle in Halle a. S.
Verantwortlich für den Inhalt (exk). Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard 8choeta in Berlin. —
Druck von W. BQxensteln, Berlin.
Die „Berliner Tlerftntllche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlege von Richard Schoets ln
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe etun Preise von M. 6,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 19 PC für Bestellgeld)
frei Ins Haus geliefert (österreichische Post-Zeltungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Originalbeitrage werden mit 60 Hk., In Petltsate mit
00 Hk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen nnd redaktionellen Anfragen beliebe man
an senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Luisenstraße 66. Korrektoren,
Rezensions-Exemplare nnd Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Med.-Rat Dr. Boeder
Professor in Dresden.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departements-T. in Cüln.
Professor Dr. Peter
8taatstlerarzt für Hamburg.
Veterinärrat Peters
Departements-T. in Biomberg.
Dr. Schlegel
Professor in Frei bürg.
Dr. j. Schmidt
Professor in Dresden.
Helfer
Sehlach h.-Direktor in Mülhausen L B.
Dr. H. Sieber
am Tropeninstitut in Hamburg.
Reg.-Rat Dr. Vogel
Landestierarzt in München.
Dr. Städter
Stadt-Tierarzt in Hamburg.
Veterinärrat Preuße
Departements-T. in Danzig.
Wehrte
Kais. Regierungsrat in Berlin.
Dr. Richter
Professor in Dresden.
Zündel
Kreistierarzt in Mülhansen L B.
Dr. Trapp
am Kaiser Wilhelm-Institut ln Bromberg.
Dr. Zimmermann
Dozent ln Budapest
Jahrgang 1908. JW. 35 . Ansgegeben am 27. August.
Inhalt: Sonnenberg: Die Piroplasmosis der Schafe und ihre Beziehung zur sogenannten Bradsot der Schafe. — Frosch
und Nevermann: Zur Piroplasmosis der Schafe. — Goldbeck: Zu den Erfahrungen in der Schutz- und Heilimpfung
mit polyvalentem Kälberruhrserum nach Ludwig Wilhelm Gans - Frankfurt a. M., von Raebiger - Habcl-
schwerdt. — Raebiger: Der Impfstoff für Heilzwecke bei Schweineseuche nach Ludwig Wilhelm Gans-
Frankfurt am Main. — Willenberg: Zur Bekämpfung der Schweineseuche. — Goldberger: Aufblähen durch ein
Tuberkel. — Referate: Geflügelkrankheiten und Geflügelzucht: Die Hebung der Nutzgeflügelzucht in Bayern. —
Freese: Über Hühnerpest mit besonderer Berücksichtigung der pathologischen Anatomie. — Greve: Beitrag zur Kenntnis
der Streptococcen-Krankheit (Schlafkrankheit) der Hühner. — CI außen: Über Kolibakterienseptikämie bei Hühnern als
Transportkrankheit. — Volkmann: Hochgradige tuberkulöse Veränderungen bei einem Huhn. — Phosphorvergiftung bei
Hühnern. Strychninvergiftung bei Enten. — Hase: Ist Sarcoptes mutans lebendig gebärend? — Federlose Hühner. —
Bugge: Ansteckende Luftsackentztindung der Gänse. — Seuchenartige Geflügelkrankheiten. — Guittard: Pleuro-Peritonitis
des Geflügels. — Mießner und Schern: Die infektiöse Nekrose bei den Kanarienvögeln. — Zwick: Untersuchungen über
eine Kanarienvogelseuche. — Denker: Das Gehörorgan und die Sprechwerkzeuge der Papageien. — Tageogeochlchte: Protokoll
der 42. Generalversammlung des tierärztlichen Provinzialvereins für Posen. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen und
Kritiken. — Personalien. — Vakanzen.
Die Piroplasmosis der Schafe und ihre Beziehung
zur sogenannten Bradsot der, Schafe.
Von Tierarzt E. Sonnenberg-Nordhausen.
In den beiden letzten Monaten beobachtete ich anf den Gütern
Wetterau (Kreis Schroda) und Pirschütz (Kreis Krotoschin) eine
Lämmerseuche, die durchaus unter bradsotähnlichen Erscheinungen
verlief.
Charakteristisch für sie war, daß nur Lämmer daran
erkrankten, and daß der Beginn der Seuche mit dem Anfang des
Weidegangs zusammenfiel.
Die Seuche trat sehr verheerend anf nnd raffte bis Ende
Juli auf dem Gute Wetterau über 50 Proz., auf Pirschütz
zirka 25 Proz. der Lämmer fort.
Die in beiden Seuchengängen von mir festgestellten patho¬
logisch-anatomischen Veränderungen zeigten übereinstimmend
folgendes Bild:
Streifige, flächenartige oder auch diffuse Rötung nnd
Schwellung am Labmagen, bisweilen auch ein hämorrhagischer
Katarrh am Anfangsteil des Dünndarms. Daneben bestanden
mehr oder weniger ansgeprägte, parenchymatöse Schwellangen
an Leber, Nieren und Herz, bisweilen auch leichte MilzschweUnng.
Bei einzelnen Tieren sah man ödematöse Schwellungen im Kehl-
gang nnd am oberen Halse. Die Kadaver faulten außerordent¬
lich schnell.
Die Erscheinungen bei Lebzeiten waren anfangs: Traurigkeit,
Mattigkeit, diffus gerötete Konjunktiven verbunden mit serösem
Ausfluß ans den inneren Augenwinkeln.
Der Tod erfolgte beim Beginn der Seuche fast apoplektisch.
Später nahm die Krankheit einen mehr protrahierten Verlauf,
die Tiere starben nach drei bis vier Tagen, manchmal auch
später. Bei protahiertem Verlaufe wurden die Konjunktiven
blaß, und ein leichter DurchfaU stellte sich ein. Kehlgang und
obere Halspartie waren ödematös geschwollen.
Nach einigen, mißratenen Versuchen, aus den Organen
getöteter Lämmer den sog. Bradsoterreger oder ein anderes
Bakterium zu isolieren, untersuchte ich frische Blutproben
kranker Tiere.
Gelegentlich des Nachweises von Piroplasma bigeminnm im
Blute einer Kuh mit Blutharnen war mir 36 aufgefailen, daß
die aus einer Ohrvene entnommene Blutprobe:
1. nicht die normale, dunkelrote Farbe zeigte, sondern hell¬
rot erschien, nnd daß
2. in der Probe sich das Blutserum äußerst schnell abschied.
Dasselbe Verhalten zeigten nun auch die von kranken
Lämmern gewonnenen Blutproben. Das veranlaßt« mich bei den
Lämmern das Blut zu untersuchen.
Ich machte Ausstriche, die ich mit Alkohol absolutus
fixierte und mit einprozent. Methylenblaulösung färbte, nnd
fand das Piroplasma ovium.
Hiermit ist erwiesen, daß die Piroplasmosis ovium
auch in Deutschland vorkommt.
Nimmt man nun ein Lehrbuch der speziellen Pathologie
und Therapie zur Hand — mir liegt gerade das Lehrbuch von
Hutyra nnd Marek, Ausgabe 1905, vor — und vergleich}
einmal die beiden Kapitel über Bradsot nnd Piroplasmosis der
Schafe, so fällt ohne weiteres die Ähnlichkeit des Kranklieits-
bildes nnd auch des Sektionsergebnisses auf. Erwägt man
außerdem, daß eine künstliche Infektion von Schafen durch
Bradsotbakterien bisher einwandfrei nicht erwiesen ist — ich
folge hier den Ausführungen des Herrn Dr. Mießner-Brom-
berg — Bradsotbazillen sich zudem in ganz frischen Kadavern
oftmals nicht nachweisen lassen nnd erst mit dem Auftreten
610
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
von Fäulnis gefunden werden, auch in Kadavern ganz gesunder
Schafe solche Bazillen nachweisbar sind, so spricht die aller¬
größte Wahrscheinlichkeit dagegen, daß die Bradsot durch so¬
genannte Bradsotbazillen hervorgerufen wird.
Umfangreiche Blutuntersuchungen werden vielmehr nach
meiner festen Überzeugung den Nachweis erbringen, daß die
in Deutschland beobachteten bradsotartigen Erkrankungen der
Schafe mit der Piroplasmosis ovium identisch sind.
Die Abweichungen im Auftreten der Krankheit bei ver-
schiedenaltrigen Tieren und zu verschiedenen Jahreszeiten sind
nur scheinbare und lassen sich ungezwungen erklären. Vielleicht
wird die Übertragung der deutschen Piroplasmosis auch durch
Zecken geschehen. Daß aber Zecken im warmen Schafstalle —
Schafställe sind erfahrungsgemäß stets sehr warm — gut leben
und auch ihren Entwicklungsgang durchmachen können, ist
jedenfalls nicht unmöglich, vielmehr durchaus wahrscheinlich.
Zur Piroplasmosis der Schafe.
Von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Frosch und Reg.- u. Vet.-Rat Nevermann.
Gleichzeitig mit dem vorstehend abgedruckten Bericht
sandte Herr Tierarzt Sonnenberg dem Regierungsrat Never¬
mann ungefärbte Ausstrich-Präparate, die im Hygienischen
Institut der Tierärztlichen Hochschule mit Methylenblau und
nach Giernsa gefärbt wurden.
Die Besichtigung dieser Präparate ergab einen Befund,
der weitgehend an das Bestehen von Piroplasmose erinnerte.
Zahlreiche Blutkörperchen waren mit rundlichen Gebilden
durchsetzt, die nach Gestalt, Aussehen und Anordnung innerhalb
der roten Blutkörperchen Piroplasmen sehr ähnelten. Außerhalb
der Blutscheiben fehlten sie völlig*).
Der Umstand, daß sich in den übersandten Präparaten
bei der Giemsa-Färbung an diesen Gebilden Chromatin nicht
nacliweisen ließ, sowie gewisse Unterschiede in der Größe und
Anzahl der Körperchen in den einzelnen Blutscheiben veranlassen
uns jedoch, die endgültige Beurteilung des Befundes abhängig
zu machen von einer weiteren Untersuchung, mit der bereits
begonnen wird.
Zu den Erfahrungen in der Schutz- und Heilimpfung
mit polyvalentem Kälberruhrserum nach Ludwig
Wilhelm Gans-Frankfurt a. M., von Raebiger-
Habelschwerdt.
Von Stabsveterinär Dr. Goldbeck.
In Nr. 30 dieser Wochenschrift, Seite 523, berichtet Kollege
Raebiger über günstige Erfahrungen bei Kälberruhr durch
Impfung mit dem polyvalenten Kälberruhrserum nach Ludwig
Wilhelm Gans. Mir stehen in dieser Hinsicht ziemlich aus¬
giebige Erfahrungen zur Seite und ich habe in der Fachliteratur
wiederholt auf die günstigen Erfolge dieser Behandlungsmethode
hingewiesen, auch gegen den Mißbrauch, der mit „Thürpil“ noch
immer betrieben wird, mehrere Male Front gemacht. In dieser
Hinsicht gehe ich also mit dem Kollegen Raebiger durchaus
konform und halte seine Hinweise auf die Wirksamkeit dieses
Mittels für außerordentlich verdienstvoll. Die meisten Tierärzte
*) Abbildungen oder Photogramme der Präparate haben wir
bisher nicht fertigstellen können. Sic werden in der nächsten
Veröffentlichung mitgeliefert werden.
aber, die durchaus nicht gerade auf kleinlichem Standpunkte zu
stehen brauchen, werden ebenso wie ich überrascht sein, daß
Kollege Raebiger den Landwirten die Serumspritze gewisser¬
maßen in die Hand drückt und an sie Impfstoff abgibt. Wie
schwer es ist, einen großen Teil der Landwirte dazu zu bringen,
bei Bekämpfung der Tierseuchen allgemeine Desinfektions¬
maßregeln auch nur halbwegs gewissenhaft und gründlich
durchzuführen, ist bekannt. Die. Ausführung der gegebenen
Vorschriften läßt, wenn auch der gute Wille vorhanden
ist, fast stets zu wünschen übrig, so daß der gedachte
Zweck in den meisten Fällen nicht erreicht wird. Hierdurch
erklärt es sich zum Teil, daß Seuchen, wie Kälberruhr, die als
erloschen galten, immer wieder ausbrechen. Namentlich sind es
die kleineren Landwirte, die den Wert und die Schwierigkeit
der Desinfektion nicht einzusehen vermögen. Mir ist es nur bei
größeren Landwirten vorgekommen, daß dieselben bei herrschenden
Seuchen, z. B. Kälberruhr und ansteckendem Scheidenkatarrh,
damit einverstanden waren oder den Wunsch aussprachen, eine
strenge Desinfektion durch den Tierarzt selbst geleitet zu sehen.
Daß sich eine Desinfektion, auch nur eines mittelgroßen Stalles
von zirka 15 bis 20 Haupt, nicht für 3 bis 6 M. Kosten für
Arzneimittel durchführen läßt, werden kleinere Landwirte nur
selten begreifen. In vielen Fällen ist es ja entscheidend, wenn
es nur „recht riecht“. Meiner Überzeugung nach kann in dieser
und mancher anderen Hinsicht der Tierarzt nicht reichlich
genug wirken durch Belehrung, in verständlichem Tone gehalten
oder geschrieben.
Wie nun dergleichen unvorbereitete Personen nach einmaliger
Instruktion durch den Tierarzt mit Serumspritzen umgehen
mögen, wie und wo sie dieselben aufbewahren, ob und wo sie
die Nadel bezüglich die Einstichstelle reinigen und desinfizieren,
läßt sich leicht denken.
Eine bekannte Tatsache ist es nun, daß vielfach ländliches
Hilfspersonal, wie namentlich Stallschweizer, Schäfer usw. sich
für große Heilkünstler halten, die den Tierarzt mit scheelen
Augen betrachten. Ebenso bekannt ist es, daß der AngesteHte
vielfach die vom Tierarzt gegebenen Vorschriften in dessen Ab¬
wesenheit nicht ausführt, und statt der verordneten Arzneien
eigene Heilmittel verwendet. Bleiben nun die Tiere bei der
Anwendung letzterer am Leben, so machen sie, das heißt die
Angestellten, sich in ihren Kreisen über den Tierarzt lustig und
brüsten sich, die Sache besser zu verstehen. Diese Verhältnisse
sind jedem bekannt, der Gelegenheit hatte, längere Zeit auf dem
Lande zu leben und sich die Mühe nahm, die Verhältnisse durch
eigene Anschauung kennen zu lernen.
Es sollten aus den genannten Gründen die Tierärzte
Prozeduren, wie das Impfen, nicht aus der Hand geben, da im
anderen Fall der Landwirt leicht zu dem Glauben kommen muß,
daß auch das Impfen eine Kleinigkeit ist. Wohin soll es aber
schließlich kommen, wenn die Ausführung von Maßnahmen, die
den Tierärzten reserviert bleiben sollten, den Landwirten an¬
vertraut werden? Kann sich da Herr Kollege Raebiger noch
wundem, wenn wie aus Seite 337 der gleichen Nummer 30 der
„Berliner Tierärztlichen Wochenschrift“ ersichtlich, der Kur¬
pfuscher Ludwig den Schlundschnitt ausübt? Kann man sich
dann noch wundem, wenn Fabrikanten pharmazeutischer Produkte,
wie der des Pecuariol, direkt an die Landwirte herantreten und
ihnen ihre Erzeugnisse zum direkten Bezüge anpreisen, wenn
die Tierärzte, wie der Fall des Herrn Kollegen Raebiger lehrt,
27. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
611
mit der Abgabe der Serumspritzen und des Serums mit dem Beispiel
vorangehen? Ich glaube, daß die meisten Kollegen das Vor¬
gehen des Kollegen Raebiger nicht billigen werden, denn das¬
selbe trägt keineswegs dazu bei, das Ansehen der Praktiker
bei der Landbevölkerung zu heben.
Auch dem Ein wände, daß die Kosten für die tierärztlichen
Bemühungen in keinem ökonomischen Verhältnis zum Werte
des Kalbes stehen, kann man leicht entgegentreten. Es ent¬
scheidet hierbei nicht der Wert des einzelnen Kalbes, sondern
der dauernde und unverhältnismäßig große Verlust, der den
Landwirten durch den Tod fast aller Kälber zugefügt wird.
Unter den heutigen Verhältnissen ist die Tierzucht oder Tier¬
haltung für die gesamte Landwirtschaft die rentabelste Wirt¬
schaftsmethode. Ich habe es selbst gesehen, daß ein mittleres
Bauerngut zu sehr billigem Preise verkauft wurde, weil der
Besitzer, infolge der Kälberruhr, nicht mehr imstande war,
junges Vieh aufzuziehen, obgleich die gesamten landwirtschaft¬
lichen Verhältnisse auf die Viehproduktion zugespitzt waren.
Dem neuen Besitzer gelang es, unter tierärztlicher Hilfe und
durch Impfung mit polyvalentem Kälbermhrserum aller Kälber
durch den behandelnden Tierarzt (meiner Wenigkeit) dieser
Seuche Herr zu werden und hat mir wiederholt die Versicherung
abgegeben, daß erst jetzt seine Besitzung ihm Freude mache
und bedeutend an Wert gewonnen habe. Also nicht der Wert
des einzelnen Tieres kann entscheiden (obgleich auch wohl
nur selten der tierärztliche Besuch und die Impfung die Kosten
eines Kalbes auch nur annähernd erreichen), sondern die
Schädigung durch die Seuche selbst muß als Maßstab an¬
gesehen werden. Schließlich gibt es auch noch ein Mittel, um
dem Besitzer die Kosten außerordentlich gering zu gestalten,
wenn der Tierarzt sich das oder die neugeborenen Kälber zu
bestimmten Tages- oder Morgenstunden im geschlossenen Wagen
vor seine Tür bringen läßt und hier die Impfung vollzieht.
Jeder Landwirt, der den Erfolg des Verfahrens beobachtet hat,
wird sich dieser kleinen Mühe gern unterziehen, das Interesse
des Tierarztes wie des Besitzers ist streng gewahrt, und die
Erziehung von Pfuschern wird nach Möglichkeit vermieden.
Oer Impfstoff für Heilzwecke bei Schweineseuche
nach Ludwig Wilhelm Gans-Frankfurt am Main.
Von Raebiger-Habelschwerdt.
Die Wirkung dieser Heillymphe bei Schweineseuche beruht
auf ihrer ausgesprochenen Fähigkeit, den Organismus im Kampfe
gegen die Schweineseuche-Infektionen heilsam zu stärken. Ihre
Zusammensetzung ist das Ergebnis mehrjähriger, praktischer
und wissenschaftlicher Versuche auf Grund der Arbeiten von
Bail, R. Ostertag, A. Wassermann und J. Gitron über die
Angriffstoffe (Aggressine) der Bakterien, sowie von A. E. Wright
und Douglas über die Rolle bestimmter Schutzstoffe (Opsonine)
für die Heilung von chronisch und subakut verlaufenden In¬
fektionskrankheiten.
Dementsprechend soll diese Heillymphe folgende Eigen¬
schaften besitzen:
1. Soll sie im Körper Gegensubstanzen (Anti-Aggressine)
gegen die Angriffsstoffe (Aggressine) der Schweineseuche-Bak¬
terien bilden.
2. Soll sie bereits nach 24 Stunden ungemein stark die
normalen, aber infolge der Krankheit bei Kümmerern stets her¬
abgesetzten Schutzkörper (Opsonine) erhöhen, also damit die
Widerstandskraft des Tieres kräftigen (Erhöhung des opsoni-
nischen Index). Dies soll sich darin äußern, daß unter dem
Einflüsse der Heillymphe schon nach 1 bis 2 Tagen die weißen
Blutkörperchen weit mehr Schweineseuche-Bazillen auffressen
und unschädlich machen, als dies vorher der Fall war.
3. Soll die Heillymphe keimfrei sein, d. h. sie enthält
keine lebenden Schweineseuche-Bakterien, so daß mit ihrer An¬
wendung keinerlei Gefahr verbunden sein soll.
4. Soll sie derart zusammengesetzt sein, daß ihre günstige
Wirkung sofort eintritt. Die sonst an Impfungen sich an¬
schließende, gewöhnlich mehrere Tage anhaltende Reaktion, die
eine Herabsetzung des Allgemeinzustandes und der Widerstands¬
kraft zur Folge hat (negative Phase der Impfung), soll bei ihr
ausgeschaltet sein. Dadurch soll ein akuteres Aufflammen der
Infektion anschließend an die Heilimpfung ausgeschlossen werden.
Die Heillymphe ist gegen das Verderben gut konserviert
und behält bei kühler, jedoch frostfreier und dunkler Lagerung
mehrere Monat ihre volle Wirksamkeit.
Es können Tiere jeden Alters der Impfung unterzogen
werden. Der beste Erfolg soll erzielt werden, wenn gleich
nach dem Auftreten der ersten Krankheitszeichen der Seuche
der Impfstoff eingespritzt wird.
Im allgemeinen ist die Menge, die den Tieren ein gespritzt
werden soll, nach deren Größe und Schwere der Erkrankung
zu bemessen.
Im Durchschnitt erhalten
Schweine bis zu 10 kg 5 ccm,
„ „ * 25 kg 7—10 ccm,
„ „ „ 50 kg 10—12 ccm,
„ n „ 75 kg 12—15 ccm,
„ „ „ 100 kg 15—18 ccm,
„ „ „ 150 kg 18—20 ccm,
Schweine bis zu 200 kg und mehr Gewicht 30 ccm.
Tiere, die schon länger an der Schweineseuche leiden oder sehr
schwer erkrankt sind, müssen, wenn der Versuch zu ihrer
Heilung gemacht werden soll, einer wiederholten Nachimpfung
unterzogen werden! In einem jeden Falle, in dem trotz der
ersten Heilimpfung das Tier nicht eine auffallende, ständig
fortschreitende Besserung zeigt, ist die nochmalige Impfung des
Tieres angezeigt.
Der Impfstoff wird mittelst sterilisierter Spritze entweder
am Grunde der Ohrmuschel oder an der inneren Seite der
Hinterschenkel in der Höhe der Kniefalte nach vorheriger
Desinfektion der Impfstelle unter die Haut gespritzt. Bei
größeren Mengen ist der Impfstoff auf mehrere Stellen zu
verteilen.
Ich lasse nun nachfolgend einen sachlichen Bericht über
meine Versuche mit dem Impfstoff für Heilzwecke bei Schweine¬
seuche sprechen:
In einem Schweinebestande des Molkereibesitzers R. zu G.
herrschte seit ungefähr Jahresfrist die Schweineseuche, unter
den älteren Tieren chronisch, unter den jüngeren meist akut.
Ich impfte vor zirka einem Jahre diesen Bestand mit dem damals
gerade aufkommenden Suptol.
Dieser Impfung wurden einige 60 alte und junge Schweine
unterzogen; ich erzielte mit Suptol bei zirka 20 Proz. eine
vorübergehende, also Scheinheilungj bei 80 Proz. sah ich keinen
Erfolg. Ich hebe das besonders hervor, weil ich im Anfang
612
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
meiner Versuche mit Suptol bemerkenswert günstige Erfolge
hatte, ich habe mich aber leider in der Folge überzeugen
müssen, daß Impfungen mit Suptol bei Schweineseuche nicht
nennenswerte Erfolge zeitigen. Ich bezweifle auch ganz
erheblich, daß Suptol ein reines Bakterienpräparat ist, ich habe
häufig Niederschläge und Absonderungen in dem Präparat
gesehen, die den dringenden Verdacht rechtfertigen, daß Suptol
ein Heilmittel von medikamentöser Zusammensetzung ist. Doch
nun zurück zur Heillymphe nach L. W. Gans! Am 28. Mai des
Jahres impfte ich in dem genannten Bestände von 38 mit der
Seuche behafteten Ferkeln 32 Tiere, sechs Tiere blieben zur
Kontrolle ungeimpft stehen. Sämtliche Schweine zeigten die
typischen Krankheitserscheinungen der Schweineseuche in der
akuten Form.
Ich impfte 24 Tiere mit je 5 bis 8 ccm genau nach Vor¬
schrift. Diese Tiere besserten sich fast alle in zwei bis drei
Tagen, der Husten wurde bei erheblich gebessertem Allgemein¬
befinden am dritten und vierten Tage lockerer, am fünften und
sechsten Tage nach der Impfung husteten die Ferkel nur noch
selten, der noch schwach auftretende Husten wurde sichtbar
ohne Schmerzen ausgelöst. Die teilweise sehr verklebten Augen
wurden schon zwei Tage nach der Impfung klarer, um am
vierten Tage wieder normal zu sein. Freßlust und Allgemein¬
befinden dieser Impflinge hoben sich schon 24 Stunden nach der
Impfung ganz erheblich. Die bei den meisten Tieren recht
ausgedehnte Borkenbildung begann am vierten Tage zu schwinden,
um am zehnten Tage wieder einer beinahe glatten, reinen Haut
zu weichen. Diese 24 Schweine, die ich von der Impfung an
täglich zu untersuchen Gelegenheit hatte, konnte ich am 12. Juni
als gesund bezeichnen.
Die von den oben angeführten 32 Tieren Testierenden
8 Impflinge impfte ich erneut am 4. Juni, da die erste Impfung
nicht die gewünschte Besserung zeitigte, mit je 10 ccm der
Heillymphe. Diese Ferkel, von denen 6 recht hinfällig waren,
zeigten vom 6. Juni ab eine geringe, aber doch bemerkbare
Besserung, die zunächst nur in etwas gesteigerter Freßlust auf¬
trat. Vom 7. bis 12. Juni besserten sich der Husten, die
Lidhautentzündung, die Borkenbildung und damit das Allgemein¬
befinden in täglich sichtbar sich steigerndem Maße. Am 24. Juni,
bis zu welchem Tage ich diese Tiere fast täglich untersuchte,
konnte ich die 8 Schweine als geheilt betrachten. Die 6 un¬
geimpft gebliebenen Kontrolltiere waren in der Zeit bis zum
11. Juni verendet, ich habe jedes dieser 6 ungeimpften und ver¬
endeten Tiere geöffnet und durch die Sektion die Schweine¬
seuche zweifelsfrei festgestellt.
Am 29. Mai impfte ich zehn Schweine in ungefährem Gewicht
von je 50 Pfund mit je 10 ccm Heillymphe. Die Tiere waren
seit Wochen mit der Schweineseuche behaftet und befanden sich
bei einer sehr geringen Freßlust in einem elenden Ernährungs¬
zustände. Die Haut der Tiere war gänzlich mit Borken bedeckt,
die Augen waren verklebt. Der Gang dieser Tiere war taumelnd,
sie konnten sich nur noch mühsam fortbewegen. Am Nach¬
mittag des 30. Mai untersuchte ich die Impflinge, von denen
ein Tier am Vormittag desselben Tages verendet war. Durch
Sektion stellte ich auch an diesem Schwein zweifelsfrei die
Schweineseuche fest.
Das schlechte Befinden der Testierenden neun fand ich nur
wenig verändert, das Allgemeinbefinden eines Tieres schien
etwas gehoben. Ich injizierte abermals je 10 ccm Heillymphe.
Am 31. Mai stellte ich an einem inzwischen verendeten Schwein
durch Sektion die Schweineseuche fest. An den reBtierenden
acht fiel mir auf, daß der taumelnde und schwankende Gang
sich bedeutend gebessert hatte und sich die Tiere leichter
bewegen konnten. — Am 1. Juni konnte ich feststellen, daß
das Allgemeinbefinden der Tiere und ganz besonders die Fre߬
lust sich zusehends zu bessern begannen. — Am 2. Juni fand
ich Allgemeinbefinden und Freßlust wiederum um ein bedeutendes
besser. Am 3. Juni ist der taumelnde Gang einer fast normalen
Bewegung gewichen, die Impflinge fangen an, sich munterer
und frischer zu bewegen und liegen nur noch wenig in der Streu
herum. Am 5. Juni finde ich beginnende Reinigung der Haut,
die Entzündungserscheinungen der Lidbindehäute beginnen sich
zurückzubilden, doch husten die Tiere noch ziemlich häufig.
Es ist aber nicht zu verkennen, daß der Husten lockerer wird
und den Tieren nicht mehr so viel Schmerzen bereitet. Am
6. Juni finde ich die Schweine wieder erheblich gebessert, die
Augen sind nur noch wenig verklebt, die Borken sind sehr im
Schwinden begriffen, der Husten hat erheblich nachgelassen und
wird schmerzlos ausgelöst. — Am 10. Juni finde ich die Impf¬
linge mit ganz geringen Krankheitserscheinungen vor, — nach
Aussage des Besitzers husten die Tiere selten, ich selbst konnte
keinen Husten mehr feBtstellen, trotzdem ich sie ungefähr zwei
Minuten vor dem Stall umherjagen ließ, die Haut hatte sich
vollständig gereinigt, die Augen waren nur wenig verklebt,
nach Bericht des Besitzers sollten die Augen am Morgen noch
sehr verklebt sein. Der Ernährungszustand aller acht Impflinge
ist allerdings bei weitem noch nicht mal ein mäßiger zu nennen,
aber er beginnt sich zu heben. Am 14. Juni nehme ich aber¬
mals eine Untersuchung der Rekonvaleszenten vor, der Besitzer
sagt mir, er hätte die Tiere Beit zwei Tagen nicht mehr husten
hören, auch die Magd bestätigt diese Wahrnehmung. Darauf
lasse ich die Schweine ungefähr drei Minuten in ziemlich
schnellem Tempo in der Tummelbucht herumjagen, doch auch diese
Bewegung vermag keinen Husten auszulösen. Die Augen sind
vollkommen klar und gesund. Der Ernährungszustand ist ein
mittelmäßiger geworden, die Freßlust ist nach Aussage des
Besitzers seit drei Tagen über das normale Maß hinaus erhöht.
Die Tiere springen und tummeln sich gleich recht gesunden
Tieren in der Bucht.
Am 26. Juni habe ich diese 8 Stück nochmals besichtigt
und fand ihren Ernährungszustand direkt gut, es waren keinerlei
Anzeichen von der Schweineseuche zurückgeblieben, die ich
hätte klinisch feststellen können.
Am 2. August des Jahres wurde eins von diesen Tieren
geschlachtet, ich habe Gelegenheit genommen, dieses Schwein
nach der Schlachtung eingehend zu untersuchen, und keine
einzige krankhafte Veränderung des Fleisches oder der Organe
gefunden. —
Ich halte die Heillymphe bei Schweineseuche für ein
wirksames Heilmittel, das bei jungen Tieren und im Anfangs¬
stadium angewandt, sich als spezifisch heilwirkend bewähren
dürfte.
Doch auch in späteren Stadien angewandt, leistet die Heil¬
lymphe gute Dienste, denn ich konnte von zehn, sich im letzten
Stadium der Seuche befindlichen Schweinen, die bei Anwendung
jeder anderen bis jetzt zur Verfügung stehenden Impf- oder
Heilmethode zugrunde gegangen wären — 8 Tiere bei nur
27. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
613
zweimaliger Impfung von je 10 ccm der Heillymphe zweifelsfrei
von der Schweineseuche heilen.
Ich hoffe im Interesse der deutschen Schweinezucht, daß
weitere Versuche dieses günstige Resultat bestätigen weiden.
Zur Bekämpfung der Schweineseuche.
Von Tierarzt Wlllenberg-Gr.-Hartmannsdorf.
Der bei der Firma Ludwig Wilhelm Gans in Frankfurt
(Main) angestellte Tierarzt, Herr Weidlich, berührte bei
seinen diesjährigen Studienreisen auch den Bereich meiner
Praxis und nahm mit einigen größeren Schweinezüchtern
darüber Rücksprache, ob sie geneigt * seien, ihre verseuchten
Bestände einer kostenlosen Heilimpfung zur Verfügung zu stellen.
Nachdem sich die Firma Gans mit mir in Verbindung ge¬
setzt und mir das nötige Quantum (für ca. 45. M.) Heillymphe
gegen Schweineseuche zur Verfügung gestellt hatte, habe ich
die Impfungen an ca. 40 Tieren vorgenommen.
Die von mir geimpften Bestände waren seit langer Zeit
verseucht. Fast alle Tiere entwickelten sich bei quälendem
Husten und nässendem Hautausschlag sehr schlecht. Ich habe
Tiere gesehen, die während des Hustenanfalles erschöpft um¬
fielen. Die geimpften Tiere habe ich öfter kontrolliert, ein
Todesfall ist nicht eingetreten.
Schon 5—6 Tage nach der Impfung zeigten sich die
Tiere frischer und wurden reiner, d. h. der Hautausschlag heilte
sehr schnell ab. Von Tag zu Tag wurde der Husten lockerer,
so daß nach ca. 14 Tagen ein Hustenstoß genügte, um den
reichlichen Auswurf zu lösen, der allerdings abgeschluckt wurde.
Der Appetit bei den Impflingen wurde ausgezeichnet; kurz, ich
bin mit dem Impfresultat zufrieden gewesen und sage hiermit
der Firma L. W. Gans meinen Dank.
Aufblähen durch ein Tuberkel.
Von Dr. Goldberger-Krojanke.
I.
Am 6. April wurde ich'von dem Gutsbesitzer H. in D. zu
einer Kuh gerufen.
Vorbericht: Die Kuh bläht seit einiger Zeit, seit den letzten
Tagen täglich, auf. Trotz häufigen, zuletzt zweimal täglichen
Abholens der Gase mittelst Schlundröhre und eingehaltener Diät
hat sich der Zustand nicht geändert. In den letzten beiden
Tagen nahm die Kuli wenig Nahrung, Aufblähung trat aber
trotzdem ein. Die Kuh steht meist mit gekrümmtem Rücken.
Wiederkauen und Rülpsen wird gar nicht beobachtet.
Befund: Beim Eintritt in den Stall treffe ich die Kuh
liegend an. Kopf hoch, Blick munter. Beim Auftreiben stellt
sich die KHh sofort mit gekrümmtem Rücken hin. Pansen
mäßig tympanitisch aüfgetrieben. Herzschläge rein und deutlich.
Lungengeräusche beiderseitig normal. Puls und im After
gemessene Temperatur normal.
Diagnose: Indigestion.
Therapie: Salzsäure.
Am 9. April teilt mir Herr H. mit, daß er die Kuh soeben
schlachten lasse und bittet um sofortige Vornahme der Fleisch¬
beschau.
Bei meiner Ankunft erfahre ich, daß die Aufblähungen trotz
sehr geringer Futteraufnahme und vorschriftsmäßig angewandten
Medikamentes nieht nachgelassen hätten. Die Kuh hätte dauernd
wie ein Fiedelbogen dagestanden. Besitzer habe sich das Bild
nicht länger ansehen wollen und die Schlachtung vorgezogen.
Sektion: Die Exenteration der Bauchorgane ergibt nichts
Abnormes. Der Pansen ist durch fast geruchfreie Gase über¬
mäßig aufgetrieben und enthält wässerige Futtermassen. Beim
Herausnehmen der Brustorgane ergibt sich folgender Befund:
Zwischen den beiden Lungenflügeln liegt ein langer, ge¬
schwulstartiger Körper, den der schlachtende Schäfer für ein
zweites totes Herz anspricht. Hieraus ist schon die ungefähre
Form und besondere Größe dieser Bildung zu entnehmen.
Dieselbe zeigte die respektable Länge von 31 cm und einen
Durchmesser von 16 cm. Das Gebilde erwies sich als ein
enormes Tuberkel, welches sich durch die Entartung der Mittel¬
felldrüse zu dieser Größe entwickelt hatte. Dasselbe enthielt
grobkörnigen, dünnen Käse und war von einigen bindegewebigen
Trabekeln durchzogen. Die übrigen Lungendrüsen waren zwar
auch tuberkulös verändert, aber nicht sonderlich vergrößert.
Die Kehlgangslymphdrüsen waren, wie alle übrigen Drüsen des
Körpers, normal.
Es ist anzunehmen, daß das Tuberkel sich in der letzten
Zeit allmählich zu dieser Riesengröße entwickelt und auf den
unter ihm laufenden Schlund einen Druck ausgeübt hat, so daß
die Wiedergabe von Gasen verhindert wurde und ein permanenter
blähsüchtiger Zustand eintrat.
II.
Am 21. Juli, also schon nach drei Monaten, hatte ich
abermals Gelegenheit, denselben Fall festzustellen.
Der Domänenpächter J. in B. verkaufte an einen hiesigen
Fleischer eine schwere fünfjährige Kuh der holländischen Rasse,
weil sie ihm häufig aufblähte.
Die Fleischbeschau ergab eine starke tuberkulöse Ver¬
größerung der Mittelfelldrüse. Dieselbe hatte eine Länge von
14 cm und einen Durchmesser von 10 cm. Sämtliche Lungen-
driisen tuberkulös, im Lungenparenchym keinerlei Veränderungen.
In der linken Kehlgangslymphdrüse ein kleinerer Herd, alle
übrigen Drüsen und Organe des Tieres normal.
Auch in diesem Falle traten also die Aufblähungen ein
durch Druck der tuberkulösen, stark vergrößerten Mittelfelldrüse
auf den Schlund, wodurch die Wiedergabe von Gasen behindert
wurde. — Duplizität der Fälle!
Referate.
Geflügelkrankheiten und Geflügelzucht.
Zusammengestellt von Professor Dr. Schmidt.
(Vgl. Nr. 10 der B. T. W.)
Die Hebung der Nutzgeflügeizucht in Bayern
soll, wie in Nr. 14 der Wochenschrift für Tierheilkunde und
Viehzucht berichtet wird, mit erneuten Kräften angestrebt
werden. Durch die Abgeordneten Kanzler und Einhauser
wurde in der bayerischen Kammer der Antrag gestellt, es
möchte die Staatsregierung ersucht werden:
a) einen Landesgeflügelzucht-Inspektor anzustellen;
b) die Gründung von Lehr- und Musteranstalten für Geflügel¬
zucht bei den Landräten der einzelnen Kreise neuerdings
anzuregen und durch ergiebige Zuschüsse zu fördern;
c) bei staatlichen Ökonomiebetrieben (Strafanstalten, Ge¬
stüten usw.) Zuchtstationen und Mustergeflügelhöfe ein¬
zurichten. .T. Schmidt.
614
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
Über Hühnerpest mit besonderer Berücksichtigung der
pathologischen Anatomie.
Von Dr. Freese. Repetitor am hygienischen Institut der tierärztl.
Hochschule zu Hannover.
(Deutsche Tierärztl. Wochenschrift 1908. Nr. 18.)
In der Einleitung erwähnt der Verfasser, daß die von
Friedberger und Fröhner als der Hühnerpest eigentümlich
bezeichneten Symptome: Fehlen des Durchfalls und langsamerer
Verlauf als bei Geflügelcholera nicht den tatsächlichen Ver¬
hältnissen entsprechen. Es wäre richtiger zu sagen, daß bei der
Hühnerpest im allgemeinen seltener Durchfall auftritt als in der
Geflügelcholera. Ferner ist von mehreren Autoren, auch vom
Verfasser, beobachtet worden, daß die Hühnerpest höchst akut
verlaufen kann.
Über die pathologisch-anatomischen Veränderungen finden
sich zahlreiche widersprechende Angaben. Die meisten Sektionen
bei Hühnerpest hat in Deutschland jedenfalls Deppe rieh
ausgeführt. Der Verfasser gibt eine Übersicht über
die von Depperich prozentualisch zusammengestellten Haupt¬
veränderungen, aus denen hervorgeht, daß katarrhalische Ver¬
änderungen an den oberen Luftwegen, Gastroenteritis, Leber¬
und Nierenerkrankungen in 80—94 Proz. der Fälle beobachtet
werden.
Freese gibt nun in der vorliegenden Arbeit eine Be¬
schreibung der Veränderungen, die so gut wie in allen Fällen
bei Hühnerpest zugegen sind, nämlich 1. Blutungen verschiedener
Größe im Drüsenmagen. Diese Blutungen sind nach Freese
ebenso charakteristisch für die Hühnerpest wie die subepikar¬
dialen Blutungen bei der Geflügelcholera. Daneben finden sich
häufiger noch feine Blutungen im Fettgewebe am Muskelmagen
und am Gekrösansatz des Dünndarms und größerer Blutungen
unter der Kutikula des Muskelmagens. 2. Akute Schwellung
der Nieren, wobei die Nieren stark hervortreten und eine grau¬
braune Farbe haben. In den akuteren Fällen sind die Nieren
infolge des starken Blutgehaltes dunkelbraun und auf der Schnitt¬
fläche feucht. Bei Hühnern mit entwickeltem Eierstock findet
man 3. starke Blutfülle der Gefäße in der Serosa der Dotter¬
kugeln, wobei nicht selten die Blutungen bis in die Dottermasse
hineingehen. Wenig charakteristisch sind die Leberverände¬
rungen. Das Herzblut ist in der Regel gut geronnen.
Außer diesen Befunden hat Freese noch bei einer größeren
Anzahl von Hühnern Darmentzündung meist im Anfangsteil des
Dünndarmes (die Hälfte der Fälle), Exsudat in der Bauchhöhle
(ein Drittel der Fälle), Exsudat im Herzbeutel (weniger häufig)
gefunden. Dem Katarrh der oberen Luftwege und des Rachens
legt Freese keine besondere Wichtigkeit bei. Sonach weisen
nach Freese die Blutungen im Drüsenmagen, die
Schwellung der Nieren und die starke Blutfülle der
Gefäße in der Serosa der Dotterkugeln, nicht selten
verbunden mit Blutungen bei einerseuchenhaften Krankheit
der Hühner, mit Sicherheit auf das Vorhandensein von Hühner¬
pest hin. Weiter bespricht Freese noch die Differentialdiagnose
und die Übertragungsversuche und erwähnt, daß auch Gänse,
Sperlinge an Hühnerpest erkranken und verenden. Deshalb
wäre es besser statt Hühnerpest lieber Geflügelpest zu sagen
und die vereinzelt für Geflügelcholera angewandte Bezeichnung
„Geflügelpest“ in diesem Sinne nicht weiter zu gebrauchen.
Rdr.
Beitrag zur Kenntnis der Streptococcen-Krankheit
(Schlafkrankheit) der Hühner.
Von Veterinärrat Dr. L. 6reve in Oldenburg.
(Deutsche Tierärztl. Wochenschrift 1908. Nr. 15.)
Greve berichtet über die Sektionsergebnisse bei mehreren
Hühnern aus einem Bestände. In Blntausstrichpräparaten (Herz¬
blut), wie auch in einigen Fällen in der Flüssigkeit des Herz¬
beutels fänden sich mit glänzender Kapsel umgebene Strepto¬
coccen, die mit Erfolg auf Tauben und weiße Mäuse überimpft
wurden. Die Impftiere starben in den nächsten Tagen und es
konnten allemal die erwähnten Streptococcen nachgewiesen
werden. Nach den Sektionsbefunden und den im Blut Vor¬
gefundenen Streptococceü mußte die Krankheit als die von
Dammann undManegold beschriebene Schlafkrankheit bezeich¬
net werden, welche durch den Streptococcus capsulatus galli-
narum hervorgerufen wird. Greve macht zum Schluß darauf
aufmerksam, daß es dringend zu empfehlen ist, auch beim Ein¬
gehen einzelner Hühner in einem Bestände die Blutuntersuchung
vorzunehmen. Rdr.
Über Kolibakterienseptikämie bei Hühneru als
Transportkrankheit.
Von Dr. L. CI außen, Polizeitierarzt in Hamburg.
(Zeitschr. f. Infektionskr, paraa. Krankta. und Hy?, d. Haust. Bd. III. S. 69.)
Gelegentlich eines Hühnertransports waren tödliche Er¬
krankungen vorgekommen. Im Blut der verendeten Tiere fand
Claußen Kolibakterien in Reinkultur; andere Bakterien waren
nicht nachzuweisen. Es gelang Claußen, durch ausgedehnte
Versuche mit den mikrogezüchteten Bakterien dieselben Er¬
krankungen wieder hervorznrufen und so den Beweis zu erbringen,
daß das Kolibakterium in Wirklichkeit der Erreger dieser
Krankheit gewesen sein mußte. — Aus der Zusammenfassung
seien folgende Punkte herausgehoben: Das im Darm gesunder
Hühner vorkommende Bacterium coli besitzt die Fälligkeit, durch
besondere Umstände (Hunger, Durst, Erkältungen, Luftmangel
auf weiteren Transporten) virulent zu werden und eine seuchen¬
artige Erkrankung in Form einer Septikämie unter Hühnern
und sonstigem Geflügel hervorzurufen.
Künstlich läßt sich diese Virulenz durch mehrmaliges
Hindurchschicken aus dem Darm gesunder Hühner isolierter
Kolibakterien durch Kanarienvögel erzeugen.
Die durch Kolibakterien hervorgerufene Septikämie des
Geflügels ist keine unbedingt tödliche Krankheit. Selbst schwer
erkrankte Tiere können wieder genesen. Bei manchen Impf¬
versuchen betrug die Mortalitätsziffer ungefähr 50 Proz. —
Die Inkubationszeit betrug bei den Impfstoffen im Durchschnitt
12 Stunden. Die Koliseptikämie des Geflügels kann zur Ver¬
wechslung mit der Geflügelcholera führen. Ihre Hauptunter¬
schiede von letztgenannter Seuche bestehen in der abweichenden
Größe der Bakterien, der geringeren Virulenz derselben Tauben
gegenüber — Eintreten des Todes erst mehrere Tage nach der
Impfung — und dem relativ gutartigen Verlauf der Krankheit.
In allen zweifelhaften Fällen dürften jedoch Kulturversuche mit
den gefundenen Bakterien unerläßlich sein. Richter.
Hochgradige tuberkulöse Veränderungen bei einem
Huhn.
Von Assistent Volkmann-München.
(Wochenschrift fQr Tierheilkunde und Viehzucht, 52. Jahrg., Nr. 20.)
Volk mann nahm bei der Sektion eines Huhnes folgenden
Befund auf: Kadaver sehr abgemagert. An der Spitze des
27. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
615
linken Blinddarmes ist eine ca. hühnereigroße, harte, gelblich
gefärbte Neubildung vorhanden, deren Oberfläche von der Serosa
überzogen ist. Der Inhalt besteht aus käsiger Masse. Der
übrige Teil des Blinddarmes ist verdickt und dicht besetzt mit
hanfkorngroßen, gelben Tuberkeln. Das rechte Coecnm zeigt
normale Beschaffenheit. Am Vormagen sitzt eine gelbliche,
käsige Geschwulst von ungefähr Bohnengröße; die Magen¬
schleimhaut zeigt auf ihrer Oberfläche eine ebensogroße, käsig
zerfallene Geschwürsfläche. Die Gekröslymphdrüsen sind teil¬
weise tuberkulös hyperplasiert. In Leber, Milz und Lunge finden
sich vereiezelt Miliartuberkeln. J. Schmidt.
Phosphorvergiftnng bei Hübnern. Strychnin¬
vergiftung bei Enten.
(Veröffentlichungen ans den Jahres-Veterinär-Berichten der beamteten Tierärzte
Preuflens für das Jahr 1905. II. Teil, Berlin 1908.)
Im Kreise Bonn gingen zwei Hühnerbestände von 10 und
13 Stück in wenigen Tagen ein. Bei Öffnung des Kropfes und
Magens zeigte sich ein stechender Phosphorgeruch. In einigen
Fällen war sogar das Aufsteigen eines leichten Qualmes zu
bemerken. Die Leber, wie auch die Auskleidung des Magens
waren gelblich verfärbt.
Aus dem Kreise Halberstadt wird berichtet, daß auf einem
Gute an dem Flüßchen Holtemme plötzlich ein ganzer Enten¬
bestand von 8 Stück an Strychninvergiftung starb. Ein Nach¬
bar hatte mit Strychnin vergifteten Weizen in das Wasser
geworfen. Rdr.
Ist Sarcoptes mutans lebendig gebärend?
Von Dr. A. Hase.
(Naturwissensch. Wochenschr. 1907, Nr. 86; nach einem Ref. im Tierarzt,
47. Jahrg, Nr. 1.)
Der sogenannte veränderliche Hautgraber (Sarcoptes
mutans) findet sich in der Epidermis der Hühner und zwar mit
Vorliebe an den Extremitäten, woselbst dieser Parasit die be¬
kannten Hühnerkalkbeine verursacht, und zuweilen auch im
Kamm. Hase untersuchte zunächst die durch die chronische
Entzündung und den beständigen Hautreiz entstandenen
Krusten, nachdem sie in Alkohol gehärtet waren. Niemals.
fand er dabei freie Eier, sondern immer nur die sechsbeinigen
Larven. Bei der weiterhin vorgenommenen Untersuchung
trächtiger Weibchen sah Hase im Uterus Larven und Eier
in den verschiedensten Entwicklungsstadien. Es gelang ihm
auch, den Geburtsvorgang zu beobachten und wahrzunehmen,
daß die Larven frei beweglich ohne ihre Eihülle geboren
werden. Die Milbenweibchen sind demnach vivipar. Hierdurch
erklärt sich auch mühelos die große Übertragungsfähigkeit der
Räude. J. Schmidt.
Federlose Hübner.
(Die Mauser, langsame Befiederung der Kücken, Federfresser.)
(Dresdner Blätter für Geflügelzucht. 42. Jahrg. 1908, Nr. 26 u. 26.)
In dem Artikel wird empfohlen, den Hühnern vor und
während der Mauser, besonders wenn sie nur einen beschränkten
Auslauf haben, gutes und reichliches Futter zu geben. Der
Verfasser macht dann darauf aufmerkam, daß in Züchterkreisen
die Beobachtung gemacht worden ist, daß sich bei verschiedenen
Rassen (Cochinchina, Sangschau, Plymouth, Wyandotte) die
Befiederung der jungen Hähne langsamer und unvollkommener
vollzieht, als bei den Hennenkücken. Es scheint also das
Geschlecht nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung des Gefieders
zu sein. Es kann aber auch ein in seinem Wesen bis jetzt
noch unbekannter, krankhafter Zustand die langsame Befiederung
der jungen Tieren verursachen. Jedenfalls ist es ratsam, auch
den jungen Hühnern freien Auslauf und reichliches, nahrhaftes
Futter zu geben, denn andere und bessere Mittel stehen bis jetzt
gegen die langsame Befiederung der Kücken nicht zur Verfügung.
Besonders empfehlenswert ist bei langsamer Befiederung das
Füttern von Mehlwürmern, Ameiseneiern, Knochenschrot, Milch
und dergleichen. Daß durch Krankheiten und massenhaft vor¬
handene Federlinge auch die Federn an gewissen Körperteilen
ausfallen oder ein zerfressenes Aussehen erhalten, ist hinreichend
bekannt. In derartigen Fällen ist peinlichste Sauberkeit das
beste Vorbeuge- und Heilmittel. Tritt jedoch das Übel in
stärkerem Umfange auf, so leisten Staubbäder recht gute Dienste,
besonders wenn der trockenen Erde und dem Sande gestoßener
Schwefel und an der Luft zerfallener Kalk beigemischt wird.
Man kann auch das Gefieder mit Insektenpulver oder mit
Pedikulin einstäuben oder die befallenen Tiere in lauwarmem
Wasser baden, dem man etwas Anisöl zugesetzt hat.
Mitunter sieht man schon im zeitigen Frühjahr Hennen, die
am Rücken oder auf den Flügeln ganz kahl und federlos sind
oder an diesen Stellen nur noch abgebrochene Federstummeln
haben. Man beobachtet dies in der Regel da, wo ein feuriger
oder wohl auch zu schwerer Hahn zu wenig Hennen hat. Es
ist dann ratsam, den Hahn nur täglich einige Stunden zu den
Hühnern zu lassen.
Die Unart des Federfressens oder Ausrupfens wird nach
Meinung des Verfassers nur von den Hennen ausgeübt, fast nie
von Hähnen. Bei Hühnern, die großen, freien Auslauf haben,
soll die Untugend nicht Vorkommen. Der Verfasser ist demnach
geneigt, die Langeweile als Ursache anzunehmen. Es soll aber
auch das Füttern von rohem Fleisch schon die Kücken zu
Federfressern machen. Sie beschmutzen sich das Gefieder mit
dem rohen Fleisch, welches anklebt. Dann pieken sie sich
gegenseitig das angetrocknete Fleisch aus dem Gefieder, reißen
sich dabei auch die noch mit Blutkielen versehenen Federn aus
und gewöhnen sich so das FederfreBsen an.
Unter diesen Verhältnissen soll man lieber kein Fleisch,
sondern krümeliges Weichfutter geben. Hennen, die sich oder
den Hähnen die Federn ausziehen, soll man mit einem scharfen
Federmesser die hornige Spitze und die scharfen Ränder des
Oberschnabels bis auf die Weichteile, ohne jedoch diese zu
verletzen, beschneiden. Die Tiere sind dann nicht mehr imstande,
die Untugend zu betreiben. Allerdings wirkt die Maßregel nur
vorübergehend. Um den Tieren möglichst Beschäftigung zu
geben, streue man das Körnerfutter in Stroh oder in anderes
sauberes Streumaterial, auf den Laufplätzen werden die Körner
mit einem Rechen unter den Sand gerecht, damit die Tiere durch
das Ausscharren Zeitvertreib haben und möglichst wenig ihrer
Untugend fröhnen. Zuweilen hilft es auch, wenn man die mit
Unart behafteten Tiere auf einen fremden Hof bringt, wo sie
von den dort eingewöhnten Tieren in Respekt erhalten werden.
Zweckmäßig ist es auch, den Schlafraum so viel als möglich zu
verdunkeln, weil das Rupfen der Hähne durch die Hennen auch
nicht selten während des Sitzens auf den Sitzstangen geschieht.
Hennen, bei denen das Federfressen zur Leidenschaft geworden
ist, sind am zweckmäßigsten zu schlachten.
Rdr.
616
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 85.
Ansteckende Luftsackentzündung der Gänse.
Von Dr. G. Bugge-Kiel.
(Zeitschrift f. Infektionskr., paras Krankh. u. Hyg. d. Haust. Bd. III, 8. 470).
In einem Transport von 220 Gänsen russischer Herkunft
starben innerhalb 7 Tage 59 Stück. Die Tiere zeigten Durchfall,
Mattigkeit, gesträubtes Gefieder, Taumeln, beschleunigtes Atmen
unter Aufsperren des Schnabels; sie verendeten unter allgemeiner
Abgeschlagenheit oder ganz unerwartet. — Bei der Obduktion
ergab sich in der Hauptsache folgendes: Die Luftsäcke, be¬
sonders in der Brustbeingegend, sind von gelblicher Farbe, an
ihrer Oberfläche rauh, mit abziehbaren Häutchen bedeckt, an
der Innenfläche mit gelbweißen Massen überzogen. Gleiche Auf¬
lagerungen finden sich auf Leber, Milz, Darm, Herz, Herzbeutel,
Nieren und den serösen Häuten. In den seitlichen und hinteren
Partien der Lungen sind zahlreiche gelbe Knötchen vorhanden.
Die Auskleidung des Muskelmagens zeigt Stellen mit zerfressener
Oberfläche. Am Übergange des Drüsen- zum Muskelmagen be¬
finden sich braunrote Massen mit feinen, weißen, zwirnartigen
Rundwürmern. Dünndarm und Mastdarm weisen mehrfach
Schwellung und Rötung auf; in dem graugrünlichen Darminhalt
werden zahlreiche Wurmeier naeligewiesen. — Blutungen sind
am Herzen nicht vorhanden.
Die mikroskopische Untersuchung des Blutes läßt zwischen
den Blutkörperchen eine große Zahl von schlanken Stäbchen er¬
kennen, die etwas länger und dicker als der Rotlaufbazillus sind.
Die Gänse litten einerseits an einer allgemeinen
Infektion mit einer fibrinösen Entz ündung der Luft¬
säcke, der Lungen und der serösen Häute der Leibes¬
höhle. Andererseits beherbergten sie ausnahmslos in
der Schleimhaut ihres Muskelmagens große Mengen
von Magenwürmern (Dispharagus u*ncTnatus).
In verschiedenen weiteren Seuchenfällen konnte dasselbe
Sektionsbild und derselbe bakteriologische Befund erhoben
werden (auch von Borehmann und Langer).
Aus den Infektionsversuchen geht hervor, daß die schlanken
Bakterien im Blute als die Krankheitserreger anzusehen sind.
Von der Geflügelcholera unterscheidet sich die ansteckende
Luftsackentzündung der 'Gänse durch ihr ausschließliches
Vorkommen bei Gänsen. Differentialdiagnosiisch genügen
die klinischen Symptome nicht, dagegen läßt sich in den meisten
Fällen durch mehrere Sektionen eine Entscheidung treffen.
Bei häufigerem Vorkommen derartiger Einschleppungen durch
ausländische Transporte würden nach Btvgge veterinärpolizeiliche
Maßnahmen, ähnlich wie bei der Geflügelcholera, am Platze sein.
Richter.
Senchenartige Geflügel krankh eiten.
(Veröffentlichungen aus den Jahrcs-Veterinär-ßerichton der beamteten Tierarzte
Preußen* für das Jahr 1905. 11. Teil. Berlin 1908.)
Die Coccidienseuche trat sehr häufig unter dem Geflügel
im Kreise Johannisburg auf. In manchen Fällen starben die
Tiere massenhaft, in anderen Beständen starben die Hühner
nach und nach. Leber, Lungen und Nieren erwiesen sich bei
der Sektion mit Coccidienherden durchsetzt. Die Veränderungen
waren oft der Tuberkulose sehr ähnlich, so daß Verwechslungen
der chronischen Coccidiose mit Tuberkulose wohl möglich ist.
In einzelnen Gehöften tritt die Krankheit dauernd auf, so daß
dadurch die Geflügelhaltung dort in Frage gestellt wird.
Syngamus trachealis bei Jungen, 6 — 8 Wochen alten
F;tsanen wurde im Kreise Niederbarnim beobachtet. Die Tiere
gingen an Atemnot und Erstickung ein, denn die Luftröhre war
ganz mit den Parasiten ausgefüllt. Das Terrain, auf dem die
Fasanerie eingerichtet war, war moorig und feucht.
Seuchenartige Krankheit der Gänse. Im August 1905 trat
im Kreise Neidenburg in einer Herde von 120 Stück Gänsen
eine Massenerkrankung ein, die auf Einwirkung einer Futter¬
schädlichkeit zurückgeführt wurde, denn die Krankheit hörte
auf, als die Gänse im Stalle gehalten und mit gesundem Hafer
gefüttert wurden. Die Krankheit zeichnet sich durch fort¬
schreitende Lähmung aus und führt nach 5—8 Tagen zum Tode.
Zunächst bestand Verstopfung, dann folgte Durchfall. Die Augen¬
lider, meistens nur eines Auges, waren durch schleimig-eiteriges
Sekret verklebt. Sektion, mikroskopische Untersuchung und
diagnostische Impfung blieben resultatlos.
Eine ruhrätinliche Krankheit trat im Kreise Kammin unter
den jungen Gänsen auf. Sie grassierte bereits im Jahre
vorher. Die Krankheit äußerte sich durch Schlafsucht und
Lähmungserscheinungen, schwankenden Gang und Lähmung der
Flügel. Dabei bestand ruhrartiger, mit Schaum vermischter
diarrhöi8cher Abgang von Kot und hochgradiges Durstgefühl.
Der Tod trat in zwei bis drei Tagen ein. Die Sektion ergab
starke Anämie sämtlicher Organe, katarrhalische Veränderung
der Darmschleimhaut, fibrinöse Peritonitis und Pleuritis.
Eine ähnliche Krankheit wurde auch im Kreise Kolberg
unter den jungen Gänsen und Enten beobachtet. Im hygienischen
Institut der Berliner Tierärztlichen Hochschule wurde festgestellt,
daß das Sterben durch einen kleinen blutsaugenden Rundwurm
verursacht wurde, der im Darmkanal massenhaft schmarotzend
vorkam und aus den Teichen des betreffenden Gutes von den
Tieren aufgenommen war. Die Tiere magerten ab und gingen
unter 'Lähmungsersclieinungen in vier bis acht Tagen zugrunde.
Die Erkrankungen hörten auf, als die Teiche gemieden wurden.
Entenerkrankung durch Tropidocerca fissispina. Auf einem
Gute im Kreise Breslau starben seit Jahren die jungen
Enten. Zugekaufte ältere Enten blieben gesund. Bei der
Sektion fanden sich übereinstimmend gesell würige Ver¬
änderungen am Drüsenmagen. Diese Geschwüre waren durch
eine mit Haken auf ihrer Oberfläche versehene Filarienart
(Tropidocerca fissispina) verursacht. Über den Entwicklungs¬
gang der Parasiten und über die Infektion der Enten wird
folgendes berichtet: Die Larven dieser Nematoden befinden sich
in kleinen Krebsen (Daphnia pulex), die im Wasser kleiner
Teiche leben. Sie nehmen mit Vorliebe die Exkremente erkrankter
Enten auf, in denen sich die Embryonen in Menge vorfinden.
Diese gelangen in den Darm, durchbohren die Wand und wachsen
in der Leibeshöhle zu Larven an. Von den Enten werden dann
die Daphnien mit den Filarienlarven als Nahrung aufgenommen,
diese werden im Vormagen frei, die jungen Würmer bohren sich
in der Magenwand fest und erzeugen die Knoten, die später
geschwürig zerfallen. Da eine Generation der Krebse drei bis
vier Monate lebt und mit ihnen die Larven zugrunde gehen,
müssen die Enten so lange vom Teiche ferngehalten werden, auch
die alten, die der Krankheit zwar nicht erliegen, aber die
Daphnien aufs neue infizieren können. Rdr.
Pleuro-Peritonitis des Geflügels.
Von Guittard.
(Le I'rogrtM vßtör., Jan. 1908, Ref. in Nr. 0 d. Wocbenachr. f, Tierhlk. u. Viehzucht, 1908.)
Nach des Verfassers Angaben sind Erkrankungen der
serösen Häute mit vorwiegend pseudomembranösem Charakter
27. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT
617
beim Geflügel nicht selten. Sie endigen in der Regel nach
ca. 15 Tagen letal. Die ersten Erscheinungen sind Traurigkeit,
verminderter Appetit, verzögerte Verdauung, Kropfkatarrh, nach
einigen Tagen Hinfälligkeit und Schwäche, angestrengte
Atmung. Profuse wäßrige Diarrhöen gehen dem Tode vorauf.
Bei der Sektion findet man in den Körperhöhlen fest¬
anliegende, gelbe Pseudomembranen, die auf den oberflächlichen
Beobachter den Eindruck von Fettmassen machen. Hinsichtlich
der Ätiologie möchte man an die Einwirkung von Infektions¬
stoffen denken. Positive Wahrnehmungen auf diesem Gebiete
vermag aber Guittard nicht mitzuteilen.
Für die Therapie ist es vorteilhaft, die schädigende kalte
Zugluft von dem Geflügel abznhalten. Des öfteren sind In¬
halationen mit aromatischen und antiseptischen Mitteln vor¬
zunehmen. Schließlich empfiehlt Guittard noch, eine Des¬
infektion des Körnerfutters zu bewirken. Zu diesem Zweck
werden 2,0 Salizylsäure in etwas Äther gelöst, sodann mit
20,0 Karbolsäure vermengt und einem Liter Tee hinzugegossen.
In dieser Flüssigkeit soll das Futter mazerieren, um sodann
verabreicht zu werden. J. Schmidt.
Die infektiöse Nekrose bei den Kanarienvögeln.
Von Dr. Mießner und Pr. Schern-Bromberg.
(Archiv für wissenschaftliche und praktische Tierheilkunde, 2. Heft, 31. Rand.)
In einem Bestände von ca. 800 Kanarienvögeln trat Ende 1906
eine Epizootie auf, welche große Verheerungen anrichtete. Die
klinischen Erscheinungen bestanden in Abstumpfung, Appetit¬
störung und Nichtsingen. Nach drei bis vier Tagen trat der
Tod ein. Die Seuche schien durch einen aus Magdeburg
stammenden Transport eingeschleppt zu sein. Die Sektion
ergab in jedem Falle Abmagerung, Veränderung in Leber und
Milz, sowie diphtherische Erkrankungen der Rachenschleimhaut,
seltener waren dagegen die Lungen erkrankt. Der Spezial¬
befund war folgender: Schwellung der Leber, unter dem
serösen. Überzug zahlreiche Stecknadelkopf- bis hirsekorngroße
gelblichweiße Knötchen von rundlicher oder unregelmäßiger
Form und derber, lederartiger Konsistenz. Beim Durchschneiden
der Knötchen fanden die Verfasser ein homogenes Zentrum und
eine graue, durchscheinende periphere Zone. Die wurstförmig
geschwollene Milz besitzt rosarote Farbe und einen durch das
Vorhandensein zahlreicher Knötchen bedingte hügelige Ober¬
fläche. Dis Konsistenz des genannten Organs ist brüchig, das
Aussehen erinnert an Tuberkulose. Die Knoten sind genau wie
die der Leber beschaffen. Die Rachenschleimhaut besitzt
gelbe, unregelmäßig gestaltete Herde, welche 172—2 mm groß
sind. Diese Beläge lassen sich mit der Pinzette von ihrer
Unterlage abheben und hinterlassen danach in dieser eine gegen
die Umgebung zackig abgegrenzte Vertiefung, deren Wände
und Grund uneben begrenzt sind. Die retropharyngealen Lympli-
drüsen sind stecknadelkopfgroß und dunkelrot gefärbt.
Stets konnten von Mießner und Schern in der Leber
und Milz, niemals im Blute, kurze, plumpe Bakterien nach¬
gewiesen werden, welche sich besonders mit Löfflers Methylen¬
blau an den Enden nicht gut färbten. Aus der histologischen
Untersuchung ergab sich, daß die Knoten durch Ansammlung
von Bakterien und deren Einwirkung auf das Gewebe entstanden
waren. Auf feste Nährböden überimpft, bildeten die Bakterien
einen grauweißen, unregelmäßigen, glänzenden, schmierigen Belag.
In Agar- und Gelatinestichkulturen entstand sehr charakteristisch
ein feiner grauweißer Faden mit seitlich abgehenden kleinen
Nadeln und Tröpfchen. Plattenkulturen wiesen feuchte, un¬
durchsichtige, runde, scharf begrenzte Kolonien auf, die gekörnt
aussahen, und deren Zentrum dunkler als die Peripherie war.
Die Ergebnisse von Impfungsversuchen bestanden darin,
daß die betreffenden Kanarienvögel nach subkutaner Injektion,
nach Aufträgen von Reinkulturen auf die Rachenschleimhaut,
nach Verfütterung usw. an typischer Leber-Milznekrose ein¬
gingen. Die Geflügeldiphtherie hat mit der in Rede stehenden
Krankheit nichts zu tun. Die Übertragungs versuche der
Kanarienvogelnekrosebazillen auf andere Tiere (Tauben, Hühner,
Kaninchen, Meerschweinchen, weiße Mäuse) waren im großen
und ganzen von negativem Erfolg begleitet. Die Verfasser
fassen die beschriebene Krankheit als besondere typische Seuche
auf und neunen sie: „Die infektiöse Nekrose bei den Kanarien¬
vögeln.“ Für den Erreger schlagen sie den Namen: Bacillus
canariensis necrophorus vor. J. Schmidt.
Untersuchungen Aber eine Kanarienvogelseuche.
Von Prof. Dr. Zwick.
(Zeilsclir. f. Infektionnkr., paras. Krankh. u. Hygiene der Hauet. Bd. 4, 8. 33.)
Zwick konnte die Leichen von drei Kanarienvögeln aus
einer durch eine Seuche aufgeriebenen Zucht untersuchen. Der
übereinstimmende Befund der Sektionen war in der Hauptsache:
Durch den Leberüberzug schimmerten viele graugelbe miliare
und größere, die Oberfläche der Leber leicht überragende
Knötchen. Die erheblich geschwollene Milz enthielt unzählige
solche bis stecknadelkopfgroße, verkästen Tuberkeln ähnliche
Knötchen. An den übrigen Organen waren keine Veränderungen
wahrnehmbar. — Die in Milz und Leber eingelagerten Knötchen
bestanden aus Bakterienknäueln und nekrotischem Gewebe. Mit
Gentianavioleit gefärbte Ausstriche aus Herzblut, Milz und Leber
zeigten durchschnittlich 2 /< lange, 72 P dicke Stäbchen mit ab¬
gerundeten Enden und intensiverer Polfärbung. Die Bazillen
erwiesen sich gegenüber der Gram sehen Färbung negativ und
waren unbeweglich.
Durch subkutane Verimpfung der Reinkultur konnte die
Krankheit auf Kanarienvögel übertragen werden; Fütterungs¬
versuche bei Sperlingen fielen positiv aus. — Die Krankheits¬
erscheinungen traten schon am ersten oder zweiten Tage auf.
Die Tiere verloren an Munterkeit, saßen teilweise im Käfig,
verließen die Sitzstange, konnten sich nur mühsam auf den
Beinen halten, blähten sich auf und atmeten sehr angestrengt.
In der Regel versagten sie auch das Futter, bei einzelnen war
Durchfall bemerkbar. Innerhalb 3—6 Tagen führte die Krank¬
heit zum Tode.
Nach Maßgabe der bis jetzt vorliegenden eingehenderen
Veröffentlichungen über infektiöse Krankheiten bei Kanarien¬
vögeln hätte man deren fünf zu kennen, nämlich die Riecksche
Seuche, die Kern sehe Kanariencholera, die von Freese, ferner
die von Joest und endlich die von v. Wasielewski und Hof¬
mann, Pfaff und die von Zwick beschriebene, v. Wasielewski
und Hof mann rechnen ihren Bazillus der Gruppe der hämor¬
rhagischen Septikämie zu, also einem Formenkreis von Bakterien,
als deren Hauptmerkmale die bipolare Färbung, das gramnegative
Verhalten, die Unbeweglichkeit, der Mangel an Sporenbildung
und das Unvermögen, Gelatine zu verflüssigen, gelten. Alle
diese Attribute kennzeichnen auclr das von Zwick gefundene
Stäbchen, weshalb er es ebenfalls jener Gruppe zuweist.
Rieh A«r..
618
Das Gehörorgan und die Sprechwerkzeuge der
Papageien.
Von A. Denker.
(Nach einem Referat in „Der Tierarzt“, 17. Jabrg., Nr. 5.)
Wesentliche Unterschiede zwischen dem Papageienohr und
dem Hörorgan der übrigen Vögel finden sich nicht, nur wird die
Macula neglecta vermißt. In der Basilarmembran sind ver¬
schieden lange elastische Fasern ausgespannt, die wie ein
mechanischer Hilfsapparat wirken, dessen einzelne Saiten beim
Erklingen eines Tones mitschwingen. Nicht bloß der Papagei,
sondern auch die übrigen Vögel sind imstande, die menschliche
Stimme zu hören.
Die Fähigkeit des Papageien, die Stimme des Menschen
nachzuahmen, ist nicht im Bau des Kehlkopfes zu suchen, denn
letzterer ist auch bei den anderen Vögeln nicht erheblich anders
gestaltet. Die genannte Fähigkeit wird bedingt durch die starke
Auswölbung der Mund- und der Rachenhöhle und ferner auch
durch die besondere Ausbildung und reiche Entwicklung der
Zungenmuskulatur. J. Schmidt.
Tagesgeschlchte.
Protokoll der 42. Generalversammlung
des tierärztlichen Provinzialvereins für Posen.
Posen, Mylius-Hotel, 24. Mai 1908.
Anwesend waren: a) Mitglieder: Departementstierarzt
Veterinärrat Heyne-Posen, Departementstierarzt Veterinärrat
Peters - Bromberg, Kreistierarzt Veterinärrat Roskowski-
Fraustadt, Dr. Mießner, Vorsteher der tierhygienischen Ab¬
teilung des Kaiser Wilhelm-Instituts, Broinberg* Kreistierarzt
Huth-Sarne, Kreistierarzt B am bau er-Schmiegel, Kreistierarzt
Ukley-Schildberg, Tierarzt Dr. Heinick-Pudewitz, Kreistierarzt
Hoffheinz-Zabikowo, Schlachthausdirektor Steinbach-Brom¬
berg, Polizeitierarzt Lottermoser - Bromberg, Kreistierarzt
Fredricli-Kruschwitz, Kreistierarzt Kettritz-Mogilno, Kreis¬
tierarzt Elschner-Wreschen, Kreistierarzt Schwanke - Birn¬
baum, Kreistierarzt Has sei mann-Neutomischel, Sanitätstierarzt
Peters - Posen, Kreistierarzt Lange-Jarotschin, Oberstabs-
veterinftr a. D. Kunze-Posen, Kreistierarzt Bauer-Obornik,
Kreistierarzt Jakobi - Pieschen, Zuchtdirektor Marks-Posen,
Kreistierarzt Wagner-Hohensalza, Kreistierarzt Brunuenberg-
Znin, Tierarzt Zyto-Wnsehen, Tierarzt Schweigert-Hohen-
salza, Schlachthausdirektor Voigt - Strelno, Sanitätstierarzt
Goroncy-Posen, Kreistierarzt Schlieper-Kosten, Kreistierarzt
B r u e h n - Opalenitza, Kreistierarzt B o t h - Schrimm, Tierarzt
Sonnenburg-Schlehen, Kreistierarzt Bauer-Samter, Kreis¬
tierarzt Wodarg-Kroto8chin, Oberveterinär a. D. Raupach-
Unruhstadt, Tierarzt Polo ms ki-Kosten, Sanitätstierarzt Hoppe-
Samt er, Tierarzt Kunze-Murowana-Goslin, Tierarzt Kukla-
Bintschen, Sanitätstierarzt Dr. Magdeburg-Posen, Kreistierarzt
Veterinärrat Sch ick-Wollstein, Kreistierarzt Kriiger-Wittkowo,
Kreistierarzt Dr. Bart eis-Posen, Tierarzt Dr. Mai-Zerkau,
Tierarzt Dr. Krembzow-Neustadt bei Pinne;
b) Gäste: Kreistierarzt Stöcker-Lüben, Oberstabsveterinäre
Wilde-Posen und Kammerhoff-Posen, Ober veterinär Schulz-
Posen, Oberveterinär Wie che rt-Posen und Unterveterinär
Dr. Ammelounx-Posen.
Der Vorsitzende des Vereins, Herr Veterinärrat Heyne-
Posen eröffnete um 1IV 2 Uhr die Sitzung, indem er zunächst in
No. 35.
kurzer, markiger Rede den Kaisertoast ausbrachte. Nach
Begrüßung der anwesenden Gäste und Mitglieder wurde sofort
in die Verhandlungen gemäß der Tagesordnung eingetreten.
1. Der bisherige Schriftführer des Vereins, Kreistierarzt
Prieur-Jarot8chin ist infolge Versetzung nach Berlin nicht mehr
imstande, das Amt eines Schriftführers zu versehen. Der Vor¬
sitzende betonte die Verdienste des Kollegen um die Schrift¬
leitung im Verein und sprach sein lebhaftes Bedauern über das
Scheiden des Kollegen Prieur aus unserem engeren Kreise aus.
Zu Ehren Prieure erheben sich alle Anwesenden von den
Sitzen.
Für die heutige Sitzung wurde der Kreistierarzt Dr. Bartels-
Posen mit der Schriftführung beauftragt.
Seitens der tierärztlichen Gesellschaft zu Berlin wurden
folgende Beschlüsse zur Kenntnisnahme und Äußerung dem
Vereine unterbreitet:
1. Die tierärztliche Gesellschaft zu Berlin erblickt in der
Überwachung des Marktverkehrs mit animalischen. Nahrungs¬
mitteln einschließlich der ordentlichen Fleischbeschau eine
dringende Aufgabe der öffentlichen Gesundheitspflege.
II. Zu ihrer technischen Ausführung sind mit Rücksicht auf
den Ursprung dieser Nahrungsmittel an erster Stelle Tierärzte
berufen.
III. Zwecks einheitlicher und wirksamer Durchführung hält
die Gesellschaft die Einführung der animalischen Nahrungsmittel¬
kunde einschließlich der außerordentlichen Fleischbeschau, sowie
der Auslandsfieischbeschau als besonderen Lehrgegenstand der
tierärztlichen Hochschulen für ein zeitgemäßes und dringendes
Bedürfnis. Die Versammlung erklärte einstimmig ihr Ein¬
verständnis mit den vorstehenden Thesen; der tierärztlichen
Gesellschaft zu Berlin wird hiervon Kenntnis gegeben werden.
Eine Einladung der „Deutschen Naturforscher und Ärzte“
zur Teilnahme an der 80. Versammlung in Köln am 20. bis
26. September d. J. wurde den Anwesenden bekannt gegeben.
2. Der Rendant des Vereins, Herr Veterinärrat Roskowski,
erstattete darauf den Kassenbericht über das verflossene Jahr.
Nach Prüfung der Rechnungslegung durch die Kreistierftrzte
Bambauer-Sehmiegel und Elschner-Wreschen wurde dem
Kassenführer Entlastung erteilt.
3. Sodann erhielt Herr Dr. Mießner-Bromberg das Wort
zu seinem Vortrage: „Opsonine und Bakteriotropine, sowie ihre
Bedeutung für die Veterinärmedizin“:
Opsonine nnd Bakteriotropine, sowie ihre Bedeutung
für die Veterinärmedizin.
Vortrag von Dr. Miesner-Bromberg.
Denys und Leclef hatten bereits im Jahre 1895 bewiesen,
daß die Immunsera gegen Pneuma- und Streptokokken bakterizider
Körper entbehren, dagegen eine Substanz erhalten, welche auf
das zugehörige Bakterium so einwirkt, daß dieses den Leukozyten
zum Opfer fällt. ES mußten demnach neben den Immunkörpern
Stoffe bestehen, die die Phagozytose zu steigern imstande sind.
Es ist das Verdienst von Wright und Douglas, diese
Substanzen für Normalsera und von Neufeld und Rimpan für
Immunsera weiter untersucht zu haben. Es schien hiermit die
Metschnikoffsche Phagozytenlehre wieder an Boden zu ge¬
winnen und Leishman, der dies Symptom zuerst beobachtet hat,
ließ die Phagozyten im Sinne der Stimuline Metschnikoffs zur
Phagozytose angeregt werden. Neufeld und Rimpan haben
1 zuerst durch den Ehrlich Morgenrothschen Bindungsversuch
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
27. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
G19
den Beweis erbracht, daß die im Serum enthaltenen stimulieren¬
den Substanzen nicht auf die Leukozyten wirkten, sondern auf
die Bakterien. Die Bakterien werden durch das Serum zur Auf¬
nahme, zum Schmause, vorbereitet. Wright nannte diese
Substanzen Opsonine und Neufeld Bakteriotropine. Der
letztere Name soll andeuten, daß unter dem Einfluß des Serums
eine Umwandlung oder Umstimmung der Bakterien stattfindet,
als deren Ausdruck die Phagozytose beobachtet wird.
Durch die Versuche Neufelds war mit einem Schlage die
Theorie Metschnikoffs von der Stimulierung des Phagozyten
widerlegt und der Vorgang des Bakteriotropismus im Sinne der
Ehrl ich sch en Seitenkettentheorie erklärt, nach der durch
Immunisierung mit Bakterien im Serum stets nur solche Körper
gebildet werden, die wieder auf Bakterien wirken.
Wright bezeichnet die Eigenschaft des Serums, die Bakterien
für die Phagozytose vorzabereiten, als obsonischer Index;
durch Zählung der von den Leukozyten gefressenen Bakterien
erhält man den phagozytären Index und der Quotient aus
dem phagozytären Index des zu untersuchenden Serums und aus
dem phagozytären Index eines normalen Schweines ist gleich
dem opsonischen Index des Serums. Wright fand ferner, daß
der opsonische Index eines Immunserums höher ist, als der¬
jenige eines normalen Serums und gründet speziell hierauf seine
therapeutischen Eingriffe. Die Untersuchungen Wrights haben
ergeben, daß man bei Kranken den opsonischen Index dadurch
erhöhen kann, daß man ihnen die die Krankheit verursachenden
Bakterien im abgetöteten Zustande unter die Haut spritzt. Mit
Hilfe dieser Methode will Wright großartige Heilerfolge bei
Krankheiten, die bis jetzt jeder Behandlung trotzten, erzielt
haben. Besonders werden angeführt Furunkulose und andere
chronische durch Coccen veranlaßte Hautleiden, aber auch
pyämische und septikämische Prozesse sind zum Stillstand ge¬
bracht und dadurch das Leben der Patienten gerettet. Auch
schwere Fälle von Tuberkulose sollen geheilt worden sein. Die
Methode besteht darin, daß die möglichst aus dem Körper des
Patienten gezüchteten Bakterien bei 60° abgetötet werden und
dann in bestimmten Zwischenräumen unter genauer Beobachtung
des opsonischen Index eingespritzt werden.
Wright glaubt aber diese Methode nicht nur zu thera¬
peutischen sondern auch zu diagnostischen Zwecken benutzen
zu können, speziell bei der Tuberkulose. Viele Untersuchungen
haben ergeben, daß der opsonische Index bei lokaler Tuberkulose
abnorm niedrig ist, weil hier eine Abgabe von Bakterien in die
Blutbahn nicht erfolgt. Der Index schwankt zwischen hoch und
niedrig bei allgemeiner Tuberkulose, weil hier das Blut infolge
der fortwährenden Autoinokulation dauernd Gelegenheit hat,
Bakterien aufzunehmen. Solcher Aufnahme folgt stets ein Steigen
und dann ein Fallen des Index.
Nach den neueren Arbeiten Neufelds sind die
Bakteriotropien nicht identisch mit den Opsoninen.
Sie unterscheiden sich einmal dadurch, daß die Opsonine auch
in normalen Seris Vorkommen, während die Bakteriotropine erst
in den Immunseris gebildet werden. Vor allem aber sind die
Opsonine thermolabil und die Bakteriotropine thermo¬
stabil. Hierin liegt eine so weitgehende Differenz, daß an
eine Einheit der Opsonine und Bakteriotropine, wie von vielen
Autoren angenommen wird, nicht zu denken ist, die Opsonine
von Wright und Douglas sind auch nicht neue Körper, sondern
sie entstehen durch Zusammenwirken von Normalambo¬
zeptoren und Komplementen, von denselben Stoffen, die auch
bei den Bakteriolysis tätig sind. Bei den bakteriotropen Vor¬
gängen sind weder Ambozeptor noch Komplement beteiligt. Es
stellen Bakteriotropine völlig neue thermostabile Körper dar,
die nichts mit der Bakteriolysis zu tun haben.
Was die Heilerfolge Wrights anbetrifft, so sollen diese
nicht bezweifelt werden, es ist aber fraglich, ob die Heilung
der Vermehrung der Opsonine zuzuschreiben ist. Berücksichtigt
man ferner die außerordentliche komplizierte Methode, so haben
die Wright8clien Beobachtungen für die Praxis wenig Bedeutung,
dagegen sind sie imstande, unsere serologischen Kenntnisse viel¬
seitig zu erweitern und zu neuen Studien anzuregen.
Eine Diskussion fand über diesen Gegenstand nicht statt.
Nachdem der Vorsitzende dem Referenten für seine hochinter¬
essanten und lehrreichen Ausführungen den Dank der Versammlung
abgestattet hatte, folgte 4. der 2. Vortrag der Tagesordnung:
„Die Bekämpfung der Trichinenkrankheit der Schweine durch
Vernichtung der Ratten mittelst Ratin“, zu welchem dem Kreis¬
tierarzt Dr. Bartel8-Posen das Wort erteilt wurde.
Die Trichinenkrankheit der Schweine nnd ihre Be¬
kämpfung durch Vernichtung der Batten mittelst Ratin.
Vortrag von Kreistierarzt Dr. Bartels.
Meine Herren! Der Kampf gegen die Trichinosis des
Menschen ist nahezu so alt als unsere Kenntnis über die Ursache
dieser Krankheit reicht. Nachdem die Trichine schon 1835 von
Paget und Own gesehen war, erfolgte erst zirka 25 Jahre
später die Feststellung des Zusammenhanges der Trichine mit
der Trichinosis und der eminent wichtigen sanitätspolizeilichen
Bedeutung dieser Krankheit durch die Beobachtungen von
Zenker in Dresden und den gleichzeitig damit einhergehenden
experimentellen Untersuchungen von Leuckert und Virchow.
Die bald darauf beobachteten zum Teil furchtbaren Trichinen¬
epidemien zu Hettstädt 1863/64, Hedersleben 1865, Linden 1874
führten schnell in Preußen zur Einführung der obligatorischen
Trichinenschau für Schweine, welche Ende der siebziger Jahre
überall durchgeführt ist.
Vergleichende statistische Untersuchungen ergeben, daß die
Trichinenkrankheit beim Menschen seit Einführung der Trichinen¬
schau selten geworden ist, und daß, wenn Bie zur Beobachtung
gelangt, in der Regel die schlachtenden Besitzer die Schweine
der Beschau hinterzogen haben. Ich erinnere nur an den
kürzlich aus einem Dorfe Ostpreußens berichteten Fall. Auch
die Zahl der trichinösen Schweine ist seit Einführung der
Trichinenschau erheblich zurückgegangen. 1876—1889 betrug
das Verhältnis der mit Trichinen behaftet befundenen Schweine
zur Zahl der Gesamtschlachtungen in Preußen 1:198, in den
Jahren 1891—96 1:3207, in den Jahren 1906 und 1907 zirka
1:20000; im Osten der Monarchie, besonders in den Provinzen
Posen und Schlesien werden häufiger Trichinen gefunden als im
Westen. Von 173 532 in der Provinz Posen im letzten Viertel¬
jahr 1907 geschlachteten und untersuchten Schweinen wurden
73 als trichinös befunden, es kam demnach 1 trichinöses Schwein
auf 2377 Schlachtungen.
Obwohl also schon durch die Bestimmungen der Trichinen¬
schau allein ein Rückgang der Trichinenkrankheit der Schweine
infolge der unschädlichen Beseitigung der mit Trichinen behaftet
befundener Schweine eintrat, ist doch allmählich die Erkenntnis
durchgedrungen, daß es nicht dabei sein Bewenden haben könne,
die trichinös befundenen Schweine zu beseitigen resp. ihren
620
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
Genoß fdr den Menschen unschädlich zn gestalten. Um das
Übel an seiner Wurzel zu fassen, ist es dringend geboten, schon
die Schweine vor der Infektion oder wohl Nichtiger Invasion mit
Trichinen zu schützen, und damit bin ich bei meinem eigentlichen
Thema angelangt.
Wje kann man nun verhindern, daß die Schweine trichinös
werden? Indem man die Quelle, aus welcher sie in der Regel
die Trichinen acquirieren, verstopft. Es ist eine längst be¬
kannte Tatsache, daß die Ratten in großer Zahl trichinös sind,
sowohl die Hausratte als auch die Wanderratte, welche jene
in den letzten 100 Jahren fast vollkommen verdrängt hat. Die
Viehställe gehören aber zu den beliebtesten Aufenthaltsorten
dieser Nager. Es ist ferner beobachtet, daß die Schweine ge¬
schickte Rattenfänger sind, welche auch als Omnivoren ihre
Beute verzehren. Unter den Ratten hält sich die Trichinen¬
krankheit, weil jene die üble Angewohnheit besitzen, ihre ver¬
endeten Kameraden zu verzehren, eine Tatsache, welche für die
Bekämpfung der Trichinenkrankheit der Schweine durch Ver¬
nichtung der Ratten sehr wichtig ist und auf welche ich im
folgenden noch zurückkommen werde.
Über das Vorkommen der Trichinen bei Ratten liegen von
verschiedenen Forschern genaue Angaben vor. Heller
sammelte aus 29 verschiedenen Orten in Sachsen, Bayern,
Württemberg und Österreich im ganzen 704 Ratten, von denen
8,3 Proz. trichinös waren. Bahr in Kopenhagen fand 5,2 Proz.
mit Trichinen behaftet. Die Vermehrung der Ratten ist eine
sehr schnelle. Das Weibchen wirft jährlich 2—4 mal 5 bis
10 Junge; eine Rattenfamilie kann nach Zuschlag im Jahre
auf 800 Individuen anwachsen. So gesellig diese Tiere sonst
zusammen leben, im Falle dos Nahrungsmangels frißt. eine
Rattenmutter ihre eigenen Jungen, und ein hilfloses trächtiges
Weibchen ist vor den Angriffen der männlichen Ratten nicht sicher.
Die Schädlichkeit der Ratten beruht jedoch nicht allein
darin, daß sie für die Schweine gefährliche Trichinenträger
sind, sie stellen auch sonst, was ich hier nebenbei erwähnen
möchte, große Schädlinge dar. Sie wühlen im Garten und Feld,
unterminieren Mauern, sind unliebsame Gäste der Vorrats¬
kammern und Speicher, sie übertragen Infektionskrankheiten,
so die gefürchtete Pest der Menschen und spielen auch wohl
bei der Verschleppung der Maul- und Klauenseuche eine größere
Rolle als man bisher annahm. Der Schaden, welchen die Ratten
in Dänemark pro Jahr anrichten, wurde gelegentlich der Ver¬
handlungen einer gesetzlichen Regelung der Rattentilgung auf
rund 7 Millionen Kronen berechnet. In England schätzt man
die „Futterkosten“, wenn ich mich so ausdrücken darf, der auf
20 Millionen veranschlagten Ratten auf rund 300 Millionen Mark
pro Jahr.
Aus diesen Angaben ist ersichtlich, daß außer der Bekämpfung
der Trichinosis der Schweine noch andere wichtige Gründe vor¬
liegen, gegen die Ratten engerisch zu Felde zu ziehen. Die
Mittel, welche man zu der Vernichtung der Ratten anwendet,
sind sehr verschieden. Justizrat Zuschlag, der Präsident des
internationalen Vereins zur systematischen Bekämpfung der
Rattenplage teilt die Mittel, die bisher die größte praktische
Bedeutung erlangt haben, in drei Gruppen: 1. Fangapparate,
2. Giftstoffe, 3. Bakterienkulturen.
1. Fangapparate.
Es sind dies wohl die ältesten Rattenvertilgungsmittel, deren
man sich bedient. Sie haben die verschiedenste Konstruktion
in Form von Fallen, Fangeisen usw. Ihre Nachteile bestehen darin,
daß beim Vorhandensein von vielen Ratten ein großer Effekt damit
nicht erzielt werden kann, sodann daß die Ratten, welche einen
sehr feinen Geruchsinn besitzen, die Fallen, sobald sie nicht
nach jedesmaligem Gebrauch gründlich gereinigt sind, meiden.
Allzuhäuüges Reinigen macht jedoch den Mechanismus der
Apparate untauglich.
2. Giftstoffe.
Giftstoffe hat man die verschiedensten Arten angewendet.
Ich möchte hier nur Arsenik, Phosphor, kohlensaures Baryt und
nebenbei giftige Gase, die man besonders in den großen Häfen
zur Vernichtung der Ratten auf den Schiffen anwendet, erwähnen.
Sämtliche Giftstoffe haben den Nachteil, daß sie auch für andere
Haustiere, Katzen, Hühner, Enten, Gänse, Hunde und auch oft
für Kinder verderbenbringend wirken können. Außerdem meiden
die Ratten, sobald sie einen vergifteten Artgenossen gewittert
haben, die Giftspeise und lassen sie unberührt. Dies gilt be¬
sonders von Weinbergslauch und der Meerzwiebel, welch letztere
für Nager ein schon in kleinen Dosen tödlich wirkendes Gift
darstellt.
Endlich haben findige Köpfe auch versucht, die Ratten
durch Klappermühlen und Auslegen übelriechender Stoffe, z. B.
Saprol zu vertreiben. Abgesehen davon, daß diese Mittel oft
gar keine Wirkung ausüben, sobald sie häufiger angewandt
werden, ist der Erfolg auch insofern ein problematischer, da man
günstigsten Falles die Ratten von einem Gehöft auf das andere
treibt.
Ein praktisches Rattenvertilgungsmittel muß daher wie
Dr. Raebiger-Halle, welcher sich mit dieser Frage eingehend
beschäftigt hat, angibt, folgenden Anforderungen genügen:
1. Es muß ein Lockmittel für die Ratten sein.
2. Es muß nur schädlich für Ratten, ungefährlich fiir
Menschen, Haustiere und Wild sein.
3. Es muß seine Wirksamkeit auf den ganzen Bestand
entfalten.
4. Es muß leicht anwendbar sein.
5. Es muß billig sein.'
Und hiermit kommen wir zu der letzten Gruppe der Ratten¬
vertilgungsmittel,
3. Bakterien.
Die Entdeckung des Bacillus typhi murium durch Löffler
in Greifswald vor ca. 16 Jahren legte den Gedanken nahe, ob
es nicht auch rattentötende Bakterien gibt, denen gegenüber
unsere nützlichen Haustiere angeborene Unempfänglichkeit
besitzen. Im Laufe der Jahre sind dann auch von verschiedenen
Forschern speziell rattentötende Bakterien gefunden, von denen
ich nur drei hervorheben möchte, weil sie in größerem Maßstabe
praktisch verwendet wurden.
a) Das Virus Danysz.
b) Der Issatschenkosche Bazillus.
c) Der Neumannsche Ratin Bazillus.
Alle drei sind besonders von Bahr und auch Raebiger, vgl.
Jahrbuch der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft 1907, Ma߬
nahmen zur Bekämpfung der Ratten-, Mäuse- und Schneckenplage,
einer eingehenden Prüfung unterzogen.
a) Virus Danysz.
Der Danyszsche Bazillus bewährte öich zunächst sehr
gut; allmählich verlor er jedoch an Virulenz, weißen Ratten
gegenüber wirkte er tödlich. Bei manchen Kulturen beobachtete
27. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
621
man gerade das Umgekehrte. Kister und Röttgens fanden,
daß die Kulturen bei der zehnten Züchtung durch den Ratten¬
körper überhaupt unwirksam waren. Abel erzielte in einigen
Fällen sehr gute Resultate mit Virus Danysz. Eine konstante
Wirkung vermißte er jedoch. Im großen und ganzen ist mit
einem Erfolg in 50 Proz. der Versuchsorte zu rechnen. Über
Fütterungsversuche an unseren Haustieren habe ich in der mir
zugänglichen Literatur hinsichtlich der Danyszschen Bazillen
nichts ermitteln können.
b) Issatschenkosche Kulturen.
Ähnlich liegen die Verhältnisse mit dem Issatschenkosche
Bazillus, der besonders in Rußland in nnfangreichem Maßstabe
verwendet wurde. Nach Bahr starben von 443 infizierten Ratten
431 nach durchschnittlich 10 Tagen. Raebiger hatte zunächst
besonders bei weißen Ratten mit frisch vom kaiserlich-russischen
Ackerbauministerinm bezogenen Kulturen sehr gute Erfolge.
Nach einer kurzen Reihe von Übertragungsversuchen schwächte
sich die Virulenz so sehr ab, daß der Bazillus nicht einmal mehr
bei Verimpfung in die Bauchhöhle tötete. Andere Autoren berichten
günstiger. Durchschnittlich kann man in 70 Proz. der Ver¬
suchsorte auf Erfolg rechnen.
c) Ratin-Bazillus.
Der Ratin Bazillus, von Neumann 1903 zuerst aus dem
Rinderharn gezüchtet, gehört ebenso wie die übrigem Ratten¬
bazillen zu einer Gruppe von Bakterien, Paratyphus, welche
weitverbreitet ist und nicht nur in Schmutzwässern und Abfall¬
stätten vorkommt, sondern auch bei gewissen Seuchen von
unseren Haustieren ausgeschieden wird. Er wirkt sowohl für
Mäuse als auch für Ratten tödlich. Die Tiere gehen nach
8 bis 14 Tagen, mitunter auch früher, oft auch erst in 20 Tagen
zugrunde. Die Inkubationszeit beträgt bis zu acht Tagen; dieser
Umstand ist sehr günstig, da die Tiere zunächst nichts wittern
und alle gern die ausgelegten Brocken aufhehmen. Das Sektions¬
bild ist das einer hämorrhagischen Magendarmentzündung mit
allgemein septischen Erscheinungen.
Raebiger hat ausgedehnte Versuche sowohl im Laboratorium
als auch in der Praxis mit Ratin gemacht. 90 Proz. der
infizierten Ratten gingen ein. Brotbrocken mit Ratinkulturen
imprägniert wurden gern und gierig von den Ratten aufgenommen.
Ratin ist Lock- und Vernichtungsmittel in einer Substanz.
Für Haustiere, kleine Sauglämmer und Ferkel ausgenommen,
ist Ratin vollkommen unschädlich, wie zahlreiche Fütterungs¬
versuche an den verschiedenen Tierarten ergeben haben. Es
wurden in Einzelfällen 60—120 g feste Ratinkulturen verfüttert.
Ähnliche günstige Resultate wie Raebiger erzielte, werden
auch von den Landwirtschaftskammern in Brandenburg, West¬
falen und Ostpreußen und den Professoren Rolle und Heß
berichtet.
Gerade wie beim Virus Danysz und dem Issatschenkoschen
Bazillus wurde von Raebiger, Bahr und auch anderen Forschern
beobachtet, daß Ratin in einzelnen Fällen trotz gieriger Auf¬
nahme keine krankmachende Wirkung äußerte. Bahr und
Trautmann versuchten die Virulenz solcher Stämme durch
Verimpfung in die Bauchhöhle wieder zu steigern. Erfolg hatten
diese Versuche ebenso wenig wie die Passage durch das sehr
empfängliche Meerschweinchen. Trautmann erzielte wohl
durch Verwendung besonderer Nährböden eine gewisse Steige¬
rung der Virulenz abgeschwächter Kulturen, welche sich jedoch
auch nur bei zahmen und nicht bei wilden Ratten bewährte.
Das Versagen der Ratinkulturen wird von Trautmann auf
eine gewisse erworbene Immunität zurückgeführt, wofür er
folgende Erklärung gibt:
1. Der Ratinbazillus kann infolge seines Vorkommens an
Schmutz- und Abladestätten von den Ratten leicht aufgenommen
werden, da diese sich hier mit Vorliebe aufhalten und diese
Plätze durchwühlen.
2. Bei wilden Ratten findet man sehr oft eine nicht uner¬
hebliche Milzschwellung, sicherlich ein Überbleibsel einer über¬
standenen Infektion; bei zahmen Ratten wird diese Schwellung
stets vermißt.
3. Ein virulenter Kulturstamm tötet zahme Ratten aus¬
nahmslos, während er auf wilde keinen Einfluß ausübt.
4. Es gelang bei wilden Ratten Trautmann und Mezin-
cescu gewisse spezifische Schutzstoffe gegen die Bakterien der
Paratyphusgruppe im Blute wilder Ratten nachzuweisen, bei
zahmen Ratten fehlten jene hingegen.
Jedenfalls handelt es sich um eine erworbene Immunität,
keine angeborene. Junge von ratinimmunen Ratten erwiesen
sich, wie Raebiger gezeigt hat, stets empfänglich für eine
Ratininfektion.
Sobald die Hersteller des Ratin, eine Aktiengesellschaft
in Kopenhagen, die dem Ratin anhaftenden Fehler bekannt
waren, wurden dort umfangreiche Versuche angestellt, sowohl
um eine Konstanz der Virulenz der Kulturen zu erzielen als
auch ein Ratin herzustellen, das auch gegen die mit einer
gewissen Immunität ausgerüsteten wilden Ratten in jedem Falle
wirksam ist. Beides ist gelungen. Das von Kopenhagen aus
in den Handel gebrachte Ratin besitzt eine konstante Virulenz
und in dem kostenlos, gegebenen Falles nachgelieferten Ratin II
oder Ratinin ist ein Mittel vorhanden, das auch wilde Ratten
in jedem Falle tötet. Gewöhnlich wird jetzt gleich von Anfang
an nur Ratin II angewendet. Wie die Konstanz des Präparates
erzielt ist, entzieht sich der allgemeinen Kenntnis. Tatsache
ist, wie viele Versuche ergeben haben, daß die versprochenen
Anforderungen vorhanden sind.
Nach Xylander soll der Ratinbazillus identisch mit dem
Bacillus enteridis Gärtner sein, da beide gleiche Agglutinations¬
werte ergeben. Da nach meiner Ansicht die Sachlage noch
nicht genügend geklärt ist, erübrigt es sich an dieser Stelle
hierauf näher einzugehen.
Ratinkulturen befinden sich im freien Handel. Es ist daher
nicht zu verwundern, daß auch andere Institute dem Ratin ihr
Interesse zugewendet haben und es als: Rattentyphus, Ratten¬
vertilgungskulturen, Morratin usw. in den Handel bringen. Die
Sterblichkeitsziffer bei Anwendung dieser Präparate beträgt
bei Versuchsratten 17 Proz. für Morratin, 20 Proz. für Danziger
Kulturen, 25 Proz. für Bonner Ratten Vertilgungskulturen. Sie
bleibt bedeutend hinter der Wirksamkeit des echten Ratin
zurück. Die bakteriologische Abteilung des milchwirtschaftlichen
Instituts in Wreschen bringt auch ein „Ratin“ in den Handel,
welches jedoch unwirksam sein soll und vor welchem als
„falschem Ratin“ unter anderem im Posener Tageblatt durch
die Betriebsstelle des echten Ratin gewarnt ist. Es kommt bei
der Herstellung des Ratin eben nicht nur auf den Bazillus, sondern
besonders auf das Züchtungsverfahren an und in dieser Richtung
ist das Kopenhagener Ratin allen Nachahmungen überlegen.
In dem Ratin besitzen wir ein Mittel, das zuverlässig
Ratten tötet, für unsere Haustiere nicht schädlich ist und bei
622
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT
No. 35.
Anslegnng einer der Rattenplage entsprechenden Menge seine
Wirkung auf den ganzen Bestand äußert. Die Infektion —
dieser Punkt ist wohl noch nicht ganz klargestellt — geht auch
zum Teil auf den vorhandenen Nachwuchs über; zum Teil geht
dieser auch infolge Mangels an Nahrung zugrunde.
Die Anwendung des Ratin geschieht sehr einfach. Es
werden Weißbrotschnitte mit dem in flüssigen Nährböden ge¬
züchteten Ratin getränkt oder die in festen Nährböden ge¬
wachsenen Kulturen werden in walnußgroßen Portionen oder
mit Milch zu einem dicken Brei verrührt und lose in Zeitungs¬
papier gewickelt an Stellen ausgelegt, an denen sich Ratten
aufhalten. Es empfiehlt sich, Ratin mit Holz- oder Blechlöffeln
anzurichten, da die Ratten sehr leicht die menschliche Witterung
annehmen und dann selbst gute Köder meiden. Für Menschen
ist Ratin nicht gefährlich, immerhin scheint es geboten, beim
Umgänge mit Ratin etwas Vorsicht zu gebrauchen und die
Hände und benutzten Gefäße sauber zu reinigen.
Ratin kommt in den Handel als flüssige Kultur in der
Einheitspackung von 170 ccm oder als feste in der Einheits¬
packung von 170 g, Preis 2,50 M. Bei Füllungen von G Ein¬
heiten verringert sich der Preis auf ca. 1,00 M. pro Einheit.
Den General vertrieb für Posen hat die Drogenhandlung von
Wolff, Wilhelmplatz übernommen, der Bezug ist auch durch
die Wirtschaftsgenossenschaft deutscher Tierärzte zu demselben
Preise möglich.
Wenden wir uns nun zur näheren Betrachtung der Ver¬
wendung des Ratin zur Bekämpfung der Trichinenkrankheit der
Schweine. Durch den Erlaß des Herrn Ministers für Land¬
wirtschaft, Domänen und Forsten vom 3. Juli 1906 wurde be¬
stimmt, daß in jedem Falle der Feststellung von Trichinen bei
Schweinen nach Möglichkeit der Züchter oder Mäster des Tieres
ermittelt werden sollte. Durch diese Ermittlung wurde zu¬
nächst festgestellt, wo die Schweine Gelegenheit hatten, Trichinen
zu acquirieren oder mit anderen Worten wo trichinöse Ratten
vorhanden sind. Hier gilt es nun, wenn irgend möglich, die
Ratten der gesamten Ortschaft „einer Ratinkur“ zu unterwerfen;
die Menge des auszulegenden Ratin richtet sich nach der Größe
der Rattenplage. Besser ist es stets reichlich auszulegen, damit
jede Ratte eine genügende Doses aufuimmt und man nicht durch
Auslegen zu minimaler Dosen künstlich ratinimmune Ratten
schafft. Es ist nicht empfehlenswert, den Vernichtungskampf
in einzelnen Gehöften zu fuhren, da die Wanderratte, welche
die Hausratte in den letzten Jahren fast vollkommen verdrängt
hat, einen ausgesprochenen Wandertrieb zeigt. Am besten
eignet sich das Frühjahr zur Vornahme der Versuche, ehe die
Wanderratte die Häuser und Gehöfte verläßt, um sich auf die
Wanderschaft zu begeben, oder der Herbst, wenn sie von den
Feldern zurückkehren; ehe sie Junge werfen.
Nach jeder Ratinauslegung ist es dringend notwendig, so
viel als möglich die verendeten Ratten einzusammeln, besonders
aber die den Schweinen zugänglichen Orte gründlich abzusuchen.
Es ist schon im Anfang dieses VortrageB darauf hingewiesen,
daß Schweine tote Ratten fressen. Andererseits könnten auch
eventuell überlebende Ratten ihre verendeten Artgenossen ver¬
zehren und so wieder zu Trichinenträgern werden. Die ge¬
sammelten Ratten sind möglichst unschädlich zu vernichten.
Zweckmäßig sind dieselben vorher auf Trichinen zu untersuchen.
Wenn nach der Auslegung von Ratin nur wenige Ratten ge¬
funden werden, so darf man hieraus nicht einen Schluß auf die
Unwirksamkeit des Ratin ziehen. Die Ratten, welche mehrere
Tage krank sind, pflegen sich an nicht zugängliche Schlupf¬
winkel zu verkriechen.
Am Eingänge meines Vortrages habe ich bereits erwähnt,
daß im Osten der Monarchie häufiger Trichinen gefunden werden
als im Westen. Obenan stehen die Provinzen Schlesien und
Posen. Sehr häufig wird die Trichinose von Schweinen in der
nächsten Umgebung der Stadt Posen beobachtet. In dem z. Zt.
von mir verwalteten Kreise Posen Ost wurden im Jahre 1904
1. Juli bis ultimo Dezember Trichinen gefunden: bei einem
Schweine unter 3813 Gesamtschlachtungen, im Jahre 1905 bei
6 Schweinen bei 11455 Schlachtungen, im Jahre 1906 bei
5 Schweinen von 11510 Schlachtungen, im Jahre 1907 bei
8 Schweinen von 16880 Schlachtungen, im ersten Vierteljahre
1908 bei 5 Schweinen von 4727 Schlachtungen.
Im März d. J. wurde deshalb auf Veranlassung des Herrn
Ministers an einigen Orten des Regierungsbezirks, in welchem
regelmäßig und oft Trichinen gefunden sind, ein Vertilgungs¬
versuch der Ratten mittelst Ratin unter Leitung des Herrn Dr.
Raebiger aus Halle in der oben beschriebenen Weise unter¬
nommen. Im Zwischenraum von 8 Tagen wurde zweimal Ratin
auBgelegt in den Orten: Zegrze bei Posen in der ganzen Ort¬
schaft, Glowno bei Posen in einem größeren Häuserblock, Zerkow
bei Jarotschin und Schmiegel in jedem Falle in mehreren zu¬
sammenliegenden Gehöften.
Leider bin ich nicht in der Lage, Ihnen die Details der
Versuche mitzuteilen, da die entsprechenden Untersuchungen
noch nicht abgeschlossen sind und Herr Kollege Raebiger
seinen offiziellen Bericht noch nicht erstattet hat. Ich kann
Ihnen nur mitteilen, daß im Anschluß an die Ratinauslegung
viele Ratten verendet sind und z. T. auch mit Trichinen behaftet
befunden wurden.
Die Trichinenschau im nächsten Jahre an diesen Orten
wird zeigen, inwieweit ein Rückgang in der Trichinosis unter
den Schweinen eingetreten ist. Auf einem Gehöft starben auch
im Anschluß an die Ratinauslegung zwei Schweine, eine tragende
Sau und ein Läufer; bei dem letzteren hatte die Haustochter
die Aufnahme von zwei Ratinbrocken direkt beobachtet; das
Tier ging in 48 Stunden zugrunde. Bei der Sektion wurde
eine hämorrhagische Darmentzündung mit schweinepestähnlichen
Follikulargeschwüren im Dickdarm festgestellt. Das andere
Schwein erwies sich mit einer schweren Magendarmentzündung
behaftet. Untersuchungen der Organe der beiden Schweine,
welche in der tierhygienischen Abteilung des Kaiser Wilhelm
Institutes zu Bromberg vorgenommen wurden, ergaben, daß
Ratinvergiftung nicht vorlag. Meerschweinchen, Mäuse und
Ratten, die mit Saft aus den geschwollenen Gekröslymphdriisen
geimpft wurden, blieben gesund. Ratinbazillen waren in Ausstrich¬
präparaten nicht nachweisbar. Leider sind diese beiden Todes¬
fälle nicht genügend aufgeklärt. Schweinepest lag jedenfalls
trotz des verdächtigen Sektionsbildes nicht vor; der Besitzer
hatte keine Schweine zugekauft und in dem Stalle, in welchem
die beiden verendeten Schweine untergebracht waren, sind
Erkrankungsfälle, obwohl derselbe undesinfiziert, sofort wieder
mit drei Schweinen besetzt wurde, nicht vorgekommen.
Hiermit bin ich bei dem Ende meiner Ausführungen an¬
gelangt. Es würde mich sehr freuen, wenn ich Ihnen hiermit
die Anregung zur Betätigung auf einem Gebiete gegeben hätte,
auf welchem wir uns zweifelsohne, gleichviel ob beamtete oder
27. August 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Privattierärzte, Verdienste erwerben können, sowohl nm die
Bekämpfung der Trichinenkrankheit der Schweine und implicite
des Menschen, als auch wegen der sonstigen großen Schädlich¬
keit der Ratten um die Landwirtschaft im allgemeinen, zu deren
Helfer wir nun einmal berufen sind.
*
Der Vorsitzende dankt zunächst dem Referenten für seinen
eingehenden und interessanten Vortrag und eröffnet sodann die
Diskussion. In derselben warnt Dr. Mießner-Bromberg vor
dem Ausstreuen der Ratinkulturen. Es seien zwar in der Praxis
keine Ratinvergiftungen beim Menschen beobachtet, obgleich in
Kopenhagen bei der Anlegung von Ratinkulturen und dem Ver¬
packen derselben zahlreiche Personen, die auch ständig wechselten,
beschäftigt seien; immerhin mahne die von Dr. Xylander nach¬
gewiesene Tatsache, daß die Agglutinationswerte des Ratin¬
bazillus dieselben seien wie die der Bakteriengruppe Paratyplms-
B, zur Vorsicht beim Umgehen mit dem Ratin.
Für die Diagnose „Schweinepest“, welche bei dem im An¬
schluß an die Ratinauslegung in Zegrze verendeten Schweine
im Bromberger Institut gestellt ist, lehnt Dr. Mießner die
Haftung ab, da es sehr schwer sei, ohne klinischen Befund par I
distance die Diagnose „Pest“ zu stellen.
Huth-Same erinnert an die oft augepriesene Unschädlich¬
keit des Bacillus typhi murium, welcher sich, trotz dem einen
Falle im Kreise Darkehmen, über welchen er näher berichtet,
als pathogen für Kälber erwiesen habe.* Huth empfiehlt des¬
halb auch Vorsicht beim Ratin.
5. Die darauf vorgenommenen Wahlen zeitigten folgendes
Resultat:
Als Delegierte für den Veterinärrat werden gewählt:
Veterinärrat Heyne-Posen und Veterinärrat Peters-Bromberg,
zu Stellvertretern Kreistierarzt Dr. Bartels-Posen, Kreistier¬
arzt Fredrich-Kruschwitz. Als Delegierte für die Zentral¬
vertretung: Veterinärrat Heyne-Posen, Veterinärrat Peters-
Bromberg, Schlachthausdirektor Steinbach-Bromberg, Tierarzt
Dr. Krembzow-Neustadt bei Pinne; als Stellvertreter: Kreis¬
tierarzt Dr. Bartels-Posen, Kreistierarzt Fredrich-Krusch¬
witz, Sanitätstierarzt Dr. Magdeburg-Posen, Tierarzt Kunze-
Murowana-Goslin.
Zum Schriftführer des Vereins wurde an Stelle des nach
Berlin versetzten Kreistierarztes Prieur - Jarotschin Kreis¬
tierarzt Dr. Bartels-Posen ernannt.
Aus der Versammlung wurde noch vom Kollegen Dr.Heinick-
Pudewitz die Frage gerichtet, welche Stellung der Verein zur
Bildung von Tierärztekammem genommen habe resp. nähme.
Der stellvertretende Vorsitzende, Herr Verterinärrat Peters-
Bromberg erwiderte darauf, daß die Zentralvertretung der tier¬
ärztlichen Vereine Preußens die Regelung der angeregten Frage
anstrebe und daher von seiten des Posener Vereins vorläufig
von weiteren Schritten in dieser Angelegenheit Abstand ge¬
nommen werden müsse. Die Versammlung trat dieser Ansicht bei.
Damit war die Tagesordnung erledigt und die Versamm¬
lung konnte gegen 2 Uhr geschlossen werden.
Um 2y 2 Uhr fand dann ein gemeinsames Mahl mit den
Damen der Mitglieder statt, welches, gewürzt durch heitere und
ernste Reden, die Teilnehmer noch lange in angeregter
Stimmung zusammenhielt.
Heyne, Vorsitzender. Dr. Bartels, Schriftführer.
623
Unlversltltssuoht der Volkoochullehrer.
Nach einem Bericht der Augsburger Abendzeitung vom
Dienstag, den 11. August über die Hauptversammlung des
bayerischen Volksschullehrervereins ist dort wieder das Thema
des Studiums der Volksschullehrer erörtert worden, wobei wiederum
(vgl. B. T. W. Nr. 28, S. 507) diesmal von Herrn Burger-
Ludwigshafen die Äußerung getan wurde: die Tätigkeit des Volks-
schullelirers sei doch mindestens ebenso wichtig, wie die des Tier¬
arztes. Da solche Fälle immer wiederkehren, so scheinen die
Herren alles Ernstes die Einführung der Universitätsreife für
das tierärztliche Studium als Grund für das Studium der Volks¬
schullehrer ausnutzen zu wollen. Man kann daraus nur den
i Schluß ziehen, wie schwach es mit den wirklichen und inneren
Gründen für diese Bestrebungen bestellt ist, wenn ein solches
Motiv wirklich ernst genommen wird. Über die Hohlheit des¬
selben brauchen Worte nicht gemacht zu werden. Gewiß ist
die Tätigkeit des Volksbildners außerordentlich wichtig,
wenn auch gegenüber der Überhebung die Frage aufgeworfen
werden muß, wie weit denn die von der Volksschule geleistete
Bildung geht. Die Wichtigkeit aber der Aufgabe rechtfertigt
Vergleiche wie den kritisierten überhaupt nicht. Denn nach der
Wichtigkeit richtet sich weder das Maß dessen, was dazu gelernt
werden muß, noch namentlich die Form des Lernens. Es gibt
Dinge, die die wichtigsten von allen sind, und die gar nicht ge¬
lernt zu werden brauchen. Die Aufgabe des Volksschullehrers
ist gewiß eine ebenso wichtige als schöne; aber sie wird am
besten erfüllt werden, wenn sie einfach genommen und nicht
künstlich in die Höhe geschraubt wird. Das Verständnis gerade
für diese Einfachheit würde durch das Universitätsstudium nur
verdorben und einem großen Teil der Lehrer die Freude an ihrer
Aufgabe nur verleidet werden. Man hat der Hebung des Lehrer¬
standes wahrhaftig Konzessionen genug gemacht; man darf dabei
nur an die Bevorzugung der Volksschullehrer in der Armee
durch die Zulassung zum einjährig-freiwilligen Dienst erinnern.
Schmaltz.
Hohes Alter.
Herr Korpsstabsveterinär a. D. Joseph Lang ist in München
gestorben. Er hat ein Alter von 91 Jahren erreicht.
Trauriges Ende.
Der Kreistierarzt Tielker in Blomberg (Lippe) ist in
trauriger Weise ums Leben gekommen. Er wurde tot am Wege
gefunden. Der Verstorbene, 1871 approbiert, versah noch seine
ganze Praxis zu Fuß.
VII. Wanderversammlung Schlesischer Schlachthoftierärzte
findet am 6. September in Hirschberg statt. Ausführliches Pro¬
gramm in nächster Nummer. Erscheinen ist Pflicht jedes einzelnen.
Der stellvertr. Obmann.
Verein der Privattierärzte Ostpreußens.
Der Verein der Privattierärzte Ostpreußens fordert die Herren
Privatkollegen dieser Provinz, welche dem Verein noch nicht
angehören, dringend zum Anschluß auf, da wichtige Dinge eine
möglichst umfassende Organisation der Vertreter dieses Standes
geradezu erzwingen.
Der Verein hält am Sonntag, den 6. September 1908, vormittags
11 Uhr, im Hotel Königin Louise in Seebad Cranz eine Sitzung ab,
zu der alle Privatkollegen, denen die Interessen unseres Standes
am Herzen liegen, hierdurch eingeladen sind.
Vorbegrüßung am Sonnabend, den 5. September 1908, abends
9 Uhr, in Königsberg i. Pr. Hotel Berlin.
Nach der Sitzung findet ein gemeinsames Mittagessen und gegen
4 Uhr ein Kaffeeausflug nach Neukuhren, unter erwünschter Teil-
624
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No 35.
nähme der Damen statt. Gefällige Anmeldungen hierzu bis zum
2. September 1908 an das genannte Hotel in Cranz erbeten.
Der Vorstand.
v. Lojewski. Zwirner. Pelcher. Arnsdorff.
Maul- und Klauenseuche.
Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche ist gemeldet
aus Moosburg in Oberbayern, sowie aus drei Ortschaften des
Kreises Schlettstadt (Elsaß).
Bttcheranzeigen und Kritiken.
Handbuch der tierärztlichen Chirurgie und Geburtshilfe. Heraus-
gegt'ben von Prof. Jos. Bayer in Wien und Prof. Dr. Eugen Fröhner
in Berliu. IV. Band, II. Teil, 3. Lieferung. Extremitäten, Hufe, Klauen.
II. Teil, 3. Lieferung. Die Hufkrankheiten des Pferdes. (Mit Ausnahme
der Krankheiten der Hornkapsel) von Professor Dr. Eberlein in Berlin
(Bogen 26—35). Mit 58 Abbildungen. Wien und Leipzig. Wilhelm
Branmiiller, k. n. k. Universitatsbnehhändler. 1907.
Der Verfasser beschreibt in der von ihm bekannten, ausführlichen
und exakten Weise die Wunden, Frakturen der Hufknorpel, die para- und
p ricliondrale Phlegmone, die Hnfknorpeltistel, Hufknorpelverknöeherting,
die Wunden und eitrige Entzündung des Strahlpolsters und die Krank¬
heiten der Knochen der Zehe. Ganz besonders sind die Operationen
der Hufknorpelfistel und die Resektion der llufbeinbeugeselme genau !
nach ihren verschiedenen Methoden beschrieben. Bei der Hufknorpelfistel- |
Operation, bei welcher die französische, die Möllersche und Bayersche
Methode* in Betracht kommt, spricht sich Eberlein und Fröhner für j
die Bayersehe Methode aus, weil sie den grollen Vorteil besitzt, das
Operationsfeld, besonders aber den kranken Knorpel und das Hufbein
zn übersehen und die infizierten Teile leicht und gründlich zu entfernen.
Fiir die Klinik haben die beiden Forscher jedenfalls recht, Eberlein
betont jedoch, daß die Operation eine gewisse Übung und Geschicklich¬
keit des Operateurs voraussetzt Dies entspricht auch den Erfahrungen
Venn erhol ms mit der Bayer sehen Methode, der anfänglich schlechtere,
später bessere Erfolge bei Anwendung derselben zu verzeichnen hatte.
Die Praxis hat sieh für die Möllersche entschieden, da die Anwendung
der letzteren nicht so viel Übung und Geschicklichkeit voraussetzt und
dabei keine Hornspalten und erhebliche Hufdefonnitäten Zurückbleiben,
die bei nicht bez. wenig geübter Ausführung der llay er sehen Methode
leicht eintreten.
Desgl. VI. Band II. Auflage. Hautkrankheiten von Dr. Hugo
Schindelka. Professor an der tierärztlichen Hochschule in Wien.
Wien und Leipzig. Wilhelm Braunnillcr, k. u. k. Hof- und Univcrsitäts-
buchhändler. 1908.
Verfasser hat während der seit dem ersten Erscheinen des Buches
verstrichenen 6 Jahre wiederum mehrere Lücken auf, dem Gebiete der
Hautkrankheiten bei Tieren ausgefüllt. Die große klinische Erfahrung
des Verfassers, gepaart mit fleißigem Studium der Literatur haben eine
Art der Darstellung des Stoffes gezeitigt, die sowohl dem theoretischen
Studium als auch den Bedürfnissen des praktischen Tierarztes Rechnung
trägt. Besonders dankenswert ist die Aufnahme von 30 neuen Abbildungen
nna 2 Farbentafeln, die sämtlich an Patienten hergestellt sind. Das
Buch muß als «las beste auf diesem Gebiete der Tierheilkunde allen
Kollegen warm empfohlen werden. Dr. To epp er.
Nachschlagebuch der Firma Dr. Nördünger, Chemische Fabrik in
Floersheim a. Main. Die kleine Broschüre enthält allerlei Ratschläge
zur Beseitigung von Schäden, namentlich so weit sic mit chemischen
Hilfsmitteln anznstreben ist. Darunter befinden sich auch Desinfektions-
Vorschriften; aber im übrigen sind es allerlei Ratschläge für den häus¬
lichen Gebrauch: Rostschutzmittel, Reinigung von Eßgcschirren, Be¬
kämpfung der Fliegenplage, Luftverbesserung im Krankenzimmer usw.
Die Broschüre wird gratis verteilt, und man wird darin manche brauch¬
bare Anweisung finden.
Neue preußische Jagdordnung vom 15. Juni 1907 nebst Ausführungs-
bestlmmungen. Amtliche Fassung. Berlin bei Schwarz & Co., S. Dresdener-
atraße 80. Broschiert, Duodez, 112 Seiten. Den Jagdfreunden unter
den Kollegen wird diese Ausgabe der wichtigen neuen Bestimmungen
vielleicht willkommen sein. Der Preis von 1 M. scheint mir allerdings
für das so einfach wie möglich ausgestattete Biiehelchen ziemlich hoch.
Jahrbuch ffir wissenschaftliche und praktische Tierzucht ein¬
schließlich der Zuchttingsbiologie. lleiausgegeben vou Robert
Mflller. Dritter Jahrgang. M. & II. Schaper, Hannover 1908. Preis M. 9,—.
Aug. Honeker, Oberamtstierarzt, die Zucht der rehfarbenen,
hornlosen Schwarzwaldziege in Württemberg. Mit einem
Anhang über die Behandlung der häufigsten Ziegenkrankheiten. Mit
6 Abbild. Eugen Ulmer, Stuttgart, 1908. Preis M. 1,60.
Gundelach, Kreistieiarzt. Das Pferdefleisch als Nahrungs¬
mittel. Ileransgegeben von der Pferdesehntz-Vereiuigung über ganz
Deutsehland (E. V.) Berlin W. 62, Schillstr. 8.
Fritz Weitzig, Stabsveterinär, rntersuchungen über die pathogenen
und Coli-Bakterien beim Puerperalfieber des Rindes. Stuttgart 1908.
Fünfzehnter Verwaltungsbericht über den städtischen Schlacht-
nnd Viehhof zu Magdeburg. Rechnungfyalir 1907.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und spezifischen Tuber¬
kulose-Forschung. Herausgegebeu von Prof. Dr. Ludolph Bauer.
Bd. X, Heft 1: Turban und Baer, Ophoniseher Index und Tuber¬
kulose. Mit 1 Tafel. Rothschild, Neue Gesichtspunkte iu der
Tuberkulintherapie. Gerhartz und Strigel, Über Lun gen steine
und Kieselsöurebehandlung. DIuski, Über Tiiberkulinanwen-
dung in der LungentuberknIose vom k 1 inischen Standpunkte.
Rzewuski, Zur Röntgenographie des Thorax dyspnoischer
Patienten bei Atemstillstand. Curt Kabitzsch (A. Stübers Verlag),
Wiirzhurg 190s. Preis 5 M.
Inaugural-Disaertationen.
Curt Glaesmer, Tierseuchen-Bekämpfung im Felde. (Vet.-
med. Fakultät Bern.) Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz,
Berlin 1908.
Ernst Rosenfeld, Über die Eiweißverdanung im Magen des
Pferdes. (Vet.-mcd. Fakultät Leipzig.) 1908.
Sonderabdrucke.
Bericht über die Tätigkeit des Gesundheitsamtes der
Landwirtschaftskammer für die Provinz Pommern während
des Jahres 1907/08. Erstattet vom Direktor Dr. »Schmitt
„Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsarate“ Band XXVni,
Heft 3. 1908: Prof. Dr. Uhlenhuth, Dr. O. Weldanz und Dr. Angeloff.
über den biologischen Nachweis der Herkunft von Blut
in blntsaugendcn Insekten. — Dr. Hüne. Die Anwendung des
biologischen Verfahrens zum Eiweißnachweis im Fett¬
gewebe und ausgelassenem Fett (Schmalz*. — Prot. Dr.
Uhlenhuth, Dr.O. Weldanz und Dr. Wedemann. Technik und Methodik
des biologischen Verfahrens zu in Nachweis von Pferde¬
fleisch. — Dr.W. Wedemann. Texikologische Versuch«* mit Atoxyl
an zahmen Ratten. — Dr. O. Weldanz und K. Borchmann. Ver¬
gleichende Untersuchungen über die praktische Verwert¬
barkeit der Präzipitinreaktion und der Komplement-
binduugsmethode zum Nachweis von Pferdefleisch. —
Dr. Xylander und Dr. Wolthe. über eine neue Vorrichtung
zur Gewinnung keimfreier Sera in größeren Mengen. Julius
Springer, Berlin.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Schlachthofdirektor
Ernst Demmin -Zerbst die Ritter-Insignien II. Klasse des Herzoglichen
Hausordens Albrechts des Bären; den Kreistierärzten Emst Rößler-
Cöthen, Otto Ae/Zer-Ballenstedt, FrUdrich Stetn-Dessau der Titel
V eterinärrat.
Ernennungen: Distriktstierarzt Ulrich Assel- Cadolzburg zum
Zuchtinspektor beim Zuchtverband für gelbes Frankenvieh in
Gunzenhausen (Mittelfr), Tierarzt Hugo Bö7# we-Bitterfeld zum Stadt¬
tierarzt in Heubach, Schlachthoftierarzt Dr. Martin zum Schlachthof¬
direktor in Pforzheim (Baden), die Tierärzte A. Schaich -Mengede
zum I. Schlachthoftierarzt in Duisburg-Meiderich, C. Heemsoth zum
ersten Assistenten am Schlacht- und Viehhof in Barmen.
Verzogen: Die Tierärzte Adolf Aberle von Walldürn nach Salem
(Amt Überlingen), Bruno Fischer von Prkzerbe naefa Grönmgen),
Earl Sichert von Dommitzsch nach Pritzerbe, Dr. Kunibert Müller
von Treptow a. R. nach Buch (Bez. Potsdam), Hans Schreek-
Mtinchen als bezirkstierärztlicher Assistent nach Pfullendorf (Baden),
Jakob Huber-Amberg als Vertreter nach Köfering (OberpfA, Emst
Schmid nach Wolfratshausen bei München.
Promoviert: Die Tierärzte Anton Hassz aus Herrmansdorf,
Walter Henn aus Braunfels, Hans Pächtner, Assistent am tierphysiol.
Institut in Berlin, Joh. Rowolf aus Sorsum, Gustav Schneider aus
Dorteweil, Heinrich Stedtfeld aus Gütersloh zum Dr. med. vet. iu
Gießen; Gustav Becker aus Naumburg, Arthur Bösncr aus Breslau,
Oberveterinär a. D. Friedrich Cxerwonsky in Berlin, Ulrich Davies
ans Briesen, Kreistierarzt Wilhelm Esior in Grevenbrück, Ober-
veterinär Kurt Gläsmer in Potsdam, Josef Olinger aus Niederkratz,
Wilhelm Front in Leipzig-Oetsch, Heinrich Mahlstedt in Königsberg
zum Dr. med. vefc. in Bern; Ernst Lölsch , Assistent an der Tier¬
ärztlichen Hochschule in Dresden zum Dr. med. vet in Leipzig.
In der Armee: Sachsen; Dr. Sustmann, bisher Repetitor an
der tierärztlichen Hochschule unter Beförderung zum Oberveterinär
in das Garde-Reiter-Regt, versetzt. Im Beurlaubtenstande;
Abgang: Dem Stabsveterinär der Landwehr 1. Aufgeb. Möbius
(II. Dresden) behufs Überführung zum Landsturm 2. Aufgeb. der
Abschied bewilligt.
Todesfälle: Korpsstabsveterinär a. D. Jos. La«</-München, Ober-
veterinär a. D. Reinhard ATewi-Hochkretschara, Kreistierarzt Ttclker-
Blomberg.
Vakanzen. (v g i. Nr. 32.)
Polizeitierarzt für Düsseldorf. Gehalt 3000 M. bis 4800 M.
Meldungen bis 10. September an den Oberbürgermeister.
Besetzt: Die Schlachthofstellen Bremen, Duisburg-Meiderich,
Erfurt, Königsberg i. Pr., Bad Kreuznach, Landsberg a. W., Mengede
Pyritz, Schwiebus, Stettin, Treptow a. R.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung ron Richard SchoeU in Berlin. —
Druck von W. BQxenatcin. Berlin.
Die „Berliner Tlerftrstllehe Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage tob Richard Schoets In
Berlin BW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe sum Preise von M. 5,— vierteljlhr-
lieh (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 P£ für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (österreichische Post-Zeitungs-
Preisllste Nr. 674. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
OriginalbeitrSge werden mit 60 Hk., in Petltsatx mit
00 Mk. fllr den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
su senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, TIeräret*
liehe Hochschule. NW., Lulsenstrafie 56. Korrekturen,
Resensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuohhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Med.-Rat Dr. Boeder
Professor in Dresden.
Redaktion: (
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. DepartemenU-T. In Cöln.
Dr. Schlegel
Professor in Freiburg.
Professor Dr. Peter
8taatstierarzt für Hamburg.
Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel
Professor in Dresden. Landestierarzt in München.
Helfer
8ehlach > h.-Direktor in Mülhausen L BL
Dr. H. Sieber
am Tropeninstitut ln Hamburg.
Veterinärrat Peters Veterinärrat Preuße
Departements-T. in Bromberg. Departements-T. ln Danzig.
Wehrte
Kais. Regierungsrat in Berlin.
Dr. Stödter Dr. Trapp
Stadt-Tierarzt in Hamburg* am Kaiser Wilhelm-Institut in Bromberg.
Dr. Richter
Professor ln Dresden.
ZQndel
Kreistierarzt in Maihansen L B.
Dr. Zlmmermann
Dozent ln Budapest.
Jahrgang 1908. ,M. 36. Ansgegeben am 3. September.
Inhalt: Witt: Die Malaria des Rindes. — Goldbeck: Zur Schutz- und Heilimpfung mit polyvalentem Kälberruhrserum
(L. W. Gans). — Referate: Moussu: Angeborene genitale Mißbildung und Schleimverhaltung in der Gebärmutter und der
Scheide. — Untersuchungen Uber die Agglutination des Rotzbazillus. — Noack: Experimentelle Untersuchungen betreffend
die bazilläre Pseudotuberkulose der Schafe und deren Übertragungsfähigkeit auf andere Tiergattungen. — Ländler: Resultate
einer Tuberkulin-Impfung. — Aus der medizinischen Literatur. — Tageogeochlchte: Witt: Zur Ausbildung der Tierärzte. —
Künftige Beförderungsverhältnisse. — Verschiedenes. — Staatsveterinflrwesen : Versammlung des Deutschen Landwirtschaftsrates,
Februar 1908. — Tierseuchen in Deutschland 1906. — Verschiedenes. — Nährungomittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel:
Die Ergebnisse der Schlachtvieh- und Fleischbeschau im Deutschen Reiche im Jahre 1905. — Meßner: Tierärzte und Milch¬
kontrolle. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Die Malaria des Rindes.
Idiopathische Milzruptur des Rindes = malarla perniciosa des Menschen.
(Eine Studie aus der Praxis.)
Von Wltt-Hadersleben.
Seitdem in der Provinz Schleswig-Holstein die Entschädigung
bei Milzbrand- und Rauschbrandverlusten eingeführt ist, sehe
ich zuweilen zwei bis drei Fälle wöchentlich, in welchen Rinder
apoplektiseh an Milzrnptnr und Verblutung in die Bauchhöhle
gestorben sind. Ich habe in unserer Fachliteratur nach einer
Ursache für diese Milzrupturen gesucht, aber so gut wie nichts
gefunden. Ich habe gelegentlich tierärztlicher Versammlungen
bei Kollegen Hilfe und Auskunft gesucht, aber nichts näheres
erfahren. Nur wurde mir bestätigt, daß solche Fälle auch in
anderen Kreisen durchaus nicht selten sind, und die Privat¬
kollegen des Kreises Hadersleben haben seit Jahren wiederholt
solche Todesfälle beobachtet.
Da aber nach meiner eigenen Erfahrung die Verluste an
Milzruptur hier so häufig sind, daß diese Seuche (dafür
der Beweis später) nach der Tuberkulose und dem
Rauschbrand von den Seuchenkrankheiten am meisten
Opfer fordert, so will ich nicht zögern, die Ergebnisse meiner
Untersuchungen und Erwägungen bekannt zu geben. Ich will
damit das Interesse weiterer Kollegen auf dies Thema hinlenken,
und sie zu einer näheren Prüfung meiner Befunde veranlassen.
Meine eigenen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen,
ich werde daher weiteres Material sammeln und bin gerne bereit,
in geeigneten Fällen den verschiedenen Instituten solches zur
Verfügung zu stellen, so weit die vorgeschrittene Jahreszeit
noch solches liefert. Ich selbst habe leider nur wenig Muße
und bescheidene Hilfsmittel. In jedem Jahre warten 15- bis
20000 dänische Pferde auf eine veterinärpolizeiliche Grenz-
untersnehung und auch der große Kreis macht viel Arbeit.
Wenn daher mein Vorstudium der Literatur lückenhaft blieb,
so bitte ich im voraus um gütiges Verzeihen. Ich lege auch
nicht den Hauptwert auf einen Prioritätsstreit, sondern will
nur ein einfacher Wegweiser sein und die Arbeit der Autoren
und ihrer ausgedehnten Hilfskräfte hinlenken auf eine Rinder¬
krankheit, die in vieler Hinsicht interessant und für die Land¬
wirtschaft von recht erheblicher Bedeutung ist.
I. Vorkommen der Milzruptur.
Wie ich bereits oben erwähnte, hat die Einführung der
Entschädigung für Milz- und Rauschbrandverluste zur Folge
gehabt, daß wir Tierärzte, und zwar nicht nur die beamteten,
weit häufiger als früher Gelegenheit haben, die Kadaver ge¬
fallener Tiere zu sezieren und die Todesursache zu ermitteln.
Fehlt auch wohl der Verdacht für eine der genannten Seuchen,
so ist der Landwirt um so mehr geneigt, die Sektion vornehmen
zn lassen, als ihm stets die Entschädigung als wünschenswertes
Ziel vor Augen steht, und die Erscheinungen bei Milz- oder
Rauschbrand sehr oft so wenig typisch sind, daß unmöglich ein
Laie sie richtig deuten kann. So kommt es, daß ich jährlich
zirka 150 Rinder sezieren muß, während mein Vorgänger vor
6 Jahren vielleicht 10 Sektionen hatte.
Aber nicht allein die Kreistierärzte werden für solche Fälle
requiriert und habenden Vorteil von den gesetzlichen Bestimmungen,
wie Privattierärzte so gerne behaupten; gerade diese werden
im Bereich ihrer Praxis so oft zur ersten Begutachtung gefallener
Rinder gerufen, wie sie sicher früher sich nie haben träumen
lassen. Etwa 10 Proz. der von mir zu sezierenden
Rinder, zirka 12 bis 16 Stück jährlich, sind an Milz¬
ruptur und Verblutung in die Bauchhöhle zugrunde
gegangen!
In allen Fällen erhalte ich vom Besitzer den Vorbericht,
daß die Tiere bei Lebzeiten nicht die geringsten Krankheits¬
erscheinungen zeigten, auf der W T eide oder bei Stallfütterung
vor der halbgeleerten Krippe plötzlich zu taumeln begannen,
umfielen und in wenigen Minuten verendeten oder unerwartet
tot aufgefunden wurden.
626
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
Ich sah diese Todesfälle bisher nur in den Sommermonaten;
ich sah sie nie bei Kälbern und Jungrindern unter zwei Jahren,
dann aber bei Tieren jeden Alters und Geschlechts, recht oft
bei den schwersten Milchkühen. Ich sah in einigen Wochen mit
milder, feuchter Witterung zwei bis drei Fälle, während in
anderen Wochen oder Monaten kein solcher Fall zur Unter¬
suchung kam. Dabei war die Krankheit nicht gebunden an
eine bestimmte Bodenart; sondern sie zeigte sich auf Lehm¬
boden, Marschland und Sandboden, anscheinend am häufigsten
in Gegenden mit moorigem Untergrund.
Ich will gleich bemerken, daß in allen Gegenden meines
Kreises Hölzungen verschiedener Art und Ausdehnung, in allen
Gegenden auch niedrige Wiesen, kleine Sümpfe und Wasser¬
tümpel sich vorfinden, und daß in allen Teilen des Kreises in
früheren Jahren das Blutharnen der Rinder aufgetreten ist. Es
hat diese Krankheit, soweit ich ermitteln konnte, früher recht
große Vieh Verluste verursacht, sie ist aber im letzten Jahrzehnt
seit der erheblichen Melioration des Bodens fast ganz ver¬
schwunden.
2. Klinisoher Befund.
Über besondere Krankheitssymptome bei Lebzeiten der
Rinder und kurz vor ihrem Tode habe ich bisher nichts in
Erfahrung bringen können, ich selbst habe nie solche Patienten
gesehen und beobachtet. Die Besitzer versichern in allen
Fällen, nicht die geringsten Erscheinungen einer
Krankheit bei den Tieren bemerkt zu haben, weder
Symptome eines fieberhaften Allgemeinleidens, noch
auch nur verminderte Freßlust. Vereinzelt konnten sie
oder ihre Angestellten wahrnehmen, wie die Tiere auf der
Weide oder im Stall unerwartet mit der Futteraufnahme inne-
liielten, nach kürzerem Taumeln und Schwanken hinstürzten
und so schnell verendet waren, daß man selbst mit der be¬
absichtigten Notschlachtung bereits zu spät kam. Dieses schlag¬
artige Sterben veranlaßte die Besitzer um so mehr, eine schlimme
Seuche wie Milz oder Rauschbrand zu vermuten, als oft noch
im Todeskampf aus der Nase etwas dünnes Blut entleert wurde
und die vorgedrängte Schleimhaut des Mastdarmes etwas blutig
oder doch stark gerötet war.
3. Anatomischer Befund.
In vielen FäUen deutet schon die Lage des Kadavers den
apoplektischen Tod an, wenn ein großer Riß in der Milzkapsel
zur schnellen Verblutung führte; in anderen Fällen hat wohl
ein kurzer Todeskampf stattgefunden. In der Regel ist der
Kadaver wenig oder gar nicht aufgetrieben oder nur der Pansen
etwas gespannt. Die Bauchdecken sind eingefallen, die Haut
sitzt lose auf der Muskulatur und den Knochen. Totenstarre
sah ich in den wenigsten Fällen. In den Naseneingängen sehe
ich etwas blutig-serösen Ausfluß. Die Augen liegen tief in
ihren Höhlen. Die Augenschleimhaut und Maulschleimhaut sind
vollkommen blaß. Bei Tieren mit weißem Haarkleid erscheint
die ganze Haut blaß, mit einem Stich ins Gelbliche. Der
Kadaver macht also den Eindruck vollkommener Blut¬
leere. Die Gefäße der Unterhaut sind gänzlich blutleer, die
Bauchhaut scheint noch stärker gelb gefärbt als normal. —
Hat der Kadaver beim Eintritt des Todes auf dem Bauch ge¬
legen, so fällt bei Eröffnung der Bauchhöhle ein großer Blut¬
kuchen vor, der vielfach die ganzen Eingeweide verdeckt.
Zwischen Dünn- und Dickdarm tritt eine blutig-seröse
Flüssigkeit hervor in der Menge von vielen Litern; die Farbe
der Flüssigkeit ist dunkelrot mit einem Stich ins Schwarzrote.
Pansen, Dünn- und Dickdarm sehen grauweiß aus wie bei ge¬
schlachteten Tieren, einzelne Teile sind nur soweit leicht
gerötet, als sie mit dem flüssigen Bauchhöhleninhalt oder dem
Blutkuchen in Berührung gekommen sind. Die Lymphdrtisen
des Darmes sind etwas geschwollen, ihre Farbe ist grau und blaß.
Die Milz ist stark verändert, sie ist um das Drei- bis
Fünffache vergrößert; ihre Ränder sind abgerundet. Nach Ent¬
fernung der der Milzoberfläche anhaftenden Blutgerinnsel zeigt
die Milz eine dunkelblaue bis blaurote Farbe. Die Milzkapsel
umschließt den Inhalt wie ein dünner, schlaffer Sack. Ziehe
ich die Milz etwas hervor, so sehe ich an der äußeren, der
Bauchwand zugekehrten Seite der Kapsel einen Riß, der in
manchen Fällen so groß ist, daß er sich von dem einen bis zum
anderen Längsrande der Milz hinzieht. Nie sah ich Längsrisse,
sondern stets Querrisse.
Aus diesem Riß ist nicht nur das Blut in die Bauchhöhle
geflossen, auch die Milzpulpa ist zu einem Teil nachgeströmt.
Sie bildet eine dünnbreiige oder dickflüssige Masse,
ähnlich wie beim Milzbrand; doch es ist die Farbe der
Milzpulpa nie dunkel- oder schwarzrot, sondern stets
braunrot oder braungraurot. Ich hebe dies besonders
hervor, weil es immerhin schon einigen Anhalt in differential¬
diagnostischer Beziehung bietet. Den Grund für die Farben¬
abweichung werde ich später angeben. Vielleicht darf ich hier
folgendes einschalten:
Dieselbe Krankheitsursache, von der ich später berichten
will, kann auch einen schnellen Tod durch Herzlähmung herbei¬
führen, ohne daß es erst zur Milzruptur und Verblutung kommt.
Ich beobachtete dies an 3 Rindern und konnte gerade hieraus
folgern, daß ein besonderer Infektionsstoff das wirkende Agens
sein muß. In solchen Fällen von Herzlähmung ohne Verblutung
fehlen natürlich die charakteristischen Erscheinungen der
letzteren. Es ist dann die Milz noch stärker geschwollen, zeigt
aber im übrigen die oben beschriebenen Veränderungen.
Die Leber ist etwas geschwollen, ihre Ränder sind ab¬
gerundet, ihre Farbe ist graugelb oder gelblich-braun, ihre
Konsistenz weniger derb, die Acini, kaum vergrößert, lassen
eine leicht icterische Färbung erkennen.
Die Nieren weisen eine leichte Schwellung der Rinden¬
schicht auf; ihre Farbe ist graurot oder braunrot.
Der Ham in der Harnblase ist klar, seine Farbe erinnert
an die des hellen Bernsteins. Blutigen oder dunkelroten
Harn sah ich in den Fällen nie.
Die Lungen sind puffig, in allen Teilen lufthaltig, von
blasser Farbe, wie bei geschlachteten Tieren, die Schnittfläche
ist feucht, glänzend, aus den Luftwegen fließt leicht rötlicher
Schaum, das Produkt des Lungenödems.
Der Herzbeutel ist nicht verändert, in ihm befindet sich
zuweilen ein leicht dunkelroter, seröser Erguß in der Menge
von einigen Eßlöffeln.
Der Herzmuskel erscheint schlaff und welk, seine Farbe
ist grau mit einem Stich ins Gelbliche, seine Konsistenz mürbe
und brüchig. Die Muskelfasern sind feucht, trüb und glanzlos.
Diese Veränderungen am Herzen sind besonders deutlich bei
den Tieren, die ohne Verblutung an Herzlähmung eingingen.
In der dilatierten rechten Herzkammer findet man in solchen
Fällen dünnes, wäßriges, lackfarbenes Blut.
3. September 1908.
Die Knochenmnskulatur ist in manchen Fällen kaum
verändert, in anderen aber auffallend schlaff und welk, trübe
und glanzlos, die Farbe ist graurot oder gelbrot und läßt das
frische Rot gesunden Fleisches vermissen. Diese Erscheinungen
sind weniger ausgeprägt bei den Fällen reiner Herzlähmung.
In wenigen Fällen sah ich im Unterhautgewebe sulzige
Anschwellungen von geringer Ausdehnung, deren Farbe schwach
dunkelrot oder auch mehr gelblich war.
Ich muß aber besonders betonen, daß in manchen
Fällen, abgesehen von der Milz, Organveränderungen
fast gänzlich fehlen.
4. Differentialdiagnose.
Kurz will ich hier erwähnen, daß bei Rindern wohl auch
Milzruptur eintreten kann durch einen mechanischen Einfluß,
dabei werden die Organ Veränderungen wie auch die Ver¬
änderungen in der Beschaffenheit des Blutes, besonders der
roten Blutkörperchen, fehlen müssen.
Ich habe aber bisher keinen Fall gesehen, in
welchem ich einen mechanischen Einfluß als Ursache
der Milzruptur und der inneren Verblutung mit Sicher¬
heit beschuldigen konnte.
Ähnliche Veränderungen an der Milz, wie die oben be¬
schriebenen, sieht man auch beim Milzbrand. Die Ab¬
weichungen in der Farbe, das Fehlen sonstiger für Milzbrand
charakteristischer Erscheinungen, vor allem das Fehlen der
Milzbrandbazillen wird hier entscheidend sein. Schon die
deutlich in die Augen springende Blässe der Schleimhäute wird
bei der ersten Beobachtung einen Fingerzeig geben. Mehr
Vorsicht ist aber geboten bei Todesfällen an Herzlähmung ohne
Verblutung. Hier wird ein sicheres Urteil nur die mikroskopische
Untersuchung liefern können. Was ich dabei gefunden habe,
will ich im nächsten Kapitel erläutern.
5. Mikroskopischer Befund, Ursache und Veranlassung der Milzruptur.
Die parenchymatöse Entzündung der Organe und
die offensichtliche Erkrankung des Blutes mußten
den Verdacht auf einen infektiösen Ursprung der
Krankheit hinlenken. Ich färbte daher verschiedene Deck¬
glaspräparate mit schwacher Gentianaviolett-Lösung und sah
dann folgendes:
Ganz vereinzelt lagen im Gesichtsfelde verstreut Bakterien
verschiedener Größe und Gestalt, wenn ich von der Bauch¬
höhlenflüssigkeit oder dem Milzinhalt Präparate vor mir hatte;
in Blutpräparaten, einer Vene entnommen, fehlten die Bakterien.
Ich werde daher diese vereinzelten Bakterien als Verunreinigungen,
aus Magen und Darm stammend, ansprechen können.
In allen Präparaten war die Veränderung der
roten Blutkörperchen, der Erythrocyten, am meisten
auffallend. Diese zeigten zu 50—80, ja in einigen Präparaten
zu über 90 Proz. eine Veränderung der Form und des Aussehens.
In etwas älterem und stärker gefärbtem Material hatten sie
die sogenannte Stechapfelform angenommen. In mehr frischen
Präparaten und leichter erkennbar bei schwächerer Färbung,
fand ich in den roten Blutkörperchen kleine, runde, ovale,
bimförmige, ungefärbte, stark glänzende, lichtbrechende Körperchen
mit einem Durchmesser von t/ 2 —2 v, zwischen den Blutkörperchen
auch größere Gebilde von rundlich ovaler, vereinzelt auch halb¬
mondförmiger Gestalt, welche fast die Ausdehnung der Erytro-
cyten erreichten. Von diesen letzten größeren Gebilden zeigten
einige eine feine Körnung mit leichter Färbung, während andere
(527
gänzlich ungefärbt waren. In einigen war noch ein deutlich
erkennbares, sehr kleines Pünktchen zu sehen, das meist genau
im Zentrum lag.
Die roten Blutkörperchen enthielten in dep Regel nur einen
solchen lichtbrechenden Parasiten, dagegen konnte ich in einigen
Leukozyten mehrere, ja bis zu 17 erkennen. Nicht alle Para¬
siten saßen im Innern der Blutkörperchen oder schwammen in
der freien Masse, sondern einige schienen am Rande, an der
Außenseite der Blutkörperchen zu sitzen, als ob sie sich diesen
angeklammert hatten.
Es handelt sich hier also ohne Frage uhi eine Infektion
mit kleinen tierischen Lebewesen, mit Protozoen, wie
sie gefunden werden beim Texasfieber (Smith), dem Blutharnen
der Rinder (Jackschath und Ziemann), bei anderen für uns
weniger wichtigen Infektionskrankheiten und Tropenseuchen, so
der südafrikanischen Pferdesterbe, der Nagana und Snrra-
krankheit, und wie sie vor allem gefunden werden bei der
Malaria des Menschen.
Bei dieser haben sie verschiedene Namen erhalten, Haema-
tozoon malariae (Laveran), Plasmodium malariae (Marchia-
j fova und Celli), Haematophyllum malariae (Metschnikoff),
Haemasporidium (Celli und Sanfelice). Smith spricht beim
Texasfieber vom Pyrosoma bigeminum, Patton vom Piroplasma
bigeminum.
Weil die mir zur Verfügung stehende Fachliteratur wenig
Aufklärung über das Leben, die Vermehrung, die Art der
Wirkung auf den tierischen Organismus dieser Protozoen bietet,
so schätze ich mich glücklich, durch die Liebenswürdigkeit eines
befreundeten Arztes in den Besitz eines umfangreichen Werkes
über Infektionskrankheiten gelangt zu sein. Es nennt sich
dies Werk: Die Deutsche Klinik am Eingänge des
zwanzigsten Jahrhunderts in akademischen Vor¬
lesungen. Herausgegeben von F. von Leyden und
F. Klemperer.
In dem n. Bande, der von den Infektionskrankheiten handelt,
hat F. Loeffler, Greifswald, die 21. Vorlesung über Malaria¬
krankheiten geschrieben, eine umfangreiche Arbeit von zirka
130 Seiten. Ich werde mich nun schön hüten und die Arbeit
eines Loeffler kritisieren, dennoch wage ich das zu sagen,
daß diese Vorlesung mich so leicht und zwanglos und dabei
so klar und umfassend in das Gebiet der Protozoenkrankheiten
eingeführt hat, daß ich nur jedem Kollegen, gerade auch dem
praktischen Tierarzt im einfachen Landstädtchen, empfehlen kann,
die Nase einmal recht gründlich in dieses Buch hineinzustecken.
Ist dies geschehen, so werden mich, hoffe ich, die Kollegen ver¬
stehen und mir beistimmen, wenn ich meinen Betrachtungen über
Milzruptur beim Rinde nachstehendes hinzufüge.
6. Kritische Bemerkungen.
Es ist meines Erachtens nicht berechtigt, von der
idiopathischen Milzruptur des Rindes, dem Blutharnen des Rindes
und vielleicht auch dem Texasfieber und anderen verwandten
Tropenseuchen des Rindes als von besonderen, verschiedenen
Krankheiten zu sprechen.
Auch die Malaria des Menschen tritt in den verschiedensten
Ländern und Weltteilen auf und hat bei ihren verschiedenen
Formen sicherlich zahllose verschiedene Bezeichnungen erhalten;
dennoch hat die Medizin alle diese Formen umfaßt mit dem
einen Namen Malaria. Mit dieser Malaria des Menschen
haben nicht nur die oben von mir angeführten Rinder-
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
628
No. 36.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
seuchen, sondern ganz besonders die von mir näher
beschriebene, als eine Infektionskrankheit, eine Seuche
gedeutete Krankheit, welche in' der Regel mit einer
idiopathischen Milzruptur mit folgender Verblutung
in die Bauchhöhle, in einzelnen Fällen mit einer
Herzlähmung endigt, eine ganz frappante Ähnlichkeit.
Protozoen bilden die gemeinsame Ursache. Im mikroskopischen
Bilde haben diese Parasiten mit denen der Malaria des Menschen
so vielerlei in ihrem Aussehen und ihrem Verhalten gemein, daß
sie sicherlich sehr, schwer zu unterscheiden sind. Es unter¬
liegt mir keinem Zweifel, daß ich in den untersuchten
Präparaten so ziemlich alle Formen gesehen habe, wie ich sie
von Loeffler bei der Malaria beschrieben finde, von den
kleinsten Entwicklungsformen bis zu den reifen Schizonten und
Gameten, und ich möchte annehmen, daß die größeren, stark
lichtbrechenden Körper, die frei zwischen den Blutkörperchen
schwammen, als Makrogameten, wenn groß und granuliert, als
Mikrogametozyten, wenn kleiner und ungranuliert, zu deuten sind.
Ich habe bisher keine Gelegenheit gehabt, kranke Rinder
vor dem Tode an Milzruptur zu beobachten. Ob wir hier
Quotidian-, Tertian-, Quartan- oder Aestivo-autumnal-Patienten
oder nach R. Koch nur drei Typen, die Tertiana, Quartana und
Tropica finden werden, soll die weitere Erfahrung lehren. Das
steht für mich fest, daß die Krankheit des Rindes, die
mit Milzruptur und Verblutung endet, genau gleicht
der malaria perniciosa des Menschen, bei welcher die
Kranken, wenn auch selten dem ersten Anfalle, wohl aber dem
zweiten oder dritten erliegen können. Auf Seite 692 des oben
zitierten Bandes schreibt Loeftler:
„Nach den neueren Forschungen kann die Ursache der
Perniziosität gesucht werden einmal in der Intensität der Infek¬
tion, d. h. in der Menge der im Blut vorhandenen Parasiten.
Wenn man bedenkt, daß Koch bis 80 Proz. sämtlicher Blut¬
körperchen eines Kranken von Parasiten befallen gefunden hat,
daß mithin ‘/ 5 der Blutkörperchen ihrer physiologischen Be¬
stimmung der Sauerstoffaufnahme mehr oder weniger entzogen
waren, so wird man verstehen, daß damit eine schwere Gefahr
für den ganzen Organismus verbunden sein muß. Da nun
ferner die Parasiten bei ihrem Wachstum das Hämoglobin der
Blutkörperchen verzehren und in Melanin umwandeln, so wird
bei dem Sporulationsprozeß dies corpus de reliquat in ungeheuren
Mengen im Blute kreisen und als tote Masse zu Verstopfungen
in allen möglichen Kapillargebieten mit allen ihren Konsequenzen
Anlaß geben können. ,l
Außerdem kommen wahrscheinlich noch in Frage giftige
Stoffwechselprodukte, welche bei dem Sporulationsprozeß außer
dem Melanin noch in die Blutbahn gelangen. Golgi sah bei
dem Reifungsprozeß der Parasiten, bei dem Zerfall in die ein¬
zelnen Teilstücke, den Rest des Blutkörperchens plötzlich blaß
werden. Er schloß daraus, daß ein Gift vermutlich gleichzeitig
mit der Sporulation und durch dieselbe frei wird.“
Damit haben wir einmal eine Erklärung für die
idiopathische Milzruptur, die auch bei der Malaria des
Menschen vorkommt (vgl. S. 694) und zugleich eine Er¬
klärung für die schnellen Todesfälle infolge Herzläh¬
mung ohne Milzruptur und Verblutung, ein Analogon für die
letzteren Fälle in den sehr gefährlichen algiden und synkopalen
Formen der Malaria (S. 693). Hier führt eben die starke Gift¬
wirkung auf den Herzmuskel einen schnellen Tod durch Lähmung
herbei. Daher bei der Sektion das schlaffe, graue, trübe Herz
mit stark dilatiertem rechten Ventrikel.
Ob es allerdings richtig ist, wenn Loeffler (S. 697) schreibt:
„Die Milz ist weich und erscheint wie ein mit schwarzen Blut¬
brei gefüllter Sack“, möchte ich in gelinden Zweifel ziehen.
Ich habe gefunden bei Rindern, daß der Blutbrei der Milz nie
schwarz, sondern braun oder graubraunrot ist. Das Blut
hat durch die Zerstörung der Erythozyten seine färbende
Kraft verloren und den Farbstoff offenbar zu einem
erheblichen Teil an das Serum abgegeben. Dies ist für
die Diagnose Milzbrand oder Malaria ein recht wesentlicher
Anhaltspunkt.
Auf weitere Ähnlichkeiten will ich z. Zt. nicht näher ein-
gehen, aber doch noch beiläufig erwähnen, daß schon die Be¬
zeichnungen Schwarz Wasserfieber des Menschen und Blutharnen
des Rindes zu einem Vergleich herausfordern. Allerdings spielt
nach Koch auf jeden Fall in den Tropen zurzeit das Chinin
als Gelegenheitsursache des Schwarzwasserfiebers die w r eit über¬
wiegende Rolle, und es sollen Malariaparasiten sehr häufig ganz
fehlen oder in gar keinem Verhältnis zur Hämoglobinurie stehen.
Bei diesen Worten werden uns Tierärzten aber wohl Zweifel
aufkommen dürfen, selbst einer Größe wie R. Koch gegenüber,
fehlt doch beim Blutharnen des Rindes dem Chinin durchaus
jede Bedeutung.
Wie die Ansteckung bei der Milzruptur des Rindes, der
malaria perniciosa des Rindes, erfolgt, ob hier Zecken, wie
Ixodes bovis beim Texasfieber (Smith), oder Anopheles-Arten,
wie bei der Malaria des Menschen (Koch), für die Entwicklung
und Übertragung in Frage kommen, vermag ich bisher nicht
zu entscheiden. Dies zu ermitteln, mag die Aufgabe unserer
Autoren und ihrer Hilfskräfte sein.
Wir Tierärzte in der Praxis haben aber nicht minder die
Pflicht, alles dranzusetzen, die Frage der Piroplasma-Ittfektionen
bei unseren Haustieren lösen zu helfen. Dazu ist zunächst
erforderlich, daß ein jeder in seinem Bereich einmal genauer
Umschau hält. Werden meine Wahrnehmungen Bestätigung
finden und trifft meine Vermutung zu, daß auch in andern
Gegenden die idiopathische Milzruptur, oder sagen wir kurzweg
die Malaria des Rindes, erhebliche Opfer fordert, so wird es
dringend nötig sein, daß die Veterinärpolizei und
die Sanitätspolizei die Bekämpfung der Seuche ein¬
leiten! Ich denke hier vorerst nicht an lange Sperren usw.,
denke auch nicht daran, den Privattierärzten ein neues Feld
ihrer Tätigkeit zu nehmen; aber ich halte es für eine wichtige
Aufgabe aller Tierärzte, einmal unsere Wissenschaft zu be¬
reichern und zweitens unser ganzes Wissen und Können einzu¬
setzen, die deutsche Landwirtschaft, unsere Nährmutter, vor
neuem Schaden durch neue Seuchen nach Möglichkeit zu be¬
wahren.
Dazu ist absolut erforderlich eine gesetzliche
Maßnahme, nach der wir berechtigt und verpflichtet
sind, Seuchenkadaver der erwähnten Art unschädlich
zu beseitigen und eine Desinfektion in die Wege zu
leiten.
Es läßt sich gegen eine solche Bekämpfung anführen, daß
die mit dem Blute nach außen gelangten Parasiten der Malaria
des Menschen sich nur kurze Zeit lebensfähig erhalten, aber
nicht vermehren können, und eine direkte Übertragung der
Parasiten durch blutsaugende Insekten von kranken auf gesunde
3. September 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 629
Menschen für die Verbreitung der Malaria nicht in Frage kommt
(Loeffler). Sie vermehren sich einzig und allein in den
Anopheles (Koch). Bei der Malaria des Rindes läßt sich aber
die Möglichkeit einer direkten Übertragung durch Insekten nicht
prinzipiell ausschließen, da die Trypanosomen der Ratten durch
Flöhe, die der Nagana durch die Tsetsefliege in dieser Weise
weitergeschleppt werden.
Ob die Malariaparasiten sich längere Zeit im Wasser
lebensfähig erhalten und durch Aufnahme per os zu neuen Er¬
krankungen führen können, ist eine Frage, die bei der Malaria
des Menschen noch als unentschieden gilt. Wir können deshalb
eine solche Übertragungsmöglichkeit auch beim Rindvieh nicht
ohne weiteres von der Hand weisen.
In sanitätspolizeilicher Hinsicht konnten bisher Zweifel
bestehen, wie das Fleisch der an Milzruptur gefallenen Rinder
zu beurteilen sei. Kannte man fiir die Milzruptur nur eine
mechanische Ursache, nahm man einen Unglücksfall an, so war
das Fleisch gemäß §§2,1 und 33,2 B. B. A als vollwertig oder
minderwertig abzustempeln, wenn die Tiere unmittelbar nach dem
plötzlich erfolgten Tode ansgeweidet waren und irgendwelche
Abweichungen an Organen und Fleisch nicht vorzufinden waren.
Wissen wir jetzt, daß eine Protozoen-Infektion die Ursache
einer Allgemeinerkrankung ist, die bei schnellem, perniziösen
Verlauf zur Milzruptur und Verblutung (event. Herzlähmung)
führt, so ist damit der Fleischbeschau der einzig gangbare Weg
genau vorgezeigt, sie hat das Fleisch dem Konsum zu
entziehen.
Der § 33 B. B. A wird dahin zu ergänzen sein.
Vor allem werden wir auch zu ermitteln haben, ob in den
Beständen, in denen Rinder an Milzruptur fallen, andere Tiere
ebenfalls Parasitenträger sind, wenn sie auch bei klinischer Be¬
trachtung keine verdächtigen Symptome zeigen. Dies würde
wohl zu dem Schluß berechtigen, daß das Rind eine große
Widerstandskraft gegen diese Protozoen besitzt, wenn nur die
Tiere eingehen, deren rote Blutkörperchen fast vollständig zer¬
stört sind. Aufschluß geben müssen hier die Blutuntersuchungen.
Um bei Anfertigung frischer Blutpräparate eine schnelle Fixierung
herbeizuführen, empfiehlt Loeffler (S. 701) das zwischen
den Fingern gehaltene Deckglas dreimal durch die Flamme zu
ziehen. Zur Färbung empfiehlt Loeffler alkalische Methylenblau¬
lösung:
100 ccm einer Kalilösung 1:10000,
30 ccm konz. alkoholischer Methylenblaulösung.
Sahli und Manson empfehlen:
Methylenblau 1 g (2),
Borax 2'/a g (5),
Wasser 100.
Zur DoppelfÜrbung empfiehlt Plehn:
60 ccm konz. wässeriger Methylenblaulösung.
20 ccm Vaproz. Eosinlösung in 75proz. Alkohol,
40 ccm Aqu. dest.,
12 Tropfen 20proz. Kalilauge.
Dauer dieser Färbung nach Plehn 1 bis 5 Minuten. Die
schönste Färbung soll die nach Romanowsky liefern, der
basisches Methylenblau mit saurem Eosin mischt, und zwar
1 Teil konz. Methylenblaulösung, +
2 Teile 1 proz. wässeriger Eosinlösung.
Wem es in der Praxis geht wie mir, bar ist fast aller
Hilfsmittel, der mag sich behelfen mit einer schwachen Gentiana-
violettlösung, und er wird auch so die glänzenden, stark licht¬
brechenden Körperchen sehen können, wenn er nur das Auge
fleißig übt.
Trifft meine Vermutung zu, daß in den verseuchten Be¬
ständen noch mehr Bazillenträger zu finden sind, so werden wir
nicht säumen dürfen mit Versuchen, ob das Serum solcher Rinder
gute Dienste leisten kann nicht nur bei der Malaria deB Rindes,
sondern vor allem auch bei der Malaria des Menschen.
Der Stabsarzt in der Kaiserlichen Schutztruppe in Deutsch-
Süd west-Afrika, Dr. Kuhn, glaubt in dem Blutserum der Pferde,
welche die sogenannte Pferdesterbe überstanden haben, „gesalzen“
sind, einen neuen Schutzstoff gegen die Malaria des Menschen
gefunden zu haben. Loeffler hegt Zweifel an dieser Kuhn sehen
Behandlungsmethode, weil es das erste Beispiel dafür wäre, daß
eine Infektionskrankheit des Menschen durch das Serum eines
an einer anderen Krankheit leidenden Tieres geheilt werden
könnte (S. 763).
Die Ähnlichkeit zwischen der Malaria des Menschen und
der idiopathischen Milzruptur des Rindes ist anscheinend größer
als die zwischen Malaria und Pferdesterbe. Möge das Serum
der in Frage kommenden Rinder eine ähnliche oder
gar noch bessere Wirkung haben, 'als das Kuhnsche
Pferdeserum. Das wäre der schönste Lohn meiner
Arbeit! Auffallend und meines Erachtens viel ver¬
sprechend ist ja, daß die fraglichen Rinder bei Leb¬
zeiten und kurz vor dem Tode völlig gesund erschienen.
Nachschrift: Die Veröffentlichung des Kollegen Sonnen¬
berg* Nordhausen über Piroplasmosis der Schafe in der heutigen
Nummer der B. T. W. veranlassen mich, meine Beobachtungen
bei der fraglichen Rinderseuche schon jetzt bekannt zu geben,
obwohl ich weiß, daß meine Arbeit noch lückenhaft ist. Möge
man kleine Mängel verzeihen; es sind die Gedanken, es ist die
Arbeit eines vielbeschäftigten Tierarztes, nicht die Arbeit eines
wissenschaftlichen Instituts!
Zur Schutz- und Heilimpfung mit polyvalentem
Kälberruhrserum (L. W. Gans).
Nachtrag.
Von Stabsveterinär Dr. Goldbeck.
Wie vorauszusehen, hat der Artikel des Herrn Kollegen
Räbiger weitere Verbreitung in Form von Referaten gefunden.
So lese ich ein solches in der Deutschen landw. Presse Nr. 66:
Kreistierarzt Räbiger hatte schon vor Jahresfrist über
Impfungen berichtet, die er selbst ausgeführt hatte: aus
zeitlichen und pekuniären Gründen hat er sich in der
Folge damit begnügt, nur das Vorhandensein der
Kälberruhr durch Untersuchung und Sektion festzu¬
stellen und dann den betreffenden Besitzern den Impf¬
stoff selbst abzugeben zugleich mit den nötigen An¬
weisungen über seine Verwendung. Es folgt dann ein
Auszug des Artikels.
Aber ich kann noch weiteres Material liefern. In Nr. 33
der sehr geachteten und weit verbreiteten, in Eberswalde er¬
scheinenden „Deutschen Güter-Beamten-Zeitung“ steht auf
Seite 327 ein Artikel des Herrn S. Ney, Inspektor in Nieder-
Stradam, betitelt „Sichere Rettung vor Kälbersterben“. Wie
aus demselben hervorgeht, bezog genannter Herr Inspektor
**
630
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
von der Firma Ludwig Wilhelm Gans, Pharmazeutisches
Institut in Frankfurt a. M., polyvalentes Serum gegen Ruhr,
wie das gegen septische Pneumonie, impfte damit seihstund,
wie er schreibt, mit gutem Erfolge.
Kollegen, welche diesen Artikel (der wohl demnächst in
anderen landwirtschaftlichen Zeitungen in Form von Referaten
erscheinen wird) lesen, werden vielleicht überrascht sein, daß
hier auch der Kreistierarzt die Impfung aus der Hand gab.
Allerdings hat er den „Rat“ zur Desinfektion erteilt, der auch
befolgt wurde. Ob Landwirte, die einmal selbständig mit Serum
gearbeitet haben, den Tierarzt in der folgenden Kalbeperiode
nochmals zuziehen werden, möchte ich bezweifeln. Ich bezweifle
dies um so mehr, als die Firma L. W. Gans in einer mir vor¬
liegenden Gebrauchsanweisung die Landwirte eingehend belehrt,
wie die Einspritzungen vorzunehmen sind. Mir liegt die Seite 1559
der „Zeitschrift für die Landwirtschaftskammer für die Provinz
Schlesien“, Jahr 1906, vor, mit einem Artikel: „Impfmittel
gegen die Ruhr und gegen die septische Pneumonie der Kälber“.
Da die Gebrauchsanweisung doch nur vom Fabrikanten aus¬
gehen kann, ist es interessant, zu lesen, daß nicht nur Serum
und Spritze zum Bezug angeboten wird, es wird auch gesagt,
daß das Serum mittelst sterilisierter Spritze seitlich am Halse
unter die Haut eingespritzt wird, wie die Impfstelle zu reinigen
ist, und wie die Sterilisation der Spritze zu erfolgen hat. Daß
man bei der Vornahme der ganzen Prozedur einen
Tierarzt braucht, ist nicht gesagt.
Der gebildete Landwirt wird sich von den selbständigen
Impfungen bald wieder abwenden — ich habe das in Schlesien
bei den Rotlanfimpfungen selbst gesehen er merkt bald, daß
die bessere Durchführung der Impfung seine eigene mangelnde
Kenntnis, es für ihn zweckmäßiger erscheinen lassen, den Sach¬
verständigen zu Rate zu ziehen. Nicht so die Schäfer, Stall¬
schweizer, Tierheilkundigen. Sind diese einmal mit dem Gebrauch
der Impfspritze vertraut, so werden sie auch bald bei anderen
Krankheiten als den genannten impfen. Es dürfte besser sein,
rechtzeitig dem vorzubeugen, als sich auf ev. spätere gesetz¬
liche Maßregeln zu vertrösten.
Referate.
Angeborene genitale Mißbildung und Schleimverhaltung
in der Gebärmutter und der Scheide.
Von Professor Moussu.
(Uecueil d’Alfort, 16. Februar 1908.)
Im August 1907 wurde eine etwa 18 Monate alte Kalbin,
Normänder Rasse, der Rinderklinik in Alfort zugeführt, die
folgende Krankheitssymptome zeigte. Nachdem sie einige
Augenblicke ruhig da gestanden hat, hebt sie den Schwanz
mäßig in die Höhe, als ob sie Kot absetzen wollte, stellt sich
mehrmals nach einander zum Harnen hin und drängt dabei so
stark, daß der After weit hervortritt und auch die Scham
etwas nach hinten gedrückt wird. Bei jedem Drängen kommt
eine kleine Menge Kot heraus und nur einige Tropfen Harn.
Im Stalle dauert dieser Zustand in einem zu fort und die
Kalbin hat keine Rast und keine Ruh, so daß es den Anschein
hat, als ob sie am Verwerfen oder am Gebären wäre, was aber
nicht der Fall sein kann, da sie noch nie beim Stier war und
sich diese Symptome schon seit mehreren Wochen zeigten.
Der Appetit ist gering, die Atmung regelmäßig, eher etwas
verlangsamt, die Blutzirkulation und die Temperatur normal.
Hingegen sind die Funktionen des Nervensystems und des Harn-
und Geschlechtsapparates sehr gestört. Die Kalbin steht unter
der Einwirkung von sehr heftigen intermittierenden Austreibungs¬
reflexen, welche sich in unregelmäßigen Zwischenräumen, oft
schon nach einigen Minuten wiederholen.
Die Scham ist klein, sehr eng und nicht normal. Bei der
Exploration des Mastdarms, die nur unter großer Anstrengung
vor sich geht, wird folgendes gefunden. Er verläuft in der
Richtung nach oben und ist in der Kreuzbeingegend von nnten
her plattgedrückt, so daß nur die flache Hand weiter Vordringen
kann. Oben verläuft er direkt unter dem Beckengewölbe, von
unten schlängelt er sich entweder rechts oder links an der
Seitenwand des Beckens entlang. Die Hand fühlt ganz deutlich,
daß etwa 20 cm vom After entfernt, der ganze Beckenraum
mit einer länglichen, harten, fest gespannten und regelmäßig
abgerundeten, zylindrischen Masse angefüllt ist, welche weder
nach rechts noch nach links verschoben werden kann. Wird
mit der Hand etwas weiter nach vorn gegen die Bauchhöhle
zu gegangen, was nur mit Mühe vor sich geht, so stößt sie
auf die beiden Gebärmutterhörner, welche sich wie zwei arm¬
dicke Blutwürste von gleichem Durchmesser, die zum Platzen
gespannt und etwas nach vorn in der Bauchhöhle vorgelagert
sind, dahinziehen. Es steht jetzt für den Verfasser fest, daß
diese enorme Masse in der Beckenhöhle nichts anderes ist, als
der deformierte, stark verlängerte und übermäßig ausgedehnte
Gebärmutterkörper nebst dem vorderen Abschnitt der Scheide.
Diese Teile der Geschlechtsorgane sind so ausgeweitet, daß
sie eine kurz bevorstehende Geburt, bei der der Kopf des Fötus
gerade am Erscheinen ist, Vortäuschen.
Nach der Exploration des Mastdarms geht der Verfasser
zur Untersuchung der Scheide über, die nur mit einiger An¬
strengung vor sich geht, da die sehr enge und kleine Scham
vorerst nur zwei Finger hindurchläßt. Der Ausführungsgang
des Harnkanals findet sich am richtigen Platze vor, aber gerade
vor diesem verengt sich die Scheide und geht in eine kegel¬
förmige Spitze aus, die gerade so weit vom Ausführungsgang
liegt als dieser von dem unteren Schamwinkel. Durch die
Exploration wird festgestellt, daß die Scheide aus zwei voll¬
ständig von einander abgeschlossenen Segmenten besteht, aus
3. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
631
einem nach vorne blind endenden hinteren Scheidensegment und
einem vorderen Scheidensegment.
Die Diagnose lautet jetzt: Genitale Mißbildung mit Nicht¬
perforierung der Scheide, kompliziert mit Verhaltung der
Sekretionsprodukte der Uterus- und Scheidenschleimhaut in einem
von allen Seiten verschlossenen Genitalsack.
Die genitale Mißbildung findet ihre Erklärung in den Lehren
der Embryologie. Das die Scham bildende Invaginationsinfundi-
bulum ist teilweise atrophisch geblieben, da es in seiner Ent¬
wicklung gehemmt worden ist, zu einer Zeit, in der die Aus¬
sackung der Scham das hintere Ende des Genitalschlauches
noch nicht berührt hatte. Eine Verbindung zwischen den beiden
Segmenten ist daher nicht zustande gekommen und hat sich
infolgedessen die Scheide nicht regelmäßig bilden können. In
der ersten Lebenszeit, in welcher sich die Geschlechtsorgane
nur vegetativ entwickeln, kommt es bei diesen Tieren noch zu
keinen Störungen, und stellen sich solche erst mit dem Beginn
des Geschlechtslebens ein. Während der Brunstperiode tritt
eine starke Hypersekretion der Schleimhaut auf und da bei der
vorhandenen Mißbildung der Schleim keinen Ausweg findet, so
sammelt er sich in den Gebärmutterhörnern, in der Gebärmutter
und der Scheide an, treibt deren Wandungen durch seine An¬
sammlung auseinander und wird schließlich im Becken zum
Hindernis frir den Kotabsatz und die Harnentleerung.
Nach der Ansicht des Verfassers ist es allein das stark aus¬
gedehnte vordere Segment der Scheide, welches fast die ganze
Beckenhöhle eingenommen und dadurch den Abgang des Kotes
und des Harns erschwert hatte, gewesen, welches die Reflexe
zum Drängen hervorgerufen hat, die eine beginnende Geburt
vortäuschten. Sobald sich diese falschen Wehen zum Entleeren
der Scheide und der Gebärmutter einstellen, nimmt die Freßlust
bei den Tieren ab, und durch die immerwährenden fruchtlosen
Kraftaufwendungen werden die Kräfte vergeudet, was wie bei
manchen Schwergeburten den Tod zur Folge hat.
Im beschriebenen Falle hat der Verfasser durch einen
operativen Eingriff den Inhalt der Geschlechtsteile entleert und
eine regelrechte Verbindung der abgeschlossenen Partie mit der
Außenwelt hergestellt. Da die Schamöffnung zu klein war, um
mit der Hand in die hintere Partie der Scheide hineinzukommen,
so hat er zuerst mit einem kleinen Spekulum die Scham ge¬
waltsam erweitert. Er hat dann die Kalbin im Stehen fest-
halten lassen und einen etwa 30 cm langen Trokar, wie er bei
der Punktion des Perikards gebraucht wird, in horizontaler
Richtung mit den Fingern eingeführt und damit einen Einstich
in die überdehnte Scheide gemacht. In heftigem Strahle sind
sofort etwa 12 bis 13 Liter eines graugelben, ziemlich flüssigen
Eiters von eigenartigem Geruch herausgeflossen, worauf Bich die
Kalbin sofort beruhigt hat.
Wenn die Tiere nur gemästet werden sollen, um nach der
Mast zum Schlachten verkauft zu werden, so genügt dieser
Eingriff allein schon, weil sich die Organe in der kurzen Zeit
bis zur Schlachtung nicht wieder anfüllen. Sollen die Tiere
aber eine längere Zeit gehalten werden, — als Zuchttiere sind
sie der Mißbildung wegen nicht zu gebrauchen, — so muß, wie
es der Verfasser bei der Kalbin getan hat, noch eine weitere
Operation vorgenommen werden. Er hat die Hand mit Gewalt
in die Scheide eingeführt und die EinBtichstelle erweitert, dadurch
daß er zuerst einen Finger dann mehrere durch sie hindurch¬
gesteckt hat und schließlich die ganze kegelförmig geformte
Hand hindurch geführt hat, was natürlich nur unter großen
Schmerzen des Tieres vor sich ging. Durch ein vorheriges
Auspinseln der Scheidenschleimhaut mit Kokain könnten diese
etwas gemildert werden, und wäre es auch möglich, die Erweite¬
rung der Operationswun4e mit einem extra dazu konstruierten
Dilatator zu machen.
Nachdem nun eine weite Öffnung zwischen den beiden
Scheidensegmenten geschaffen war, hat der Verfasser die ganze
Scheide mittelst eines wie ein Pfropfenzieher aufgerollten langen
Jodoformgazestreifens drainiert, den er so weit wie möglich nach
vorn hinführte und dessen Ende er bis zur Scham reichen ließ.
Schon nach drei Tagen war das operierte Tier wieder ganz
munter, fraß reichlich und blieb bis zum Schlachten gesund.
Untersuchungen über die Agglutination des Rotzbazillus
Inaugnral-Dissertation (veterinär-medizin. Doktorwürde, Zürich).
Von Dr. med. vet. Sustmann, Unterveterinär und Ass'stent am
Pathologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden.
Im pathologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule
zu Dresden hat unter der Leitung des Herrn Direktor Medizinal¬
rat Prof. Dr. Joest der Kollege Sustmann eine hochwissen¬
schaftliche, vollkommen gelungene umfangreiche Arbeit bekannt
gegeben, die sich zu einem Referat kaum eignet. Deshalb
möchten die Ausführungen im Original eingesehen werden, da
hier nur das Wissenswerte für den praktischen Tierarzt Platz
finden kann.
Nach einer kurzen Einleitung bespricht Sustmann die
Technik der Agglutination bei der Rotzkrankheit. Die makro-
und mikroskopischen Untersuchungen der Agglutination lehnen
sich den von Herrn Geh. Rat Prof. Dr. Schütz, als des besten
Kenners der Rotzkrankheit unter den tierärztlichen Autoren,
in der Hauptsache an.
Der Verfasser beschreibt seine eigenen Untersuchungen
mit Nachprüfung und Kontrolle, ferner die Versuchstechnik,
Rotzkulturen, Testflüssigkeit, Beurteilung der Proben und das
Ergebnis der Agglutinationsversuche. Pferde, deren Serum
makroskopisch in Verdünnung 1:400 agglutiniert, sind als nicht
rotzig, und solche, deren Serum in der Verdünnung 1:1000
agglutiniert, als rotzig anzusehen. Pferde, deren Serum in der
Verdünnung über 1:500 agglutiniert, sind als rotzverdächtig,
und wenn sie gleichzeitig noch klinische Erscheinungen des
Rotzes bieten, so sind sie als rotzig zu betrachten. In zweifel¬
haften Fällen ist nach drei Wochen die Nachprüfung einer
weiteren Blutprobe notwendig. Der Verfasser beschreibt dann
die Agglutinationsprüfung bei gesunden und solchen Pferden,
die an anderen Krankheiten als Rotz gelitten haben, sowie das¬
selbe von malei'nisierten. Nun schließt sich die Agglutinations¬
prüfung des Serums rotziger Pferde an und die Sektionsbefünde
von vier Pferden, sowie die pathologisch-anatomische Diagnose.
Die vier rotzigen Pferde wurden mit Maliern geimpft; die
Reaktion ist auf Tafeln ersichtlich. Zum Schluß wird das vom
Verfasser gefundene Ergebnis in 17 Sätzen zusammengefaßt,
welches hier auszugsweise folgt:
1. Das Serum gesunder Pferde agglutiniert den Rotzbazillus
in Verdünnung bis 1:500. Das Geschlecht der Pferde hat
keinen Einfluß.
2. Das Serum drusekranker Pferde zeigt nicht selten
Agglutinations werte gegenüber dem Rotzbazillus, die die
Grenzen von 1: 500 übersteigen.
632
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
3. Ebenso kann auch das Serum tuberkulöser Pferde den
Rotzbazillus in Verdünnungen, die über 1 :500 liegen, agglu-
tinieren. t
4. Der Agglutinationswert des Serums rotz'ger Pferde
gegenüber dem Rotzbazillus ist verschieden hoch. Stets liegt
er jedoch über den Grenzen von 1:500.
5. Der Agglutinationswert des Serums gesunder Pferde
gegenüber dem Ratzbazillus wird durch die Malleiuisation
gesteigert. Die Steigerung ist schon am dritten Tage nach der
Malleininjektion nachweisbar und hält sich bis zu fünf Monaten
auf der erreichten Höhe.
6. Die Höhe des Agglutinationswertes gesunder Pferde
steht mit dem Alter der Tiere in einem gewissen Zusammen¬
hang, d. h. der Wert ist im Durchschnitt um so viel niedriger,
je jünger das Tier ist, und mit dem Ende des zweiten Lebens¬
jahres findet eine weitere Steigerung des Agglutinationswertes
nicht statt.
7. Zwischen arteriellem und venösem Blut besteht ein
Unterschied im Agglutinationswert nicht.
8—16. Diese Sätze behandeln die Haltbarkeit des Serums,
den Einfluß der Temperatur usw.
17. Die makroskopisch wahrnehmbare Agglutination beginnt
nicht immer bei den stärksten Konzentrationen, vielmehr oft in
den mittleren Verdünnungen. Der Agglutinationsvorgang nimmt
jedoch, wie die mikroskopische Beobachtung zeigt, in den
stärkeren Serumkonzentrationen seinen Anfang.
Die außerordentlich umsichtigen Agglutinationsprüfungen
des Serums sind auf 16 Tabellen anschaulich zusammengestellt.
Die Literaturangabe enthält 99 Nummern. Die fragliche
Dissertation ist für 2 M. in der Hofbuchdruckerei von Bock
in Kahla (Sachs.-Altenburg) zu haben.
Korpsstabsveterinär Waith er-Leipzig.
Experimentelle Untersaehungen betreffend die bazilläre
Psendotnberknlose der Schafe nnd deren Übertragungs¬
fähigkeit auf andere Tiergattungen.
(Inaugural-Dissertation Bern 1908.)
Von Amtstierarzt Noack-Dresden.
Verf. hat die bei Schlachtschafen relativ häufig vorkommende I
doch bisher wenig gewürdigte bazilläre Pseudotuberkulose in
ätiologischer, klinischer und pathologisch-anatomischer Richtung,
sowie in bezug auf Übertragungsfähigkeit auf andere Tier¬
gattungen und sanitätspolizeiliche Beurteilung des Fleisches be¬
arbeitet und faßt die Hauptergebnisse seiner Untersuchungen
und Versuche, bezüglich deren Einzelheiten auf die Abhandlung
selbst zu verweisen ist, in folgenden Sätzen zusammen.
1. Der Infektionserreger ist ein morphologisch verschieden
anftretendes Stäbchen, welches mit seiner Gestalt auch seinen
Virulenzgrad wechselt.
2. In der hochvirulenten Form präsentiert sich der Bazillus
als kleines, kurzes, an den Enden abgerundetes und daher ovoid
erscheinendes Stäbchen von ca. 1 t* Länge und ca. 0,4 n Breite
und findet sich als solches in den pathologischen Veränderungen
der weichkäsigen Form empfänglicher Tiergattungen, sowie in
jüngeren Kulturen auf gute Entwicklungsbedingungen bietenden
Nährböden.
3. In der schwach virulenten Form erscheint der Bazillus
als Langstäbchen (bis ca. 3 u Länge), und als solches in den
trocken-käsigen und kalkigen Erkrankungsherden empfänglicher
Tiere, in älteren Kulturen auf günstigen und frischen Kulturen
auf ungünstigen Nährböden, in letzten beiden Fällen mitunter
zu längeren (bis ca. 20 <u) Fäden auswachsend.
Kurz- und Langstäbchen- sowie Übergangsformen können
nebeneinander Vorkommen.
4. Die spontane Infektion der Schafe erfolgt durch den
Respirations- und Verdauungsapparat und durch Läsionen
der Haut.
Die künstlichen Infizierungsversuche sprechen ftir Häufigkeit
der beiden ersteren Aufnahmewege.
5. Der Ansteckungsstoff läßt sich auch auf solche Tier¬
gattungen, welche spontan nicht zu erkranken pflegen, mehr
oder minder erfolgreich übertragen.
6. Die Infektionserreger sind nicht zerstörbar durch hohe
Kältegrade, leicht zerstörbar durch höhere Hitzegrade, besitzen
eine mäßige Widerstandsfähigkeit gegen chemische Agentien,
während langdauemde Eintrocknung nur ihre Virulenz zu
schwächen vermag.
7. Die Angaben von Nocard und Leclainche bezüglich
der Identität des Bazillus mit dem Erreger der ulzerösen
Lymphangioitis und der Acne contagiosa der Pferde konnten
Bestätigung nicht finden.
Bezüglich der sanitätspolizeilichen Beurteilung des Fleisches
verlangt N. mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer Übertragung
auf den Menschen bei der Pseudotuberkulose dieselbe Behandlung
des Fleisches wie bei echter Tuberkulose. N.
Resultate einer Tuberkniin-Impfung.
Von K. Ländler, königl. ung. Tierarzt.
(Allatorvosi Lapok 1900, Nr. 12.)
Im Jahre 1905 reagierten in einem Meierhofe 80 Proz.
der Kühe, worauf das Bang sehe Verfahren eingeleitet wurde,
und in drei Jahren war der Kuhstall frei von der Tnberkulose;
bei der letzten Tuberkulin-Impfung reagierte keine einzige
Kuh. Die früher reagierten Kühe wurden abgemolken, ge¬
mästet und bei den jetzigen hohen Fleischpreisen gut verkauft.
Die frisch eingestellten mußten selbstverständlich alle erst die
Tuberkulinprobe durchmachen und nur die nicht reagierenden
| wurden behalten.
Bei 35 Kälbern machte man in derselben Domäne mit dem
Behringschen Bovovaccin einen Versuch. Nach zwei Monaten
mußten ein geimpftes Kalb infolge Bronchialkatarrh, zwei
weitere wegen Magen- und Darmkatarrh notgeschlachtet werden,
von den übrigen reagierten zwei auf Tuberkulin, welche
aber vor der Vaccination keine positive Reaktion zeigten.
Die obenerwähnten günstigeren Resultate schreibt der
Verfasser der strengen Separation und den günstigen hygie¬
nischen Verhältnissen (weite, luftige Stallungen mit guter
Kanalisation usw.) zu. Dr. Z.
Ans der medizinischen Literatur.
Münchener Medizinische Wochenschrift , 55. Jahrg. S. 1524.
Weitere Untersuchungen Uber sog. ultramikroskopische Infektions¬
erreger. Zur Filtration des Hühnerpestvirus. Von G. Giemsa und
S. Prowazek. Schon früher haben die Verfasser in Filtraten von
Gehirn-, Blut- und Leberbrei kleinste Körperchen nachgewiesen
und vermutet, daß sie die Träger des Hühnerpestvirus in einer
bestimmten Modifikation seien. Im Verlauf eingehender Ver¬
suche filtrierten sie das Hühnerpestvirus durch Pukalfilter,
deren äußere Oberfläche sie mit Agar-Agar überschichtet hatten
Brügge t. Cd., Saturn beö pftftempcls.
Sehr geehrter ßerr Kollege!
9Wit burdhfthlagenbem Erfolge finb feit nunmehr 2 Qaftren circa 30000 Oftnber, bie mit ber
Änöt4enfeu4e (Vasrinilis infectiosa) unb bem infeft. SlbortuS behaftet waren, butd) Üier&rjie mit meinen
Stoginal« unb &ulicnfläben behanbelt morben.
$Dui*4weg würbe Ijeroorgehoben, bah bieSüiffutig ber Vaginal; unb Battenftäbe eine fcpnelle unb fiebere,
bie £anbbabung eine einfache fei, fobafj bie SBehanblung t>on jetem $iebbefiper, gumal an ber £anb ber bei¬
gegebenen ©ebrauchsanweifung leidet auSgefüljrt werben fönne
^er einzige Mangel meiner @täbe beftanb na4 ber Meinung ein$elner Kollegen barin, bah Unrein ah
gemeinen ©ebrau4 in ärmeren ©egenben ber etwa« i)ol;e peis entgegenftebe.
Um biefem Stängel abgubelfen, habe i4 mit SiüdEficht barauf, bah bei entfpredbcnb gefteigertem Äonfum
ber ©ewinn ein fleinerer fein barf, ben Ißreii für meine $Baginal= unb Söullenftäbe um 127 *% berabgefeht, er
beträgt fortan ftatt Sftf. 20.— nur no4 ftf. 17.50 pro 100 Bti icf infl. Serpacfuag unb ©ebrauche*
antoeifung.
£ierftr|te erbalten einen Rabatt bou 40%.
Qeber ©tab ift forgfältig eingewiefeit unb enthält bie 2lufi4rift: „Tierarzt Dr. Plate’s Original-Vaginalstab
aus Brügge i. W. 100 Stck. Mk. 17.50.“ Seber ©tab bat ein ©ewidbt uon 13 g.
SBei ber SBehanblung ber ßnötd&enfeudfje finb für jebes Tier 12 ©täbe nötig, wobei jeben §weiten Tag ein ©tab
eingefü^rt wirb. Söeirn infeft. SIbortuS finb nach Söerbraudfj Mefer 12 SBaginalftäbc in «3roif4enjeiten oon 14 Tagen
noch circa 15-©täbe einguführen.
Skbenft man, bah bie Sebanblung ber ßnöt4enfeu4e bem SBefi^er pro ßuh nur Stf. 2.10 bei einer
j&ebanblungibauer bon 24 3:agen foftet, fo ift man wohl $u bem ©bluffe berechtigt, bah meine 0tabe bon
allen anberen empfohlenen satteln am biüigften finb unb am fchneUften mitten.
Steine ©täbe finb auch 44 r wir ffam bei allen übrigen Erfranf ungen ber ©ebärmutter unb ©cheibc, insbefom
bece bei Fluor albus, ber im 2lnf4lufj an Rententio secundin. auftritt.
34 bewerte, bah meine ®tabe nur an ober bureb £ier&rgte abgegeben werben, hierbei erlaube
ich mir, auf bie bei ben Herren JMegen vielfach geferfe «bliebe SRetbobe be£ &erfanbe$ biujuisfeifen, inbem
ich bie et&be bireft per Nachnahme an bie Sttebbefiher unb ben Rabatt bon 40 % an bie betreffen«
ben STerftrate feube*
Ter 23erfanb gefchieht ber Einfachheit halber per Nachnahme, hoch wirb ben Herren Bodegen auf 2Bunf4 auch
ein längeres Qkl gegeben.
3nbem ich ©ie, oerehrter £err College, bitte, mit meinen ©täben bei nächfter ©elegenbeit einen ^erfuch machen
ju wollen, jeichne ich
mit folleg. ©ruh!
Dr. plate.
einiges aus der Zeugnismappe:
34 hatte mehrmals bie ©elegenheit, bei bein anjterfenben ©4eibenfatarrl; (Änöt4enfeu4e) ber $ülje bie oon
3hnen bezogenen SSaginalftäbe anguwenben unb habe toirflicb bei ieber Sebanblung eine überaus f ebnete
unb boHfommene Teilung barnit erhielt.
3nfolge beffen barf icf; mit Vertrauen bie Herren Tierärzte barauf aufmerffam ma4en, bei $ebanbluug
bei anftetfenben 0<belbeufatarrb$ bonugimeife bie $!ate’f<h*tt Stagiualft&be |u berloenben.
Borges (Äanton SBaabt), 27. 7. 08. Staurice SBettertoalb, Tierarzt.
Tie ^eiltoirfung 3h**r ©täbe ift eine großartige unb oon mir gar ni4t erwartete.
Leihen, 17. 7. 08. ft. Uber, Tierarzt.
Silit ben oon 3h nen bezogenen 23aginaljtäb4en hatte i4 fehr gute Erfolge»
Sanbsberg a. i*e4, 6. 5. 08. ©tabsoeterinär Dr. bau Hoemmel*
SBegirfstierargt <£♦ £enneberg*£Balter£baufeu i* £b* faßt in feinem beruht für bas 3ahr 1907 bejüg;
H4 ber $ebanblung bes anfteefenben ©4eibenfatarrhs:
„2Ba$ bie Söehanblung anbetraf, fo würben bie oon Dr. Pate in Brügge i. 2B. ^ergcftellten ^aginal= unb
SButtenfiäbe mit gutem Erfolge benuit»"
^eile 3h ne a mit, bah 14 3h** Baginalft&be in einem fleinen Slinboiehbeftanbe bei 4 Hühen mit an-
ftedfenbem ©4eibenfatarrh mit gutem (Erfolge angetoanbt habe. &übe, !4 on mieberholt oerfalbt hatten,
bra4ten nun fräftige halber gur Sßelt, fobah ber S3eftfeer gang entgücft oon bem Erfolge ber oerhältntsmähig beguemett
unb einfachen iBehanblung war.
Sranbenburg, 29. 4. 08. 9tippert, Dberoeterinär.
3n Nr. 10 ber „SCierärgtlicfjen Nunbfdhau" Sah^gang 1908 ©.95 fd^rcibt £>err ©tabsoeterinär a. 3). i*cßßin=
<&olßßerg (Ntecflenburg):
„Nfit bcn oort Dr. Sßlate f. 3*- bezogenen SBaginalftäben bin ich bei ber 23ehanblung bes anftecfenben Scheiben;
fatarrhs feßt juftiebett gtmefen. ©s finb foroo^b eine Neil;e non Hüben auf ©ütern fowie bei £ofpädjtern unb
fleinen Seilten mit burdjfdjfagenbem ©rfolg bebanbelt worben. Qn benjenigen SBirtfhaften, wo oerfcßiebene Hiifje
permanent umrinberten, roo ber AbortuS gu Saufe mar, haben bie bebanbelten £iere normal foncipiert, AbortuS fannte
man nicht mehr; ja in einer größeren SSirtfchaft, in welcher ein 3ahr guoor niete Hübe oerfeßt hatten, teilte mir auf
befragen ber Hubbirte mit, baß bie Hülje in biefent ^ahre alle etwas übergingen. (Sin Gutsbefißer fchrieb mir:
//9tadpßem frisier 9*ßottu$/ Umtinßeru/ Sterben ber IftUber, an ber £age$ 0 tßnu»g matett, ift
ttadp ber ß<w jßneit eingeleiteteu SBeßanßlung mein Otinßerßeftanß gcfuttß, meine Äüße foneis
gieren normal, falben normal ab unb bie Silber leben/" — 3uglei<ß mödpte itß bemetten, ßaß
idp in meiner großen Gütcrprarie alle erbenflicßen Wittel/ fo BmlUohBülbe, ©aclloI=5fabfeln
u« f« m« angemanbt habe/ aber nur mit gani geringem (Erfolge. 3dp glaube uidpt §u übertreiben/
tnenn i<ß behaupte, baß mir in ben Slaginalftaben Dr. 2ß(ate’d Hießt bloß ein Spesififum gegen
ben anftecfenben ^dpeibenfatarrß/ fonbern fpeiiell gegen ben feudpenßaften flbortub haben/'
Qn Nr. 11, 3ah r 0ang 1908 ©. 105 „Saerärgtl. Nunbfdjau" fd&reibt $crr £ierargt Dfeßgen in Hohenlimburg:
„Gegen bas fcuchenhafte ^erfalben ber Hübe habe id) bisher in fünf 93eftanben mit Dr. ^lates SBaginalftäben
feßt gute ürfolge ergielt. 25ie meiften Hübe falbten gu früh unb um bie 3 urücfgebliebene Nachgeburt gu entfernen,
mürbe iih oom 23efißer gerufen. 3)iefe Gelegenheit gab mir Sßeranlaffung, ben gangen 23ejlanb auf etwaigen Scheiben:
fatarrh als Urfadfje gu unterfudfjen. 3<h fanb ftets einige Hübe mehr ober weniger mit ben tppifdjen Symptomen bes
anftecfenben ©cheibenfatarrhö behaftet. 3n gwei gälten war bas Seiben burch neu gugefaufte Ntarftfüße eingefchleppt.
2)ie betr. Hübe würben nach ber oom Kollegen Dr. $late oorgefebriebenen Söeife behanbelt unb fonnte ich bisher bei
folgen Hüben, wo rötliche Hnötcben nachweisbar waren, nach bem Gebrauch non 12 Sßaginatftäben unb bei folgen mit
entgünblicber Nötung ber ©(heibenfdf)leimbaut oon 6 — 8 SBaginalftäben oollftänbige Heilung ergielen. 3)aS Verfahren
ift fehr einfach unb leidet burchgufübren. Nach bem ©inführen ber Stäbe geigen bie Hübe etwas Unruhe, bie aber nicht
lange anhält. $<ß fann Dr. $tate£ Stoginalftäße ben fetten JfoUegen feßt empfehlt***"
3>ie 001 t 3bnen begogenen ^aginalftäbe haben ßei feueßenßaftetu IBetfalßen ßeittt Otinße bie Seuche halb
gum Nücfgange unb gur Heilung gebracht, ebenfalls haben bie 23ullenftäbe befriebigt, ba feine 3ufeftion mehr beobachtet würbe.
Dchfenbaufen, 26. 3. 1908. 91« SBdtnßarßt, 3)iftriftStierargt.
Sierburch beftätige ich, baß bie non 3buen begogenen Söaginalftäbe ju meinet außetotßentlidpen 3» s
ftießenßeit getoirft haben, ©ine Nücffebr bes Scheibenfatarrbs ift bis je^t nicht beobachtet worben,
14. 4. 1908. £otU/ Verargt.
3<h fann 3l;aen gu meiner greube mitteilen, bafc fid) 3bre Vaginal: unb 23utlenftäbe in Fontäne Hl. 23. feßt
gut ßeloüßti ßaßen«
Nttenftein, 23. 4. 1908. Dr. 0<ßdfet/ Hönigl. HreiStierargt.
NHt ben non 3h nen begogenen 2>aginalftäben bin ich mit bem (Erfolge feßt guftießen getoefen«
Nabegaft i. Inhalt. ©♦ Qtutm, Verargt.
SSährenb ich wit anberen nerfuchten Niitteln in ber 23ehanblung bes anftecfenben Scheibenfatarrbs feinen
bauernben ©rfolg ergielen fonnte, faß idj uadp flntoeußung bon Dr. $late’d ^aginalftdßen ßdüige
Teilung ßiefet fttanfßeit eintreten.
SBerl, 12. 4. 1908. Sßtefet/ Verargt.
Nlit ber SBirfung ber oon 3h«cn begogenen 23aginalfläbe bin i^ feßt guftießen geftefen« ©ou allen
gegen ßiefe Iftftige ^eueße emßfoßlenen unb etßtoßten Wittein ßaßen mit 3ßte IDaginalfl&ße ßie
beften ^ienfte geleiftet. 3Kit ihnen gelang es mir f$on nach oerhältnismä&ig furger Qeit, wenn audh nicht bie
Seuche felbft, fo hoch menigftens bereu oft red^t fchwere wirtfchaftliche golgen gu befeitigen. Nach ben non mir gemachten
©rfahrungen fann ich biefe SBaginalftäbe nur fehr empfehlen.
Söalbbröl, 20. 4. 1908. 3uft/ Hönigf. Hreistierargt.
3h*e ^aginalfläbe habe ich ' n brei größeren unb nielen fleineren 2>iebbeftänben nerwanbt unb habe überall ba,
wo biefelben oorf^riftsmäßig eingeführt würben, gute Erfolge geßaßt. 3ßte Zthbe ßaßen mit ßt^ ießt
am ßeften gef aften, ba ßie Witfung eine au^geieiißnete ift«
SBittenberg (^öegirf SaHe), 23. 4. 1908. . 91« @tdfel/ Verargt.
9Jlit ben oon 3h nc » begogenen Sßaginalftäben habe id^ bei fad^gemäßer unb gewiffenhafter Ausführung gute
l^tfolge bei ber 23ehanblung ber Hnötd^enfeuche gu oergeicfjnen.
Siegen, 27. 2. 1908. 9&enßetßolß/ Söeterinärrat.
23etr. bie Anwenbung 3h rer 2>aginalftäbe bei anßecfenbem ©cheibenfatarrh ber Ninber, teile ich 3haen ergebend
mit, baß biefelben fich nach meinen Beobachtungen gut bewährt haben; inSbefonbere finb biefelben auch wegen ber leichten
Anwenbungsweife burch bie Stierbefifcer fehr gu empfehlen.
Gummersbach, 27. 4. 1907.
Sitoißt/ SSeterinärrat.
S. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
633
Das Hühnerpestvirus ging nicht durch diese Agar-Ultrafilter
hindurch, was durch Verimpfung des Filtrates und der unfiltrierten
Lösung leicht bewiesen werden konnte. In den avirulenten
Htilinerpestfiltraten wurden bei ultramikroskopischer Unter¬
suchung stark lichtbrechende bewegliche Körperchen gefunden,
die jedoch mit der Hühnerpest in keinem ursächlichen Zu¬
sammenhänge stehen können. Dagegen fanden sich in der
Agarschicht des Pukalfilters wiederum jene eingangs erwähnten
korpuskulären Gebilde.
Therapeutische Monatshefte , 22. Jakrg. Heß 7, S. 366 .
Über die Höhe der Kresolausscheldung beim Hunde nach Lyeolver-
abrelchung. Von R. Friedländer. Als Gegenmittel bei Lysolver¬
giftungen hat Friedländer bereits früher auf Grund von
Tierexperimenten Fett und Eiereiweiß empfohlen. Weitere
Versuche über die Menge der Kresolausscheidung beim Hunde
und den Einfluß, den Fütterungsart und Verabreichung des einen
oder des anderen der genannten Gegenmittel bei gleichzeitiger
Verabreichung von Lysol ausüben, ergaben folgendes:
Unter normalen Verhältnissen wird Kresol in schwankenden
Mengen, und zwar mehr mit dem Kote als mit dem Urin aus¬
geschieden. Bei Fleischnahrung ist der Kresolgehalt der Aus¬
scheidungen viel größer als bei Ernährung mit Hundekuchen.
Selbst nach dem Aufhören der Fleischnahrung wird noch in den
beiden ersten Tagen das drei bis vierfache der bei Fütterung mit
Hundekuchen durchschnittlich erfolgenden Kresolausscheidung
ausgeschieden. Nach intrastomachaler Einverleibung von 2,0
Lysol stieg die Kresolausscheidung, namentlich diejenige mit
dem Urin erheblich. Von dem als Lysol eingeftthrten Kresol
wurden etwa 25 Proz. wieder ausgeschieden, davon etwa 24 Proz.
mit dem Urin. Die Zugabe von 20 ccm Eiereiweiß bei gleich¬
zeitiger Verabreichung von 2,0 Lysol hatte eine vermehrte
Kresolausscheidung nicht zur Folge. Nach 2,0 Lysol und
20 ccm Olivenöl war dagegen die Ausscheidung, namentlich im
Urin, stark vermehrt. Auch nach Beigaben von 20 ccm
Ricinusöl zu 2,5 Lysol war der Kresolgehalt des Urins, gleich¬
zeitig aber auch der des Kotes stark vermehrt, ohne daß jedoch
die Gesamtausscheidung größer wurde.
Centralblatt für Bakteriologie tisw. 1. Abt. Originale , Bd. 47, Heft 3, S.307.
Beitrag zur Biologie des Bacillus vitullsepticus und zur Immunisierung
gegen die durch denselben hervorgerufene septische Pneumonie der
Kälber. Von H. Sobirop. Die kulturellen Untersuchungen über die
biologischen Verhältnisse des Bacillus vitulisepticus erstrecken
sich auf zehn verschiedene Nährböden oder Reaktionen unter
vergleichsweiser Heranziehung von Kulturen der Erreger von
Schweineseuche und Geflügelcholera. Unter anderem hat Schirop
bezüglich der Aussaat auf Kartoffeln festgestellt, daß das Wachs¬
tum des Bacillus vitulisepticus ebenso von der Reaktion des
Kartoffelnährbodens abhängig ist, wie dies Joe st für den
Schweineseucheerreger beschrieben hat. Er gedeiht nur auf
ausgesprochen alkalischem Kartoffelnährboden, am besten solchem,
der ein bis drei tagelang in 1- bis 3 proz. Sodalösung ge¬
legen hat.
Immunisierungsversuche gegen die ansteckende Lungen-
BrustfellentZündung der Kälber mit Hilfe „aggressiver Exsudate“
nach Bail, und mit Bakterienextrakten nach Wassermann
und Oitron ergaben folgendes.
1. Mit Hilfe steriler Meerschweinchenexsudate nach der
Bailschen Methode’, wie auch mit den wässerigen und serösen
Kulturabschwemmungen des Erregers der septischen Pneumonie
der Kälber nach den Angaben von Wassermann und Citron
gelingt es, Meerschweinchen und Kaninchen gegen diese Seuche
aktiv zu immunisieren und das Serum so vorbehandelter Tiere
zur passiven Immunisierung bei Kaninchen, Meerschweinchen
nnd grauen Mäusen zu verwenden. Der erlangte Schutz ist
teilweise ein dauernder und außerordentlich hoher.
2. Durch die gleichzeitige Injektion von Bakterien und
Körperexsudaten, wie auch künstlichen Bakterienabschwemmungen
ließ sich der Tod der Versuchstiere gegenüber den Kontroll¬
toren in der ausgesprochensten Weise beschleunigen.
3. Der Nachweis vonStammesverschiedenheiten wurde erbracht
derart, daß es nicht gelang, mittelst eines monovalenten Immun¬
serums Schutz gegen beliebige, andere Stämme zu erzielen.
Bei eingetretener aktiver Immunität kamen diese Verschieden¬
heiten nicht zur Geltung.
— Prüfungen über Mono- oder Polyvalenz der Sera gegen die
infektiöse Pneunomie der Kälber führten zu einer Vergleichung der
für die Bekämpfung der septischen Kälberpneumonie käuflichen
Sera von „Gans“, „Jeß-Piorkowski“, „Klett-Braun“ und „Lands¬
berger-Serum“. Gegenüber zwei zu diesen Versuchen ver¬
wendeten Stämmen, die mit den Serie nicht in Beziehung
standen, entfaltete nur das Serum „Gans“ in einer Menge von
0,02 Schutzkraft gegen die um vieles tödliche Infektion. Die
weiteren Versuche ergaben folgendes: 1. Mit Hilfe monovalenter
Sera des Bacillus vitulisepticus gelingt es, Tiere mit geringen
Serummengen gegen die vielfach tödliche Infektion des
Herstellungsstammes zu schützen, jedoch nur in ganz ver¬
einzelten Fällen die Schutzwirkung auf nicht zur Immunisierung
benutzte Stämme zu erstrecken. 2. Es müssen demnach auch
für den Erreger der ansteckenden Lungen-Brustfellentzündung
der Kälber Rasseverschiedenheiten ein und desselben Mikro¬
organismus in Anspruch genommen werden. 3. Für eine aus¬
sichtsvolle Bekämpfung der septischen Pleuropneumonie der
Kälber ist die Verwendung von Heilseris, die mit einer
möglichst großen Anzahl von Stämmen der verschiedentlichsten
Herkunft hergestellt sind, unbedingtes Erfordernis.
Dieselbe Zeitschrift S. 351.
über Baiantidienenteritis. (Aus der II. mediz. Abteilung und
der Prosektur der k. k. Rudolfspitals in Wien.) Von K. Glaeßner.
Die Baiantidienenteritis ist eine hauptsächlich in Rußland und
Schweden vorkommende, in Deutschland dagegen seltene Zoonose.
Der Erreger, das Balantidium coli, gehört zu den Wimper-
infüsorien. Er schmarotzt im Blind- und Grimmdarme des
Schweines, wo er in der Regel krankhafte Erscheinungen nicht
verursacht. Die Übertragung auf den Menschen geschieht ver¬
mutlich mit dem durch Parasiten verunreinigten Trinkwasser.
Während ein Teil der Autoren den genannten Parasiten für
einen harmlosen Bewohner des Dickdarmes hält, nehmen andere
an, daß er sich nur auf bereits krankhaft veränderten Darm¬
gewebe ansiedeln kann. Ein dritte Gruppe von Forschern hält
den Zusammenhang zwischen dem Erreger und den Veränderungen
im Dickdarm des Menschen für erwiesen. Diese Veränderungen
bestehen in hochgradiger Entzündung der Darmschleimhaut, die
verdickt, ödematös durchtränkt und mit zahlreichen rundlichen
Geschwüren, besonders an der Flexur und am Rektum, besetzt
ist. Die Balantidien finden sich meist in dem verhältnismäßig
gesunden Gewebe der Geschwürgrenzen. Häufig sind sie neben
andern Dannschmarotzern und pathogenen Organismen des
Darmes gefunden worden. Die Krankheit äußert sich in Leib-
***
634
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
schmerzen und sehr heftigem Durchfall. Sie erstreckt sich
meist auf mehrere Jahre, kann aber anch erheblich rascher
verlaufen und in einzelnen Fällen sogar in 8 bis 10 Tagen zum
Tode führen. Die Diagnose stützt sich auf die in den Stühlen
zu findenden Balantidien. Die Therapie erstrebt Heilung der
Enteritis und Abtötung der Erreger. Zu diesem Zwecke sind
leichte Abführmittel empfohlen (Rizinusöl, Klysmen, Kalomel)
ferner verdünnte Salzsäure, Chinin-, Naphthalin-, Salizylsäure-
Klysmen.
Experimentelle Untersuchungen des Verfassers erstreckten
sich auf den Nachweis von proteolytischen, diastatischen und
hämolytischen Substanzen im Körper der Balantidien. Während
ein proteolytisches Ferment nicht nachgewiesen werden konnte,
scheint in den Balantidienleibern ein sehr kräftiges stärke-
verzuckemdes Ferment und auch eine hämolytische Substanz
wirksam zu sein. Schließlich hat der Verfasser mittelst Auf¬
schwemmung von Balantidien Kaninchen immunisiert und beob¬
achtet, daß das Balantidium coli durch das von den Kaninchen
gewonnene Immimserum zunächst gelähmt und dann abgetötet
wird. W.
Berichtigungen.
In dem Referat über Kolibakterienseptikämie bei Hühnern
B. T. W. Nr. 35, S. 614 muß es heißen im letzten Absatz, dritte
Zeile „bei den Impfversuchen“ (nicht „bei manchen“) und in der
fünften Zeile „die Inkubationszeit betrug bei den Impftieren“.
Zu dem Referat über Bissulin in Nr. 33 der B. T. W. (S. 584)
sind einige Satzfehler zu berichtigen. Der Autor der Veröffentlichung
heißt Bogner und der Inhaber der Firma, die das Präparat her¬
stellt, Tromsdorff. Das Präparat besteht aus einem Konstituens
von Fetten, denen 0,25 Proz. Sozojodolhydrargyrum zugesetzt sind.
Tagesgeschichte.
t
Nachruf.
Am 8. August 1908 starb in seiner Vaterstadt Hadersleben
im Alter von ca. 80 Jahren der Königliche Kreistierarzt a. D.
Niels Heinrich Raben. Geboren am 25. Dezember 1828,
hat er die dortige Realschule frequentiert und ist nach der
Konfirmation zunächst in den Postdienst getreten. Nachdem er
in der Schleswig-Holsteinischen Armee die Kriegsjahre mit durch¬
gemacht, wofür ihm später das Ehrenzeichen für die Kriegs¬
jahre 1848—49 geworden, ist er zum Studium der Tierheilkunde
übergetreten. Zunächst die Tierarzneischule in Hannover be¬
sucht, wurde er am 6. Mai 1853 an der Kgl. Tierärztlichen
Hochschule zu Kopenhagen als Eleve angeschrieben. Im Januar
1855 bestand Raben das Staatsexamen mit dem ersten Charakter
und ließ sich als Privattierarzt in Hadersleben nieder. Von
1864 ab wurden ihm die veterinärpolizeilichen Geschäfte zu
Hadersleben übertragen und 1871 ihm die Stelle als Kgl. Kreis¬
tierarzt verliehen. Die nachgesuchte Entlassung aus dem Staats¬
dienste ist ihm zum 15. September 1902 gewährt. Raben hat
in den schweren politischen Zeiten in der Nordmark seine
deutsche Gesinnung stets offen bekannt.
Dem tierärztlichen Provinzialverein hat er in vielen Jahren
als Mitglied angehört und sich an den Vereins Versammlungen
häufig beteiligt.
Ehre seinem Andenken!
Der Vorstand des tierärztlichen Vereins in Schleswig-Holstein.
I. A.: Eiler.
Zur Ausbildung der Tierärzte.
Von Kreistierarzt Witt-Hadersleben.
Tritt der neugebackene Tierarzt hinaus in die Praxis, so
wird er bald zu seinem großen Leidwesen zu der Überzeugung
kommen, daß sein Wissen noch Stückwerk ist und daß die allzu
kurze Studienzeit von 7—8 Semestern, mögen diese noch so
redlich ausgenutzt sein, nicht imstande war, so viele große
Lücken in seinem Wissen und Können auszufüllen.
Ob es den jungen Kollegen besser ergeht, denen infolge
des Titels Dr. phil. der Himmel voller Geigen hängt, mag dieser
Titel in Deutschland oder der Schweiz erworben sein, möchte
ich bezweifeln. Ja, ich scheue mich nicht, es klipp und klar
auszusprechen, daß ich befürchte, es wird bei manchen von
ihnen das mehr oder weniger lange Spezialstudium für den tier¬
ärztlichen Beruf ganz bedeutungsloser Fächer den Blick für die
Praxis nur noch mehr trüben. Was die Landwirtschaft
fordert, Bind ganz entschieden tüchtige, praktische
Tierärzte, ob beamtete oder private, und diese bilden
ohne Frage den wichtigsten Faktor bei der Hebung
unseres Standes, von der in letzter Zeit so viel geschrieben
wird. Können wir den Doktortitel nun einmal nicht ent¬
behren, so muß das Ziel unseres Strebens der Dr. med. vet.
sein, von unseren eigenen Hochschulen verliehen! Geht
nun der Tierarzt mit frischem Mut ans Werk, hat er zweierlei
gelernt, objektive Beobachtung und logische Schlußfolgerung, so
wird eine längere Reihe praktischer Jahre ihn allmählich heran¬
reifen lassen und zwar um so schneller, wenn er mit Lust und
Liebe Tierarzt geworden ist und nicht durch Zufall oder die
Ungunst der Verhältnisse in diesen Beruf hineinkam. Leicht
wird es uns Tierärzten aber nicht, auf den so vielseitigen Ge¬
bieten unserer Wissenschaft uns zurecht zu finden, sind doch
die Hilfsmittel, welche unsere Lehrer und ihre Bücher uns an
die Hand geben, noch recht bescheiden. Wie gering sind noch
unsere Kenntnisse von vielen Rinderkrankheiten, von den Krank¬
heiten der kleineren Haustiere gar nicht zu reden, und doch
steckt in den Rindviehbeständen der Hauptteil des landwirtschaft¬
lichen Nationalvermögens, und es verspricht gerade die Rind¬
viehzucht von allen Zuchtgebieten noch den sichersten Nutzen.
Die Schuld unserer lückenhaften Ausbildung liegt zur
Hauptsache in der kleinen Zahl von Semestern, die meines Erachtens
auf zehn erhöht werden muß; zum Teil liegt sie aber auch in
der Art der Heranbildung und Auswahl unserer Lehrer und
Professoren. Quousque tandem sollen wir die Einrichtung
des Privatdozententums entbehren?! Ist dies nicht
die sicherste Gewähr für eine richtige Auswahl der
Lehrkräfte, an denen unsere Wissenschaft einen er¬
heblichen Mangel hat, wie die letzten Jahre klar und
deutlich bewiesen haben?! Ist es nicht eine dringende
Notwendigkeit, daß jungen, intelligenten und vielleicht auch
wortgewandten Tierärzten Gelegenheit geboten wird, ein Lleblings-
feld ihrer Wissenschaft zu beackern, eventuell ganz neu an¬
zulegen, und sie heranreifen zu lassen für den so wichtigen
Posten eines Lehrers für die Jugend.
Heute entscheidet noch in manchen Fällen der Kreis von
Gönnern, und mancher junge Lehrer sieht sich gezwungen,
vorerst mit Fächern fürlieb zu nehmen, die ihm absolut nicht
Zusagen; bei passender Gelegenheit beginnt dann der Wettlauf
um andere Lehrstühle, und mit den Jahren können einzelne
Herren einen wahren Rekord aufstellen. Sie haben in allen
3. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
635
Sätteln gesessen und in ihren Kompendien, Lehrbüchern nnd
Sammelwerken findet der Tierarzt sa ziemlich alles Wissens¬
werte beschrieben. Beschrieben darf ich freilich wohl nicht
sagen, es wird richtiger sein, vom Erwähnen zu sprechen. Viele
wichtige Krankheiten sind auf wenigen Seiten, ja, mit wenigen
Zeilen abgetan, zwischen den Zeilen kein Wort, noch weniger
ein Gedanke! Ich kann hier aus praktischer Erfahrung reden.
Das waren so die Gedanken, die in mir wieder einmal auf-
stiegen, als ich mich so ganz auf mich allein angewiesen sah
bei der Beobachtung jener Krankheitserscheinungen, die ich
heute als Malaria des Rindes beschreibe.*)
Anmerkung.
Mehr und mehr beginnen die Tierärzte im Lande sich mit
der Frage der tierärztlichen Ausbildung zu beschäftigen. Auch
die obigen Äußerungen des Herrn Kreistierarzt Witt beweisen,
daß diese Frage eine allgemeine und brennende geworden ist.
Wie das beim Einsetzen solcher Bewegungen immer ist, sind
die Ansichten noch sehr geteilt, unklar, auch wohl „von der
Parteien Gunst und Haß verwirrt“ teilweise das Ziel verkennend
oder darüber hinausschießend. In solchen Zeiten brodelnder
Betrachtungen besteht auch immer die Gefahr, daß Schlagworte
die Oberhand gewinnen und das Ganze auf einen falschen
Weg fuhren. (Das Privatdozententum als Panacee ist ein
solches.) Immer aber liegt andrerseits im freimütigen Tadel,
mag er ganz zutreffen oder nicht, wenn er sich nur von be¬
absichtigter Ungerechtigkeit fernhält, ein Antrieb und daher
eine Förderung, die zu begrüßen ist. Die auch von Herrn
Kollegen Witt angerührte Frage wird nicht verstummen und
darf nicht mehr verstummen. In erster Linie müssen darauf
die Hochschulen antworten und als der derzeitige Rektor der
Berliner Hochschule fühle ich mich verpflichtet, meine Ansichten
darzulegen. Ich werde das in einigen Artikeln tun und gehe
daher heute auf die Äußerungen Witts noch nicht ein.
Schmaltz.
Künftige Beförderangsverh<nisse.
In den Erörterungen über die bevorstehende und mit so
großer Spannung erwartete Militär-Veterinärreform ist die
Frage noch nicht genügend ventiliert: „Wie werden sich
künftighin die Beförderungsverhältnisse gestalten?“
Es ist anzunehmen, daß sich das künftige Veterinär-Offizier¬
korps gliedern wird in Veterinäre, Oberveterinäre, Stabsveterinäre,
Oberstabsveterinäre und Korpsstabsveterinäre mit dem Inspekteur
des Militärveterinärwesens an der Spitze. Soll die beabsichtigte
Reform in Wirklichkeit eine Reform, d. h. eine Verbesserung
darstellen, dann kann sie es nur unter folgenden Voraussetzungen
sein. Der Unterveterinär wird nach einem Jahre zum Veterinär,
dieser nach weiteren drei bis vier Jahren zum Oberveterinär be¬
fördert. Betreffs der Beförderung zum Stabsveterinär wäre auf
jeden Fall die alte Bestimmung fallen zu lassen, daß sie von
der erfolgreichen Absolvierung des Stabsveterinär-Kursus und
der Verleihung einer Regiments-Veterinärstelle abhängig gemacht
wird. Es müßten vielmehr die älteren Oberveterinäre ohne
weiteres, wie die Oberärzte, nach einer ungefähr sechs bis acht
jährigen Dienstzeit (als Oberveterinär) zum Stabsveterinär be¬
fördert werden, unter gleichzeitiger Überweisung zu einem selb¬
ständigen Trainbataillon oder einer alleinstehenden Feldartillerie-
Abteilung. Erst die Verleihung einer Regimentsveterinärstelle
dürfte, falls man überhaupt an dem ganzen, sonst nirgends in
der Armee so ausgeprägten System der Kurse und Examina
festzuhalten gedenkt, von dem Bestehen der „Regimentsveterinär-
prüfung“ (diese Bezeichnung müßte an die Stelle der jetzigen
Stabsveterinärprüfung treten) abhängig gemacht werden. Will
man, wozu möglicherweise keine Geneigtheit bestehen dürfte,
die neu ernannten Regimentsveterinäre nicht gleich zum Ober¬
stabsveterinär befördern, dann könnte man die dienstjüngere
Hälfte derselben ruhig in der Stabsveterinärcharge (eventuell
als Stabsveterinäre I. Klasse) belassen und nur die dienstältere
Hälfte zum Oberstabsveterinär befördern unter gleichzeitiger
Versetzung in ein Kavallerieregiment, das ja auch einen
erheblich höheren Pferdebestand hat als z. B. ein Feldartillerie¬
regiment. Hiermit wäre dann die Karriere im wesentlichen
abgeschlossen, denn für die Beförderung zum Korpsstabsveterinär
kommen naturgemäß nur noch wenige Auserwählte in Betracht.
Die Hauptsache ist und bleibt die rechtzeitige Be¬
förderung zum Stabsveterinär, in einem Alter, in dem
auch die Frontoffiziere Hauptleute und die Sanitäts¬
offiziere Stabsärzte werden. Erfolgt die Beförderung zum
Stabsveterinär erst gleichzeitig mit der Verleihung eines
Regiments, dann dürfte unter den jetzigen Verhältnissen mancher
wohl 45 Jahre alt werden. Die Veterinär-Offizierskarriere wäre
dann um nichts besser als die der Zeug- und Feuerwerks¬
offiziere, ja hinsichtlich der Kosten usw. der Ausbildung noch
erheblich schlechter als diese. Würde nicht zudem in der
ganzen Armee und darüber hinaus der Eindruck hervorgerufen,
als ob die Veterinäre jetzt erst das geworden wären, was die
Zeug-, Feuerwerks- usw. Offiziere schon seit Jahrzehnten sind?!
Von großem Interesse sind die künftigen Beförderungs-
Verhältnisse naturgemäß auch für die Veterinäre des
Beurlaubten Standes. Während die Militärärzte der Reserve
zurzeit durchschnittlich im Alter von 25—26 Jahren Assistenz¬
ärzte, mit 28—30 Jahren Oberärzte und mit 36—38 Jahren
Stabsärzte werden, wird der Reserve-Veterinär erst mit ca.
30 Jahren Oberveterinär (= Assistenzarzt) und nach einer ab¬
geleisteten zweiten Übung günstigenfalls im Alter von
43—45 Jahren Stabsveterinär, und zwar auch nur dann, wenn
er entweder — wie die aktiven — den Stabsveterinär-Kursus
erfolgreich absolviert oder als Ersatz dafür, das Kreistierarzt-
examen abgelegt hat. Die erstgenannte Bedingung hat bis jetzt
wohl überhaupt noch kein Reserve-Veterinär erfüllt, aber auch
die Ablegung des Kreistierarztexamens, lediglich zum Zwecke
der Beförderung, ist viel zu umstäncUich, zu teuer und — last
not least — für den praktischen und Schlachthoftierarzt im
übrigen nahezu zwecklos.*) Seit der gerade in den Jahren
unter den beamteten Tierärzten eingetretenen bedeutenden Ver¬
jüngung ist die Aussicht, im Staatsdienst angestellt zu werden,
doch eine ganz minimale geworden. Was hat denn im Grunde
genommen auch das Kreistierarztexamen mit der Beförderung
zum Stabsveterinär zu tun? Werden denn nicht auch die Ärzte
lediglich auf Grund ihrer Approbation und zweier abgeleisteten
Übungen zu Stabsärzten der Reserve befördert? — Ohne
Stabsarztkursus, ohne Kreisarztexamen! Was den Ärzten recht
ist, ist den Tierärzten billig! Man befördere also auch sie zu
Stabsveterinären — ohne Kreistierarztexamen, ohne Stabs¬
veterinärkursus! Würde der letztere, wie vorgeschlagen, nicht
*) Siehe den Originalartikel an der Spitze dieser Nummer,
*) Das ist doch so allgemein wohl nicht zutreffend. D. R.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
mehr für die Beförderung zum aktiven Stabsveterinär verlangt,
denn würde er eo ipso auch für die Reserve-Veterinäre hinfällig.
Wie viele Veterinäre werden denn auch längere Zeit,
etwa über das 40. Lebensjahr hinaus, im Reserveverhältnis
verbleiben wollen, wenn ihnen keine befriedigende
Beförderung in Aussicht steht? Den größten Nachteil
hiervon hätte doch immer die Militär-Verwaltung selbst, insofern,
als ihr im Ernstfälle noch weniger Veterinäre zur Verfügung
stehen würden, als es jetzt ohnehin schon der Fall ist. Alles
in allem! Man mache endlich einmal ganze Arbeit, schaffe
wirklich befriedigende Verhältnisse und entziehe damit dem
in tierärztlichen Kreisen nachgerade sprichwörtlich gewordenen
Pessimismus den Boden!
Programm des IX. Internationalen tierärztlichen Kongresses
im Haag 1909.
Zeit des Kongresses: Der Kongreß dauert vom 13. bis zum
18. September 1909.
Programm der Sitzungen.
(Die Namen der Berichterstatter werden später veröffentlicht werden.)
A. Feierliche Eröffnungssitzung am 13. September,
nachmittags 2 Uhr.
B. Allgemeine Sitzungen
am 14., 15., 16., 17. und 18. September, vormittags 9 Uhr,
und am 14. September, nachmittags 2‘/» Uhr.
Verhandlungsgegenstände:
1. Die polizeiliche Bekämpfung der Schweineseuche und
Schweinepest mit Rücksicht auf die neueren Forschungen über
deren Ätiologie, Impfung, Serumimpfung usw.
2. Gesetzlicher Schutz der Ausübung der Veterinärmedizin.
3. Der Tierarzt als amtlicher Sachverständiger in Tierzucht-
sachen.
4. Die Bedingungen für die Promotion zum veterinär¬
medizinischen Doktorat.
5. Die sanitäre Milchkontrolle und die staatliche obligatorische
Fleischbeschau.
6. Die unschädliche Beseitigung der Tierkadaver und der
Fleischkonfiskate.
7. Die Prophylaxis und die Pathologie der Protozoenkrank¬
heiten (Piroplasmosen, Trypanosomosen usw.) mit Demonstration
der spezifischen Parasiten und der die Übertragung vermittelnden
Tiere (Zecken, Mücken usw.).
8. Staatliche Kontrolle der Sera und Bakterienprodukte, sowie
deren Herstellung von Staats wegen.
9. Die Tuberkulose des Geflügels in ihren Beziehungen zu der
Tuberkulose der Säugetiere.
10. Die Sterilität des Rindes und ihre Beziehungen zu den an¬
steckenden Krankheiten der Geschlechtsorgane.
11. Die staatliche Bekämpfung der Tuberkulose mit Rücksicht
auf deren Infektionswege.
12. Bau und Einrichtung der Stallungen mit Rücksicht auf die
Prophylaxis der Tierkrankheiten, besonders der Tuberkulose, und
auf die Milchhygiene.
C. Sektionen des Kongresses.
I. ÖffentlichesVeterinärwesen, Nahrungsmittelkontrolle. II. Patho¬
logie und Bakteriologie. III. Klinische Tierheilkunde. IV. Tier¬
zucht. V. Tropische Krankheiten.
Die Sektionssitzungen finden statt am 16. und 17. September,
nachmittags 2*/* Uhr.
Verhandlungsgegenstände.
I. Erste Sektion.
1. Die polizeiliche Kontrolle der Fische, des Wildbrets, des
Geflügels, der Krusten- und Weichtiere und anderer tierischen
Nahrungsmittel nicht gehörend zu der der Frage 5 der allgemeinen
Sitzungen, in Beziehung zur Hygiene des Menschen.
2. Die Schlachtviehversicherung.
3. Desinfektion der Transportmittel und der tierischen Roh¬
produkte im internationalen Verkehr.
4. Die Serotherapie, die Seroprophylaxie und die Impfung bei
Maul- und Klauenseuche und deren Wert für die Veterinärpolizei.
II. Zweite Sektion.
1. Die Diagnose der ansteckenden Tierkrankheiten mittelst der
neueren Immunitätsreaktionen mit Ausnahme des subkutanen Ein-
verleibens des Tuberkulins und des Malleins.
2. Die Ätiologie und Pathogenese der malignen Tumoren,
namentlich des Krebses.
3. Die pathologisch-anatomische und pathologisch-histologische
Diagnostik der Tollwut.
in. Dritte Sektion.
1. Die spezifische chronische Enteritis des Rindes.
2. Die infektiöse Pleuropneumonie des Pferdes.
3. Die Hämostase bei den modernen Kastrationsmethoden.
4. Die Pathologie und Therapie der Streptococcenkrankheiten
bei den Haustieren.
5. Die neueren Ansichten der letzten zwei Jahre auf dem Ge¬
biete der Arthritis chronica deformans des Pferdes.
IV. Vierte Sektion.
1. Die Physiologie der Milchsekretion und die Beziehung
zwischen Exterieur des Rindes und der Milchproduktion.
2. Der Einfluß der verschiedenen Futtermittel auf die Qualität
der Produkte (Fleisch, Milch) und die Anwendung der Kel ln ersehen
Prinzipien bei der Ernährung der Haustiere mit Rücksicht auf die
Milch-, Fleisch- und Krafterzeugung.
3. Die Verhütung der nachteiligen Folgen der Leistungszucht
bei den Haustieren.
4. Der Unterricht in der Tierzucht.
V. Fünfte Sektion.
1. Die hygienischen Maßregeln für den überseeischen Transport
der Haustiere.
2. Die Veterinärpolizei in den Kolonien.
3. Die Laboratorien zur Untersuchung der tropischen Krank¬
heiten und der Unterricht in denselben.
D. Feierliche Schlußsitzung am 18. September,
nachm.ittags.,2 Uhr.. .
Bestimmungen Uber die Beilegung des Titels Spezialarzt.
Der preußische Kultusminister hat auf Grund eines Gut¬
achtens der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinal¬
wesen den preußischen Ärztekammern zur Begutachtung einen
Entwurf übersandt, betreffend die Bedingungen für die Führung
der Bezeichnung als Spezialarzt. Die Deputation hat sich
dahin ausgesprochen, daß die Genehmigung zu dieser Bezeichnung
von bestimmten Bedingungen abhängig zu machen sei, und zwar
von einer besonderen Ausbildung, die der Betreffende in seinem
Spezialfach genossen haben muß. Diese Ausbildung soll so
lange währen, als in der Regel erforderlich ist, um sich die
besondere Kenntnis und ausreichende Erfahrung in dem be¬
treffenden Fache zu erwerben. Die Ausbildung kann erworben
werden nur durch die Stellung als Assistent in einer geeigneten
staatlichen oder kommunalen Anstalt oder bei einem in diesem
Gebiet anerkannten Spezialisten. Das Kultusministerium würde
alljährlich ein Verzeichnis derjenigen Anstalten und Spezialisten,
die für die Ausbildung zulässig erscheinen, veröffentlichen.
Vollberechtigte weibliche Studenten.
Durch Anschlag am schwarzen Brett der Berliner Universität
ist der Erlaß des Kultusministers bekannt gemacht worden,
wonach vom Beginn des nächsten Wintersemesters ab auch
Frauen als Studierende an den Landesuniversitäten zugelassen
werden.
Hochschulnaohrlchten.
Gestorben ist Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Settegast am
11. August, fast 90 Jahre alt, der große Reformator des Tier¬
zuchtwesens, der bedeutende Volkswirt und Schriftsteller, einer
3. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
637
der eifrigsten Förderer des Logenwesens nnd auch Gründer
vieler Logen. Der letzte der großen alten Lehrer der Tierzucht
hat damit seit Albrecht Thaers jun. Tod das Zeitliche
gesegnet. R. i. P.
A. o. Professor Dr. Thierfelder-Berlin ist Nachfolger
von Hüfners in Tübingen auf dem Lehrstuhl der physiologischen
Chemie geworden. Prof. Gfirber in Würzburg hat den phys.-
chem. Lehrauftrag in Marburg übernommen. Prof. Frank-
Gießen hat Voits Lehrstuhl in München erhalten. Dr. G.
Tierärztlicher Verein von Unterfranken und Aschaffenburg.
60. ordentliche Generalversammlung am 19. September 1908,
vormittags 10‘/ 2 Uhr, im Bahnhof-Hotel in Würzburg.
Tagesordnung:
1. Rechenschaftsbericht a) des Vorstandes, b) des Kassierers.
2. Wahlen.
3. Über chronische Erkrankungen des Sprunggelenkes. (Mit
Demonstrationen.) Referent: Distriktstierarzt Dr. Reißin ger.
4. Erfahrungen über Tollwut. Referent: Kgl. Bezirkstierarzt
Härtle.
5. Wünsche und Anträge.
Nach der Versammlung findet gemeinsames Mittagsmahl im
Bahnhof-Hotel statt. Hierzu sind schriftliche Anmeldungen bis
längstens 18. September an Unterfertigten erbeten.
Würzburg, 24. August 1908. Stenger, Vorstand.
VII. Wanderversammlung Sohlesischer Schlachthoftierärzte in Hirechberg
am Sonntag, den 6. September 1908.
Programm:
Vormittags 9 bis 10 Uhr: Empfang auf dem Bahnhofe.
Vormittags 10 bis 10 3 / 4 Uhr: Besichtigung des Schlachthofes.
Vormittags 11 bis 127* Uhr: Sitzung in Strauß’ Hotel.
Nachmittags 127 a bis 27a Uhr: Gemeinschaftliche Tafel in
Strauß’ Hotel. (Trockenes Gedeck einschließlich Musik 8,50 M.)
Nach Aufheben der Tafel bei schönem Wetter Fahrt mit der
Talbahn nach Hermsdorf und K. Aufstieg nach dem Kynast.
Besichtigung der romantischen Burgruine. Prachtvolle Fernsicht.
— Abstieg.
Geselliges Beisammensein in Tetzes Hotel, Hermsdorf.
Rückfahrt nach Bahnhof Hirschberg. — Abschied.
Teilnehmererklärungen, auch im besonderen an der Tafel und
dem Ausfluge, sind sofort an den Kollegen Schmidt-Hirschberg
zu richten. Die Teilnahme der Damen ist sehr erwünscht.
Es wird um zahlreiches Erscheinen gebeten, da mit dieser
Versammlung die Feier des 25jährigen Berufsjubiläums unseres
Obmanns Hentschel-Oels verbunden werden soll.
Für die Kollegen, die schon Sonnabend, den 5. September in
Hirschberg eintreffen, findet abends zwangloses Beisammensein im
Hotel »Drei Berge“ statt.
Ankunft des Zuges von Niederschlesien (Kohlfurt - Görlitz)
900 vormittags, Abfahrt 925 bzw. 1022 nachmittags.
Ankunft des Zuges von Mittel- und Oberschlesien (KönigBzelt-
Breslau) 938 vormittags, Abfahrt 922 nachmittags.
Tagesordnung der Sitzung.
1. Bericht über die 7. Hauptversammlung des Vereins Preußischer
Schlachthoftierärzte. (G e r 1 a c h - Liegnitz.)
2. Bakteriologische Fleischuntersuchung. (Dr. Franke-Breslau.)
8. Freie Besprechungen.
4. Wahl des nächsten Versammlungsortes.
Der Obmann: Der derzeitige Festordner:
I. V.: Mahlendorff. Schmidt
Verein der Privetftlerärzte Ostpreußens.
Der Verein der Privattierärzte Ostpreußens fordert die Herren
Privatkollegen dieser Provinz, welche dem Verein noch nicht
angehören, dringend zum Anschluß auf, da wichtige Dinge eine
möglichst umfassende Organisation der Vertreter dieses Standes
geradezu erzwingen.
Der Verein hält am Sonntag, den 6. September 1908, vormittags
11 Uhr, im Hotel Königin Louise in Seebad Cranz eine Sitzung ab,
zu der alle Privatkollegen, denen die Interessen unseres Standes
am Herzen liegen, hierdurch eingeladen sind.
Vorbegrüßung am Sonnabend, den 5. September 1908, abends
9 Uhr, in Königsberg i. Pr. Hotel Berlin.
Nach der Sitzung findet ein gemeinsames Mittagessen und gegen
4 Uhr ein Kaflfeeausflug nach Neukuhren, unter erwünschter Teil¬
nahme der Damen statt. Gefällige Anmeldungen hierzu bis zum
2. September 1908 an das genannte Hotel in Cranz erbeten.
Der Vorstand.
v. Lojewski. Zwirner. Kalcher. Arnsdorff.
Rheinischer Tierärztetag.
Vom 20. bis 26. September d. J. tagt in Köln die 80. Ver¬
sammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und
Ärzte, an der naeh den eingegangenen Meldungen zahlreiche
Tierärzte teilnehmen werden. Um diesen einen entsprechenden
Willkomm zu bereiten, wird am 20. September d. J., vormittags
11 Uhr, im Zoologischen Garten in Köln eine gemeinsame Sitzung
der rheinischen tierärztlichen Vereine mit folgender Tagesordnung
stattfinden:
1. Begrüßungs-Ansprache des Alterspräsidenten. 2. Geschäft¬
liche Mitteilungen. 3. Regelung des Milcbverkehrs in den Schlacht¬
hofgemeinden: a) Städtische Milchkontrolle. Referenten: Dr. Betten-
dorf und Fischer, b) Die Herstellung einwandfreier Kindermilch.
Referenten: Stier und Plath. 4. Mitteilungen aus der Praxis.
Im Anschlüsse an die Sitzung findet ein gemeinsames Mittag¬
essen und am Abend ein Kommers statt. Indem wir die Mitglieder
zu diesen Veranstaltungen ergebenst einladen, bemerken wir, daß
eine möglichst rege Beteiligung der Damen sehr erwünscht ist.
Köln, im August 1908.
Die Vorsitzenden der rheinischen tierärztlichen Vereine.
Bockelmann-Aachen. Brebeck-Bonn.
Dr. Finkenbrink-Saarbrücken. Vet.-Rat Dr. Lothes-Köln.
Vet-Rat Schmitt-Düsseldorf. Vet.-Rat Dr. Steinbach-Trier.
Warnung.
In Stolp wurde nach einer Zeitungsmeldung ein Tierarzt Ernst
Stern festgenommen, der die Kollegen um Reisegeld gebeten, dies
auch in reichem Maße erhalten hatte, trotzdem aber dort blieb.
Wie ermittelt wurde, hat Stern eine bewegte Vergangenheit hinter
sich, und ist mehrmals bestraft Jetzt ist er auch in Graudenz
aufgetaucht, hat aber hier wenig Glück gehabt Er trug einen
dunklen Anzug, weiße Mütze und hat mehrere Schmisse. Wirklicher
Not gegenüber hat sich die Mildtätigkeit der Tierärzte stets aus¬
gezeichnet bewährt. Leider aber haben mehrfach Schwindler und
Vagabunden jahrelang von dem Mitleid der Tierärzte gut gelebt.
Ich habe den Besuch solcher Leute häufig erhalten, die immer eine
gute Personenkenntnis unseres Standes, wahrscheinlich aus dem
Veterinärkalender, hatten. Sie behaupten meist durch Krankheit
in einer entfernten Stadt mittellos geworden zu sein, sie möchten
nach Hause fahren und bitten um Reisegeld oder um schriftliche
Arbeiten, und wenn die nicht vorhanden sind, um ein kleines
Viatikum. Die Namen unserer Professoren, der Departements- und
Kreistierärzte sind ihnen durchaus geläufig. Alle so bettelnde Leute
sind Betrüger und jede Gabe, die ihnen zukommt, ist ein Raub an
der wirklichen Not. Ich selbst bin auch einmal auf solchen
Schwindler hineingefallen, dessen Verurteilung ich hinterher las und
jetzt weise ich diese Leute stets rundweg ab. Ich teile dies Ver¬
fahren zur Nachahmung mit und warne die Kollegen besonders vor
dem erwähnten Stern. Felbaum, Kreistierarzt, Graudenz.
Preußischer Beamten-Vereln zu Hannover, Lebensversicherungsverein auf
Gegenseitigkeit.
Lebens-, Kapital- (Aussteuer- und Militärdienst-), Leibrenten-
und Begräbnisgeld-Versicherungs-Anstalt für alle deutschen Reichs-,
Staats- und Kommunal- etc. Beamten, Geistlichen, Lehrer, Rechts¬
anwälte, Ärzte, Tierärzte, Apotheker, Redakteure, Ingenieure und
geprüften Baumeister, sowie für Privatbeamte in gesicherten
Stellungen. Keine bezahlten Agenten und infolgedessen niedrige
Verwaltungskosten. Versicherungsbestand Ende Juli 1908 : 83 195
Versicherungen über 326 456 550 M. Kapital und 1145017,80 M.
jährliche Rente. Reiner Zugang vom 1. Januar bis Ende Juli 1908:
638
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
2202 Versicherungen über 12 723 950 M. Kapitel und 46 720 M.
jährliche Rente. Vermögensbestand: 115 203 000 M.
[Die Redaktion nimmt von Zeit zu Zeit die Bekanntmachungen
des Preußischen Beamten-Vereins auf, da derselbe als gemein¬
nütziges Institut anzusehen ist unc^die Niedrigkeit der Verwaltungs¬
kosten, die nur durch das Fehlen besonderer Agenten ermöglicht
wird, den Mitgliedern zugute kommt.]
Haftung des Gastwirts für Beschädigung eingestellter Tiere.
Das Oberlandesgericht zu Jena hat neulich ein Urteil ge¬
fällt, welches auch für die Leser der B. T. W. nicht ohne
Interesse sein dürfte. Ein Landwirt stellte sein Pferd in eine
Ausspannung ein und sagte dem Hausknecht, daß das Pferd
allein in einen Stall gestellt werden solle, was zugesagt wurde.
Der Hausknecht hat aber später doch geduldet, daß noch ein
anderes Pferd in denselben Stall gesteUt wurde, wobei er
freilich dem Besitzer sagte, er könne die Verantwortung nicht
übernehmen. Das zweite Pferd hat nun das erste durch einen
Schlag erheblich verletzt, und der geschädigte Besitzer ver¬
langte Schadenersatz von dem Wirt. Die Berechtigung dieses
Anspruches ist anerkannt worden mit folgender Begründung:
Wenn ein Landwirt zu Markte fährt und in eine Ausspannung
sein Fuhrwerk einstellt, so tut er dies nicht zum Zwecke der
Erholung, sondern um während des Marktbesuches Pferd und
Wagen sicher unterzubringen. Er hat darauf einen vertrags¬
mäßigen Anspruch und ist nicht auf den guten Willen des
Wirtes angewiesen. Hierüber kann der Wirt nicht im Zweifel
sein; auch ist zweifellos, daß er dem Hausknecht allgemeine
Vollmacht gibt, ihn in diesen Ausspannungsangelegenheiten zu
vertreten. Einer ausdrücklichen Erklärung des Vertrags willens
bedarf es nicht. Der Hausknecht hat ein Versehen begangen,
indem er die Einstellung eines zweiten Pferdes duldete. Daß
er dem zweiten Pferdebesitzer die Verantwortung zuschob, hat
keine Rechts Wirkung. Für das Versehen des Hausknechts ist
der Wirt haftbar. Daß der Kläger auch gegen den Eigentümer
des sehadenstiftenden Pferdes nach § 833 des Bürgerlichen
Gesetzbuches einen Schadenersatzanspruch hat, schließt den
vertragsmäßigen Anspruch gegen den beklagten Wirt nicht aus.
Haftpflicht des Hufschmiedes.
Der Stuttgarter Versicherungsverein gegen Haftpflicht ver¬
sendet bisweilen Mitteilungen über von ihm regulierte FäUe.
Aus einer solchen Mitteilung ergibt sich folgendes: Ein Pferde¬
besitzer schickt sein Pferd zum Schmiedemeister K. Während
K. und sein Geselle die Vorderfüße fertigmachen, tritt das Tier
mit den Hinterfüßen zurück und tritt sich einen Spitzbohrer in
die Sohle, wodurch es längere Zeit lahm wurde. Das Merk¬
würdige daran ist nun weniger, daß in diesem FaUe der Huf¬
schmied haftbar gemacht wurde, als vielmehr die Berechnung
der Höhe des Schadens. Infolge der Behandlung und Pflege¬
kosten des erkrankten Pferdes, des Aufwandes für ein geliehenes
Ersatzpferd, sowie des verbleibenden Minderwertes belief sich
nämlich der von Sachverständigen begutachtete Gesamtschaden
auf 2300 M. — wahrscheinlich also das Vielfache des Wertes,
den das verletzte Pferd überhaupt gehabt hat. Es ist leider
nicht gesagt, ob das Gericht auch dementsprechend erkannt hat.
Jedenfalls wäre es ein merkwürdiger Zustand, wenn der zu ver¬
gütende Schaden den Wert der beschädigten Sache jemals über¬
steigen könnte. S.
Haftpflicht des Pferdebesitzers.
Beim Passieren des Bürgersteiges wurde ein Apotheker in
Hagen von einem Pferde, das angespannt vor einem Wagen
auf der Straße am Rande des Bürgersteiges stand, in den Arm
gebissen und so schwer verletzt, daß die Gebrauchsfähigkeit
des Gliedes herabgesetzt wurde. Das Landgericht in Hagen
hat nun auf die erhobene Schadenersatzklage hin dem Apotheker
eine von dem Besitzer des Pferdes zu zahlende Rente zu¬
gesprochen.
Staatsveterinärwesen.
Redigiert von Veterinärrat PreuBe.
Versammlung des Deutschen Landwirtschaftsrates,
Februar 1908.
Der amtliche Bericht über die Verhandlungen des Deutschen
Landwirtschaftsrats in seiner 36. Plenarversammlung vom 10. bis
13. Februar 1908 ist nunmehr im 32. Jahrgang des Archivs
des deutschen Landwirtschaftsrats erschienen.
Ich habe auf diese Verhandlungen bereits in Nr. 14 der
B. T. W. hingewiesen und das Wesentlichste aus denselben so¬
wie die gefaßten Resolutionen wiedergegeben. Über das Thema
„Maßnahmen zur Förderung der Viehzucht in Deutsch-Südwest¬
afrika und zur Bekämpfung der afrikanischen Viehseuchen“ habe
ich bereits in Nr. 23 der B. T. W. eingehend referiert. Einen
breiten Raum in den Verhandlungen nahm auch das Thema
„Novelle zum Gesetz betr. die Abwehr und Unterdrückung von
Viehseuchen“ ein. Hierüber ist bereits in Nr. 14 das Nötigste
mitgeteilt worden und erübrigt es sich wohl, nochmals hierauf
einzugehen. Dem Reichstag bleibt das letzte Wort in dieser
Angelegenheit Vorbehalten und müssen wir nun dessen Ent¬
scheidung abwarten. Die Resolution betr. Einführung der
Anzeigepflicht für die Influenza der Pferde ist inzwischen durch
die Ereignisse überholt worden. Vom 1. Oktober d. J. ab ist die
Pferdeinfluenza (Brustseuche, Rotlaufseuche oder Pferdestaupe)
im ganzen Deutschen Reiche anzeigepflichtig. In betreff dieser
wichtigen Frage, welche den Landwirten wieder erneute Pflichten
auferlegt, herrschte unter den Mitgliedern des Deutschen Land¬
wirtschaftsrates große Einmütigkeit. In der vorbereitenden
Kommission war von seiten eines Fachmannes, des Herrn
Geheimen Rat Schütz den Landwirten der Rat gegeben worden,
sich gegen die Einführung der Anzeigepflicht der Pferde¬
influenza zu erklären. Nach seiner Ansicht würde diese für die
Landwirtschaft eher schädlich als nützlich sein. Als Gründe hierfür
gab Herr Geheimer Rat Schütz an, daß es noch nicht gelungen
sei, die Art der Ansteckung bei der Influenza nachzuweisen.
Auch sei die Ansteckung von Tier zu Tier nicht nachgewiesen,
auch nicht, wie der Ansteckungsstoff übertragen werde. Es
läge also die Möglichkeit zur Tilgung der Influenza noch nicht
vor. Die Tötung influenzakranker Tiere könne nicht angewendet
werden, auch würde eine Entschädigung von an Influenza ein¬
gegangenen Pferden nicht gewährt werden können. Der Land¬
wirtschaft würden daher durch die Einführung der Anzeigepflicht
nur Kosten aber kein Vorteil erwachsen. Demgegenüber hatte
Herr Geh. Oberregierungsrat Schröter in der Sitzung des
Landwirtschaftsrates erklärt, daß der Herr Minister gegen die
Aufnahme der Influenza unter die anzeigepflichtigen Krankheiten
keine Bedenken habe. Herr Geheimer Rat Schütz könne daher
seine gegenteiligen Erklärungen nicht im amtlichen Aufträge
gemacht haben. Nachdem nunmehr die Einführung der Anzeige-
pfiicht, entgegen dem Schütz sehen Votum, zur Tatsache geworden
3. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
639
ist, bleibt nur zu hoffen und zu wünschen, daß sich der in
letzterem zum Ausdruck gekommene Pessimismus nicht als
stichhaltig erweist.
Es soll hier noch auf ein Verhandlungsthema eingegangen
werden, welches bisher noch keine Erwähnung gefnnden hat.
Es ist dies der Antrag des Vorstandes der Landwirtschafts¬
kammer der Provinz Westfalen, den Deutschen Landwirt¬
schaftsrat zu ersuchen, das seuchenhafte* Verkalben zum Gegen¬
stand seiner Beratungen zu machen und Mittel und Wege zu
suchen, wie die Seuche zu bekämpfen ist. Bei der Landwirt¬
schaftskammer in Westfalen war der Antrag gestellt worden,
dahin zu wirken, daß das seuchenhafte Verkalben der Anzeige¬
pflicht unterworfen und der Verkauf von Rindvieh aus Ställen,
in denen diese Seuche herrscht, verboten werden muß. Diesen
Antrag hatte der Ausschuß der Landwirtschaftskammer zum
Beschluß erhoben. Auf Grund dieses Beschlusses wurden
sämtliche Kreistierärzte in Westfalen um ein Gutachten
ersucht. In den Gutachten sprachen sich 75 Proz. der Kreis¬
tierärzte für die Einführung der Anzeigepflicht aus. Nur fünf
Kreistierärzte erklärten sich gegen dieselbe. In Rücksicht
darauf, daß sich die Tierärzte über die Bekämpfung der Seuche
nicht einig waren, auch diejenigen, welche die Anzeigepflicht
befürworten, ein sicheres Mittel, wie die Seuche zu erkennen
sei, nicht angegeben hatten, sah sich der Vorstand der Land¬
wirtschaftskammer nicht in der Lage, die Anzeigepflicht für das
seuchenhafte Verkalben zu befürworten. Mit Rücksicht auf den
durch die Seuche verursachten Schaden wurde der vorhin
erwähnte Beschluß gefaßt. Referent über diesen Antrag der
westfälischen Landwirtschaftskammer im Deutschen Landwirt¬
schaftsrat war Freiherr von Ledebur-Crollage. Dieser
beschränkte sich nur auf wenige einleitende Worte, da das
sachliche Referat Herr Geh. Rat Dammann übernommen hatte.
Referent erörterte nur ganz kurz die Gründe, welche die
Landwirtschaft8karamer zu ihrem Anträge veranlaßt hatte. Der
Korreferent Geh. Rat Dammann erläutert zunächst den Begriff
des seuchenliaften Verkalbens. Er müsse es für korrekter halten,
hier von einem ansteckenden Verkalben zu sprechen. Es gebe
viele Fälle, in denen Tiere in größerer Anzahl in einem Stalle
abortieren, wo von einer Ansteckung keine Rede sein könne,
z. B. Verabreichung mutterkornhaltigen Futters oder von bran¬
digem Grünmais oder stark senfölhaltigen Rapskuchen. Das
ansteckende Verkalben werde durch einen feinen Bazillus her¬
vorgerufen, der sich in dem Exsudat zwischen- Gebärmutter-
Schleimhaut und der Oberhäute der Eihäute bei kranken Kühen
vorfindet. Führe man eine Reinkultur dieser Bazillen in die
Scheide einer trächtigen Kuh ein, so treten nach 9 Tagen bis
10 Wochen Verwerfen ein. Aber auch die Erreger des infektiösen
Scheidenkatarrhs können Verkalben hervorrufen.
Die Frage der Bekämpfung des ansteckenden Verkalbens
habe nun sehr große Bedeutung wegen der großen Ausbreitung,
die dieses Leiden in letzter Zeit erlangt hat und wegen der
damit verbundenen schweren Verluste. Der Wunsch, daß die
Veterinärpolizei hier eingreifen möge, sei daher wohl verständ¬
lich. In erster Linie komme hier die Anzeigepflicht in Betracht.
Wann soll jedoch der Betroffene anzeigen? Bei dem ersten
Falle wisse der Besitzer noch gar nicht, • ob ansteckendes Ver¬
kalben vorliegt, auch der 2. und 3. Fall sei noch kein Beweis
für eine Ansteckung. Wenn auch die Erscheinung des infek¬
tiösen Verwerfens meist ziemlich deutlich seien, so treten sie
jedoch nicht immer mit der wünschenswerten Deutlichkeit her¬
vor. Aber auch wenn der Verdacht des ansteckenden Ver¬
kalbens angezeigt werden müßte, so könnte doch die Anzeige
leicht unterlassen werden, sobald angenommen wird, daß mecha¬
nische Ursachen das Verwerfen verursacht haben. Für den hin¬
zugerufenen beamteten Tierarzt sei es nicht immer leicht, an¬
steckendes Verkalben festzustellen. Sei dies nun erfolgt, so
müssten weitere Maßnahmen daran geknüpft werden. Kühe,
welche verworfen haben, dürfen aus dem Stalle nicht entfernt
werden. Da aber in einem Stalle, in welchem die Seuche
herrscht, auch ein Teil der trächtigen Tiere schon angesteckt
seien, so würden auch diese im Falle des Verkaufs die Seuche
verschleppen können. Es müßte demnach jeder Verkauf von
Tieren, abgesehen von Kälbern und Ochsen, aus einem betroffenen
Stalle verboten werden. Ein solches Verbot müßte aber, wenn
es wirksam sein soll, mindestens ein Jahr und darüber aufrecht
erhalten werden. Solche Vorschriften seien jedoch unmöglich.
Bullen in einem verseuchten Stall dürfen auch nicht zum Be-
springen an Kühen in gesunden Beständen verwendet werden.
Auch die Gewährung von Entschädigungen für Verluste
durch infektiöses Umwerfen sei gefordert worden. Was boII nun
entschädigt werden? Direkte Verluste seien selten, es könnten
daher nur Entschädigungen für indirekte Einbußen in Frage
kommen. Diese Entschädigungen würden jedenfalls eine ge¬
waltige Höhe erreichen. An die Einführung einer Entschädi¬
gung könne daher nicht gedacht werden. Die Entschädigung
würde wohl zur Anzeige geneigter machen, sie würde aber
auch das eigene energische Eingreifen der Besitzer zur Tilgung
der Kalamität abschwächen. In Norwegen habe man seit 1903
dem ansteckenden Verkalben gegenüber veterinärpolizeiliche
Maßnahmen eingeführt. Ob und welche Erfolge hiermit erzielt
worden sind, sei dem Referenten unbekannt. Wenn Bomit
Referent der Einführung der Anzeigepflicht nicht das Wort
reden könne, so dürfe man doch auch nicht diesem Übel gegen¬
über die Hände in den Schoß legen. Das zweckmäßigste Mittel
sei die Belehrung der Viehbesitzer über die wahre Natur der
Krankheit, die Art der Ausbreitung, die Schutzmittel und die
Mittel zur Beseitigung. Hierüber herrsche sehr viel Un¬
kenntnis. Hygienische Maßnahmen zur Abwehr dieser Seuche
stehen heute im vollen Umfange zur Verfügung. Der An¬
steckungsstoff, der mit dem Scheidensekret kranker Kühe aus¬
geschieden werde, könne auf drei verschiedenen Wegen auf
andere Tiere übertragen werden. In den meisten Fällen ge¬
schehe dies durch den Bullen. Ferner könne infizierte Jauche
in der Streu den Ansteckungsstoff auf andere Kühe übertragen,
wenn diese damit in Berührung kommen. Schließlich sei in
neuerer Zeit auch festgestellt worden, daß die Aufnahme des
Erregers mit der Nahrung erfolgt.
Gebe man einer trächtigen Kuh eine Reinkultur von
Abortusbazillen ein, so erfolge nach einigen Monaten Verkalben.
Kühe, die die ersten Anzeichen des Verkalbens zeigten, müssen
daher aus dem Stalle herausgenommen werden oder wo dies
nicht möglich sei, müssen sie an das unterste Stallende, wo die
Jauche abfließt, gestellt werden. Tote Kälber und die Nach¬
geburten seien so schnell wie möglich unschädlich zu beseitigen.
Der Platz an dem eine Kuh verkalbt habe, sei sorgfältig zu
reinigen und zu desinfizieren. Kühe, die verkalbt haben, müssen
5 Tage hintereinander mit desinfizierenden Ausspritzungen be¬
handelt werden. Schließlich müsse noch eine tägliche Des-
640
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
infektion des ganzen Stalles, so lange noch Fälle von Verkalben
zu befürchten seien, ausgeführt werden. Es genüge hierzu ein
Abspülen der Standplätze und der Jaucherinnen mit Kalkmilch.
Kühe die verkalbt haben, dürfe mau erst dann wieder zum
Bullen lassen, wenn der Scheidenausfluß aufgehört habe. Der
Bulle sei tunlichst vor und nach dem Springen mit desinfizierenden
Schlauchausspülungen zu behandeln. Um die Tiere vor dem
Verkalben zu schützen, bringt Referent noch subkutane Injektionen
von 2proz. Karbolsäure in Mengen von 20 bis 2$ ccm alle
14 Tage in Vorschlag. Hierdurch habe er schon viele bereits
infizierte Tiere vor dem Verkalben retten können.
Durch die Untersuchungen von Bang sei festgestellt worden,
daß man Kühe gegen das Verkalben unempfänglich machen
könne. Dieser habe Kühen, welche noch nicht besprungen, noch
nicht trächtig waren, eine Aufschwemmung einer Kultur von
Abortusbazillen in die Venen bzw. unter die Haut gespritzt.
Derartige Kühe verkalben, wenn sie später trächtig wurden,
nicht, während bei nicht gespritzten Kühen Verkalben eintrat.
Dieses Verfahren bedürfe noch der weiteren Prüfung. Eine
sehr wichtige Frage sei auch die, wie sich ein Viehbesitzer vor
den Nachteilen schützen soll, die ihnen daraus erwachsen
können, daß ihm Kühe, die verkalbt haben, in den Stall gebracht
werden. Da Verkaufs verböte von Kühen und Bullen aus ver¬
seuchten Ställen sich nicht erreichen lassen, so müsse sich jeder
dadurch Schutz schaffen, daß er sich beim Kaufe einer Kuh
zusichern lasse, daß sie nicht verkalbt habe oder nicht infiziert
sei. Der Ankäufer sei dann ersatzpflichtig, wenn die Zusicherung
sich als nicht richtig herausstelle.
Am Schlüsse seines Vortrages geht Redner noch des
näheren auf die Rolle ein, welche der infektiöse Scheiden- 1
kartarrh für die Ausbreitung des Verkalbens spielt. Hierbei sei
das Verkalben nur eine Nebenerscheinung der eigentlichen
Krankheit. Diese Seuche sei sehr ansteckend, und würden in
einem betroffenen Stalle regelmäßig sämtliche Kühe und Kälber
hiervon ergriffen. Ohne energische Maßnahmen könne man
dieser Seuche nicht beikommen, sie müsse vor allem anzeige¬
pflichtig werden. Leider habe dies der neue Seuchengesetz¬
entwurf nicht berücksichtigt. Die veterinärpolizeiliche Be¬
kämpfung sei sehr wohl möglich, nur dürfe man nichts Unmög¬
liches verlangen, z. B. daß scheidenkranke Kühe während der
Dauer der Krankheit nicht besprungen werden dürfen. Bei der
großen Ausbreitung der Krankheit in manchen Gegenden wird
es dadurch unmöglich gemacht werden, die nötige Nachzucht
zu bekommen. Es könne aber verlangt werden, daß Bullen
aus verseuchten Beständen nicht gleichzeitig Kühe und gesunde
Bestände bespringen.
Als wirksamstes Belehrungsmittel schlägt Redner die Ver¬
breitung eines Merkblattes über das ansteckende Verkalben vor.
Beide Referenten hatten sich auf folgenden Antrag geeinigt:
1. Der Deutsche Landwirtschaftsrat erachtet es im Hinblick
auf die gewaltige Ausdehnung, welche das ansteckende Verkalben
in neuerer Zeit genommen hat, und der schweren Verluste,
welche dieser der Landwirtschaft zufügt, für dringend geboten,
alsbald die Herausgabe eines Merkblattes in die Wege zu
leiten, welches in populärer Darstellung überzeugend die wahre
Natur dieser Seuche, die Weisen ihrer Verschleppung, die
Schutzmittel gegen letztere und die Mittel zur Unterdrückung
der Einzelfälle klarlegt, und für die Verbreitung des. Merkblattes
in den weitesten Kreisen der Viehbesitzer Sorge zu tragen.
2. Der Deutsche Landwirtschaftsrat wolle beschließen, an
den Herrn Reichskanzler und die Regierungen der Einzelstaaten,
welche über die geeigneten wissenschaftlichen Institute ver¬
fügen, das Ersuchen zu richten, die nötigen Mittel zurückzu-
stellen, mit deren Hilfe ein praktisch brauchbares Immunisierungs¬
verfahren gegen das ansteckende Verkalben ermittelt werden
kann.
Dieser Antrag der Referenten gelangte einstimmig zur
Annahme.
Tierseuchen in Deutschland 1906.
Nach dem Jahresbericht des Kaiserlichen Gesundheitsamtes.
(Verlag von Julius 8pringer-Berlin.)
Der Rotlauf der Schweine.
Nach dem Jahresbericht des Kaiserlichen Gesundheitsamts.
Diese Seuche hatte im Jahre 1906 eine beträchtlich größere
Verbreitung gehabt, wie im Jahre vorher; es waren 21 594 Ge¬
meinden nsw. und 48 428 Gehöfte betroffen, dies sind 27,1 Proz.
bzw. 44,5 Proz. mehr wie 1905. Die Zahl der ermittelten
Erkranknngsfälle betrug 76 723, fast 45 Proz. mehr wie 1905.
Von den erkrankten Tieren sind 73,5 Proz. gefallen oder
I getötet. Die Mortalitätsziffer ist also wieder erheblich zurück-
gegangen.
Die meisten Erkrankungen, fast die Hälfte des ganzen
Jahres, fallen auf das dritte Vierteljahr, im vierten Vierteljahr
sind halb so viel Erkrankungen vorgekommen, wie im dritten,
annähernd ebensoviel im zweiten, im ersten dagegen nur Vio
hiervon. Die räumlich stärkste Verbreitung hatte der Rotlauf
in dem Reg.-Bez. Posen (1595 Gemeinden nsw. und 4386 Ge¬
höfte), Bromberg (1435 und 3239), Oppeln (1400 und 4116),
Marienwerder (1051 und 1808), Königsberg (1011 und 1725),
Breslau (920 und 1988) und Allenstein (819 und 1804), sowie
in den Kreisen Mogilno (210 und 496), Wongrowitz (156 und
270), Schnbin (143 und 235), Gr.-Streblitz (141 und 344),
Wirsitz (140 und 303), Johannisbnrg (128 und 253). Hohe
Erkrankungsziffern wurden gemeldet aus den Reg.-Bez. Posen
(6189), Bromberg (5082), Oppeln (4930), Marienwerder (3164),
Allenstein (3097), sowie aus den Kreisen Mogilno (825),
Kolmar i. P. (592), Orteisburg (569), Ratibor (560), Jarotschin
(552), Stadt Berlin (523) und Randow (504). Die größte
Ausbreitung hatte demnach Schweinerotiauf in den an der Ost¬
grenze des Reichs gelegenen Bezirken. Im Aaslande war der
Schweinerotlauf vor allem in Österreich-Ungarn stark verbreitet.
Auch hier kamen im dritten Vierteljahr die bei weitem meisten
Erkrankungen vor. Mitte August waren in Österreich 347 Orte
und 1468 Gehöfte betroffen, in Ungarn Ende Juli 904 Orte und
3357 Gehöfte. In Rumänien erkrankten 1760 Schweine, in
Rußland in 1473 Gemeinden 22 999 Schweine. (Letztere Zahlen
dürften wohl kaum der Wirklichkeit entsprechen. D. R.) In
Frankreich wurden insgesamt nur 426 Bestände durch Rotlauf
betroffen. Ans anderen Ländern wurden sehr viel geringere
Zahlen gemeldet, znm Teil haben sie in betreff des Rotlaufs
überhaupt keine besonderen Aufzeichnungen gemacht.
Einschleppungen des Rotlaufs nach Deutschland haben nur
in einigen Fällen aus Luxemburg nach dem Kreise Saarbrücken
und Trier-Stadt stattgefunden. Aus einem Bundesstaat in den
anderen haben mehrfach Seuchenverschleppnugen festgestellt
werden können, aus Preußen allein in 67 Fällen nach Sachsen,
nach Preußen mehrfach aus Württemberg, Hessen, Sachsen-
Meiningen, Sachsen-Koburg-Gotha. In sehr vielen Fällen waren
3. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
641
Schweine an Rotlauf schon erkrankt oder angesteckt, als sie in
den Besitz der betreffenden Eigentümer gelangten. In einigen
Fällen gab die Unterlassung der Anzeige und damit in Zusammen¬
hang stehend die unterlassene Desinfektion die Veranlassung zu
neuen Seuchenausbrüchen. Die Verabreichung von Wasser,
in welchem Fleisch rotlaufkranker Schweine gewaschen worden
war, an Schweine verursachte in einigen Fällen in den Bezirken
Bromberg und Danzig Erkrankungen an Rotlauf. Durch Nicht¬
beachtung von Sperrmaßregeln wurden ferner Rotlaufausbrüche
verschuldet in den Bezirken Hannover und Münster. Vielfach
hat wieder der schlechte bauliche Zustand der Schweineställe
zur Verbreitung des Rotlaufs beigetragen. Durch Einbringen
von Schweinen in einen verseuchten, noch nicht desinfizierten
Stall wurden im Kreise Gr.-Strehlitz (Oppeln) Erkrankungen
hervorgerufen. Über Verbreitung des Rotlaufs durch den Personen¬
verkehr wird aus Bayern und Sachsen-Altenburg berichtet. Die
Verabreichung infizierten Grünfutters wird für eine größere
Anzahl von Rotlauffällen als Ursache beschuldigt. In Waldeck
soll der Rotlauf deshalb größeren Umfang angenommen haben,
weil die Mehrzahl der Schweinebesitzer die Impfung ihrer
Schweine unterlassen hatte.
In Lippe gab das freie Inverkehrbringen des Fleisches von
Tieren, die wegen Backsteinblattern geschlachtet waren, Anlaß
zur größeren Ausbeitung des Rotlaufs. Daß auch unterlassene
oder mangelhafte Ausführung der Stalldesinfektion wiederholte
Rotlaufausbrüche zur Folge haben können, wird an einigen
Fällen aus den Reg.-Bez. Danzig, Posen und Kassel dargetan.
Einige Neuausbrtiche von Rotlauf sind auch trotz vorschrifts¬
mäßig ausgeführter Stalldesinfektion vorgekommen.
Die Ermittlung der Seuchenausbrüche fand in 162 Fällen auf
Märkten statt, davon allein 47 mal in Hamburg, in einem Fall
in Oldenburg bei einer öffentlichen Auktion und in sehr zahl¬
reichen Fällen in Schlachthäusern, bei der Fleischbeschau und
der Ergänzungsfleischbeschau; in Preußen allein, so weit zahlen¬
mäßige Angaben vorliegen, 2136 mal, darunter 490 Fälle in
Berlin.
Auf offener Straße wurde einmal in Niederbayern Rotlauf
ermittelt, zweimal in Händlerställen und 459 mal in Abdeckereien.
In 16 Fällen wurden Rotlauffälle anläßlich einer durch die Polizei
angeordneten Untersuchung aller durch die Seuche gefährdeten
Tiere am Seuchenort festgestellt. Die genau beobachteten
Inkubationszeiten schwanken zwischen zwei bis fünf Tagen, in
der Mehrzahl zwei auch drei Tage.
Berichte über Rotlaufimpfungen liegen vor aus Württemberg,
Baden, Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt, Bremen und Elsaß-
Lothringen.
In Württemberg wurden 27 424 Schweine mit Lorenz sehen
Impfstoffen geimpft, davon unterlagen 51 der Heilimpfung, von
diesen sind 36 genesen, 5 verendet und 10 notgeschlachtet
worden. Verluste, die zweifellos durch die Impfung an sich
veranlaßt worden wären, kamen nicht vor. Einzelne Schweife
zeigten nach der Impfung vorübergehende Erkrankungen. Zwei
Schweine sind infolge Nebenumständen verendet. Innerhalb der
kritischen Zeit kamen bei den geimpften Schweinen 14 Todes¬
fälle und drei Notschlachtungen vor. Rotlauf hat bei diesen
Tieren nicht nachgewiesen werden können. Ferner sind auch
keine Übertragungen des Rotlaufs von geimpften auf nicht ge¬
impfte Schweine vorgekommen. Nur bei zwei Schweinen war
der Impfschutz ein ungenügender, diese verendeten 7 bzw.
27 Wochen nach der Impfung an Rotlauf. Entschädigung wurde
in 27 Fällen beansprucht; da nur in zwei dieser Fälle Rotlauf
nachgewiesen werden konnte, wurden nur diese beiden Tiere
entschädigt.
In Baden wurden 20 000 Schweine mit Susserin mit günstigem
Erfolge geimpft. Durch Heilimpfung genasen 87 Proz. der
erkrankten Tiere.
Aus Anhalt wird über Schutzimpfungen nach dem Lorenz-
schen Verfahren bei 1445 Schweinen berichtet. Eins dieser
Tiere ist drei Monate nach der Impfung an Rotlauf verendet.
Andere nachteilige Folgen sind nicht eingetreten.
In Sachsen-Koburg-Gotha, Bremen und Elsaß-Lothringen
sind durch die Impfungen gute Erfolge erzielt worden. Näheres
wird hierüber nicht mitgeteilt.
Nacliweisung über den Stand der Tierseuchen in Deutschland
vom 15. August 1908.
Die Zahlen bedeuten die Kreise (Ober&mtabezirke) uaw., eingeklammert die Gemeinden.
Schweineseuche und Schweinepest.
Regierungs¬
bezirk U8W.
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Auf je 1000
Gemeinden
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bezirk usw.
Kreise *
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o
Preußen:
Sigmaringen . . .
—
—
Königsberg....
10
30
10
Waldeck.
2
3
Gumbinnen ....
4
9
3
Bayern:
Allenstein ....
6
14
8
Oberbayern ....
6
10
Danzig.
4
7
5
Niederbayern. . .
5
13
Marienwerder . .
13
35
11
Pfalz.
—
—
Berlin.
—
—
—
Oberpfalz.
1
2
Potsdam.
11
52
20
Oberfranken . . .
—
—
Frankfurt.
17
57
21
Mittelfranken. . .
1
1
Stettin.
7
22
12
Unterfranken. . .
—
—
Köslin.
6
13
7
Schwaben.
3
4
Stralsund ....
_
Württemberg .
4
4
Posen .
21
66
20
Sachsen.
5
6
Bromberg.
12
73
33
Baden .
7
9
Breslau.
20
150
39
Hessen.
7
14
Liegnitz.
19‘
118
42
Meckl.-Schwerin
4
8
Oppeln.
12
29
10
Meckl.-Strelitz .
2
3
Magdeburg ....
6
13
9
Oldenburg . . .
9
16
Merseburg ....
8
13
6
Sachs.-Weimar.
2
12
Erfurt.
4
11
19
Sach s.-Meiningen
1
4
Schleswig ....
9
20
9
Sach s.-Altenburg
1
2
Hannover .
5
10
16
Sachs.-Kob.-Got
1
2
Hildesheim ....
5
9
12
Anhalt.
1
—
Lüneburg f. ....
5
6
4
Braunschweig
5
12
Stade .
7
8
11
Schwarzb.-Sond.
—
—
Osnabrück ....
5
10
18
Schwarzb.-Rud.
—
—
Aurich.
2
4
12
Reuß ä. L.
_
Münster.
7
14
52
Reuß j. L.
1
1
Minden.
3
5
10
Sch aumb.-Lippe
1
1
Arnsberg.
14
29
34
Lippe-Detmold .
8
18
Cassel.
10
34
20
Hamburg ....
3
5
Wiesbaden ....
9
28
30
Lübeck .
1
2
Koblenz.
9
22
21
Bremen.
_
_
Düsseldorf ....
10
28
65
Elsaß.
4
4
Cöln.
3
4
14
Lothringen . .
1
1
Trier.
5
8
7
Aachen .
3
3
8
Rotz.
Preußen: Stadtkreis Berlin 1 (1), in den Reg.-Bez. Köslin,
Posen, Wiesbaden je 1 (1), Oppeln 2 (2), Breslau, Liegnitz je 3 (3\
Marienwerder 3 (5), Potsdam, Bromberg je 4 (4), Cöln 4 (14).
Sachsen: Kr.-H. Leipzig 1 (1).
642
Hamburg: Stadt 1 (1).
Zusammen 41 Gemeinden (32 am 15. Juli), davon 30 auf Preußen
(30 im Juli).
Lungenseuche.
Preußen: In den Reg.-Bcz. Posen, Brombcrg je 1 (1), Marien¬
werder 4 (4).
Sachsen-Koburg-Gotha: Herzogtum Gotha 1 (1).
Zusammen 7 Gemeinden (2 am 15. Juli), davon 6 auf Preußen,
(1 im Juli).
Maul- und Klauenseuche.
Regierungsbezirk usw.
bzw. Staat
(♦ = neu verseucht)
ö
1
Gegenüber d. 15. Juli
Kreise
a
*©
a
©
o
Gehöfte
Kreise
Gemein¬
den
Gehöfte
Preußen:
Marienwerder . . .
o
0
0
— 1
— 1
— 1
Köslin.
1
o
5
0
— 1
- 3
♦Posen.
1
2
4
+ 1
+ 2
+ ■»
Magdeburg ....
0
0
0
— 1
l
— 1
Münster .....
o
4
27
o
- 1
+ 1
Minden.
1
1
2
— 1
— 2
— 3
Arnsberg ....
3
4
12
- 7
— 13
- 48
Düsseldorf ....
0
| 0
0
- 3
— 5
- 7
Cöln.
0
1 0
0
— 1
— 1
— 1
Preußen zusammen
8
13
50
— 13
- 23
- 59
Bayern:
♦Oberbayern ....
1
2
2
+ 1
+ 2
+ 2
♦Schwaben ....
3
3
3
+ 3
+ 3
; + 3
Sachsen:
Dresden.
o
0
o
— 1
— 1
f - 1
Württemberg:
Neckarkreis . . .
o
0
0
- 1
— 1
' — 3,
Saeliscn-Coburg-Gotha:
1
Gotha..
0
! o
o
— 1
— 1
— 19
Zusammen
12 |
I lö 1
1 55 I
— 12
1 - 21
| - 77
SetichennachrichteiidiensL
Mit dem 1. Juli d. J. ist in sämtlichen deutschen Bundes¬
staaten ein verbesserter Nachrichtendienst über die Ausbrüche
der Maul- und Klauenseuche zur Einführung gelangt. Die be¬
amteten Tierärzte, ausgenommen die preußischen, haben dem
Kaiserl. Gesundheitsamt über jeden ersten Neuausbruch dieser
Seuche in einem bisher seuchenfreien Kreise oder gleich-
stehenden Verwaltungsbezirk telegraphisch Mitteilung zu
machen; für Preußen erfolgt die Anzeige an das gedachte
Amt durch das Landwirtschaftsministerium nach Eingang der
dorthin gerichteten Telegramme der Kreistierärzte. Die im
Kaiserl. Gesundheitsamt einlaufenden telegraphischen Meldungen
sollen dem Reichsanzeiger und einzelnen bedeutenden land¬
wirtschaftlichen und tierärztlichen Zeitschriften zur Veröffent¬
lichung zugehen. Ferner sind die Regierungspräsidenten er¬
sucht worden, für kostenfreie Veröffentlichung in den Kreis¬
blättern oder in sonstigen, von den interessierten Kreisen
gelesenen Zeitungen Sorge zu tragen.
Verfügung betr. Schafrftude.
Infolge eines Erlasses des Herrn Ministers für Land¬
wirtschaft usw. sind die Polizeibehörden angewiesen worden, auf
die Anzeige des Besitzers von der Beendigung des Heil¬
verfahrens gemäß § 121, Abs. 4 der Bundesratsinstruktion die
Untersuchung der räudekrank gewordenen Pferde oder Schafe
durch den beamteten Tierarzt zu veranlassen. Von der
Forderung eines Zeugnisses des behandelnden Tierarztes über
den Erfolg der Behandlung ist weiterhin abzusehen.
No. 36.
Maul- und Klauenseuohe.
Die Seuche macht im Süden weitere Fortschritte. Neue
Ausbrüche sind dem Kaiserlichen Gesundheitsamt gemeldet von
den Schlachthöfen zu Augsburg und Ingolstadt, sowie aus der
Stadt Ingolstadt und aus Aschheim, Bezirksamt München, vom
26. und 27. August, ferner aber vom Schlachtviehhof zu Stra߬
burg aus Dörnach, Kreis Mülhausen, und aus Colmar im gleich¬
namigen Kreise des Oberelsaß, aus Forbach Bez. Lothringen,
aus dem Kreise Saarbrücken vom 1. September; endlich vom
Schlachtviehhof zu Frankfurt a. M. vom 31. August.
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
Die Ergebnisse der Schlachtvieh- und Fleischbeschau
im Deutschen Reiche im Jahre 1905.
Bearbeitet im Kaiserlichen Gesundheitsainte. Berlin. Verlag von
Julius Springer. 1908. Preis 7,50 M.
Wie der Bericht über die Ergebnisse der Schlachtvieh- und
Fleischbeschau im Jahre 1904 ist auch derjenige für 1905 auf
Grund der Bestimmungen des Bundesrats über die Fleiscbbescliau-
und Schlachtungsstatistik vom 1. Juni 1904 erfolgt. Die von
! den Beschaustellen gelieferten Zusammenstellungen sind dabei
für die Answertung geeigneter gewesen als im Vorjahre, ein
Fortschritt, der vornehmlich durch die allmähliche Verbreitung
und bessere Ausbildung der nichttierärztlichen Fleischbeschauer
und die dadurch erreichte gleichmäßigere Ausübung der Beschau
eileicht ist. Der Bericht liefert über die Resultate der Beschau
eine genaue Übersicht. Die rein statistischen Zahlen sind in
der B. T. W. bereits im Vorjahre in Nr. 10 znsammengestellt
und es brauchen daher nur die allgemeinen Besprechungen hier
berücksichtigt zu werden.
I. Die Schlachtvieh- und Fleischbeschau bei Schlachtungen im Inlande.
1. Beschaute Schlachttiere.
Bei allen Tiergattungen, außer den Schweinen, hat gegen¬
über 1904 eine Zunahme der Schlachtungen stattgefunden. Die
Zahl der geschlachteten Rinder war um 10 Proz. größer, die¬
jenige der Schafe um 7,37 Proz., dagegen wurden fast 1,5 Mill.
Schweine d. h. etwa 10 Proz. weniger geschlachtet, eine Er¬
scheinung, die durch die Mißernte, besonders an Kartoffeln
und die dadurch veranlaßte Reduktion der Schweinebestände
bedingt ist. Dabei mögen auch die niedrigen Schweinefleischpreise
im Jahre 1904 mit von Einfluß gewesen sein.
Auf 1000 Einwohner kamen 2,45 geschlachtete Pferde im
Reichsdnrchschnitt, am meisten entfielen auf Bremen 10,12,
Lübeck 8,82, Hamburg 6,50 und Berlin 6,41, in den Regierungs¬
bezirken Gumbinnen und Allenstein wurden dagegen überhaupt
keine Pferde geschlachtet. Für Ochsen betrug der Reichs-
durchsclmitt 9,86. Am höchsten stellte sich das Verhältnis in
Berlin mit 33,68, Mittelfranken 31,36 und Hamburg 30,22. Die
Durchschnittszahl für das Reich hinsichtlich der Ballen war
7,73 auf 1000 Einwohner. Bremen wies 20,39, Berlin 20,30
und BraunBchweig 17,63 auf, die drei Höchstzahlen im Reiche.
Kühe wurden im Durchschnitt 27,53 Prom. geschlachtet, am zahl¬
reichsten mit 62,87 Prom. in Lübeck, mit 56,20Prom. im Ober-Elsaß
und 51,60 Prom. in Oberbayern. Berlin steht mit 8,31 Prom. an vor¬
letzter Stelle. Die Reichsdurchschnittszahl für Jungrinder war
15,63. Ungewöhnlich hohe Schlachtungen ergaben sich in
Birkenfeld 68,62 Prom., Mannheim 53,80 und dem Neckarkreis
48,89, überhaupt im südwestlichen Deutschland, die niedrigsten
in Dresden 2,46 Prom., Chemnitz, Anrich, Leipzig, im Königreich
BERLIN KR TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
3. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
643
Sachsen 3,16 Prom. Kälber wurden 72,89 auf 1000 Einwohner
geschlachtet, in Oberbayern 187,48, in Schwaben 167,87 Prom.
und Lübeck 139,96 Prom., Schweine im Reichsdurchschnitt
225,09 Prom. Die höchsten Schlachtziffern ergaben sich in
Braunschweig 509,18 Prom., Berlin 475,75 Prom. und Schwarz-
burg-Sonderhansen 451,75 Prom. Schlachtungen wurden vorge¬
nommen auf jedes Tausend der Bevölkerung durchschnittlich
40,41; in Berlin 228,99, in Aurich 109,75 und Hamburg
105,79 Prom. Die Ziegenschlachtungen sind in Norddeutschland
verhältnismäßig selten, am häufigsten in Reuß älterer Linie
46,49 Prom., Bautzen 40,87 Prom. und Sachsen-Koburg-Gotha
40,81 Prom. Reichsdurchschnitt 7,22 Prom.
2. Notschlachtungen. Die Notschlachtungen haben im
Verhältnis zu den ordnungsmäßigen Schlachtungen gegen 1904
um ein geringes zngenommen. Bei Schweinen, Schafen und
Pferden ist eine unbedeutende Verringerung eingetreten.
3. Untersuchungen durch Tierärzte und durch nicht
als Tierarzt approbierter Beschauer. Eine getrennte
Übersicht ist aus Bayern, Württemberg, Hessen, beiden Schwarz¬
burg, Lippe, Bremen und Elsaß-Lothringen nicht geliefert.
Abgesehen von diesen Staaten verhielt sich die Zahl der tier- I
ärztlichen zu den nichttierärztlichen Untersuchungen bei Rindern
ungefähr wie 2,57 zu 1, bei Ochsen wie 6 zu 1, Bullen 4,4 zu 1,
Kühen 2,35 zu 1, Jungrindern 1.56 zu 1, Kälbern 2,96 zu 1,
ferner bei Schweinen wie 2 zu 1, Schafen 4,92 zu 1, Ziegen
0,71 zu 1. Pferde sind gesetzmäßig nur von Tierärzten zu
untersuchen. Auch die Notschlachtungen haben in der Haupt¬
sache die Tierärzte beschaut.
4. Beanstandungen im allgemeinen.
Die Untauglichkeitserklärungen ganzer Tierkörper sind gegen
das Vorjahr bei Jungrindern wesentlich, um 23.06 Proz., an¬
gewachsen, auch bei Pferden mit -f 13,28 Proz., Kühen
10,06 Proz. und bei Rindern insgesamt mit -f* 10,22 Proz.
Eine Abnahme zeigte sich bei den Bullen — 11,68 Proz.,
Schweinen — 6,95 Proz. und Ziegen — 4,22 Proz. Die Un¬
tauglichkeitserklärungen ganzer Tierkörper, ausgenommen Fett,
haben erheblich zugenommen bei Kälbern mit 4* 52,69 Proz.,
bei Kühen und Jungrindern 7 Proz., bei den Rindern um
-f- 0,66 Proz. Demgegenüber steht eine Abnahme bei Bullen
— 63,46 Proz. und Schweinen — 9,59 Proz. Veränderte Teile
wurden in erhöhtem Umfange beanstandet bei allen Schlacht¬
tieren, auch die Bedingttauglichkeitserklärungen haben eine
nicht unbeträchtliche Steigerung erfahren, besonders bei Jung¬
rindern 4- 42,92 Proz. und Schafen 4* 39,15 Proz. Die Ver¬
mehrung dev Minderwertigkeitserklärungen tritt am meisten bei
Jungrindern -f- 32,75 Proz., Kühen 4- 20,81 Proz. und Rindern
überhaupt -f 20,74 Proz. hervor.
Unter den unschädlich beseitigten Teilen stehen die Lungen
obenan. Von 100 Rinderlungen wurden im Durchschnitt 20 be¬
anstandet, von 100 Schaf langen nahezu 11, von der gleichen
Zahl Schweinelungen 6. Nächstdem folgt die Vernichtung von
Lebern (Rinder ohne Kälber 6,18 Proz., Schafe 6,05 Proz.,
Schweine 2,15 Proz.).
Die höchsten und niedrigsten Zahlen der Beanstandungen
entfallen bei „Untauglich der ganze Tierkörper“ hinsichtlich der
Rinder auf Bautzen 42,94, Jagstkreis 29,32 — Birkenfeld 0,81,
Hamburg 1,96, hinsichtlich der Kälber auf 16,07 Chemnitz
11,62 — Lothringen 0,39, Bremen 0,50, hinsichtlich der Schweine
auf Waldeck 3,93, Schaumburg-Lippe 3,76 ^ Karlsruhe 0,11,
Unter-Elsaß 0,11, hinsichtlich der Schafe auf Münster 7,05,
Magdeburg 4,25 — Sigmaringen, Lübeck (Fürstentum), Birken¬
feld, Schauinburg-Lippe und Lippe 0.
Die höchsten und niedrigsten Ziffern bei „Untauglich der
ganze Tierkörper, ausgenommen Fett“ zeigten hinsichtlich der
Rinder Bautzen 10,45, Dresden 7,31 — Stralsund, Sigmaringen,
Mittelfranken, Karlsruhe, Mecklenburg - Strelitz, Fürstentum
Lübeck usw. je 0, der Kälber Leipzig und Rheinhessen je 0,57 —
63 Regierungsbezirke usw. 0, der Schweine Dresden 1,51, Posen
und Leipzig 1,09 — 7 Regierungsbezirke usw. 0, der Schafe
Starkenburg 0,31, Rheinhessen 0,26 — in den meisten Re¬
gierungsbezirken U8W. 0.
Die gleichen Zahlen der Klasse „Bedingt tauglich“ entfallen
bei Rindern auf Zwickau 10,42, Stralsund 9,88 — Unterfranken
0,63, Schaumburg-Lippe 0,97, bei Kälbern auf Lübeck 1,90,
Sigmaringen 1,42 — 14 Regierungsbezirke usw. 0, bei Schweine
auf Allenstein 12,87, Marienwerder 10,27 — Unter-Elsaß 0,11,
Schwarzburg-Sondersliausen 0,14, bei Schafen auf Anhalt 1,46,
Merseburg 1,113 — 48 Regierungsbezirke usw. 0.
Die Beurteiliingsklasse „Im Nahrungs- und Genußwert er¬
heblich herabgesetzt“, weist die höchsten und niedrigsten Ver¬
hältniszahlen auf hinsichtlich der Rinder in Bautzen 96,96,
Schwarzwaldkreis 59,93 — Hamburg 5,08, Schaumburg-Lippe
6,78, der Kälber Königsberg 19,59, Marienwerder 18,94 —
Schwarzburg-Rudolstadt 0,16, Lübeck 0,27, der Schweine Bautzen
11,42, Dresden 9,40 — Unter-Elsaß 0,39, Waldeck 1,05, der
Schafe Sigmaringen 129,46, Schwaben 11,77 — Osnabrück,
Fürstentum Lübeck, Birkenfeld, Schaumburg-Lippe, Lübeck je 0.
Die größte Zahl der Beanstandungen ist durch die Tier¬
ärzte erfolgt, nur bei Ziegen überragen diejenigen durch die
Nichttierärzte etwas. Das Verhältnis zwischen den Bean¬
standungen durch die beiden Gruppen ist bei den Ochsen etwa
12 : 1, Bullen 9 : 1, Schafen 6 : 1, Kälbern 5 : 1, Kühen und
Schweine 4 :1 und den Jungrindern 3 :1.
5. Beanstandungsgründe und Fleischbeurteilung im
Gesamtgebiete des Reichs.
An erster Stelle steht die Tuberkulose mit 1 113 209 Be¬
anstandungen gegen 985 208 im Vorjahre. Das bedeutet eine
Vermehrung um etwa 128 000 Fälle, also annähernd 7«. Nächst
der Tuberkulose veranlassen die Eingeweidewürmer hohe Be¬
anstandungsziffern: Lungenwürmer 387 630 (377 203 im Vor¬
jahre), Hül8enwtirmer 285 056 (271 606), anderweitige Ent¬
zündungen einschließlich abgekapselter Eiterherde 268 374
(217 235) und Leberegel 240 833 (266 788). Hierbei sind nur
die Fälle berücksichtigt, in denen allein Organe beanstandet
sind und zwar mehr als die Hälfte des betroffenen Organs.
Am seltensten gaben Beanstandungen ab die Lungenseuche
mit 2 Fällen (Vorjahr 1), Rotz 57 (24), Maul- und Klauen¬
seuche 157 (350), Urämie 678 (637), Trichinen 786 (897),
Leukämie 936 (903), Milzbrand 1083 (917). Die Verbreitung
der Trichinen ist nur insoweit aus obiger Zahl ersichtlich, als
eine Trichinenschau durchgeführt worden ist.
Pferde: Die wichtigsten Beanstandungsgrtinde sind „Ander¬
weitige Entzündungen einschließlich abgekapselter Eiterherde“
mit 4450 (3619) Beanstandungen, „Blutige oder wäßrige Durch¬
tränkung, Kalk- oder Farbstoffablagerung“ 3964 (3069) und
„Verschiedene andere Erkrankungen und Mängel“ 2913 (2527).
Rinder: Voran steht die Tuberkulose mit 701 586 Fällen
(Vorjahr 595 469 ), was zwei Drittel der gesamten Tuberkulose-
644
beanstandungen ausmacht. Darauf folgen „Leberegel“ in
100 326 (128 343) Fällen, „Anderweitige Entzündungen ein¬
schließlich abgekapselter Eiterherde“ 70 722 (61 357), „Hülsen-
wtirmer“ 60710 (58242) und „Verschiedene andere Erkrankungen
und Mängel“ 55 619 (51458).
Kälber: Die Höchstzahl der Beanstandungen zeigt die
Rubrik „Anderweitige Entzündungen einschließlich abgekapselter
Eiterherde“ mit 24 164 (19 884) Beanstandungen ; darauf folgen
„Verschiedene andere Erkrankungen und Mängel“ mit 16 095
(14 679) und Tuberkulose mit 13 397 (11 141) Beanstandungen.
Schweine: Die Ergebnisse sind ähnlich wie beim Rind,
auch hier überragt die Tuberkulose alle anderen Mängel. Sie
wurde ermittelt 389 255 (370 957) mal. Darauf folgen „Ver¬
schiedene andere Erkrankungen und Mängel“ mit 182 700
(130 081), „Lungenwürmer“ 174 593 (207 814 ), „Hülsenwürmer“
166 732 (159 644), „Anderweitige Entzündungen einschließlich
abgekapselter Eiterherde“ mit 151 798 (115 306) und „Fäulnis,
Schimmelbildung, Verunreinigung des Fleisches u. dgl.“ mit
118 764 (69 013) Fällen. Die Parasiten standen im Vorjahre
an zweiter und dritter Stelle.
Schafe: Lungenwttrmer 208 492 (164 833) Fälle, Leberegel
132 907 (128 757), Hülsenwürmer 55 708 (51519).
Ziegen: Leberegel 3751 (4213) Fälle, Tuberkulose 3291
( 2922) und Lungenwürmer 2217 (1585).
Die bedeutendste Zunahme gegen das Vorjahr, um einige
Beanstandungsgründe zu vergleichen, zeigt die Tuberkulose.
Auf die Gesamtzahl der Schlachttiere bezogen, beträgt diese
Zunahme 6,53 Prom., wovon die Rinder den Hauptteil tragen.
Die Steigerung bei diesen beträgt 12,69 Prom., bei den
Schweinen 4,07 Proin. Auch die Beanstandungen wegen
Schweineseuche und Schweinepest haben wesentlich zugenommen
(6,27 gegen 4,08 Prom.). Eine geringe Abnahme ist beim
Rotlauf und der Maul- und Klauenseuche zu verzeichnen.
Nahezu unverändert verhielten sich Milzbrand, Rauschbrand,
Rinderseuche und Nesselfieber. Bei der Tuberkulose war
„Untauglich der ganze Tierkörper“ bei 3,63 Prom. der ge¬
schlachteten Rinder, bei 0,50 Prom. der Ziegen, 0,48 Prom. der
Hunde und 0,40 Prom. der Schweine. „Bedingt tauglich“
wegen Tuberkulose waren 2,53 Prora, der Rinder (davon in
0,54 Prom. auf Viertel beschränkt), 1,16 Prom. der Schweine
(0,20 Prom. Viertel), „Minderwertig“ 10,17 Prom. der Rinder,
1,75 Prom. der Schweine (einschließlich 1,01 Prom. Rinder¬
viertel und 0,39 Prom. Schweineviertel). Unter den Rindern
überragen bei weitem die Kühe. „Untauglich nur die ver¬
änderten Teile“ waren infolge Tuberkulose bei 175,2^ & Prom.
der Rinder, 25,37 Prom., der Schweine, 6,82 Prom. der Ziegen,
2,27 Prom. der Kälber und 2,02 Prom. der Schafe.
Nächst der Tuberkulose wurde der ganze Tierkörper am
häufigsten wegen eitriger und jauchiger Blutvergiftung bean¬
standet und zwar bei 3,25 Prom. der Pferde und 3,10 Prom. der
Rinder, vornehmlich bei Kühen, bei denen die septischen Er¬
krankungen der Gebärmutter, des Euters und des Darms die
Häufigkeit erklären. Die Zahl für Kälber ist wegen der Kälber¬
lähme und Kälberruhr ebenfalls hoch und beträgt 1,16 Prom.
Die übrigen Schlachttiere leiden selten an Blutvergiftung.
Wegen Schweineseuche und Schweinepest wurden 6,27 Prom.
der Schlachtschweine beanstandet, gegen das Vorjahr mit
4,08 Prom. wesentlich mehr. Bei 5,58 Prom. waren die ver¬
änderten Teile untauglich, bei 0,51 Erom. war der Körper be¬
No. 36.
dingt tauglich und bei 0,18 Prom. untauglich. Wegen Rotlaufs
sind 0,72 Prom. der Schweine für bedingt tauglich und 0.12 Proin.
für untauglich erklärt worden.
Aktinomykose und Botryoroykose gaben Veranlassung für
Beanstandung der veränderten Teile bei 5,92 Prom. der Rinder,
0,29 Prom. der Schweine und 0,22 Prom. der Pferde. Untauglich
der ganze Tierkörper war nur bei je 0,02 Prom. der Rinder
und Pferde.
Rotz war bei 0,39 Prom. der Schlachtpferde Beanstandungs¬
grund. Maul- und Klauenseuche trat auf bei 0,02 Prom. der
Rinder, 0,005 Prom. der Schweine, 0,004 Prom. der Ziegen,
0,001 Prom. der Schafe und 0,0002 Prom. der Kälber. Wegen
Milzbrand, Rauschbrand und Rinderseuche sind unschädlich
beseitigt 0,27 Prom. der Rinder, 0,02Prom. der Pferde, 0.009 Prom.
der Ziegen, 0,007 Prom. der Schafe, 0,006 Prom. der Kälber und
0,003 Prom. der Schweine, Lungenseuche kam sehr selten vor.
Schweinefinnen wurden bei 0,26 Prom. der Schweine ge¬
funden, wobei bei 0,07 Prom. der Körper (ausg. Fett) un¬
tauglich, bei 0,17 Prom. bedingt tauglich und 0,02 Prom. minder¬
wertig war.
Die Rinderfinne kam etwa 12 mal häufiger als die Schweine¬
finne vor, ähnlich wie 1904, wobei am häufigsten die Bullen,
verhältnismäßig seltener die Kühe betroffen waren. Finnig
3,48 (3,20) Prom. der Rinder und 0,03 (0,02) der Kälber, w’o-
bei der Tierkörper für untauglich erklärt wurde bei 0,04 Prom.
(0,07) der Rinder und 0,003 (0,004) der Kälber, für bedingt
tauglich bei 1,32 Prom. (1,20) der Rinder und 0,02 (0,01) der
Kälber, für minderwertig bei 2,12 Prom. (1,96) der Rinder und
0,01 (0,01) der Kälber.
6. Beanstandungsgründe und Fleischbeurteilung in den
einzelnen Staaten und Landesteilen.
Die Häufigkeit der Tuberkulose der Rinder betrug im Reichs¬
durchschnitt 191,58 Prom. Über dem Durchschnitt standen
Lübeck 360,94, Königreich Sachsen 350,68, Sachsen-Altenburg
336,80, Mecklenburg-Strelitz 313,86 Mecklenburg-Schwerin 306,95,
Reuß jüngere Linie 299,06, Schleswig-Hollstein 297,97, Berlin
288,40, Provinz Sachsen 268,86, Pommern 255,01, Sachsen-
Weimar 253,70, Posen 250,48, Reuß ältere Linie 238,17, Anhalt
227,51, Rheinland 217,41, Schlesien 212,67, Westpreußen 211,80
Brandenburg 209,55 Westfalen 207,82, unter dem Reichsdurch¬
schnitt Hohenzollern 74,47, Schaumbnrg-Lippe 82,11, Lippe
87,63, Waldeck 92,14, Bayern 93,17, Oldenburg 96,83, Würtem-
berg 106,12, Baden 107,20, Hessen 107,83, Ostpreußen 117,60,
Elsaß-Lothringen 119,52, Hannover 144,25, Hamburg 170,35,
Bremen 180,20, Hessen-Nassau 180,29. Lübeck ist im Ver¬
gleich zum Vorjahre von der fünften an die erste Stelle gerückt,
Brandenburg über den Reichsdurchschnitt getreten, Ostpreußen
zurückgegangen. Die Beurteilungen des Fleisches fallen in den
einzelnen Bezirken offenbar immer noch sehr verschieden aus,
trotz der einheitlichen Vorschriften, im übrigen zeigen die für
1905 und 1904 ermittelten Verhältniszahlen keine besonderen
Unterschiede.
Der Reichsdurchschnitt der Kälbertuberkulose war 3,05Prom.
Darüber stehen Hamburg 7,99, Schleswig-Holstein 7,60,
Bremen 7,09, Berlin 6,01, Königreich Sachsen 5,55, Pommern 449,
Westpreußen 3,95, Provinz Sachsen 3,56, Schlesien 3,14, unter
dem Reichsdurchschnitt Waldeck 0,19, Oldenburg 0,49, Elsaß-
Lothringen 0,50, Westfalen 0,61, Baden 1.54, Hessen 1,63, Ost¬
preußen 1,75, Rheinland 1,83, Brandenburg 2,14, Württem-
BERLINEIt TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
3. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
645
berg 2,39, Hannover 2,41, Bayern 2,52, Posen 2,82. Im Vor¬
jahre stand Hamburg an 12. Stelle, Pommern rückte von der
1. bis zur 11. Stelle. Vielleicht wird die Tuberkulosestatistik
beeinflußt durch das Fortschreiten der Bekämpfung der Seuche
seitens der Landwirtschaftskammern.
Der Reichsdurchschnitt der Schweinetuberkulose war
28,69 Prom. Er wurde überschritten im Königreich Sachsen 56,19,
Lübeck 53,98, Provinz Sachsen 53,31, Berlin 47,44, Schleswig-
Helstein 42,97, Mecklenburg-Schwerin 39,63, Pommern 37,14,
Posen 37,06, Westpreußen 34,67, Hamburg 34,49, Hannover 31,99,
Schlesien 29,74, nicht erreicht in Hohenzollern 4,23, Baden 7,01,
Elsaß-Lothringen 7,59, Württenberg 10,71, Bayern 12,55,
Hessen 12,91, Westfalen 12,99, Oldenburg 16,75, Hessen-
Nassau 17,05, Ostpreußen 17,20, Rheinland 22,14, Branden¬
burg 28,33. Die Staaten nehmen im allgemeinen eine ähnliche
Stellung ein wie hinsichtlich der Tuberkulose des Rindes; die
Verschiedenheiten mögen bedingt sein durch die Schlachtungen
in den großen Städten und die Zuführ aus weitentfernten
Gegenden zu den größeren Schlachthöfen. Die Beurteilung läßt
wie beim Rind hinsichtlich der nötigen Gleichmäßigkeit zn
wünschen übrig.
Schweineseuche- und Schweinepest. Reichsdurchschnitt 6,27
Prom. Darüber Schleswig-Holstein 48,26, Westpreußen 23,67,
Hannover 14,75, Hessen - Nassau 14,27, Oldenburg 10,59,
Brandenburg 9,71, Ostpreußen 9,33, Hamburg 8,57, Rhein¬
land 7,24, darunter Schaumburg-Lippe 0, Württemberg 0,37,
Hessen 0,85, Baden 1,23, Berlin 1,36, Königreich Sachsen 1,57,
Bayern 1,68, Westfalen 2,75, Schlesien 3,23, Posen 3,68, Elsaß-
Lothringen 4,63, Provinz Sachsen 4,83, Pommern 5,14. Die
Beurteilung ist wie bei der Tuberkulose sehr verschieden
gewesen.
Rotlauf wurde im Reichsdurchschnitt bei 0,84 Prom. der Schweine
festgestellt, beträchtlich häufiger in Pommern 7,15, Ostpreußen
5,32, YVestpreußen 4,58, Posen 4,36, Schlesien 2,05,. Königreich
Sachsen 1,15, dagegen seltener in Schwarzburg-Sondershausen 0,
Hessen 0,07, Elsaß-Lothringen 0,09, Rheinland 0,11, Hamburg
0,12, Berlin 0,14, Baden 0,18, Hessen-Nassau 0,18, Provinz
Sachsen 0,19, Schleswig-Holstein 0,24, Hannover 0,38, Olden¬
burg 0,40, Brandenburg 0,54, Westfalen 0,57, Württemberg 0,70,
Bayern 0,71.
Gesundheitsschädliche Finnen unter den Rindern und Kälbern
wiesen den Reichsdurchschnitt von 1,60 Prom. auf, wobei die
Kälber unter 6 Wochen, weil sie nicht auf Finnen untersucht
werden, wegfallen. Über diesem Durchschnitt standen Bremen
6,37, Berlin 3,75, Ostpreußen 3,64, Westpreußen 3,13, König¬
reich Sachsen 2,43, Provinz Sachsen 2,37, Posen 2,16, Schlesien
1,99, Schleswig-Holstein 1,99, Hamburg 1,97, Hannover 1,81,
unter dem Durchschnitt Schaumburg-Lippe, Hohenzollern 0,
Lübeck 0,21, Pommern 0,56, Württemberg 0,57, Elsaß-Lothringen
0,59, Bayern 0,62, Oldenburg 1,04, Westfalen 1,11, Rheinland 1,35,
Hessen 1,37, Baden 143, Brandenburg 1,47, Hessen-Nassau 1,51.
Gesundheitsschädliche Finnen unter den Schweinen wiesen
den Reichsdurchschnitt von 0,26 Prom. auf. Darüber stehen
Schlesien 1,43, Posen 0,95, Ostpreußen 0,87, Schaumburg-Lippe
0,44, Westpreußen 0,43, Lippe 0,37, Reuß ältere Linie 0,30,
Hannover 0,29 und Berlin 0,27, unter dem Durchschnitt die
übrigen Landesteile. Die meisten finnigen Schweine werden
demnach in Schlesien, Posen und Ostpreußen ermittelt. Unter
den anderen Beanstandungsursachen interessieren nachfolgende
Daten: Auffallend hohe Ziffern für Milzbrand, Rauschbrand und
Rinderseuche (Reichsdurchschnitt 0,27) zeigten Hohenzollern
4,28 Prom., Schwaben 1,83 und Lippe 1,54. Beim Rotz steht
Posen an erster Stelle. Gehirnblasenwürmer sind am häufigsten
im Königreich Württemberg gefunden 12,39 Prom. (Reichs¬
durchschnitt 20 Prom.), nächstdem haben hohe Beanstandungs¬
ziffern Schwaben und die Provinz Sachsen. Von den Rindern
waren im Durchschnitt 1,11 Prom. mit den fraglichen Parasiten
behaftet (Hohenzollern 12,27, Niederbayern 10,19 Prom.). .Un¬
reife bei Kälbern ist vornehmlich in Westpreußen, Ostpreußen und
Mecklenburg-Schwerin Beanstandungsgrund gewesen. Strahlen¬
pilz- und Traubenpilzkrankheit sind am häufigsten festgestellt in
Pommern22,84, Königreich Sachsen 14,15, Oldenburg 13,72, Provinz
Sachsen 11,41, Anhalt 11,13 und Schlesien 10,58 Prom. Hülsen¬
würmer wurden vornehmlich ermittelt in Mecklenburg-Schwerin
69,03 Prpm., Mecklenburg-Strelitz 58,76, Braunschweig 52,15 und
Pommern 46,79. Besonders bei den Kühen sind die Hülsenwürmer
häufig. Auf 1000 Schweineschlachtungen entfallen 12,28 Be¬
anstandungen wegen Hülsenwürmer. Die beiden Mecklenburg
und Pommern haben bekanntlich auch die größte Zahl der
Echinococcenerkrankungen beim Menschen. Lungenwürmer beim
Schaf wurden am meisten in Baden 417,54 Prom. und Württem¬
berg 347,34 festgestellt, Leberegel am häufigsten in der Pfalz
397,70, in Württemberg 289,29 und Oldenburg 241,18. Bei
Rindern stellt sich der Reichsdurchschnitt für Leberegel etwa
auf die Hälfte der bei den Schafen verrechneten.
il. Die Fleischbeschau bei dem in das Zollinland eingefdhrten Fleische.
1. Einfuhr und Beanstandungen nach Herkunftsländern.
Für frisches Fleisch waren die Haupteinfuhrländer wie im
Jahre 1904 die Niederlande, Dänemark und Österreich-Ungarn.
Die Mehreinfuhr betrug aus den Niederlanden 85 122 Tierkörper
und 77 195,56 Dz., aus Dänemark 22 905 Tierkörper und
22 800,13 Dz. und aus Österreich-Ungarn 14 983 Tierkörper und
14 571,81 Dz. Die meisten Beanstandungen entfallen auf Ru߬
land, Frankreich und Luxemburg, die wenigsten auf Belgien.
Rindfleisch und Kalbfleisch wurden besonders aus Dänemark
eingeführt, ferner aus den Niederlanden, Schweinefleisch aus den
Niederlanden und Österreich-Ungarn.
Als Haupteinfuhrländer des zubereiteten Fleisches sind zu
nennen Amerika, Dänemark und Österreich-Ungarn. Die Mehr¬
einfuhrbetrug für Amerika 109872,74 Dz., Dänemark 10671,18Dz.
und Österreich-Ungarn 47,05 Dz. Die meisten Beanstandungen
entfielen auf das Fleisch aus Großbritannien und Irland. Rind¬
fleisch jist besonders aus Amerika, Dänemark und Rußland ein¬
geführt, Schweineschinken besonders aus Österreich-Ungarn,
* Amerika und den Niederlanden, zubereiteter Speck aus Amerika,
Frankreich und Dänemark. Därme kamen in erster Linie aus
Amerika, Großbritannien, Dänemark und Rußland, zubereitete
Fette aus Amerika, ebenso Schweineschmalz und Oleomargarine.
Margarine wurde vorwiegend aus Österreich eingeführt, Kunst¬
speisefette aus Amerika.
2. Beanstandungsgründe.
Tuberkulosebeanstandungen waren bei frischem Fleische
zu verzeichnen, ebenso bei zubereitetem. Trichinen wurden in
zubereitetem, besonders dänischem Fleische nachgewiesen, da¬
gegen nicht in frischem, demgegenüber gelangten gesundheit¬
schädliche Finnen bei frischem Fleische zur Feststellung. An
Därmen ferner, besonders amerikanischen sind krankhafte Ver¬
änderungen öfters ermittelt worden. Von Konservierungsmitteln
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
646
wurden angetroffen Borsäure und deren Salze, Alkali- und Erd-
alkali-Hydroxyde und -Karbonate und Formaldehyd, ferner Farb¬
stoffe. Weitere Beanstandungen lagen in Verstößen gegen die
Vorschrift des § 6 der Ausfuhrnngbestimmungen D, gegen die
Vorschriften hinsichtlich des Mindestgewichts, gegen die Be¬
stimmung einer gründlichen Durchpökelung des Fleisches. Dazu
kommen Verfälschungen, Nachmachung oder Verdorbensein zu¬
bereiteter Fette, Äußere Mängel des Fettes, ein Verstoß gegen
§ 3 und § 6 des Margarinegesetzes.
III. Die Befunde von Tuberkulose bei den in öffentlichen Schlachthäusern
geschlachteten Tieren.
1. Gesundheitspolizeilich wichtige Formen
der Tuberkulose.
Die Tuberkulosestatistik für 1905 ist wegen gewisser Ver¬
schiedenheiten in den Eintragungen seitens der Berichterstatter
noch nicht vollkommen, wenn auch besser als diejenige für 1904.
Mit den unter A 1—4 des Erhebungsformulars aufgeführten
gesundheitspolizeilich wichtigen Formen der Tuberkulose er¬
wiesen sich im Deutschen Reiche durchschnittlich behaftet
17.39 Prom. der Rinder, 0,91 Prom. der Kälber, 4,26 Prom.
der Schweine, 0,11 Prom. der Schafe und 0,65 Prom. der
Ziegen. Von den Rindern sind 7,79 Prom. Ochsen, 6 Prom.
Bullen, 33,16 Prom. Kühe, 6,95 Prom. Jungrinder.
Zu hochgradiger Abmagerung geführt hat die Tuberkulose
bei 3,76 Prom. der geschlachteten Kühe, 0,07 Prom. der Jung-
rinder, 0,32 Prom. der Ochsen, 0,25 Prom. der Bullen, 0,16 Prom.
der Ziegen, 0,10 Prom. der Schweine, 0,04 Prom. der Kälber
und 0,02 Prom. der Schafe.
Tuberkulose mit Erscheinungen einer frischen Blutinfektion
gelangten zur Feststellung bei 2,64 Prom. der Kühe, 0,77 Prom.
der Jungrinder, 0,56 Prom. der Schweine, 0,46 Prom. der
Bullen, 0,44 Prom. der Ochsen, 0,15 Prom. der Kälber, 0,04 Prom.
der Ziegen und 0,006 Prom. der Schafe.
Tuberkulose mit ausgedehnten Erweichungsherden kam vor
bei Kühen in 3,33 Prom., Ochsen 1,24 Prom., Bullen 0,87 Prom.,
Jungrindern 0,82 Prom., Schweinen 0,73Prom., Kälbern 0,08Prom.,
Ziegen 0,07 Prom., Schafen 0,02 Prom. Die Angaben der ein¬
zelnen Berichterstatter schwanken im übrigen sehr.
Stark ausgedehnte Tuberkulose zeigt folgende Zahlen:
Kühe 2,34 Proz., Ochsen 0,58 Proz., Jungrinder 0,47 Proz.,
Bullen 0,44 Proz., Schweine 0,29 Proz., Kälber 0,06 Proz.,
Ziegen 0,04 Proz., Schafe 0,006 Proz. Auch für diese Rubrik
sind die Angaben sehr verschieden gewesen und ist die Ein¬
tragung nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten erfolgt.
Mit den übrigen Formen der Tuberkulose behaftet waren
unter 100 Tieren 20,37 Ochsen, 16,45 Bullen, 28,83 Kühe,*
7.39 Jungrinder, 20,42 Rinder überhaupt, 0,23 Kälber, 2,59
Schweine, 0,07 Schafe und 0,22 Ziegen. Die Beanstandungen
in den öffentlichen Schlachthöfen sind dabei etwas bedeutender
als der Reichsdurchschnitt.
2. Veterinärpolizeilich wichtige Formen der
Tuberkulose.
Die statistischen Nachweisungen für das Jahr 1905 ent¬
sprechen insgesamt den Anforderungen in wesentlich vollkom¬
menerer Weise als die für das Vorjahr. Eine Reihe Angaben
ist ersichtlich zu hoch, weil die Begriffe von veterinärpolizeilich
wichtige Formen der Lungen- und Darmtuberkulose zu weit ge¬
faßt wurden. Hinsichtlich der Gebärmutter- und Eutertuber¬
kulose ist die Entscheidung demgegenüber leichter. Unter
1000 geschlachteten Ochsen waren mit veterinärpolizeilich
wichtigen Formen der Tuberkulose behaftet 12,15, unter gleich¬
viel Bullen 8,22, Kühen 41,42 und Jungrindern 7,10. Die Zahlen
für Lungentuberkulose in vorgeschrittenem Zustande betragen
im Reichsdurchschnitt für die Ochsen 11,30 Prom., Bullen 7,63,
Kühe 35,84, Jungrinder 6,19. Darmtuberkulose: Reichsdnrch-
sclmitt bei Ochsen 0,85 Prom., Bullen 0,58, Kühen 3,33 Jung¬
rindern 0,88. Gebärmuttertuberkulose als Hauptkrankheit:
Reichsdurchschnitt bei Kühen 0,83, Eutertuberkulose als Haupt¬
krankheit 1,41. Seit einer Reihe von Jahren finden in ver¬
schiedenen Provinzen planmäßige Untersuchungen von lebenden
Rindern auf veterinärpolizeilich wichtige Formen statt (Tuber¬
kulosetilgung). Die Zahl derselben wird nach Ansicht der be¬
teiligten Sachverständigen im Deutschen Reiche 2 Proz. des
Gesamtbestandes nicht erheblich überschreiten. Die Schlacht¬
ergebnisse für 1905 bestätigen diese Annahme; denn hiernach
haben sich 2,3 Proz. aller Rinder mit gefährlichen Formen der
Tuberkulose behaftet erwiesen.
Tierärzte und Milchkon trolle.
Von Tierarzt Hans Meßner, Schlachthofdirektor, Karlsbad.
(Tierärztliche« ZontraJbUtt 1908, S. 233.)
Verfasser weist auf die Notwendigkeit einer stärkeren Be¬
tätigung der Tierärzte auf dem Gebiete der Lebensmittel¬
kontrolle und namentlich bei der Beaufsichtigung des Verkehrs
mit Milch hin. Die Gemeinden beginnen, nachdem sie für eine
zweckentsprechende Fleischbeschau Sorge getragen haben, ihre
Aufmerksamkeit der Milchkontrolle zuzuwenden. Es wiederholt
sich dabei derselbe Vorgang wie beim Fleisch. Man schafft in
den Städten Vorschriften für den Verkehr mit Milch, die sehr
verschieden sind und daher früher oder später die Regierung
veranlassen müssen, ausgleichend und endgültig regelnd ein¬
zugreifen. Die Tierärzte müssen die Kontrolle in dem größten
Teil der Städte daher unter ihre Leitung bringen, um bei einer
gesetzlichen Regelung in erster Linie berücksichtigt zu werden.
Die jetzigen Verordnungen verlangen meist häufige Untersuchungen
der Handelsmilch, Überwachung des gesamten Verkehrs in bezug auf
Reinlichkeit und für Kindermilch eine regelmäßige tierärztliche
Überwachung der Milchtiere. Schon bei dieser Art der Kontrolle
ist der Tierarzt, der Kontrolle der Milchtiere wegen, nicht zu
entbehren, doch ist er seiner Ausbildung nach auch imstande,
die Voruntersuchungen vorzunehmen und dem Chemiker die
Proben zuzuweisen. Er ist deshalb förmlich zur Leitung der
Milchkontrolle einer Stadt prädestiniert, ohne daß er dabei den
Wirkungskreis des Chemikers schmälert Letzterer würde bei
tierärztlicher Leitung nicht mehr planlos mit Proben versehen,
sondern fürsorglich für ihn ausgewählte erhalten. Die Städte
sind auch meist geneigt, den Stadtierärzten die Kontrolle zu
übertragen, da fast jede Stadt über Tierärzte verfügt und deren
Arbeitskraft auszunutzen strebt! Bei der fachmännischen Be¬
aufsichtigung der Milchtiere und der Milchgewinnung kann dem
Tierarzt die erste Stelle natürlich niemand streitig machen.
Gegenüber der Fleischbeschau, die vorwiegend hygienischen
Wert hat, wird dem Landwirt bei der tierärztlichen Milch¬
kontrolle ein direkter ganz bedeutender und offensichtlicher
Nutzen durch Aufdeckung und Beseitigung der Tuberkulose¬
herde zuteil. Die regelmäßige tierärztliche Beaufsichtigung der
Milchtiere ist deshalb gleichsam der erste vorbereitende Schritt
zur Bekämpfung der Rindertuberkulose. Kurz zusammengefaßt,
ist notwendig:
3. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
647
1. Übernahme der Milchkontrolle in Städten, wo solche noch
nicht in tierärztlichen Händen ist, durch Tierärzte.
2. Anregung: zur Einführung einer tierärztlichen Milch¬
kontrolle in Städten, welche einer derartigen Maßregel entbehren.
3. Versuche, eine tierärztliche Beaufsichtigung der gesamten
Milchtiere eines geschlossenen Gejbietes zu organisieren.
4. Besprechungen über die Durchführung der Milchkontrolle
in Fachblättern und Versammlungen.
5. Einbeziehung der gesamten auf die Beurteilung der Milch
bezug habenden Wissenschaften (Milchkunde) als obligaten Gegen¬
stand in den Lehr- und Prüfungsstoff der Tierärztlichen
Hochschule.
Zusätze zu Flelsoh und dessen Zubereitungen.
Allgemeine Verfügung des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen
und Forsten, Nr. 42. 1908.
(An die Regierungspräsidenten.)
Eure pp. werden hiermit auf die Bekanntmachung des Herrn
Reichskanzlers vom 4. Juli 1908 (R. G. Bl. S. 470) hingewiesen, wo¬
nach durch Beschluß des Bundesrates die Bekanntmachung, betreffend
gesundheitsschädliche und täuschende Zusätze zu Fleisch und dessen
Zubereitungen, vom 18. Februar 1902 (R. G. Bl. S. 48) in folgenden
Punkten Abänderungen erfahren hat:
a) Im ersten Absatz ist hinter dem Worte „Formaldehyd“ ein¬
geschaltet: „und solche Stoffe, die bei ihrer Verwendung
Formaldehyd abgeben“.
b) Der zweite Absatz wird durch folgenden Satz ersetzt: „das¬
selbe gilt für Farbstoffe jeder Art, jedoch unbeschadet ihrer
Verwendung zur Gelbfärbung der Margarine und der Hüllen
derjenigen Wurstarten, bei denen die Gelbfärbung herkömm¬
lich und als künstliche ohne weiteres erkennbar ist, sofern
diese Verwendung nicht anderen Vorschriften zuwiderlänft“.
Der Zusatz zu a) bezweckt für den gesamten Geltungsbereich
des § 21 des Fleischbeschaugesetzes, also auch für den inländischen
Verkehr, die Übereinstimmung mit dem durch die Bekanntmachung
des Herrn Reichkanzlers vom 22. Februar d. J. (Zentralblatt f. d.
d. R. S. 59 (103) abgeänderten § 5 Absatz 3 unter b der vom
Bundesrate zum Fleischbeschaugesetz erlassenen Ausführungs¬
bestimmungen D (über die Untersuchung des in den Zollämtern
eingehenden Fleisches) herbeizuführen. Der Zusatz bringt im übrigen
nur einen Grundsatz ausdrücklich zur Geltung, der auch bisher
schon bei sinngemäßer Auslegung der abgeänderten Bekanntmachung
Anwendung gefunden hat (vgl. den Rnnderlaß vom 1. Dezmber 1904
— M. f. L I G a 9733 II. Ang., M. d. g. A M 9142, M. d. J. II a 8903,
M. f. H. II b 10214 — betreffend das Fleischkonservierungsmittel
Carin - Hexametylentetramin).
Zu der Äußerung zu b) hat die Erwägung geleitet, daß durch
das bisher allgemein augelassene Färben der Wursthüllen nament¬
lich mit roter Farbe, vielfach eine Täuschung über die mangelhafte
Beschaffenheit der Würste hervorgerufen wird. Künftig wird des¬
halb nur noch die, soviel bekannt, besonders in einigen süddeutschen
Gebieten übliche und beliebte Gelbfärbung der Wursthüllen zu¬
gelassen sein, bei der Täuschungen der gedachten Art nicht zu
befürchten sind. Alle anderen Arten von Wursthüllenfärbung,
namentlich die Rotfärbung, sind fortan selbst dann verboten, wenn
nicht gesundheitsschädliche Farben verwendet werden. Als Zeit¬
punkt des Inkrafttretens der Änderungen ist der August
d. J. festgesetzt.
Der Minister Der Minister
für Landwirtschaft, Domänen, der geistlichen, Unterrichts- und
und Forsten. Medizinal-Angelegenheiten.
Im Aufträge: Schroeter. Im Aufträge: Förster.
Die Trichinenepidemie In Rothenburg.
Die Bestrebungen, die Notwendigkeit der Trichinenschau auch
für Süddeutschland nachzuweisen, dürften kräftig gefördert werden
durch eine Trichinenepidemie größeren Umfanges, die sich Ende
Juni d. J. in Rothenburg ob der Tauber ereignete. Nach der
Schilderung von Dr. Böhm in Nürnberg in der „Zeitschrift für
Fleisch- und Milcbhygiene“ 1908, S. 341, standen 57 unter gleich¬
artigen Symptomen erkrankte Personen in ärztlicher Behandlung,
außerdem sind aber noch weitere Personen betroffen, deren Zahl
nicht zu kontrollieren ist. Möglicherweise sind auch außerhalb
noch Fälle vorgekommen, da in Rothenburg zu der Zeit über
5000 Fremde zu einem Festspiel anwesend waren. Die Diagnose
wurde bei einem Patienten nach Exstirpation eines Muskelstückchens
von dem‘Pathologischen Institut der Universität Erlangen gestellt.
Auf Veranlassung von Dr. Böhm fahndete man in dem Anwesen,
aus dem die Schw r eine stammten, auf Ratten, und es gelang dann
auch dem städtischen Bezirkstierarzt in zwei Ratten zahlreiche
Trichinen zu ermitteln, ein Beweis, daß die Invasion bei den
'Schweinen in Rothenburg selbst erfolgt sein dürfte. Die Stadt¬
gemeinde hat beschlossen, die Trichinenschau einzuführen und die
nötigen Schritte dazu bereits getan. Über die betroffene Schweine¬
stallung ist die Sperre verhängt, mit der Bestimmung, daß alle dort
herstammenden Schweine der Trichinenschau zu unterwerfen und
hierüber Bescheinigungen beizubringen seien. Auch eine Ausrottung
der Ritten würde regierungsseitig dringend anempfohlen. Das
Interesse der höchsten bayerischen Behörden an der Trichinenschau¬
frage wird durch das Vorkommnis sicherlich gestärkt werden,
bedauerlich bleibt aber, daß das Unglück geeignet ist, die Fleisch¬
beschau bei dem Publikum in Mißkredit zu bringen, da sich dasselbe
kaum klar darüber werden wird, daß trotz der Fleischbeschau sich
solche Epidemien ereignen können, wenn dieselbe nicht durch eine
Trichinenschau ergänzt wird.
Zur Einführung einer Trichinenschau in Bayern.
In Weiden (Oberpfalz) wird die obligatorische Trichinenschau
ebenso wie in Rothenburg ob der Tauber in kürzester Zeit in Kraft
treten. Auch die Fleischer fordern nach der Rothenburger Epidemie
die Einrichtung einer Trichinenschau, da die Zahl der trichinösen
Schweine in Bayern sicherlich nicht ab-, sondern zunehme. Letzterer
Ansicht ist auch Böhm, der in der Wochenschrift für Tier¬
heilkunde und Tierzucht“ sich in diesem Sinne ausspricht und
z. B. erwähnt, daß in den letzten 14 Tagen des Juli in Nürnberg
drei Schweine trichinös befunden wurden, von denen eins .aus
Bayern stammte. Eine Verteuerung des Fleisches durch die
Trichinenschau sei nicht zu erwarten, wie sich aus der übersieht
der Vieh- und Fleischpreise in bayerischen Städten im Juni ergebe.
Der Schweineeinkaufspreis betrug in München, woselbst keine
Trichinenschau eingerichtet ist, 1907 für das Pfund 0,56 M., der
Fleischladenpreis 0,75 M., 1908 der erstere 0,65 M., der letztere
0,82 M. In Nürnberg mit Trichinenschau waren dieselben Zahlen
1907 0,56 M. und 0,70 M., 1908 0,64 M. und 0,80 M. Als Höchst¬
preis für das Pfund zahlte man 1908 in München sogar 0,86, gegen¬
über 0,80 M. in Nürnberg.
Fleischbeschau bei Hausschlaohtungen.
Die Oberpräsidenten der Rheinprovinz und von Schleswig-
Holstein haben die Fleischbeschau bei Hausscblachtungen in dem
Umfange angeordnet, wie es in der Ministerialverfügung vom
17. August 1907 angeregt ist Im Großherzogtum Oldenburg sind
die Hausschlachtungen von Rindern der Beschau unterstellt worden.
Schutz der Viehzucht bei vorübergehender Fleischteuerung.
In England war infolge der Fleischteuerung, die durch das
Vorgehen des amerikanischen Fleischtrusts veranlaßt ist, eine
Deputation der Londoner Fleischhändler bei dem Ministerium um
freie Einfuhr lebenden Viehs ans Kanada, den Vereinigten Staaten
und aus den als seuchenfrei geltenden europäischen Ländern, be¬
sonders aus Schweden, Norwegen und Dänemark, vorstellig geworden.
Die Tiere sollten binnen zehn Tagen nach der Ankunft abgeschlachtet
werden. Der Landwirtschaftsminister hat sich aber aus veterinär¬
polizeilichen Gründen sehr entschieden gegen die Erleichterung der
Einfuhr ausgesprochen.
Notizen über Vieh- und Fleischpreise längs der Grenze und Qualität des
im kleinen Grenzverkehr konsumierten Fleisches.
Von Kreistierarzt Bubendorf-Thann.
(Deutsche Flelscbbeachauer-Zeitung 1908, Seite 101.)
Die Einwohner der an der Grenze belegenen Gemeinden der
Kreise Altkirch und Thann decken zu 30 Proz. ihren Bedarf durch
Fleisch, welches im kleinen Grenzverkehr aus Frankreich eingeführt
wird. In den Jahren 1906 und 1907 sind von zwei französischen
048
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
Gemeinden aus allein jährlich über 100 000 kg Fleisch im Werte von
über 110 000 M. an die Grenzbewohner verkauft. Schweinefleisch
kommt dabei nicht in Betracht, da es gegenwärtig in Frankreich
um 16 Pf. teurer ist als im Elsaß, ebenso ist gutes Rindfleisch
teurer als im Elsaß, es wird also nur minderwertiges Fleisch einge¬
führt von Tieren, die in den Schlachthäusern mit Veterinärkontrolle
zurückgewiesen wurden, d. h. in der Regel Fleisch von tuberkulösen
Tieren. Auch das Fleisch notgeschlachteter Tiere wandert mit
Vorliebe nach der Grenze. Die Einfuhr von Fleisch im kleinen
Grenzverkehr müßte deshalb untersagt oder das Publikum vor dem
Genuß gewarnt werden.
Neuer Schlachthof.
Dem Betriebe übergeben wurde der Schlachthof in Saargemiind.
M&8tvlehau88tellung.
Eine Schlacht- und Masfcviehausstellung ist in Stuttgart geplant.
Dieselbe soll ira April 1909 veranstaltet und event. mit der Eröffnung
des neuen Schlachthofes verbunden werden.
IV. Internationaler Kongreß für Milchwirtschaft.
Gelegentlich des Kongresses, der in der ersten Hälfte des
Monats Juni 1909 in Budapest stattfinden wird, sollen außer den in
die nähere Umgebung der Stadt geplanten Ausflügen vier größere
Exkursionen unternommen werden, und zw r ar ein drei- und ein vier¬
tägiger Besuch der größeren Milchwirtschaften jenseits der Donau
(Komitate Comärom und Mosou), ein sechstägiger Ausflug in die
ungarische Tiefebene zur Pußta Hortobägy, in die Tokajer Wein¬
gegend und dann nach Norden über Kassa in die Hohe Tätra.
Der letzte, ebenfalls sechs Tage dauernde Ausflug hat als Ziel die
Wirtschaften der ungarischen Tiefebene und wird von dort über
Tomadvär zum Eisernen Tor und nach Herkniesbad führen. Als
Prinzip ist erklärt, daß in erster Linie die ausländischen Teil¬
nehmer an dem Kongreß zu den Ausflügen zugelassen werden sollen.
Internationaler Kongreß für Ernährungszwecke.
In Gent wird vom 7. bis 9. November d. J. ein Internationaler
Kongreß filr Ernährungszwecke abgehalten werden, dessen Aufgabe
es sein wird, eine größere Vervollkommnung der Ernährungs¬
bedingungen der Massen zu erstreben. Das ausführliche Programm
soll noch bekannt gegeben werden und ist, w f ie alle Auskünfte,
kostenlos von dem Hauptsekretariat: Rue Porte aux Vaches, 25,
Gent (Belgien) zu beziehen. Der Teilnehmerbeitrag beträgt 5 Francs.
In Verbindung mit dem Kongreß wird eine Weltausstellung für Be¬
köstigung und Kochkunst stattfinden. Das Programm umfaßt ver¬
schiedene besondere Preisausschreiben. So findet u. a. ein inter¬
nationaler Wettstreit für Molkerei (Butter, Käse usw.) und eine
gleiche Veranstaltung für Biere statt. Ehrenpreise sind bereits
gestiftet durch den König, den Minister für Ackerbau, den Gouverneur
der Provinz und die Stadt Die nähere Auskunft hinsichtlich der
Ausstellung erteilt das Sekretariat: Boulevard des Hospices 35
in Gent.
Ungarn.
Milchwirtschaftlicher Weltverband.
Die vierte Tagung des > milchwirtschaftlichen Weltverbandes
findet im Juni 1909 zu Budapest statt. Auf dem im Ha^g vorigen
Jahres tagenden dritten Internationalen milchwirtschaftlichen
Kongresse wnrde die dahingehende Einladung der ungarischen
Regierung akzeptiert.
Mitglieder des Kongresses sind diejenigen, welche ihre Teil¬
nahme dem Vorbereitungsausschuß angemeldet und den Betrag von
10 Kronen eingeBandt haben. Der Kongreß wird wieder in
3 Sektionen eingeteilt, von denen jede ihren besonderen Ausschuß hat:
I. Gesetzgebung und Verordnungen.
II. Hygiene und tierärztliche Wissenschaften.
III. Molkereitechnik.
Die Mitglieder erhalten ein ausführliches Programm des
Kongresses bis zum 1. Mai 1909. Unterdessen ist folgendes Programm
für die Verhandlungen aufgestellt worden:
I. Gesetzgebung und Verordnungen.
1. Die Überwachung der Milch und der milchwirtschaftlichen
Erzeugnisse während des Transports.
2. Maßregeln für den Milchhandel und den Handel mit milch-
wirtschaftlichen Erzeugnissen.
3. Die Milchversorgung größerer Städte und die Bedingungen
der Milchlieferung ans Haus.
4. Überwachung der Käsefabrikation.
5. Organisation des milchwirtschaftlichen Fachunterrichts.
II. Hygiene und tierärztliche Wissenschaften.
1. Hygienische Anordnungen für die Erzeugung und die Be¬
handlung der Milch an dem Orte der Produktion, Bowie deren
Verkauf, ferner für die Beschaffenheit und die Behandlung
der Milchgefäße.
2. Die Bedeutung der Nitrate in der Milch.
3. Der relative Wert der sterilisierten, der pasteurisierten und
der rohen Milch bzw. der Trockenmilch als Lebensmittel.
4. Der Einfluß der Fütterung auf die Erzeugung der Milch und
speziell der Milch, die zur Ernährung der Säuglinge bestimmt
ist. (Verwertung von Fabrikabfällen bei der Ernährung der
Milchkühe.)
5. Die Pasteurisierung der Milch und ihrer Nebenerzeugnisse,
sowie die Bedingungen, unter welchen Magermilch und ab¬
gerahmte Milch den Produzenten zurückgeliefert werden kann.
6. Die Milch als Erreger von Krankheiten der Menschen und
Tiere; Vorsichtsmaßregeln zum Schutze der öffentlichen Ge¬
sundheit.
III. Molkereitechnik.
1. Die Verwertung der milchwirtschaftlichen Nebenprodukte.
2. Der Einfluß der Dünger auf die Güte der Milch und der
Milchprodukte.
3. Die Erzeugung von Käse aus pasteurisierter Milch.
Dr. G.
Brandenburglscher Städtetag.
Ein Antrag Kottbus ersucht den Vorstand, bei der Regierung
und bei den gesetzgebenden Körperschaften wegen Regelung des
Ruhegehaltes der höheren Gemoindebeamten vorstellig zu werden.
Dem Vorstand wurde weiter der Auftrag gegeben, die Vor¬
arbeiten für die Errichtung einer besonderen Haftpflichtversicherung
für die Provinz Brandenburg in die Wege zu leiten. Dr. G.
Personalien.
Auszeichnungen und Ernennungen: Dem Kreistierarzt Lotxer in
Zabern wurde der Preuß. Rote Adlerorden IV. Klasse verliehen. —
Ernannt: Der Kgl. Bezirkstierarzt Otto Fürstenfeldbruck j
zum Kgl. Kreistierarzt bei der Regierung von Niederbayern in Lands¬
hut, Tierarzt Johann B. Zeiner in Neuburg zum Distriktstierarzt in
Tittling (Niederbayern). — Versetzt: Bezirkstierarzt Adolf Oruher-
Kehl nach Breisach (Baden).
Verzogen: Veterinärrat Bolle von Eberswalde nach Berlin, Alt-
Moabit 136, Tierarzt Friedrich teinberger aus Georgensmünd als
Assistent des Bezirkstierarztes nach Kempten.
Approbationen: Die Herren Daniel Holzapfel aus Ratingen, Oliva
Liimmark aus Pori (Finnland), Iaopold Reinhardt aus Minden,
Eduard Saxe aus Hannover in Hannover.
Todesfall: Kreisticrarzt a. D. Niels Heinrich Raiten in Hadersleben.
Vakanzen.
Kreistierarztstellen: Nach Ablauf der Meldefrist noch un¬
besetzt: Köln* Rhein bach. — Reg.-Bez. Marienwerder: Rosen¬
berg, Stuhm. — Reg.-Bez. Osnabrück: Lingen. — Reg.-Bez.
| Posen: Koschmin.
Schlachthofstellen: a) Neu ausgeschrieben: Stargard (Pom.):
Assistenztierarzt zum 1. Oktober. Gehalt 1800 M., freie Wohnung usw .
Bewerb, an Herrn Schlachthofdirektor Zahl. — Königshtttte (O.-S.):
Assistenztierarzt möglichst bald. Gehalt 2400 M. bis 3900 M.
Bewerb, sofort an den Magistrat, b) Nach Ablauf der Melde¬
frist noch unbesetzt: Bitburg: Tierarzt, 1600 M. — Frank¬
furt a. M.: Tierarzt, 2500 M. — Freienwalde a. 0.: Tierarzt. —
Liegnitz: Assistenztierarzt, 2400 M. — Osterode(Ostpr.): Direktor,
2100 M. bis 3000 M.
Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis:
Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Kemberg
(Kr. Wittenberg). — Kirchberg-Hunsrück. — Langelsheim
(Herzogt. Braunschweig). — Schweiz (Weichsel).
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prot. Dr. Scbmalts in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung yon Riohard 8ehoeta la Berlin._
Druck yon W. BOxensteln, Berlin.
D!« „Berliner TlerintHche Wochenschrift“ er«eheint
wöchentlich im Verlage ron Richard Sehoeta ln
Berlin 8W. 48, Wilhelmstr. 10. Darob jede« deutsche
Poatamt wird dieselbe «um Preise von M. 5,— vierteljihr-
lieh (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 Pt für Bestellgeld)
frei in« Hau« geliefert (österreichische Post-Zeitung«*
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Origtnalbeitrige werden alt 60 Hk.» ln Petltsata alt
60 Hk» für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
ca «enden an Prof. Dr. Schmälte, Berlin, Tierärct*
liehe Hochschule, NW., Luisenstrafie 56. Korrektoren,
Resenaions-Ezemplare and Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothe« Professor Dr. Peter Veterinärrat Peters Veterinärrat Preuße Dr. Richter
Hamburg. DepartemenU-T. in Cöln. Btaatatlerarst filr Hamburg. Departements T. in Bromberg. Departements-T. ln Danxig. Professor ln Dresden.
Med.-Rat Dr. Boeder Dr. Schlegel Dr. i. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel Wehrle Zünde!
Professor in Dresden. Professor in Freiburg. Professor in Dresden. Landestierarat in Manchen. Kais. Regierungsrat ln Berlin. Krelstlerant in Mttlhaasen L B.
Helfer Dr. H. Sieber Dr. Stödter Dr. Trapp Dr. Zlmmermann
fichlacb h.*Direktor in MtUhansen i BL am Tropeninstitut in Hamburg. Stadt-Tierarzt in Hamborg. am Kaiser Wilhelm-Institut ln Bromberg. Dozent in Budapest
Jahrgang 1908. Jfä 37 . Ausgegeben am 10. September.
Inhalt: Mitrowitech: Zur Ätiologie der Fohlenlähme. — Zeuner: Ein mit ölsaurem Natron und Lecithin hergestelltes
hochwertiges Tuberkulose-Toxin. — Raebiger: Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Stabsveterinär
Dr. Goldbeck betreffend Impfungen gegen die Kälberruhr durch die Landwirte. — Referate: Hendricks: Über
die Behandlung der Kniegelenksentzündung beim Fohlen. — Silbersiepe: Die Fesselbeinfrakturen des Pferdes. — Bierling:
Granulom bei einem Pferde. — Zbiranski: Beiträge zur Kenntnis der Knocbenbrüche beim Schwein. — Röder: Eine Über¬
tragung von Rotlauf der Schweine auf den Menschen. — Holtcrbach: Epilepsia nocturna bei einer Katze. — Aus der
medizinischen Literatur. — Tageageochichte: Vorschläge für die Militärveterinär-Reorganisation. — Reorganisation des Tier¬
seuchendienstes in Frankreich. — Selbsthilfe gegen die Taxe von Annodazumal. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen. —
Personalien. — Vakanzen. — Beilage: Wissenschaftliche Abende der Assistenten der Tierärztlichen Hochschule zu
Dresden, XX-XXIII.
Zur Ätiologie der Fohlenlähme.
Von Dr. G. Mitrowitech, Veterinärarzt des Staatsgestüts Ljubitschewo
(Serbien).
Die Arbeiten verschiedener Antoren haben manche wert¬
vollen Daten über die sogenannte Fohlen lähme (serbisch Mörp.
der Säuglinge), einer Plage, die Pferdezüchtern großen Schaden
anznrichten und viele Hoffnungen zu vernichten imstande ist,
zutage gebracht. Jedoch ist keineswegs weder die Ätiologie
der Krankheit erforscht, noch sind sichere Wege zur Dämpfung
der Plage gefunden.
In der „Zeitschrift für Gestütkunde“, Heft 1 und 2, 1906,
Unterzieht Dr. L. Bernhard das Beuchenhafte Verfohlen, die
Fohlenlähme, den seuchenhaften Durchfall der Fohlen einer ein¬
gehenden Betrachtung. Die sorgfältigst zusammengetragene
Literatur der letzten fünfzehn Jahre ergibt in der Hauptsache
vier Ansichten über das Wesen der Fohlenlähme.
Tätray, Pfeifer, Poeschel, Mieckley und Sohnle sind
der Ansicht, daß die Fohlenlähme eine Infektion ist, die schon
während des intrauterinen Lebens zustande kommt.
Prof. Ostertag will die Fohlenlähme als keine spezifische
Erkrankung, sondern lediglich als eine Form der gewöhnlichen
Sepsis und Pyämie ansehen.
Poljakow beobachtete das seuchenhafte Verfohlen und
die Fohlenlähme in einem Jahrgang, wo das Heu bei ungewöhnlich
starker Hitze geerntet wurde, Herbst und Winter aber feucht
und warm waren. Die Ursache der Erkrankung sei ein
beweglicher Mikrobe und die Infektion soll ausschließlich durch
das Futter erfolgen.
Mou8su ist ein Gegner der Nabelinfektion. Er besehnldet
dafür gut genährte Stutmütter. Zwicker betrachtet die
Krankheit als ein konstitutionelles Allgemeinleiden. Die
Ursachen seien ebenfalls in der Haltung und den Ernährungs-
Verhältnissen des Muttertieres zu suchen.
Nun kommt Dr. Bernhard auf eigene Erfahrungen zu
sprechen und gibt die Art und Weise seiner Prophylaxis, die
geeignet sei, den seuchenhaften Abortus, die Fohlenlähme und
den seuchenhaften Durchfall zu bekämpfen. Alle diese Krankheits¬
erscheinungen seien „Wirkungen ein und desselben Krankheits¬
keimes nur mit verschiedener Abstufung seiner Virulenz. Über¬
träger des Infektionsstoffes ist immer der Hengst. Hat dieser
eine Stute gedeckt, die verfolilt hat, so überimpft er auf die
nächsten, die ihm zugeführt werden, durch den Beschälakt den
Infektionsstoff, und sie werden verfohlen, wenn sie nicht schon
eine gewisse Immunität dagegen sich erworben haben. Sind sie
in gewissem Grad dagegen immun, oder ist der Infektionsstoff
nicht virulent genug, dann werden sie ein Fohlen zur Welt
bringen, das an Lähme erkranken wird. Ist der Krankheits¬
keim noch milder, dann wird das Fohlen, solange es an der
Mutter saugt, an einem infektiösen Durchfall leiden, der die
Tierchen gewöhnlich sehr stark mitnimmt.“
Ich will noch einer Arbeit von Gmelin (Monatshefte für
praktische Tierheilkunde, II. Band, Heft 11, 1891) gedenken.
Gmelin bezeichnet die Fohlenlähme als pyämische Nabel¬
infektion, nur spricht er einer Infektion von der Nahelvene aus fast
jede Bedeutung ah. Nach ihm sind es Nabelarterien, die in
erster Linie zu leiden haben.
In dem serbischen Staatsgestnt Ljubitschewo ist in den
letzten vier Jahren, soweit ich Umschau machen konnte, kein
senchenhaftes Verfohlen vorgekommen. Dagegen leidet all¬
jährlich ein beträchtlicher Teil der Füllen an Brust- und Bauch¬
fellentzündungen, Polyarthritis, Pyämie und dergleichen,
was man unter einem Namen zusammenfaßt. Somit bestätigt
diese Tatsache Ostertags Angaben, daß zwischen seuchen-
haftem Abortus und der Fohlenlähme kein ätiologischer Zu¬
sammenhang vorhanden ist.
Nun will ich jetzt die im Jahre 1906 vorgekommenen
j Erkrankungs- und Todesfälle mit meinen Beobachtungen und
i Untersuchungen folgen lassen:
650
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 87.
Von 40 in dem Jahrgang 1906 geworfenen Fohlen litten
demnach zehn an den Krankheitssymptomen, die man mit der
Bezeichnung Fohlenlähme zu benennen pflegt.
1. Stutfohlen Toda vom englischen Vollbluthenget fcandid
aus der Despa wurde mit krummen Vorderbeinen und Cornea¬
trübung geboren. Durch dreimonatliche Behandlung verschwand
der rachitische Zustand; Bestreuung mit Hydrar. chlor, hob
auch die Corneatrübung auf. Dieser Fall scheint geeignet zu
sein, die Theorie der intrauterinen Infektion zu unterstützen.
Allein es handelte sich hier — abgesehen von der Corneatrübung,
die post partum hervorgerufen sein könnte — um reinen
Rachitis.
2. Hengstfohlen Tatomir vom anglonorm. Vollbluthengst
Vasistas aus der Detinja zeigte am siebenten Tage nach der
Geburt an dem rechten Sprunggelenk eine große fluktuierende
Anschwellung. Da man sie aber durch nichts vertreiben konnte,
machte ich die Punktion und es entleerte sich daraus eine
klare, gelbe, fadenziehende Flüssigkeit. Eine neue Ansammlung
der Flüssigkeit kam wieder zustande und besteht heute noch.
Das Fohlen entwickelte sich aber ganz gut.
3. Stutfohlen Tamnawka von Kandid aus der Dajka er¬
krankte 35 Tage nach der Geburt an Peritonitis, der ein hart¬
näckiger Durchfall vorangegangen ist. Durch zwanzigtägige
Behandlung mit Prießnitzsehen Umschlägen, Antipyrin und
abgekochter Muttermilch, vermischt mit einem Eßlöffel l l / 2 pröz.
Kreolinlösung, ist das Tierchen gerettet, bUeb aber lange Zeit
kränklich und ist stark zurückgeblieben.
4. Hengstfohlen Tamnavaz vom anglonorm. Vollbluthengst
Vangeur aus der Neda wurde im Alter von 26 Tagen von
Bauchfellentzündung befallen. Durch therapeutische Maßnahmen,
genau wie beim Fall 3, wurde das Fohlen in drei Wochen
hergestellt.
Die Krankheitsgeschichte und Sektionsbefunde der an
Fohlenlähme erkrankten und verendeten Füllen lasse ich hier
folgen, aus denen wir eine Klärung zur Ätiologie der Krankheit
anzubahnen hoffen.
I. FaH.
Hengstfohlen Topolaz vom anglonorm. Vollbluthengst Vize¬
admiral aus der Lortschanka, geboren 14. Januar, gestorben
22. Februar 1906.
Am 22. Februar um 7 Uhr morgens ist das Fohlen,
welches früher immer munter war, durch Nichtsaugen auf¬
gefallen. Nähere Untersuchung ergab: Benommenheit, Atmung 50,
Puls 80, Temperatur 40,0, verstärkter vesikulärer Atem,
Peristaltik sehr lebhaft, Palpation der Bauchdecken sehr
schmerzhaft. Diagnose: Peritonitis.
Um 4 Uhr nachmittags desselben Tages Exitus letalis.
Obduktionsbefund. Per anus kommt ein dünnflüssiger,
gelblicher Kot zum Vorschein. Der Nabel ist trocken und ver¬
heilt. Über der Bauchhöhle ergießt sich eine undurchsichtige,
stinkende Flüssigkeit, untermischt mit vielen größeren und
kleineren Luftbläschen, was kein postmortaler Prozeß ist, da
die Sektion gleich nach dem Tode ausgefülirt wurde.
An der Leber, Milz und über die ganzen Eingeweide lagert
eine dicke Fibrinmasse.
In dem Lobus hepatici sinister sitzt eine kindskopfgroße
fluktuierende Geschwulst. Beim Durchschneiden fließt aBS der¬
selben eine dünnflüssige, dunkelgelbliche, stinkende Masse hervor,
die mit vielen Uewebsfetzen untermischt ist. Die dadurch zum
Vorschein kommende Kaverne ist so groß, daß man eine flfanns-
faust bequem hineinlegen kann.
Der Nabel, von außen längs aufgeschnitten, zeigt nach
einer Entfernung von ca. 1 cm blutige Imhibitten. Ih dei*
Bauchhöhle angelangt, präsentiert sich die Veöa dihbÜiükÜt wie ein
verbrannter Strang; dieselbe aufgeschlitzt ist in einer Länge
von 1—2 cm mit weißem, dicklichem Eiter vollgefüllt. Der
Urachus ist ebenfalls wie verbrannt und enthält ca. 1 ccm Eiter.
Bakteriologisches. — An Ort und Stelle wurden mehrere
Ausstrichpräparate gemacht und das nötige Material für Untere
suchungszwecke entnommen.
In dem Klatschpräparate vom Leberabszesse fihdeh siOh uü-
zählige Coccen, die sehr selten vereinzelt, meist aber zu Diplo-
coccen, öfter auch zu vier, sechs oder iti längeren Coccen ver¬
bunden Vorkommen. Ein jedes von denen Hat in seihetti Zehtrhm
ein ungefärbtes Feldchen. In dem Gesichtsfelde liegen, zwischen
Coccen, hier und da dünne, kurze Bakterienstäbeben (Misch¬
infektion). In dein Eiterausstriche der Veüa umbÜieälls bät mau
dasselbe Bild wie im Leberausstticbe, mit der Ausnahme, daß
eB seine Diplococcenkultur war, ohne BäktdrieüstÄbchett. Dasselbe
fand man in dem Eiter dös Uraöhusrest.
In dem Blutpräparate der Vena thoracia exterha finden
sich vereinzelte Diplococcen; in dem Milzausstriche und anderen
Organen war keine Spur von irgend welchen Fremdkörpern an¬
zutreffen.
Sämtliche Präparate slhd mit GeiltiänavioHet wie üblich
gefärbt.
Es ergibt sich sonach die pathologisch-anatomische Diagnose;
Ompholophlebitis, Hepatitis metastatica, Peritonitis bzw. Pyämie
ajs Hauptbild, hervorgerufen durch Nabelinfektion, bei der eine
Coccenart die Hauptrolle spielL
2. Fall.
Stutfohlen Turija vom Vengeur aus der Neda hat gegen
15 Tage nach der Geburt beide Vorderfüße im Karpalgelenk
auffallend krumm gehalten. Anschwellung und Schmerzhaftigkeit
war nicht vorhanden. Dieser Zustand dauerte ca. zwei Wochen
und verschwand dann von selbst. Als das Fohlen drei Monate
alt wurde, erkrankte es plötzlich an folgenden Symptomen: Den
Kopf und Hals hält es steif auf die linke Seite gebogen. Die
Halsmuskulatur ist sehr gespannt und unempfindlich. Sein
Gang ist unsicher, es schwankt, fällt oft auf den Boden, aber
immer auf die linke Seite. Wälzt man es auf die rechte Seite
um, so ist es sehr unruhig und dreht den Kopf und Hals auf
die linke Seite um. Orbita linker Seite stark angeschwollen;
die Blutgefäße des linken Auges stark verzweigt und strotzend
mit Blut gefüllt
Da ich an demselben Tage amtlich auf mehrere Tage ver¬
reisen mußte, entzieht sich dieser Fall meiner weiteren Be¬
obachtung. Am dritten Tage sei das Fohlen eingegangen und
ist von einem Kollegen obduziert worden, der mir als patho¬
logische Veränderungen Pyelonephritis suppurativa und Septo-
meningitis cerebrospinalis freundliehst mitgeteilt hat.
3. Fall.
Hengstfohlen Tessla vom anglonorm; Vollblnthengst Vize¬
admiral ans der Gina, geh. 18. IV., gest. 3. VI., erkrankte das
erste Mal an einer barten, warmen, schmerzhaften Anschwellung
in der MuBkualtur des rechten Gesäßbeins. Untersuchung per
reetnm ließ eine wulstige Verdickung der Darmschleimhant
nachweisen, so daß der Mastdarm fast verschlossen war. In der
10. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
651
Tiefe der Geschwulst konnte man durch Palpation von außen
und per rectum eine Fluktuation nachweisen, worauf die Punktion
vorgenommen und Eiter in reichlicher Menge entleert wurde.
Durch weitere übliche Behandlung schien der Prozeß gut ab¬
gelaufen zu sein.
Etwa 10 Tage danach schwollen dem Füllen die Vorder¬
beine an und tags darauf brach Lungenentzündung aus. Vier¬
tägliche Behandlung verlief erfolglos, am fünften Tage verendete
das Tierchen.
Obduktionsbefund. — Subcutis der Vorderbeine ist mit
klarer, gelber Flüssigkeit stark durchtränkt. Der linke
Lungenlappen ist durch zahlreiche größere und kleinere Abszesse
total gestört; im rechten Lungenlappen finden sich ebenfalls
viele walnußgroße Abszesse.
In der Bauchhöhle nichts Abnormes. Die Gedärme, längs
aufgeschlitzt, repräsentieren sich als vollkommen normal. In der
Beckenhöhle angelangt, erweist sich das lockere Bindegewebe J
des Rectum rechterseits stark sulzig infiltriert. Bei der näheren
Besichtigung stellt sich heraus, daß das Rectum im Umfange
einer Gansfeder durch¬
gebohrt ist. Von hier
aus die Richtung verfol¬
gend, kommt man durch
lockeres Bindegewebe in
eine abgeschlossene mit
Eiter besetzte Höhle in
der rechten Kruppenmus¬
kulatur. Diese Höhle
steht wiederum mit dem
abgebeilten Operations¬
kanal in Zusammenhang.
Mikroskopische
Untersuchung. —
Sämtliche Präparate, her¬
gestellt aus Lungen¬
metastasen und von dem
Abszesse der Muskulatur, ließen ausschließlich Streptococcen
erkennen.
Die pathologisch - anatomische Diagnose: Perforatio recti
(verursacht wahrscheinlich durch irgendeinen spitzen Fremd¬
körper — da die Füllen gern an solchen Gegenständen nagen),
Myositis apostematosa, Pneumonia metastatica gibt ein deutliches
Bild über die Entstehung und Verlauf der Krankheit, daß kein
Zweifel obwalten kann.
IV. Fall.
Stutfohlen Trza vom Kandid, englischer Vollbluthengst aus
der Primorka (22 — IV -}- 26 — VI), hatte 15 Tage nach der
Geburt mehrtägigen Durchfall gehabt, der allmählich von
selbst aufhörte, das Tierchen aber doch nicht gedeihen wollte.
Zirka 20 Tage danach brach bei ihm Lungenentzündung aus.
Alle therapeutischen Maßnahmen blieben erfolglos, das Fohlen
verendete nach drei Tagen.
Obduktionsbefund: Der Nabel ist trocken und verheilt;
in beiden Magenöffnungen findet sich dunkelrotes geronnenes
Blut. Die Lungenlappen sind durch zahlreiche größere und
kleinere Abszesse besetzt, die auf dem Querschnitt eine eitrige,
weißlich gelbe Masse von dünnerer oder härterer Konsistenz
zeigen. Die zwischen Abszessen liegenden Partien sind im
Hepatisationsstadium, deren Lobuli auf dem Querschnitte mit
kleineren Eiterpünktchen begrenzt sind. Die linke Lungenspitze
ist wie eine Schweinsblase aufgebläht (Erstickung).
Dicht am Dünndarm sitzt ein walnußgroßer Abszeß, der
sich rosenkranzähnlich durch ein Lymphgefäß dem Darmgekröse
entlang bis zur Nähe des Pankreas fortsetzt, da einen damen¬
faustgroßen Tumor bildend. Dieser Tumor enthält dicklich¬
eitrige Masse in sich. Von ihm ziehen aufgeqnollen die fast blei-
stiftdünnen Lymphgefäße durch das Netz hindurch, wie es die
beigefügte Photographie bildlich veranschaulicht. (Leider ist
das schöne Präparat vor dem Photographieren durch Ungeschick
meines Dieners etwas verunstaltet. So hat er z. B. den Eiter
aus dem großen Abszeß-Tumor, den ich jetzt notwendigerweise
auf der Photographie mit a bezeichne, herausgeschabt; das
Gekröse ist stellenweise zerrissen u. dgl.)
Nun wird der Dünndarm an der Stelle, wo der Abszeß
entspringt, aufgeschlitzt. Im Darme findet sich eine dickliche,
fadenziehende, gelbliche Masse. Diese weggewischt, läßt hoch¬
rote, verdickte Schleimhaut zum Vorschein kommen. Hier in der
Schleimhaut dicht unter dem äußeren Abszesse sitzen einige
Stecknadelkopf- bis hirse¬
korngroße weiße Pusteln,
die zerdrückt Eiter her¬
vorquellen lassen.
Die mikroskopi¬
sche Untersuchung
des aus den Pusteln, Ab¬
szessen und Lungen-
metastasen gewonnenen
Eiters ergibt ganz genau
dasselbe Bild und zwar,
wie wir es bei dem Fall I
zu beobachten Gelegen¬
heit hatten, reine Kul¬
turen von zahlreichen
Diplococcen, deren Zen¬
trum ein ungeförbte s
Feldchen aufweist. — Sämtliche Präparate aus dem gewonnenen
Material hergestellt und mit Gentianaviolett gefärbt, gaben
immer dasselbe Bild.
Dieser Fall bezeugt auf das deutlichste, daß es sich hier
um eine Infektion handle, deren Eingangspforte Verdauungs¬
kanal, deren Erreger ein Mikroorganismus der Diplococcenart ist.
V. Fall.
Hengstfohlen Tressak vom Vasistas aus der Lasta(geb. 15. III.
gest. 19. VII.), erkrankte vier Monate nach der Geburt an
Lungenentzündung verendete in sieben Tagen. Der Sektions¬
befund stimmt, abgesehen von kleinen Abweichungen, vollkommen
mit dem soeben geschilderten Fall IV, nur daß am Dünndarm
nicht ein, sondern mehrere Abszesse vorhanden sind. Darum
will ich keine weiteren Worte darüber verlieren.
VI. Fall.
Hengstfohlen Trawar vom Vizeadmiral aus der Mutnica
(geb. 15. III. gest. 28. VII.), war immer gesund und in seiner
Entwicklung zufriedenstellend. Eines Tages erkrankte er plötzlich
mit folgenden Krankheitssymptomen: Die Hinterhand gelähmt,
beim Gehen wackelt er bald links, bald rechts und zieht indessen
die Hinterbeine steif vorwärts. Es frißt gar nicht und legt
sich ungern nieder, und wenn er es tut, kann er ohne Unter¬
stützung nicht aufstehen. Er schwitzt so stark, daß er ganz
652
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
naß wird, hat 41,2° C Temperatur per rectum gemessen, die
Atmung beschleunigt und sehr erschwert.
In therapeutischer Hinsicht wurden kalte Umschläge, kalte
Infusionen per rectum und Cal. bromat. 3,0 per os angewandt,
doch trat am nächsten Tage Exitus letalis ein.
Obduktionsbefund. In sämtlichen Gelenken findet sich
eine klare, fadenziehende, gelbe Flüssigkeit. Der linke Lungen¬
lappen ist dunkelrot, weich, auf dem Querschnitt sehr feucht.
Der Canalis thoracicus ist so stark angeschwollen, daß er sich in
seiner ganzen Richtung in Stärke eines Daumens hinzieht und
mit seröser Flüssigkeit dermaßen durchtränkt ist, daß er in ihr
förmlich badet.
In der Bauchhöhle finden sich ca. 250 ccm seröser Flüssigkeit.
Die Gedärme sind mit dunkelroten Flecken besprengt. Die Milz
und ihre Pulpa ist trocken und fest. Die Lymphgefäße der
Milz sind angeschwollen und mit seröser Flüssigkeit schwer
beladen.
Die Schleimhaut der Pylorus portio ist geschwollen, wulstig
und von dunkelroter Farbe. Diese Veränderung setzt sich auch
auf die Schleimhaut des Duodenums fort. Im Jejunum und
Ileum keine Veränderungen mit Ausnahme von ganzen Paketchen j
Ascaris megalocephala.
Die Schleimhäute des Coecum und Colon sind ganz und gar
verändert, dunkelrot, geschwollen und in dicke Falten gelegt.
An ihren Oberflächen finden sich viele Erhabenheiten von Maiskorn¬
größe, harter Konsistenz und sie sind auf der Spitze weiß. Diese
aufgescbnitten, lassen überall ein Tröpfchen Eiter hervorquellen.
Beiderseits dem Coecum und Colon anliegend finden sich zahl¬
reiche kleinere und größere Lymphdrüsen, die auf den ersten
Blick an Flecknieren erinnern. Ihr Querschnitt ist teils mit
Blut unterlaufen, teils mit weißen, fest umschriebenen Herden
besetzt.
Durch mikroskopische Untersuchung konnte man in eitrigen
Schleimhauterhabenheiten — die nichts anderes sind wie solitäre
Follikel, deren Epithel zugrunde gegangen — nichts Positives
ermitteln, da die Sektion erst zehn Stunden post mortem vor¬
genommen worden ist.
Wollen wir jetzt diese fünf Todesfälle, deren Ursachen
durch genaue Obduktions- und mikroskopische Befunde voll¬
kommen klargelegt wurden, » mit einigen Worten im Zusammen¬
hang erwähnen, so ergibt sich:
a) daß beim L, IV. und V. Falle der Krankheitserreger ein
und derselbe — ein Diplococcus — ist, die Eingangspforte
einmal die Nabelvene und zweimal der Verdauungstractus war;
b) daß beim Fall VI aller Beobachtungen nach dieselbe
Ursache vorliegt;
c) daß beim Fall III Darmperforation und darauf an¬
schließende Streptococcusinfektion die Erkrankung und den
letalen Ausgang veranlaßten.
Der Fall II entzieht sich, wie erwähnt, meiner Untersuchung
und ich konnte darüber nur theoretische Ansichten ausbreiten.
Erwägt man die Verhältnisse und Umstände, unter denen
die Füllen ihre ersten Tage zubringen, genau, so kommt man
zu der Einsicht, daß es eigentlich kein Wunder ist, wenn ein
gewisser Prozentsatz der Füllen die Krankheit sich holt und
ihr unterliegt.
Der Nabelstrang wird bekanntlich unterbunden und ab-
geschnitten, das junge Tierchen im Box bei der Mutter sich
selbst überlassen. Zwar werden tägliche Waschungen mit ver¬
schiedenen Desinfektionsflüssigkeiten vorgenommen, dies kann
aber von keinem großen Nutzen sein, denn die Wirkung der
aufgebrachten, abfließenden Desinfektion ist eine kurzdauernde.
In den Intervallen ist genug Zeit gegeben, daß sich die Mikro¬
organismen einnisten und die Infektion fortschreitet.
Nach dem Gebären tritt bei Stutmttttern der Reinigungs¬
prozeß ein, der durchschnittlich fünf Tage dauert. Der Ausfluß
beschmutzt die Hinterhand und den Schweif, fließt mitunter bis
zum Euter hin, und wenn das nicht, so besorgt es der Schweif,
mit dem hin und her geschlagen wird. In dem Ausfluß und an
den damit beschmutzten Körperteilen siedeln sich leicht die
Mikroorganismen ein. Durch das Saugen und Naschen der
Fohlen um die Mütter herum nehmen Bie Krankheitserreger
per os auf, die im zarten und jugendlichen Verdauungskanal
ohne zu große Mühe Boden fassen und eine verheerende Wirkung
entfalten.
Nachdem im Jahrgange 1904 von 40 acht, im Jahrgange
1905 von 38 sieben und in meinem Untersuchungsjahre 1906
von 42 sechs Fohlen verendeten und fast so viele kränkelten,
konnte ich, auf Grund dargestellter Beobachtungen und
j Untersuchungen fußend, den Theorien von Hengstübertragung,
von gut genährten Stutmttttern, von schlecht genährten Stut-
müttem, von zu starken Körpersäften, von der Ernte usw., keine
große Bedeutung mehr zuschreiben und wählte mir für den
nächsten Jahrgang 1907 ein Verfahren aus, das die Fohlenlähme
ausrotten oder wenigstens stark zu reduzieren imstande sein
sollte, falls die gewonnenen Untersuchungsresultate nicht auf
Irrtum beruhen.
Dieses Verfahren besteht:
a) Bei den Fohlen. — Der Nabel§trang wird, nicht unter:
bunden, sondern mit Kastrierzange zerquetscht und abgedreht;
mit 3proz. Lysollösung gut gewaschen und mit Tupfer ab¬
getrocknet. Nachdem wird auf dem Nabelstumpf die Paste (aus
Ai'roli, Glyzerin, Mueil. Gum. arab. äa 5,0; Bol. 10,0 Mf. P.)
dick aufgetragen. Die Paste haftet fest, ist für die seröse
Flüssigkeit durchlässig und der Nabelstumpf trocknet darunter
gewöhnlich in 24 Stunden so vollkommen aus, daß weiter nichts
nötig ist. Jedenfalls ist ratsam, in erster Zeit immer nach-
zuschauen und, wenn erforderlich, die Prozedur zu wiederholen.
Nur muß man auf die Zeit achten, wo der Nabelstumpf abfällt
und dann wird der Nabel und die Umgebung gut gereinigt,
getrocknet und darauf Ai'rolpaste aufgetragen.
b) Bei den Stutmüttern. — Nach dem Gebären wird
die Stute in den ersten Tagen zweimal täglich mit 1 prozentiger
lauwarmer Lysollösung ausgespült (gläsernes, langes Mundstück
vorsichtig hineingeschoben ohne irgendwelche manuelle Be¬
rührung) ; der Hinterteil gut gewaschen und mit reinem Leinwand¬
lappen abgetrocknet. Ebenso wird der Schweif gewaschen,
abgetrocknet, geflochten und zurückgebunden. Die Zitzen werden
alle Morgen mit reinem lauwarmen Wasser abgewaschen. Diese
Behandlung wird fortgesetzt, bis der Reinigungsprozeß ab¬
gelaufen ist — er vollzieht sich unter diesen Umständen in
drei Tagen.
Daß man außerdem für die Reinlichkeit in Boxen sorgen
muß, ist selbstredend. Besonders muß man trachten, daß der
abgesetzte Kot sofort entfernt wird, da sonst die Fohlen ihn
benaschen und sogar verspeisen.
Das Abfohlen im Jahrgange 1907 ging unter Anwendung
des soeben geschilderten Verfahrens von statten. Von 40 in
10. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
663
diesem Jahre geworfenen Fohlen sind nnr zwei gestorben. Das
eine von denselben hatte reine Symptome nnd Erscheinungen
einer Fohlenlähme — genau wie der oben geschilderte Fall IV;
das andere unterlag einer kruppösen Pneumonie, die es sich beim
Flüchten während einer fürchterlichen Überschwemmung des
Gestüts am 29. März holte.
Da die Füllen aller vier Jahrgänge unter denselben Ver¬
hältnissen lebten — abgesehen von der Behandlung — von
denselben Vätern und Müttern herstammten, so muß die Tat¬
sache, daß nach meiner Untersuchung und eingeführter
Prophylaxis die Todesfälle von 20 Proz. (1904), 18 Proz. (1905),
14 Proz. (1906) auf 2 1 /» Proz. herabfielen, als ein vielsagendes
Resultat angesehen werden. — Möge es auch bei den anderen
mit gleichem Erfolge gekrönt sein, so könnte man solche
Verluste ertragen.
Aus allem Angeführten können wir uns den Schluß ziehen:
Die Ursachen der sogenannten Fohlenlähme können gar ver¬
schiedene sein. In vorwiegender Mehrzahl der Fälle ist es aber
eine Erkrankung infektiöser Natur, hervorgerufen durch Diplo-
coccen, die durch vernachlässigten Nabel oder per os in den
tierischen Organismus einwandem.
Was die Theorie der intrauterinen Infektion speziell
anbelangt, scheint es nach allen meinen bisherigen Beobachtungen
— spezielle Untersuchungen darüber stehen erst im Gange —,
daß sie ebenso etwas für Bich hat und ich kann sie ohne weiteres
nicht von der Hand weisen.
(Aus dem Hygienischen Institut der kgl. tierärztlichen Hochschule
in Berlin. (Leiter: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. P. Frosch.)
Ein mit ölsaurem Natron und Lecithin hergestelltes
hochwertiges Tuberkulose-Toxin.
Von Dr. med. W. Zeuner, prakt Arzt in Berlin.
Nachdem es Bassenge*) gelungen ist, ein starkes, meer¬
schweinchenimmunisierendes Typhus-Toxin durch Benutzung der
bakteriolytischen Eigenschaft des Lecithins herzustellen und
andere mittelst des Brieger-Mayerschen Schüttelapparates
praktisch brauchbare Schutzstoffe gegen Scbweineseuche und
Dysenterie gewonnen haben, erschien es mir geboten, auf
ähnliche Weise (mutatis mutandis) ein Tuberkulose-Toxin an¬
zufertigen. Zu diesem Zwecke ging ich folgendermaßen vor:
Zu 97 ccm sterilen, destillierten Wassers wurde 1,5 ccm
ölsaures Natron 1:10 Aqua und 1 g altes Ovo-Lecithin Merck
zugesetzt und dies 24 Stunden im Schüttelapparat geschüttelt.
Ölsaures Natron hatte ich vorher eingehend in verschiedenen
Konzentrationen methodisch auf seine Wirkungen auf Meer¬
schweinchen bei subkutaner Einverleibung und betreffs seiner
Einwirkung auf Tb - Bazillen ausprobiert. Während nach
Kobert und Raßmann Injektionen von Natr. ole inic.
(1: 10—100 Aqua) ins Blut bei Tieren einen comatösen Zu¬
stand bewirken und, sobald die Injektionsflüssigkeit das Herz
erreicht, Herzstillstand eintritt, hatte ich gefunden, daß sub¬
kutane Injektionen desselben Mittels von Meerschweinchen
vertragen werden. 1:10, 1: 20, 1: 30 machte heftige Schmerzen
und ausgedehnte Nekrosen unter der Haut. 1:40, 1:45 und
1:50 verursachte seltener solche Nekrosen, während 1: 60 und
1:100 niemals dergleichen im Gefolge hatte. Niemals kamen
dabei Abszesse, Embolien, Diarrhöen, comatöse Zustände zur
*) D. Med. Woch. 1908. Nr. 4 u. 29.
Beobachtung, ebensowenig wie Herztod. Selbst wenn 2 Pravaz*
spritzen voll 1:60 auf einmal subkutan gegeben wurden, ent«
stand weder Krankheit noch Tod. Auch intraperitoneal injiziert,
wurde y 2 Spritze 1:50 vertragen und ohne Peritonitis völlig
resorbiert. Bei 1:60 fanden sich unter der Haut keinerlei
Reizerscheinungen und alles war, wie die Sektionen ergaben,
glatt resorbiert worden. Wenn tuberkulöse Meerschweinchen
3 Wochen lang täglich je nach Größe V* oder 1 Pravazspritze
voll (— 1,2 ccm) 1: 60 subkutan erhalten hatten, magerten sie
ab, erholten sich aber in 14 Tagen wieder, sofern sie in Ruhe
gelassen wurden. Bei seltener vorgenommenen Subkutan¬
injektionen von 1:60 nahmen die Tierchen an Gewicht zu.
Hieraus geht hervor, daß tuberkulöse Meerschweinchen hypoder-
matische Einspritzungen von Seife (Ölsaurem Natron) in der
nötigen Verdünnung vertragen.
Die durch Schütteln erhaltene, seifige, trübe Flüssigkeit,
in welcher das Lecithin völlig wie in einer Emulsion gelöst
war, teilte ich und brachte in 42 ccm davon die Tuberkel¬
bazillen von 10 Glyzerin-Agarkulturen des Typus lmmanus
hinein, die hochvirulent, 23 Tage alt waren und weiter die
I einer äußerst ergiebigen, eben solchen Kultur vom Typus bovinus,
die 5 Monate alt war. Die letztere wurde genommen, weil sie
eine sehr reiche Ausbeute darbot. Von den ersten 10 Kulturen
enthielten neun jede nur etwa 40 2 mg-Ö.en, während die
zehnte (ebenso wie die bovine) sehr üppig gewachsen war und
etwa 200 Ösen enthielt.
Die Übertragung der Bakterien ließ sich durch Abschwemmen
allein nicht bewerkstelligen, weil bekanntlich die Tb-Bazillen
trocken, spröde und krümelig sind und dem Glase ankleben.
Ich mußte daher sehr viele mit der Öse und dem Spatel über¬
tragen.
Darauf wurde die nun stark bazillenhaltige Flüssigkeit
wieder 24 Stunden im Schüttelapparat geschüttelt, wobei darauf
geachtet wurde, daß der sich oben im Kölbchen absetzende,
ausgeschüttelte Rand, aus bakteriellem Material bestehend,
öfters heruntergespült wurde. Dann wurde eine Stunde lang
im Wasserbade auf 70 u erhitzt, um die Bazillen sicher abzutöten,
worauf wieder ein Tag lang geschüttelt wurde. Hierauf
setzte ich Chloroform zu, um das Lecithin wieder auszuscheiden
und ließ noch eine Viertelstunde lang schütteln. Dann wurde
während einer Stunde elektrisch bei einer Tourenzahl von 2000
zentrifugiert, wobei sich in der molkig erscheinenden Flüssigkeit
das Lecithin samt Chloroform scharf absetzte, so daß sich das
Obere gut abgießen ließ. Dieses wurde zum Schluß noch durch
Kieselgurfilter filtriert und ergab eine klare, schön opalisierende
grünlich-goldige Flüssigkeit ohne Chloroformgeruch, die frei von
Bakterien oder anderen festen, Bchwer assimilierbaren Bei¬
mengungen war. Der Haltbarkeit wegen empfiehlt sich licht-
geschützte Aufbewahrung im Eisschrank und Zusatz von
0,5 Proz. Phenol.
Die Ernte aus Bouillon-Oberflächen-Kulturen ist natürlich
bequemer. Zum Filtrieren kann das Pukallfilter benutzt werden.
Die tödliche Dosis dieses Toxins liegt für gesunde Meer¬
schweinchen von 250 g bei 2 ccm, sie erliegen ihr in 41 bis
48 Stunden ohne Krämpfe unter Vergiftungserscheinungen, die
hauptsächlich in den letzten 6—8 Stunden sich zeigen. Es ist
also fünfmal stärker toxisch als Tuberculin. Kochii, dessen letale
Dosis für gesunde Tiere von 250 g 10 ccm ist. An der In¬
jektionsstelle fanden sich bei Sektionen weder Abszesse noch
654
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
Entzündungen. Die Milz war etwas verkleinert, auffallender¬
weise ganz blutleer, schneeweiß. Leber normal. Gallenblase
übermäßig gefüllt.
Das Toxin stellt ein starkes, spezifisches Extrakt dar, denn
das Lecithin vermag im Bunde mit ölsaurem Natron ganz
kolossale Mengen der bazillären Gifte frei zu machen und zwar
in einem Umfange, der bei Tuberkulose bisher wohl kaum erreicht
worden ist. Der Gehalt an verschiedenen Toxinen ermöglicht
in vivo das Studium antitoxischer Schutzstoffe. Da nun die Bak¬
terientoxine bei der Tuberkulose eine sehr wichtige Rolle haben,
ja in gewissen Stadien und Formen der Erkrankung die Patho¬
logie des Prozesses geradezu beherrschen, so ist die künstliche
Erzeugung von Antitoxinen höchst erwünscht. Für Menschen
käme ein mittelst des Toxins an Pferden gewonnenes Antitoxin-
Serum in Frage.
Meerschweinchen vertragen, wenn sie tuberkulös sind, die
Dosis von 0,5—1,0 ccm. Über die weiteren, noch im Gange
befindlichen Tierversuche soll später berichtet werden. Zur
Kontrolle wurden Meerschweinchen von 250 g subkutan 2 ccm
von einer ebensolchen, jedoch ohne Tb.-Bazillen hergestellten
Flüssigkeit eingespritzt. Darnach zeigten sich weder Krank-
heits- noch Vergiftungserscheinungen und die Tiere blieben am
Leben.
Den Gehalt an Toxinen kann man noch beträchtlich erhöhen,
wenn man auf das Erhitzen verzichtet. Man gewinnt dann alle
diejenigen Toxine und Endotoxine, die nicht hitzebeständig sind.
Und wenn man die im Vaccuum auf y^ konzentrierte Bouillon
der Kultur hinzunimmt, so erhält man auch die Bouillongifte.
Nimmt man z. B. von der mit ölsaurem Natron versetzten
Lecithin-Emulsion 50 ccm, in die 10 g Tb.-Bazillen von 6 bis
8 Wochen alten Bouillonkulturen gebracht werden, um dies nun
vier Tage lang im heizbaren Schüttelapparat bei 37° schütteln
zu lassen, fügt dann noch 20 ccm der konzentrierten Bouillon
zu, läßt wieder vier Tage bei 37° schütteln, worauf nach
Zusatz von Chloroform zentrifugiert und filtriert wird, so ergibt
sich eine ungemein stark toxische Flüssigkeit, die zur Er¬
zeugung von antitoxinhaltigem Serum bei Pferden dienen kann.
Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Stabs¬
veterinär Dr. Goldbeck, betreffend Impfungen gegen
die Kälberruhr durch die Landwirte.
Von Raeblger-Habelschwerdt.
In den Nummern 35 und 36 dieser Fachzeitung moniert
Herr Stabsveterinär Dr. Goldbeck in ungewöhnlich scharfer
Weise, daß ich die Impfungen gegen Kälberruhr den Landwirten
überlassen hätte! Ihnen gewissermaßen die Impfspritze in die
Hand gedrückt hätte!
Hierzu bemerke ich:
1. Die p. Impfungen sind nur von Erfolg, wenn sie in den
ersten Lebensstunden der Kälber ausgeführt werden.
2. In Nr. 1 1906, Seite 13 der B. T. W. vertritt kein Ge¬
ringerer als Herr Veterinär- und Regierungsrat Nevermann
gleich mir den Standpunkt, daß wir diese Heilimpfung, soll sie
Erfolg haben, den Landwirten überlassen müssen.
Viel Lärm um nichts! — Diese Frage ist also längst er¬
ledigt! Ich gebe zu, daß Herrn Dr. Goldbeck in seiner
Eigenschaft als Militärveterinär die genügende Einsicht in
landwirtschaftliche Betriebs- und Lebensfragen mangeln mag,
daraus wird ihm sicher kein Tierarzt einen Vorwurf machen! —
Daß Herr Dr. Goldbeck aber die Impfungen gegen Kälberruhr
durch die Landwirte mit der Schlundschnittoperation eines uns
leider nun allen zur Genüge bekannten Kurpfüschers in Zu>
sammenhang zu bringen beliebt — — finde ich außerordentlich
geschmacklos!
Was endlich den Vorschlag des Herrn Dr. Goldbeck an¬
belangt , der Tierarzt solle sich das oder die neugeborenen
Kälber zu bestimmten Tages- oder Morgenstunden im ge¬
schlossenen Wagen vor seine Tür bringen lassen, so kann ich
diesen Vorschlag unmöglich ernst nehmen, ich bin überzeugt,
er würde in jeder landwirtschaftlichen Versammlung eine un¬
geheure Lustigkeit und homerisches Gelächter auslösen! Um
diese bestimmten Tages- oder Morgenstunden festzulegen, wäre
es doch vor allem nötig, die Stunden der einzelnen Geburten
vorher zu bestimmen. Doch weiß Herr Dr. Goldbeck vielleicht
auch die Lösung dieses bisher noch nicht gelösten Problems!
Difficile est satyram non.
Für mich ist der Zwischenfall erledigt!
Referate.
Über die Behandlung der Kniegelenksentzändnng beim
Fohlen.
Von Prof. Hendricks.
(Anualea de Bruxelles, Juni 1908.)
Die Entzündung des Kniegelenks befällt die Fohlen ohne
Unterschied der Rasse und des Schlags und tritt in allen Ländern
auf. Die Heredität muß dabei eine geringe Rolle spielen, werden
doch in Belgien die mit der Arthritis des Kniegelenks behafteten
oder davon geheilten Pferde ganz von der Zucht ausgeschlossen,
und tritt nichtsdestoweniger die Krankheit ziemlich häufig und
sogar bei den Vollblutfohlen auf, deren Zucht doch nur in den
sachkundigsten und bewährtesten Händen liegt.
Der Verfasser möchte als Ursache dafür wie für die Poly¬
arthritis der Fohlen eine Infektion gelten lassen, welche entweder
vom Nabel oder vom Darme aus ihren Anfang nimmt. Ist es
doch leicht möglich, daß Keime oder irritierende Toxine in zu
kleiner Menge oder von zu geringer Virulenz in das Gelenk
hineingetragen werden, die zwar keine Eiterung mehr, wohl aber
eine Irritation zu erwirken imstande sind, die stark genug ist,
um eine Entzündung der Synovialis hervorzurufen. Er sieht
die Arthritis, welche sich in einer Hypersekretion der Synovialis
äußert, als primäre Läsion an und hält die Verlagerung der
Kniescheibe nur für ein komplizierendes Moment, die Synovia
nimmt im Gelenk so zu, daß sie das Kapselband ausweitet und
die geraden (untern) Bänder der Kniescheibe verstreckt, die so
lang werden, daß sich die Kniescheibe allzufrei auf der Stelle
bewegen und sogar davon abspringen kann. Bei der Behandlung
muß daher nicht nur die allzu reichliche Synovia beseitigt,
sondern auch die zu ausgedehnte Bewegung der Kniescheibe
eingeschränkt werden.
Die Arthritis wird durch eine Inaktion des Gelenks mit
nachfolgender reizender Injektion behandelt; den zweiten Zweck
hat der Verfasser durch folgende Operation zu erreichen gesucht.
Er macht einen etwa 8 cm langen Längsschnitt parallel zum
medialen Band der Kniescheibe in der Gegend des äußeren
Randes dieses Bandes in die Haut. Darauf steckt er den Trokar
des Dieulafoysehen Apparates durch das Kapselband hindurch
10. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
655
und saugt möglichst viel Synovia an. Dann spritzt er eine
gewisse Menge LugoIsche Lösung in das Gelenk hinein und
massiert es tüchtig, damit sich die Lösung gleichmäßig darin
verteile. Damit das Kapselband einfällt, saugt er nach wenigen
Minuten den größten Teil der Gelenkflüssigkeit wieder ab,
schneidet das mediale Gelenkband 2 cm von seiner Ansatzstelle
am Unterschenkelbein durch, und schneidet ein 1 cm langes
Stück von der oberen Partie heraus. Die beiden durch¬
trennten Teile des Bandes näht er mit 3 Seidennähten zusammen,
heftet die Hautwunde zu und überdeckt sie mit Jodoform¬
kollodium. Die Operationswunde ist bald geheilt.
Der Verfasser hat die Operation bei einjährigen Fohlen
ohne den gewünschten Erfolg gemacht, er weiß jedoch nicht,
ob er der Operationsmethode oder dem Alter der Fohlen die
Schuld am Mißerfolge" zuschieben soll. Bei älteren Fohlen
dürften die pathologischen Veränderungen im Gelenk schon
dermaßen vorgeschritten sein, daß die Operation nutzlos wird,
während bei jüngeren 2—3 Monate alten Fohlen außer einer
Hypersekretion von Synovia andere Veränderungen nicht be¬
stehen dürften, und somit die Operation wohl Erfolg haben
könnte.
Bei einem 7 Wochen alten Fohlen hat er eine andere von
dem Tierarzt Deghilage bekannt gegebene Operationsmethode
mit vollem Erfolg versucht.
Der Kniescheibenstrecker, der aus einer vorderen und einer
hinteren Partie besteht, wirkt vermöge seiner Anheftung auf
der vorderen Fläche der Kniescheibe gleichwie das laterale Band
der Kniescheibe als Abduktor für die Gliedmaßen, aber nur so
lange als die Kniescheibe in normaler Weise auf der Stolle des
Oberschenkelbeins fixiert ist. Ist dies nicht mehr der Fall, so
beschränkt sich seine Einwirkung auf die Kniescheibe allein,
die dadurch von der Stolle weggezogen wird. Um dies zu ver¬
hindern, hat Deghilage eine Operationsmethode bekannt ge¬
geben, die der Verfasser in folgender Weise ausgefnhrt hat.
Nachdem das Fohlen auf die dem kranken Fuße entgegengesetzte
Seite gelegt worden ist, macht er längs dem äußeren Rande
der Kniescheibe einen 2 cm langen Hautschnitt in der Weise,
daß die Mitte des Einschnitts auf den oberen Rand der zu durch-
schneidenden Muskelsehne zu liegen kommt, den man durch die
Haut leicht durchfühlen kann. Wenn nun die Wundränder aus¬
einandergehalten und die darunter liegende Aponeurose durch¬
schnitten werden, so tritt der obere Rand der Ansatzstelle des
Musculus vastus longus zutage. Er schiebt nun eine Hohl¬
sonde unter der Sehne dieses Muskels bis zum inneren Rande
hindurch, führt ein Bistouri die Furche entlang und schneidet
damit die ganze Sehne von innen nach außen durch, worauf
eine unbedeutende Blutung erfolgt. Die Hautwunde wird mit
einer Seidennaht vernäht und mit Jodoformkollodium bedeckt. Vor
der Operation wird das Gelenk punktiert und Jod hineingespritzt.
Grundbedingung zum Erfolg der Operation ist, daß diese
schon in den ersten Lebenswochen gemacht wird, bevor im Gelenk
größere Zerstörungen vor sich gegangen sind. Helfer.
Die Fesselbeinfrakturen des Pferdes.
Von Tierarzt Dr. Erich Silbersiepe-Berlin.
(Aus der Chirurg. Klinik der Kgl. tler&rztl. Hochschule zu Beilin. Vorstand: Prof.
Dr. Eberlein.)
(Monatsheft für pr&kt. Tierhellk. XIX. Band. 7. nnd 8. Heft 8. 289.)
Die vorliegende umfangreiche' und gediegene Arbeit hatte
folgende Ergebnisse:
1. Das Fesselbein des Pferdes zeigt, wie schon Eich¬
baum und Zschokke betonen, in bezug auf* seine Spongiosa
eine Architektur, welche mit der Statik und Mechanik des
Knochens im engsten Zusammenhang steht. Dort wo die Bean¬
spruchung auf Druck und Zug am stärksten ist, drängt sich
die Spongiosa zur stärksten Kompakta zusammen, und dort, wo
die proximale Gelenkfläche am meisten belastet wird, findet man
die Drukauthahmestelle am stärksten. An diesen Stellen ist auch
die Spongiosa am besten entwickelt und sehr engmaschig.
2. Von den bei Pferden sehr häufig vorkommenden Fessel¬
beinfrakturen betreffen drei Viertel aller Fälle die Vorder¬
gliedmaßen.
3. Die Frakturen werden durch äußere und innere Ursachen
bedingt. Letztere finden nicht nur in krankhaften Zuständen
des Knochens, sondern auch in Eigentümlichkeiten seiner
Architektur ihre Begründung.
4. Nach der Entstehungsweise sind zu unterscheiden:
a) Sagittalfrakturen; b) Segmentalfrakturen; c) Horizontal¬
frakturen (Querfrakturen); d) Riß- und Absprengungsfrakturen;
e) Mischformen von a) und b) und f) Splitterfrakturen.
5. Für die definitive Heilung der Fesselbeinfrakturen sind
die Transformationsprozesse von weitgehendster Bedeutung. Sie
zeigen uns, daß entgegen der bisher verbreiteten Annahme die
Aussichten auf Wiederherstellung der statischen Festigkeit die
denkbar günstigsten sind, und daß die Fesselbeine durch das
Produkt der Transformationsprozesse ihre volle Funktionsfähigkeit
wieder erlangen.
Bezüglich der Behandlung sei aus der Arbeit folgendes er¬
wähnt: Der Gipsverband muß von den Schenkelenden des Eisens
an bis unterhalb des Karpus bez. des Tarsus reichen und es
ist vor Anlegung des Verbandes eine genügende Polsterung
anzubringen. Der Gipsverband muß öfters und zwar nach
Ablauf mehrerer Wochen erneuert werden. Es wird mit Bayer
davor gewarnt, das Pferd zu zeitig aus der Hängevorrichtung
zu entlassen und zu zeitig den Gipsverband wegzulassen, denn
es kommt dann sehr leicht zur Verschiebung der Bruchstücke,
weil eine genügende Festigkeit erst nach 2 bis 3 Monaten ein-
getreten ist. Es empfiehlt sich während der Heilungsdauer
kleine Dosen von Phosphor zu verabreichen, 0,5 Phosphor in
300 g Oleum Amygdalarum täglich 1 bis 2 Eßlöffel voll mit
Kleie. In der Regel braucht eine Fesselbeinfraktur bis zur
vollständigen Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des
Knochens 4 bis 6 Monate. Rdr.
Granulom bei einem Pferde.
. Von Distrikstierarzt L. Bierling-Veldcn a. VIls.
(Wochensehr. f. Tierhlk. u. Viehzucht, 62. Jhrg, Nr. 8.)
Bierling operierte am 12. Januar i906 bei einem sieben¬
jährigen Wallach eine gestielte, taubeneigroße Warze, welche
dem Schlauche aufsaß, mit dem Ekraseur. Am 6. März war die
Warze wieder hühnereigroß nachgewachsen und wurde in
derselben Weise entfernt; Nachbehandlung mit Liq. ferr.
sesquichlorat. Am 12. Dezember zeigte sich nunmehr eine
kindskopfgroße, lappige zum Teil blutende und mit Eiterkrusten
bedeckte Geschwulst an Stelle der früheren Warze. In der
Narkose wurde der Tumor exstirpiert, die Wundhöhle mit Bor¬
säure bestreut und sodann vernäht. Die Untersuchung der
Geschwulstmasse ergab ein Gewicht von 1700 g und den
Charakter eines Granuloms. Am 2G. Januar 1907 war wiederum
656
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
ein mit breiter Basis aufsitzender länglicher Tumor nacbge-
wachsen, der nochmals exstirpiert wurde. Die dabei geschaffene
Wundfläche wurde gebrannt und mit einer dünnen Schicht Arsen
bestreut. Diesmal trat völlige Heilung ein. J. Schmidt.
Beiträge zur Kenntnis der Knochenbrfiche beim Schwein.
Von Alexius Zbiranski in Hamburg.
Inaugural.Dissei tation. (Gießen).
(Berlin 1906. Preuöeacbe Buch- uud Kunatdruckerei.)
Wie Pfeiffer die Knochenbrüche des Pferdes und Fröhner
diejenigen des Hundes, so hat Zbiranski die Frakturen beim
Schwein systematisch bearbeitet. Da die Arbeit nicht in der
Tierärztlichen Fachpresse erschienen ist, sei das wesentlichste
hier als Referat wiedergegeben. Die Ursachen der Knochen¬
brüche sind dieselben wie bei den übrigen Tieren, die anatomische
Einrichtung des Schweinekörpers bedingt es indessen, daß r eine
Anzahl Knochenbrüche, die bei anderen Tieren nicht selten sind,
kaum Vorkommen. Unter 311 Frakturen waren die Kopfknochen
keinmal, die Rumpfknochen 28 mal und diejenigen der Glied¬
maßen 283 mal betroffen. Am häufigsten, mit 48 Proz., sind
Oberschenkelbrtiche, nächstdem solche des Beckens 24 Proz.,
der Tibia und Fibula 6 Proz., der Schwanzwirbel 6 Proz., des
Humerus 5,4 Proz., des Tarsus 3 Proz., des Kreuzbeins 3 Proz.
und der Skapula und Ulna je 2,5 Proz. Die Brüche der übrigen
Knochen bleiben unter 1 Proz. (Lendenwirbel, Metakarpus,
Vorderphalangen und Metatarsus.) Unter den Brüchen waren
306 vollständige und nur 5 unvollständige, 310 mal lagen ein¬
fache und nur 1 mal ein komplizierter Bruch vor. Brüche der
Kopfknochen, der Halswirbel, Rückenwirbel nnd des Brustbeins
wurden nicht beobachtet. Sehr häufig sind Rippenbrüche, die
in der obigen Statistik nicht mit aufgeführt sind. 3,4 Proz.
aller Scblachtschweine sind damit behaftet, teils frisehen, teils
vollständig oder unvollständig verheilten. Nach Charpentier
und Lafourcade sollen sogar 5 Proz. der Schlachtschweine
Rippenbrüche aufweisen. Die Diagnose der Brüche erfolgt in
derselben Weise wie bei den andern Haustieren, keine Heilung,
auch vollkommener Brüche der Gliedmaßenknochen, ist möglich,
wie mehrere Präparate der Hamburger Sammlung zeigen. In
der Praxis wird man allerdings fast stets die Schlachtung vor¬
ziehen, immerhin besitzen die Brüche einige Bedeutung für die
Fleischbeschau, da jährlich große Fleischmengen wegen Durch¬
tränkung mit Blut infolge der Brüche vernichtet werden müssen.
Glage.
Eine Übertragung von Rotlauf der Schweine
auf den Menschen.
Von Bezirkstierarzt Röder in Sinzheim.
(Mitteilungeu des Vereins badischer Tierärzte, 8. Jabrg.. N. 8).
Bei der Sektion eines an Rotlauf verendeten Schweines
verletzte sich Röder am linken Zeigefinger geringfügig. Nach
etwa 12 Stunden stellte sich heftiger Schmerz ein, sodann kam
Röte und Schwellung hinzu. Trotz desinfizierender Umschläge
erkrankte das zweite Fingerglied mit, sodann der ganze Finger
und die Mittelhand, welche blaurotfleckige Verfärbung zeigte.
Die Ellenbogen und Achsellymphdrüsen waren ebenfalls schmerz¬
haft. Ungeachtet ärztlicher Eingriffe (essigsaure Tonerde, Sub¬
limat, Spiritusumschläge, Biersche Stauung, Jodtinktur etc.)
hielt sich dieser Zustand mit unwesentlichen Schwankungen etwa
6 Wochen lang. Insbesondere vermehrten sich Rötung, Schwel¬
lung und Schmerzhaftigkeit jedesmal wieder, sobald die Hand
bzw. der Finger bei Rotlaufsektion mit Kadaverteilen in Be¬
rührung kam. Der Rückgang der Krankheitserscheinungen war
erst nach 6 weiteren Wochen zu beobachten. Bis zur völligen
Heilung verging etwa ein Vierteljahr, dabei hatte sich das
Epithel zweimal völlig abgelöst. J. Schmidt.
Epilepsia noetnrna bei einer Katze.
Von Tierarzt Heiterbach-Offenburg.
(Mitteilungen des Verein» bad. Tierärzte, 8 Jahrgang, Nr. ■!.)
Holterbach schildert einen jener außerordentlich seltenen
Fälle, in welchem die Epilepsie nur des Nachts anfzutreten
pflegte. Es handelte sich hierbei um eine für nervöse Irritation
sehr zugängliche Katze, die bereits zweimal Junge geworfen
hatte. Die Anfälle traten regelmäßig alle acht Wochen auf,
und zwar des Nachts zwischen drei und vier Uhr. Zehn bis
zwölf Stunden vorher machten sich allemal Vorboten in Form
von Unruhe und Aufregung bemerkbar. Der Anfall selbst wurde
mit tonischen Muskelkrämpfen eingeleitet. Der Körper streckte
sich, der Kopf wurde zur Seite abgebogen und das Tier fiel mit
weit abgespreizten Füßen zu Boden. Nach einigen kurzen,
heftigen Bewegungen mit den Füßen geraten die Rampfmuskeln
in die heftigsten Zuckungen, welche sich in einer Weise steigern,
daß der Körper einige Male in die Höhe geworfen wird. In
diesem Stadium erfolgt ein unfreiwilliger Abgang von Urin, der
mit solcher Gewalt abgepreßt wird, daß er sogar die Zimmer¬
decke besudelt. Nun tritt das postepileptische Coma ein, der
Patient bleibt zunächst ruhig liegen, erhebt sich dann, geht
tappend unsicher hin und her, dabei an Möbel usw. anstoßend.
Allmählich kehrt das Bewußtsein zurück.
H. verordnete Kal. bromat. 20,0 und Aq. font. 300,0, täglich
3 mal 1 Kaffeelöffel voll einzugeben. Diese Medikation schien
gut einzuschlagen. Der endgültige Erfolg konnte nicht" fest¬
gestellt werden, weil die Katze eines Tages entlief nnd nicht
wieder zum Vorschein kam. G. Schmidt.
Aas der medizinischen Literatur.
Deutsche Medizinische Wochenschrift, St. Jahrgang , S. 1500.
Über die Verwendung des Areaeetlns (Ehrlich) bei der Syphllie-
behandlung. Von A. Nelüer. — Atoxyl hat sich in zahlreichen
Tierversuchen nnd auch bei Menschen als Heilmittel gegen die
Syphilis erwiesen, sofern nur genügende Mengen des Mittels
verwendet wurden. Gleichwohl stößt die Atoxvlkur auf
Schwierigkeiten, weil nicht ganz selten schwere Giftwirkungen
(Erblindung durch Opticusatrophie) bei ihrem Gebrauche be¬
obachtet worden sind. Aus diesem Grunde war P. Ehrlich
bestrebt, ein weniger giftiges und ebenso wirksames neues
Atoxylpräparat herzustellen. Ein solches ist das als „Aroacetin“
bezeichnete Natronsalz der Azetylparamidophenylarsinsäure.
Ne iß er hat mit diesem Präparat viele monatelang in Batavia
gearbeitet und dabei festgestellt, daß es viel weniger giftig ist
als Atoxyl, daß seine Heilwirkung gegenüber der Syphilis
mindestens die gleiche ist und daß irgendeine Zersetzung in
den Lösungen auch bei längerer Aufbewahrung nicht eintrat.
Neißer glaubt auf Grund der bisher an Tieren und Menschen
gemachten Erfahrungen das Arsacetin als ein sehr brauchbares
Präparat empfehlen zu können.
Dieselbe Zeitschrift S. 1510.
Eine Methode zur Erleichterung der Auffindung von Para8itenelern
in den Fäcee. Von W. Telemann. — Die Methode besteht im
wesentlichen darin, daß man den Stuhl nach chemischer Lösung
seiner Hauptbestandteile (in einem Gemisch von Äther und
10. September 1908.
reiner Salzsäure 1:1) durch Zentrifugieren sedimentiert und ihn
so in seine spezifisch verschieden schweren Komponenten zerlegt.
Die unterste Schicht im Zentrifugiergläschen besteht aus den
in Äther und Salzsäure unlöslichen Nahrungsresten und etwa
vorhandenen Parasiteneiern.
Dieselbe Zeitschrift S. 1512.
Msrbicid, eir^ neues Desinfektionsmittel. Von H. Töpfer. — Von
der Lysolfabrik Schttlke & Mayr, Hamburg, wird unter dem
Namen „Morbicid“ ein wenig riechendes Desinfektionsmittel in
den Handel gebracht. Es enthält Formaldehyd verbunden mit
einer Seife, die hohe bakterizide Eigenschaften besitzen, die
Wirksamkeit des Aldehyds erhöhen und seine ÄtzwirkuBg ab¬
schwächen soll. Der Gehalt des Mobicids an Formaldehyd wird
auf ein Drittel desjenigen des Formalins angegeben. Auf Grund
zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen kommt der Ver¬
fasser zu dem Schluß, daß das neue Mittel eine Reihe sehr
guter Eigenschaften besitzt und in die Praxis eingefuhrt zu
werden verdient. Ein zweites für die Großdesinfektion, besonders
für infizierte Wäsche, hergestelltes Präparat „Morbicid technisch“
besitzt im wesentlichen die nämlichen Eigenschaften. W.
Tagesgeschichte.
t
Nach kurzem, schwerem Leiden verschied unser lieber
Kollege Herr Oberstabsveterinär W. Richter im besten Mannes¬
alter und in der Vollkraft seiner Tätigkeit. Nicht nur das
Offizierkorps seines Regiments, Freiherr v. Derfflinger, welches
ihm ungewöhnliche Pflichttreue und hervorragendes Können
nachrief, sondern auch zahlreiche Leidtragende der Zivil¬
bevölkerung, welchen er als Freund und Berater in der aus¬
gedehnten Praxis nahegestanden hat, betrauern seinen frühen Tod.
Auch wir betrauern in ihm einen hochgeschätzten Freund
und Kollegen, der durch unermüdliche Pflichterfüllung sich die
Achtung seiner Kollegen und aller beteiligten Kreise erworben
hatte. Ein warmes dauerndes Andenken wird ihm von uns
allen gewahrt werden.
Bromberg, 2. September 1908. I. A.: Peters, Veterinärrat.
Vorschläge ffir die Militürveterioär - Reorganisation.
Der 1. April 1909 rückt immer näher. Die Unruhe der
Veterinäre bezüglich ihrer Zukunft wird nicht kleiner, sondern
wächst, je mehr verlautet, daß das Veterinäroffizierkorps nicht
das werden soll, was man erträumte, hoffte und erwartete: aber
nirgends mehr werden Stimmen laut, was den Veterinären
nützte, was kommen sollte, werden möchte. Die jetzige Zeit
mag tatsächlich am besten verglichen werden mit der Ruhe vor
dem Gewitter — alles erhofft den langersehnten, nötigen Regen
und fürchtet einscblagende Blitze und Hagelschauer, die alle
Hoffnungen scheitern lassen. Selbst in Bayern, wo man bisher
ab und zu sich rührte, wo die amtlichen Tierärzte jetzt den
Militärkollegen so weit überlegen gemacht wurden, ruhen die
Hände im Schoße und schweigen die bisherigen Bahnbrecher
unter den Veterinären. Gründe verschiedener Art bestehen ja
hierfür, aber vielleicht ist das absolute Stillschweigen doch nicht
ganz angezeigt und wäre es vielleicht besser, einige Vorschläge
zu bringen, geeignet, die Vorgesetzten der Veterinäre diesen
gewogen und damit die Zukunft erträglicher und aussichtsvoller
zu machen.
Es hat keinen Wert, immer nur zu fordern; man täte einmal
gut, Leistungen anzubieten und dafür Vergütungen zu erheischen.
657
Als der Vorschlag einer Leistung möchte die Bitte nach
erhöhter spezialistischer Ausbildung erscheinen. Kommandos
von der bisherigen kurzen Dauer, wie es besonders in Bayern
der Fall ist, die noch dazu fast nur in Ausnahmen gewährt
werden, haben wenig, fast möchte man sagen, keinen Wert.
Kommandos, welche erhöhte Ausbildung in interner und externer
Klinik, Chirurgie, Fleischbeschau, Hufbeschlag, Seuchenlehre,
Gestütskunde bezwecken sollen, haben zweifelsohne erst dann
ihre volle Bedeutung, wenn sie mindestens ein Jahr dauern.
Wenn erst fast jeder Veterinär, wie jeder Arzt, in irgend einer
Weise spezialistisch „durch“geblildet ist, dann werden sich die
veterinären Leistungen ohne weiteres bedeutend erhöhen. Die
Spezialisten müssen allerdings möglichst stark nicht nur im
Bereiche ihrer Garnison herangezogen werden, sondern sollen
auch für die Nachbargarnisonen, anfangs für das ganze Armee¬
korps arbeiten; ihre spezialistischen Kenntnisse müssen voll und
ganz ausgenützt werden durch Übernahme und Übergabe
entsprechender Arbeiten, durch Zuweisung der nötigen Hilfs¬
mittel. Die Veterinfirwissenschaft ist so umfangreich geworden,
daß mit Unrecht und nur von wenig Einsichtigen verlangt wird,
daß einer alles leisten können soll, daß es eine falsche Scham
der Veterinäre ist, ja keinen Kollegen außer dem Regimente zu
Rate zu ziehen. „Kollegialität“ muß hier über die Klippen,
welche mit der Beziehung eines Spezialisten verbunden sind,
bin weghelfen. (Diese Klippe besteht auch in tierärztlichen
Kreisen überhaupt und wäre der Wunsch nach „mehr Kollegialität“
wohl allgemein am Platze. Manches wäre nnd würde besser,
wenn die ewigen Eifersüchteleien aufhörten, wenn nicht bei
jeder Konsultation die Konkurrenz gefürchtet würde, wenn
ältere Kollegen mit gutem Beispiel vorausgingen und die Hoch¬
schulen in dieser Richtung recht fleißig den künftigen jungen
Tierärzten das Gewissen stärkten.)
Die spezialistische Ausbildung der Veterinäre ließe sich
leicht durchfuhren, wenn die Kriegsministerien mit den Hoch¬
schulen ihres Landes ins Benehmen träten und diese die ab¬
kommandierten Veterinäre als regelrechte Assistenten verwenden
würden, wie es auch bei und mit den Militärärzten geschieht.
Bei längerer Dauer des Kommandos bestünde kaum die Gefahr,
daß die einschlägigen Professoren sich weigern würden, Militär¬
veterinäre als Assistenten anzunehmen; dem Lande würden auf
diese Weise kaum Mehrkosten entstehen (die Mehrausgaben für
Umzüge, Kommandozulagen usw. ließen sich leicht aus dem
Gehalte der ersetzten Assistenten bestreiten).
Die ausfallende Arbeitskraft der abkommandierten Veterinäre
ließe sich durch Einstellung von Einjährigen-Unterveterinären
in das betreffende Regiment ersetzen. Zu dem Zwecke müßten
diese allerdings im April und Oktober bei den Truppen ein-
treten können und dürften nicht nach Belieben Einjährigen-
Unterveterinäre von den Regimentern angenommen werden,
sondern müßten die Einjährigen auch in weniger „beliebte“
Garnisonen dirigiert werden (einfach durch Ablehnung seitens
der „gesuchten“ Truppenteile, sofern nicht familiäre, zwingende
Gründe der Einjährigen dagegen vorlägen).*) Eine weitere
Möglichkeit bestände darin, daß man alle dritten' Veterinäre
*) Diesem Eingriff in das dem Einjährig-Freiwilligen allgemein
zustebende Recht der Wahl des Truppenteils mußte demfjdoch 'ent¬
schieden widersprochen werden. Die Veterinäre des Beurlaubten¬
standes erfahren schon genug Sonderbehandlung. Schmaltz.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
658
No. 37.
BERLINER, TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
bei Kavallerie-Regimentern abkommandierte bzw. alle Ab-
kommandierten während des Kommandos auf den Etat des
dritten Veterinärs bei Kavallerie-Regimentern setzte.
Ein Kommando, das unbedingt und mit allen Kräften
erstrebt werden müßte, wäre das Kommando einzelner Veterinäre
zu den Militärreit-Instituten. Es ist direkt unverständlich, daß
die Leute, die sicherlich am meisten das Verständnis für Reit¬
kunst haben sollten, in keiner Weise hierfür ausgebildet werden.
Der Veterinär genießt einmal in seinem Leben Reitunterricht
(während seiner halben Einjäbrigenzeit in Bayern, in Preußen
etwas länger) und darnach ist Schluß für immer. Es ist bei
diesen Verhältnissen sicher anerkennenswert, daß die Mehrzahl
der Veterinäre trotzdem, wollen wir sagen, anständig reitet;
aber nur Ausnahmen vermögen in die Geheimnisse der Reitkunst
einzudringen und sind regelrechte, ferme Reiter, die auch über
junge und unzugerittene Pferde Herr werden.
Vorbereitend für das Kommando zur Reitschule müßte eine
allgemeine Anordnung sein, daß jeder Veterinär (bis zum Stabs¬
veterinär ausschl.) alljährlich an der Offiziersreitschule teil¬
zunehmen habe — Abstellung eines geeigneten Pferdes, wie es
bei den Offizieren der Fall ist, wäre zu dem Zwecke selbst¬
verständlich. Schaden würde es ferner nicht, wenn jeder
Veterinär, der bei einem Regiment Dienst tut, außerdem
noch täglich bei mindestens einer Reitabteilung anwesend sein
müßte, um die Pferde seines Regiments (seiner Abteilung) nicht
nur im Krankenstalle kennen zu lernen, sondern auch ihre Gänge
und Leistungen beurteilen zu können und Fehler und Lahmheiten
usw. festzustellen. Auf diese Weise würden in den Veterinären
Reiter und Reitverständige erzogen, die dem Staate und den
Offizieren bei Ankauf von Dienst- und eigenen Pferden die
nützlichsten Winke geben und die ein Pferd durch und durch
taxieren könnten. Frankreich gäbe hier ein vorbildliches Beispiel.
Würden an die Veterinäre solche Anforderungen gestellt,
so blieb es allerdings nicht aus, daß die Privatpraxis derselben
leiden würde, vielleicht ganz in die Brüche ginge; doch das
käme nur dem Militär, dem Staate zugute. Es ist nicht zu
leugnen, daß der Veterinär in der Privatpraxis manche, viele
Kenntnisse sich erwirbt, die dem Staate indirekt zukommen sollen.
Dem steht aber entgegen, daß der in der Praxis vielbeschäftigte
Veterinär im allgemeinen die wenigste Zeit auf seine militärische
Tätigkeit ver(sch)wendet und meist nur das allernötigste in der
Kaserne arbeitet, um schleunigst wieder der Privatpraxis nach¬
jagen zu können. Diese Praxisschinderei führt dann so gerne
zu Preisdrückerei, Inkollegialität, die dem Veterinär in seinem
Ansehen bei den Fachgenossen und unter Umständen überall
sehr schaden und herabsetzen. Es scheint wohl sicher, daß der
Veterinär durch konzentrierte Arbeit in der Kaserne (und frei¬
willige, wissenschaftliche Arbeiten gäbe es außer und zu dem
Verbände genug) sich dem Staate nützlicher machen könnte,
als durch Sammeln von Kenntnissen in der Rinder- und Hunde¬
praxis. Wenn dem Veterinär Privatpraxis auszuüben gestattet
wird, sollte ihm das nur bei Pferden erlaubt sein — dafür ist
der Veterinär Spezialist (gilt meist als solcher), und er sollte
wiederum als Spezialist entsprechende höhere Preise verrechnen.
Es mag hier darauf hingewiesen werden, daß auch der Human¬
mediziner als Spezialist keine Allgemeinpraxis ausüben soll.
Am besten aber erscheint es, Privatpraxis dem künftigen
Veterinäroffizier ganz zu verbieten; es kann seinem Ansehen
und seinem Stande nur nützen, wenn er in Uniform, die nicht
immer abgelegt werden kann, wenn sie nicht am Platze ist
(dringende Fälle kommen in größerer Praxis fast täglich vor),
auf der Straße, in offenen Höfen, wie deren Wirtschaften usw.
mit Kutschern zu verkehren nicht mehr gezwungen ist und
wenn er mit beschmutzten Händen nnd schmutzig gewordener
Uniform nicht mehr öffentlich zu sehen ist (nicht immer und
überall bietet sich Gelegenheit zn entsprechend^* Reinigung oder
zum Umkleiden). Daß das Ausüben der Tierpraxis in Uniform
— mit Recht — nicht gewünscht wird, geht übrigens deutlich
genug daraus vor, daß die Veterinäre weitgehendste Erlaubnis
zur Benutzung bürgerlicher Kleidung haben, viel mehr als andere
militärische Berufe.
Entsprechende Arbeit und Leistungen im Dienst werden
notwendig zu höherer Wertung führen und entsprechende Rang-
und Gehaltsverhältnisse bedingen. Ohne Privatpraxis würde
sich das Einkommen der Veterinäre erhöhen müssen, es würde
für die einzelnen ausgeglichener; das Kleben an der Scholle
wie die Gesuche um Versetzung in Garnisonen mit Praxismög¬
lichkeit, das Bestreben, Manöver und Schießübungen in der
Garnison zuzubringen, hörten auf. Intensive Arbeitsleistungen
ließen auch eine Minderung der Zahl der Veterinäre erreichen
(wozu heute 3 Veterinäre bei Kavallerie-Regimentern?), die mit der
Verkleinerung des Veterinärpersonals verbundenen Ersparungen
könnten wiederum zur Steigerung des Gehalts und Ranges der
übrigen Veterinäre Verwendung finden. Ein weiterer, sehr
wichtiger Vorteil bei solchem Betriebe bestände darin, daß eine
Reihe von Veterinären die Privatpraxis für ebenso angenehm
und lohnender fänden und mit oder ohne Pension aus militärischen
Diensten schieden; die ununterbrochen verlangte und zu übende
Reitfähigkeit und Reittätigkeit würden weiters mit nicht mehr
felddiensttauglichen Veterinären aufräumen, die Dienstbrauchbar¬
keit derselben erhöhen und die Schlagfertigkeit des Heeres
steigern. Die Karriere der Veterinäre würde hierdurch sehr
bald und gründlich beschleunigt nnd verbessert
Diese Tatsachen an maßgebender Stelle vorzutragen und
durchzusetzen, wird wohl einmal Aufgabe des technischen Ve¬
terinärreferenten sein müssen, den hoffentlich die Reorganisation
bringen wird. Fände die Reorganisation statt, ohne daß dem
Veterinäroffizierkorps ein technisches Haupt gegeben wird, so
wäre das jedenfalls ein Kardinalfehler derselben. Manches
ließe sich aber auch dann und jetzt erreichen, wenn die jeweils
höchsten Veterinäre (jetzt Korpsstabsveterinäre) z. B. gelegent¬
lich ihrer Kurse das, was dem Stande not und gut tut, beraten
und die gefaßten Beschlüsse ihren Chefs und den Kriegsministe¬
rien in würdiger aber nachdrücklicher Weise vortragen würden.
Es kann doch nicht sein, daß die militärischen, ausschlaggeben¬
den Behörden gerade für die Wünsche von Veterinären nicht
zu haben sind, auch wenn diese noch so berechtigt sind. Allerdings:
„Erst Leistungen, dann Forderungen“ oder mindestens
„Leistungen mit Forderungen.“
Reorganisation des Tierseuchendienstes in Frankreich.
Frankreich hatte im Jahre 1881 seine alte, zum Teil noch
aus dem 18. Jahrhundert datierende Tierseuchengesetzgebung
durch ein den modernen Anforderungen entsprechendes Tier¬
seuchengesetz ersetzt. Dasselbe umfaßte die auch im deutschen
Gesetz von 1880 als anzeigepflichtig aufgenommenen Krankheiten
und war bezüglich der Ausführungsvorschriften dem Reichsvieh¬
seuchengesetz ziemlich ähnlich. Seit 1881 ist das Gesetz mancher
10. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
659
Umarbeitung unterworfen worden, tu den anzeigepflichtigen Seuchen
traten die Tuberkulose tmddie SöhwetnesettChen; die Aufeftthrtiftgs-
vorschriften sind deh neuesten Forschungen entsprechend ge¬
halten. Das praktische Ergebnis war dennoch kein befriedigendes.
Den wunden Punkt glaubt man in der mangelhaften Organisation
des ZivHveteriflarWesens geftmdeü Zn haben. Das Tierseuchen¬
gesetz und die Novellen zu demselben hatten die Einrichtung
derselben den einzelnen Departements (— Regierungsbezirk in
Preußen) überlassen. Während einzelne Departements (z. B.
das Seinedepartement, Chef-lieu: Paris) eine wohlgeordnete
Organisation getroffen hatten, manche recht erhebliche Opfer für
diesen VeiWnlttnrgstweig brachte», ist in der großen Mehrzähl
ddr Departements der TlefseUchendienst sehr rudimentär ge¬
blieben. In diesen war der als Chef des Tiersetichendienstes
bezeichnet« Vöterinaire dälCgud durch die mangelhafte Besoldung
auf Privatpraxis angewiesen; der Seuchennachrichtendienst, die
Feststellung der Seuchenausbrüche, die Anordnung der Ma߬
regeln, die Überwachung ihrer Ausführung büeb Sache der im
Departement ansässigen Tierärzte, die jeder in seinem Praxis¬
rayon als sogenannte V^rinaires sanit'aires, die Funktionen der
deutschen beamteten Tierärzte zu versehen hatten und für jede
einzelne Dienstv&rrichtung nach besonderen Tarifen mehr oder
weniger auskömmlich honoriert wurden.
Vor einigen Jahren wurden Yeterinärinspektoren ernannt,
welche durch die Überwachung de» Tlftrsenchendienstes in
größeren Grtippen von Departements eine mehr gleichmäßige,
intensivere Seuchenbekämpfung durchsetzen sollten. Trotz d6r
persönlichen Tüchtigkeit der zu Inspektorstellen berufenen Tier¬
ärzte war aber der Erfolg nicht viel besser, so daß in den
französischen tierärztlichen Vereinigungen die Forderung einer
Reorganisation des Tierseüchendienstes ständig auf der Tages¬
ordnung ständ.
Die schweren Matl- und Klauenseuehftgttnge der letzten
J&hre uffd neuerdings die FlbisOhbeschaUSkaUdate in zahlreichen
GafUisoben, in denen MilltärlieferAnten das Föhlen elfter
geordneten Fleiscbbescban benutzten, um sich die tollsten Unter¬
schleife und Verfälschungen Zu gestatten, machten die Frage
auch in der öffentlichen Meinung akut. Im Befiät und ln der
Kammer der Abgeordneten wurden Gesetzentwürfe eingebracht,
an deren Zustandekommen die tierärztlichen Senatoren und
Döputfe elften Wesentlichen Anteil genommen haben. Diese
Entwürfe kondensierten Sidh zu elfter Kegifehtogsvotlage, die
unterm 15. Juni 19Ö8 zum Gesetz erhoben wurde.
Wie ans dem Nachstehenden ersichtlich ist, ändert das
Gesetz nichts an der Stellung der Veterhlärinepektore», ebenso:
bleibt wie bisher die Feststellung der 'Tierfefefttheo, die Anordnung
dör 'Maßregeln, die lokale Überwachung IfiTer Ausführung, die-
Überwachung der Tiennärkte, der Schlachthäuser und Abdeckereien,
Sache der VütCrin&ires sanitaires. Diese Einrichtung, die dem
Ideal mancher deutschen Privattierärzte entspricht, erklärt sich
in Frankreich, wo manche Stimme auf Ihre praktischen Mängel
aufmerksam machte,^ dürch den Sinn für Liberia, EgalltC/
Fraternitd, gegen den sich nicht ankämpfen läßt. Nur das
Seinedepartemeut behält seine beamteten Tierärzte im wahren
Sinne des Wortes.
Im ersten Artikel bestimmt das Gesetz, daß es in Jahres¬
frist durchgeführt sein mffß, daß in jedem Departement ein
Vdtdrinaire döpartemental zu ernennen ist, dessen Dienstpflichten
die folgfehden Siftd:
1. die Durchführung der Gesetze und Reglement» über die
VetCrinärpftifeei zu sichern;
2. den Gesundheitszustand der Haustier» zu überwachen und
dem Landwirtschäftsnlintster durch VenhRttatog'tös Präfek¬
ten (Regierungspräsident in Preußen) Bericht über den
Seuchen stand zu erstatten;
3. die Tätigkeit des VStdrinaires sanitdirds ZU dirigieren Und
zu kontrollieren;
4. den Marktäufeichtsdfemlt, die Überwachung der öffentlichen
und ‘privaten Schlachthäuser sowieder Abdeckereien utrd den
FieifChbeschandieust zu kontrollieren;
6. die Desinfektion der zum Tiertranspoft behüteten Easen-
bähuwagen, ddrRaftipen uhd BahnhofszagäUge zft überwachen
(zu diesem Zweck werden die Depfertefeentstieriti'zte ddn
staatlichen BahnkontroHenren gleichgestellt Und soReh die*
b eiben die gleichen Vergünstigungen afeifetfe der Bäh»*
Verwaltung - genießen);
6. zur Diffteion der Kehhtnisse über Hygiene Mizutragea,
insbesondere auch der Anwendung in der Praxis der Ent¬
deckungen uhd vom Seuchftnfat empfohlenen Methoden der
Prophylaxe der Tierseuchen.
Die Departementstfefttrzte weiden vdm LamdWirtsefcafts-
nUUister ernannt auf den Bericht eüler Jury, die aurdera LeAd-
wirtsOhaftsdirÄtor als Vofstttenden, dem Vetcrintt ri napektor 'der
betreffenden Rogiön, de» Professoren der SeUchenlehre der 4M
Veterinärs cimten und zwei vom Generalrat des betreffChden
Departements feezeichneten MitgHedem b e steh t . Die 'Bewerber
dürfen nicht unter 28 Jahre alt and müssen seit mindestens
vier Jahren approbiert sein. Das Gesetz bestimmt ferner, daß die
bisherigen Departementstisrärete, soweit sie auf Grand venr
Konkurs oder mit Verzicht auf PrivatpraXts ernannt wurden,
in Stellung verbleiben, während die Übrigen sich einer Prüfeng
zu unterwerfen 1 haben. Sämtliche Departementstterärste können za
Arbeiten in vom Laadwirts cHaftsmfcriSter bezeichneten Laboratorien
berangezogftn werden, auch sind sie Von ctifcm Departement Ins.
andere versetzbar. Den Departementstierärzten ist-jede andere
Öffentliche oder private Beschäftigung, sowie die Privatpraxis
verboten; sie können ferner in ihrem Departement erst zwei
Jahre nach ihrem Avzsoireiden aus dem Dienst in eifte öffent¬
liche Körperschaft (Senat, Komifter, Gfenemirat, Krciärat,
1 Gemeinderat) gewählt werden.
Für toftn 1 Flei*seftthOffdieifst siftd vm petäönHdhen' Ausgäben
für das tifcugfcschäffftne Personal vdn 1 Dfepärtftmriitst fe fIf rt h i
46ÖÖÖ0 Fräncs feefetinnftt worden, WÖvon ftiftd 12UOO für die
Kosten der obenerwähnten Jury, die restiereriden 448 OÜO gleich¬
mäßig auf die 86 Departements zu verteilen sind. 'Von den
auf jedes Departement fällenden 5ÖÖ0’ Frhncs sind 4000 als Beitrag
des Landes zum Gehalt, 1200 als Beitrag zur Reise Vergütung
berechnet, jedes Departement hat' außerdem am eigenen Mittel»
mtedfcfetefls : 1000 Ffethcs'ZUtn' Gtebattdm DepäitettHmtstfcdarztä«
belzustditefn.
Eine letzte Forderung, die in der Kammer vifele Ärihängfer
batte und deren demuächstige Durchführung von der Regierung (
versprochen Wurde, ist die Erftciiftitug eines Tierarztes als
oberster Leiter ffftS dSlVilVdteriitärWeseHs. BteÜgtttbder Mikhke»-
trolle, die ebenfalls den* DepartCThentstierärztcn unterstellt wer¬
den soR,'sliid l liftBUndere Vorschläge in Attsöfeht gesteHf worden,
sobald die Ffage aus dfer Vbrprttfhngsperiöde gekbftttnen sein
würde. Zündel.
660
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37 1
Selbsthilfe gegen unsere Taxe von Annodazumal.
ln verschiedenen preußischen Regierungsbezirken fangen die
Tierärzte an, gegen die sogenannte tierärztliche Taxe aus der
Zeit. der Befreiungskriege durch Selbsthilfe Front zu machen.
Sie haben sich freiwillig zusammengetan, bestimmte Liquidations¬
sätze aufgestellt und sich verpflichtet, unter diesen Sätzen nicht
zn liquidieren. Es haben sich dieser Vereinbarung Angehörige
aller tierärztlichen Gruppen, Kreistierärzte, Militärveterinäre,
Privattierärzte und Schlachthoftierärzte angeschlossen. Solche
Vereinbarungen sind angesichts der Sachlage gewiß richtig.
Es ist nur, wenigstens in einem Bezirk, damit eine Bestimmung
verknöpft Worden, die sich nicht durchführen läßt. Man hat die
Möglichkeit in Betracht gezogen, daß Mitglieder der Vereinigung
gelegentlich ihrer Verpflichtung untreu werden könnten und hat
für diesen Fall ein förmliches Verfahren mit Bestrafung vor¬
gesehen: Dabei ist übersehen worden, daß der Staat die An¬
wendung solcher ehrengerichtähnlicher Bestimmungen auf seine
Beamten nicht gestattet. Das preußische Ministerium für Land¬
wirtschaft hat daher die Kreistierärzte angewiesen, sich solchen
Vereinbarungen nicht anzuschließen. Meiner Ansicht nach wäre
die Vereinbarung auch ohne Verfahren und Strafbestimmung
haltbar. Grundsätzliches Zuwiderhandeln würde schon durch
einfache Besprechung im .Kollegenkreise unmöglich gemacht
werden. Man sollte daher jene Bestimmungen einfach wieder
auf heben, um den Kreistief ärzten den Anschluß zu ermöglichen.
Das Beste wäre schon, wenn endlich eine neue Taxe für Tier¬
ärzte in Preußen aufgestellt würde. Schmaltz.
Genossenschaftliches.
Der Umsatz der Wirtschaftsgenossenschaft Deutscher
Tierärzte E. G. m. b. H. zu Posen betrug im Juli 11 »08
806 Ausgänge im Werte von 20 386,47 M. gegenüber 580 Aus¬
gängen im Werte von 18 050,49 M. im Vorjahr. Die Zahl der
Mitglieder hat 493 erreicht. Es ist zu wünschen, daß das
dritte Geschäftsjahr im September d. J. mit 500 Mitgliedern
endet. Vor drei Jahren begann die Genossenschaft mit 224
Mitgliedern zu arbeiten. Marks-Posen.
Anfrage betr. Haftpflicht für Assistenten.
1. Ist ein Kollege für Kunstfehler seines Assistenten haftbar?
2. Hat er für Beschädigungen von Personen oder Gegen¬
ständen, die sein Assistent (z. B. beim Rad- oder Automobil¬
fahren) herbeiführt, aufzukommen?
3. Muß der Auftraggeber für Erkrankungen oder Ver¬
letzungen, die sich «ein Assistent im Dienst zuzieht, haften,
und wie lange muß er bei anderweitiger Erkrankung seines
Assistenten das vereinbarte Gehalt usw. zahlen, wenn keine
Kündigungsfrist vereinbart ist?
Eine berühmte Zuchtstute.
Die Vollblutstute Festa hat bekanntlich eine Anzahl ganz aus¬
gezeichneter Nachkommen hervorgebracht: Festino, Fels, Fabula,
Faust und Fervor, die ihren Eigentümern, den Herren v. Weinberg,
schon über eine Million gewonnen haben. Es hat daher für die
Besitzer allerdings eine außerordentliche Bedeutung, ob die 8tute
noch weitere Produkte verspricht oder nicht. I)a aus einem nicht
ersichtlichen Grunde angezweifelt worden ist, daß die Stute noch
einmal tragend werden könne, so haben die Herren v. Weinberg
den Kollegen Suckow r , ehemalig fürstlich Fürstenbergisehen Gcstüts-
direktor, eigens zur Untersuchung der Stute gebeten. j
Fahrlässige Körperverletzung.
Ein Student der Militarveterinärakadcmio hat sich kürzlich vor
dein Kriegsgericht gegen die Anklage fahrlässiger Körperverletzung |
verantworten müssen. Er hatte für einen Freund, der an Zahn¬
schmerzen litt, ein Kokainrezept verschrieben. Der Patient batte
davon einen unrichtigen Gebrauch gemacht, und durch einen un¬
glücklichen Zufall verschluckte er ein mit Kokain getränktes Watte-
stiickchen, worauf schwere Erscheinungen eintraten. Der Angeklagte
wurde freigesprochen mit der Begründung, daß die unrichtige An¬
wendung des verschriebenen Mittels ihm nicht zur Last gelegt werden
könne.
Kongreß der Kälteindustrie.
Der erste internationale Kongreß der Kälteindustrie wird, wie
schon früher mitgeteilt, Mitte Oktober in Paris stattfinden. Das
Deutsche Reich bzw. verschiedene Reichsämter und Regierungen
lassen sich amtlich vertreten. Führer der deutschen Delegierten
ist Prof. Dr. Carl v. Linde-München. In Paris wird ein Empfang
beim Landwirtschaftsminister, der das Protektorat übernommen hat,
ferner ein Empfang durch die Universität und eine Soiree der Stadt
Paris stattfinden. Schriftführer des Ausschusses für Deutschland
ist Ingenieur Constanz Schmitz, Berlin NW. 52, Calvinstraße 24.
Thüringen.
In Sondershausen findet am 25.-28. September 1908 die
13. ordentliche Hauptversammlung des Verbandes öffentlicher Chemiker
Deutschlands statt. Fast alle Vorträge haben auch für Tierärzte
Interesse. Hofrat Dr. Wagner-Sondershausen: Die Organisation der
Lebensmittelkontrolle im Fürstentum Sehwarzburg-Sondershausen;
Dr. Treumann-Hannover: Unabhängige Sachverständige und anderes;
Dr. Woy-Breslau: Untersuchung und Beurteilung von Melassefutter¬
mitteln; Dr. Ewers-Magdeburg: Über polarimetrische Stärkebe-
stimraung. Dr. G.
Maul- und Klauenseuche.
Die Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche in Süd¬
deutschland ziehen immer weitere Kreise. Aus den Tagen vom
3. bis 8. September sind dem Kaiserlichen Gesundheitsamt
folgende Neuausbrliehe gemeldet worden: Aus den baj T eriscben
Regierungsbezirken Oberfranken, Kreis Bamberg II und Pfalz,
im Schlachthof zti Ludwigshafen und im Bezirksamt Frankenfhal;
aus Baden, Amtsbezirk Kehl und Amtsbezirk Schwetzingen; aus
dem Unterelsaß, Kreis Zaberze I und Kreis Molsheim; aus
Lothringen im Schlachthaus zu Diedenhofen und zu Metz. Außer¬
dem wird ein Ausbruch im Kreise Regenwalde (Pommern) vom
9. September gemeldet. Der Ausbruch in Augsburg ist getilgt.
Personalien.
Auszeichnungen und Ernennungen: Dem Stabsveterinär d. Res.
' Öchlachthofdirektor Schräder wurde die Landwehr-Dienstauszeichnung
I. Klasse verliehen. Der städtische Tierarzt ScÄcnÄ-Erlängen wurde
zum Schlachthofdirektor daselbst ernannt.
Verzogen: Die Tierärzte Betiie von Reitzendorf nach Polkwitz,
Anton Kidcrle von Dinkelsbühl nach Neubreisach.
Promoviert: Tierarzt A. tUlmann zurzeit Nordhausen zum Dr.
med. vet. in Bern.
In der Armee: Befördert: Die Unterveterinäre Borcherdt im
1. Garde Drag.-Regt., Michahki im Feldart.-Regt. Nr. 67 zu Ober-
veterinären. — Versetzt: Stabsveterinär Schuh im Feldart-Regt.
Nr. 17 zum Regt. Königsjäger zu Pferde Nr. 1, die Oberveterinäre
Ihxdski im Feldart. Regt. Nr. 73 zum Fcldart.-Reg. Nr. 75, Xippcrt
im Feldart.-Regt. Nr. 3 zum Feldart.-Regt. Nr. 17.
Im Beurlaubtenstande: Befördert: Die Unterveterinäre
der Reserve van Betteraty (Geldern), Vogt (Stockach), Leinemann
(I Essen) zu Obervetcrinären des Beurlaubtenstandes. — Abgang:
Dem Oberveterinär der Reserve Winter (Landw.-Bez. Borna) und
dem Oberveterinär der Landwehr II. Aufgeb. V/. Thum in .Kufering
der Abschied bewilligt.
Todesfälle: Oberstabsveterinär Wilhelm /iVr/z/rr-Bromberg, Kgl.
I Bezirkstierarzt F/vcfar-Markthcidonfeld.
Vakanzen.
Siebe Beilage pg. 672 am Schluß.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inarratenteil): Prof. Dr. Sclunaltz in Berlin, — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz in Berlin. —
Druck von W. BUxensteln. Berlin.
661
Beilage zur „Berliner Tierärztlichen Wochenschrift“ 1908, Nr. 37.
Wissenschaftliche Abende der Assistenten der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden im Winter 1906/07.
XX.—XIII. Abend.
XX. Vortragsabend
am 8. März 1907.
Demonstration pathologisch-anatomischer Präparate.
Vortrag dos Herrn Amtstierarztes Sommer, Assistenten des
Pathologisch-anatomischen Institutes.
I. Atypische Tuberkulose zweier Nieren vom Schwein.
Die beiden Nieren, 200 bzw. 210 g schwer, demselben Tier
angehörend, wurden dem pathologischen Institut vom Schlacht¬
hof zu Dresden zugesandt. Der ganze übrige Schlachtbefond
ist leider unbekannt. Beide Nieren sind gleichmäßig stark er¬
krankt. Die Oberfläche ist nicht glatt, sondern zeigt seicht an¬
steigende, flache Prominenzen, die sich von dem normalen Nieren¬
gewebe durch eine grauweiße Farbe abheben. In frischem Zu¬
stande bieten diese Herde ein mattglänzendes Aussehen, die
Konsistenz ist etwas derber als diejenige der normalen Nachbar¬
schaft. Die Schnittfläche zeigt, daß sich die Herde nach der
Markschicht zu verjüngen, demnach im allgemeinen Keilform auf¬
weisen. Außerdem lassen die Herde auf dem Schnitt eine
homogene, grauweiße, etwas glänzende Beschaffenheit erkennen.
Regressive Veränderungen, wie Verkäsung und Verkalkung,
können nirgends wahrgenommen werden.
Nach diesem Befunde kann es sich im vorliegenden Falle
handeln um 1. Tuberkulose, 2. Multiple Geschwulstmetastasen,
3. organisierte Infarkte.
Gegen Tuberkulose spricht, daß die krankhaften Ver¬
änderungen keinerlei Verkäsung oder Verkalkung aufweisen,
gegen Geschwulstmetastasen die keilförmige Gestalt der
Prozesse (Geschwulstmetastasen pflegen eine mehr oder weniger
rundliche Form zu besitzen) und gegen alte organisierte Infarkte
das Prominieren der Herde über die Oberfläche der Nieren und
auch die große Anzahl der Herde (über 80 in jeder Niere).
Im Aufträge des Herrn Prof. Joest nahm ich weitere
Untersuchungen vor. Ich fertigte Schnitte an; diese zeigen, daß
die granweißen Herde sich in der Hauptsache ans Fibroblasten,
sowie verhältnismäßig spärlichen Rundzellen znsammensetzen,
zwischen denen ziemlich zahlreiche, charakteristische Lang-
hannssche Riesenzellen anftreten. Mithin zeigen die Herde
histologisch das typische Bild des tuberkulösen Gewebes.
Um allen Zweifel zu beseitigen, wurde der Fall bakterio¬
logisch verarbeitet. Von der Herstellung von Ausstrichpräparaten
wurde Abstand genommen, weil, wie bekannt, gerade das Schwein
dasjenige Tier ist, in dessen tuberkulösen Veränderungen sich
T. B. am schwierigsten nachweisen lassen. Es wurden zwei
Meerschweinchen mit je einem etwa linsengroßen Stückchen von
den Nierenherden subkutan geimpft. Die beiden Tiere wurden
44 Tage post infectionem getötet. Das eine Versuchstier hatte
in dieser Zeit 15 g abgenommen, während das zweite 95 g zu¬
genommen hatte. Die Sektion ergab, daß die Impfstelle voll¬
kommen vernarbt war, von geschwürigen Veränderungen war
nichts zu bemerken. Die regionären Lymphdrüsen waren etwas
vergrößert und wenig verkäst. Durch Ausstriche konnten in
diesen Drüsen T. B. nachgewiesen werden. Die inneren Organe
der Meerschweinchen, insbesondere die Lungen, Leber und Milz
wiesen keine pathologische Veränderungen auf. Zum Schluß
wurden aus den Lymphdrüsen der Meerschweinchen noch auf
erstarrtem Serum Kulturen angelegt, deren Untersuchung noch
nicht abgeschlossen ist.
Junack (Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1907, Heft 5) fand
zweimal Nieren beim Schwein, deren Veränderungen nach seiner
Beschreibung mit den von mir beobachteten übereinstimmen.
Er fand neben Riesenzellen in jedem Falle säurefeste Stäbchen.
Junack ist der Ansicht, daß es sich um eine Form der Tuber¬
kulose bandelt, bei der die T. B. wegen ihrer geringen Patho¬
genität nicht imstande gewesen sind, nekrobiotische Prozesse
zu erzeugen, sondern nur Herde, bestellend aus jungem Binde¬
gewebe, hervorzubringen, die wegen des Fehlens der regressiven
Veränderungen von den typischen tuberkulösen Veränderungen
ab weichen. Diese Anschauung von Junack scheint auch für
den von mir beobachteten Fall zuzutreffen.
Es dürfte sich somit in dem vorliegenden Falle, sowie in
den beiden Junackschen Fällen um den gleichen tuberkulösen
Prozeß handeln, für den wegen des Fehlens der für die Tuber¬
kulose typischen regressiven Veränderungen die von Herrn Prof.
Dr. Joest vorgeschlagene Bezeichnung „atypische Tuber¬
kulose“ zweckmäßig erscheint.
2. Sedimentanhftufung in der Harnblase beim Pferd und beim Schwein.
Das erste Präparat stammt vom Pferd. Die Blasenwandung
weist eine chronische, katarrhalische Entzündung auf. Der In¬
halt besteht, abgesehen von etwas Harn, aus einem doppeltfaust¬
großen, braunen Klumpen von tonähnlicher, knetbarer Beschaffen¬
heit. Äußerlich besitzt der Klumpen einen schleimigen Überzug,
im Zentrum ist er etwas sandig, mörtelartig, bröckelig. Das
Gewicht der Blase samt Inhalt beträgt 1850 g. Dieser große
Sedimentklumpen kann sich selbstverständlich nur ganz all¬
mählich gebildet haben, indem aus dem Harn feste Partikel aus¬
geschieden wurden und sich in der Blase zu Boden senkten.
Die nähere Untersuchung der Sedimentmasse hat ergeben,
daß letztere in der Hauptsache aus kohlensaurem Kalk be¬
steht, dem Spuren von oxalsaurem Kalk beigemengt sind. Das
mikroskopische Bild läßt Kalziumkarbonat-Kristalle in den
mannigfachsten Formen erkennen. Man sieht Biskuit- oder
Trommelschlägelformen, auch Kreuze, Rosetten, Doppelkugeln
und ganze Kugelhaufen. Die Kristalle des oxalsauren Kalkes
zeichnen sich durch Quadratoktaederfannen ans.
Der Sedimentklumpen erstreckt sich bis in den Anfangsteil
der Harnröhre, ein Umstand, der den Sphincter vesicae ver¬
hindern mußte, die Blase vollkommen zu schließen. Daß dies
tatsächlich der Fall war, geht aus der Mitteilung des Einsenders
des Präparates, des Herrn Kollegen Zeeh in Lichtenstein-Calln-
berg, hervor: Das Tier war im Leben außerstande, den Harn
zu halten. Das Pferd wurde dieses Leidens wegen der Schlacht¬
bank überwiesen.
662
Das andere Präparat stammt vom Schwein. Auch hier
finden wir die Blase mit einem Sedimentklumpen ausgefüllt.
Das Sediment hat hier eine reine w r eiße Farbe und eine fein¬
sandige Beschaffenheit. Es setzt sich, wie durch nähere Unter¬
suchung fest gestellt worden ist, lediglich aus phosphorsaurer
Ammoniakmagnesia zusammen. Die Blase samt Inhalt wiegt
425 g. Nach der Mitteilung des Einsenders hat bei dem be¬
treffenden Schweine, es war ein Muttertier, gleichzeitig Hydro-
nephrose bestanden, ein Umstand, der mit der Sedimentablagerung
in der Blase wohl kaum in einem ursächlichen Zusammenhang
gestanden haben dürfte.
3. Die nächsten Präparate stellen Knochengeschwfllste dar.
Das erste Objekt stammt vom Menschen. Im Femur eines
Weibes, den ich der Länge nach aufgeschnitten zeige, haben
sich zahlreiche Karzinommetastasen entwickelt. Die Primär-
geBchwulst ist ein Mammakarzinom gewesen. Dieser Femur läßt
von außen nicht die geringsten pathologischen Veränderungen
erkennen. Die Neubildungen haben ihren Sitz in der Haupt¬
sache im Markraum; an den beiden Epiphysen ist die Spongiosa
diffus von Karzinommassen durchsetzt. Die Metastasen bestehen
im Diaphysenteil aus zahlreichen, scharf umschriebenen, grau¬
weißen, bis erbsengroßen Knötchen, während sie sich an den
Epiphysen, wie gesagt, dagegen diffus ausbreiten.
Die nächsten drei Fälle von Knochengeschwülsten stammen
vom Hund und unterscheiden sich im Prinzip von dem eben
beschriebenen Präparat vom Menschen dadurch, daß es sich in
allen drei Fällen um primäre Knochengeschwülste handelt. Es
ist nicht gelungen, in einem andern Organ dieser in dem
pathologischen Institut sezierten Hunde Geschwülste nachzu¬
weisen. Sämtliche drei Knochengeschwülste sind myelogenen
Ursprungs und tragen einen malignen Charakter. Im Innern des
Knochens hat die Neubildung eine destruierende Wirkung auf
das Knochengewebe entfaltet, es ist Knochenmasse in. großem
Umfange zur Einschmelzung gelangt, während es infolge einer
Reizung der Knochenhant zu einer Neubildung von Knochenge¬
webe an dessen Außenfläche gekommen ist. Der Knochen zeigt
sich deshalb aufgetrieben. Dadurch, daß der destruierende
Prozeß rascher fortgeschritten ist, als der produktive Prozeß,
ist es in zwei Fällen zum Durchbruch der Geschwulst durch
die neugebildete Knochenschale und zu einem Hineinwuchem der
Geschwulst in die die Knochen umgebenden Weichteile gekommen.
Es liegen hier Knochengeschwülste in verschiedenen Stadien
vor. Der eine Fall stellt das Anfangsstadium einer solchen
destruierenden Neubildung dar. Makroskopisch unterscheidet
sich dieser Knochen von einem normalen durch eine kaum merk¬
liche Verdickung, insbesondere ist seine Oberfläche noch relativ
glatt. Histologisch konnte dieses Präparat nicht untersucht
werden. Daß es sich aber um eine maligne Geschwulst handeln
dürfte, dafür spricht das intra vitam des betreffenden Hundes
aufgenommene Röntgenbild, auf dem im distalen Drittel des
Radius eine länglich ovale, ziemlich scharf umschriebene, helle
Stelle erkennbar ist. Dieser helle Fleck erklärt sich dadurch,
daß die Neubildung an dieser Stelle die Knochensubstanz teil¬
weise zerstört und somit für die Strahlen leichter passierbar
gemacht hat.
Die beiden andern Präparate, bei denen die Tumormasse
die Knochenschale durchbrochen hat, sind histologisch untersucht
worden. Es handelt sieh in beiden Fällen um Spindelzellen¬
sarkome, die man, da sie ihren Sitz im Knochen haben, -kure -als
Östeodarkome bezeichnen kann. Difcse beiden letzteren Präparate
stellen sehr vorgeschrittene Stadien dar; denn bei dem einen
Antibrachium ist der Radius, bei dem andern die Ulna fast voll¬
kommen zerstört. Fast ebenso schön wie die Knochenpräparate
zeigen die beifolgenden Röntgenbilder — die ich der Güte des
Herrn Medizinalrat Prof. Dr. Müller, hier, verdanke — den
destruierenden Charakter dieser malignen Geschwülste.
Ein Beitrag znr vergleichenden Anatomie and
Histologie der Speicheldrüsen. Die mandibularen
Speicheldrüsen des Affen.
Vottrag des Herrn Dr. Georg Illing.
In meiner Abhandlung „Vergleichende makroskopische und
mikroskopische Untersuchungen über die submaxillaren Speichel¬
drüsen der Haussäugetiere“, Anat. Hefte, Bd. 26,1904, S. 385—526
hatte ich versucht, in die Verwirrung, die bezüglich der
Benennung und der Begriffsbestimmung und des feineren Baues
der mandibularen bzw. submaxillaren (der Autoren) Speichel¬
drüsen der Säugetiere in der Literatur herrscht, Klarheit zu
bringen. Manche Autoren faßten unter Glandula submaxillaris
alle in der Submaxillargegend gelegene Drüsenpakete zusammen
und deuteten nur an, daß dieselbe je nach der Tierart in ver¬
schiedene Abteilungen zerfällt. Andere schieden scharf
zwischen der mehr oberflächlich gelegenen Glandula submaxillaris
mit dem Ductus submaxillaris s. Whartonianus und einer tiefer
gelegenen Drüsenmasse, die sie aber, gleichgültig wie sich ihr
abführender Apparat verhielt und wie ihre genauere Lage war,
unter den Namen Glandula sublingualis zusammenfaßten. Wieder
andere erhoben hiergegen Widerspruch und zerlegten diese
sublinguale Drüsenmasse in zwei bis drei Drüsen auf Grund von
Lage und Verhalten des ausführenden Apparates und führten
besondere Namen für diese einzelnen Drüsenpakete ein.
In meiner oben erwähnten Abhandlung habe ich nun auf
Grund meiner vergleichenden Untersuchungen nachgewiesen, daß
man bei unseren Haussäugetieren bezüglich der mandibularen
bzw. submaxillaren Speicheldrüsen unterscheiden muß:
1. Eine außerhalb des vom M. mylohyoideus zwischen beiden
Unterkieferhälften gebildeten Muskelgurtes gelegene Drüse, die
Gl. mandibularis bzw. submaxillaris d. A. mit dem an der
Caruncula sublingualis in das Cavum oris (bzw, das Cavum
sublinguale apicale) und zwar in die Pars sublingualis apicalis
mündenden Ductus mandibularis bzw. Ductus submaxillaris d. A.
2. Zwei innerhalb dieses Muskelgurtes bzw. dorsal von
demselben, seitlich unter der Zunge und meist submaxillar ge¬
legene Drüsen, nämlich:
a. Die Gl. sublingualis monostomatica mit einem gemein¬
samen, alle oder fast alle kleinen Ausführungsgänge aufnehmen¬
den, nahe den Schneidezäbnen und dicht neben der Medianebene
dem freien Mundhöhlenboden an der Caruncula sublingualis
mündenden Ausführungsgange, dem Ductus sublingualis major.
b. Die Glandula sublingualis polystomatica mit zahlreichen
kleinen, seitlich, sublingual (in das Cavum paralinguale) gesondert
mündenden Gängen, den Ductus sublinguales minores.
Außerdem hatte ich in dieser Abhandlung darauf auf¬
merksam gemacht, daß die Bezeichnung Glandulae submaxillares
vielfach nicht zutreffend ist. Bei vielen Tieren hat die eigent-
663
liehe Gl. submaxillaris mit der Maxilla gar keine Beziehungen;
sie liegt mehrfach an, bzw. unter dem Hirnschädel, am Atlas
U8w., aber nicht unter der Maxilla. Dagegen liegt sie stets an
der Mandibula, z. B. zwischen ihren Hälften, oder unter ihr
(submandibulär) oder hinter ihr (retromandibulär). Die sublin¬
gualen Drüsen haben topographisch ebenfalls stets Beziehungen
zur Mandibula, also kann man von Glandulae mandibulares
sprechen, die in die eigentliche Glandnala mandibularis (propria)
und die beiden Glandulae sublinguales zerfallen. Da nun für
die Beurteilung der Homologie einer Drüse weniger maßgebend
ist die Lage der Drüse, ihr grober Bau und ihre histologische
Beschaffenheit und die Natur ihres Sekretes, sondern die am
meisten konstante Eigentümlichkeit der Drüsen, die Art und der
Ort der Mündung ihres ausführenden Apparates, so hatte
ich für die beiden Glandulae sublinguales eine Nomen¬
klatur in Vorschlag gebracht, die sich einzig und allein auf
die Art und Weise der Mündung des ausführenden Apparates
bezieht.
Wie meine vergleichenden Untersuchungen ergeben haben
und wie ich bereits früher ausgeführt habe, muß man bei den
in Frage kommenden Drüsen unterscheiden eine Unterzungendrüse,
welche mit einer größeren Anzahl von Ausführungsgängen
seitlich unter der Zunge mündet, bei der also viele Mündungen,
Stomata, vorhanden sind, und eine solche, deren Ausfuhrungs-
gänge alle oder fast alle in einem zusammenlaufen, und der
dann in der Regel nur mit einer Öffnung, einem Stoma nahe
den Schneidezähnen, fast median unter der Zunge ausmündet.
Sonach kann man von einer polystomatischen, vielfach,
vielmündigen, multicanalären und einer monostomatischen
(einfach-, einmündigen, unicanalären) Sublingualdrüse sprechen.
Ich hatte daher den Vorschlag gemacht, in Zukunft zu
unterscheiden eine Glandula sublingualis polystomatlca und eine
Glandula sublingualis monostomatica.
In bezug auf das Vorkommen der drei von mir untersuchten
Speicheldrüsen bei unseren Haussäugetieren ist folgendes zu sagen:
„Alle untersuchten Haussäugetiere, also Hund, Katze, Pferd,
Esel, Rind, Schaf, Ziege, Schwein und Kaninchen besitzen die
Glandula mandibularis bzw. submaxillaris d. A. und die Glan¬
dula sublingualis polystomatlca, während die Glandula sublingu¬
alis monostomatica nur bei Hund, Katze, Rind, Schaf, Ziege und
Schwein vorkommt, dagegen bei Pferd, Esel und Kaninchen fehlt,
und zwar gehören bei allen Haustieren, mit Ausnahme des Ka¬
ninchens, dessen Gl. mandibularis eine seröse Drüse ist, die Gl.
mandibularis und die Gl. sublingualis monostomatica den ge¬
mischten Schleimspeicheldrüsen an. Die Gl. sublingualis poly-
stomatica ist eine reine Schleimdrüse bei Hund, Rind, Schaf,
Ziege und Kaninchen, dagegen eine gemischte Drüse bei Pferd,
Esel, Katze und Schwein. Bei den beiden letztgenannten Tier¬
arten herrscht aber der muköse Charakter vor, daß man die
Drüse bei oberflächlicher Betrachtung für eine reine Schleim¬
drüse halten muß.
Die mandibularen Drüsen des Menschen oder die der anthro-
pomorphen Affen habe ich keiner Untersuchung unterziehen können,
trotzdem es von größtem Interesse gewesen wäre, festzustellen,
wie sich der Mensch in dieser Richtung im Vergleiche zu den
untersuchten Tieren verhält.
Vergleicht man in den verschiedenen. Lehr- und Hand¬
büchern der Anatomie und der Histologie des Menschen die
Angaben über den sublingual gelegenen Drüsenkomplex beim
Menschen, so findet man, daß die einzelnen Autoren diese Ver¬
hältnisse sehr verschieden beschreiben, und daß sich in den
Angaben direkte Gegensätze finden. Welch große Kontroversen
in dieser Richtung bestehen, geht aus einem jüngst erschienenen
Artikel des italienischen Anatomen Pardi*) hervor, der, veran¬
laßt durch die Resultate meiner Untersuchungen bei den Haus¬
säugetieren, diese Verhältnisse beim Menschen an 44 Individuen
nachprüfte und dabei die vorhandenen Literaturangaben kritisch
beleuchtete.
Bei seinen makroskopischen Untersuchungen konnte Pardi
die Gegenwart einer Gl. sublingualis accessoria feststellen, die
vollständig unabhängig von der Gl. sublingualis sensu stricto ist.
Diese Drüse besitzt einen eigenen Ausführungsgang, den Ductus
sublingualis major 8. Bartholini. Dieser ist dicker und ver¬
läuft in verschiedener Entfernung vom Ductus submaxillaris
(mandibularis), um dann entweder mit diesem zusammen oder
für sich ca. 2—3 mm von der Mündung des Ductus mandibula¬
ris entfernt an der Caruncula sublingualis sein Sekret in das
Cavum oris zu ergießen.
Diese Gl. sublingualis accessoria des Menschen ist, wie er
sagt, homolog der von Illing bei Hund, Katze, Rind, Schaf,
Ziege und Schwein beschriebenen Gl. sublingualis monostomatica.
Der Mensch besitzt also nach den Untersuchungen von
Pardi auch zwei sublinguale Drüsen wie viele Säugetiere, von
denen die eine (die von mir als Gl. sublingualis monostomatica
bezeichnete) nicht selten fehlt. Es sind: 1. eine Gl. sublingualis
sensu stricto, die unter der Plica sublingualis gelegen ist und
mit zahlreichen kleineren Gängen (Drrctus sublinguales minores
8. Rivini) an der Oberfläche dieser Falte in die Mundhöhle
mündet und die Pardi, nach der von mir bei den Haussäuge¬
tieren eingeftthrten Benennung als Gl. sublingualis polystomatica
bezeichnet; 2. einen Drüsenkomplex, der einen großen Aus-
führungsgang, den Ductus sublingualis major besitzt, der
entweder neben dem Ductus mandibularis (Ductus submaxillaris
d. A.) oder mit dem Ductus mandibularis zusammen an der
Caruncula sublingualis mündet. Diese letztere Drüse bezeichnet
Pardi in seiner Beschreibung, da sie nicht in allen Fällen
unabhängig von der vorher beschriebenen Sublingualis poly¬
stomatica vorkommt und da sie verschiedene Variationen bei
den einzelnen Individuen aufweist, anfangs als Glandula
sublingualis accessoria; doch schlägt er dann vor, diese Drüse,
da sie homolog, ist der von mir bei den Haussäugetieren
beschriebenen Gl. sublingualis monostomatica, auch beim
Menschen als Gl. sublingualis monostomatica zu bezeichnen.
Dies waren die Par di sehen Resultate der grob-anatomischen
Untersuchungen beim Menschen; aber auch meine mikro¬
skopischen Befunde haben den Anstoß zu histologischen Unter¬
suchungen der Unterzungendrüse des Menschen gegeben.
Vor nunmehr 2 Jahren hielt in der Würzburger physikalisch¬
medizinischen Gesellschaft der bekannte Würzburger Anatom
und Histologe St Öhr**) einen Vortrag über die menschliche
Unterzungendrtise. In diesem Vortrage bespricht Stöhr die
grob-anatomischen Verhältnisse und den histologischen Bau
dieser Drüse beim Menschen und spricht sich darhin aus, daß
*) Pardi, F., II ductus sublingualis major s. Bartholini e
la glandula sublingualis monostomatica s. Bartholini dall'
nomo. Archivio di Anatomica et di Embriologia. Vol. V. Fage.
2. Firenze 1906.
**) Stöhr, Ph., Über die menschliche Unterzungendrüse.
Sitzung8ber. d. Physik.-nied. Ges. zu Würzburg. 1905.
**
<>64
die menschliche Unterzungendrüse ein Komplex von Drüsen ist,
der unter der von der Unterkiefer-Innenfläche auf die Zunge
überspringenden Schleimhautfalte, der Plica sublingualis gelegen
ist. Dieser Komplex besteht aus zwei grob'anatomisch und
genetisch von einander trennbaren Abschnitten, einem konstanten
und einem zwar meist, aber doch nicht immer vorhandenen,
inkonstanten Teil. Ersterer besteht aus einer wechselnden Anzahl
von (5—20) Einzeldrüsen, deren Ausführungsgänge, Ductus
sublinguales minores (Rivini) auf der ganzen Länge der Plica
sublingualis frei münden; jedes dieser Drüschen, die man wohl
auch Gl. sublingualis minores nennen könnte, entsteht selbst¬
ständig aus je einem röhrenförmig sich in die Tiefe der Schleim¬
haut senkenden und dort Sprossen treibenden Epithelzapfen.
„Dieser Teil der Unterzungendrüse scheint auch bei den Tieren
regelmäßig vorhanden zu sein; er ist neuerdings von Illing
„Gl. sublingualis polystomatica“ genannt worden, ein Name, der
mir insofern nicht das rechte zu treffen scheint, weil damit
der Glaube erweckt werde, es handle sich um einen Drtisen-
körper mit vielen Ausführungsgängen, während in Wirklichkeit
viele Drüsenkörper, jeder mit einem eigenen Ausführungsgang,
vorliegen.
Diesen Darlegungen St Öhrs vermag ich nicht ganz zu¬
zustimmen. Sicherlich hat St Öhr recht, daß es sich beim
Menschen um einen Komplex von Einzeldrüsen handelt, die jede
für sich nach außen münden. Dieses trifft aber nicht für alle
Tiere zu. Bei ihnen vereinigen sich oft mehrere Einzeldrtisen
und bilden einen kleinen gemeinsamen Gang. Es sind also
Drüsenpakete, die je nach der Tierart größer oder kleiner sind;
man kann derartige Paketchen auch schon als zusammengesetzte
Drüsen mit verästeltem Ausfübrungsgange bezeichnen. Ver¬
ästelte Einzeldrüsen würden es nur sein, wenn nur die Endstücke
sich verästelten und nicht der Ausführungsgang. Die Drüsen¬
pakete liegen bei den meisten Tierarten dicht zusammen und
bilden eine geschlossene, von einer Kapsel umgebene Drüsen¬
masse. Diese Verhältnisse finden wir neben anderen Tierarten
vor allen Dingen bei Pferd und Esel und beim Schwein. Hier
ist also der Name Glandula zutreffender als Glandulae. Warum
soll man übrigens nicht einen Drüsenkomplex anatomisch als
eine Drüse auffassen, trotzdem er ans vielen Einzeldrüsen
besteht, die jede für sich ausmünden? Mir scheint es aus
Gründender vergleichenden Anatomie und aus historischen
Gründen besser zu sein, den Namen Glandula sublingualis auf
die fragliche Drüsenmasse anzuwenden. Für die Tiere ist der
Name allgemein gebräuchlich und, wie angegeben, für viele
Tierarten zweifellos auch ganz zutreffend. Daß die Gesamtheit
der Glandulae sublinguales minores des Menschen der Glandula
sublingualis polystomatica der Tiere homolog und analog ist,
bedarf wohl keines Wortes. Also ist die vergleichend anatomische
Benennung „Glandula“ auch gerechtfertigt. Gern gestehe ich
aber zu, daß Stöhrs Vorschlag vieles für sich hat und die
Tatsachen, wie sie beim Menschen vorliegen, richtig bezeichnet,
daß mithin in der Anthropotomie der Name Glandulae minores
aber nicht in der vergleichenden Anatomie gebraucht werden kann.
Der inkonstante Teil der Unterzungendrüse (der bei manchen
Tieren immer fehlt), ist nach St Öhr ein größerer, gewöhnlich
am hinteren, unteren Abschnitte des ganzen Komplexes gelegener
Körper, der mit einem Ausführungsgange, dem Ductus sublingualis
major (Bartholini) entweder in den Ductus submaxillaris
(mandibularis) oder dicht neben ihm auf der Caruncula sublingualis
mündet. Diese „Glandula sublingualis major“, wie sie Stöhr
nennt, entsteht aus einer Epitheleinsenkung, die sowohl die
erste Anlage des Ductus submaxillaris (mandibularis), wie die¬
jenige des Ductus sublingualis major liefert.
Der Name „Glandula sublingualis major“ von Stöhr sagt
mir recht wenig zu; diese Drüse ist doch vielfach (bei den
Tieren und wohl auch beim Menschen?) kleiner als der andere
Komplex, wenn auch größer als jede der diesen zusammen¬
setzenden Einzeldrüsen. Ich glaube daher, daß meine Be¬
zeichnungen „Glandula sublingualis polysXomatica und
Glandula sublingualis monostomatica“ zutreffender sind.
Die beiden, grob-anatomisch und genetisch, sowie in der
Konstanz ihres Auftretens verschiedenen Abschnitte der mensch¬
lichen Sublingualis sollen nach Ansicht verschiedener Autoren
histologisch gleich sein. Indem dies Stöhr darlegt, zitiert er
den Ausspruch von Ebnere: „Ein differenter Bau, je nachdem
ein Bartholinischer oder nur Rivini sehe Gänge vorhanden
sind, ist jedenfalls nicht nachgewiesen und kaum wahrscheinlich“.
Die meisten Autoren bezeichnen die Sublingualis als ge¬
mischte Drüse, d. h. ihre Drüsenzellen sollen zum Teil helle,
schleimproduzierende Elemente, zum anderen Teil dunklere,
seröse Flüssigkeit liefernde Zellen sein, die in Gruppen, sogen.
Halbmonden, beieinander liegen. Beide Elemente sollen in so
ziemlich gleichen Mengen vorhanden sein. Nur Merkel sagt,
daß die Sublingualis eine reine Schleimdrüse ist.
Die Ergebnisse der von mir bei Tieren angestellten histo¬
logischen Untersuchungen der Sublingualdrüsen haben Stöhr
veranlaßt, beim Menschen nachzuprüfen, ob auch hier die von
mir festgestellten Verschiedenheiten im Bau beider Drüsen
bestehen.
In dieser Beziehung sagt Stöhr wörtlich: „Mein erstes
Objekt, die Sublingualis eines 12 jährigen Knaben, ergab deutliche
Verschiedenheiten. Die Glandulae sublinguales minores waren
teils reine, teils vorherrschend muköse Drüsen, während die
Glandula sublingualis major mir das altbekannte Bild der ge¬
mischten Drüse zeigte. Jetzt erklärt sich auch der scheinbare
Widerspruch Merkels, der offenbar zu seinen mikroskopischen
Untersuchungen ein Stück einer Gl. sublingualis minor, einer
reinen Schleimdrüse gewählt hat (vielleicht fehlte auch die
Sublingualis major). Ob alle Gl. sublinguales minores reine oder
vorwiegend muköse Drüsen sind, kann ich für jetzt nicht be¬
stimmt angeben, Serien von menschlichen Föten gaben mir keine
klare Resultate, weil noch nicht alle Drtisenzellen so weit aus¬
gebildet waren, daß man mit Sicherheit den Entscheid „Gruppe
junger, noch indifferenter Drüsenzellen oder Halbmond“ hätte
treffen können. Immerhin war aber an mehreren Gl. sublinguales
minores das bedeutende Überwiegen muköser Elemente mit
Sicherheit festzustellen. Zu Serien von älteren menschlichen
Sublingualdrüsen fehlt mir augenblicklich das Material. Doch
mag das definitive Resultat ausfallen wie es will, soviel ist sicher, dafi
die bisherige Schilderung des feieren Baues der menschlichen Unter¬
zungendrüse nicht das rechte traf, daß eine für beide Abschnitte, für
Sublingualis major und minor, gültige histologische Beschreibung un¬
möglich ist, daB vielmehr jeder der beiden Abschnitte eine gesonderte
Betrachtung fordert.“
Die beiden vorstehend genau besprochenen Veröffentlichungen
(von Par di und Stöhr) waren die Veranlassung, daß ich meine
vergleichenden Untersuchungen über die mandibularen Speichel¬
drüsen fortsetzte. Gern hätte er die Drüsen des Menschen
665
mit in den Bereich meiner Untersuchungen gezogen. Da mir
aber geeignetes Material vom Menschen nicht zur Verfügung
stand, so habe ich zunächst Untersuchungen an den Speicheldrüsen
von Affen vorgenommen und beabsichtigt noch andere Tierarten
zu untersuchen. Vorläufig teile ich aber die Ergebnisse meiner
an Affen angestellten Untersuchungen mit.
Ich habe 5 Affen untersucht und zwar 2 Exemplare von
Macacus cynomolgus und 3 von Macacus rhesus. Die Speichel¬
drüsen wurden in der schon früher beschriebenen Weise prä¬
pariert und für die histologische Untersuchung im lebenswarmen
Zustande dem soeben getöteten Tiere entnommen, in Sublimat
oder Carnoysgemisch fixiert und in der üblichen Weise weiter¬
behandelt.
Bei diesen 5 Macacen konnte ich folgende Verhältnisse
feststellen:
I. Die Affen (Macacus cynomolgus und Macacus rhesus)
besitzen 3 grob-anatomisch und genetisch scharf zu unterschei¬
dende mandibulare Speicheldrüsen, nämlich:
1. 2 innerhalb des vom Mylohyoideusgurtes unter der Plica
sublingualis gelegenen Drüsen: j
a) Die Gl. sublingualis polystomatica, die mit vielen
und kleinen Gängen, den Ductus sublinguales minores
seitlich unter der Zunge längs der Plica sublingualis in
das Cavum sublinguale laterale mündet;
b) die Gl. sublingualis monostomatica, die mit einem
großen Gange, dem Ductus sublingualis major an der
Caruncula salivalis sublingualis mit dem Ductus mandi-
bularis zusammen aber getrennt von ihm in das Cavum
sublinguale apicale mündet.
2. eine außerhalb des Mylohyoideusgurtes an der Mandibula
gelegene Drüse, die Gl. mandibularis, die mit einem großen
Gange, dem Ductus mandibularis an der Caruncula salivalis
sublingualis in das Cavum sublinguale apicale mündet.
II. Die Gl. sublingualis polystomatica des Affen ist
eine tubulöse reine Schleimdrüse, während die Gl. sublingualis
monostomatica und die Gl. mandibularis den typischen
Charakter einer alveolo-tubulösen gemischten Drüse zeigen.
Im Anschluß an diese Ausführungen demonstrierte der Vor¬
tragende die makroskopischen und mikroskpischen Verhältnisse
der mandibularen Speicheldrüsen an projizierten Diapositiven
und mikroskopischen Präparaten.
In der darauffolgenden Diskussion vertritt Herr Medizinal¬
rat Baum den Standpunkt, daß für die Bezeichnung der in
Frage kommenden Speicheldrüsen nicht die Zahl der Ausführungs¬
gänge, sondern deren Größe das Entscheidende sei; infolgedessen
seien die von Ellenberger und ihm in der 11. Auflage ihrer
Anatomie eingeführten Namen „Gl. sublingualis parvicanalaris“
und „Gl. sublingualis grandicanalaris“ viel zutreffender als die
vom Vortragenden vorgeschlagenen Bezeichnungen „Gl. sub¬
lingualis polystomatica“ und „Gl. sublingualis monostomatica“.
Nach seiner Meinung ist jedes zu einem kleinen Ausführungs¬
gang gehörige Drüsenläppchen bzw. Drüsenteil eine Gl. sub¬
lingualis parvicanalariB, während alle Drüsenteile, deren Aus¬
führungsgänge sich zum Ductus sublingualis vereinigen, zur Gl.
sublingualis grandicanalaris gehören; die letztere tritt immer
nur in der Einzahl, die Gl. sublinguales parvicanalares hingegen
in der Mehrzahl auf und können in ganz verschiedener Form
zu einer scheinbar einheitlichen Drüse zusammengelagert sein
(z. B. bei der Gl. sublingualis des Pferdes); es können aber
auch einzelne Gl. sublinguales parvicanalares von dem Gesamt¬
komplex abgetrennt sein; Baum ist sogar der Meinung, daß die
individuell ganz verschiedenen sog. Zungenranddrüsen nichts
weiter als Gl. sublinguales parvicanalares seien. Nach der
skizzierten Auffassung würden z. B. von den oralen der beiden
Sublingualisdrüsen des Hundes, die bekanntlich mit einzelnen
Ausführungsgängen direkt in die Mundhöhle, mit anderen aber
in den Ductus sublingualis major mündet, die zu letzteren
gehörenden Drüsenteile der Gl. sublingualis grandicanalaris zu¬
zurechnen, die anderen aber als angelagerte Gl. sublinguales
parvicanalares aufzufassen sein. Weiter führt Herr Baum aus,
daß auch die von Stöhr gebrauchten Bezeichnungen „Gl. sub¬
linguales minores“ und „Gl. sublinguales major“ so lange nicht
für alle Tierarten durchführbar seien, als nicht eingehende,
embryologische Untersuchungen vorliegen, die beweisen, daß
alle kleinen Drüsenläppcnen (Gl. sublinguales minores) ihre
relativ kurzen Ausführungsgänge direkt in die Mundhöhle und
nicht zum Ductus sublingualis major schicken.
Herr Geheimrat Ellenberger führt daraufhin in längerer
Auseinandersetzung zunächst aus, daß die Bezeichnungen parvi-
und grandicanalaris keinen Vorzug vor deif Bezeichnungen mono-
und polystomatica haben, sondern daß die Anwendung der Be¬
zeichnung parvicanalaris auf jede Einzeldrüse ganz zwecklos
sein würde, da Einzeldrüsen stets nur kleine Ausführungsgänge
besitzen. Weiterhin würde es aber auch zu Verwirrungen
führen, wenn man von Gl. sublinguales parvicanalares sprechen,
und damit eine Drüse bezeichnen wollte, die bisher stets als
Glandula, d. h. als ein Gesamtorgan und zwar mit Recht auf¬
gefaßt wurde. Dies sei deshalb auch in dem von ihm und Baum
herausgegebenen Handbuche der Anatomie der Haustiere ver¬
mieden und der Name Glandula sublingualis (anstatt Glandulae)
auch für die Glandula sublingualis polystomatica beibehalten
worden. Die gegen die Anwendung der Adjektive mono- und
polystomatica von Baum gemachten Ein wände träfen auch für
die Adjektive parvi- und grandicanalares zu. Ebenso sprächen
die gegen die Stöhr sehe Benennnung Glandulae sublinguales
minores gemachten Einwendungen in gleicher Weise gegen die
Benennung Glandulae parvicanalares. Die Zungenranddrüsen
gehören nach Ellenbergers Ansicht nicht zu den Sublingual¬
drüsen; dagegen spricht schon, daß sie auf der Zungenseitenfläche
der Einhufer usw. direkt an das Drüsenlager der Arcus
glosBopalatini und der Plica pterygomandibularis anschließen.
Herr Prof. Joest ist der Meinung, daß es aus praktischen
Gründen in der pathologischen Anatomie, vor allen Dingen aber
aus pädagogischen Gründen besser sei, den betreffenden Drüsen¬
komplex nicht nach der von Stöhr und in der Diskussion auch
von Baum vorgeschlagenen Nomenclatur als „Glandulae“, sondern
wie bisher als „Glandula“ zu bezeichnen. Er stimme in dieser
Hinsicht den Darlegungen Ellenbergers zu.
Im Schlußwort schließt sich der Vortragende den Aus¬
führungen Ellenbergers im wesentlichen an. Da aber beide
Benennungen, sowohl parvi- und grandicanalaris, als auch die
die von ihm vorgeschlagenen mono- und polystomatica ihre Be¬
rechtigung hätten, so sei nur noch zu erwägen, welche Namen
sprachlich schöner, vor allen Dingen aber sprachlich richtiger
seien und infolgedessen mehr Anspruch auf Aufnahme in die
anatomische Nomenklatur machen könnten.
XXI. Vortragsabend
am 3. Mai 1907.
Die mechanisch wirkenden Papillen der Zunge der
Haussäugetiere.
Vortrag des Herrn Dr. med. vet. Immisch, ersten Assistenten des
Physiologischen und Histologischen Institutes.
Im Anschluß an seine Untersuchungen über die mechanisch
wirkenden Papillen der Mundhöhle der Haussäugetiere*), die
Immisch im Wintersemester 1906—07 zum Abschluß gebracht
hat und auf Grund deren er in Gießen zum Dr. med. vet.
promoviert wurde, sprach er speziell über den mikroskopischen
Aufbau der Zungenpapillen.
Vordem widmete er der Nomenklatur der Zunge und der
Mundhöhle einige Worte, von denen hier nur die auf die
mechanisch wirkenden Papillen bezüglichen kurz referiert seien.
Immisch führte aus, daß in allen bisherigen Abhandlungen,
die sich mit den mechanisch wirksamen Papillen befassen, diese
kurzweg als Papillae filiformes bezeichnet werden, abgesehen
von einigen Autoren, die außer von fadenförmigen Papillen
auch von Papillae conicae sprechen. In Anbetracht der Mannig¬
faltigkeit der Formen, welche die mechanisch wirksamen
Papillen bei manchen Tieren, z. B. beim Rind aufweisen, ist
bei einer Zusammenfassung der mechanisch wirkenden Papillen
unter dem Namen Papillae filiformes diese Bezeichnung ganz
unzureichend und für eine große Zahl der Papillen völlig un¬
zutreffend. Außerdem kann bei einer Einteilung in Papillae
filiformes und conicae die Entscheidung, ob eine Papille dem
oder jenem Typus zuzuzählen sei, recht schwierig sein. Ab¬
gesehen davon liegt offenbar ein logischer Fehler vor, wenn
die Autoren die Papillae fungiformes, vallatae und foliatae als
Papillae gustatoriae, Geschmackspapillen, bezeichnen, alle
übrigen aber unter dem Namen Papillae filiformes, fadenförmige
Papillen, zusammenfassen und diese beiden Gruppen als gleich¬
wertig gegenüberstellen, denn von diesen zwei Kollektivnamen
bezeichnet der eine die Funktion, der andere die Form der
fraglichen Gebilde. Um einerseits der berechtigten Forderung
Rechnung zu tragen, alte, einmal gebräuchliche Namen nach
Möglichkeit beizubehalten, andererseits um unnötige Um¬
ständlichkeiten zu vermeiden, die sich mit der Änderung der
Kollektivnamen beider Papillengruppen in auf ihre morphologischen
Eigenschaften bezüglichen Benennungen zweifelsohne ergeben
würden, hält Immich die Beibehaltung des Namens Papillae
gustatoriae und die Abänderung des Namens Papillae filiformes
in einen der Funktion dieser Papillen entsprechenden Namen
für erforderlich. Die Bezeichnung Papillae mechanicae, die
wohl beim ersten Augenblick geeignet zu sein scheint, weist
Im misch von der Hand, weil das Wort r mechanicus u das
Wesen, die Eigenschaft, aber keineswegs eine Tätigkeit zum
Ausdruck bringt. Aus diesem Grunde glaubt der Vortragende,
zu dem Vorschläge berechtigt zu sein, die nicht zum Schmecken
dienenden Papillen in Anbetracht ihrer physiologischen Aufgabe,
bei der Nahrungsaufnahme, dem Kauakt, der Einspeichelung
und dem Mundschlingakte die Tätigkeit der Lippen, der Zähne
*) Eingehend ausgeftihrt finden sich die Untersuchungen
lmmi8cbs, die sich sowohl auf die makroskopischen als auch auf
die mikroskopischen Verhältnisse der mechanisch wirkenden Papillen
der ganzen Mundhöhle der Haussäugetiere erstrecken, in den
Anatomischen Heften, I. Abteilung, 107. Hefe (35. Band, H. 3)
niedergelegt.
und der Zunge zu unterstützen, diesen Organen zu helfen, ihnen
gleichsam Handlangerdienste zu leisten, als Papillae
operariae (operarius, a, um zum körperlichen Dienst gehörig,
zur Arbeit gehörig, Handlangerdienste verrichtend) zu be¬
zeichnen und wendet im folgenden nur diesen Namen an.
Hierauf wendet sich Immisch dem mikroskopischen
Aufbau der mechanisch wirkenden Papillen der Zunge zu, wobei
er insbesondere die eigenartigen Untersuchungsbefunde bezüglich
der Morphologie des wesentlich aus Bindegewebe bestehenden,
Gefäße und Nerven enthaltenden Grundstockes bespricht.
Der Grundstock erreicht entweder die Oberfläche des Zungen¬
epithels oder er überragt dasselbe.
Alle von Immisch untersuchten Haussäugetiere — seine
Untersuchungen erstrecken sich auf Pferd, Esel, Rind, Schaf,
Ziege, Schwein, Hund und Katze — mit Ausnahme von Hnnd
und Katze besitzen entweder ausschließlich oder neben Papillen
mit epithelüberragendem Grundstock solche, deren Grundstock
das Epithel nicht überragt; bei Hund und Katze überragt der
Grundstock aller Papillae operariae das interpapilläre Epithel.
Bei Pferd und Esel sind die Papillen, deren Grundstock
nicht das Epithel überragt, die allein auftretende Form; bei
allen übrigen Haussäugetieren, die derartige Papillen aufweisen,
kommen sie mit Papillen vor, deren Grundstock das Epithel der
Zungenschleimhaut überragt.
Die Papillen, deren Grundstock nicht über das Epithel
ragt, treten gesondert von den andern auf. Sie kommen nur
auf der Zunge vor. Ihr Ausbreitungsgebiet umfaßt bei Pferd
und Esel alle bei diesen Tieren bereits erwähnten papillen-
besetzten Regionen, bei Rind, Schaf und Ziege das ganze
Papillenausbreitungsgebiet bis zum oralen Beginn des Zungen¬
rückenwulstes und beim Schwein das bis zu den Papillae vallatae
reichende Ausbreitungsgebiet der Papillen.
Die Papillae operariae, die einen das Zungenepithel nicht
überragenden Grundstock besitzen, zeigen bei jeder Tierart,
so weit sie derartige Papillen aufweist, eine besondere mikro¬
skopische Form des Grundstockes und differential-diagnostische
Eigenheiten des den Grundstock tiberschichtenden Epithels.
Bei Pferd und Esel zeigen die Papillen einen gleichen
histologischen Aufbau. Bei beiden Tierarten besteht die Grund¬
lage aus einer hohen schmalen, die eine einfache vergrößerte
mikroskopische Primarpapille darstellt.
Die Papillen ohne epithelüberragenden Grundstock zeigen
bei den Wiederkäuern einen flachen, niedrigen Grundstock; beim
Rind besitzt er die Form eines gleichseitigen Dreieckes, bei den
kleinen Wiederkäuern ist er queroval geformt. Auf den oralen
und seitlichen Partien erheben sich zahlreiche kleine Primär¬
papillen, während die zentralen Partien papillenfrei sind. Die
aborale Hälfte des Grundstockes weist beim Rinde einen von
Primärpapillen besetzten Querkamm, bei Schaf und Ziege einen
Papillenhügel auf, der ebenfalls mit Primärpapillen versehen ist;
letztere zeigen aber bei der Ziege eine lange schmale, radiär
angeordnete Basis.
Beim Schwein ist die Grundlage dieser Papillen wie bei
Pferd und Esel eine einfache Primärpapille, die sich aber zum
Teil durch eine größere Breite anszeichnet.
Die Zungen von Hund und Katze zeigen nur Papillen, deren
Grundstock sich deutlich über die Oberfläche des Zungenepithels
hervorhebt. Der Grundstock der Papillen, die sich von der
Zungenspitze bis zu den umwallten Papillen ausbreiten, ist ver-
667
schieden von den pharyngeal von den Papillae vallatae gelegenen.
Bei ersteren erheben sich die feinen Primärpapillen nur auf der
freien Endfläche, bei letzteren auf der ganzen Oberfläche. Im
Prinzip sind die Papillen, die sich auf den oral der umwallten
Papillen gelegenen Teilen der Zungenrtickenfläche erheben, bei
Hund und Katze gleich gebaut, nur zeigt bei der Katze sich die
auf der pharyngealen Seite des Grundstockes sich erhebende
Primärpapille auf den Grundstöcken der iu den orozentral ge¬
legenen Regionen der Zungenspitze sich erhebenden Papillae
operariae einen weit erheblicheren Größenunterschied von den oro-
lateralen Primärpapillen als die entsprechende Primärpapille
des Hundes.
Die übrigen mechanisch wirkenden Papillen mit epithelüber¬
ragendem Grundstock zeigen einen wenig charakteristischen Bau.
Der Grundstock stellt eine Schleimhautausstülpung dar, auf
dessen Oberfläche zahlreiche Primärpapillen stehen. Bei Schwein,
Hund und Katze zeigen diese Papillen vorwiegend konische
Form, während bei den Wiederkäuern die Form zwischen konischer
und beetartiger variiert; beim Rind wiegt die konische, bei der
Ziege die beetartige Form vor, während das Schaf in der Mitte
steht.
Hierauf widmete Immisch dem Epithelmantel der Papillae
operariae noch einige Worte. Auf Grund seiner mikroskopischen
Untersuchungen kam er zu der Überzeugung, daß das Epithel
der mit epithelüberragendem Grundstock ausgerüsteten Papillae
operariae sich von dem interpapillären Epithel abhebt. Die
Längsachse der Zellen des Papillenepithels und der des inter¬
papillären Epithels bilden einen mehr oder weniger deutlichen
rechten Winkel.
Das Epithel der Papillen mit epithelüberragendem Grundstock
geht in das interpapilläre Epithel ohne scharfe Grenze über.
An diesem Epithel lassen sich viel leichter die dem übrigen
Epithel eigenen Schichtungen nachweisen, besonders gilt dies von
den beetartigen Papillen, bei denen der Unterschied zwischen
dem eigentlichen Mnndhöhlenepithel und dem Papillenepithel
bisweilen ganz verschwindet.
Das Epithel der Papillen ohne epithelüberragendem Grund¬
stock zeichnet sich vor dem Epithel der übrigen Papillen mit
Ausnahme derer von Hund und Katze* die sich von der Zungen¬
spitze bis zu den umwallten Papillen ausbreiten, durch die er¬
höhte Tendenz zu verhornen aus, so daß sich ein, wie dies bei
den betreffenden Papillae operariae von Pferd, Esel Rind und
Schwein der Fall ist, oder mehrere, was bei Schaf und Ziege
zutrifft, solide, hornige Papillen über einem Grundstock erheben.
Bei den Papillen von Hund und Katze, die sich oral der
umwallten Papillen erheben, bildet das Epithel ebenfalls freie
Hornspitzen, von denen die aborale große Papille sich vor den
übrigen oralen und seitlichen an Stärke anszeichnet, und zwar
die der Katze, der sogenannte „Epithelzahn“, erheblich mehr als
die entsprechende des Hundes.
Alsdann besprach Immisch noch kurz die an den Papillae
operariae mit epithelüberragendem Grundstock vorkommenden
Strata resp. das Fehlen gewisser am eigentlichen Mnndhöhlen¬
epithel zu beobachtender Schichten.
Zum Schluß sprach sich Im misch dahingehend aus, daß
die Zungen jeder Tierart, ausgenommen Pferd und Esel,
die gemeinsam zu betrachten seien, außer denjenigen Papillen,
deren Grundstock eine einfache Schleimhautausstülpung dicht auf
ihrer ganzen Oberfläche mit Papillen besetzt darstellt, die
übrigen Papillen, die vorzugsweise die oralen Partien der
Zunge einnehmen, die bei Pferd und Esel die allein vorkommenden
Papillae operariae sind, bei den Wiederkäuern auf der Zungen¬
spitze und dem Zungenkörper bis zur oralen Grenze des Zungen¬
wulstes, beim Schwein sowie beim Hund und Katze bis ungefähr
zu den umwallten Papillen Vorkommen, als ihnen eigenes
Charakteristikum aufweisen, und daß die Mikroskopie in
Erkenntnis der Bauart des Grundstockes der Papillae operariae
Diagnosen bezüglich der Tierart stellen kann, was forensisch
bei Wurstverfälschungen durch Hinzufügen von Zungen anderer
Tiere, wie von Pferden, Eseln, Hunden oder Katzen, von
praktischem Wert sein kann.
Demonstrationen auf dem Gebiete
des Hufbeschlages.
Von Herrn Oberveterinär Winkler, Amtatierarzt
Das Referat zu diesen Demonstrationen ist nicht eingeliefert.
XXII. Vortragsabend
am 25. Juni 1907.
Die Grasfluren der Erde, Deutschlands Wiesentypen
und die Wertbestimmung des Wiesenheues.
Vortrag des Herrn Dozent Dr. Naumann.
Für den Veterinärmediziner sind diejenigen mit Pflanzen
bestandenen Gelände von Wichtigkeit, welche zur Gewinnung
von Viehfütter dienen, also die Wiesen und die mit Futter¬
pflanzen bestandenen Äcker. Wenn auch in den weiteren Aus¬
führungen das Hauptgewicht auf die deutschen Wiesen¬
formationen gelegt werden soll, so müssen doch auch die übrigen
Grasfluren der Erde eine kurze Betrachtung finden. Begibt
sich doch heute der Tierarzt, dem Rufe des Vaterlandes oder
seinem eignen Wanderdrange folgend, öfter als Bonst in außer¬
europäische, tropische und subtropische Gegenden. Gehören
doch in dem tropischen Ost-Afrika und in dem subtropischen
West-Afrika reiche Grasländereien als Kolonialbesitz unserem
deutschen Vaterlande zu. Im kaltgemäßigten Erdgürtel entwickeln
sich Grasfluren mit geschlossener Grasnarbe, die wir
bei vorherrschendem Süßgrasbestand echte Wiesen, bei vor¬
wiegendem Sauergrasbestand Wiesenmoore nennen. In den
warmgemäßigten Gürteln und in den Tropen finden wir Gras¬
fluren ohne geschlossene Grasnarbe (aus Büschelgräsern
zusammengesetzt). Dies sind entweder baumlose Gelände:
Steppen, oder die mit Bäumen und ansehnlichen
Sträuchern bestandenen Savannen. Die ostafrikanischen
Grasfluren werden alsdann kurz aber anschaulich geschildert,
um danach ausführlich und unter Vorlage neu angelegter
Formationsherbarien auf die Wiesentypen Deutschlands ein¬
zugehen. Für äußerlich auffallende Verschiedenheiten gilt der
lokalgeographische Begriff der Formationen, für die innere
Verschiedenheit zweier Wiesen der gleichen Formation ist der
Ausdruck „Fazies u gebräuchlich.
Außerhalb der Wiesen findet sich eine besondere Gras¬
bedeckung auch in drei anderen Fonnationen: Trift, Sandflur
und Moor.
Als echte Wiesenformationen sind anzusehen: die boden¬
feuchten Niederungswiesen und die klimafeuchten
Gebirgswiesen. In unserem, durch Kultur veränderten Gelände
668
ist alsdann als ein dritter Haupttypus aufzustellen: Hügel-oder
Übergangswiesen. Infolge anderer Anschlußformationen
erhalten wir charakteristische Nebentypen, welche durch
Trockenheit oder dauernde Feuchtigkeit bestimmt werden,
während die Haupttypen bei mittlerer Feuchtigkeit in
die Erscheinung treten.
Wir erhalten auf diese Weise folgende Wieseneinteilung
unter Beifügung des Futterwertes in den 4 Abstufungen: I vor¬
züglich, II gut, in mäßig, IV wertlos oder schädlich, bei
den einzelnen Typen.
Wiesentypen.
Haupttypen: Nebentypen:
1. Sandflurwiesen IV, III
2. Heidewiesen IV, III
3. langhalmige Tal wiesen I, II
4. Strand- und Marschwiesen III, II
5. Bruch wiesen HI
6. Teichwiesen III, IV
7. Sumpfwiesen II—IV
8. Triftwiesen II, HI
9. Übergangswiesen n
ev. Bruchwiesen (siehe 5)
10. Borstgrasmatten IV, III
11. Knrzrasige Bergwiesen II, I
12. Moorwiesen IV, IH
im Anschluß an die drei Kultur¬
formationen Feld, Obstgelände, Kulturwald: 13. Bracbe-
wiesen II, HI, 14. Baum wiesen n, 15. Waldgrasfluren HI, IV.
Am Aufbau der Haupttypen sind 30 Pflanzenfamilien mit
170 Arten beteiligt, darunter 33 Süßgräser, 17 Korbblütler,
14 Schmetterlingsblütler, 17 Doldenblütler, 12 Sauergräser.
Unter Berücksichtigung der Nebentypen bauen sich die deutschen
Wiesen (exkl. Alpenmatten) auf aus 269 Gattungen mit 611 Arten.
Hierauf werden die Methoden zur Wertbestimmung des
Wiesenheues besprochen. Zuerst wird beleuchtet die Wert-
bestimmung durch die chemische Analyse. Wohl lassen
sich allgemeine Schlüsse auf die Güte des Heues auch durch die
chemische Analyse ziehen; dennoch bleiben bei der Durchschnitts¬
analyse gewisse Stoffgruppen (Alkaloide, Glykoside^Gerbstoffe,
äther. Öle, Bitterstoffe) unberücksichtigt, welche den Geschmack
und die Bekömmlichkeit beeinflussen. Es ist deshalb noch immer
als die beste Methode zur Beurteilung des Futterwertes die
botanische Analyse zu empfehlen.
Hierbei ist Voraussetzung: die gute Kenntnis der ver¬
breitetsten Wiesenpflanzen.
Hierzu sollten praktische Übungen an den tierärztlichen
Hochschulen eingerichtet werden, in denen auch der Futterwert
der betr. Pflanzen mitzuteilen ist.
Von Wichtigkeit ist die Entnahme der zu untersuchenden
Heuproben.
Während bei Heu, welches lediglich ^ur Bestimmung
des Futterwertes eingesandt werden soll, Wert zu legen
ist auf eine möglichst genaue Mittelprobe, ist bei Heuein¬
sendungen zur Erkennung der Krankheitsursache möglichst
sofort nach der Erkrankung des Tieres von demselben Heu,
I. Niederungswiesen I, II
a) trocken j
b) mittelfeucht j
c) immerfeucht
II. Hügelwiesen II
a) trocken
b) mittelfeucht
c) immerfeucht
III. Gebirgswiesen II, I
a) trocken
b) mittelfeucht
c) immerfeucht
Hierzu kommen noch
möglichst von der Entnahmestelle ohne Mittelprobe etwa 1 kg
in Sackverpackung zuzuschicken.
Zur Ausführung der Heuanalyse genügen bei Heu
mit geringem Artenbestand 2X50g, bei reichem upd
wechselnden Artenbestand sind 4X50 g zur Untersuchung
heranzuziehen. Wie an Beispielen gezeigt wurde, brauchen die
ausgesuchten Arten weder gezählt noch gewogen zu werden,
sondern sind im Untersuchungsprotokoll zu gruppieren in
1. wesentliche Arten,
2. Arten von mittlerer Häufigkeit,
3. unwesentliche Arten.
Neben dieser allgemeinen Analyse sind noch spezielle
Analysen notwendig und zwar: Untersuchung der Heu¬
blumen (Kenntnis charakteristischer Samen), Untersuchung
auf Befallungspilze (Rost, Brand, Mehltau usw.), das An¬
fertigen von Grasquerschnitten bei nicht blühenden
Grummetgräsern. (Hier wurden Grasquerschnitte in Licht¬
bildern vorgeftihrt.)
Bei Darstellung der Analysen-Resultate wird daB Lange-
thaUche, von Witt mack erweiterte Punktiersystem erwähnt,
welches doch nicht völlig befriedigen kann. Ein Punktier¬
system ist nicht besser, als eine zweckmäßige Zusammen¬
stellung der Analysenresultate nach folgendem Schema:
I. Wertgebende Faktoren.
1. Erhebliches Vorkommen von Gräsern 1. und 2. Güte,
2. Gehalt an Leguminosen,
3. Artenreichtum (am besten auszudrücken durch die
Verhältniszahl Gräser: Kräuter).
n. Wertmindernde Faktoren.
1. Allgemeine:
Erhebliches Vorkommen von Gräsern 3. Und 4. Güte
(incl. Sauergräser).
2. Besondere:
a) häufiges Auftreten von Giftgewächsen,
b) Epidemisches Auftreten von Befallungspilzen,
c) Verderbnis durch ungünstiges Erntewetter, durch
zu feuchtes Lagern oder durch zu langes Aufbewahren.
d) Staubigkeit bezügl. Verschlämmung,
e) Vorwalten hartstengeliger bzw. stacheliger Kräuter,
f) Verspätetes Ernten,
g) Schädlicher Einfluß künstlicher Düngung oder gift¬
haltiger Rieselwässer.
Diese Ausführungen mögen die Wichtigkeit der auf das
praktische Bedürfnis gerichteten Botanik für den Veterinär¬
mediziner dartun. Sie sollen aber auch den Wunsch berechtigt
erscheinen lassen, daß auch den älteren Veterinärstudierenden
Gelegenheit geboten werden müßte, sich in einem botanisch¬
mikroskopischen und heuanalysischen Praktikum die nötige
Übung in den beschriebenen Untersuchungen zu erwerben.
Das Präputium der Haussäugetiere.
Vortrag des Herrn Assistent Dr. Krage.
Der einfachste Bau des-Präputiums tritt uns beim männ¬
lichen Rind, dem Hund, dem Kater und dem Ziegenbock
entgegen. Bei diesen Tiergattungen besteht die Präputial- oder
Schlauchwand aus 2 Blättern, dem äußeren Integumentblatte
und der diesem innen anliegenden Membrana präputialis. Beide
Blätter gehen an der Geschlechtsöffnung, dem Orificium präputiale,
ineinander über. Die Membrana präputialis setzt sich, dem
669
Integumentblatte inwendig anliegend, in der Richtung des
Hodensackes weiter fort, um sich nicht weit vom letzteren auf den
Penis umzuschlagen, den sie als Membrana penis bis zum Ori¬
ficium urethrae bekleidet. Dadurch entsteht zwischen Schlauch¬
wand und Penismembran der Präputialsack, dessen kaudaler
Abschluß den Fundus- oder Fomix praeputii darstellt, während
die Tunica coninuctiva, welche die Verbindung zwischen Penis
und Schlauchwand bildet, als Membrana fornicis praeputii auf¬
zufassen ist.
Etwas anders gestalten sich die Verhältnisse beim Pferd,
Schafbock und Eber. Beim Pferd bildet die Präputial-
fundusmembran eine nabelwärts gerichtete Ringfalte, wodurch
der Präputialsack in einen penisseitigen und wandseitigen
Spaltraum mit* je einem blinden Fundus geschieden wird. Der
Präputialsack des Schafbockes liegt kranial vom Penis, da
sich die Membrana präputialis unmittelbar auf die Glans penis
umschlägt und nur diese als Membrana glandis überzieht. Ein
Fundus praeputii und eine eigentliche Membrana penis sind nicht
vorhanden. Beim Eber zerfällt das Präputium bekanntlich in
einen afterseitigen, engen und einen nabelseitigen, weiteren Teil;
beide Teile sind durch eine ringförmige Querleiste geschieden.
In dem nabelseitigen Teile führt eine an der dorsalen Wand
befindliche runde Öffnung in einen etwa hühnereigroßen Beutel,
der durch ein von der Bauchwand herabhängendes Septum in
eine rechte und linke Abteilung zerfällt.
Das makroskopische Bild des Präputiums in seinen ein¬
zelnen Teilen zeigt folgendes: Das Integumentblatt gleicht
dem Integumentum commune jeder Tierart und weist nur be¬
züglich seiner Behaarung einige unwesentliche Unterschiede auf.
Am Orificium praeputiale läßt sich der freie Rand, sowie
eine äußere und innere Randfläche unterscheiden, nur beim
Kater ist die letztere nicht vorhanden. Die Präputialöffnun^
selber ist bei Pferd, Rind, Katze, Schaf, Ziege und Schwein
kreisförmig, beim Hund T-förmig. Bei Katze und Schaf ver¬
jüngt sich der Präputialsack vom Orificium aus trichterförmig,
während man beim Ziegenbock ein wenig kaudal vom Ori¬
ficium einwärts einen dünnen Saum findet, der sich durch hellere
Farbe von der Umgebung abhebt. Die innere Randfläche des
Orificiums besitzt bei den einzelnen Tieren eine verschiedene
Länge und ist meist mit langen Haaren besetzt, die beim
Rind, Schafbock und Eber zur Präputialöffnung weit hinans-
ragen. Die Membrana präputialis besitzt bei sämtlichen
Tieren ein hellglänzendes Aussehen und ist außer bei Pferd
und Ziegenbock haarlos. Beim Pferd erstreckt sich die feine
Behaarung bis zum freien Rande der Ringfalte, während beim
Ziegenbock nur etwa die vordere Hälfte der Membrana prä¬
putialis mit Haaren bedeckt ist. Außerdem weist die Membran
bei Hund, Schaf, Ziege und Eber mehr oder weniger große
Lymphknötchen auf, die bei letzterem besonders stark ausgeprägt
sind und den hinteren, skrotalseitigen Abschnitt ein wulstiges
Aussehen verleihen. Die Faltenbildung der Membran ist im all¬
gemeinen eine geringgradige und tritt nur bei Pferd, Ziege
und Rind deutlicher hervor. Das Pferd besitzt außerdem zu
beiden Seiten der Raphe praeputii eine größe Falte, die sich
vom Orificium bis zum Fundus erstreckt, während der Ziegen¬
bock vier große Hauptfalten zeigt, welche rechts, links, dorsal
und ventral liegen. Beim Hund befindet sich noch in der Mitte
der ventralen Fläche, entsprechend der äußeren Raphe, die
dünne Falte einer kleinen, bindegewebigen Membran, welche
septenartig in das Innere hineinragt und regelmäßig gesägt er¬
scheint.
Die Funduspräputialhaut und die Membrana penis
mit Einschluß des Innenblattes der Ringfalte des Pferdes
aller Tiere tragen denselben makroskopischen Charakter. Sie
sind haarlos und besitzen ein helles, glänzendes Aussehen. Beim
Kater findet man an der Penismembran die bekannten Häkchen.
Das mikroskopische Bild entspricht im großen und ganzen
dem makroskopischen. Das Integumentblatt besitzt auch hier
dieselben Eigentümlichkeiten wie die übrige äußere Haut der
betreffenden Tierart. Die Umrandung des Orificium prae¬
putiale hat eine starke Epidermis und einen gut ausgeprägten
Papillarkörper. Die Papillen, welche nur beim männlichen
Rinde das Stratum granulosum erreichen, besitzen mannig¬
faltige Formen. BeiPferd, Eber, Schafbock, Ziegenbock
herrscht die fingerförmige oder zylindrische Form vor, während
bei Hund, Kater und dem männlichen Rind außerdem
solche Vorkommen, welche die Form abgeflachter oder halbkreis¬
förmiger Hügel besitzen. Der Hund zeigt oft verkehrt kegel¬
förmige und der Ziegenbock sichelförmige Papillen. In der
Orificium wand sind drei Drüsenarten vorhanden, nämlich 1. echte
Talgdrüsen, deren Ausführungsgang in einen Haarbalg mündet,
2. die den Talgdrüsen gleich gebauten Smegmadrüsen oder
alveolären Präputialdrüsen, welche frei an der Oberfläche münden,
und 3. tubulöse Präputialdrüsen, welche den Schweißdrüsen
des Integuments sehr ähnlich sind, sich aber von diesen durch
das niedrige Epithel, die fehlende subepitheliale Muskulatur und
die häufige Reaktion auf Schleim unterscheiden. Es sind also
modifizierte Schweißdrüsen, die man als Drüsen eigener Art
auffassen kann. Beim Hund treten außerdem den Smegma¬
drüsen ganz gleich gebaute Drüsenendstücke auf, die eine tubu¬
löse Gestalt haben. Es sind alveolotubulöse Smegmadrüsen,
deren weiter Ausführungsgang sich in zwei bis drei lange, etwas
schmälere Äste teilt, an denen sich kleine, schlauchförmige
DrüsenendBtücke ansetzen, die sich eventuell zu Läppchen Zu¬
sammenlegen. Die echten Talgdrüsen, welche in großer
Zahl vorhanden sind, besitzen eine plattgedrückte oder ovale
Gestalt und sind bei Schaf und Ziege besonders groß. Die
alveolären Präputialdrüsen sind relativ selten vorhanden und
fehlen beim Kater und Eber vollständig. Dagegen fehlen die
tubulösen Präputialdrüsen nur beim Eber; sie sind beim
Pferd und Hund am mächtigsten entwickelt und stark geknäult,
während sie bei allen anderen Tieren einfach geschlängelt ver¬
laufen. Ihr Epithel ist hei Pferd und Hund besonders niedrig.
Das Sekret der Drüsenzellen ist serös und trägt nur bei Ziegen-
bock und Hund sero-muzinösen Charakter.
Die Membrana praeputialis weist je nach der Tierart
einige Verschiedenheiten auf. Ihr Epithel, welches zwar niedrig,
aber in seinen Schichten gut ausgeprägt ist, sendet beim Hund
und Rind eigenartige Fortsätze, Epithelzapfen, in die Membrana
propria. Der Papillarkörper ist auch hier gut ausgebildet und
zeigt die verschiedensten Formen. Die Membrana praeputialis
ist bei den meisten Tieren frei von Drüsen; sie besitzt nur beim
Pferd und Ziegenbock die oben erwähnten drei Drttsenarten, die
in zwei Lagern übereinander liegen. Das obere Lager besteht
aus echten Talgdrüsen und sehr zahlreichen alveolären Smegma¬
drüsen, während das untere von den tubulösen Präputialdrüsen
gebildet wird, welche beim Pferd stark geknäult sind und läng¬
lich ovale Komplexe bilden. Die Membran des Fundus prae-
putii wird bei allen Tieren außer Pferd und Schaf durch
zahlreiche Epitheleinsenkungen charakterisiert, welche bei den
einzelnen Tieren verschiedene Formen annehmen. Beim Hund
sind sie wie in der Membrana praeputialis geformt. Beim
Kater greifen sie wie kleine stumpfe Zacken in das Stratum pro¬
prium ein, während sie beim Ziegenbock teils einfach, finger¬
förmig, teils unten gegabelt sind und mitunter eine gewaltige
Länge erreichen. Beim Eber sind sie schmal und unverzweigt,
beim Rind oval oder gestielt blasig. Der Präputialfundus ist,
abgesehen vom Pferd, stets drüsenlos. Die Membrana penis
stimmt mit der Membran des Fundus praeputii überein, entbehrt
aber der Epitheleinsenkungen. An deren Stelle treten beim
Kater und Ziegenbock epitheliale Hervorragungen auf, die
beim ersteren an der Spitze verhornt, beim letzteren unver-
hornt sind.
Was endlich die Ringfalte des Pferdes anbetrifft, so be¬
sitzt das parietale Blatt derselben eine hohe Epidermis und
einen gnt entwickelten Papillarkörper. An Drüsen findet man
wenige zu Haarbälgen gehörige Talgdrüsen, dagegen sehr zahl¬
reiche Smegma- und ungemein große und zahlreiche tubulöse
Knäueldrtisen. Letztere liegen in mehreren Lagen übereinander.
Der freie, wulstartig verdickte Rand der Ringfalte
zeichnet sich außer durch sein hohes Epithel duTch den außer¬
ordentlichen Reichtum an Drüsen aus. Keine andere Partie des
Präputiums zeigt so mächtige Drüsenlager. Die Drüsen er¬
langen ihre bedeutendste Entwicklung unmittelbar vor dem Über¬
gange in das innere Faltenblatt. Einzelne echte Talgdrüsen
finden sich auch hier noch vor. Die tubulösen Präputialdrüsen
füllen das ganze Stratum proprium unter den alveolären Drüsen
aus und reichen bis in die Subkutis hinein. Das innere, penis¬
seitige Blatt der Ringfalte zeigt hingegen denselben Cha¬
rakter wie die Membrana penis aller anderen Tiere; es ist völlig
haar- und drüsenlos und besitzt einen deutlichen Papillarkörper.
XXIII. Vortragsabend
am 19. Juli 1907.
Zar Kenntnis der Pankreaskonkremente.
Vortrag des Herrn Dr. phil. Bergholz, Assistent der Physiologisch-
Chemischen Abteilung des Physiologischen Instituts.
Der Vortragende wies zunächst auf den 'Umstand hin, daß
sich in der medizinischen Literatur schon frühzeitig Notizen
über Pankreaskonkremente finden. Als erste haben sie wohl
in der Mitte des 17. Jahrhunderts Panarolus und Gajea be¬
obachtet. Trotz dieser frühen Kenntnis des Vorkommens von
Pankreassteinen sind die in der Literatur niedergelegten Be¬
schreibungen sowie die vorgenommenen Analysen recht gering
an Zahl. Was die letzteren anlangt, so hat sich für die
Pankreaskonkremente eine sehr wechselnde Zusammensetzung
ergeben. Zur Gewinnung eines allgemeinen Überblicks hier¬
über führte der Vortragende einige dieser Resultate an. Bei
Tieren sind die durch Erkrankung der Bauchspeicheldrüse hervor¬
gerufenen Konkremente ebenfalls nur selten und zwar vorzugs¬
weise bei dem Rind beobachtet worden. Von den in der
veterinär-medizinischen Literatur befindlichen Fällen tut Berg¬
holz in einem eingehend beschriebenen Fall besondere Erwähnung.
Dieser Fall, wohl der eklatanteste, betrifft eine Kuh, deren
Pankreasdrüse Steine bis zu Bohnengröße im Gesamtgewicht
von 260 g enthielt.
Aus den vom Vortragenden gegebenen Analysenresultate
war zu ersehen, daß in der weitaus größten Zahl der Fälle die
Pankreaskonkremente aus kohlensaurem und phosphorsaurem
Kalzium mit geringen Beimengungen von organischen Substanzen
wie Fett, Protein, Cholesterin, Pigmenten usw. bestehen, während
diejenigen Pankreassteine, die vornehmlich aus organischen
Verbindungen bestehen, aber nur eine sehr geringe Menge
anorganischer Bestandteile enthalten, viel seltener Vorkommen.
Die Pankreaskonkremente können demnach in zwei Gruppen ge¬
schieden werden und zwar solche mit überwiegend anorganischen
Bestandteilen — kurzweg anorganische — und Bolche, die in der
Hauptsache aus organischen Substanzen zusammengesetzt sind.
Weiterhin referierte Bergholz über drei von ihm in Ge¬
meinschaft mit Herrn Dr. phil. Scheunert, Chemiker und Vor¬
stand der Physiologisch-Chemischen Abteilung, vorgenommene
Analysen von Pankreassteinen.
Bei Fall 1 stammten die Steine von einer zirka 6 Jahr
alten Mastkuh, die keinerlei Krankheitserscheinungen gezeigt
hatte und sich auch nach der Schlachtung im übrigen als völlig
gesund erwies. An dem Pankreas waren nur noch ganz ge¬
ringe Mengen von Drüsensubstanz wahrzunehmen, die Haupt¬
masse des Pankreas stellte sich als ein vollkommen mit festen
Massen gefüllter, häutiger Sack dar. Dessen Inhalt bildeten
griesige Massen und Konkremente, die darin in außerordentlich
großer Zahl und höchst variabler Größe, von Sandkorn- bis zu
Haselnußgröße, enthalten waren; die größten Exemplare wogen
bis zu 10 g. Die Analyse dieser Steine zeigte als wesentlichen
Bestandteil kohlensauren Kalk, weiterhin geringe Beimengungen
von phosphorsaurem Kalk, stickstoffhaltigen Substanzen und
Fett. Die Pankreassteine des Falles 1 stellen danach fast
völlig organische Konkremente dar.
Die Pankreassteine des 2. Falles stammten ebenfalls von
einem Rinde. Die Analyse dieser Konkremente ergab fast die
gleiche Zusammensetzung wie bei den Steinen des zuerst er¬
wähnten Falles.
Der 3. Fall betraf Steine, die sich noch in situ in einem
„mit Alkohol schon sehr lange“ aufbewahrten Präparat be¬
fanden, über dessen Herkunft genauere Angaben nicht mehr zu
erhalten waren. Aus den Analysen, so weit sie auch bei diesen
Konkrementen vorgenommen wurden, geht hervor, daß sie
offenbar eine den bereits geschilderten sehr ähnliche Zusammen¬
setzung besitzen.
Weiterhin hebt Bergholz hervor, daß sämtliche von ihm
untersuchte Pankreaskonkremente fast den gleichen Kalkgehalt
von 50 bis 52 Proz. und der Fall Nr. 1 und 2, wie die Analyse
ergab, auch fast den gleichen Gehalt an Phosphorsäure, Asche
und wohl auch Kohlensäure besaßen.
Die vorliegenden Konkremente gehörten zur Gruppe der
anorganischen Pankreaskonkremente und dürften wohl bezüglich
ihrer Entstehung in naher Beziehung zu den in der veterinär¬
medizinischen Literatur beschriebenen Fällen stehen.
Auf die Ursache der Konkrementbildung, auf die Er¬
scheinungen, die auf die Entstehung der Steine hinweisen, und
auf ähnliche naheliegende Fragen einzugehen, sagte Bergholz,
zieme ihm als Chemiker nicht und würde eine Überschreitung
seines Gebietes sein, weshalb er nur darauf aufmerksam machen
wolle, damit in dieser Hinsicht von human- bzw. veterinär¬
medizinisch gebildeten Kräften weiter geforscht werde.
Referiert von Dr. Immiscli,
671
Ein Beitrag znr Kenntnis des histologischen Baues
der Tränendrüse unserer Hanssäugetiere«
Von Dr.. Horniokel, Prosektor am anatomischen Institut der Tier¬
ärztlichen Hochschule zu Dresden.
Die Tränendrüse anserer Haussäugetiere trägt einen
tubuloalveolären Charakter und zeigt im allgemeinen den
gleichen Aufbau wie die großen Speicheldrüsen, d. h. die
Drüsenendstücke bilden gruppenweise Primärläppchen. Diese
Primärläppchen werden durch feinere Züge von Stützgerüst zu
Sekundärläppchen, und diese durch gröbere Trabekeln und die
Gesamtkapsel zur ganzen Drüse vereinigt. Die Erkennbarkeit
der Trennung des Parenchyms in Sekundär- und Primär¬
läppchen ist bei den einzelnen Tierspezies verschieden deutlich
ausgeprägt und geht Hand in Hand mit der Stärke der inter¬
lobären bzw. interlobulären Bindegewebszüge. Da nun das
Interstitium beim Schwein, den Fleischfressern und dem Rind
relativ stark, bei den Equiden und kleinen Wiederkäuern da¬
gegen nur mäßig entwickelt ist, so läßt sich die Trennung
des Gesamtparenchyms in einzelne Läppchen bei den zuerst ge¬
nannten Tieren gut, bei den zuletzt angeführten dagegen nur
undeutlich nach weisen. Gleichzeitig sei jedoch erwähnt, daß
außer diesen Artverschiedenheiten auch individuelle Verschieden¬
heiten Vorkommen. Elastisches Gewebe und muskulöse Elemente
sind in der Drüsenkapsel und dem Interstitium nur spärlich
vorhanden bzw. fehlen vollständig. Der Nachweis stärkerer
Anhäufungen von Lymphzellen, die mitunter, wie beim Menschen,
den Eindruck eines adenoiden Charakters des Stützgerüstes der
Tränendrüse erwecken können, ist nicht zu erbringen, wohl
aber finden sich im Interstitium zahlreiche kleinere und größere
Fettröpfchen und Fettzellen vor, welch’ letztere beim Hund an
manchen Stellen so zahlreich auftreten, daß sie Fettinseln von
der Größe kleinerer Drüsenläppchen bilden; Fettläppchen da¬
gegen, d. h. eine Anhäufung von Fettzellen mit zwischen¬
gelegenen Kapillaren sind nicht zu konstatieren. In dem durch
die Verzweigung des Interstitiums gebildeten Maschen werk
liegen die Drüsenendstücke, die von einer Membr. propria um¬
geben sind und von im allgemeinen pyramidenförmigen, nur bei
der Ziege zylindrischen Zellen ausgekleidet werden. Außer
dieser Besonderheit bei der Ziege und außer dem diesem Tier
noch eigenen Charakteristikum, zwischen den gewöhnlichen
Epithelzellen eigentümliche, ovale, durch Eosin gleichmäßig
schwach rot gefärbte Gebilde erkennen zu lassen, finden wir
noch weitere, von der Norm abweichende Befunde beim Esel
und Hund, so Komplexe von Tabulusquerschnitten mit weitem
Lumen und mehr kubischem Epithel bzw. unverhältnismäßig
weite, stark ausgebuchtete und von hochzylindrischen Zellen
ansgekleidete Drüsenendstücke. Die mikrochemische Unter¬
suchung auf Schleim läßt die Tränendrüse der Equiden, des
Rindes und der Katze als Eiweißdrüse, die von Schaf, Ziege
und Hund als gemischte Drüse erkennen; die Tränendrüse des
Schweins trägt den Charakter einer Schleimdrüse. Weiterhin
tritt bei allen Tieren als konstanter Zellenschluß Fett in Form
kleiner und kleinster Tröpfchen auf. Auch lassen sich in allen
Präparaten an den sekretorischen Flächen der Epithelzellen
randständige Kittleisten nach weisen, die sich mit den Sekret¬
kapillaren zwischen die einzelnen Zellen der epithelialen Aus¬
kleidung einsenken. Da ich nun an den Sekretkapillaren, die
nur dem Schwein und Hund fehlen, in jedem Fall Kittleisten
nachweisen konnte, so halte ich ihre Lage für eine inter¬
zelluläre, also zwischenzettige. Von *dw an, die ,.X)rü&qn-
endstücke sich .anschließenden, Sekret abführenden System sind
bei allen Haustieren Schaltstücke und.Ausfübrnn gfg|nge naeß-
zuweisen, während Sekretröhren ipi allgemeinen fqblen^^ie
sind in typischer Weise nur dem Epol eigen, rdoch
ich darauf hinweisen, daß auch beim Rind { ,ähnj[iChe Gebilde Vor¬
kommen. Als besonderen Befund «zeigten sich «in den inter¬
stitiellen Ausführungsgängen einer,Ziege und einea Esels.rWohl
charakterisierte Becherzellen.
Kardiographlgeiie Stadien.
Vortrag des Herrn Dr. med. vet. Imntisch, I. Assistenten des
Physiologischen und Histologischen Institutes.
Der Vortragende gab zunächst eine .kurze Beschreibung
von dem zu den Versuchen verwendeten Individuum, einem
zehn Wochen alten Kalbe mit Ectopia cordis. Das vom Herz¬
beutel umgebene Herz lag an der ventralen Fläche des
thorakalen Halsdrittels vpllkommon symmetrisch.*?) Vor der
Schilderung und Deutung, der von diesem Tiere erhaltenen
Herzkurven hob Immisch noch besonders hervpr, daß von
ihm eine durch die Herztätigkeit bedingte rhythmisch sich
wiederholende Lage Veränderung trotz der freien Lage des
Herzens, die eigentlich noch ein prädisponierendes Moment
hierfür darstellt, in Übereinstimmung mit anderen Forschern
nicht beobachtet werden , konnte.. Ferner erwähnte der Vor¬
tragende, daß durch die Tätigkeit des Herzens eine Form-
veränderung desselben derartig ^pffritt, daß die Ventrikel
während der Diastole einen von oben nach unten kompnmierfen
Kegel, während der Systole aber einen geraden Kreiskegel
darstellen. .. t
Bei Anwendung der Kardiographie erhielt Im misch zwei
verschiedene Kurventypen, einen Typus bei Abnahme des
Kardiogrammes von den Kammern und deinen bei Abnahme des
Kardiogrammes von den Atrien aus. Wenn die kardiographischen
Kammeraufnahmen nicht in der,Medianlinie des Herzens, also
an der Grenze zwischen rechter und linker Kammer, erfolgten,
sondern an dem linken Ventrikel, so konnte Immisch eine
Kurve erzielen, die zwar dem Typus der Kammerkardiogramme
entsprach, aber wesentliche Modifikationen von den in, ider
Medianlinie aufgenommenen Kardiogrammen atifwles. Diese
Veränderungen betrafen die auf dem absteigenden Sehenkel
sich bemerkbar machenden Zacken, die zweifelsohne dnfeh die
Klappenschlüsse der großen ausführenden Gefäße bedingt werden
und dürften wohl den Beweis dafür zur Genüge erbringen,«daß
die zwei Elevationen des absteigenden Schenkels durch Rück¬
stauung des Blutes in der Aorta und in dem Schluß der Klappen
derselben und durch Rückstauung des Blutes in der Pulmohal-
arterie und den daraus resultierenden Klappenschluß hervor¬
gerufen werden. Die bei den kardiographischen , Kammer-
anfnahmen in der Medianlinie, also zwischen rechter und Huker
Herzkammer, sich als mehr oder weniger gleichgroß sich
ergebenden Klappenschlußzacken ließen hei Aufnahme der
Kardiogramme an der Wandang der linken Herzkammer regel¬
mäßig eine wesentliche Vergrößerung der Aortenschluß^acke
*) Bezüglich anatomischer Einzelheiten bei diesem Fall -von
Exokardie sei verwiesen auf den Artikel: Imtnisch, Exokardic
beim Ealbe. Deutsche Tierärztliche Wo«honschrift. 16* Jahrgang.
Schaper, Hannover 1908.
672
und ein ausgesprochenes Kleinerwerden der Pulmonalschlußzacke
erkennen. Die nun leicht zu vermutende Änderung der Größe
der Schlußzacken bei Anlegung des kardiographischen
Instrumentes an dem rechten Ventrikel gelang, was Immisch
besonders betonte, nicht. Nach seiner Ansicht kann eine
wesentliche Änderung der Größen der betreffenden Klappen¬
schlußzacken bei Abnahme von der rechten Kammer aus über¬
haupt nicht erfolgen, sondern nur bei Anlegung der Pelotte
am linken Ventrikel; diese Ansicht suchte Immisch auf Grund
der besonderen anatomischen Verhältnisse des zu seinen Ver¬
suchen verwendeten Individuums als einwandfrei hinzustellen,
indem er darauf hinwies, daß die Aorta zwischen den Vor¬
kammern mit ihren Herzohren und der Pulmonalarterie ein¬
geschlossen ist und Rückstauungen allseits gleichen Widerstand
finden, daß die Pulmonalarterie aber dorsal frei liegt und
Rückstauungen in ihr bei der überdies weiteren Entfernung
vom kardiographischen Instrument sowie infolge der freieren
Lage in viel höherem Maße verloren gehen und nicht kardio-
graphisch in so prägnanter Form zum Ausdruck kommen können.
Ein näheres Eingehen auf die Deutungen, die Immisch
in subtiler Weise jedem einzelnen Abschnitt der zahlreichen
Kardiogramme — die Resultate seiner Untersuchungen Btützen
sich auf 1817 einwandfreie Kardiogramme, die Probekurven,
die zur Aneignung der Methodik aufgenommen worden sind,
haben keine Berücksichtigung gefunden — zuteil hat werden
lassen, dürfte wegen der allzuvielen Einzelheiten über die
Grenzen eines einfachen Vortragsreferates hinausgehen, zumal
sich bereits anderen Ortes*) eine ausführliche Abhandlung
über die Untersuchungen Immischs findet, die überdies durch
bildliche Darstellung der bei seinen Untersuchungen erlangten
Kurventypen an Klarheit gewinnt.
Büchcranzeigen.
Neue Eingänge.
(Besprechung Vorbehalten.)
Prof. Dr. W. Ellenberger, Prof. Dr. H. Baum und Maler Hermann
Dlttrlch. Handbuch der Anatomie der Tiere für Künstler.
Band III. Anatomie des Löwen. Dieterichsche Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher, Leipzig. Preis in Mappe 20 M.
Jahresbericht über die Verbreitung von Tierseuchen im Deutschen
Reiche. Bearb. im Kaiserlichen Gesundheitsamtc zu Berlin. XXL Jahrg.
190& und XXII. Jahrg. 1907. Mit je 4 Übersichtskarten. Julius .Springer,
Berlin 1907-08. Preis je 12 M.
König, Korpsstabsveterinär. Veterinärkalender für das Jahr 1909-
2 Teile. Augnst Hirschwaldt, Berlin 1909. Preis 3 M.
Prof. Dr. Lungwitz. Die Bedeutung des Ilufheschlages für
die Verhütung und Heilung von Lahmheiten. Festrede zur
Feier des Geburtstages Sr. Maj. des Königs von Sachsen, gehalten in der
Königlichen Tierärztlichen Hochschule zu Dresden am 25. Mai 1908.
M. & II. Schaper, Hannover 1908.
Otto Carl Noack. Experimentelle Untersuchungen, be¬
treffend die bazilläre Pseudotuberkulose der Schafe und
deren Übertragungsfähigkeit auf andere Tiergattungen.
(Inang.-Diss. der vet.-med. Falkultät Bern). Mit 6 Tafeln. Bern 1908.
J. Orth. (Unter teilweiser Mitwirkung von Dr. Lydia Rabinowitsch).
Über die Resorption körperlicher Elemente im Darm, mit
besonderer Berücksichtigung der Tnberkelbazillen. (Separat¬
abdruck ans Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der
Wissenschaften XXXIX. 1908.
Dr. H. Märtel. Rapport sur les op^rations du Service.
vet6rinai re sanitaire de Paris et du Departement de laSeine.
Pendant l'annee 1907. Paris 1908.
Otto Budnowskl. Über die Entzündung des Unterstützungs¬
bandes der Hufbeinbeugesehne am Vorderfuße des Pferdes.
Mit 5 Abbild, auf 2 Tafeln und 4 Figuren im Text. (Inaug.-Diss. der
vet.-med. Fakultät Gießen). [Separatabdruck aus „Monatshefte für
praktische Tierheilkunde“. Band XIX.] Union Deutsche Verlags¬
gesellschaft, Stuttgart 1908.
*) Immiscb, Ein Beitrag zum Studium des Herz¬
stoßes an einem Exocardiacus. Zeitschrift für Tiermedizin.
Band 12. Gustav Fischer, Jona 1908.
Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich. Herausgegeben vom
Kaiserlichen Statistischen Amt Achtundzwanzigster Jahrgang 1907.
28 Bogen und 5 Tafeln. Verlag voü Puttkammer nnd Mühlbrecht.
Berlin 1907. Preis 2 Mark.
Von den statistischen Darlegungen seien erwähnt: Viehstand nach
der Zählung 1904, Hausschlachtungen, Schlachtvieh- und Fleischbeschau,
Marktpreise von Nahrungsmitteln 1897—1906 und Viehseuchen 1905.
Das Jahrbuch enthält einen ausführlichen Quellennachweis. Glage.
Inaugural-Dissertationen
aus der medizinischen Fakultät der Universität Gießen.
Max Bärner, lieber den histologischen Bau der Arterien
in der Brust- und Bauchhöhle des Pferdes mit besonderer Be¬
rücksichtigung der Anpassung dieser Gefäße an die Umgebung usw.
Mit 3 Tafeln und 2 Fignren im Text. Gustav Fischer, Jena 1905.
Karl Beillng, Beiträge zur makroskopischen und mikro¬
skopischen Anatomie der Vagina und des Uterus der Säuge¬
tiere. Mit 1 Tafel. (Sonderabdrock aus dem Archiv für mikroskopische
Anatomie und Entwickelungsgeschichte, Band 67. 1906.) Friedrich
Cohen, Bonn.
Fritz Christ, Untersuchungen über die Muskulatur und
das elastische Gewebe in der Milchdrüse der Haussäuge¬
tiere. München 1905.
Fritz Freitag, Zur Entwicklung und Einteilung des Klein¬
hirnes der Haussäuger. Gießen 1906.
Gunnar Haane, über die Cardiadriisen nnd die Cardia-
drüsenzono des Magens der HaussHugetiere. Mit 2 Text-
flguren und 6 Abbild, auf einer Tafel. Veit & Comp., Leipzig 1905.
Paul Hornlckel, Vergleichende Untersuchungen über den
histologischen Bau der Tränendrüse unserer Hauksäuge-
tiere. Mit 4 Tafeln. Gießen 1905.
Kurt Benno Immlsch, Untersuchungen über die mechanisch
wirkenden Papillen der Mundhöhle der Haussäugcticre.
Mit 21 Abb. im Text. J. F. Bergmann, Wiesbaden 1908.
Bodo Korntann, Über den Bau der Integuments der Regio
fariura und der Wand des Nasenvorhofs der Haussäugetiere
mit besonderer Berücksichtigung der daselbst vorkommenden Drüsen.
Gießen 1903.
Anton Lenfers, Beiträge zur Synophthalmie der Haustiere.
Mit 6 Tafeln. Gießen 1903.
Paul Lenfers, Zur Histologie der Milchdrüse des Rindes. Mit
3 Tafeln. Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz. Berlin 1907.
Paul Massig, über die Verbreitung des Muskel- und
elastischen Gewebes und speziell über den Verlauf der
Muskelfasern in der Wand der Wiederkäuermägen.
Hans May, Vergleichende anatomische Untersuchungen
der Lymphfollikelapparate des Darmes .der Haussäugetiere.
Mit 4 Tafeln. Gießen 1903.
Josef Müller, Zur vergleichenden Histologie der Lungen
unserer Haus Säugetiere. Mit 1 Tafel. (Sonderabdruck aus dem
Archiv für mikroskopische Anatomie u. Entwicklungsgeschichte Bd. 69,
1906.) Friedrich Cohen, Bonn.
Richard Reinhardt, über die Pleiodaktylie beim Pferde. Mit
13 Abbild, im Text. J. F. Bergmann, Wiesbaden 1907.
Georg Roschlg, Untersuchungen über die individuellen Ver¬
schiedenheiten der Großhirnfurchen beim Rinde. Mit 4 Tafeln
und 4 Textabbildungen. 1907.
Emil Rossmüller, Über den histologischen Bau der Arterien
in der Brust- und Bauchhöhle des Rindes. Mit 4 Tafeln. Bam¬
berg 1906.
Paul Schmidtchen, Die Sahnenscheiden und Schleirabeutel
der Gliedmaßen des Rindes. Mit 5 Tafeln. Union, Deutsche Ver¬
lagsgesellschaft, Stuttgart 1906.
Georg Spamer, Beiträge zur Entwicklung des Wieder¬
käuermagens. Gießen 1907.
H. Strahl und P. Martin, Die puerperale Involution des Uterus
beim Schaf. (Sonderabdruck im Anatomischen Anzeiger. XXXII. Band,
Nr. II, 12.) Gustav Fischer, Jena 1908.
Kurt Wölfel, Beiträge zur Entwicklung des Zwerchfelles
nnd Magens bei Wiederkäuern. Gustav Fischer, Jona 1907.
Drei Dissertationen von Peters, Heid rieh und Dennstedt sind
bereits früher angezeigt.
Takanzen. (v g i. Nr. 36.)
Tierärztliche Hoohschule Dresden: Assistent zum 1. November er.
Vergütung 1200 M., freie Wohnung usw. Bewerbungen baldigst an
den Rektor.
Lande8tierzuchtstelle: Dresden: Hilfsarbeiter zum 1. oder
15. Oktober er. Gebalt 1800 bis 2700 M., freie Wohnung usw.
Bewerbungen baldigst an die Kanzlei der Tierärztlichen Hoch¬
schule Dresden.
Stadt-Tlerarzt8telle: Bonnigheim, Oberamt Besigheim
(Württ): Bewerbungen bis 20. September er. an das Stadt-
scbultheißenamt.
Schlachthofstelle: Hannover: Tierarzt zum 1. Oktober er., Gehalt
2400 M. bis 4100 M. Bewerbungen bis 20 d. M. an den Magistrat.
Besetzt: Schlachthof stelle in Freienwalde a. 0.
Di« „Berliner Tler&ntiliche Wocbonacbrift“ erscheint
wöchentlich im Verlege ton Riehard Sohoete ln
Berlin SW. 48, Wilhelms!?» 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von H. 6,— ▼ierteljähr-
lieh CM. 4,88 für die Wochenschrift, IS Pt fQr Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Originalbeltrige werden mit 60 Hk., In Petltsata mit
00 Mk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
so senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., Luisenstrafie 66. Korrektoren,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Berliner
Tierärztliche Wochenschrift
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamborg. Departementa-T. in Odin.
Med.-E&t Dr. Roeder
Professor in Dresden.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Dr. Peter
Staatstierarst für Hamburg.
Veterinärrat Peters
Departements-T. in Bromberg.
Dr. Schlegel
Professor in Freiburg.
Dr. J. Schmidt
Professor in Dresden.
Helfer
8ehlaehth.-Direktor in Mülhansen L B.
Dr. H. Sieber
am Tropeninstitut in Hamburg,
Reg.-Rat Dr. Vogel
Landestierarzt in München.
Dr. Stödter
Stadt-Tierarzt in Hamborg.
Veterinärrat Preuße
Departementa-T. ln Danzig.
Wehrle
Dr. Richter
Professor in Dresden.
ZDndel
Kais. Regierungsrat in Berlin. Krelstierarst in Mülhausen L B.
Dr. Trapp
am Kaiser Wilhelm-Institut ln Bromberg.
Dr. Zimmermann
Dozent ln Budapest
Jahrgang 1908. 38. Ausgegeben am 17. September.
Inhalt: Nevermann: Zur Agglutinationsprobe bei Rotz. — Koiransky: Zur Frage der Gregarinose bei unseren Haus¬
tieren. — Referate: Liänaux: Bemerkungen über die Pnnktion des Perikards bei der traumatischen Perikarditis. —
Zimmermann: Beitrag zur Verknöcherung der Hufknorpel beim Pferde. — Edelmann: Mitteilungen aus den Berichten der
sächsischen Bezirkstierärzte. — Lemke: Phenyform, ein neues Desinfektionsmittel. — Gm ein er: Klinische Untersuchungen
über die Wirkung modifizierter Salizylsäuren auf die Harnorgane. — Behr: Ein interessanter Fall von Tuberkulose beim
Pferde. — Nemecek: Ein Harnstein bei einem 10 Wochen alten Fohlen. — Aus der medizinischen Literatur. — MIeßner:
Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt — Tagesgeschichte: Graffunder: Vorschläge zur Neuorganisation des Veterinär¬
beamtentums. — Maximilian: Die Verantwortlichkeit der Veterinäre. — Verein sächsischer Gemeindetierärzte. —Verschiedenes.
— Tierzucht und Tierhaltung; Geschäftsbericht der bayerischen Landes-Pferdeversicherungsanstalt für das VII, Versicherungs¬
jahr 1906/1907. — Personalien. — Vakanzen.
Zur Agglutinationsprobe bei Rotz.
Von Regierungs- und Veterinärrat Nevermann.
In Preußen haben schon im Laufe der Jahre 1900—1905
umfangreich e V ersu che ü ber die Agglutinationsprobe bei Rotz
stattgefunden (s. Jahrgang 1903 der Veröffentlichungen aus
den Jahresberichten der beamteten Tierärzte Preußens, Teil II
S. 70 ff/).
Durch den hierunter abgedruckten Ministerialerlaß vom
21. Februar 1906 — I Ga 1788 — ist diese Art der Unter¬
suchung für alle rotzansteckungsverdächtigen Pferde vorge¬
schrieben worden.
Allgemeine Verfügung Nr. 10 für 1906.
Ministerium Berlin W. 9, den 21. Februar 1906.
für Landwirtschaft, Domänen,
und Forsten.
Gcsehäfts-Nr. 1 Ga 1788.
Rotz.
2 Anlagen.
An sämtliche Herren Regierungs-Präsidenten und den Herrn Polizei-
Präsidenten in Berlin.
1. Die Agglutinationsprobe bei Rotz hat sich in der praktischen
Anwendung als ein wertvolles Hilfsmittel zur Erkennung der
latent rotzkranken Pferde und damit zur rascheren Tilgung der
Seuche erwiesen. Behufs Gewinnung weiteren Materials zur Be¬
urteilung dieses Verfahrens bestimme ich unter Aufhebung meiner
Erlasse vom 18. Mai 1902 — I. G* 4123 — und vom 1. Februar
1905 — I. G® 864 — folgendes:
2. Nach Tötung der rotzkranken und rotzverdächtigen Pferde
(§§ 37 und 41 der Bundesratsinstmktion) ist bei allen ansteckungs-
verdäehtigen Pferden die Agglutinationsprobe vorzunehmen.
3. Die Pferdebesitzer können nach Lage der Gesetzgebung nicht
gezwungen werden, die Blutentnahme zu gestatten; es ist aber an¬
zunehmen, daß sie diesen ungefährlichen Eingriff wie bisher bereit¬
willig erlauben werden, da er ihnen eine schnellere Tilgung des
Rotzes in Aussicht stellt.
4. Die Agglutinationsprobe findet für die Provinzen Ostpreußen,
Westpreußen, Posen, Schlesien und für den Regierungsbezirk Köslin
in dem tierhygiepisp^en Institute der landwirtschaftlichen Versucbs-
und Forschnngsanstalten in Bromberg, für die übrigen Provinzen in
dem pathologischen Institute der Tierärztlichen Hochschule in
Berlin statt.
5. Die Kreistierärzte haben dem hiernach zuständigen Institute
die Zahl der ansteckungsverdächtigen Pferde mitzuteilen, wonach
ihnen die zur Entnahme der Blutproben notwendigen- Gläser, In¬
strumente und Formulare nebst einer Anweisung für die Blutent¬
nahme (Anlage A) übersandt werden.
6. Bei jeder ersten Entnahme von Blutproben ist nach dem
Schema Anlage B ein genaues Verzeichnis der Pferde aufzunehmen.
7. Alle an den Tieren vorhandenen krankhaften Erscheinungen
sowie alle für die Beurteilung der Einschleppung, des Alters und
der Verbreitung des Rotzes in dem Bestände wichtigen Umstände
sind in Spalte 4 genau anzugeben.
8. Das Verzeichnis ist mit den Blutproben dem Institute zu
übersenden.
9. Das Institut hat das Ergebnis der Agglutinationsprobe in das
Verzeichnis einzutragen und dieses nebst seinen Anträgen bis auf
weiteres alsbald an mich einzusenden, worauf von mir weitere Ver¬
fügung ergehen wird.
10. Der Obduktionsbefund der auf Grund der Agglutinations¬
probe getöteten Pferde ist kurz, aber vollständig in Spalte 4 und,
falls der Raum nicht ausreicht, in Spalte 8 der Anlage B zu vermerken.
Bei Wiederholungen der Agglunationsprobe ist sinngemäß in
ähnlicher Weise zu verfahren.
Sobald die Agglutinationsprobe in einem Bestände als abge¬
schlossen bezeichnet ist, ist bis auf weiteres die Nachweisung
(Anlage B) nebst Abschrift der Obduktionsberichte sämtlicher in
diesem Bestände getöteten Pferde an mich einzureichen.
• Alle auf die Agglutinationsprobe bezüglichen Angelegenheiten
sind mit tunlichster Beschleunigung zu erledigen.
Auf die Durchführung der in dem Reichsviehseuchengesetz und
der Bundesratsinstruktion vorgeschriebenen veterinärpolizeilichen
Maßregeln hat das Ergebnis der Agglutinationsprobe keinen Einfluß,
insbesondere sind alle Pferde, bei denen während der Dauer des
Verfahrens seuchenverdächtige Erscheinungen hervortreten, unge¬
säumt zu töten.
Diese Vorschriften treten mit dem 15. März d. J. in Kraft
Jedem beamteten Tierarzt ist ein Abdruck dieses Erlasses zu
überweisen. Auch sind zwei Überexemplare beigefttgt.
In Vertretung: von Conrad.
674
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38.
Anlage A.
Anweisung für die Blutentnahme zum Zwecke dor
Agglutination8 prüfung.
1. Zur Blutentnahme wird eine Hautstelle an der Drosselvene
desinfiziert und in die letztere eine Aderlaßnadel gestochen. Den
Blutstrahl, der aus der Nadel abfließt, leitet man in ein sterilisiertes
Gläschen, das dreiviertel voll mit Blut gefüllt wird. Jedes gefüllte
Glitschen ist sofort mit einem Korken zu verschließen. Die Gläschen
sind nur mit den betreffenden Nummern bzw. mit den Namen der
Pferde, denen das Blut entnommen worden ist, zu bezeichnen und
gut verpackt umgehend den Untersuchungsstellen zu übersenden.
Wird Blut von Pferden mehrerer Besitzer zu gleicher Zeit ent¬
nommen, so muß auch auf jedem Gläschen der Name des Besitzers
vermerkt werden.
Um zu vermeiden, daß das Blut eines Pferdes durch das Blut
eines anderen Pferdes verunreinigt wird, sind nach jedem Aderlaß
die Hände gründlich abzuspülen; ferner ist für jedes Pferd eine
neue Aderlaßnadel, oder falls die Zahl derselben nicht ausreicht,
eine der vorher gebrauchten, abef in Wasser von allen Blutspuren
gereinigten Nadeln zu benutzen.
2. Der Name und der Wohnort des Besitzers, die Kennzeichen,
Nummern bzw. Namen der Pferde — auch der bereits gestorbenen
oder getöteten — sind in der beifolgenden Liste genau aufzunehinen.
Etwaige rotzverdächtige oder sonstige Krankheitserscheinungen sind
bei jedem Pferde anzugeben, ebenso das Obduktionsergebnis der
bereits gestorbenen oder getöteten Pferde. Die Pferde sind der Reihe
nach so aufzuführen wie sie im Stalle gestanden haben. Auch sind
die verschiedenen Ställe in der Liste genau kenntlich zu machen.
Übersicht über das Ergebnis der Agglutinationsprobe in der Zeit vom I. 4.—30./9. 1906 und vom l./IO. 1906 bis I./4. 1907.
I. Halbjahr (vom 1 /4.-30./9. 1906).
Laufende Nummer l|
Regierungs¬
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Zahl der
Pferde, die
Der Agglutinationsw’ert, war gleichmäßig und betrug
Der Apglutinationswert w.
verschied.
300-400
500 -800
1000-1200
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2000 »)u. mehr
in wieviel Fällen
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Zahl der
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Pferde
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1.
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2.
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10
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35
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3.
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_
_
4.
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1
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2
2
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_
_
_
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1
1
5.
Marienwerder
13
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22
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9
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—
_
—
_
_
_
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_
1
1
_
6.
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20
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5
6
6
3
12
12
12
3
3
3
3
_
_
_
7.
Potsdam . .
3
50
4
46
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1
—
12
—
—
—
_
_
_
_
_
_
_
_
2
2
1
_
_
_
_
8.
Frankfurt a. 0.
27
55
3
52
22 5
3
22
3
2
5
5
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1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
_
_
_
9.
Stettin . . .
82
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—
6
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_
_
_
2
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_
_
_
_
_
10.
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1
1
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—
—
1
—
__
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
11.
Posen . . .
19
60
4
56
25| 1
—
13
4
2
4
4
3
3
3
3
4
4
4
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4
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1
12.
Bromberg . .
4
22
—
22
14; —
—
8
—
_
—
_
_
_
_
_
13.
Breslau . . .
6
11
1
10
6
—
—
4
—
—
—
_
_
_
_
_
_
_,
_
_
_
_
14.
Liegnitz . .
19
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42
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—
16
1
—
4
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2
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_
_
1
_
_
1
1
_
15.
Oppeln . . .
6
140
5 a )
71
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—
—
17
2
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2
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2
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3
3
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1
1
1
1
_
16.
Magdeburg .
25
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36
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—
7
1
—
1
1
1
_
_
_
_
_
_
_
_
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17.
Erfurt . . .
1
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1
—
_
_
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_
_
_
_
_
_
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18.
Schleswig . .
5
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—
18
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1
1
1
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1
_
_
_
_
_
_
_
19.
Hannover . .
1
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—
12
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2
—
3
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_
3
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_
_
_
_
_
_
4
3
3
3
1
1
_
20.
Hildesheim
3
6
—
6
1 5 -
_
1
_
_
_
_
_
_
_
-
_
21.
Münster . .
1
1
—
1
_
_
_
__
_
_
1
1
_
_
_
7*
_
.
22.
Arnsberg . .
1
7
1
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1
1
2
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
8
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_
_
23.
Kassel . . .
4
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—
4
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1
—
—
—
-
_
—
—
-
—
—
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m
—
—
Summa
274
994
53 4 )
875
475
38
14
276
32
8
52
45
20
22
22
17
25
25
25
25
17
15
13
8
7
2
II. Ilalbj
ahr
(vom 1./10. 1906 bis
1./4.
1907
).
1.
Königsberg .
10
26
26
17
2
7
1
2
2
2
2.
Allenstein . .
33
98
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92
66
—
—
15.
2
1
3
2
_
2
2
2
6
6
6
_
_
_
3.
Marienwerder
32
99
5
94
58
2
—
28
_
_
1
1
1
3
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2
3
3
3
1
_
_
l
1
4.
Berlin . . .
26
155
1
154
95 8
3
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11
11
9
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9
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14
14
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6
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1
_
5.
Potsdam . .
11
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45
24
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1
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4
4
4
4
2
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2
2
2
2
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1
1
6.
Frankfurt a.O.
5
6
—
6
5
_
_
1
_
_
_
_
_
_
_
_
7.
Stettin . . .
16
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_
18
14
_
_
4
_
_
_
_
_
_
_
_
_
8.
Köslin . . .
13
20
—
20
15
_
_
5
_
_
_
_
_
_
_
_
__
__
_
_
9.
Posen . . .
4
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—
5
1
_
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3
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_
_
10.
Bromberg . .
4
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11.
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__
_
_
_
12.
Liegnitz . .
11
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8
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3
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_
_
_
_
_
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_
- 1
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1
13.
Oppeln . . .
13
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_
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6
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14.
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1
1
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1
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
_
15.
Hildesheim
1
14
1
13
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3
_
_
_
_
_
__
1 _
_
_
_
16.
Lüneburg . .
1
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1
2
o
2
_
_
_
_
_
_
1 _
_
_
__
17.
Münster . .
3
25
6
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12
_
2
1
_
1
1
1
_
__
1
1
1
_
18
Düsseldorf
1
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2
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—
— |
—
-
—
I —
—
—
—
—
—
Sa. II. Halbjahr
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573
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6
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22 1
22 1
21
32 i
32 I
*32
26~
Kl
Kl
KQ
7
6
i. .
475
38
14 276
32
8
52
45
20
22 j
22 1
17 1
25
25
25
25 |
M
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□
8
7 |
2
Gesamtsumme
464
H
98 7 )
1716
1048
85
20
436
62
26
80 j
70
~
44
44
~\
57
57
~
5l"j
36 34 j 30
15
13 |
*) Sind bei der Untersuchung Zahlen wie 800 — 1000 ermittelt, so sind die Pferde in die Spalte der höheren Zahl eingetragen. —
3 ) \ nicht agglutiniert — 3 ) 64 nicht agglutiniert. — 4 ) 36 rotzig. 66 nicht agglutiniert. 5 ; Zwei Blutproben nicht eingesandt. —
ti ) Außerdem von 66 Pferden Blutproben nicht untersucht. — ~) Außerdem von 88 Pferden Blutproben nicht untersucht.
17. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
675
8. Der Zeitpunkt, an dem die Pferde der Ansteckung ausgesetzt
waren, ist möglichst genau zu ermitteln. Auch ist über die Art
imd Weise des Auftretens der Rotzkrankheit in dem Bestand ein¬
gehend zu berichten.
4. Aderlaßnadeln und sterilisierte, mit Korken verschlossene
Gläschen liefern die Untersuchungsstellen.
Anlage B.
Agglutinationsprobe in dem Pferdebestande von . . . .
Name: Stand: Wohnort: Kreis: Reg.-Bezirk:
Ol
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1.
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Name und;
Wohnort
des
Besitzers
Signale¬
ment der
1 Pferde.
Farbe,
Ge-
! schlecht,
Alter und
Ab- ,
Zeichen
Bemerk¬
ungen:
Krankhafte
Er¬
scheinungen ;
Tag der
Obduktion;
Ergebnis der
Obduktion
usw.
I.
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entn.
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II.
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III.
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1
2
3
4
5
6
7
8
Das Ergebnis der hiernach ausgeführten Agglutinationsproben
ist in den nachstehenden, halbjährlichen Übersichten zusammen¬
gestellt worden.
Demnach ist in der Zeit vom 1. April 1906 bis zum 1. April
1907 in 464 Beständen mit insgesamt 1882 Pferden bei 1716
Pferden die Agglutinationsprobe ausgefiihrt worden. Hiervon
wurden 365 Pferde getötet, von denen 218 rotzkrank waren.
Die Agglutinationsprobe wurde ausgefiihrt
in 194 Beständen.1 mal
,138 „ . 2 „
„ 1 Bestand .5 „
„ 6 Beständen.6 „
In 16 Beständen ist die Agglutinationsprobe nicht zum
Abschluß gekommen, weil die Bestände vorher ausgeräumt
wurden oder die Besitzer die Wiederholung der Blutentnahme
verweigerten.
Das Gesamtergebnis kann dahin zusammengefaßt werden,
daß es durch die Agglutinationsprobe gelungen ist, eine große
Zahl rotzkranker Pferde zu ermitteln, die keinerlei klinische
Erscheinungen des Rotzes zeigten.
In der ersten Zeit nach der Infektion pflegt der Aggluti¬
nationswert des Hintes so hoch zu sein, daß hierdurch schon bei
der ersten Blutprobe die Tiere als rotzkrank erkannt werden.
Später fällt der Agglutinationswert allmählich ab bis zu
Werten, die auch bei gesunden Pferden häufiger Vorkommen.
Infolgedessen muß dann, wenn längere Zeit seit der Ansteckung
vergangen ist, die Blutprobe wiederholt werden, um aus dem
Gleichbleiben oder der Veränderung des Agglutinationswertes
auf das Freisein oder auf das Vorhandensein von Rotz schließen
zu können.
In einigen Fällen war der Agglutinationswert bei mehreren
Agglutinationsproben gleichmäßig, auf einer noch als normal zu
bezeichnenden Höhe geblieben, so daß die Pferde auf Grund der
Blutprobe nicht rotz verdächtig erscheinen und doch später als
rotzkrank erkannt wurden. Diese Fälle sind aber sehr selten
gewesen.
.Ein Teil der Pferde, deren Blut einen Agglutinationswert
von 1000 und darüber zeigt, ist nicht rotzkrank. Die Zahl
dieser Pferde ist nicht so groß, daß hierdurch der Wert der
Methode beeinträchtigt wird.
Zu weitergehenden Schlüssen und Berechnungen reicht nach
Erachten des Verfassers das vorliegende Material nicht aus,
zumal da die in den Spalten 7—13 nachgewiesenen Tötungen
nicht immer auf Grund der Agglutinationsprobe erfolgt sind.
Alles in allem genommen hat sich die Agglutinationsprobe
als ein wertvolles Hilfsmittel zur frühzeitigen Erkennung und
erfolgreichen Bekämpfung der Rotzkrankheit erwiesen.
Zur Frage der Gregarinose bei unseren Haustieren.*)
Von M. Koiransky in Tambow (Rußland).
Wie oft die Seuche unter den Kaninchen entsteht, ist jedem
Leiter eines bakteriologischen Institutes ganz genau bekannt.
Aber nicht jeder kann sagen, aus welcher Ursache die
nämliche Seuche entstanden ist. Warum? Erstens kommt es
davon, daß die Krankheiten der Kaninchen uns noch nicht so
gut bekannt sind; und zweitens denke ich es mir so, wie man
sagt: „Durch den Wald sieht man keine Bäume“, d. h. da wir
immer Bakterien und Bazillen suchen, kann es ja sein, daß
wir andere Mikroorganismen vorbeilassen. Doch aber sind
jedem Tierarzte die Psorospermien der Kaninchen bekannt,
und es ist genug Grund dazu, die Gregarinose bei den
Hühnern und hauptsächlich bei den edlen Rassen derselben
ebenso oft wie bei den Kaninchen anzunehmen. Auch kann es
wohl geschehen, daß die Gregarinose bei den Hühnern nicht
selten mit der Diphtherie derselben verwechselt wird. Daß die
Gregarinose bei verschiedenen Tieren- bei Hunden, Katzen,
Schweinen, Schafen, manchmal auch sogar bei unseren großen
Säugetieren, nicht ausgeschlossen den Menschen, beobachtet
wird, ist wohl bekannt. Wir wissen aber ganz wenig davon,
wie oft die Gregarinose in der Landamtspraktik beobachtet
wird und wie oft die Gregarinose von dem einen Tierschlag
auf den anderen übergeht. Die Ursache davon ist wohl die,
daß die Kennzeichen der Krankheit beim Leben der Tiere
ganz schwer zu bemerken sind. Und möglich ist es, daß diese
Schwierigkeit die Ursache des Nichtanerkennens der Krankheit,
auch nach dem Tode der Tiere, hauptsächlich bei den einzelnen
Fällen derselben, ist.
Wenn wir uns bedenken, daß Hacke, der die Psorospermien
erstlich entdeckte, dieselben für Eiterzellen anerkannt hat, daß
Lang dieselben für Neugebilde gerechnet hat; wenn wir be¬
denken, daß die inkapsulierten Gregarinen mit den Eiern der
Pentastoma, Bandwürmern, Seidenwttrmem, Mischerschen
Schläuchen (Sarcosporidien) oft verwechselt werden; wenn wir
bedenken, daß die Handbücher für Therapie und Pathologie uns
keine Nachbildungen der Gregarinen, welche den Landamtstierarzt
als Forscher auf den Gedanken über die echte Ursache der
Seuche bei diesen oder jenen Tieren bringen kann, vorführen,
so wird es verständlich sein, warum die Literatur über Gregarinen
bisher so arm bleibt.
Wie weit solche Untersuchungen und Beobachtungen im
Gebiete der Lehre über die Gregarinose unentbehrlich sind,
*) Die Leser werden dem Autor die Unebenheiten seiner
deutschen Ansdrucksweise nachsehen. Ich glaubte, ihre Korrektur
unterlassen zu sollen. S.
676
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 88.
Figur 1.
zeigt auch eine Bemerkung von Prof. Pütz; aber wie oft
wir die Gregarinose gar übersehen, können ja die folgenden
Fälle aus meiner Praxis zeigen.
I. Fall. Im Jahre 1901 entstand im Gute des Grafen
Orlow Davidow beim Dorf Nowo-Pokzowsk des Kreises Tambow r
(Rußland) eine Schafseuche, welche bald zw r ei Jahre dauerte.
Die Krankheit erschien anfangs in einem Ausschlage auf dem
Maul, von Grindbildungen und Borken begleitet; dann entstanden
große subkutane Vereiterungen, auf welchen Stellen die Wolle
herausfiel; die Schafe verloren den Appetit, litten oft an
Durchfall, zehrten ab und starben nach Verlauf von drei bis
vier Monaten bei stark aus¬
gedrückter Blutarmut durch
Konvulsion. Der Gutsver-
w'alter, um die Krankheit zu
untersuchen, w r andte sich an
örtliche Tierärzte, sandte
pathologisch-anatomische Prä¬
parate der Schafe nach
Moskau, aber die Ursache
der Krankheit wurde nicht
entdeckt. Der Landamtstier¬
arzt dieses Rayons, der einige
der verstorbenen Schafe auf-
schnitt, konnte auch die
Seuche nicht bestimmen,
schickte aber einige Präpa¬
rate des Mauls, der Lungen,
Leber und Nieren zur tier¬
ärztlichen Gouvernements-
Bakteriologie-Station zu Tam-
bow. Dann habe ich einige
Präparate mir zum Unter¬
suchen verschafft. Die Re¬
sultate, zu welchen wir ge¬
kommen sind, waren ganz
verschieden.
Die Bakteriologie - Sta¬
tion hat anfangs eine ganze
Reihe von Untersuchungen
unternommen, fand bald da¬
rauf Mikrokokken, welche die
Versuchs-Mäuse töteten, und
blieb darauf stehen. Ich
fand aber in der Milz Mikro¬
organismen, die morphologisch
und biologisch ganz scharf von allen anderen bisher mir
bekannten Mikroorganismen sich unterschieden. Da ich aber
in den Handbüchern für Bakteriologie keine Abzeichnungen
derselben finden konnte, so war ich nicht imstande, dieselben
richtig zu bestimmen. Aus weiterem w r ird es verständlich sein,
daß ich dieselben auch in keinen Handbüchern über Bakteriologie
treffen konnte. Gern wollte ich dann diese Krankheit auf
ihrem Platze beobachten; aber das Gut fand sich nicht in
meinem Kreise und mein Verlangen konnte nicht erfüllt werden.
Über ein Jahr wurden mir ganz ungehoflft zwei erkrankte Schafe
aus demselben Gute zur Bestimmung der Krankheit gebracht.
Ein Schaf, bei welchem der Nasenschleim heftig geronnen war,
der Maulgrind so deutlich ausgedrückt und viele große subkutane
Figur
Vereiterungen auf dem Leibe mit herausgefallener Wolle auf
denselben Stellen waren, starb bald darauf. Das zweite lebte
bis vier Monate, w r urde zu dieser Zeit ebenso wde das erste
mit Maulgrind behaftet, die Nasenschleimabsonderung war
ganz intensiv, aber auf dem Leibe erzeugten sich keine Ver¬
eiterungen. Das Schaf litt sehr oft an Durchfall, verzehrte
sich und ging am Ende zugrunde bei stark ausgedrückter
Konvulsion; die Autopsie zeigte eine fürchterliche Blutarmut.
Aus dem Blute, Leber, Milz und Nieren wmrden, wie bei
jenem ersten Fall, Schnitt- und Stichpräparate angefertigt. In den
frischen Schnittpräparaten der Milz fand ich dieselben Körper,
welche ich in denjenigen ersten
Präparaten gefunden habe,
welche ich oben im ersten
Falle erwähnt habe. Sie
waren viel größer als die
weißen Blutkörperchen und
verschiedener Form: die einen
waren rund wie die weißen
Blutkörperchen, hatten in der
Mitte einen dunklen Körper
(Kern), welcher sich in zwei
bis vier Körperchen einteilt;
die anderen waren fast rund,
von etwas grüngrauer Farbe
und am Rande w r eiß gestreift;
die dritten w T aren kahnförmig
und tauschten ihre Form
während ihrer Bewegungen.
In der Luft abgetrock¬
net und auf dem Spiritus¬
lämpchen befestigt, verloren
bald die Körperchen ihre
Form und blieben zusammen¬
gekocht. Dieser Umstand er¬
laubte nicht, dieselben zu
färben. Danach trocknete
ich dieselben in der Luft
ab und fixierte sie durch
Holzgeist und Äther. Dann
konnte ich sie mit Fuchsin¬
karbol färben und bekomme
folgendes Bild: Örtlich zeigen
sich ganz weiße, runde
Körperchen, bald wie ein
weißes Blutkörperchen groß,
bald größer, welche ungefärbt blieben. Diese treffen
sich aber viel weniger als andere, welche gruppenweise zu
drei, vier und fünf liegen, länglich gebogen sind oder die Form
eines Halbmondes haben. Stellenweise liegen solche Körperchen
neben einem großen Körper, und ganz selten treffen sich Körper,
in deren Mitte, obwohl nicht ganz deutlich, doch sichtbar, ein ei¬
runder Körper liegt, welcher etw'as mehr intensiv gefärbt ist und
vier bis fünf kleine Körperchen enthält. Das Bild und besonders die
Reaktion bei der Befestigung dieser Körper auf dem Spiritus¬
lämpchen zeigte, daß die Körperchen aus einem Protoplasma
bestehen und zu den Protozoen gehören müssen. Die große
Anzahl derselben in dem Blute, in der Leber und Milz zeigten
gleichzeitig, daß dieselbe die Ursache der Erkrankung der
17. September 190S.
Schafe sind. Ich hatte aber, wie gesagt, nicht genug Grund
dazu, um dieselben genau zu bestimmen. Stückchen der Leber
und Milz habe ich unter die Haut der Kaninchen eingeimpft
Die Kaninchen blieben aber leben und ganz lange gesund.
Wegen amtlicher Verhältnisse konnte ich meine weiteren Unter¬
suchungen nicht fortsetzen. Aber acht Präparate derselben
verblieben bei mir. Diese Präparate gaben mir dann doch die
Möglichkeit, meinen Amtsgenossen mitzuteilen, daß die Ursache
der oben erwähnten Schaferkrankung nicht Bazillen oder Kokken
sind, sondern ganz andere Körper, welche morphologisch und
biologisch von denjenigen sich unterscheiden. Hierbei will
ich die halb schematischen Zeichnungen derselben Körperchen
anbringen (Fig. IV). Zugleich aber will ich hier anmerken, daß
auf die Mitteilung von Klebba in Nr. 44 für 1905 J. der
„B. T. W. u über eine Erkrankung bei Schafen, die er einfach
Maulgrind genannt hat, ich es für notwendig hielt, in Nr. 4
des Jahres 1906 ibid. zu bemerken, daß „diese Erkrankung
meinen Beobachtungen nach als bloßer Grind nicht angesprochen
werden darf und daß die richtige Diagnose überhaupt noch
nicht ermittelt ist und daß es dazu noch weiterer Beobachtungen
bedürfen wird“.
II. Fall. Im Jahre 1903 wurde mir der Hals und Hinter¬
leib einer geschlachteten Henne vorgezeigt, um zu bestimmen,
ob dieselbe als Nahrungsmittel benutzt werden kann. Das
snbkutane Bindegewebe derselben war von blaßgelben, ovalen,
leinsamgroßen Kalksteinchen durchsetzt. Die Muskeln ent¬
hielten dieselben nicht. Da die Eingeweide mir nicht vor¬
gezeigt werden konnten und da die massenhaften Kalksteinchen
in dem Bindegewebe auf einen chronischen Prozeß hinzeigten, so
könnte ich die Henne als Nahrungsmittel ntcht rekomman-
dieren und darum blieb das Präparat bei mir konserviert.
III. Fall. Voriges Hungerjahr (1906) zeigten sich im
Stalle, wo ich Kaninchen züchtete, eine ungeheure Menge Ratten.
Gewiß hat dieselben das Futter angelockt. Und wirklich haben
die Ratten mit meinen Kaninchen aus einer Krippe Heu, Hafer
und Kraut gefressen, auch aus ein und derselben Schüssel
Wasser getrunken. Bald darauf erkrankten meine Kaninchen.
Zwischen ihnen brach eine Seuche aus, welche am Ende, über
40 Stück vernichtete, die ich mir zum Winter vorbereitete.
Die Erkrankung drückte sich durch das folgende Bild aus: die
Tiere werden bald traurig, inert und halten sich in der Ferne
von den übrigen, verstecken sich in die dunkeln Winkel des
Stalles; der Bauch ist stark aufgetrieben, das Haar verliert
seinen Glanz, aus den Augen und der Nase rinnt im Überfluß
schleimige Flüssigkeit, welche die ganze Brust begießt; die
Tiere niesen oft, ihr Appetit ist sehr vermindert und
die Tiere leiden an Durchfall, weiter befinden sich die
erkrankten Tiere in schläfrigem Zustand und bleiben gleich¬
gültig zu allem, was sie umgibt. Als sie sich in diesem
Zustande befanden, konnte man nicht selten bemerken, daß ein
Ohr henmtergelassen, während das andere emporgehoben ist.
Das Tier verzehrt sich und wird so weit abgeschwächt, daß,
wenn es schneller laufen oder springen will, es rückwärts
umfällt. Nach einigen Wochen stirbt das Tier bei dauernder
Konvulsion.
Die Autopsie zeigt einen Entzündungsprozeß der Ein¬
geweide und des Magens, in welchem der Inhalt immer mit
grauem, dichten Schleim vermischt ist; die Leber ist immer
hypertrophisch, spröde, von gelber Farbe oder teilweise
677
hyperämisch und glänzend, von Knoten von graugelber Farbe
von Hirsekorn- bis Linsegröße besetzt. Diese sind durch
die Kapsel ganz sichtbar, liegen aber im Parenchym der
Leber, stellenweise verschmelzen sie zusammen und stellen eine
Zerfallsmasse dar. Solche Knoten treffen sich bei manchen
Subjekten auch in den Lungen und in dem Bindegewebe der
Haut auf der ganzen Strecke der Trachea. In den übrigen
Teilen der Eingeweide treffen sich die Knoten nicht. Ich
dachte anfangs, daß hier ein Fall der Tuberkulose vorliege und
säete von den Knoten der Leber und Lungen auf Gelatine
und Agar-Agar; ich bekam aber keine positiven Resultate.
Modifizieren meine Untersuchungen zu derselben Zeit konnte ich
auch nicht und die pathologisch-anatomischen Präparate der
Leber und Lungen mit ihren Knoten blieben mir bisher in
meinem Laboratorium.
IV. Fall. Zu derselben Zeit habe ich ein Paar erkrankter
Kaninchen von der Herde abgenommen und sie zu meinen
Hennen überfuhrt. Nach ein oder zwei Wochen erkrankten bei
mir zwei Hühner (schwarzer Braminaschlag), bei welchen aut
dem Gaumen und in dem Schlunde ein graues Wölkchen, wie
bei Diphtherie, entstand. Aus den Nasenlöchern ergoß sich
aber schleimige Flüssigkeit, die bei Diphtherie nicht zu
bemerken ist. Die Hühner, ebenso wie die erkrankten Kaninchen,
waren aufgetrieben und traurig, hielten sich ganz abgesondert
von den anderen und saßen mehr als sie gingen; der Kamm und
die Flügel am Kopfzeuge wurden blaßgrau. Wenn die erkrankten
sich anstrengten zum Laufen oder zum Fliegen, fielen sie bald
rückwärts um. An demselben Tage, als ich das bemerkt hatte,
schmierte ich den Schlund und Gaumen bei den Hülinern
dreimal mit Jodglyzerin (1:4) tüchtig ein, und die Hühner
wurden gesund. Ich betrachtete dann aber die Erkrankung der
Hühner nicht als Folge der Erkrankung der Kaninchen, und
darum machte ich keine Untersuchungen derselben.
V. Fall. Im November v. J. krepierte bei mir ein Hahn
(Silberbraminaschlag) unter starker Konvulsion und infolge einer
Erkrankung, welche den ganzen Sommer dauerte, d. h. der
Hahn erkrankte gleich nachdem, wie meine Kaninchen verloren
gegangen sind. Seine Erkrankung drückte sich in folgendem
aus: er hörte auf, mit den Hühnern zu spielen, er krähte nicht
mehr, versteckte sich oft und saß mit einem eingezogenen
Halse aufgetrieben, der Kamm und die Flügel am Kopfzeuge
waren graublaß, er litt an intensivem Durchfall und verzehrte
sich vollkommen, seine Bewegungen waren faul. Vor dem Tode
rann ihm viele schleimige Flüssigkeit aus den Nasenlöchern.
Die Autopsie zeigte folgendes: das subkutane Bindegewebe
des Halses, der Flfigelgegend, des Bauches und der Füße ist
von solchen graugelben ebensogroßen Kalksteinchen, wie ich
im zweiten Falle beschrieben habe, besetzt. Die Mukosa und
Submukosa der Eingeweide ist stark hyperämisch und so an¬
geschwollen, daß das Lumen derselben ganz verengt ist. Im
Duodenum befinden sich hanfkerngroße Knoten, die ganz dicht,
einer neben dem anderen, liegen. Am Anfänge der beiden
Blinddärme befindet sich ein haselnußgroßes Neugebilde, das
Blumenkohl ähnelt. Die Leber ist hypertrophiert, und durch
ihre Kapsel schimmern in gelblicher Farbe mohnsamgroße
Knoten. Das Pankreas ist stark hyperämisch, hellviolettfarbig
und durch ihre Kapsel sind auch gelbfarbige Knoten sichtbar,
die hier schon Linsengröße erreichen und beim Abnehmen
der Kapsel w r ie Fisch-Rogen sich zeigen. Beim Exenterieren
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
6?8
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38.
zeigt das Pankreas eine schwere Veränderung: die Knoten
verloren hier ihre Form, schmolzen zusammen und stellten
Zerfallsherde dar. Die Knoten treffen sich auch auf dem
Darmgekröse und auf der Oberfläche der Muskeln. Die
Ausstrichpräparate aus dem Pankreas gaben eine Menge
einzelliger Elemente, welche ungefärbt sich spindelförmig
(Pseudonavicellae) darstellen und ihre Form während ihrer
Bewegungen wechseln. Bei verkleinertem Diaphragma und
bei Vergrößerung von 700 mal zeigen sich runde Zell¬
elemente graugrünlicher Farbe, hellgereift; sie sind zweimal
(oder etwas mehr) größer als die weißen Blutzellen. In
der Luft abgetrocknet und befestigt auf dem Deckglase, durch
denaturierten Spiritus und Äther ää und mit Fuchsinkarbol
gefärbt, geben dieselben folgendes Bild: bohnenförmige oder
nierenförmige oder eirunde Zelle, die einen ovalen, mehr
intensiv gefärbten Kern, der näher an dem konvexen Rande
der Zelle liegt, enthält. In diesem Kern kann man zwei
bis fünf kleinere mehr helle Körnchen unterscheiden. In
dem größten Teile der Zellen liegen ein oder zwei helle Sporen
an den beiden Polen des Körpers oder außer diesen noch zu
zwei Sporen an den Seiten, wie es Fig. Iß zeigt. In einer
Reihe mit diesen Zellelementen liegen runde, helle, ungefärbte
Elemente, welche zweimal so groß sind als die erwähnten
Sporen (Fig. III). Dieses Bild läßt keinen Zweifel zu, daß die
Zellelemente nicht etwas anderes sind, als die Gregarinen, und
daß in dem oben erwähnten zweiten Falle wir auch gewiß
Gregarinen gehabt haben, da die Kalksteinchen in dem Haut¬
bindegewebe der Henne der Form, Größe und Farbe nach ganz
übereinstimmten.
Wenn dieses Merkmal bei zukünftigen Beobachtungen
sich wiederholen wird, so wird man schon imstande sein, nach
diesen Kalksteinchen die Gregarinen bei den Hühnern bald
festzustellen.
Jetzt will ich auf den Zusammenhang der Erkrankung der
Kaninchen und Hühner einerseits und auf die Transportation
der Gregarinen von den Ratten auf die Kaninchen andererseits
eingehen. Ganz möglich zwar, daß ich es hier nicht gründ¬
lich genug klarlegen kann. Ich beabsichtige aber damit nur
auf das Zusammenfallen der Umstände die Forscher bei zu¬
künftigen Untersuchungen aufmerksam zu machen. Oben da
im dritten Falle, habe ich erwähnt, daß die Kaninchen
erkrankten mit dem Auftreten der Ratten. Da es bekannt ist,
daß die Gregarinen mehr bei den Nagetieren — Mäusen, Hasen,
Kaninchen — wie bei den anderen Tieren verbreitet sind, so
wurde die Krankheit in diesem Falle von den Ratten gewiß
verschleppt. Das ist ein nachträglicher Gedanke. Anfangs aber
habe ich das Heu, das den Kaninchen als Futter diente, ver¬
dächtigt, und deshalb habe ich es bald entfernt. Dessen un¬
geachtet verbreitete sich die Seuche sehr stark; dagegen aber
füttere ich einige Kaninchen, welche nach der Seuche übrig
geblieben sind, und noch andere, die ich erst nachher mir
erworben habe, von demselben Heu, welches dann unschädlich
geblieben ist. Also bietet sich da die Frage über die Möglich¬
keit der Transportation der Gregarinen von den Ratten auf
die Kaninchen von selbst. Was aber die Transportation der
Gregarinen von den Kaninchen auf die Hühner anbelangt, so
habe ich schon oben erwähnt, daß ein paar Hühner er¬
krankten im Verlauf einer kurzen Zeit, nachdem ich in ihre
Schar ein paar erkrankte Kaninchen überführt habe. Und
obwohl ich damals die Erkrankung als Diphtherie gerechnet habe,
spricht doch die Flüssigkeit, die bei den erkrankten Hühnern aus
der Nase kam, sowie daß sie so schnell genesen, mehr dafür,
daß ich es mit Gregarinen, aber nicht mit Diphtherie zii
tun gehabt.
Was in dem ersten Falle die obenerwähnten Schafe an¬
belangt, so sind die einzelligen Elemente, die wir da im Blnte
und der Milz gefunden haben, nichts anderes als Gregarinen.
Und da die Abwesenheit der Kerne in den einzelligen Elementen
keinen Zweifel kervorrufen könnte, will ich die kurze Be¬
schreibung von Pütz über die Natur und Geschichte der
Entwicklung der Gregarinen, welche er nach Eimer erklärt,
hier anführen 1 ): Die Gregarinen sollen anfangs kleine, reine
protoplasmatische Gebilde sein, ohne Körnerklümpchen, welche
manches Mal in sich kleine, glänzende Samen enthalten und
amöbaförmige Bewegungen ausiiben.
Die Fig. IV stellt uns solche Gregarinformen ohne Kerne
dar. Wir haben. da Klümpchen, die sich bald linsenförmig,
bald nierenförmig, bald dreieckig vorstellen. , Diese Ver¬
schiedenheit der Form kann uns ganz verständlich werden, wenn
wir uns vorstellen, daß die Novizelien in ihren verschiedenen
Polen der Bewegung erstarrten infolge des Verschwindens der
Flüssigkeit, in welcher sie sich bewegten. In diesem Stadium
haben die Gregarinen die Größe eines weißen Blutkörperchens.
Später entwickeln sie sich allmählich und erwerben ein oder
mehrere Kerne. Zwischen allen übrigen Präparaten, die /wir
aus dem Blute und der Milz der Schafe verfertigt haben,
befindet sich eins, das eine Menge runder Körperchen enthält, die
einigermaßen größer sind als ein weißes Blutkörperchen, und
welche in ihrem Zentrum drei bis vier Kernchen enthalten
(Fig. III). Also haben wir da Gregarinen in verschiedenen Stadien
ihrer Entwicklung. Und da wir außer der Blutarmut, die sich
unter dem Eindrücke dieser Parasiten gebildet hat, keine andere
wesentliche Krankheitserscheinung getroffen haben und da durch
die beschriebene Schafseuche im Verlaufe von zwei Jahren im
Gute des Grafen Orlow Dawidow viele Schafe verloren gingen,
so können wir nicht mit Herrn Prof. Pütz überein stimmen,
daß die Gregarinen, wie er sich auf Prof. Rabe bezieht,
als Ursache der Schafseuche nicht dienen können. Umgekehrt
aber stimmen wir in diesem Falle der Meinung jener Autoren
zu, welche bestätigen, daß die Gregarinen für die Schafe
ebenso gefährlich sind wie für die Kaninchen und Hühner.
Es scheint, daß die Gregarinen wegen ihres Polymorphismus
bei jeder Gattung der Tiere noch mehr müssen studiert
werden, weil wir sehen, daß die Gregarinen bei den
Schafen sich viel mehr unterscheiden von den Gregarinen der
Hühner als die Drepanidien (?) (Fig. f> A) von den Härno-
gregarinen (B).
Referate.
Bemerkungen über die Punktion des Perikards bei
der traumatischen Perikarditis.
Von Prof. Liönaux.
(Annalen de Bruxelles, Juni 1908.)
Schon vor einigen Jahren hat Professor Moussu geraten,
bei den mit traumatischer Perikarditis behafteten Rindern eine
l ) Handbuch für Pathologie von Friedberger und Frühner
(russische Übersetzung).
679
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
17. September 1908.
Punktion des Perikards vom Schaufelknorpel aus vorzunehmen,
diese Operation gestattet den Ausfluß der im Perikard ange¬
sammelten Flüssigkeit, hebt die durch ihren Druck auf das Herz
entstandene Zirkulationsstörung auf, bewirkt die Resorption
des Ödems und macht das infiltriert gewesene Fleisch wieder
genießbar.
Der Verfasser gibt seine Erfahrungen über die Operation
in folgendem bekannt:
Da es sehr gefährlich ist, Tiere mit erweitertem Perikard
hinzulegen, weil durch den Druck der nach der Herzbasis ge¬
preßten Flüssigkeit die Herzohren komprimiert werden können,
was den plötzlichen Tod zur Folge hat, so muß die Operation
am stehenden Tiere ausgeführt werden. Die Prädilektionsstelle
für die Punktion ist der Winkel der von den falschen Rippen
und dem Hals des Schaufelknorpels gebildet wird. An dieser
Stelle wird die Haut dem Hals des Schaufelknorpels entlang in
der Länge von 12—15 cm durchschnitten, wie auch die an
dieser Stelle am Brustbein sich anheftenden Bauchmuskeln, um
so in das Zellgewebe zu gelangen, welches das Brustbein von
der Spitze deB Perikards trennt. Dieser Schnitt darf nicht
mehr als 1—2 cm tief sein. Wird dies fettdurchwachsene Binde¬
gewebe mit dem linken Zeigefinger durchbohrt, so stößt man
plötzlich auf das ausgeweitete, fluktuierende Perikard. Mit der
rechten Hand wird nun ein Trokar, wie er zum Blinddarmstich
verwandt wird, und dem mit dem linken Zeigefinger der Weg
gewiesen wird, bis zum Perikard eingeführt, und dieses mit
einem Ruck durchstochen. Nach der Herausnahme des Stiletts
fließt eine stinkende Flüssigkeit in einem Strahle ab. Um dem
sich im Herzbeutel bildenden Eiter Abfluß zu gestatten und um
einer eitrigen öder jauchigen Blutvergiftung * vorzübeugen, wird
die Wunde drainiert, dadurch daß durch die Kanüle des Trokars
ein KautBchuckschlauch geführt wird,-der drei Löcher in seiner
Wandung hat. Die Kanüle wird herausgezogen und das Droinage-
rohr mittelst einer Naht an die Haut angeheftet.
Bei einer am 8. Dezember auf diese Weise behandelten
Kuh war am 12. Dezember das Ödem verschwunden. Die
Drainage ist fast 3 Wochen sitzen geblieben, bis sie von selbst
herausfiel. Beim Schlachten nach 26 Tagen war der Herzbeutel
durch Synechie geheilt und keine Flüssigkeit mehr # in ihm zu
finden.
Nach der Ansicht des Verfassers soll die Punktion des
Herzbeutels in jedem Falle von Wassersucht infolge traumatischer
Perikarditis versucht werden. Helfer.
Beitrag zur Verknöcherung der Huf knorpel beim Pferde.
Von Dozent Dr. August Zimmermann, Budapest.
(Allatorvosi Lapok, 1908, Nr. 33 und 86).
Verfasser untersuchte innerhalb zweier Jahre 1000 der Poli¬
klinik der kgl. ung. Tierärztlichen Hochschule zugeführte Pferde
auf Verknöcherung der Huf knorpel. Bei sämtlichen wurden die
aufgehobenen Hufe einer genauen manuellen Untersuchung unter¬
worfen. Unter den schweren Lastpferden fand man bei 70,9 Proz.,
bei den leichteren Wagenpferden 31 Proz., endlich bei den Reit¬
pferden in 26,2 Proz. Verknöcherung der Hufknorpel; durch¬
schnittlich macht das bei sämtlichen Fällen (ohne Unterschied)
33,3 Proz. aus. Dieses verhältnismäßig günstige Resultat ist
teils der festeren Konstitution der ungarischen Pferde zuzu¬
schreiben, teils haben die Bodenverhältnisse dazu beigetragen,
da ein Teil der untersuchten Pferde auf weicherem Boden (Acker,
Garten) in der Umgebung der Hauptstadt Dienste leistet.
Sämtliche Fälle beziehen sich auf volljährige Pferde und in der
Mehrzahl der Fälle waren nur die Vorderhufe angegriffen.
Divergierende Ringbildung, Deformation der Fersenkrone, Härte
und Unbeweglichkeit des freien Knorpelrandes wiesen auf das
Leiden hin. Lahmheit wurde in nahezu 10 Proz. der Fälle
beobachtet.
Verfasser hatte Gelegenheit bei drei Fällen von Huf¬
knorpelverknöcherung eine eingehende Sektion, respektive
mikroskopische Untersuchung, zu unternehmen. Es wurden
mehrere kleine Stücke in 5 Proz. Formalinlösung fixiert, dann
nach Auswaschen in Wasser, gehärtet (Alkohol) und in Celloidin
eingebettet; zur Entkalkung diente 3prozentige wässerige
Salpetersäurelösung, aus welcher die Präparate auf 24 Stunden
in eine Alaunlösung gebracht wurden. Die Untersuchungen be¬
stätigten den von Johne als ersten beschriebenen Befund, daß
nämlich die Ossifikation von den Hufbeinästen aus beginnt. Das
Erweitern der Neversschen Kanäle, Bildung von Howshipschen
Lakuen mit Osteoklastzellen, die Auflösung der Knorpelkapseln
durch osteoblastisches Gewebe konnte an den mikroskopischen
Präparaten weiter verfolgt werden.
Die Verknöcherung der Hufknorpel erscheint als ein sekun¬
däres Leiden mit chronischem Verlauf, ohne Heilung.
Die Behandlung bleibt eine palliative. Dr. Z.
Mitteilungen ans den Berichten der sächsischen
Bezirkstierärzte.
Von Med.-Rat Prof. Dr. Edelmann in Dresden.
(Bericht U. d. Veterinäiw. d. Kgr. Sachsen f. d. Jahr 1906.)
Bemerkenswerte Einzelfälle bei Pferden. —
Karzinomatose beobachtete Noack-Leipzig bei einer mittel-
afclrweren Stute von 12-14 Jahren,"die immer * gesund, nur
zuletzt einen Schwindelanfall bekommen und dann über Nacht
plötzlich gestorben war. Beim Öffnen des wohlgenährten
Kadavers fiel auf, daß der Blinddarm in normaler Lage mit
dem Grimmdarm verwachsen war, an der Spitze besonders
durch ein fast kopfgroßes Konglomerat von weiß bis rot ge¬
färbtem, apfel- bis gänseeigroßen Geschwülsten. An der Spitze
des Coecums stellte die Geschwulst die verdickte Wand dar,
maß 3—5 cm, betraf alle Schichten und war innen geschwürig
zerfallen. Die rechte Nierenlymphdrüse war in einen reichlich
apfelgroßen Tumor von fast weißer Farbe umgewandelt. Die
Schilddrüse stellte jederseits eine etwa enteneigroße Ge¬
schwulst dar.
Leberegel. Von drei aus Ostpreußen bezogenen Pferden
im Alter von 4—6 Jahren erkrankten nach einiger Zeit zwei
unter Erscheinungen von Ernährungsstörungen. Die Tiere
fraßen schlecht, magerten ab und hatten anfangs blasse, später
gelb verfärbte Schleimhäute. Von den beiden Tieren erholte
sich das eine nach acht Wochen wieder, das andere ging an
Kachexie zugrunde. Bei der Sektion des verendeten Pferdes
fand Brietsch-Grimma, daß eine massenhafte Durchsetzung
der Leber mit Distomum hepaticum vorlag.
Thrombose. Ein 18jähriges Reitpferd, das nie krank
gewesen war, bekam einen achttägigen Kolikanfall, nach zwei
Monaten einen zweiten, der nach zehn Tagen in scheinbare
Genesung überging, aber hochgradige Schwäche zurückließ.
Das Tier magerte ab; beim Stehen trat eine Anschwellung des
rechten Hinterschenkels ein. Diese nahm mehr und mehr zu,
zeigte sich später auch linkerseits. Da- sich noch Schling¬
beschwerden bei dem fieberfreien, im allgemeinen munteren
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38.
680
Tier einstellten, erfolgte Schlachtung. Sch all er-Zwickau fand
Thrombosierung der verschiedensten Gefäße, so am Kopf, Hals,
den Därmen, in der Lunge, am linken Hinterschenkel. Am
rechten Hinterschenkel war kein größeres Gefäß mehr wegsam.
Knochenbruch. Ein Pferd glitt in schneller Gangart
beim Betreten eines Straßenbahngleises derart aus, daß es mit
nach vorn gestreckten Vorderfiißen plötzlich zu Boden stürzte
und sich einen Bruch des rechten Schulterblattes im unteren
Drittel zuzog. Die Bewegungen des Tieres waren nach Freytag-
Plauen die eines schwer schulterlahmen mit der Besonderheit,
daß es in den unteren Gelenken nicht durchtrat und den Huf
nur mit dem Zehenteil auf dem Boden setzte. Therapie: Drei
Woclidh kühlende Umschläge, später Kantliaridensalbe. Nach
14 Tagen machte das Pferd die ersten Gehversuche, nachdem
es vorher auf einer Stelle gestanden hatte. Nach sechs Wochen
wurden die unteren Gelenke normal gebraucht, nach drei
Monaten war im Schritt keine Lahmheit zu sehen. Jetzt ver¬
richtete das Tier seinen Dienst als Kutschpferd.
Als Ursache zur Stallbeule glaubt Haub old -Meißen eine
zu geringe Leistungsfähigkeit der Brustorgane der Pferde
ansehen zu müssen. Er hat sehr häufig beobachtet, daß Pferde
mit Stallbeule, mit Herzmängeln und Kurzatmigkeit belastet
sind oder aber für die geforderten Anstrengungen noch zu jung,
zu weich, auch zu schlecht genährt sind. Derartige übermüdete
Tiere liegen im Stalle viel, aber sie liegen infolge mangelhafter
Brustorgane nicht flach auf der Seite, sondern auf dem Brust¬
bein, wobei sie sich besonders auf die Ellenbogenhöcker stützen
und diese quetschen.
Zur Frühdiagnose der Schale an den Vorderextre¬
mitäten scheint nach Lange-Dippoldiswalde in der Abnutzung
der Eisen ein wichtiges Hilfsmittel gegeben zu sein. Bei
Pferden mit Kronenschale nutzt sich das Eisen dergestalt ab,
daß eine eigentliche Abschwungsreibung nicht eintritt, sondern
ein Umbrechen des Zehenrandes und Bildung einer im Winkel
zur Bodenfläche dep Eisens geneigten Fläche sich einstellt und
zwar schon sehr frühzeitig, wenn die Natur der Lahmheit mit
Bestimmtheit nicht nachweisbar ist. An Griffeisen und bei
Pferden, die nur im Acker gehen, läßt sich diese Erscheinung
nicht erkennen. Richter.
Phenyform, ein neues Desinfektionsmittel.
Von Dr. Lemke, Berlin.
(Wochenschr. f. Tierbeilk. u. Viehzucht, 52 Jahrg., Nr. 9.)
Das Phenyform ist ein Kondensationsprodukt der Karbol¬
säure und des Formaldehyds. Es wird in flüssiger und in ge¬
pulverter Form in den Handel gebracht. Die erstere stellt eine
weinrote Flüssigkeit von angenehmem Geruch vor, welche mit
Wasser eine klare Lösung gibt. Das Pulver ist sehr fein, licht-
und luftbeständig, nicht hygroskopisch, gelblich-weiß, löslich in
Alkalien und Alkohol, unlöslich in Wasser, Chloroform und
Benzol. Hundert Gramm Phenyformpulver kosten 3 M., es ist
um 6 mal leichter als Jodoform, also wesentlich billiger denn dieses.
Lemke empfiehlt das flüssige Präparat an Stelle von Lysol
Bazillol, Septoform, das Pulver als Ersatz des Jodoform und
Tannoform, insbesondere bei Gelenkwunden und Panaritien. Die
desinfizierende Kraft ist eine große; für das Publikum besitzt
das Medikament den Vorzug der relativen Ungiftigkeit.
In der Humanmedizin wird das Phenyformpulver von vielen
Ärzten dauernd in Gebrauch genommen. Da es nicht reizt, so
kommt es auch bei Geschwüren und anderen Erkrankungen der
Kornea mit bestem Erfolg in Anwendung. J. Schmidt.
Klinische Untersuchungen über die Wirkung modi¬
fizierter Salizylsäuren auf die Harnorgane.
Von Professor Dr. Gm einer in Gießen.
(Folla urologica. I. Band, Nr. 7.)
Gm. faßt die Resultate seiner Untersuchungen in folgende
Sätze zusammen:
1. Die Salizylsäure und ihre Abkömmlinge rufen sowohl
beim Menschen, als bei Haustieren ständig in den Nieren und
den ausscheidenden Harnwegen Reizungserscheinungen hervor,
welche einen desquamativen Charakter tragen.
2. Der chronische Gebrauch der Salizylsäurepräparate be¬
deutet für den tierischen Organismus fraglos eine ernste Gefahr.
3. Unter allen therapeutisch zurzeit gebrauchten Salizyl¬
säurepräparaten entfaltet das Novaspirin im tierischen Organismus
die geringsten Schädigungen. Rdr.
Ein interessanter Fall von Tuberkulose beim Pferde.
Von Stadttierarzt Fritz Behr, Schlachthof Mannheim.
(Mitteilangen des Vereins badischer Tierärzte, 8. Jahrg., Nr 3.)
Ein zirka 15 Jahre altes, sehr stark abgemagertes und mit
Atembeschwerden behaftetes Pferd wurde bei der Fleischbeschau
als tuberkulös befunden. Die betreffenden Veränderungen er¬
streckten sich auf Lunge (mit erbsengroßen Tuberkeln infiltriert),
Pleura, Herzmuskel, Epikard, Endokard, Mesenterialdrüsen, Milz
und Bauchfell. Auch in der Nasenhöhle (Schleimhaut der linken
dorsalen und mittleren Nasenmnschel) fanden sich zirka 10
hirsekorn- bis linsengroße graugelbe derbe Tuberkel mit meist
gerötetem Hof. Ganz eigenartig war die Tuberkulose des
Endokardiums, die in Form der Endocarditis tufeerculosa pettosa
scutellata auftrat. Sie bildete nämlich etwa talergroße, schuppen¬
ähnliche, verkalkte Einlagerungen mit scharf vorspringenden
Rändern und konkaver Oberfläche. Außerdem fand sich unter
der wandständigen Bikuspidalklappe ein bohnengroßer, tuber¬
kulöser Granulationsknopf und perleriähnlicke tuberkulöse Granu¬
lationen an den Sehnenfäden dieser Klappe.
Bezüglich der Statistik teilt Verfasser noch mit, daß in den
letzten drei Jahren von 1624 in Mannheim geschlachteten Pferden
nur 6 (0,36 %) tuberkulös waren. Drei wurden als untauglich
erklärt, während sich die Erkrankung bei den anderen drei
Pferden nur auf einzelne Organe beschränkte. J. Schmidt.
Ein Harnstein bei einem 10 Wochen alten Fohlen.
Von B. Ntmeeek, k. u. k. Militärtierarzt d. R.
(Tierärztliches Zentralblatt, 1908. Nr. 18.)
Ncmecek fand bei einem 10 Wochen alten Fohlen, welches
ihm wegen Harnbeschwerden zugeführt wurde, 3 cm hinter der
Eichel sitzend einen Harnstein im Durchmesser von zirka 10 mm,
der mittelst Pinzette enfternt werden konnte. Nemecek ver¬
mutet, daß die Bildung des Steines in diesem jugendlichen Alter
dadurch begünstigt worden ist, daß in dem betreffenden Stall
den Pferden rotes Viehsalz mit dem Futter verabreicht wird.
Das rote Viehsalz soll viele Kalksalze enthalten. Rdr.
Ans der medizinischen Literatur.
Deutsche Medizinische Wochenschrift, .77. Jahrg., Nr. 36, S. 1551.
Über die anatomischen Wirkungen der Röntgenstrahlen auf den Hoden.
Von Herxheimer und Hoffmann. — Die an Kaninchenhoden an-
gestellten Versuche bei mäßiger Röntgenbestrahlung ergaben,
daß nicht die Gefäße oder Nerven sondern die Zellen des
17. September 11)08.
Hodenparenchyms, nnd zwar zunächst die Samenzellen, an¬
gegriffen werden. Der Vorgang ist ein rein degenerativer oder
nekrotisierender. Zuerst vermindern sich unter der Wirkung
der Röntgenstrahlen die Spermatogonien und Spermatozyten. Die
Spermiogenese d. h. die Ausbildung neuer, reifer Samenfäden
hört auf und schließlich steht die Spermatogenese überhaupt still.
Unter den Degenerationsformen der verschiedenen Samen¬
zellen, namentlich der Spermatozyten und Spermatiden, kann
man Zerklüftung des Protoplasmas und alle möglichen Formen
des Kernzerfalls beobachten. Did fertigen Spermatozoen im
Innern der Hodenkanälchen leisten der Bestrahlung am längsten
Widerstand, allmählich tritt aber völlige Azoospermie ein. Nach
Zugrundegehen der Samenzellen geht von den Sertolischen Fu߬
zellen eine hochgradige Wucherung am Rande der Kanälchen
aus. Trotz dieser Ersatzwucherungen, an denen sich auch das
Zwischengewebe mit den für den Hoden typischen Zwischen¬
zellen raumfiillend beteiligen, ‘kollabieren die Samenkanälchen,
da sie zellärmer werden. Die Vermehrung der Zwischenzellen
ist interessant im Hinblick auf die bekannte gleiche Erscheinung
in kryptorchidischen Hoden und bei sonstigen atrophischen
ZuBtänden der Testikel. Bei außerordentlich lang fortgesetzten
Radiumbestrahlungen gehen dagegen fast alle höher differenzierten
Zellen, also auch die Sertolischen und die Zwischenzellen
zugrunde. In diesem Falle wuchert das Bindegewebe noch
allein und tührt eine völlige Obliteration der Kanälchen herbei.
Bei mäßiger Schädigung der Hoden, wie sie den Versuchen
des Verfassers entsprechen, trat nach einiger Zeit von den
jeweils noch erhalten gebliebenen Spermatogonien aus eine
Regeneration ein unter Zurückdrängung der Sertolischen Zellen
und der Zwischenzellen. Allmählich stellen sich dann die ver¬
schiedenen Samenzellen ein und es kommt schließlich wieder zur
Bildung neuer Samenfäden, sofern nur einige Spermatogonien
von dem zerstörenden Prozeß verschont geblieben sind. Nach
den vorliegenden Versuchen ist die Regenerationsfähigkeit der
Samenzellen weit größer, als man bisher angenommen hatte.
Für eine mittelst Röntgenstrahlen etwa beabsichtigte Kastration
ist diese Regenerationsfähigkeit von praktischer Bedeutung.
Dieselbe Zeitschrift , S. 1556.
Automatischer Paquelin. Von Dr. M. Naumann. — Den un¬
bestreitbaren Vorzug des Glühstiftes in der kleinchirurgisclien
Praxis, den er sogar der Elektrolyse gegenüber besitzt, hat
Verfasser dadurch noch zu erhöhen gesucht, daß er einen
Paquelin konstruierte, der automatisch in Glut erhalten wird.
Er benutzt zu diesem Zweck eine gewöhnliche Harnzentrifuge
mit Wasserantrieb. Ein Schwungrad steht mit einem hölzernen
Riegel in Verbindung, der bei jeder Umdrehung auf den Gummi¬
ball des Gebläses drückt. 200 malige Umdrehung in der Minute
bildet die mittlere Geschwindigkeit, die die Platinspitze
glühend erhält.
Zentratblalt für Bakteriologie usw ., Bd. 17. Heft 4 , S. 483
Zur Infektionsmögllchkeit der Hühner mit Dourinetrypanosomen.
Von Yaklmoff und Nina Kohl. — 4 Hühner wurden teils subkutan,
teils intravenös mit trypanosomenhaltigem Meerschweinchenblut
infiziert. Während Rouget behauptet, daß die Vögel (Hühner,
Tauben, Sperlinge) und die Fledermäuse absolut immun seien
gegen jede Art und Zahl der Einverleibung von Dourinne-Erre-
gern (Tryponosoma Rouget), kamen die Verfasser zu dem
Ergebnis, daß Hühner unter Umständen der subkutanen Dourine-
infektion zugänglich sind, sie jedoch überstehen.
681
Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt.
Band 27 u. 28. Referiert von Dr. Mießner.
Über die Ursachen der Phagozytose.
Von Neufeld.
Neufeld hat durch folgendes interessante Experiment die
Ursache der Phagozytose zu ermitteln versucht. Gewaschene
Hammelblut- und Hühnerblutkörperchen werden mit Leukozyten
zusammengebracht. Es tritt keine Phagozytose ein. Auf Zusatz
von Antihühnerblutserum werden nur die Hühnererythrozyten
von den Phagozyten aufgenommen, umgekehrt nur die Hammel¬
blutkörperchen auf Zusatz von Antihammelblutserum. Auf
Grund dieser und ähnlicher Versuche anderer Autoren bei
Bakterien kommt Neufeld zu dem Schluß, daß Bakterien oder
körperfremde Zellen nur dann von den Phagozyten aufgenommen
werden, wenn sie dieselben durch Abgabe besonderer Reizstoffe
dazu anregen. Das Ausbleiben der Phagozytose erklärt sich
dadurch, daß die Blutkörperchen oder Bakterien chemische
Stoffe an die Umgebung nicht abgeben, sobald sie sich in einer
isotonischen Lösung befinden. Die Wirkung des zyto- oder
bakteriotropen Serums beruht auf einer Änderung des physi¬
kalisch-chemischen Zustandes der Zelle bzw. des Bakteriums,
wobei ein bestimmter Bestandteil des Zelleibes in eine lösliche
Modifikation übergeführt wird. Infolgedessen ist die Zelle nur
von einer ganz dünnen Schicht umgeben, die einen Reiz- oder
Schmeckstoff für die Leukozyten enthält. Eine Vernichtung der
Zelle ist damit nicht verbunden. Hiermit ist nicht zu ver¬
wechseln die spontane Phagozytose normaler Sera, dieWright
als Opsonin Wirkung erklärt. Nach Neufeld und anderen
Autoren ist die osponische Serumwirkung auf bakteriologische
Vorgänge zurückzuführen^ die eine teilweise Lösung der
Bakterienzelle und damit auch ein Freiwerden der Sehmeck-
und Riechstoffe bewirken. Wenn trotzdem derartige Sera nicht
bakterizid wirken, so spricht dies nur dafür, daß bakterizide
und opsonische Serumwirkung nicht identisch sind, trotzdem
handelt es sich bei der Opsoninwirkung um einen Li^sungs-
prozeß, der durch Zusammenwirken eines Ambozeptors und
eines Komplements bedingt wird.
Beitrag zor Kenntnis der Phagozytose und der
Herkunft des Komplements.
Von Neufeld.
Durch einwandfreie diesbezügliche Versuche ist von Neu¬
feld nachgewiesen, daß die Leukozyten Komplement nicht sezer-
nieren und überhaupt ein wirksames Komplement nicht abgeben.
Es ist dies für die große Verschiedenheit der bakteriotropen
von den bakteriolytischen Substanzen von Wichtigkeit, weil
daraus hervorgellt, daß die bakteriotrope Substanz nicht ähnlich
der bakteriolytischen, wie ein Ambozeptor gemeinschaftlich mit
dem Komplement die Auflösung der Zellen veranlassen kann
Nach den weiteren Untersuchungen erscheint ferner die Annahme
berechtigt, daß die bakteriolyt ische Wirkung von Ambozeptor
und Komplement in derselben Weise mit der Granula¬
bildung ihren Abschluß erreicht, wie die Hämolysinwirkung
mit dem Austritt des Hämoglobins aus den Blutscheiben, daß
also eine restlose Auflösung nicht statt hat. Im Gegensatz
hierzu findet in den weißen Blutkörperchen in vielen Fällen
eine völlige Auflösung statt. Es sind also auch diese Vorgänge
eine weitere Stütze für die Trennung der durch Bakteriotropine
veranlaßten phagotären von der lytischen Immunität, die durch
Bakteriolysiene verursacht wird.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
682
Technik und Methodik des biologischen Verfahrens
zum Nachweis von Pferdefleisch.
Von Uhlenhuth, Weidanz und Wedemann.
Bei der Bedeutung, welche das biologische Verfahren dadurch
erlangt hat, daß es für die Untersuchung auf Pferdefleisch
in den am 1. April 1908 in Kraft getretenen Ausführungs¬
bestimmungen zum Fleischbeschaugesetz enthalten ist, haben sich
die Verfasser der dankenswerten Aufgabe unterzogen, nochmals
genau die Methodik ausführlich zu schildern. Sie haben dabei
auf alle Fehlerquellen aufmerksam gemacht und einen voll¬
ständigen Plan ausgearbeitet, nach dem man vorzugehen hat.
Ich darf das Verfahren als bekannt voraussetzen, möchte dagegen
4ie Herstellung der zur Prüfung notwendigen Flüssigkeit streifen.
Als Antiserum wird das Serum vom Kaninchen nach drei bis
sechs intravenösen Einspritzungen von je 3 ccm Pferdeserum
benutzt. Zur klaren und sterilen Gewinnung ist das Serum
durch den Uhlenhuth-Weidanzschen Filtrierabfüllapparat zu
filtrieren und vor Licht und Wärme zu schützen. Die etwaige
Opaleszenz soll durch Hungern des Kaninchens vor der Blut¬
entnahme zu vermeiden sein.
Das zu untersuchende Fleisch wird drei Stunden lang mit
0,85 proz. Kochsalzlösung stehen gelassen. Zur Prüfung, ob
genügend Eiweiß in die Flüssigkeit übergegangen, benutzt man
die Schaumbildung. Schütteln der Flüssigkeit empfiehlt sich
nicht. Der Extrakt muß neutral und klar sein. Letzteres wird
durch Filtrieren (Kieselgur) erreicht.
Zur Untersuchung ist frisches, gefrorenes, ausgetrocknetes
geräuchertes, gepökeltes und faulendes Fleisch, nicht aber
gekochtes geeignet. Auch die Prüfung von Nährpräparaten
(Hämatogen-Puro) gelingt mit der biologischen Methode.
Zur Prüfung von gekochten Fleischpräparaten eignet
sich dagegen Komplementablenkung, wenn sie auch mit
allergrößter Vorsicht anzuwenden ist, da selbst die Präserve-
salze find Gewürze abzulenken imstande sind.
Im Anfang befinden sich die Ausführungen zum Gesetz und
eine genaue Angabe der für die biologische Methode notwendigen
Utensilien. Jedem, der mit derartigen Fleisch- und Wurst¬
untersuchungen zu tun hat, ist die Arbeit aufs wärmste zu
empfehlen.
Vergleichende Untersuchungen über die praktische
Verwertbarkeit der Präzipitinreaktion und der Komple-
mentbindungsmethode zum Nachweis von Pferdefleisch.
Von Weidanz und Borchmann.
Verfasser haben die Komplementbindungsmethode zum Nach¬
weis des Pferdefleisches ausführlich beschrieben (in der Arbeit
nachzulesen) und hierbei auf alle etwaigen Fehlerquellen und
Kontrollen eingehend aufmerksam gemacht. Vor allem haben
sie die bei der Wurstfabrikation und Fleischkonservierung in
Frage kommenden Gewürze und Salze auf ihre komplement¬
bildende Tätigkeit geprüft und dabei festgestellt, daß eine
große Anzahl von diesen Stoffen die Komplementbindungs¬
methode störend beeinflussen, ja unmöglich machen können.
Durch Verstärkung des hämolotischen Systems oder durch Ver¬
dünnung der Untersuchungsflüssigkeiten ist man imstande, die
ablenkeude Wirkung der koktostabilen Substanzen zu beseitigen.
Die mit denselben Lösungen ausgeführte Präzipitiermethode ver¬
sagte nur in einem Falle.
Dagegen leistet die Neißer-Saehssche Komplement¬
bindungsmethode wegen ihrer Empfindlichkeit bei gekochten
Würsten gute Dienste, wie Schütze und Wassermann
zuerst festgestellt haben. Auf Grund ihrer Untersuchungen
kommen Verfasser zu dem Schluß, daß die Präzipitation in
der Praxis wegen ihrer Zuverlässigkeit, Leichtigkeit
und Schnelligkeit der Ausführung, Billigkeit, vor¬
nehmlich Anwendung finden wird und zur Komplementbindungs¬
methode nur zur Kontrolle oder bei Untersuchung gekochter
Präparate die Zuflucht genommen wird.
Bei negativem Ausfall der Präzipitiermethode ist allein auf
Grund der eventuell positiven Komplementablenkung ein Urteil
in der Praxis nicht abzugeben.
Über den biologischen Nachweis der Herkunft von
Blnt in blutsangenden Insekten.
Von Uhlenhuth, Weidanz und Angeloff.
Verfasser untersuchten das von Blutegeln, Flöhen, Wanzen,
Zeckeif, Mücken aufgenommene Blut mit Hilfe der Präzipitations¬
methode und Komplementablenkung. Sie konnten stets die
Herkunft des Blutes bestimmen. Für epidemiologische Forschungen
kann dieser Nachweis häufig von Bedeutung sein.
Tagesgeschichte.
Vorschläge zur Neuorganisation des
Veterinärbeamten tu ms.
Von Graffunder-Landsberg a. W.
Die vielfachen anregenden, lediglich dem Standesinteresse
dienenden Artikel dieser Zeitschrift veranlassen mich, auch auf
einen wunden Punkt in der bisherigen Ausbildung der VeterinÜr-
beamten hinzuweisen. Dieser Punkt ist kurz angedeutet, der
Mangel jeglicher, außerhalb des Faches liegender Gesetzeskunde,
die heute von jedem gebildeten auch einschließlich den technischen
Beamten auf dem großen Gebiete des allgemeinen Staats- und
Verwaltungsrechts verlangt werden muß. In unserem Staats¬
leben besteht das bis heute noch übliche Verfahren, den, den
einzelnen Behörden zugeteilten technischen Beamten bei Abgabe
von Gutachten, Erlaß von Entscheidungen und Verordnungen
usw. nur das fachtechnische Urteil zu überlassen, während die
rechtlichen, verwaltungsrechtlichen, polizeilichen, wirtschaftlichen
Fragen von den Verwaltungsbeamten geregelt werden. Man
ging oder geht allerdings richtigerweise von der Voraussetzung
aus, daß die technischen Beamten wegen ihrer einseitigen rein
fachmännischen Ausbildung zur Beurteilung allgemeiner des
Staats- und Verwaltungsrechts usw. betreffender Fragen gar
nicht befähigt wären. Wenn wir ganz offen sein wollen, müssen
wir diese Gründe anerkennen und gelten lassen. Wie oft kommt
es vor, daß ein Veterinärbeamter den Entwurf irgendeiner zu
erlassenden veterinärpolizeilichen oder sonstigen veterinären
Anordnung für die Behörden entwerfen soll und muß. Kann
derselbe in einer vollständigen, abgesehen von der veterinär¬
technischen Seite, in rechtlicher und polizeilicher, unter gleich¬
zeitiger Berücksichtigung der wirtschaftlichen und Handels¬
interessen einwandfreien Entwurf herstellen? Die Antwort
lautet: Nein! Es ist auch von uns nach Lage der Sache gar
nicht zu verlangen. Ich habe auch die Überzeugung, daß die
älteren erfahrenen Veterinärbeamten im Laufe der Jahre unter
fleißigem Studium und unter Zuhilfenahme der einschlägigen
Verwaltungsgesetzbücher, als Illing, Großkopf, Hue de Grais
17. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
683
usw. sich einige Kenntnisse nach dieser angeregten Richtung
hin erworben haben, aber hierin vollkommen sattelfest ist wohl
niemand derselben zu erachten. Wenn anch viele beamtete
Kollegen entgegengesetzter Ansicht sein mögen, und den bis¬
herigen alten Standpunkt weiter vertreten wollen, daß uns nur
die rein veterinärtechnischen Fragen interessieren, während wir
die übrigen juristischen und sonstigen Fragen den juristischen
Dezernenten ruhig weiter überlassen müssen, so kann ich mich
aus vielen Gründen dafür nicht mehr entschließen. Ein Wandel
muß eintreten. Die Veterinftrbeamten sind zwar in erster Linie
für die veterinärtechnischen Fragen verantwortlich, aber sie
müssen in Zukunft auch gleichzeitig für die allgemein recht¬
lichen und sonstigen wirtschaftlichen Fragen, die sie bei Ab¬
gabe ihres Urteils oder Gutachtens zu berücksichtigen haben,
herangezogen werden können.
Es dürfte sich doch ganz anders ausnehmen, wenn ich mit
einem vollständigen einwandfreien Verordnungsentwurf der Be¬
hörde entgegentrete, als wenn ich den Herrn juristischen
Dezernenten, in der Regel den Herrn Regierungsassessor, gütigst
um Aufklärung bzw. Angabe der bezüglichen Paragraphen im
Polizeiverwaltungsgesetz und allgemeinen Landesverwaltungs¬
gesetz usw. angehen muß. Ich komme keineswegs mit einer
neuen Idee. Schon Frohner hat im I. Teil des Handbuchs
„der preußische Kreistierarzt“ auf die Sammlung von Gesetzen
und Verordnungen hingewiesen, die auf die Tätigkeit der be¬
amteten Tierärzte Bezug haben.
Aber auch in anderen technischen Beamtenkreisen macht
sich das Bedürfnis nach allgemeiner Ausbildung in* obigem Sinne
rege. Z. B. werden für das höhere Postfach bereits an einzelnen
Universitäten Spezialkurse in den Rechts- und Staatswisson-
schaften eingerichtet.
Für die Veterinärbeamten halte ich eine änhliche Aus¬
bildung durchaus für notwendig, trotz der immer noch an¬
wachsenden fachwissenschaftlichen Anforderungen. Voraussicht¬
lich wird in kürzerer oder längerer Zeit eine Umwälzung der
Dienst Verrichtungen der Veterinärbeamten zu erwarten sein.
Es wird hierbei in den maßgebenden Kreisen auch die Frage
erörtert werden, ob man z. B. den Departementstierärzten so
ohne weiteres selbständig das Veterinärdezernat übertragen |
kann oder nicht, d. h. ob dieselben dieser Aufgabe nach Lage
der Sache gewachsen sein werden u. dgl. m. Eine Antwort
hierauf erlasse man mir. Meine Vorschläge zur weiteren Aus¬
bildung der Veterinärbeamten gehen nun dahin:
Es müßte zunächst von einer behördlich ernannten Kom¬
mission ein geeigneter Unterrichtsplan aus dem großen Gebiete
der Rechts- und Staats Wissenschaften für die Veterinärbeamten
aufgestellt werden, wie dieser z. B. zurzeit für das höhere
Postfach in Angriff genommen ist.
Neben den veterinärpolizeilichen Fragen der Viehseuchen-
gesetzgebnng müßten unter anderen auch die dabei in Frage
kommenden juristischen und polizeilichen Auslegungen in Ver¬
bindung mit der Strafprozeßordnung behandelt werden.
Bei der Fleischbeschau- bzw. 'Nahrungsmittelgesetzgebung
wäre dasselbe zu berücksichtigen.
Ferner wären Vorlesungen über das erwählte Kapitel aus
dem Verfassungs- und Verwaltungswesen, besonders den Be¬
amten«, den allgemeinen Landesverwaltungs- und Polizei¬
verwaltungsgesetzen, Handels- und Gewerbegesetzen usw. er¬
forderlich.
Dieses neue Unterrichtsgebiet wäre als obligatorisch für
die Prüfungen zu beamteten Tierärzten einzuführen. Es wäre
ferner in Erwägung zu ziehen, ob man diesen Gegenstand den
Universitäten oder den tierärztlichen Hochschulen angliedem
soll. Ich stehe auf dem letzteren Standpunkt. Hier wäre
gleichfalls ein weiterer Grund für die baldige Einrichtung des
Privatdozententums, einer jetzt sehr brennend gewordenen Frage,
an den tierärztlichen Hochschulen als vorliegend zu erachten.
Indem ich diesen Gegenstand verlasse, habe ich noch eine zweite
Forderung für die zukünftige Tätigkeit der Veterinärbeamten
zu stellen. Diese ist „die Mitwirkung der beamteten Tierärzte
in der Tierzucht von Amts wegen“. Wenn man die zahlreiche
Vortragsliteratur und sonstigen Abhandlungen über die Mit¬
wirkung der Tierärzte in der Tierzucht durchsieht, wie hier
der Tierarzt als der beste Berater des Landwirts hingestellt
wird oder wie Nörner im dritten Bande des preußischen Kreis¬
tierarztes von Fröhner und Wittlinger, S. 390. den Tier¬
arzt und besonders den beamteten Tierarzt infolge seiner
wissenschaftlichen und praktischen Ausbildung in allen Fragen
über Tierkrankheiten, Seuchenbekämpfung, Gesundheitspflege,
Stallhygiene, Rassenkunde, Exterieur und Interieur der Tiere
usw. für einen wertvollen unparteiischen Ratgeber hält, dann
beschleicht wohl jeden Leser ein eigentümliches Gefühl, welches
sich in dem bekannten Refrain: „Es wär so schön gewesen,
doch es hat nicht sollen sein“, Luft macht.
So beachtenswert und zutreffend diese Nörner sehen Aus¬
führungen sind, so haben dieselben bei der preußischen Land¬
wirtschaft keinen Anklang gefunden. Im Gegenteil scheint bei
unserer Landwirtschaft, im Gegensatz zur süddeutschen die
Parole ansgegeben worden zu sein, „heraus mit den Tierärzten
aus der Tierzucht!“ Mag dieser oder jener meine Äußerung
für übertrieben halten, so bleibe ich doch auf Grund meiner
Erfahrungen dabei stehen. Wir Tierärzte haben seinerzeit
den Anschluß, das Gebiet der Tierzucht zu erobern, wie so oft
versäumt. In den früheren Jahren, vor Einführung der Land¬
wirtschaftskammern, war das anders. Damals herrschte noch
ein friedliches Einvernehmen zwischen den landwirtschaftlichen
Kreis- und Provinzialvereinen und den Tierärzten. Letztere
I wurden früher zu den Beratungen über Tierzuchtfragen, zu der
Prämiierungskommission, bei den Tierausstellungen usw. hinzu¬
gezogen. Jetzt hat man noch diejenigen Tierärzte, welche sich
für die Hebung der Tierzucht interessieren, einfach aus den
Kommissionen hinausgewimmelt. Auf den Tierschauen der Aus¬
stellungen, Zuchtvieh auktionen, Zuchtviehmärkten und Kom¬
missionen laicht zu vergessen, spielt der Veterinärbeamte eine
traurige, schon mehr Popanzenrolle. Mit der gesetzlich vor¬
geschriebenen, veterinärpolizeilichen Kontrolle ist seine Tätigkeit
beendet. Ebenso gilt er bei den sogenannten Stallschauen,
Stallprämiierungen u. dgl. Veranstaltungen mehr als überflüssig.
Die Organisationen der Landwirtschaftskammern sind in allen
Punkten derartig straff geregelt, daß die Staatsregierung einer
direkten Einmischung in diese Sache sich zu enthalten scheint.
Ich habe und vertrete immer noch den früheren Standpunkt,
daß die Tierärzte zur Mitwirkung in der Tierzucht eines Staates,
wie schon in Süddeutschland, in erster Linie berufen sind. Ins¬
besondere sind die beamteten Tierärzte dazu in amtlicher Eigen¬
schaft heranzuziehen. Selbstverständlich muß eine diesbezügliche
gründliche Vorbildung voTangehen, um auch hier auf diesem
Gebiete tüchtiges leisten zu können. Es wäre auch die Tier-
684
No. 38.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
zucht in Zukunft in die Prüfungsordnung für beamtete Tierärzte
ebenfalls obligatorisch aufzunehmen.
Ich hin am Ende meiner Ausführungen. Ich bin mir auch
bewußt, daß meine Vorschläge von manchen Kollegen als un¬
nötige, als weitere Belastung der amtlichen Tätigkeit der
Veterinärbeamten angesehen, und deshalb zurückgewiesen werden.
Dies wäre meiner Ansicht nach recht bedauerlich. Unser Beruf
ist allerdings sehr vielseitig, aber noch lange nicht überlastet.
Andere Berufe haben mindestens ebensoviel oder noch mehr zu
leisten. Ich wollte hier vorläufig nur die Anregungen zur
weiteren Aussprache und eventuell Beschlußfassung in den
einzelnen Fachvereinen geben, in der Hoffnung, daß dieselben
auf fruchtbaren Boden fallen mögen.
Die Verantwortlichkeit der Veterinäre.
Tragikomische Erinnerungen aus der Roßarzt-Zeit.
Von Maximilian-Rudolstadt.
Bei der zweiten Abteilung des Feld-Artillerie-Regiments
Nr. 22 in Minden i. W. war „Lumpenparade“. Es wurden auch
die nackten Pferde vorgeführt und die letzten Remonten der
Abteilung machten den Anfang. Gleich beim ersten Pferde
(Adolph) sprach der Herr General v. A. B.: „Wie
kommen Sie zu diesem schönen Pferde, Herr Major, solche
Pferde sieht man nur bei der Gardekavallerie?“ „Ja, Herr
General“, spricht der Major B., „das Pferd ist als über¬
zähliges geliefert worden.“ Der Herr General: „Was, als über¬
zähliges?“ Der Herr Major: „Jawohl, als überzähliges; es
hatte nämlich eine schlotternde, kommißbrotgroße Geschwulst
über dem rechten Kniegelenk, welche das Pferd gänzlich ent¬
stellte, und diese habe ich operieren lassen.“ Der Herr General:
„Dazu ist Ihnen zu gratulieren, Herr Major!“ Von mir, der
ich mit vieler Mühe erst die Erlaubnis zur Vornahme der
Operation habe erwirken müssen, war gar nicht die Rede.
(Die reichlich zweimannsfäustegroße schwappende Streck¬
sehnenscheidengalle über der rechten Vorderfußwurzel wurde
entleert, ein Haarseil hindurchgezogen, mit Leinwand umgeben
und tagelang mit Bleiwasser befeuchtet usw. Der Erfolg war
ein vollständiger, nicht einmal die Narben waren später sichtbar.)
Die Besichtigung der Pferde und der Ställe ging weiter
vor sich, es folgten die der 8., 7., 6. und 5. Batterie, dann ging
es in den KrankenBtall. Dieser war wegen der dicht daran
stehenden Linden etwas dunkel. Es standen mehrere strahl-
krebskranke Pferde darin und, falls die Hufverbände sich lösen
sollten, war an Stelle von Strohstreu eine fußhohe Schicht von
Lohe auf den Fußboden gebracht. Der Schwarm der Offiziere
ergoß sich in den Stall, voran der Herr General mit dem Herrn
Major. Der Unteroffizier meldete: „Drei Pferde mit Strahlkrebs.“
Durch die dichtstehenden Offiziere konnte ich mich nicht gleich
hindurchdrängen und so hörte ich denn in gepreßter hoher
Fistelstimme den Herrn General rufen: „Was ist das für eine
Schweinerei, in dieser Sch.sollen hufkranke Pferde
gesund werden? Wo ist der Roßarzt?“ Alles machte bereit¬
willigst links und rechts Platz und ich stand vor dem Gestrengen.
Mit denselben Worten wurde ich wütend angefaucht und der
Herr General beliebten hinzuzusetzen: „Ich werde Sie ins Loch
stecken!“ Anfangs war ich ganz verblüfft; gleich aber schoß
es mir durch den Schädel — ah, der General hält die Lohe für
eitel Pferdemist! — „Das ist Lohe, Herr General!“ rief ich in
etwas lauterem Tone als vielleicht nötig war, bückte mich und
hielt ihm eine Handvoll vor die Nase. — Alles still, schweigend
verließ man den Krankenstall, — nur ich hörte einige recht
schwere Steine von einigen Offiziersherzen kullern.
Vor kaum einer Stunde hieß es: „Dazu ist Ihnen zu
gratulieren, Herr Major“ und eben: „Wo ist der Roßarzt? Ich
werde Sie ins Loch stecken!“-—
Wieder war Lumpenparade und Besichtigung der nackten
Pferde, aber dieses Mal in Stendal beim Magdeburg. Husaren-
Regiment Nr. 10. — Die Pferde der 1. und 5. Schwadron waren
in Pyramidenform aufgestellt — Basen gegeneinander — so
daß an der Spitze jeder Schwadron das älteste Pferd stand,
die übrigen jahrgangsweise dahinter und die jüngsten 16 Remonten
bildeten die Basis der Pyramide. Es verlief alles gut, über jede
Narbe, Verdickung usw. konnte iclrerschöpfende Auskunft geben.
Bei den Remonten angekoramen, sprach der Divisions¬
kommandeur, auf ein Pferd deutend: „Was sind das für schmale
Hufe, das sind ja die reinen Eselshufe?“ Der Brigade¬
kommandeur, General v. S.: „Ja, das will ich Ihnen sagen,
Exzellenz, das kommt durch den Beschlag im Regiment, aber
nicht durch die ausführenden Schmiede, sondern durch die
Leitung.“ Exzellenz sah mich an und forderte mich dadurch
j zum Sprechen auf: „Pferd ist jüngste Remonte, so geliefert, im
Regiment überhaupt noch nicht beschlagen.“ Ich hob den
Huf aus dem etwas tiefen Sande herauf, so daß man die nackte
Sohle sehen konnte. — Auch hier vollständiges Stillschweigen. —
(General v. S. ließ in Magdeburg seine Pferde von dem Fahnen¬
schmied der 1. Schwadron aus Stendal beschlagen.)
Abends war Liebesmahl. Ich saß hinten an einem Ende
der Tafel bdlm Zahlmeister, den jüngsten Leutnants und dem
Assistenzarzt. Im Verlaufe der Tafel kam ein bedienender
Husar: „Herr Oberroßarzt, Exzellenz will-«in-Glas mit Ihnen
trinken.“ — Welche Ehre! — Glas ergreifen, in die Höhe
fahren, austrinken, — es klappte wie bei der Wachtparade. —
Lächelnd sah Exzellenz auf den sich eifrig unterhaltenden,
links neben ihm sitzenden General v. S. — — —
Korsar, Stangensattelpferd des ersten Geschützes der ersten
reitenden Batterie Feld-Art.-Regts. Nr. 15 in Neubreisach, hatte
sich im Frühjahr 1872 auf dem sehr harten Exerzierplätze eine
durchgehende Trachtenhornspalte der inneren Seite eines Vorder¬
fußes zugezogen. Dieselbe blutete, verlief nicht genau in der
Richtung der Hornröhrchen und zeigte viele Splitterungen.
Pferd lahmte. Nach einigen Tagen hatte sich Eiter gebildet,
es mußte daher das gesplitterte Horn abgetragen werden, was
schließlich zu einer vollständigen Durchschneidung der Horn¬
kapsel vom Saum bis zum Tragerande führte. Nach ent¬
sprechender Behandlung lahmte Korsar nicht mehr. In meiner
Abwesenheit ließ der Batteriechef, Hauptmann S., den
Verband abnehmen, besah sich die Sache und glaubte, das Pferd
sei infolge des Durchtrennens des Hornschuhes gänzlich un¬
brauchbar gemacht worden. Am anderen Morgen äußerte
sich der Hauptmann mir gegenüber sehr erregt und überaus
beleidigend in Gegenwart des Wachtmeisters und Futtermeisters;
unter anderem meinte er, ich hätte mich frevelhaft und in böser
Absicht am königlichen Eigentum vergangen und er würde mich
mit den höchsten, ihm zu Gebote stehenden Strafen belegen.
Innerhalb der nächsten 24 Stunden passierte nichts. Danach
begab ich mich, um Beschwerde zu führen, zum Prem.-Leutnant,
wurde aber abgewiesen, dann zum Sek.-Leutnant mit demselben
Erfolge. Nun ging ich zum Abteilungsadjutanten. Dieser hörte
mich an, schrieb ein Protokoll nieder, was zu unterschreiben ich
17. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
685
mich weigerte, denn es stellte den Sachverhalt nicht richtig
nnd zu meinen Ungunsten dar. Wahrscheinlich hatte er im
Kasino die Sache von einseitigem Standpunkte darstellen gehört.
Nunmehr diktierte ich nach einer vorher gemachten Nieder¬
schrift das Beschwerdeprotokoll. — Die Abteilung übergab die
Sache dem Regimentskommando. Der Hauptmann S. hatte aber
auch seinerseits ein Strafverfahren beim Regiment gegen mich
beantragt. Einige Tage darnach erschien der Stabsroßarzt R. aus
Straßburg mit einem Regimentsbefehl, wonach eine Kommission
das Pferd Korsar auf seine Felddienstbrauchbarkeit zu unter¬
suchen habe; insbesondere soUte die Kommission sich darüber
gutachtlich äußern, ob die von mir vorgenommene Hufoperation
eine tief eingreifende gewesen und dadurch eine Beschädigung
königlichen Eigentums hervorgerufen sei, welche zu vermeiden
gewesen wäre. Die Kommission hat ihr Urteil dahin abgegeben:
1. Pferd lahmt nicht, kann beschlagen werden und ist felddienst¬
tauglich, zweckmäßig aber ist ein weiteres Herabwachsen des am
Saum geschlossenen Homes abzuwarten. 2. Die Operation war
nicht sehr eingreifend und durch die Lage der Sache geboten.
3. Eine Beschädigung königlichen Eigentums liegt nicht vor.
Am anderen Tage, wieder beim Abrücken der Batterie, bat
mich der Hauptmann S. in Gegenwart derjenigen Personen, die
Ohrenzeugen der Beleidigungen gewesen waren, in anerkennens¬
werter, ritterlicher Weise um Entschuldigung. Damit war die
Sache erledigt.
Die Hornspalte beim Pferde heilte ausgezeichnet und bald
hatte der Hauptmann das Vergnügen, sein stolzes Stangen¬
sattelpferd vor seinem ersten Geschütze zu sehen. Ich aber
behandle seit jener Zeit alle Trachtenhornspalten durch Abtragen
und Verdünnen der Rißränder bis - auf die Homblättchen von
oben bis unten mit stets gleich gutem Erfolge.
SO. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte.
in Köln a. Rh. vom 20. bis 26. September 1908.
Allgemeine Tagesordnung der Versammlung in Köln a. Rh.
Sonntag, den 20. September.
Vormittags: Sitzung des Vorstandes. Eröffnung der Ausstellung.
Abends 8 Uhr: Begrüßung in der Bürgergesellschaft.
Montag, den 21. September.
Vormittags 97< Ubr: Erste allgemeine Versammlung (Gürzenich):
1. Begrüßungsansprachen. 2. Vorträge.
Nachmittags 3 Uhr: Konstituierung und erste Sitzungen der Ab¬
teilungen.
Abends 8 Uhr: Gartenfest mit festlicher Beleuchtung (Zoologischer
Garten). Einladung der wissenschaftlichen Vereine Kölns.
Dienstag, den 22. September.
Vor- und Nachmittags: Sitzungen der Abteilungen.
Abends 7 Uhr: Festessen im Gürzenich.
Mittwoch den 23. September.
Vor- und nachmittags: Sitzungen der Abteilungen.
Abends 7 Uhr: Festvorstellung in den städtischen Theatern:
Opernhaus und Schauspielhaus.
Donnerstag den 24. September.
Vormittags 87 a Uhr: Geschäftssitzung der Gesellschaft.
Vormittags 10 Uhr: Sitzung der beiden Hauptgruppen (Gürzenich).
Nachmittags Einzelsitzungen der beiden Hauptgruppen:
Nachmittags 3 Uhr: 1. Naturwissenschaftliche Hauptgruppe in der
Aula der Handels-Hochschule,
Nachmittags 4 Uhr: 2. Medizinische Hauptgruppe in der Aula der
Akademie für praktische Medizin im Krankenhause Lindenburg.
Abends S l / 2 Uhr: Empfang in den Räumen des Gürzenichs, ver¬
anstaltet von der Stadtverwaltung.
Freitag den 25. September.
Vormittags 97 4 Uhr: Zweite allgemeine Versammlung. Vortrüge.
Nachmittags: Besichtigung oder Sitzungen der Abteilungen.
Sonnabend den 26. September.
TagcsausflUge: 1. Rheinfahrt nach dem Siebengebirge, 2. Ausflug
nach der Gemünder Talsperre, 3. Ausflug nach Bad Neuenahr
und Apollinarisbrunnen (Einladung der Badedirektion).
Das Sonderprogramm für die Damen wird in der ersten Nummer
des Tagesblatts veröffentlicht.
A. Geschäftsführung.
Prof. Dr. Tilmann, 1. Geschäftsführer;
Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Lent, Stellvertreter;
Stadtverordneter Chemiker Th. Kyll, 2. Geschäftsführer;
Prof. Dr. Reitter, Stellvertreter;
Prof. Dr. Matth es, Schriftführer;
Kommerzienrat M. Seligmann, Schatzmeister.
Plan der wissenschaftlichen Verhandlungen.
I. Allgemeine Sitzungen
im großen Saale des Gürzenichs.
Montag den 21. September 1908, vormittags 97* Uhr:
Begrüßungsansprachen.
Prof. Dr. Stadler, München: Albertus Magnus von Köln als
Naturforscher und das Kölner Autogramm seinerTiergeschichte.
Major von Parseval, Berlin: Motorballon und Flugmaschine.
Freitag den 25. September 1908:
Prof. Dr. Rubner, Berlin: Kraft und Stoff im Haushalt des Lebens.
Prof. Dr. Heim, Zürich: Über den Deckenbau der Alpen.
Prof. Dr. Hassert, Köln: Vorläufige Ergebnisse einer landes¬
kundigen Forschungsexpedition ins Kamerungebirge und nach
Nordwest-Kamerun.
II. Gesamtsitzung beider Hauptgruppen
im großen Saale des Gürzenichs.
Donnerstag den 24. September 1908, vormittags 10 Uhr:
Prof. Dr. Wiener, Leipzig: Die Entwicklung der, Farben¬
photographie.
Prof. Dr. Doflein, München: Die krankheiterregenden Trypano¬
somen, ihre Bedeutung für Zoologie, Medizin und Kolonial¬
politik.
III. Einzelsitzungen beider Hauptgruppen. -
I. Sitzung der naturwissenschaftlichen Hauptgruppe.
Donnerstag, den 24. September 1908, nachmittags 3 Uhr, in der
Aula der Handelshochschule:
Prof. Dr.William Morris Davis (Harvard University in Cambridge
Maas.): Der große Canon des Colorado.
Prof. Dr. Erich Kays er, Gießen: Die Entstehung des Rheintales.
II. Sitzung der medizinischen Hauptgruppe.
Donnerstag, den 24. September 1908, nachmittags 4 Uhr in der
Aula der Akademie für praktische Medizin im Krankenhaus der
Lindenburg:
I Prof. Dr. Einthoven, Leyden: Über das Elektrocardiogramm.
Prof. Dr. Wright, London: Über Vaccine-Therapie und die Kontrolle
der Behandlung mittelst des opsonischen Indexes.
IV. 31. Abteilung: Praktische Veterinärmedizin.
Sitzungsraum: Königl. Maschinenbauschule.
Verpflegungsstätte: Ewige Lampe.
1. Fr ick (Hannover): Über moderne Kastrationsmethoden.
2. Derselbe: Wie hat sich praktisch und forensisch der Tierarzt
zur antiseptischen Wundbehandlung zu stellen.
3. Jäger (Frankfurt a. M.): Über die Turaorgenese (mit Demon¬
strationen).
4. Derselbe: Die Melanose — Melasarkomatose — des Pferdes.
5. Krautstrunk: (Bonn): Die Bekämpfung der Rindertuberkulose
in der Rheinprovinz (mit Demonstrationen).
6. Matthiesen (Hannover): Die Teilnahme der Tierärzte an der
Pferdezucht.
7. Peter (Hamburg): Die Neuroktomie in der tierärztlichen Praxis.
8. Schipp (Gießen): Beiträge zur Biologie des Rotlaufbazillus.
9. Schmitt (Stettin): Der Bazillus paratyphi B als Krankheits¬
erreger bei Kälbern.
10. Derselbe: Zur Ätiologie des Kälbersterbens.
11. Steinbach (Trier): Die infektiöse Anämie der Pferde im
Regierungsbezirk Trier.
12. Woldt: (Gummersbach): Tiermedizin und Tierzucht.
13. Fambach (Glauchau): Allgemeine Betrachtungen über die Be-
686
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
schaffenheit der Cavicorniergehürne (mit Demonstrationen).
Fortsetzung des auf der 79ten Versammlung gehaltenen Vor¬
trags „Geweih und Gehörn“.
14. Derselbe: Die Autochromplatte im Dienste der praktischen und
wissenschaftlichen Photographie.
15. J. Bongert (Berlin): Der Tuberkelbazillengehalt des Blutes,
der Muskulatur und der Lymphdrüsen der schlachtbaren Haus¬
tiere.
Die Abteilung ladet ein: die Abteilung 15 zu den Vorträgen
Jäger (3 und 4) und Bongert (15); die Abteilung 29 zu den Vor¬
trägen Schipp (8) und Schmitt (9); die Abteilung 10 zu dem
Vortrage Fambach (13).
Die Abteilung ist eingeladen: von der Abteilung 5 zu dem
Vortrage: Klöpfer (Hagen): Natürliche und künstliche Einflüsse
auf Güte und Menge der Milch und die polizeiliche Milchkontrolle;
von der Abteilung 10 zu dem Vortrage: Hoffmann (Bonn): über
Rachenbremsen; von der Abteilung 14 zu dem Vortrage: Hage¬
mann (Bonn): Über das Rcspirationskalorimeter des tierphysio¬
logischen Instituts in Bonn; von der Abteilung 15 zu den Vorträgen:
Jäger (Frankfurt): Über eine Aspcrgillusmykose der Rehleber,
Derselbe: Über eine infektiöse Blutgefäßerkrankung beim Axis-Wild;
Orth (Berlin): Über experimentelle enterogene Tuberkulose; von
der Abteilung 20 zu dem Vortrage: Schloßmann (Düsseldorf):
Örtliche Tuberkulosereaktion; von der Abteilung 24 zu dem Vor¬
trage: Imhofer (Prag): Beiträge zur pathologischen Anatomie der
Otitis externa beim Hunde; von der Abteilung 29 zu dem Vorträge:
Wolf-Eisner (Berlin): Über die Konjunktivalreaktion.
Rheinischer Tierärztetag.
Vom 20. bis 26. September d. J. tagt in Köln die 80. Ver¬
sammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und
Ärzte, än der nach den eingegangenon Meldungen zahlreiche
Tierärzte teilnehmen werden. Um diesen einen entsprechenden
Willkomm zu bereiten, wird am 20. September d. J., vormittags
11 Uhr, im Zoologischen Garten in Köln eine gemeinsame Sitzung
der rheinischen tierärztlichen Vereine mit folgender Tagesordnung
stattfinden:'" “ .
1. Begrüßung-Ansprache des Alterspräsidenten.
2. Geschäftliche Mitteilungen.
3. Regelung des Milchverkehrs in den Schlachthofgemcinden:
a) Städtische Milchkontrolle. Referenten: Dr. Bettendorf
und Fischer, b) Die Herstellung einwandfreier Kinder¬
milch. Referenten: Stier und Plath.
4. Mitteilungen aus der Praxis.
Im Anschlüsse an die Sitzung findet ein gemeinsames Mittag¬
essen und am Abend ein Kommers statt. Indem wir die Mitglieder
zu diesen Veranstaltungen ergebenst einladen, bemerken wir, daß
eine möglichst rege Beteiligung der Damen sehr erwünscht ist
Köln, im August 1908.
Die Vorsitzenden der rheinischen tierärztlichen Vereine.
Bockelmann-Aachen. Brebeck-Bönn.
Dr. Finkenbrink-Saarbrücken. Vet.-Rat Dr. Lothes-Köln.
Vet-Rat Schmitt-Düsseldorf. Vet.-Rat Dr. Steinbach-Trier.
NB. Der Eintritt in den Zoologischen Garten ist gegen Vor¬
zeigung der Mitgliedereinladungskarte frei. Die Nichtmitglieder
werden gebeten, die zum Eintritt in den Zoologischen Garten
berechtigenden Einladungskarten im Bureau des Hotels Europäischer
Hof — Ewige Lampe (Verpflegungsstätte der XXXI. Sektion) in
Empfang zu nehmen.
Tierärztlicher Verein in Schleswig-Holstein.
Ordentliche General-Versammlung in Kiel, am 26. und 27. Sep¬
tember 1908, „Haus der Landwirte“, II. Stock.
Tagesordnung.
Erster Tag: Abends 7 Uhr:
1. Besprechung einer Taxe für privattierärztliche Geschäfte.
Referent: Masch-Wüster.
2. Mitteilung aus der tierärztlichen Praxis.
a) Pathologie und Therapie; Verwendung neuer Heilmittel
und Seratherapie.
b) Chirurgie und Geburtshilfe nebst Operationsmethoden.
c) Erfahrungen auf dem Gebiete der Fleischbeschau.
No. 38.
3. Nach Schluß der Verhandlungen zwangloses Zusammensein,
an dem auch Damen teilzunehmen gebeten werden.
Zweiter Tag: Eröffnung der Hauptversammlung vorm. 9 Uhr.
I. Vereinsangelegenheiten.
1. Geschäftsbericht
2. Rechnungslegung und Unterstützungssachen.
3. Aufnahme neuer Mitglieder.
4. Wahlen.
5. Verschiedenes und Anträge.
II. Vorträge.
1. Über Milchhygiene. Referent: Maifart-Lensahn.
Korreferent: Ruser, Kiel.
2. Beiträge zur Beurteilung des Pferdes und seiner Fehler.
Harm 8-Elmshorn.
III. Gesellschaftlicher Teil.
Gemeinschaftlicher Tischgang mit Damen um 2 Uhr.
Der Vorstand erlaubt sich die teilnehmenden Herren darauf
aufmerksam zu machen, daß es als eine Ehrenpflicht anzusehen ist,
auch nach den Verhandlungen die Kollegialität durch Teilnahme
am Tischgange zu betätigen.
Der Vorstand. I. A.: Eiler, Schriftführer.
45. General-Versammlung des Vereins Kurhessiseher Tierärzte
am Sonntag, den 27. September er., vormittags 10 1 / 4 Uhr in Cassel
im Hotel „Casseler Hof“, Kurfürstenstraße 2. Tel. 126.
Tagesordnung:
1. Geschäftliche Mitteilungen, Eingänge, Kassenbericht etc.
2. Vereinsangelegenheiten, Statuten.
3. Piroplasmose der Haustiere. Referent: Herr Kreistierarzt
Dr. Grimme-Melsungen.
4. Einigende Punkte zwischen beamteten und privaten Tierärzten.
Referent: Herr Kreistierarzt Wittlinger-Hanau.
5. Mitteilungen aus Praxis und Fleischbeschau.
6. Wahlen.
Nach der Sitzung findet ein gemeinschaftliches Essen (trockenes
Couvert 3 Mk.) unter erbetener Teilnahme der Damen statt An¬
meldungen zur Teilnahme am Essen bitte bis zum 24. September an
Herrn Schlachthofdirektor Dr. Grote, Fiedlerstr. 1, zu richten.
Diejenigen Mitglieder, die schon am 26. September in Cassel sind,
treffen'sich im'„CaösSler Hof“. ♦ < ^ .
Der stellvertretende Vorsitzende E. Schlitzberger.
Maul- und Klauenseuche.
Neue Ausbrüche sind in den Tagen vom 10.—12. September
gemeldet aus Bruck bei München, Kaiserslautern (Pfalzbayern) und
Chateau-Salins (Lothringen). Der Ausbruch im Schlachthof zu
Straßburg ist getilgt.
Tierhaltung und Tierzucht.
Geschäftsbericht der bayerischen Landes-Pferde-
versicherungsanstalt für das TII. Yersichernngsjahr
1906/1907.
(1. November 1906 bis 1. November 1907.)
Dem von der königlichen Versicherungskammer erstatteten
Geschäftsbericht, der einleitend einige Abänderungen der Sta¬
tuten enthält; entnehmen wir, daß die Anstalt bei der Nachschan
im Oktober 1907 450 Vereine mit 31406 Mitgliedern und 53541
Pferden bei einem Versicherungswert von 47931560 M. aufwies.
Da im Interesse der leichteren Berechnung des Beitrages für
jeden Verein die Versicherungssumme mit Einschluß des An¬
schlages der Beitragserhöhung nach § 28 des Normalstatnts
aufgestellt wurde, so erhöhte sich die beitragspflichtige Summe
im Durchschnitt aus der Nachschau im Frühjahr und im Herbst
auf 51180140 M.
Auf einen Verein trafen durchschnittlich 70 Mitglieder mit
1G3 versicherten Pferden. Der Versicherungswert eines Pferdes
stellte sich auf 625 M. im Durchschnitt.
Die Zahl der Schadensfälle hat gegen das Vorjahr um
4,72 Proz. der versicherten Pferde zugenommen. Die Ursache
17. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
687
liegt darin, daß nach und nach ein größerer Teil der ver¬
sicherten Pferde über die Grenze von 15 Jahren aufrftckt und
damit der Abgang infolge Krankheit und gänzlicher dauernder
Unbrauchbarkeit ein stärkerer wird.
Es wurden mit Einschluß von sieben vom Vorjahr über¬
nommenen Fällen 8811 Entschädigungsansprüche erhoben, wovon
sich 3742 Fälle als begründet erwiesen und zur Auszahlung ge¬
langten und 53 Fälle unbegründet waren. Sieben weitere Fälle
mußten auf das achte Versicherungsjahr übernommen werden
und neun Fälle endlich wurden durch Ersatz durch Dritte er¬
ledigt. Eine Inanspruchnahme der Versicherung trat hier
nicht ein.
Bei den zur Entschädigung gelangten 3742 Fällen fand in
3633 Schäden = 97,09 Proz. aller Schadensfälle (im Vorjahr
96,59 Proz.) eine tierärztliche Untersuchung oder Behandlung
statt, während eine solche in 109 Fällen = 2,91 Proz. (3,41
Proz.) infolge raschen Urastehens der Tiere nicht mehr zu er¬
langen war. Hier wurde dann zur Feststellung der Schadens¬
ursache die Sektion veranlaßt.
Von den zur Entschädigung gelangten 3742 Pferden waren
umgestanden .... 1381 igt 36,91 Proz.
getötet. 2361 = 63,09 „
Der Anteil der umgestandenen Pferde an den Schadens¬
fällen hat auch diesmal ab-, jener der getöteten Pferde zu¬
genommen.
Bei der Entschädigung von 3742 Pferden blieb die Wert¬
ermittlung in 3397 Fällen — 90,78 Proz. in Übereinstimmung
mit jener nach dem Versicherungsbuch. In 106 Fällen = 2,83
Proz. mit einer Erhöhung bei jüngeren Pferden und tragenden
Zuchtstuten stellt sie sich über und in 239 Fällen = *6,39 Proz.
unter die Versicherungssumme.
In drei Fällen wurde eine zweite Schätzung durch das
Schiedsgericht des Vereins beantragt, wobei in einem Fall die
Schätzung bestätigt und in zwei Fällen der Wert erhöht wurde.
Die Einreihung der Pferde in verschiedene Gefahrenklassen
nach Maßgabe ihrer Verwendung hat sich auch diesmal als
richtig bewährt, wie nachstehende Liste ergibt:
Gruppen der Pferde
Gesamt- |
zahl j
Schadensfälle
lin Proz.
Zahl d. vor«.
I Pferde
Pferde ohne Beitragserhöhung.
54435
2517
4,62
Pferde mit einer Beitragserhöhung v. 2/10.
10419
591
5,67
n „ * * „ 3/10.
6027
366
6,07
* * * , * 5/10.
1166
92
7,89
» » » - » 8/10.
1494
176
11,78
l
Die von den Vereinen bestrittenen Kosten für tierärztliche
Behandlung und Medikamente beliefen sich auf 142490 M. 83 Pf.
gleich 0,29,8 Proz. der Versicherungssumme (gegen 0,28,2 Proz.
im Vorjahr) und diejenigen für die ärztliche Verwaltung auf
51324,93 M. = 0,10,7 Proz. (0,10,2 Proz.).
/ iVas die Rechnungsergebnisse anlangt, so haben die Vereine
der Verwertung der getöteten Pferde einen Erlös von
129543,80 M. = 8,93 Proz. der Entschädigung erzielt. Der
Erlös aus dem Kadaver eines umgestandenen Pferdes verbleibt
jeweils den Versicherten.
Die festgesetzte und zur Auszahlung gelangte' Entschädigung
von 3742 Schadensfällen mit Einschluß der Reserve für sieben
noch zu bereinigende Fälle betrug 1453406 M. Davon hat die
Anstalt gesätzmäßig die Hälfte mit 726703 M. zu übernehmen.
Diese Summe verminderte sich durch verschiedene Deckungs¬
mittel, wie Staatszuschuß mit 60000 M., Zinsen aus dem Re¬
servefonds mit 12302,75 M. usw. auf 681026,39 M. Bei der
oben erwähnten beitragspflichtigen Versicherungssumme von
51180140 M. ist somit ein Beitrag von 1,33,5 Proz. der Ge¬
samtsumme erforderlich. Dieser Beitrag bildet die sogenannte
VerbandBumlage und wird von allen Pferde-Versicherungsvereinen
gleichmäßig geleistet.
Die weitere Hälfte der Entschädigung von 726703 M. ist
von den einzelnen Vereinen aufzubringen. Diese Summe ver¬
mindert Bich durch einen Ersatzposten von 1666 M. und durch
den besonderen Staatszuschuß von 20000 M. für Unterstützung
an 218 stark überlastete Vereine (über 2,71 Proz.) auf 705037 M.
Somit betrug die durchschnittliche Vereinsumlage 1,37,5 Proz.
Die Gesamtumlage (Verbands- und Vereinsumlage) stellte sich
also auf 2,71 Proz. der beitragspflichtigen Summe.
Selbstverständlich schwankte diese Verbandsumlage wie
immer, bei den einzelnen Vereinen. So traf ein Gesamtbeitrag
auf 100 M. der Versicherungssumme von 1,33,5 Proz. auf 24
| Vereine (ohne Schäden).
1,34
bis 2,00 Proz.
auf
60 Vereine
2,01
n 2,70 „.
n
166 „
2,71
Proz. (Durchschnittsbeitrag)
n
3 n
2,72
bis 3,00 Proz.
n
79 „
3,01
» 3,50 „ . . . . .
n
65 „
3,51
.4,00 „.
n
53 „
im ganzen 450 Vereine.
Diese durchschnittliche Verbandsumlage von 2,71 Proz.
muß, wie der Bericht mit Recht hervorhebt, im Hinblick auf
das Risiko bei der Pferdeversicherung als mäßig betrachtet
werden.
Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Pferde
eine verhältnismäßig kurze Lebensdauer haben, im Alter fast
regelmäßig zur Entschädigung gelangen und daß endUch der
Erlös aus der Verwertung getöteter Pferde gegenüber dem
Rindvieh doch ein sehr geringer ist.
Im übrigen stellte sich der durchschnittliche Beitrag unter
Einrechnung des oben erwähnten Erlöses von 129 543,80 M. nur
auf durchschnittlich 2,46 Proz. der beitragspflichtigen Summe.
Wenn man bedenkt, daß z. B. zwei größere Pferde-Versicherungs-
gesellschaften im Jahre 1906 bei einer Versicherungssumme von
26 Mill. M. einen durchschnittlichen Prämiensatz von 4,02 Proz.
der Versicherungssumme erhoben, so ist diese Verbandsumlage
von 2,46 Proz. als sehr mäßig zu bezeichnen.
Im letzteren Prämiensatz sind außerdem noch die Kosten
der tierärztlichen Behandlung und örtlichen Verwaltung mit
einbegriffen, während bei den Pferdeversicherungsgesellschaften
die ersteren noch von den Versicherten zu tragen sind. Dieser
niedrige Satz ist nur durch weitgehende staatliche Unterstützung
möglich.
Der Reservefonds, das gemeinschaftliche Vermögen aller
Pferdeversicherungsvereine erhöhte sich von 287404,08 M. im
Vorjahr durch 17500 M. Zinsen aus dem Stammkapital von
500000 M. und Beitragsgebühren von 14606 M. 22 Pf. auf
319510 M. 30 Pf. Davon konnten diesmal 12302,75 M. Zinsen
zur Deckung der Entschädigungen verwendet werden.
Die Anstalt, die dem Versicherungsstand nach die erste
Stelle unter den Pferdeversicherungsgesellschaften in Deutsch-
688
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSC HRIFT.
No. 38.
land einnimmt, hat in sieben Jahren ihres Bestehens 18033
Schadensfälle mit 6771836 M. entschädigt; an Beiträgen hierfür
wurden 6405269 M. erhoben.
Mithin haben die Versicherten 366567 M. über den Beitrag
erhalten. Bei der Verwertung getöteter Pferde ist dazu den
Vereinen eine Einnahme von 450815 M. zugefallen. Damit er¬
höhte sich der Anfall an die Versicherten auf 817382 M.
Zum Schluß möge, wie immer, die Liste der Schadens-
Ursachen nach den einzelnen Systemen geordnet, folgen:
I. Krankheiten des Nervensystems
und der Sinnesorgane. . .
604
=
16,14 Proz.
n. Krankheiten des Gefäßsystems
144
3,85
V
III. Krankheiten der Atmungsorgane
IV. Krankheiten der Verdauungs-
558
=
14,91
V
organe.
943
=
25,20
V
V. Krankheiten der Harnorgane .
VI. Krankheiten der Geschlechts-
164
=
4,38
organe .
32
0,86
ri
VH. Infektionskrankheiten . . .
67
=
1,79
V
VIH. Parasiten (tierische) ....
IX. Krankheiten der Haut und
16
—
0,43
n
Muskeln.
X. Krankheiten der Knochen und
285
=
7,62
n
Gelenke.
314
=
8,39
n
XI. Krankheiten des Hufes. . .
179
4,78
r>
XII. Vergiftungen.
23
0,62
ri
XHI. Störung der Ernährung . .
244
=
6,52
n
XIV. Äußere Einwirkungen . . .
169
=
4,51
V
Es zeigt sich hier dasselbe Bild wie im Vorjahr. In erster
ReiKe stehen wiedÖ’rüm'^TTe'^K’rähkheReh der ^V^rdäfiufTgsorgahe.*
Hier sind es wieder die Kolik mit 615 Fällen = 16,44 Proz.
und die Leberleiden mit 184 Fällen = 4,92 Proz., welche am
verlustbringendsten wirkten.
Als Ursache der Lebererkrankungen, die im übrigen gegen¬
über dem Vorjahr mit 5,30 Proz. einen Rückgang aufweisen,
wird in der Regel das Futter von feuchten, niedrig gelegenen
Wiesen bezichtigt. Es wird deshalb zur Beseitigung die Ver¬
besserung der Wiesen angestrebt.
Die Krankheiten des Nervensystems und der Sinnesorgane;
die mit 604 Verlusten = 16,14 Proz. in zweiter Linie stehen,
verteilten sich hauptsächlich auf Rückenmarkslähmung (177
gleich 4,73 Proz.), Gehirnentzündung (184 = 4,92 Proz.) und
auf Dummkoller (137 = 3,66 Proz.).
Die Ursache dieser letzteren Erkrankungen wird neben zu
intensiver Fütterung auf Überanstrengung der Tiere und auf
den Aufenthalt in zu warmen, dunstigen, schlecht ventilierten
Stallungen znrückgefiihrt. Auch der Stalluntergrund wird ver¬
antwortlich gemacht.
Endlich wird der gemeinschaftliche Pferde- und Rindvieh¬
stall als schädlich hingestellt. Der Bericht schlägt deshalb
verschiedene Verbesserungen vor.
Bei den AtmungsOrganen ist es wiederum die Dämpfigkeit,
die mit 217 Fällen = 11,41 Proz. an der Spitze marschiert.
Hier ist hauptsächlich dem Alter der Pferde die Schuld zu¬
zumessen. Die schwarze Harnwinde ist mit 116 Fällen = 3,10
Proz. vertreten. Unter Berücksichtigung der Schrift von Pro¬
fessor Dr. Schlegel „Die infektiöse Rückenmarksentzündung
oder schwarze Harn winde“, worauf die letztere auf Infektion
zurückgeführt wird, werden die Tierärzte ersucht, bei den Gut¬
achten zu den Schadensprotokollen auf die Ursachen ent¬
sprechende Rücksicht zu nehmen.
Schließlich wird allen Beteiligten, ganz besonders auch den
Tierärzten und Zuchtinspektoren, der öffentliche Dank für ihre
Mitwirkung ausgesprochen.
Bezirkstierarzt Mai er-Konstanz.
Personalien.
Auszeichnungen: Dem Landestierarzt des Königreichs Bayern,
Regierungsrat Dr. Vogel ist Titel und Rang eines Oberregierungs¬
rates, dem Schlachthausinspektor Roßmann zu Koburg der Titel
Schlachthofdirektor verliehen worden. Anläßlich der Kaiser-Manöver
wurden verliehen dem Korpsstabsveterinär letzner beim General¬
kommando des XV. Armeekorps der Rote Adlerorden IV. Klasse,
den Staabsveterinären Günther im Drag.-Regt. Nr. 15, Hentrick im
Feldart.-Regt Nr. 67, Böhland im Drag.-Regt. Nr. 9, Brost im
Feldart-Regt. Nr. 69, Mummert im Feldart.-Regt. Nr. 80, Brose im
Leibdrag.-Regt. Nr. 20 der Kgl. Kronenorden IV. Klasse; ferner
dem Tierarzt F. Joseph- Wriezen die Landwehr-Dienstauszeichnung
I. Klasse.
Ernennungen: Städt. Tierarzt E. Ausser-Würzburg zum Kgl.
Bezirkstierarzt in Berneck, Veterinärarzt Karl Brechicl- Niedermoos
(Hessen) zum Distriktstierarzt in Cadolzburg bei Nürnberg. Dem
Tierarzt Georg Buß in Salem ist die Versehung der Bezirkstierarzt¬
stelle in Wolfach übertragen. — Versetzt: Die Departementstier¬
ärzte Veterinärräte Hetze- Cassel und BwcA-Frankfurt a. 0. gegen¬
seitig, der Gr. Bezirkstierarzt Friedrich Ringwald von Wolfach
nach Kehl.
Verzogen: Die Tierärzte Emil Messner von Stuttgart als stell-
vertr. Schlachthoftierarzt nach Freiburg, Alfred Butta von Villingen
als Assistent des Gr. Bezirkstierarztes nach Engen, Gabriel Schäfer
" vbn 'Befrä (Höhenz.) als Assistent deB Gr. Bezirkltlerärzles nai^h
Oberkirch, Arthur Friedmann von Wyhl als Stellvertreter nach
Schwarzach, Fritz Eichacker als Assistent des Gr. Bezirkstierarztes
nach Heidelberg, Peter Kämmerer von Heidelberg als Assistent des
Gr. Bezirkstierarztes nach Sinsheim und von dort nach Mainz,
Friedrich Espert von Tiefenbronn nach Jettingen (Schwaben, Hans
Falk von Isen als Assistent des Bezirkstierarztes nach Aschaffenburg.
Examina: Promoviert: Die Tierärzte Franz Schwäbel aus
Dillingen zum Dr. med. vet. in Gießen; Nikiaas Autoni aus Weener,
Max Devrient, städt. Tierarzt in Berlin, Fritz Haag aus Muskau,
August Jauß aus Freudenstadt zum Dr. med. vet. in Bern. —
Approbiert: Die Herren Arthur Friedmann und Göttlich Sanier
in Stuttgart
In der Armee: Preußen: Verabschiedet: Oberveterinär Block
im Drag.-Regt Nr. 8 auf seinen Antrag mit Pension in den Ruhe¬
stand versetzt.
Todesfälle: Tierarzt Bernhard Nagel in Iggingen, Oberveterinär
Zölch in Ingolstadt.
Vakanzen. (v g i. Nr. 36 .)
Krelstierarztstellen: Reg.-Bez. Koblenz: Mayen. Bewerb,
bis 10. Oktober er. a. d. Regierungspräsidenten. — Reg.-Bez.
Düsseldorf: Mettmann mit dem Amtssitz in Vohwinkel zum
1. 7. er. Bewerb, bis 10. Oktober er. a. d. Regierungspräsidenten.
Kaiser Wilhelm-Institut In Bromberg: Wiss. Hilfsarbeiter für die
Abteilung für Tierhygiene. Gehalt 1800 M. Bewerb, a. d. Vor¬
steher der Abteilung.
Besetzt; Tierarztstelle in Osche, Kreis Schwetz. (In Nr. 36
wurde diese Stelle irrtümlich für Schwetz [Weichsel] ausgeschrieben).
Von heut ab bis 8. Oktober bin ich verreist und bitte Nicht¬
erledigung etwaiger Zuschriften für diese Zeit zu entschuldigen.
Schmaltz.
Verantwortlich för den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält* in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung Ton Richard Bchoets tat Berlin. —
Druck von W. BtUenatein, Berlin.
Di« „Berliner Tlerftmtlleh« Wocheneehrift“ era eheint
wOehentlieb im Verlag« von Richard Sohoets ln
Berlin SW. 48, Wilhelmitr. 10. Durch jedes deute ob«
Postamt wird dieselbe nun Preise von M. 5,— vierteljlhr-
lieh (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haas geliefert (österreicbisehe Post-Zeitangs-
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Originalbeltrige werden mit 50 Mk«, (n Petltsata mit
00 Hk. für den Bogen honoriert Alle Mannskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
an senden an Prof. Dr. Sehmalta, Berlin, Tlerirst-
llehe Hoobsohule, NW., LuisenstraOe 66. Korrektoren,
Reaensions-Exemplare and Annoncen dagegen an die
V erlagsbaebhandlnng;
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothe«
Hamburg. Departements-T. in Odin.
Professor Dr. Peter
Staatstierarat für Hamburg.
Veterinärrat Petere Veterinärrat Preuße Dr. Richter
Departements-T. ln Bromberg. Departements-T. In Danslf. Professor in Dresden.
Med.-Rat Dr. Boeder Dr. Schlegel Dr. J. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel
Professor ln Dresden. Professor in Freiburg. Professor ln Dresden. Landestierarst in München.
Helfer Dr. H. Sieber Dr. Stödter
Scblacbtb.-Direktor in Mülhausen LA am Tropeninstitat in Hamburg. Stadt-Tierarzt ln Hamborg.
Wehrt« Zindel
Kais. Regierangsrat in Berlin. Krelstlerarst in Mülhausen L B.
Dr. Trapp Dr. Zlmmermann
am Kaiser Wilhelm-Institut In Bromberg. Dosent in Budapest
Jahrgang 1908. JVs. 39. Ausgegeben am 24. September.
Inhalt: Jöhnk: Ein weiter Beitrag zur Darmresektion beim Rinde. — Michalik: Beitrag zur Heilung von Herzver¬
letzungen. — Walther: Acarusmilben beim Pferd. — Kantorowicz: Der Laufgewichtshammer. — Hleronymi: Ein
seltener Fall einer Doppelmißbildung eines Kalbes. — Wieland: Schieferzähne beim Rind. — Moritz: Schutz-,
Not- und Heilimpfung gegen Milzbrand nach Prof. Sobernheim. — Zeuner: Ein mit ölsaurem Natron und
Lecithin hergestelltes hochwertiges Tuberkulose-Toxin. — Referate: Schifferli: Die aseptischen Beugesohnen-
verändorungen des Pferdes unter besonderer Berücksichtigung der histologischen Vorgänge. — Müller: Klinische Unter¬
suchungen über Wert und Wirkung des Kaloinels. — Lüer: Über einen Fall von Brechweinstein-Vergiftung bei einem Fohlen.
— Oster tag: Zur Biologie des Erregers der Wild- und Rinderseuche. — Schmidt: Euterrotz beim Pferde. — Aus der
medizinischen Literatur. — Tagesgeschichte: Gründung eines Verbandes der praktischen Tierärzte im Großherzogtum Hessen. —
Verein sächsischer Gemeindetierärzte. — Verschiedenes. — Tierzucht und Tierhaltung: Boucher: Die Spezialisierung der
Rassen. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen.
Ein weiterer Beitrag zur Darmresektion beim Rinde.
Von M. Tdhnk-Beme (Oldbg.)
Zu den von mir in Nr. 52 B. T. W. Jahrg. 1907 ver¬
öffentlichten zwei Fällen von Darmresektion beim Rinde habe
ich noch zwei weitere hinzuzufügen.
3. l 3 / 4 Jahr alter Ochse, Besitzer Hausmann H. S. in
Nenenbrok. Anamnese: Am 14. Februar 1908 abends habe der
mäßig genährte Ochse plötzlich und ohne nachweisbare Ursache
heftige Kolik bekommen, die allmählich verschwunden sei. Das
Tier fresse seit der Zeit gar nichts, wiederkäne nicht mehr und
entleere keinen Kot, dagegen sei aber blntiger Schleim ab¬
gegangen. Ein am gleichen Tage zn Rate gezogener Tierarzt
habe den Ochsen untersucht und hochgradige Verstopfung und
Fremdkörper festgestellt nnd dementsprechende Behandlung
eingeleitet.
Untersuchungsbefund (18. Februar 08.): Mäßig genährter
Ochse liegt im Stalle nnd ist nnr schwer zum Aufstehen zn
bringen. Haarkleid glanzlos und auf gebürstet, Flotzmaul trocken,
Nasenränder mit borkigen Krusten bedeckt. Die linke Hunger¬
grube ist tympanitisch aufgetrieben, Bauchdecken fühlen sich
etwas gespannt an nnd man gewinnt den Eindruck als ob sich
Flüssigkeit in der Bauchhöhle befinde. Darm- nnd Wanst¬
tätigkeit völlig unterdrückt. Am Schwanz nnd in der Umgehung
des Afters sind blutige Abgänge nicht vorhanden, da der Be¬
sitzer häufig Einläufe in den Mastdarm gemacht hatte.
Der Mastdarm ist leer, After nicht geschlossen; vor dem
Beckeneingang, im freien Raume der Bauchhöhle kaudal von der
Niere nnd in der Nähe des Schambeines fühlt die untersuchende
Hand eine kindkopfgroße rundliche Masse von weicher
Consistenz, die sich nach allen Richtungen verschieben läßt.
Druck auf die Geschwulst erzeugt dem Tiere keinen Schmerz.
Da Erscheinungen des Überwurfes fehlten, so lautete die
Diagnose: Darminvagination und als Therapie wurde Resektion
vorgeschlagen.
Mit Rücksicht auf die fünftägige Dauer der Invagination:
die beginnende Peritonitis nnd die in großen Mengen verab¬
reichten Abführmittel mußte die Prognose von vornherein,
zweifelhaft bis ungünstig lauten.
Nach Eröffnung der Bauchhöhle fließt eine größere Menge
weinroter, trüber Flüssigkeit ab (Peritonitis). Das resezierte
Darmstück mißt anfgeschnitten ca. 120 cm. (Stauungs-Blutung
nnd Transsudation sowie Nekrose.)
Am 20. Februar gibt mir der Besitzer Nachricht, daß er
den Ochsen geschlachtet, da er fortwährend stöhnte. Kotabsatz
sei nicht erfolgt.
Ich fand am geschlachteten Tiere die Banchdecke an der
eröffneten Stelle, mit einer dicken Schicht Fibrin belegt, völlig
verschlossen; das Bauchfell ist ramiform gerötet, trübe, matt
nnd nicht mehr spiegelnd. Der Dünndarm sowie sein Gekröse
wiesen an der Schnittfläche gleichfalls eine dicke Fibrinschicht
auf, die sich anal nnd oral der Vereinigungsstelle eine Strecke
weit auf den Dünndarm fortsetzte. Der Inhalt des Dünndarms
ist dünnflüssig und hat die Vereinigungsstelle gut passiert; die
Darmnähte haben gut gehalten nnd selbst durch Druck auf den
Darminhalt ist dieser nicht zum Austritt zn bringen. Die
Vereinigung des Dünndarmgekröses ist derart, daß der genaue
Sitz erst nach einiger Zeit gefunden wird.
Der Besitzer gibt an, daß sich in der Bauchhöhle ziemlich
viel stinkende Flüssigkeit befunden habe, er sah zn seinem
größten Erstaunen, daß eine Verheilung wohl möglich gewesen
nnd bedauert nnr, daß der Ochse nicht früher zur Operation
gelangte, da er ihm in diesem Falle höchstwahrscheinlich erhalten
geblieben wäre.
IV. Der Hausmann J. L. aus dem Nachbarort Nordermoor
konsultierte mich am 24. Februar 1908 abends wegen eines
Jungrindes, das am Morgen plötzlich Kolik bekam, seitdem nicht
mehr fraß und verstopft sei. Er glaube, es liege dieselbe Er¬
krankung vor wie im vorgehenden Falle.
690
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39.
Untersuchungsbefund (25. Februar 1908): 2 Jahr altes
weibliches, nicht trächtiges Jungrind steht mit rauhem Haar¬
kleid im Stalle. Futteraufnahme sowie Kotabsatz fehlen. Pansen-
und Darmgeräusche sind nicht zu beobachten. Von Zeit zu
Zeit drängt das Tier auf Kot, es wird dann blutiger Schleim in
geringer Menge abgesetzt. Vor dem Beckeneingange im freien
Raume der Bauchhöhle befindet sich eine doppelt faustgroße
Geschwulst, die nach allen Seiten verschiebbar ist ; Druck auf
diesen Tumor bereitet dem Tiere Schmerz.
Diagnose: Darminvaginalion. Therapie: Resektion. Prognose:
Vorsichtig.
Das reserzierte Dünndarmstück hat eine Länge von ca.
80 cm (aufgeschnitten); nach Beendigung der Operation und
Entfesselung des Tieres läuft dieses plötzlich davon und muß
vom Besitzer vor dem Hofe wieder aufgegriffen werden.
Am 26. Februar, am Tage nach der Operation schreibt mir
der Besitzer, daß das Tier anfangs stark zitterte, jetzt aber
munter aussehe und auch dünflüssigen, schwarzroten Kot ab¬
gesetzt habe; Futteraufnahme hätte noch nicht statt gefunden.
Am 29. Februar sah ich den Patienten wieder, er machte
einen ganz muntern Eindruck, fraß etwas Heu und setzte dünn¬
flüssigen Kot ab. Die Bauchwunde ist trocken und in der
Umgebung ein wenig angeschwollen. Die Bauchdecken sind
nicht gespannt und nicht druckempfindlich. Wiederkäuen ist
bislang noch nicht beobachtet worden.
Am 7. Tage nach der Operation wird die Futteraufnahme,
die bislang nur gering war, größer, gleichzeitig wird auch
Wiederkäuen beobachtet.
Die Entfernung der Hautnähte erfolgte am 5. März, die
Hautwunde ist trocken und bis auf eine , kleinere, abwärts ge¬
legene Stelle verheilt. An dieser Stelle wird immer noch Eiter
entleert bis auch hier, nach ca. 4 Wochen, Heilung erfolgt.
Zur Zeit hat der Besitzer das Tier mit anderen zusammen aus¬
getrieben. Irgendwelche Krankheitserscheinungen traten nicht
mehr auf.
Die Operation fand in diesen beiden Fällen am stehenden,
nicht narkotisierten Tiere statt, in der gleichen Weise wie in
Nr. 52 der B. T. W. 1907 beschrieben; mit der Abänderung,
daß das keilförmige Stück des Darmgekröses nur sehr klein
gehalten war. Ich entfernte das Gekröse fast unmittelbar von
dem resezierten Darmstück. Diese Methode hat den Vorteil,
daß die Blutung aus den zerschnittenen Gefäßen nicht so stark
ist und vor allem auch leichter gestillt werden kann. Vor dem
Zerschneiden des Darmes stach ich mit einer Nadel durch das
Dünndarmgekröse, und zwar mindestens 10 cm von dem
invaginierten Darmstück entfernt, und unterband den Darm mit
einer längeren Seidenligatur. Dadurch wird eine Verunreinigung
des Operationsfeldes vermieden, außerdem dienen diese Seiden¬
fäden zum Halten des Darmes nach dem Zerschneiden. Ich
halte dieses für sehr wichtig, da ich ohne jede sachverständige
Assistenz allein auf die Hilfe des Besitzers resp. seiner Knechte
und seines Nachbarn angewiesen war.
Als Naht wählte ich auch hier die fortlaufende, diese
bietet den Vorteil der größeren Schnelligkeit und Einfachheit,
zwei Umstände, die bei einer ohne sachverständige Hilfe aus¬
zuführenden Operation nicht zu unterschätzen sind.
Die von mir beobachteten Fälle von Darminvagination
betrafen alle jüngeren Tiere bis zum Alter von zwei Jahren,
dieselbe Beobachtung machte Schiel B. T. W. 1904’S. 476.
Danach ist wohl anzunehmen, daß diese mehr dafür geeignet
sind als ältere Tiere.
Was die Diagnose-Darminvagination anbetrifft, so bin ich
mit Schiel 1. c. der Ansicht, daß sie in der Regel nicht
allzuschwer zu stellen ist; von ausschlaggebender Bedeutung
ist für mich das Vorhandensein der typischen Geschwulst.
In den von mir beobachteten Fällen von Darminvagination
befand sich das invaginierte Darmstück im hinteren Abschnitte
des Dünndarmes, in der Nähe des Überganges des Leerdarmes
in den Hüftdarm; dieser Teil des Dünndarmes ist aber normal
schon nahe dem Beckeneingange gelegen und vom Mastdarm
aus zu palpieren.
Die gleiche Beobachtung machte auch der in der Bujatrik
sehr erfahrene Kollege von Wahlde-Berne (mündliche Mit¬
teilung), der auch in allen von ihm beobachteten Fällen von
Darminvagination die fragliche Geschwulst vom Darme aus
nachweisen konnte.
In den von Schiel beschriebenen Fällen von Darm¬
invagination fehlte die rektal zu palpierende Geschwulst gleich¬
falls nicht; Schiel hält die Geschwulst gleichfaUs für das
Hauptcharakteristikum der Invagination, schränkt seine Ansicht
in eiuem späteren Artikel (B. T. W. 1906, S. 610) aber daliin
ein, daß ein Irrtum möglich sei. Der zum Beweis dafür an¬
geführte Fall betrifft eine Darmstenose anderer Ursache.
Sind Erscheinungen der Darmstenose vorhanden, fehlt jedoch
die Geschwulst, der ich pathognomonische Bedeutung zuspreche,
dann wird die Probelaparotomie näheren Aufschluß bringen.
Daß beim Rind Krankheitserscheinungen auftreten, die dem
Symptomenkomplex der Darmstenose sehr ähnlich sind, beweist
außer dem von mir angeführten Falle auch der folgende: Der
Gemeindevorsteher G. A. in Butteldorf wünschte Behandlung
eines ca. 2jährigen Ochsen, der plötzlich an Kolik erkrankte,
seither nicht mehr fraß und wiederkäute und der unter Drängen
blutigen Schleim absetzt. Etwa 12 Stunden nach Beginn der
Krankheitserscheinungen untersuchte ich das Tier und fand die
anamnestisch angegebenen Symptome bestätigt. Bei der rektalen
Untersuchnng finde ich den Mastdarm ziemlich stark kontrahiert;
er enthält in geringen Mengen blutigen Schleim, beim weiteren
Vordringen stößt die Hand auf eine etwa hühnereigroße Menge
Kot; der übrige Befund vom Mastdarm aus war negativ.
Auf Grund des Mastdarmbefundes schloß ich Darminvagination
und Überwurf aus und leitete keine Behandlung ein, um erst
durch eine erneute Untersuchung zu einer einwandfreien Dia¬
gnose zu kommen. Am folgenden Tage teilte mir der Besitzer
des Ochsen mit, daß sein Tier fresse und wiederkäue, eine
abermalige Untersuchung sei überflüssig geworden.
Schiel (1. c.) nimmt an, daß der invaginierte Darmabschnitt
durch die Bauchpresse nach dem Becken oder in dasselbe hin¬
eingedrängt werde, ich halte jedoch die fragliche SteUe infolge
ihrer anatomischen Einrichtung (das Gekröse wird länger, der
Darm dicker) für einen Lieblingssitz; eine Ursache für das
Zustandekommen der Invagination konnte ich nicht ermitteln.
Beitrag zur Heilung von Herzverletzungen.
Von Kreistierarzt Michallk-Lötzen.
Vor kurzem erhielt ich einen amtlichen Auftrag, auf einem
Gute, eine angeblich unter milzbrandverdächtigen Erscheinungen
verendete Kuh zu obduzieren.
24. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
691
Ich bekam über diese Kuh folgenden Vorbericht, welcher
allerdings mit einer gewissen Vorsicht anfzunehmen ist, da der
jetzige Besitzer erst kurze Zeit auf dem Gute war.
Angeblich habe die Kuh niemals Gesundheitsstörungen
gezeigt, dann plötzlich sei sie matt geworden, habe gezittert,
nichts gefressen, sich hingelegt und sei in etwa drei Stunden,
nach den ersten Krankheitserscheinungen ruhig verendet.
Der Obduktionsbefund ergab im wesentlichen folgendes.
Ziemlich gut genährte Kuh. In der Bauchhöhle ist nur eine
derbe, narbige Verwachsung, etwa in Kindskopfgröße, zwischen
Haube und Zwerchfell zu erwähnen, in welcher mehrfach
schwarzgraue Gänge, mit trübem, krümlichem, übelriechendem
Inhalt sich befinden. In den Zellen der Haube findet sich ein
ca. 8 cm langes Stück Draht. Der Herzbeutel ist stark ver¬
dickt, vielfach 1,5 cm und darüber, mit dem Herzen an den
meisten Flächen fest verwachsen; in diesem befindet sich nur
geringer, trüber, grauer, übelriechender Inhalt. Das Herz ist
im ganzen stark hypertrophisch, an seiner Spitze findet sich in
der Scheidewand eine rundliche weißgraue Stelle, deren Durch¬
messer etwa 4 cm beträgt. Dieser grauweiße Strang reicht
in der Scheidewand etwa 9 cm mit demselben Durchmesser nach
der Basis des Herzens. Auf Schnittflächen hat er eine gleich¬
mäßige Beschaffenheit, und man merkt an dem Widerstand
beim Schneiden, daß er aus festem Narbengewebe besteht.
Am vorderen Ende dieses Stranges findet sich in der
Scheidewand ein festabgekapselter Jaucheherd mit trübgrau¬
rotem, stinkendem Inhalt, von etwa Taubeneigröße, welcher der
linken Herzkammer näher als der rechten liegt. An der
dünnsten Stelle ist die Kapsel nach der linken Herzkammer nur
etwa 5 mm stark. In der linken Herzkammer befindet sich
hier auf dem Endocardium eine gelbweiße, krümlige Masse von
fast Walnußgröße, welche sich nur mit Mühe von dem Endo¬
cardium ablösen läßt. Das Endocardium hat hier eine rauhe
Beschaffenheit. Es hatte sich also über diesen Jaucheherd auf
dem Endocardium ein Thrombus gebildet. Ob sich von diesem
Thrombus möglicherweise Massen abgelöst und irgend¬
welche Gefäßverstopfungen herbeigeführt hatten, war nicht
nachzuweisen. Meiner Ansicht nach liegt dieser Fall wie folgt:
Das Stück Draht, welches in den Zellen der Haube fest I
saß, hatte diese Verletzungen bedingt und sich dann vollständig
zurückgezogen. Sämtliche Verletzungen waren relativ gut aus¬
geheilt, ganz besonders deutet auch der graue homogene Strang
im Herzen auf eine schwere, gut ausgeheilte Verletzung des
Herzens hin. Durch irgendeinen zufällig, von dem ab¬
gekapselten Jaucheherd ausgehenden Reiz, war dann das Endo¬
cardium der linken Herzkammer an der Stelle, wo der Herd
saß, entzündet, was dann zur Thrombus-Bildung und nach¬
folgendem Tod des Tieres geführt hatte.
Acarusmilben beim Pferd.
Von Korpsstabsveterinär Walther-Leipzig.
Ein von einem Züchter gekauftes fünfjähriges Offizierreit¬
pferd bekundete an der linken Seite des Schweifansatzes ab¬
normes, heftiges Juckgefühl. Geäußert wurde dasselbe durch
häufiges Reiben, wo nur irgend das Tier einen geeigneten
Gegenstand fand. Die gereizte Haut wurde mit warmen Kreolin-
seifenbädem mittelst einer Bürste täglich gründlich gewaschen.
Da aber keine Besserung sich einstellte, wurde mir das Übel
gezeigt. Ich fand am Schweifansatz an der linken Seite eine
markstückgroße, haarlose, ziemlich wunde Stelle. Die frisch
gewaschene Haut war geschwollen, leicht entzündet und mit
schweißtropfenähnlicher, kleberiger Flüssigkeit bedeckt. Vom
Oberveterinär Eberhardt und ebenso von mir wurden pflanz
liehe Parasiten als Ursache angenommen. Die Behandlung
wurde mit den bewährten Mitteln energisch und umsichtig
durchgeführt. Da der Juckreiz trotzdem zunahm, so daß beim
Bürsten der Hautstelle sich das Pferd nach den Seiten bog und
sein Wohlbehagen durch Bebbern mit den Lippen und Strecken
des Kopfes zu erkennen gab, wurde die ausgeschwitzte Flüssig¬
keit und die Wurzeln der ausgefallenen Haare mikroskopisch
untersucht. Hierbei wurden lebende Acarusmilben in ziemlicher
Anzahl vorgefunden. Die Behandlung war sehr schwierig, noch
am 20. Behandlungstage waren lebende Acarusmilben vorhanden.
Es mußte gewissermaßen jedes einzelne Knötchen durch Reiben,
Drücken usw. entleert werden. An den entzündeten Stellen war
das Pigment verschwunden, so daß die Haut mit kleinen hellen
Pünktchen siebartig bedeckt erschien. Diese Hautstelle, die
zuletzt die Größe eines Handtellers angenommen hatte, be¬
deckte sich mit Haaren von hellerer Farbe. Die Übertragung
der Acarusmilben auf das Pferd war nicht zu ermitteln. Von
allen den bekannten milbentötenden Mitteln bewährte sich noch
am besten Holzteer, Glyzerin und Spiritus zu gleichen Teilen.
Der Laufgewichtshanimer.
Von Dr. Emil Kantorowicz, prakt Arzt in Berlin.
Wie in der humanen, so gibt es auch in der Veterinär¬
medizin eine ganze Anzahl von Perkussionshämmern, die sich
untereinander, von sonstigen Äußerlichkeiten abgesehen, vor
allem durch ihr verschiedenes Gewicht unterscheiden. Es
dürfte daher auch hier eine Neukonstruktion am Platze sein,
die ich ursprünglich für Humanzwecke geschaffen, und die es
ermöglicht, ein und demselben Perkusssionshammer durch ver¬
schiedenartige Massen Verteilung jedes beliebige Schwungmoment
für die Hammerführung zu verleihen, von dem des leichtesten
bis zu dem des schwersten Modells.
Die beigegebene Zeichnung macht des Wesen der neuen
Erfindung ohne weiteres klar und läßt die ihr zugrunde liegende
Idee deutlich erkennen. Der Hammer ist, ähnlich der bekannten
Laufgewichtswage, nach dem Prinzip des ungleicharmigen Hebels
konstruiert, bei dem das Moment der Kraft bzw. der Last um
so größer wird, je länger der betreffende Hebelarm ist. Auch
der Hammer ist als ein solcher ungleicharmiger Hebel anzu¬
sehen, dessen Drehpunkt in dem in der Hand befindlichen
Hammergriff, dessen kürzerer Arm hinter und dessen längerer
Arm vor dem Drehpunkt gelegen ist. Durch einfache Ver¬
schiebung des auf diesem Arm gleitenden Laufgewichtes nun
können verschiedene Abschnitte des Hebelarms eingestellt und
damit das Wirkungsmoment des Hammers beliebig gesteigert
werden, von dem schwächsten bis zu dem höchsten überhaupt
erreichbaren Grade.
692
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39.
Der neue Perkussionsliaramer, der somit die Eigentümlich¬
keiten sämtlicher vorhandenen Systeme in sich vereinigt, dürfte
auch in tierärztlichen Kreisen nicht unwillkommen erscheinen. Ich
habe ein für Veterinärzwecke bestimmtes Modell anfertigen
lassen, das durch die einschlägigen Handlungen zu beziehen ist.
(Aus dem Veterinärinstitut der Kgl. Universität Breslau. Direktor:
Professor Dr. M. Casper.)
Ein seltener Fall einer Doppelmißbildung eines Kalbes.
Von E. Hieronymi, II. Assistent.
Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Kreistierarztes
Bischoff gelangte das Veterinärinstitut der Universität Breslau
in den Besitz einer interessanten Mißgeburt eines weiblichen
Kalbes, das bei einer notgeschlachteten Kuh ein Geburtshindernis
abgegeben hatte.
Das Präparat gehört in die Gruppe der inäqualen Doppel¬
mißbildungen. Es präsentiert sich als Kalb gewöhnlicher Größe.
Der Kopf ist doppelt, d. h. Gesichts- und Schädelteil ist je
zweimal vollständig entwickelt, und jeder Kopf besitzt eine be¬
sondere Halswirbelsäule. Der weiteste Abstand der beiden
Maulspitzen voneinander beträgt 46 cm. Die größte Entfernung
beider lateralen Augenwinkel beträgt 52 cm. Von jeder Maul¬
spitze bis zum Verwachsungswinkel der Wirbelsäulen ist eine
Entfernung von 37 cm. Die Länge des Kalbes beträgt 91 cm,
die größte Breite des Beckens, gemessen an den Hüfthöckern,
25 cm. Die beiden Köpfe sind nicht vollkommen kongruent.
Der linke Kopf ist in seiner Längen- und Dickenausdehnung im
Wachstum zurückgeblieben. Die Kopflänge beträgt links 26 cm,
rechts 28 cm.
Von jedem Atlas, der in keiner Weise mit dem der anderen
Seite in Verbindung steht, verläuft eine Halswirbelsäule bis
zum ersten Rückenwirbel, der noch doppelt ist. Der zweite
Halswirbel ist ebenso wie die fünf anderen Halswirbel und die
beiden ersten Rückenwirbel durch Knorpelmassen, in welche
die Seitenfortsätze der Wirbelkörper eingebettet sind, mit den
entsprechenden Wirbeln der anderen Seite zusammengekittet.
Diese „seitlichen Zwischenwirbelscheiben“ nehmen von vorn nach
hinten an Dicke ab, gemäß der allmählichen Vereinigung der
beiden Halswirbelsäulen in einem spitzen Winkel. Vom dritten
Rückenwirbel an wird der vorher doppelte Wirbelkanal einfach,
und zwischen dem zweiten und dritten Rückenwirbel findet das
Zusammenfließen des rechten und linken Rückenmarks in einen
Strang statt.
In der Höhe des achten Rückenwirbels krümmt sich die
Wirbelsäule stark dorsal, so daß sie fast einen nach oben
offenen rechten Winkel bildet. Diesen Verlauf behält die
Wirbelsäule bis zum zweiten Lendenwirbel bei und biegt sich
von hier an wieder in die Horizontalebene um. Auf diese
Weise entsteht, schematisch gedacht, die Figur eines S.
Der knöcherne Rückenmarkskanal ist in seinem ganzen
Verlaufe, auch in der Krümmung, bis zum elften Rückenwirbel
geschlossen. Vom zwölften Rückenwirbel an fehlen plötzlich
ohne jeden Übergang die knöchernen Wirbelbogen vollständig
und mit ihnen hat auch das Rückenmark sein Ende erreicht,
das mit einem stumpfen Kegel scharf abschneidet. Die dorsale
Fläche der Wirbelkörper des dreizehnten Rückenwirbels, der
sechs Lendenwirbel und des Kreuzbeins trägt keine Andeutung
auch nur eines Rudimentes eines Bogens und liegt unmittelbar
unter der äußeren Haut. Das Kreuzbein trägt kleine, leicht
gebogene, nach oben konkave Seitenfortsätze. Die obere Fläche
seiner Wirbelkörper ist glatt und leicht konvex gewölbt, so daß
bei seitlicher Betrachtung das Niveau der Mitte höher liegt als
der Seitenrand der Wirbelkörper. Die äußere Haut zeigt an
der Stelle des Defekts keine Kontinuitätstrennung und hat die¬
selbe Dicke und Beschaffenheit wie an den anderen KörpersteUen.
Das Becken ist in geringem Grade unsymmetrisch. Die
linke Beckenhälfte ist ein wenig nach oben und außen ver¬
schoben. Das Becken ist infolge der Wirbelsäulenverkrümmung
außerordentlich stark den letzten Rippen genähert, wodurch
diese der Fläche nach nach vorn gewulstet sind.
Die Hintergliedmaßen sind erheblich schwächer entwickelt
als die Vordergliedmaßen. Die Knie- und Sprunggelenke sind
durch die in ihrer Entwicklung gehemmten Gelenkbänder in
Beugestellung starr fixiert. Der Knorpelüberzug der Gelenk¬
enden ist glatt und die Gleitflächen sind nach Durchtrennung
des Bandapparats der Gelenke leicht gegeneinander beweglich.
Die Metatarsen sind in den Sprunggelenken etwas nach innen
rotiert.
Neben diesen Anomalien des Skeletts fanden sich bei der
Sektion noch bemerkenswerte Abweichungen an den Organen
der Brusthöhle.
Entsprechend der Zweiteilung des Kopfes und Halses sind
auch die Halsorgane doppelt ausgebildet. Der Ösophagus ver¬
läuft bis zum Foramen oesophageum des Zwerchfells doppelt.,
vereinigt sich hier zu einem gemeinsamen Rohr und mündet als
ein Organ in den Magen. Die beiden Luftröhren dagegen
bleiben in ihrer ganzen Ausdehnung getrennt. Ein Zusammen¬
schluß tritt nicht ein, vielmehr versorgt die linke Trachea den
linken Lungenflügel und die rechte Trachea die rechte Hälfte
der sonst einfachen, nicht verbildeten Lunge.
An den Baucheingeweiden w r ar keine Mißbildung vorhanden.
Ganz besonders auffallend war die Doppelmißbildung des
Herzens. Von einem gemeinsamen Herzbeutel umschlossen
liegen zwei unvollständig verschmolzene Herzen in der Brust¬
höhle, die sich mehr als gewöhnlich der Medianebene nähern.
Die beiden Herzen sind an der Basis vollständig verschmolzen
und nur an der Spitze durch eine tiefe Furche getrennt. Der
Zusammenschluß beider Herzen beginnt an den Vorhöfen, deren
Lumina durch die offenen Foramina ovalia kommunizieren und
eine gemeinsame Höhle bilden, welche außen keine Andeutung
einer Differenzierung zeigt. Die Atrien laufen in zwei Herz¬
ohren aus, von denen das linke in zwei Zipfel gekerbt ist,
während das rechte einfach ist und isoliert liegt. Vom Sulcus
corenarius ab beginnt die Verdoppelung und zwar hat das linke
Herz zwei wohl ausgebildete linke Kammern mit je einer
Mitralis, während das rechte Herz nur eine dickwandige rechte
Kammer besitzt, die durch den Besitz einer dreizipfligen Klappe
gekennzeichnet ist. Aus jedem linken Ventrikel entspringt eine
24 . September 1908.
fcERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
693
Aorta Beide sind gleich stark nnd vereinigen sich oberhalb |
des Dnctns Botalli. Der dickwandige rechte Ventrikel gibt
eine Lungenarterie ab. Die Herzkammern stehen untereinander
nicht in Verbindung. In die Vorkammern münden die vordere
und die hintere Hohlvene und die Lungenvenen. Eine Zwei¬
teilung hat also an dem venösen Zuflußapparat des Herzens
nicht stattgefunden.
Die eben beschriebene Mißgeburt gewinnt dadurch an
Interesse,, daß an ihr eine äußerst seltene Kombination der
verschiedensten Fehlbildungen vorliegt, wenn auch gerade Doppel¬
mißbildungen häufig mit anderen Mißbildungen vergesellschaftet
sind. So weit mir die Literatur zngängig war, ist in ihr ein
analog kombinierter Fall nicht niedergelegt.
Ähnliche Fälle sind zwar in der neueren tierärztlichen
Literatur beschrieben, z. B. von Marlöt (1), der an einer
Mißgeburt zwei ausgebildete Köpfe, eine Dichotomie der Wirbel¬
säule am dritten Halswirbel und zwei Luftröhren fand.
Röder (2) beschreibt eine zweimal ausgebogene, einem
Kamelrücken ähnliche Wirbelkyphose mit Aplasie der Lenden¬
wirbelsäule, so daß Vorder- und Hinterteil des Kalbes nur
durch die Haut in Verbindung standen.
Wosnescenzky (3) stellte bei einer Zieselmaus eine Herz¬
verdoppelung fest, bei der das rechte Herz normal gebaut, das
linke dagegen keine ausgesprochenen Kammern und dünne
Wandungen besaß.
Gurlt (4) besonders fuhrt in seinem Werke über Mißgeburten
eine reiche Kasuistik ähnlicher Fälle in dem Kapitel Cephalo-
Cormodidywi an.
Infolge der Häufung der Fehlbildungen an dem beschriebenen
Präparat erscheint eine Einordnung in die bestehenden Schemata
schwierig.
Geoffroy St. Hilaire der Jüngere (5) hat als erster
betont, daß die Mißbildungen nicht in ganz regelloser Weise
zur Ausbildung kommen, sondern daß sich gewisse typische
Formen wiederholen, die zur Einteilung der Monstra in Gruppen
geführt haben. Nach dieser Einteilung gehört der Fall in die
Gruppe der inäqualen Doppelmißbildungen, deren Beurteilung
sich hauptsächlich nach dem Vorhandensein mehrerer Körper¬
achsengebilde richtet. Da die Verdoppelung nicht vollkommen
durchgeführt, sondern nur auf den vorderen Körperabschnitt
beschränkt ist, so kann man von einer Duplicitas incompleta
superior Marchand (7), oder von einem Monstrum catadidymum
Förster (6) sprechen. Nach der spezifizierteren Gurlt sehen
Einteilung (4) gehört die Mißbildung in die dritte Ordnung,
Cephalo-Cormo-didymi und in die Variation der XVI. Art der
Gattung Dicephali. Gurlt hat dafür den Namen Dicephalus
bicollis homocephalus geprägt. Beim Menschen spricht man im
gleichen Falle von einem Dicephalus monauchenis (Förster 1. c.).
Bei Tieren ist diese Fehlbildung häufiger als beim Menschen,
bei dem der größte Teil der Dicephalen der hinteren Ver¬
einigung zweier vollständiger Anlagen, der Ischiothora copagie
angehört.
Die Krümmung der Wirbelsäule an dem oben beschriebenen
Präparat ist nach Gurlt nicht selten und meist mit anderen
Defekten, mit Brust- und Bauchspalten verbunden. Nach
Marchand (1. c.) kompliziert sich eine kyphotische Knickung
der Wirbelsäule häufig mit Spaltungen im Bereich der Rücken-
und Lendenwirbel. In der Gurlt sehen Nomenklatur wird sie
als Campylorrhachis bezeichnet.
Einen äußerst seltenen Befand, der selbst in der reich¬
haltigen Gurltschen Sammlung nicht erwähnt ist, stellt die
Spaltung der Wirbelsäule bei vollkommen intakter äußerer Haut
dar. Die leicht konvexen Wirbelkörper, denen die Bogen voll¬
ständig fehlten und deren Knochendefekt mit totaler Amyelie
verbunden war, lagen direkt unter der äußeren Haut. Für eine
derartige Fehlbildung ist in der medizinischen Literatur keine
Bezeichnung angegeben. Der Name Spina bifida (Förster), der
neben der Bezeichnung Schistocorums fissispinalis bei Gurlt
angeführt ist, kann hierauf nicht angewendet werden. Die
Spina bifida wurde zuerst von Nicol. Tulpius (10) in den
Observationes med. Amstel. benannt und abgebildet. An der
Bildung der Spina bifida s. Fissura spinalis ist nach Virchow
(8) immer das Rückenmark beteiligt, und ihre Bezeichnung steht
in der Humanmedizin nur für jene Fälle im Gebrauch, in denen
aus Spalten des Wirbelrohres sich hernienartige Tumoren
hervordrängen.
Auch die Merovachis chisis oder partielle Rachischisis, die
aus den nicht vereinigten bilateralen Anlagen der Wirbelsäule
entsteht und die ihren Sitz in der Regel im sacrolumbalen Teil
der Wirbelsäule hat, entspricht in ihrem Verhalten nicht dem
anatomischen Bau der vorliegenden Anomalie. Nach Ziegler
und Marchand (9) stellt sie offene Defekte dar, deren Grund
mit einer feuchten, glatten, rötlichen Membran, dem Rudiment
des Rückenmarks, bedeckt ist und die mit partieller oder totaler
Amyelie und Adennie verbunden sind. Die zweckmäßigste Be¬
zeichnung für die beschriebene Aplasie des Rückenmarkes und
der Wirbelbogen bei unversehrter äußerer Haut wäre demnach
die Gurltsche: Schistocorums fissi spinalis mit dem Zusatz
integumento inhaelo.
Da Termini technici für die Mißbildungen der Brust- und
Bauchhöhle nicht existieren, so kann von einer Benennung der
Vitia cordis congenita Abstand genommen werden.
Ein Name, der die Hauptcharakteristika des beschriebenen
Monstrums, wenn auch nicht alle, zusammenfaßt, müßte also
lauten: Dicephalus bicollis homocephalus kombiniert mit Campy¬
lorrhachis und Schistocorums fissispinalis integumento intacto.
Zum Schluß sei mir gestattet, meinem verehrten Chef,
Herrn Professor Dr. Casper, für die gütige Anregung zu
dieser Arbeit auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank
auszusprechen.
Literatur.
1) Marlot, Recueil de mödecine v6t6rinaire 1900, Nr. 7.
2) Röder, Sächsischer Bericht 1901, S. 82.
3) Wosnescensky, cit. nach Ulenberger-Schütz, Jahresberichte
1900.
4) Gurlt, Lehrbuch der pathologischen Anatomie, Teil II, 1832.
5) Geoffroy St. Hilaire, Histoire g6n. et partic. des anomalies,
cit. nach Marchand.
6) Förster, Mißbildungen des Menschen.
7) Marchand, Mißbildungen des Menschen in Eulenburgs Real-
Encyklopädie 4er ges. Medizin, Bd. XV.
8) Virchow, Vorlesungen über Pathologie, Bd. II, Onkologie.
1863-67.
9. Ziegler, Lehrbuch der pathologischen Anatomie, Bd. II, 1892.
10) Tulpius, Observationes med., cit nach Virchow.
11) Birch-Hirschfeld, Pathologische Anatomie, allgem. Teil,
II. Hälfte 1907.
12) Ahlfeld, Mißbildungen des Menschen, Alias. 1880-1882.
694
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39
Schieferzähne beim Rind.
Von Tierarzt Wieland, Wangerin.
Am 15. Januar 1908 wurde ich zu einer Kuh gerufen, die
nach Aussagen des Boten seit einiger Zeit schlecht fraß, geiferte
und nicht ordentlich schlucken konnte. Nach meinem Eintreffen
ließ ich der Kuh, die stark abgemagert, aber sonst ganz gesund
war, Rübenstücke in die Krippe werfen, die von ihr langsam auf¬
genommen wurden. Beim Verzehren der Rübenstücke beobachtete
ich eine für Wiederkäuer abnorme Kaubewegung. Der Unter¬
kiefer wurde nicht seitlich gegen den Oberkiefer verschoben,
sondern mehr von oben nach unten bewegt. Schluckbeschwerden
zeigte die Kuh nicht. Da es sich hier nur um Kaustörungen
handeln konnte, untersuchte ich nach Befestigung des Maulholzes
zunächst die Zunge auf Aktinomykose und die Maulhöhle auf
etwaige eingekeilte Fremdkörper. Der Befund war negativ.
Ich wollte schon entmutigt die untersuchende Hand zurück¬
ziehen, als ich am letzten Molaren des Unterkiefers eine ca.
1 cm hohe Spitze fühlte. Dasselbe fand ich dann auch auf der
rechten Seite des Unterkiefers. Auch die übrigen Molaren und
Prämolaren hatten kleinere scharfe Spitzen, wie man sie bei dem
sogenannten „Schiefergebiß“ des Pferdes häufig findet. Beim
Rinde ist mir eine derartige Zahnanomalie noch nicht vor¬
gekommen.
Schutz-, Not- und Heilimpfung gegen Milzbrand
nach Prof. Sobernheim.
Von Tierarzt Moritz in Sulmirschütz.
Auf dem fürstlich Turn und Taxischen Domium Prinzenhof
Kreis Krotoschin war in einem Bestände von 120 Zugochsen
Milzbrand ausgebrochen, infolge von Verfütterung von Rüben¬
blättern, die von einem Schlage stammten, auf welchen in
früheren Jahren an Milzbrand gefallene Ochsen verscharrt worden
waren. Die Tiere waren in zwei Ställen zu je 60 Stück unter¬
gebracht. In dem einen Stalle waren noch keine Erkrankungen
vorgekommen, da hier die Rübenblätter noch nicht gefüttert
worden waren, während in dem andern Stalle binnen 4 Tagen
6 Todesfälle zu verzeichnen gewesen waren. Als ich den Be¬
stand untersuchte, konnte ich feststellen, daß in dem Stalle, wo
die Seuche ausgebrochen war, noch 3 Tiere stark milzbrand-
verdächtig waren. Die Tiere fraßen nicht mehr, die Temperatur
betrug, im Rektum gemessen, 41—41,8°, die sichtbaren Schleim¬
häute waren stark injiziert. Im Einverständnis mit dem
Besitzer nahm ich die Milzbrandimpfung nach Prof. Sobern¬
heim vor.
In dem noch nicht von der Seuche befallenen Stalle nahm
ich die Schutzimpfung vor. Alle 60 Ochsen wurden mit 5 ccm
Milzbrandserum und 0,5 ccm Kulturen geimpft. In dem andern
Stalle machte ich bei den noch nicht erkrankten Tieren die
Notimpfung, d. h. jeder Ochse erhielt 10—15 ccm Milzbrand¬
serum unter die Haut am Halse gespritzt. Bei den 3 erkrankten
Tieren nahm ich die Heilimpfung vor. Alle 3 erhielten je 25 ccm.
Serum in die vena jugularis injiziert. Der Erfolg war über¬
raschend.
Am nächsten Tage war bei 2 von den erkrankten Ochsen
die Temperatur auf 3!*,9 gesunken und die Tiere zeigten sich
viel munterer. Einem Ochsen mußte noch einmal 25 ccm Serum
intravenös injiziert werden, da sich bei diesem der Zustand noch
unkt gebessert batte. Alle 3 Tiere kamen mit dem Leben
davon. Weitere Erkrankungen kamen nicht mehr vor, obwoh
die Rübenblätter schon der Kontrolle wegen, ob die Impfung
einen Zweck hätte, in noch größerem Maßstabe als vorher
gefüttert wurden. In dem Stalle, wo ich zuerst nur die Not¬
impfung vorgenommen hatte, machte ich 4 Wochen später auch
die Schutzimpfung. Seit 3 Monaten ist der Bestand vollständig
seuchefrei. Eine Reaktion infolge der Impfung habe ich nicht
bemerkt, alle Tiere zeigten sich vollständig munter.
Ein mit ölsaurem Natron und Lecithin hergestelltes
hochwertiges Tuberkulose-Toxin.
Von Dr. med. W. Zeuner, prakt. Arzt in Berlin.
II.
Zu meiner Arbeit über oben genanntes Thema in Nr. 37
dieser Wochenschrift ist noch nachzutragen, daß bei tuber¬
kulösen Meerschweinchen, wenn sie mit der toxinhaltigen, durch
Schütteln der Tb.-Bazillen mit ölsaurer Natronlösung und
Lecithin-Emulsion nebst einstündiger Erhitzung auf 70° ge¬
ronnenen Flüssigkeit unter die Rückenhaut injiziert werden,
konstant an den tuberkulösen Herden, speziell auch an den er¬
krankten Drüsen bei der Autopsie die charakteristische, hämor¬
rhagische Entzündung sich vorfindet, die als spezifische Gewebs-
reaktion z. B. auch beim Tuberkulin beobachtet wird. Diese
deutliche, frische, starke Rötung und elektive, spezifische Ent¬
zündung, fern von der Injektionsstelle, findet sich an den
geschwollenen Drüsen und den Knoten noch drei Tage nach der
Injektion, während sie 17 Tage nach derselben nicht mehr zu
bemerken ist. In der Regel sterben kleine Meerschweinchen
von etwa 200—250 g einen Tag nach der vierten Subkutan¬
einspritzung von je 0,5 ccm der toxinhaltigen Flüssigkeit, wenn
die letztere drei Wochen nach der subkutanen Infektion in
Zwischenräumen von einer Woche subkutan injiziert wird. Dabei
entwickelt sich unter dem Einfluß der eingespritzten Toxine
(Proteine) äußerste Kachexie, hochgradige Abmagerung, Anämie
und Schwäche. Die tuberkulöse Infektion nimmt dabei einen
rascheren Verlauf zum Tode als dies bei den Kontrollieren, die
nicht gespritzt werden, der Fall ist.
Ob sich mit dieser spezifischen, toxinhaltigen Flüssigkeit
immunisierende und therapeutische Wirkungen werden erreichen
lassen, müssen erst noch weitere Verluste lehren, die hoffentlich
in Anbetracht der wichtigen Fragen, um die es sich hierbei
handelt, auch von anderer Seite in Angriff genommen werden.
Hierzu anzuregen und auf dem von mir nur kurz skizzierten
Wege andere, berufene Kräfte bei der näheren Erforschung der
genaueren einschlägigen Verhältnisse am Werke zu sehen, ist
der Zweck dieser Veröffentlichung. Ich bin mir wohl bewußt,
nur Unvollkommenes und der Nachprüfung Bedürftiges bisher
erreicht zu haben. Immerhin erscheint mir das Bestreben, die
spezifische Behandlung der experimentellen Tuberkulose durch
Produktion von Schutzstoffen und durch Einfügung der Heilserum¬
gewinnung einen bedeutsamen Schritt zu fördern, der Pflege und
des Ausbaues wert. Da wir nun neuerdings im Lecithin ein
Mittel besitzen, welches vermöge seiner bakteriologischen Kraft
zur Gewinnung der Toxine geeignet ist, so drängt sich die Not¬
wendigkeit auf, hiermit zu experimentieren, um, wenn möglich,
bei der Bekämpfung der Tuberkulose vorwärts zu kommen.
Zum Schluß betone ich auf besonderen Wunsch von Herrn
Geheimrat Prof. Dr. P. Frosch ausdrücklich, daß nur ich allein
24. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
die Verantwortung für die vorliegende Arbeit trage, die ich
völlig selbständig und aus eigenen Mitteln im hygienischen
Institut ausgeführt habe.
Mitteilung.
Herr Stabsveterinär Dr. Goldbeck hat eine Erwiderung auf
den Artikel des Herrn Kreistierarzt Raebiger eingeschickt. Da
dieselbe während der Abwesenheit des Herrn Prof. Schmaltz
nicht veröffentlicht werden kann, so soll der Eingang hier mit¬
geteilt werden.
Referate.
(Aus dem veterinär-chirurgischen Institut der Universität Zürich.)
Die aseptischen Beugesehnenverändernngen des Pferdes
unter besonderer Berücksichtigung der histologischen
Vorgänge.
Von Arthur Schifferli, Tierarzt, Döttingen (Aargau).
(Schweizer Archiv för Tierheilkunde, 1. u. 2. Heft 1908.)
In vorliegender, mit 8 Abbildungen ausgestatteter Arbeit
bespricht S. unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte
und der Literatur die Ätiologie, die Pathologische Anatomie, die
Prognose und Therapie der Sehnenentzündungen. Von
seinen Ausführungen möchte ich nachstehendes hervorheben:
Die Lokalisation der durch Überdehnung entstandenen Er¬
krankungen der einzelnen Beugesehnen des Pferdes ist im
allgemeinen abhängig von dessen Gebrauchs- und Gangart und
wird bedingt durch die verschiedene Beanspruchung der Trage¬
apparate des Fußes. In hohen Gangarten können im
Momente des stärksten Durchtretens Überdehnungen der
dem FeBselgelenk als volare Spann- oder Hemmungsbänder
dienenden Sehnen, speziell des oberen Gleichbeinbandes, sowie
des Kronbeinbeugers entstehen. Wir sehen diese Dehnungen
also bei Reit- und Wagenpferden mit schnellen Aktionen. Lang¬
sames Abrollen der Gliedmaßen kann Zerrungen im Hufbein-
beugesehnentragapparat hervorrufen (z. B. bei Pferden, welche im
langsamen, schweren Zug arbeiten).
Die Veränderungen des Kronbeinbeugers geben sich als
typische Knoten oder wadenförmige Vorwölbungen der Sehne
zu erkennen. Die Veränderungen des oberen Gleichbeinbandes
bestehen entweder in diffuser Schwellung des Körpers oder
strangförmigen Anschwellungen des einen oder beider Schenkel
vom Fesselgelenk an aufwärts. Für Erkrankung des Unter-
stütznngsbandes der Hufbeinbeugesehne ist eine Anschwellung
unter dem Karpal- bzw. Tarsalgelenk typisch, welche gegen
die Mitte des Schienbeines abnimmt. Anfänglich ist sie festweich,
schmerzhaft, später hart und derb (Sehnenklapp).
Histologisch sind die Beugesehnenveränderungen in zwei
Gruppen trennbar. Die eine betrifft das eigentliche Sehnen¬
gewebe. In demselben treten durch Überdehnung partielle
Gewebsrupturen auf, in deren Lücken sich Blut und Lymphe
ergießen. Rasch tritt durch zellige Infiltration Organisaton ein.
Die an diesem Vorgang beteiligten ZeUen sind große runde
Gebilde mit bläschenförmigem Kern und deutlichen Chromatin¬
körperchen. Diese Zellen werden oval und wandeln sich in
Fiberobiasten um. Unter ihnen sind Kernteilungsfiguren sicht¬
bar als Beweis dafür, daß die Restitution größtenteils durch
Proliferation fixer Bindegewebszellen erfolgt. Die Fibroblasten
ordnen sich zu Bindegewebsfibrillen und bilden so an der
LäsionsBtelle eine bindegewebige Narbe. Eine Umwandlung
695
des Narbengewebes in eigentliches Sehnengewebe findet aber
nicht statt. Abnorme Anhäufung von Knorpelzellen oder
Knochenbildungen konnten in den Sehnen weder makroskopisch
noch histologisch beobachtet werden.
Die zweite Gruppe von Veränderungen betrifft das Unter¬
stützungsband der Hufbeinbeugesebne. Zum geringen Teil
gleichen die Veränderungen denjenigen der Sehnen. Größten¬
teils bestehen sie jedoch aus vielen kleinen, bis 0,5 mm großen,
entweder scharf begrenzten, oder mehr oder weniger ver¬
schwommenen Herden. Letztere besitzen eine homogen-hyaline,
basophile Grundsubstanz. In derselben ist keine deutliche
Faserung mehr zu erkennen. Die Fibrillen sind gequollen, ihre
Konturen verwischt. Die zelligen Elemente dieser Partien be¬
stehen hauptsächlich aus Knorpel oder knorpelähnlichen Zellen
mit einer deutlichen Kapsel. Daneben kommen auch Kalk¬
einlagerungen und Verknöcherungen vor, namentlich an der
Vereinigungsstelle der Hufbeinbeugesehne mit ihrem Unter¬
stützungsband. In den pathologisch veränderten Sehnen ist der
Fibrillenverlauf ein sehr verschiedener (Wirbelbildung, durch-
flochtenes Netzwerk.) Der Sehnenstelzfuß wird nicht durch
Narbenschrumpfung bedingt, sondern er ist eine Folge der durch
den Sehnenschmerz hervorgerufenen willkürlichen Kontraktiou
der entsprechenden Muskelbrüche. Die Narbenbildungen be¬
treffen nie den ganzen Sehnenquerschnitt, und somit könnte die
Kontraktion die Sehne nicht in toto betreffen. Nach Aufhebung
der Scbmerzleitung (z. B. nach Neurektomie) tritt meist Ver¬
schwinden des Sehnenstelzfußes ein.
Prognostisch günstig sind die frischen Sehnenentzündungen,
weniger günstig die Affektionen des oberen Gleichbeinbandes
und des Unterstützungsbandes, ungünstig die chronischen mit
Veränderungen einhergehenden Entzündungszustände.
Für die Therapie gibt Verfasser keine neuen Gesichtspunkte.
J. Schmidt.
Klinische Untersuchungen über Wert und Wirkung
des Kalomels.
Von Dr. Franz Müller-Riedlingen.
Monatshefte für praktische Tierheilkunde, 19. Band, Heft 9. (Arbeiten aus der medi¬
zinischen Veterinärklinik der Universität Gießen. Direktor: Prof. Dr. Gmein er.)
Dissertation. 1908. Gießen.
Die vorstehend benannte Arbeit der Gmeinerschen Klinik
befaßt sich in sehr eingehender Weise an der Hand eines
großen klinischen Materiales von über 100 Fällen bei Pferd,
Rind, Schaf, Ziege, Hund, Geflügel und Kaninchen mit Unter¬
suchungen darüber, ob das Kalomel bei den einzelnen Haus¬
tieren als Abführmittel überhaupt sich eignet, d. h. ob mit
Kalomel in den gewöhnlich verordneten Dosen ein Laxiereffekt
zu erwarten ist; welche Dosen nötig sind, um Laxieren hervor¬
rufen zu können; in welcher Form es am besten bei Haustieren
appliziert wird; in welcher Weise es sich toxisch äußert; ob
dem Mittel diuretische Eigenschaften zukommen; wie es den
tierischen Organismus verläßt und nachzuweisen ist usw. Alle
diese Fragen sind hier experimentell zum ersten Male geprüft
und haben vielfach neue, für den Kliniker bemerkenswerte
Resultate gezeitigt. Es kann auf die Details hierbei nicht
näher eingegangen werden, weshalb auf das Original (Disser¬
tation, erschienen im Verlag von Enke & Co., Stuttgart) ver¬
wiesen wird. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen faßt der
Autor in folgende Sätze zusammen:
696
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39.
1. Das Kalomel eignet sich als Laxans nur für sehr wenige
Tiergattnngen.
2. Beim Pferde spielt das Kalomel als Laxans keine
therapeutische Rolle; man kann weder mit den von den
einzelnen Autoren angegebenen noch mit weit höheren
Dosen einen therapeutischen Laxiereffekt erreichen.
3. Laxierwirkung beim Pferde ist nur mit toxischen Dosen
möglich.
4. In Pillenform wird Kalomel vom Pferd in sehr großen
Mengen ohne jegliche Störung des Allgemeinbefindens ertragen.
5. In Pulverform dagegen wirkt es sowohl beim Pferd als
auch bei anderen Tiergattungen (Rind, Hund, Schaf, Ziege)
schon in kleinen Dosen toxjsch durch Anätzung bzw. durch
Bildung ulzeröser Veränderung der Schleimhäute des Digestions¬
apparates.
6. Bei ausgewachsenen Rindern kann selbst mit der
bisher üblichen Maximaldosis von 5,0 Kalomel kein Laxieren
erzeugt werden; solches läßt sich erst mit 7 g erzielen.
7. Einmalige Darreichung von über 7 g Kalomel kann bei
nicht ausgewachsenen, schlecht genährten Rindern leichte
toxische Erscheinungen hervorrufen.
8. Ziegen sind mit 0,5 Kalomel nicht zum Laxieren zu
bringen; bei kleinen und mittleren Ziegen genügen Dosen von
1,5 Kalomel, um einen Laxiereffekt auszulösen.
9. Einmalige Dosen von 1,5 Kalomel können bei Ziegen
unter Umständen toxisch wirken.
10. Fortgesetzte Verabreichung von kleineren Kalomelgaben
kann bei Ziegen Hg-Vergiftung mit tödlichem Ausgange erzeugen.
11. Ausgewachsene Schafe zeigen auf Dosen von '/a, 1 und
selbst 17a g Kalomel kein Laxieren.
12. Bei gesunden Wiederkäuern (mit Ausnahme bei Ziegen)
äußern mithin einmalige in obigen Grenzen festgelegte Kalomel¬
gaben keine toxischen Erscheinungen.
13. Schafe sind gegen Hg viel widerstandsfähiger als Ziegen.
14. Bei Hunden war mit einer einmaligen Dosis von
0,1 Kalomel niemals, mit einer solchen von 0,2 Kalomel nur
sehr selten, dagegen mit einer solchen von 0,3 bis 0,4 stets und
zwar bei Hunden der verschiedensten Größen Laxieren zu
beobachten.
15. Mit zweimaligen Dosen von 0,1 Kalomel pro die kann
man bei Hunden einen Laxiereffekt nicht erreichen; letzterer
tritt erst am zweiten, dritten und vierten Tage der wiederholten
Applikation ein.
16. Bei Gaben von dreimal 0,1 Kalomel pro die ist bei
mittelgroßen Hunden am ersten Tage, bei großen Hunden jedoch
erst am zweiten resp. dritten Tage der also wiederholten Ver¬
abreichung Laxiereffekt zu konstatieren.
17. Mit zwei Dosen von je 0,2 Kalomel pro die tritt bei
Hunden am ersten Tage niemals Laxieren auf; letzteres ist
erst der Fall am zweiten Tage der wiederholten Applikation.
18. Für die Praxis ist es empfehlenswert, bei Hunden und
kleineren Haustieren nur von einer einmal zu verabreichenden
Laxierdosis Gebrauch zu machen.
19. Katzen zeigen erst auf Dosen von 0,1 resp. 0,15 Kalomel,
niemals aber auf 0,05 Kalomel Durchfall.
20. Bei Hühnern war erst auf Dosen von 0,2 Kalomel
Laxiereffekt zu beobachten.
2t. Tauben laxieren auf eine Dosis von 0,05 Kalomel.
22. Beim Kaninchen beträgt die Laxierdosis 0,2 Kalomel.
23. Durch längere Verabreichung von kleineren Kalomel-
dosen kann bei Kaninchen Hg-Intoxikation mit letalem Ausgange
erzielt werden.
24. Dem Kalomel ist eine ausgesprochene diuretische
Wirkung auch bei gesunden Tieren eigen.
25. Bei Kalomelapplikation per os verläßt ein Teil des Hg
(außer durch Speichel, Schweiß, Galle, Magen- und Darmschleim¬
haut) durch die Harnwege den Körper.
26. Bei Verabreichung größerer bzw. toxischer Dosen läßt
sich das Hg im Harne der Haustiere noch 3—4 Wochen später
feststellen. Dieser Nachweis ist für den Kliniker in diagnostischer
bzw. differential-diagnostischer Hinsicht von höchstem Werte; er
läßt sich in der von Gmeiner angewendeten Art und Weise
rasch und. einfach bewerkstelligen.
27. Das Hg läßt sich bei medizinalen Dosen schon fünf
Stunden nach der Kalomelgabe im Harn der Haustiere auffinden.
28. Die klinischen Erscheinungen der Kalomelvergiftung
sind folgende: Magen- und Darmkatarrh; profuse, später blutige
Diarrhöen mit dünnem, faulig riechendem Kot; lähmungsartige
Schwäche und große Teilnahmslosigkeit, Muskelzittern, Schreck¬
haftigkeit, Angstgefühl, Schweißausbruch, hoher kleiner, schlie߬
lich unfühlbarer Puls; hohe Temperatur, Albuminurie, Zylindrurie,
Oligurie, Anurie.
29. Der pathologisch-anatomische Befund gestaltet sich
meistens wie folgt: Körpermuskulatur in der Regel blaß, Blut
schwarzrot, schlecht geronnen; ab und zu ulzeröse Stanatitis;
Geschwüre im Magen, speziell im Labmagen der Wiederkäuer,
diffuse Hämorrhagien und diphtherische Auflagerungen besonders
im Cöcum und Colon, weniger im Rectum. Leber getrübt.
Herzmuskel getrübt. Schwellungen der Körperlymphdrüsen.
Nieren leicht geschwollen, auf dem Durchschnitt verwaschen
trüb-grau, Marksubstanz mehr oder weniger hyperämisch, feinste
punktförmige Hämorrhagien in Rinden- und Marksubstanz.
Mikroskopisch im Kapselraume der Glaneruli abgeschiedene
geronnene Massen, die gewundenen Harnkanälchen mit starker
Quellung der Epithelien und Nekrose derselben; mehr oder
weniger stark ausgesprochene Kalkeinlagerungen in den
gewundenen Harnkanälchen.
Über einen Fall von Brechweinstein-Yergiftnng bei
einem Fohlen.
Von Tierarzt H. Lüer in Rößing.
(Deutsche Tierirztlicfae Wochenschrift 1808. 8. 377 )
Zwei ca. ein Jahr alte Ardenner Fohlen erhielten zum Zwecke
der Abtreibung von Spülwürmern je 8 g Tart. stibiatus, welcher
in je einem halben Eimer Wasser gegeben werden sollte. Das
eine Fohlen nahm aber nur die halbe Quantität davon, die
andere Hälfte bekam das andere Fohlen, welches somit ca. 12 g
aufgenommen hatte. 24 Stunden nach der Verabreichung ver¬
sagte dieses Fohlen das Futter, schwitzte und zitterte, Puls
klein, kaum fühlbar, Atmung angestrengt. Die sichtbaren
Schleimhäute waren geschwollen und diffus gerötet. Temperatur
37,2 0 C. Während der Untersuchung schwankte das Fohlen
mit dem Hinterteil, stürzte nieder und es traten nun Streck¬
krämpfe ein, die sich etwa alle fünf Minuten wiederholten. Die
Augen traten aus der Orbita hervor und die Pupillen waren
erweitert. Die Temperatur sank auf 35,8 0 C. Alle angewendeten
Mittel blieben erfolglos und am Abend starb das Tier. Bei der
Sektion wurden auf der Zunge, im Dünn- und Dickdarm zahl-
24. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
697
reiche, kleine, oberflächliche Geschwüre gefunden. Der Herz¬
beutel enthielt ca. Vs Liter bernsteinfarbiger, seröser Flüssigkeit.
Rdr.
Zar Biologie des Erregers der Wild- and Rinderseuche.
Von R. Ostertag.
(Zeitschr. f. Infektionskr., paraa. Krankb. u. Hyg. der Haast. Bd. 4, 8. 1.)
Folgende hauptsächliche Ergebnisse seien referiert. Die
Untersuchungen Ostertags haben ergeben, daß Austrocknung
die Erreger der Wild- und Rinderseuche allmählich sicher abtötet.
Die Ansteckungsfähigkeit war in sämtlichen Fällen verloren
gegangen, sobald die Hautstücke eine sohllederartige Härte
angenommen hatten. Blut ist bei Eintrocknung in einer Glas¬
schale nach 20—24 Tagen, nach Vermischung mit Gartenerde
aber erst nach 29—50 Tagen avirulent geworden. — Einlegen
von Hautstücken in 10 Proz. Kalkmilch (Ätzkalk) während
24 Stunden genügte, um die Hautstticke ihrer Ansteckungs¬
fähigkeit zu berauben. — Gegenüber der Fäulnis zeigten die
Erreger im Blut und Fleisch eine ungewöhnlich große Wider¬
standskraft. Blut, das in einem Röhrchen der Fäulnis ausgesetzt
worden war, enthielt noch nach 100 Tagen infektionsfähige
Erreger. — Das Salzen der Fleischstücke von wild- und
rinderseuchekranken Rindern, das Einlegen in 25 Proz. Pökel¬
lake erwiesen sich zur Abtötung im allgemeinen wenig wirksam.
— Leicht ließen sich die Erreger durch Kochen des Fleisches
vernichten; größere Fleischstücke, die auf 80° C erhöht worden
waren, enthielten keine virulenten Keime mehr. Richter.
Eaterrotz beim Pferde.
Von königl. ung. Tierarzt Michael Schmidt-Alibunäe.
(Allatorvoai Lapok, 1908, Nr. 24.)
Verfasser wurde zu einer sechs Jahre alten Stute mit
der Anamnese gerufen, daß diese seit einer Woche erkrankt
sei und schwer atme; ihr Fohlen zeigt seit drei Tagen ähnliche
Erscheinungen. Die Stute war abgemagert, ihre Haare struppig
und glanzlos. An der Körperoberfläche mehrere haarlose und
wunde Stellen, außer diesen konnte man am Hals, an der
Schulter, an der Brust, am Bauch und an den Füßen insgesamt
ungefähr 50 bis 60 haselnußgroße, schmerzhafte Beulen Anden,
welche von einem oedematösen Hof umrahmt erscheinen. An
den BruBtseiten, am linken Ellbogen, an allen Füßen sind
mehrere kleine, teils bereits vernarbte Geschwüre zu beobachten,
von welchen steUenweise mehrere angeschwollene Lymphgefäße
ausgehen. Die submandibularen Lymphknoten sind wie ein
Hühnerei. Aus beiden Nasen dickeitriger Ausfluß; an beiden
Seiten der Nasenscheidewand mehrere kleine Geschwüre mit
wallartigem hellrotem Rand und speckigem Grund; um diese
Geschwüre herum zahlreiche hanfkorngroße graugelbe Knötchen.
Das Atmen erschwert, schnaufend. — Das Euter der saugenden
Patientin (ihr Fohlen ist zwei Monate alt) ist besonders in
seiner rechten Hälfte stark angeschwoHen und zeigt an seiner
Oberfläche ein talergroßes'Geschwür, aus welchem ziemlich viel
mit Milch gemischtes, eitriges Sekret tröpfelt.
Bei den gleichfalls stark abgemagerten Saugfohlen sind die
submandibularen Lymphknoten fgleichfalls angeschwollen und
auch an der Nasenschleimhaut konnte man Geschwüre bemerken.
Beide Tiere wurden vertilgt. Bei der Sektion fand man
bei der Mutterstute Malleus in der Haut, in der Nasenschleim¬
haut, im Euter, in den Lungen und im Blinddarm, beim Saug¬
fohlen Malleus in der Nasen- und Highmorhöhle.
Das Entstehen des Euterrotzes ist derart zu erklären, daß
von der Haut aus ein Rotzknoten in die Drüse hineingewachsen
ist und die Drüsensubstanz zum Zerfall gebracht hatte. Das
Fohlen nahm mit der Milch den Infektionsstoff auf; die Er¬
krankung der Nasenschleimhaut ist hier höchst wahrscheinlich
primär und nicht im Wege des Verdauungsapparates zustande
gekommen, ob zwar nicht ausgeschlossen werden kann, daß im
Verdauungskanal die Erscheinungen des Rotzes wegen der
kurzen Zeit noch nicht soweit fortgeschritten sind, daß man sie
bei der Sektion feststellen konnte. Dr. Z.
Ans der medizinischen Literatur.
Münch. Med. Wochensehr. 55. Jahrg. 1008, S. 1826.
Ein neuer Beitrag zur Basedowthymus. Von Dr. Capelle. Neben
der Schilddrüse scheint auch die Thymusdrüse mit der Bas edo w-
schen Krankheit in einem gewissen Zusammenhang zu steheD.
Auf die Häufigkeit des Vorkommens einer großen Thymusdrüse
bei den zur Sektion gelangten Basedowfällen hat namentlich
v. Hansemann aufmerksam gemacht, und Bonnet frührt auf
Grund größerer Beobachtungsreihen plötzliche Todesfälle bei
Basedow hauptsächlich auf die Thymus zurück. Verfasser
konnte aus der Literatur nachweisen, daß bei den zur Autopsie
gelangten Basedowfällen zu 79 Proz. eine hypertrophische
Thymus vorhanden war. Auf Grund der Statistik und eigener
Erfahrungen bei Basedowoperationen kommt Capelle zu dem
Schlüsse, daß die Thymus 1. anatomisch nichts Zufälliges im
Bilde des Basedow ist, daß sie 2. klinisch einen Indikator für
die Schwere eines Falles darstellt, und daß 3. die Herzkatastrophen
nach Basedowoperationen als reguläre Thymus-Todesfälle auf¬
zufassen sind.
Bei jedem schweren Falle von Basedow, der a operativ
behandelt werden soU, ist es daher notwendig, sorgfältig zu
untersuchen, ob der Kranke eine vergrößerte Thymus besitzt.
Beim Nachweis einer solchen ist der operative Eingriff kontra¬
indiziert.
Zentralblatt für Bakteriologie usic., Bd. 47. Heft 5, S. 581.
Der Erreger der Pneumonie eines Königstigers (Bacillus pneumoniae
tigrls). Von Dr. Marx. — Aus der Lunge eines im Zoologischen
Garten zn Frankfurt a. M. an hämorrhagischer Pneumonie^ver-
endeten Königstigers wurde eine zur Gruppe der hämorrhagischen
Septikämie (Pasteureilose) gehöriger, in den ersten Generationen
jedoch atypischer Bazillus gezüchtet, den der Verfasser nach
dem Fundorte Bacillus pneumoniae tigris nennt. Zunächst zeigt
er sehr große Übereinstimmung mit dem Influenzabazillus, indem
er gramnegativ und absolut hämophil ist und Polfärbung
annimmt. Nach einigen Generationen \ verliert er diese Eigen¬
schaften und muß dann nach seinem morphologischen, kulturellen
und pathogenen Verhalten ohne weiteres zur Gruppe der
Pasteurellosen gerechnet werden.
Dieselbe Zeitschrift , S. 585.
Über Varietäten des abgeschwfichten Milzbrandvirus. Vorläufige
Mitteilung. Von Prof. Dr. H. Preisz. — Verfasser hat früher
schon berichtet, daß die Virulenz des Milzbrandbazillus mit
seiner Fähigkeit, Kapseln zu bilden, eng zusammenhängt. Er
teilt nun mit, daß das Verhalten der abgeschwächten ^Bazillen
auf Agar-Agar zur Isolierung verschiedener Varietäten des
Milzbrandbazillus geeignet ist. Aus einer vollvirulenten Kultur,
die bei höheren Temperaturen abgeschwächt ist, entstehen die
verschiedensten Varietäten von starker Virulenz bis zu völlig
698
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39.
avirulenten Keimen. Die Fähigkeit zur Sporenbildung kann
unabhängig von dem Grade der Virulenz bei der Abschwächung
entweder erhalten bleiben, oder aber mehr oder minder, zuweilen
gänzlich, verschwinden.
DieseUte Zeitschrift, S. 586.
Ist der Bacillus suipestlfer der Erreger der Schweinepest oder nicht?
Von Dr. Hübener. — Die Schwierigkeit der Gewinnung keimfreien
Impfstoffes der Schweinepest durch Filtration gab bisher noch
einzelnen Forschem Anlaß, die Richtigkeit der Annahme eines
ultramikroskopischen, bakteriendichte Filter passierenden Er¬
regers der Schweinepest zu bezweifeln. Demgegenüber hat
Uhlenhuth in dem Antiformin (Lösung von Alkalihydrat und
Alkalihypochlorid) ein Mittel gefunden, das in kurzer Zeit
Schweinepestbakterien abtötet, während die spezifisch krank¬
machende Wirkung der Serumfiltrate noch längere Zeit erhalten
bleibt. Dieselbe Wirkung läßt sich auch mit anderen Des¬
infektionsmitteln, z. B. mit Karbol oder Sublimat herbeiftihren.
Die von Schreiber vertretene Annahme, daß das flltrierbare
Virus nichts anderes sei, als das von dem Bac. suipestifer
gebildete Toxin, ist von Ostertag, Stadie und Uhlenhuth
und seinen Mitarbeitern schon widerlegt worden. Dazu kommt,
daß das vorerwähnte Antiformin auch das Suipestifertoxin zer¬
stört, wie experimentell leicht bewiesen werden kann. Verfasser
gelangt aus den Versuchen zu der Annahme, daß die Schweine¬
pest überhaupt nicht durch ein Toxin, sondern durch ein filtrier¬
bares, belebtes Agens verursacht wird, während der Bacillus
suipestifer nur eine sekundäre Rolle bei der Schweinepest spielt.
Es wird ausdrücklich hervorgehoben, daß der Bacillus suipestifer
auf Verlauf und Ausgang der Schweinepest erheblichen Einfluß
ausübt. Pseudoschweinepest, wie sie durch den Bacillus suipestifer
liervorgerufen wird, kann jedoch nach Uhlenhuth und seinen
Mitarbeitern ebenso auch durch den B. enteritidis Gärtner,
Coli-Bakterien und sogar durch abgetötete Kulturen des Suipestifer
erzeugt werden.
Deutsche Medizinische Wochenschrift, 34. Jakrg., Ar. 37, S. 1582.
Die Gewinnung des Pankreaesekretes aus den Magen und ihre
diagnostische Verwertbarkeit Von J. Lewinski. — Am Hunde wurde
die Erfahrung gewonnen, daß unter Umständen ein rückläufiger
Transport von Pankreassekreten in den Magen stattfindet.
Boldyreff beobachtete, wie nach Benetzung des Duodenums mit
schwacher Salzsäure oder mit Fetten eine reichliche Abscheidung
von Darmsaft, Pankreassaft und Galle erfolgte und durch den
sich rückläufig öffnenden Pylorus in den Magen floß. Auf den
Menschen übertragen, bildet diese Beobachtung die Grundlage
einer Methode zum Nachweis eines tryptisch wirksamen Fermentes
und der Diagnose über die Funktionstüchtigkeit der Bauchspeichel¬
drüse. Volhard und Faubel, die die Methode in größerem
Umfang anwendeten, indem sie 100 bis 200 ccm Olivenöl in den
Magen gossen und nach l / 2 bis 1 Stunde mit dem Schlauch eine
Mischung von Öl mit Magendarmsaft wiedergewannen, gelangten
zu einem günstigen Urteil über die Brauchbarkeit des Ver¬
fahrens. Verfasser hat durch eigene Untersuchungen dargetan,
daß die Gewinnung des Pankreassekretes aus dem Magen mittelst
des Ölprobefrtihstücks nur in einem Teil von Fällen möglich
ist, sonst aber auch dann gelingt, wenn man etwa vorhandene
Magensäure mit Alkali abstumpft. Fehlen des Trypsins im
Magensaft zeigt eine Pankreasinsuffizienz oder ein mechanisches
Hindernis für den Übertritt des Bauchspeichels in den Magen
an; unter Umständen kann dieses Sympton für die Diagnose
des Sanduhrmagens verwertet werden.
Dieselbe Zeitschrift, S. 1953.
Über künstlich erzeugte Rasselgeräusche zu Lehrzwecken. Von
W. Hildebrandt. — Verfasser benutzt in propädeutischen Kursen
ein von ihm ersonnenes Phantom zur Erzeugung der verschiedenen
Arten der Rasselgeräusche. Die Vorrichtung gestattet, dem
Studenten mit Sicherheit das zu Gehör zu bringen, was er
später am Patienten hören soll. Der einfache Apparat besteht
aus einem gewöhnlichen Meßglas, das je nach der Tonhöhe, die
man erzeugen will, verschieden hoch mit Wasser gefüllt wird.
In die Tiefe des Meßgefäßes reicht ein mit enger Öffnung ver¬
sehenes Glasrohr, durch das mittelst Ballongebläses Luft zugeführt
wird. Durch die in Wasser aufsteigenden Luftblasen lassen sich
Rasselgeräusche erzeugen, die dem am Krankenbett hörbaren
durchaus entsprechen. Je nach Größe der Luftblasen lassen
sich groß-, mittel- oder kleinblasige Rasselgeräusche hervor-
bringen. Je nachdem die Auskultation am Wassergefäß oder
am Netzballon des Gebläses erfolgt, hört man klingendes,
metallisches oder nur metallisches Rasseln. Um nichtklingende
Rasselgeräusche zu erzeugen, wird das Luftzuleitungsrohr mit
einem Leinwandbeutelchen umhüllt. An dem Hildebrandt sehen
Phantom läßt sich folgendes demonstrieren: 1. man hört bei
Benutzung des Leinenbeutels am Wasserbehälter nichtklingendes
Rasseln; 2. beim Fortlassen des Leinenbeutels am Wasserbehälter
klingendes, unter Umständen auch metallisches Rasseln, am
Ballon stets metallische Geräusche. Wird der Ballon mit der
hohlen Hand umschlossen, so treten die Rasselgeräusche am
Ballon verstärkt zu Gehör. W.
Tagesgeschichte.
t
Ganz unerwartet traf uns alle die Trauerbotschaft, daß
unser treues, bewährtes Mitglied, der allgemein beliebte und
geachtete KoUege, Herr Kreistierarzt Gebhardt, am 30. August
1908 in Vohwinkel nach ganz kurzem Krankenlager in der
Blüte seiner Jahre gestorben sei. Paul Gebhardt wurde ge¬
boren am 27. Juli 1876 als Sohn des Landwirtes und Schult¬
heißen Emil Gebhardt in Lichtenhain im Fürstentum Schwarz¬
burg-Rudolstadt. Er studierte von 1894—97 in Dresden Tier¬
heilkunde und machte 1897 dort sein Staatsexamen, 1904 bestand
er in Berlin sein Kreistierarzt-Examen. Nach vollendetem
Studium war er eine Zeit lang an den Schlachthöfen in Koblenz
und Düsseldorf tätig. Am 1. November 1899 ließ er sich als
praktischer Tierarzt in Remscheid nieder, hier wurde er auch
mit seiner Frau bekannt. Am 1. Januar 1905 wurde ihm die
Kreistierarztstelle des Kreises Vohwinkel übertragen mit dem
Wohnsitz in Vohwinkel. Er verheiratete sich kurz darauf mit
Fräulein Meta Haas ans Remscheid, und führte ein glück¬
liches, sonniges Leben, sowohl in bezug auf Familienleben, als
auch in seiner amtlichen Tätigkeit und seiner Praxis. Wegen
seines heiteren, biederen Wesens war er allgemein beliebt, und
haben besonders wir Kollegen durch seinen Heimgang einen
schweren Verlust erlitten. Kurz vor seinem Tode hatte er mit
seiner überaus geliebten Gattin eine Sommerreise nach Borkum
gemacht; schon auf der Rückfahrt fühlte er sich nicht recht
wohl, gleich nach der Ankunft in seinem Heime mußte er sich
24. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
699
legen und schon nach nicht ganz zwei Tagen hatte uns der
Tod einen liebwerten Kollegen, der Gattin und dem Söhnchen
einen treuen, fürsorgenden Mann und Vater geraubt. Die Be¬
erdigung fand in Remscheid statt. Trotz des regnerischen
Wetters hatten sich über 20 Kollegen, sogar aus den entlegensten
Orten des Regierungsbezirks eingefunden zum letzten Geleite,
an dem sich zahlreiche Freunde und verschiedene Abordnungen
von Vereinen noch beteiligt hatten. Während der Geistliche
am Grabe in ergreifenden Worten des Heimgegangenen gedachte
und Gebhardts Leben, als ein Leben voll Glück und Sonnen¬
schein beschrieb, hatte der Allmächtige da oben seine Regen¬
wolken für kurze Zeit zusammengezogen, und als ob er die zu
Herzen gehenden Worte des Pfarrers bekräftigen wollte, be¬
leuchteten die Strahlen der Sonne für kurze Zeit zum letzten
Male die hinabgesenkte sterbliche Hülle des uns allen unver¬
geßlichen Kollegen Paul Gebhardt. Er ruhe in Frieden, sein
Andenken aber wird unter uns fortleben.
Der Verein der Tierärzte des Regierungsbezirks Düsseldorf.
I. A.: Fr. Bettelhaeuser.
Gründung eines Verbandes der praktischen Tierärzte
im Großherzogtum Hessen.
Am 2. August fand im Hotel Kaiserhof zu Frankfurt a. M.
eine zahlreich besuchte Versammlung der praktischen Tierärzte
im Großherzogtum Hessen zum Zwecke der Gründung eines
Verbandes statt. Mit allgemeiner Genugtuung wurde das Zu¬
standekommen dieses Vereins begrüßt und in den einzelnen
Vorträgen ungefähr Folgendes ausgeführt:
Es ist eine zwingende Notwendigkeit, welche die praktischen
Tierärzte überall veranlaßt, gemeinsam für ihren Stand tätig
zu sein und seine Interessen zu wahren. Diese Organisation
ist die Folge der leider überall bemerkbaren, regressiv sich
entwickelnden wirtschaftlichen Lage der Standesvertreter.
Abgesehen von der stets wachsenden Konkurrenz wird die
freie Tätigkeit des Praktikers stark beschränkt durch das Be¬
streben, den amtlichen Wirkungskreis möglichst zu erweitern.
So sind z. B. hier in Hessen die Rotlaufimpfungen der Schweine,
die ganze Ergänzungsbeschau Privileg der beamteten Kollegen.
Selten wird wohl ein praktischer Tierarzt mit der Vornahme
einer dieser Funktionen betraut. Die Gebühren für die mit der
Ortsfleischbeschau beauftragten Kollegen sind minimal. 1 M.
für Groß-, 50 Pf. für Kleinvieh und weniger. Dazu komint
noch, daß sogenannte „Kreisveterinärassistenztierarztstellen“
eingerichtet werden sollen mit fester Besoldung usw., wodurch
der interessierte Praktiker mehr oder weniger schwer geschädigt
wird. Mit der Einführung des neuen Seuchengesetzes dürfte
dann die Verstaatlichung der Tierheilkunde hier im Lande
so ziemlich vollzogen sein. Das sind also keine verlockenden
Aussichten für die jüngeren Generationen, und es ist unter
diesen Verhältnissen nicht zu verwundern, wenn vor dem
Studium der Tierheilkunde eindringlich gewarnt wird,
dessen Aufwand an Zeit und Geld im umgekehrten Verhältnis zur
späteren Stellung steht.
Wenn unsere ganze Wissenschaft schließlich vom schablonen¬
haften und bureaukratischen Gesichtspunkt aus gehandhabt wird,
dann ist sie nicht würdig, neben ihrer Schwesterwissenschaft,
der humanen Medizin, als gleichberechtigt zu existieren, die
sich stets ihre goldene Freiheit und Unabhängigkeit zu erhalten
wußte.
Unsere Berufsfreudigkeit hat unter dem Zwange der
schlechten Verhältnisse sehr gelitten, ebenso die innere Be¬
friedigung, die wir in unserem Berufe finden sollen. Möge der
Appell der praktischen Tierärzte nicht ungehört verklingen und
den Bestrebungen derselben von seiten der maßgebenden Be¬
hörden ein wohlwollendes Entgegenkommen gezeigt werden zu
Nutz und Frommen des ganzen tierärztlichen Gesamtstandes.
Im weiteren Verlaufe der Versammlung wurde beschlossen,
die ernste Aufforderung an die nicht anwesenden Kollegen er¬
gehen zu lassen, dem Verbände beizutreten, da wichtige Dinge
zu einer möglichst umfassenden Organisation zwingen.
Die an die einzelnen Herren gesandten Fragebogen sollen
schnellstens und ausführlich beantwortet werden.
Die nächste Zusammenkunft ist für Oktober beabsichtigt
Für dieselbe hat der Rechnungsführer des Verbandes, Herr
Kollege Seigel (Viernheim) einen Vortrag über das hessische
Rotlaufimpfgesetz übernommen.
Die Einladungen zu dieser Versammlung werden noch er¬
folgen. Möge es jeder Kollege als eine ernste Pflicht betrachten,
von derselben nicht fern zu bleiben. Dr. L.
Verein sächsischer Gemeindetierärzte.
Der Verein sächsischer Gemeindetierärzte hat auf Grund um¬
fänglicher Fragebogen an das Königl. Ministerium des Innern eine
Eingabe gerichtet, die in ausführlicher Weise die jetzigen An-
stellungs-, Rang- und Besoldungsverhältnisse der sächsischen
Schlachthoftierärzte behandelt und die Einrichtungen an den
städtischen und den in Fleischerinnungshänden befindlichen Schlacht¬
höfen klar legt, die auf die Fleischbeschau und die Trichinenschau
Bezug haben.
Die Eingabe weist darauf hin, daß man dem wissenschaftlichen
Aufschwünge der Veterinärmedizin nicht überall das genügende
Interesse entgegengebracht hat, daß die Gemeinden, bis auf einige
wenige, bisher noch nicht Gelegenheit genommen haben, den Tier¬
ärzten die auf Grund ihres Hochschulstudiums gebührende An¬
erkennung angedeihen zu lassen und daß dem gesteigerten Ansehen
des tierärztlichen Berufs und den erhöhten Anforderungen der
Schlachttier- und Fleischbeschau an die geistige und körperliche
Tätigkeit der Schlachthoftierärzte durch Verbesserung der An-
stellungs- und Besoldungs-Verhältnisse und der für die Beschau
notwendigen Einrichtungen nur vereinzelt genügend Rechnung
getragen worden ist
Dem Königlichen Ministerium wird darum in der Eingabe die
ehrerbietigste Bitte unterbreitet, den Schlachthöfen Sachsens seine
Aufmerksamkeit zuwenden und den Bitten und Wünschen der an
ihnen angestellten Tierärzte Beachtung schenken zu wollen.
Die Wünsche der Gemeindetierärzte fanden in folgenden Sätzen
Zusammenfassung:
1. t)ie Anstellungs-, Rang- und Titel-Verhältnisse der Schlacht¬
hoftierärzte sind der Änderung, der Besserung und der gleich¬
mäßigen Handhabung dringend bedürftig.
Es wird, so weit noch nicht geschehen, erbeten: rechtsgültige
Anstellnngsurkunden, Pensionsberechtigung, Anstellung ohne
Kündigungsrecht nach 5 Jahren (siehe höhere Staatsbeamte),
4 wöchentlicher Jahresurlaub und Einrangierung unter die
höheren Gemeindebeamten. Für den Schlachthof leitende
Tierärzte wird, so weit noch nicht geschehen, der Titel
„Schlachthofdirektor“, für die Fleischbeschau leitenden Tier¬
ärzte an Schlachthöfen, deren Verwaltung in Innungshänden
ruht, mindestens der Titel „Direktor der Fleischbeschau oder
des Fleischbeschauamts“ gewünscht. Für die übrigen Tier¬
ärzte ist der Titel „Stadttierarzt“ (s. Chemnitz) am treffendsten.
2. Die Besoldungen der Tierärzte sind unter Forderung der
Trennung der Fleischbeschaugebühren von den Schlachthof-
benutzungsgebühren dort, wo sie nicht den einschlägigen Verhält¬
nissen entsprechen, neu zu regeln.
700
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3$.
Den Fleischbeschaugebühren sind die in der Verordnung vom
27. Januar 1903 enthaltenen Beschaugebühren zugrunde zu legen.
Sie dürfen bei Städten bis zu 35 000 Einwohnern nicht unter a / 4 der
staatlich festgelegten Sätze herabgehen.
Als Grundgehalt für die die Schlachthöfe bzw. die Fleischbeschau
in mittleren und kleinen Städten leitenden Tierärzte ist als Minimum
3600 Mark anzusehen. Dasselbe hat in dreijährigen Staffeln von
mindestens je 300 Mark zu steigen, bei Städten von 10—15 000
Einwohnern bis 4500 Mark, bei Städten von 15—20 000 Einwohnern
bis 5400 Mark, bei Städten von 20—25 000 Einwohnern bis 6000 Mark
und bei Städten von 25—35 000 Einwohnern bis 6600 Mark.
Für die an großen Schlachthöfen angestellten Tierärzte wird
ein Gehalt von 3000 bis 6500 Mark mit Wohnungsgeld und für die
tierärztlichen Direktoren daselbst von 6000—10 000 Mark gewünscht
Bei der Gehaltsbemessung ist die in anderen Orten verbrachte
Dienstzeit in Anrechnung zu bringen.
3. In Gemeinden mit Innungs-Schlachthöfen ist im Interesse
der Gemeinde, der Fleischbeschau und ihrer Beamten die Verstaat¬
lichung der Fleischbeschau dringend geboten.
4. Die Dienstzeiten sind den örtlichen Verhältnissen entsprechend
einzuschränken.
Für Schlachthöfe, an denen nur 1 Tierarzt tätig ist und Über
15 000 Schlachtungen jährlich stattfinden, wird eine wöchent¬
liche Höchstdienststundenzahl von 44 Stunden, für Schlachthöfe
mit über 12—15 000 Schlachtungen von 36 Dienststunden, für
Schlachthöfe mit über 10—12 000 Schlachtungen von 32 Dienst-
Btunden, für Schlachthöfe mit weniger Schlachtungen werden
entsprechend weniger Dienstsunden als genügend angesehen.
5. Die Trichinenschau ist den Tierärzten unter Schadloshaltung
durch Gehaltsrcgulierung zu nehmen.
6. Zu Lasten der Fleischbeschaugebühren sind für die Tierärzte
geräumige, separate Dienstzimmer, Laboratorien, Fachliteratur sowie
den Schlachthof und die Fleischbeschau betreffende Zeitungen zu
schaffen.
Zugleich ist den Tierärzten der Besuch von Fortbildungskursen
und tierärztlichen Versammlungen auf Fleischbeschaukosten zu
ermöglichen.
7. Für die Trichinenschauer sind geräumige, separate, zweck¬
entsprechende Räumlichkeiten zu schaffen.
8. Den Tierärzten sind bei Ausübung der Beschau genügend
Hilfskräfte zu stellen. In den Schlachthöfen ist für genügend Auf¬
sichtspersonal zu sorgen.
9. In Inmmgsschlachthöfen ist es ein Bedürfnis, den Tierärzten
die Leitung der Betriebe zu übertragen.
Die Einrichtung von Schlachthofausschüssen in zweckent¬
sprechender Zusammensetzung ist dringend notwendig.
10. Die Anstellung der Schlachthofbetriebs- und Aufsichts¬
beamten hat an Innungsschlachtböfen im Interesse des Gesamt¬
betriebs durch die Gemeindebehörden zu erfolgen.
Auf diese Eingabe ist vom Königlichen Ministerium des Innern
dem Verein folgende Antwort zugegangen:
Beschluß des Ministeriums des Innern vom 1. August 1908.
Abschriftlich an den 1. Vorsitzenden des Vereins sächs. G^jpeinde-
tierärzte.
Herrn Amtstierarzt Dr. phil. Meyfarth, Schlachthofdirektor in
Glauchau, zur Kenntnisnahme.
Für den Minister: gez. Merz.
Dresden, den 1. August 1908.
An die Kreishauptmannschaften.
Den Kreishauptmannschaften wird beigehend eine Anzahl
Anzahl Abdrücke der Eingabe des Vereins sächsischer Gemeinde¬
tierärzte vom 23. Juli d. J. mit dem Veranlassen übersendet, sie
den beteiligten Stadtgemeindeverwaltungen zur Erwägung und
Beschlußfassung zugehen zu lassen. Bei der Verschiedenartigkeit
der örtlichen Verhältnisse ist das Ministerium nicht ohne weiteres
in der Lage, allgemeine Anordnungen im Sinne der Eingabe zu
treffen, zumal es sich dabei um eine Angelegenheit der kommunalen
Selbstverwaltung handelt Das Ministerium erwartet aber, daß die
Gemeindeverwaltungen den geltend gemachten Wünschen, die nicht
übertrieben erscheinen, eine wohlwollende Beurteilung zuteil werden
lassen und dabei insbesondere berücksichtigen werden, daß an
die Tierärzte gegenwärtig in Hinsicht der Vorbildung die gleichen
Anforderungen gestellt werden, wie an andere akademisch ge¬
bildete Stände.
Ministerium des Innern.
Für den Minister: gez. Merz.
Der Vorstand des Vereins sächsischer Gemeindetierärzte
erblickt in dieser erfreulichen Antwort einen wesentlichen Schritt
vorwärts und gibt sich der Hoffnung hin, daß diesen Worten in den
betreffenden Gemeinden bald Taten folgen werden.
Glauchau-Pirna, den 26. August 1908.
gez. Dr. Meyfarth, gez. Dr. Seyfert,
1. Vors. 1. Schriftf.
Verein 8ftchsleeher Gemeindetierftrzte.
4. Allgemeine Versammlung am 3. und 4. Oktober 1908 in Dresden,
„Drei Raben“, Marienstraße, I. Etage.
Programm:
Sonnabend, am 3. Oktober 1908, Sitzung des Vorstandes. Drei
Raben). Mitteilung. Vorbesprechung. Hierzu Mitglieder des Vereins
willkommen.
Sonntag, am 7. Oktober 1908.
Vormittags 11 Uhr, Hauptversammlung (Drei Raben;.
1. Begrüßung. Mitteilungen des Vorstandes.
2. Die Ausführung der Stall- und Milchkontrolle durch Gemeinde-
tierärzte;
a) Stallkontrolle. Referent: Amtstierarzt Wenzel-Chemnitz;
b) Milchkontrolle. Referent: Amtstierarzt Günther-Eibenstock.
3. Referat über die Petition an das Königliche Ministerium des
Innern.
4. Beratung über weitere Schritte, die in unserer Petition aus¬
gesprochenen Wünsche zu verwirklichen. Aussprache.
a) Vertreter der großen Schlachthöfe;
b) Der mittleren und kleinen städtischen Schlachthöfe;
c) Der mittleren und kleinen Innungsschlachthöfe.
5. Allgemeines.
Gemeinsames Mittagsmahl.
Der Vorstand des Vereins sächsischer Gemeindetierärzte.
Dr. Meyfarth, Amtstierarzt,
Schlachthofdirektor, Glauchau, 1. Vorsitzender.
Dr. Seyfert, städt Schlachhoftierarzt,
Leiter des Fleischbeschauamtes, Pirna, 1. Schriftführer.
65. ordentliche Mitgliederversammlung des Tierärztlichen Landesvereins
in Württemberg 1908.
Die 65. ordentliche Mitgliederversammlung findet am
Sonnabend, den 10. Oktober d. J., vormittags 10 Uhr, im Rat¬
hauskeller zu Stuttgart (Ratshermstube) statt
Tagesordnung:
1. Erläuterungen zur neuen tierärztlichen Taxe. Referent: Herr
Oberregierungsrat von Beißwänger.
2. Die Aufgaben des Tierarzts in der Milchhygiene. Referenten :
Die Herren Veterinärrat Kösler-Stuttgart, Stadttierarzt
Schulze-Gmünd, Stadttierarzt Diener-Ravensburg, Stadttier¬
arzt Haug-Leutkirch.
3. Errichtung besonderer Professuren für animalische Nabrungs¬
mittelkontrolle an den Tierärztlichen Hochschulen Referent:
Der Vorstand.
4. Erweiterung der Befugnisse der Schlachthoftierärzte. Referent:
Der Vorstand.
5. Einführung der obligatorischen Trichinenschau in Württem¬
berg. Referent: Der Vorstand.
6. Standesangelegenheiten.
7. Mitteilungen aus der Praxis.
Um die reichhaltige und wichtige Tagesordnung vollständig
erledigen zu können, ist vorgesehen, mit einer Mittagspause von
12—12% Uhr zur Einnahme eines Frühstücks bis etwa 4 Uhr durch¬
zuarbeiten und das sonst übliche gemeinschaftliche Mittagessen aus-
fallen zu lassen.
Die verehrlichen Vereinsmitglieder werden zu zahlreicher Be¬
teiligung freundlichst eingeladen.
Im Auftrag des Vereinausschusses:
Der derzeitige Vorsitzende.
24. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT
701
Naturforschende Gesellschaft zu Görlitz.
Veterinärmedizinische Sektion.
Am Sonntag, den 4. Oktober, nachmittags 3 Uhr, spricht
Herr Professor Dr. Klimmer-Dresden über Tuberkulose¬
bekämpfung bei unseren Haustieren; der Vortrag findet im
Sitzungssaal der Gesellschaft statt und werden die Herren Kollegen
der weiteren Umgebung von Görlitz auf diesen Vortrag aufmerksam
gemacht, zumal auch die neuesten Resultate der Tuberkulose¬
bekämpfung in der Praxis besprochen werden sollen.
Alle Auskünfte erteilt Stabsveterinär a. D. Littmann, Görlitz,
Demianiplatz.
Aus Dänemark.
Im August d. J. sahen die Tierärztliche und die Landwirt¬
schaftliche Hochschule in Kopenhagen auf fünfzig Jahre gemeinsamer
Tätigkeit zurück. Am 24. August 1858 wurde die bereits im
Jahre 1773 gegründete Veterinäranstalt zu der jetzigen „Kongelige
Veterinaer-og Landbohöjskole“ ausgebaut.
Der vom allgemeinen dänischen Ärzte-Verein ins Leben gerufene
Ausschuß zur Erforschung der Krebskrankheit wählte Herrn Professor
C. 0. Jensen von der Tierärztlichen Hochschule in Kopenhagen
zum Vorsitzenden und Herrn Professor Dr. Joh. Fibiger zum
stellvertretenden Vorsitzenden. Dr. St.
Das Militärveterinärwesen in Schweden.
(Maanedsskrifl for Dyrlaeger, 1908, Heft 11.)
Bisher unterstand das schwedische Militärveterinärwesen teils
der Medizinalverwaltung, teils dem Intendanturdepartement. Hierin
ist nunmehr eine erfreuliche Änderung eingetreten, indem das
schwedische Militärveterinärwesen in der Person des Feldveterinärs
P. L. Schmidt seinem eigenen Chef erhalten hat. Dr. St
Wien.
Hofrat Professor Dr. Bayer, der Rektor der k. k. tierärztlichen
Hochschule zu Wien und verdiente Professor der Chirurgie ist in
den Ruhestand getreten.
Zulassung von Frauen zum Studium der Tiermedizin.
In Hessen ist die Zulassung der Frauen zu dem Studium geregelt
und an beiden Hochschulen des Großherzogtums zugelassen worden.
Bei der Landes Universität werden Frauen zu den vorgeschriebenen
Abschlußprüfungen zugelassen u. a. für Medizin, Tiermedizin und
Zahnheilkunde.
Distanzfahrt.
An einer Distanzfahrt Berlin-München war auch Tierarzt Wieden¬
mann-Charlottenburg beteiligt und infolgedessen auch Gast des
Prinzen Arnolf v. Bayern in Nymphenburg. Herr Wiedenmann
erzielte mit einem Pferd des Baron von Bud6 beste Kilometer¬
leistung, gab jedoch unterwegs infolge eines zufälligen Umstandes
freiwillig auf.
Kreismolkerei-Inspektor.
Für den Regierungsbezirk Oberbayern ist die Stelle eines Kreis-
molkerei-Inspektors mit dem Sitz in München geschaffen zur Be¬
aufsichtigung der gesamten Milchwirtschaft. Das Einkommen beträgt
etwa 5500 M., die Anstelluug erfolgt zunächst widerruflich.
Vorschriften für die Säuglingsernährung.
Um die Säuglingssterblichkeit tunlichst herabzusetzen, werden
in Hamburg auf den Standesämtern bei der Anmeldung eines
Geburtsfalles den Eltern regelmäßig vom Medizinalkollegium be¬
arbeitete „Ratschläge zur Ernährung der Säuglinge“ kostenlos aus¬
gehändigt.
Trichinensohau.
In Kissingen hat der Magistrat die Einführung der Trichinen¬
schau auf den 1. April 1909 beschlossen.
Schäohteverbot.
In Reuß-Greiz darf das Schlachten des Viehes, ausgenommen
des Geflügels, nur nach vorheriger Betäubung stattfinden.
Viehzählung.
Eine Viehzählung soll in Preußen am 1. Dezember d. J. vor¬
genommen werden.
Maul- und Klauenseuche-BekämpfUng.
In einem Einzelfalle ist die Rechtsauffassung vertreten worden,
das ein „Weggeben“ von Milch aus Sammelmolkereien im Sinne
des § 44 a des Reichs-Viehseuchengesetzes nur dann vorliege, wenn
eine Überlassung an ein anderes Rechtssubjekt erfolge, und daß
somit das Verfüttern dieser Milch an das Vieh der zur Meierei
gehörigen Wirtschaft nicht als ein „Weggeben“ anzusehen sei. In
einem von der Maul- und Klauenseuche gefährdeten Gebiete besteht
aber auch für das Verbot des Verfütterns roher Milch und roher
Molkereirückstände an Vieh in Sammelmolkereien ein dringendes
Bedürfnis, um der Übertragung der Seuche auf das Vieh vorzu¬
beugen. Unabhängig von der Auslegung des § 44 a des Reichs-
Viehseuchengesetzes bietet nur § 20 Absatz 1 daselbst in Ver¬
bindung mit dem § 1 der Bundesratsinstruktion eine ausreichende
Grundlage, um nötigenfalls das Verbot des Verfütterns roher Milch
usw. im Molkereigehöfte selbst erzwingen zu können. Auf Grund
der genannten Vorschrift ordnet der Minister für Landwirtschaft,
Domänen und Forsten an, daß der in dem Erlasse vom 13. November
1906 beigegebenen Zusammenstellung der für die Bekämpfung der
Maul- und Klauenseuche wichtigsten Maßregeln unter II, 6 folgende
Bestimmung hinzugefügt wird: „Das Verfüttern von Milch und
Molkereirückständen an das Vieh der Sammelmolkerei¬
inhaber ist nur unter gleicher Bedingung gestattet.“
Neuau8brHche der Maul- und Klauenseuche.
In den Tagen vom 16. bis 20. September sind (nach den
Meldungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes) Neuausbrüche erfolgt
in den Amtsbezirken Weilheim und Erding in Oberbayern, dem
Amtsbezirk Ansbach (Mittelfranken), dem Kreise Saarburg in
Lothringen und den Kreisen Erstein und Straßburg-Land im Unter¬
elsaß. Im Schlachthofe zu Metz ist die Seuche getilgt.
Erklärung.
Zu der von mir verfaßten Abhandlung: „Mißstände“ — ver¬
öffentlicht in der „Berliner Tierärztlichen Wochenschrift“ vom
19. September 1907 — erkläre ich, daß ich nicht die Absicht
gehabt habe, den Herrn Schlachthofverwalter, Tierarzt Rosen-
plenter in Gelsenkirchen, zu beleidigen. Ich gebe zu, daß ich
bezüglich mehreror Punkte meiner Darlegungen unrichtig informiert
gewesen bin und nehme deshalb die in dem Artikel enthaltenen
Angriffe gegen Herrn Rosenplenter unter dem Ausdruck meines
lebhaften Bedauerns zurück. Dr. Göhler.
Tierhaltung und Tierzucht
Die Spezialisierung der Rassen.
Von Professor Boucher.
(Journal de Lyon, 80. April und 81. Mal 1908.)
Die Spezialisierung der Haustierrassen ist im ganzen ge¬
nommen eine funktionelle Anpassung und eine wirtschaft¬
liche Doktrin.
I. Die Spezialisierung der Rassen im Lichte der Anpassung.
Die Spezialisierung der Rassen hat einen bestimmten Zweck
im Auge, nämlich den, die vulgären Organismen mit ver¬
schiedenartigen Fähigkeiten, in solche nmzuwandeln,
welche in einer einzigen Leistnngsart sehr vervoll-
kommt sind. Hierbei gibt die Spezialisierung der Rassen ein
wunderbares Beispiel für die Evolutionstheorie ab, da sie die
zwiefache These des Lamarkismns und des Darvinismns, auf
welcher der klassische Transformismns aufgebaut ist, klar be¬
leuchtet. An den Lamarkismns lehnt sie sich an durch das
gleichzeitige Hinzutreten zweier verschiedener Einwirkungen,
welche folgende sind: Die modifizierende Aktion von
äußeren Einflüssen einerseits und der transforma-
torische Effekt des Gebrauchs und Nichtgebrauchs
der einzelnen Körperteile andrerseits. An den Darvi¬
nismns lehnt sie sich an durch das Insspieltreten der methodischen
702
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39.
Zuchtwahl. Von einem anderen Gesichtspunkte aus betrachtet,
erscheint die Spezialisierung der Rassen als eine der schönsten
Erklärungen des Gesetzes der Harmonie, welchem das
Problem der Anpassung untergeordnet ist.
1. Das Prinzip der Spezialisierung.
Die Spezialisierung der Rassen wird durch das Prinzip
der Teilung der Arbeit inspiriert. Dies Prinzip stellt
bekanntermaßen fest, daß jede Arbeit um so schneller beendet,
um so besser ausgefiihrt und um so produktiver ist, je besser
die Individuen, die sie verrichten, dazu ausgebildet sind, und
je mehr diese Arbeit unter Ausschluß jeder anderen ausgeführt
wird. Die Spezialisierung hat überall die gleichen Folgen,
welche bestehen in der Konzentration der produktiven Fähig¬
keiten auf eine einzige Funktion, in dem korrelativen Vor¬
herrschen dieser privilegierten Funktion zu den anderen Funktionen
und endlich in der den letzteren auferlegten Rückbildung, nach
dem gebieterischen Gesetz des organischen Gleichgewichts.
Diese Folgen führen nichtsdestoweniger in den günstigen Milieus
zu einem absolut konstanten wirtschaftlichen Resultat, der Ver¬
mehrung de8 Ertrags. Man kann das Schema dieser Er¬
scheinung am besten am Rind zeigen, das zurzeit nicht
spezialisierte, ganz primitive Rassen aufweist und wieder
solche, welche für eine der folgenden Produktionen, nämlich für
Milch, Fleisch oder Arbeit vollständig spezialisiert sind.
Angenommen ein Rinderstamm eines Landstriches besteht
aus Z (Zahl) Individuen und diese Z Individuen seien alles
Kühe von gewöhnlicher Rasse und hätten das gleiche
Produktionsvermögen. Da sie von gemeiner, d. h. von nicht
verbesserter Rasse sind, so befinden sie sich in einem Zustand
individueller Indifferenz, der ihnen erlaubt, von allen «ihrer
Gattung eigenen Produktionen ein wenig zu geben. Die Leistung
eines jeden von ihnen im Laufe des Jahres kann durch folgende
Gleichung ausgedrückt werden:
L = m + f+a Leistung == Milch -f- Fleisch + Arbeit.
Die gesamte Produktion der in Betracht gezogenen Kollek¬
tivität gestaltet sich nun folgendermaßen:
p == Zp = Z (m -j- f -|- a) = Zm -{- Zf -f- Za.
Angenommen, wir würden aus der vorher erwähnten Kollek¬
tivität drei gleiche spezialisierte Gruppen, z = z' — z",
durch irgend ein Kunstmittel gestalten können, dann wäre
Z == z + z' -f z". Die für die Milchprodnktion spezialisierte
Gruppe z gibt jährlich eine bestimmte Menge Milch = M, die
für die Fleischproduktion bestimmte Gruppe z' eine Menge
Fleisch — F und die für die Arbeit spezialisierte Gruppe z"
eine Menge Arbeit = A, dann wäre die Gesamtproduktion der
neuen Gruppe folgende: P' = zM + z*F -f- ®"A.
Diese Gesamtproduktion steht höher als die der nicht
spezialisierten Kollektivität, denn in der Praxis steht fest, daß
zM > Zm
z'F > Zf
z'Ä >• Za
also ist zM + z'F -{- z"A » Zm -f Zf -f- Za
oder P' >* P.
Es ist nun nicht die quantitative Erhöhung der Produktion
allein, welche für die Vornahme der Spezialisierung spricht,
sondern mit der Vermehrung der Quantität hält oft auch die
Verbesserung der Qualität gleichen Schritt. Es hat daher der
La mark sehe Satz, die Funktion macht das Organ, seine volle
Berechtigung. Es ist auch vollkommen richtig, daß durch die
Spezialisierung Rassen von großer Ergiebigkeit hervorgebracht
werden zum größten Nutzen des wirtschaftlichen Fortschritts.
Es ist somit den landwirtschaftlichen Betrieben die Möglichkeit
gegeben, die gemeinen Rassen auszuschließen, falls ihnen ihr
Nutzen zu gering erscheint. Es soll dabei aber nicht gesagt
sein, daß diese gemeinen Rassen vollständig zu vernachlässigen
sind, haben sie doch in defr Mannigfaltigkeit ihrer Produktion
und in ihrer ubiquitären Anpassungsfähigkeit vor den anderen
den Vorzug, und passen sie daher am besten in kleine Wirt¬
schaftsbetriebe, welche mit dem raffinierten und feinen Rüstzeug
der Hochzüchter nicht ausgestattet sein können und von ihren
Tieren nicht eine höher gesteigerte einzelne Leistung, sondern
wohl geringere aber diverse Leistungen verlangen. Diese ge¬
meinen Rassen sind jedenfalls vor Degeneration zu schützen
und in der Gesamtheit ihrer Eigenschaften zu heben.
2. Mechanismus der Spezialisierung.
Jede spezialisierte Rasse stammt durch eine Reihen¬
folge ununterbrochener stufenweiser Übergänge von einer ge¬
wöhnlichen oder gemeinen Rasse ab, und jeder Speziali¬
sierungsversuch besteht aus zwei Hauptphasen. 1. Eine Phase
der generellen Entwicklung oder die vorbereitende
Phase; 2. eine Phase der eigentlichen Spezialisierung
oder die Stufe der Beharrung. Diese Entwicklungs¬
abschnitte sind durch eine Reihenfolge von Zwischenzeiträumen
untereinander verbunden, in denen besonders leistungsfähige
Individuen entstehen, deren günstige Einwirkung in Überein¬
stimmung mit dem Prinzip der Zuchtmahl die Evolution der in
Bildung begriffenen Gruppe beschleunigt. Damit diese Evolution
zustande kommt, vereinigen verschiedene Faktoren ihre Wirkungen.
Es sind dies:
1. Das umgebende Milieu.
2. Die Methoden der körperlichen Übungen.
3. Die organische Variabilität.
4. Die Vererbung und die methodische Zuchtwahl.
5. Die Anpassung.
1. Das umgebende Milieu. Die physiologische Aktivität
hängt, abgesehen von der Vererbung, von der Quantität der
Energie ab, welche dem Körper zugeführt wird. Ist diese
I reichlich, so sind ein schnelles Wachstum, massige Formen,
intensive Produktion hinsichtlich der Qualität die Folge. Da die
Energie direkt der Bodenvegetation, d. h. dem Futter' der Um¬
gebung, entstammt, so kann man mit voller Berechtigung mit
den Neu-Lamarkianern sagen: Das Milieu ist der Former
der Organe. Die spezialisierten Rassen können nur in einem
Milieu fortkommen, das ihren Bedürfnissen und Eigenschaften
Rechnung trägt.
Die für die Tierzucht in Betracht kommenden Wirschafts¬
betriebe können in drei Kategorien eingeteilt werden.
a) in den Großbetrieb,
b) den mittleren Betrieb und
c) den Kleinbetrieb.
Der Kleinbetrieb schließt im Prinzip die vervollkommneten
Rassen aus, welche sich in ärmlichen Verhältnissen weder bilden
noch halten können, während der mittlere und hauptsächlich
der Großbetrieb die nötigen Mittel besitzt, diese Rassen zu
bilden.
2. Die körperlichen Übungsmethoden. Bekannter¬
maßen fußen diese Methoden auf der Lehre von der funktionellen
Exzitation, welche zu einer bessern Ernährung der in Betracht
24. September 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
703
kommenden Gewebe den Anstoß gibt und zugleich auf die
Formung der Organe und auf die Aktivität ihrer Funktionen
von Einfluß ist. Dadurch, daß sie ihre Wirkung auf einen
bestimmten Apparat ausüben, modifizieren sie ihn gänzlich, so
daß sie ihn nicht nur räumlich ausdehnen, sondern ihm auch
durch die von ihnen bewirkte stärkere Blutzuleitung die
trophische Wirkung des Blutes zugute kommen lassen. Dieser
Einfluß ist um so wirksamer, je intensiver die Blutzufuhr vor
sich geht und eine um so reichere und größere Zufuhr das Er-
nährungssyBtem von außen erhält. Der Einfluß dieser körper¬
lichen Übungen ist also sehr groß und er entspricht zum Teil
demjenigen Faktor der Evolution, den Lamark mit der Um¬
schreibung „Gebrauch und Nichtgebrauch der Organe“
bezeichnete. Zu der kräftigenden Aktion des reichen Milieus
gesellt sich nun noch die umformende Kraft der gymnastischen
Übungen hinzu, aus deren Zusammenklingen ein neuer Zustand
resultiert, nämlich die morphologische und funktionelle Modifi¬
kation des neu entstandenen verbesserten Typus.
3. Organische Variabilität. Wenn die Formung
spezialisierter Rassen möglich ist, und diese sozusagen Stück
für Stück aus der Hand des Tierzüchters hervorgehen, so ist
das ein Beweis dafür, daß dieser die Effekte zweier großer
organischer Kräfte, der Variabilität und der Heredität,
zu seinem Nutzen anzuwenden- weiß. Die Variabilität ist es,
die dem tierischen Organismus die Fähigkeit gibt, sein Wesen
zu verändern, wenn er dazu angetrieben wird, und die die ge¬
bieterischen Anstöße des umgebenden Milieus und der Gymnastik
in Stoff umsetzt. Aus dem Umstande, daß jede Änderung in
der organischen Anlage eine Variation herausbildet, resultiert,
daß die Variabilität sich in der Abart selbst objektiv kenn¬
zeichnet. Die Variation bewegt sich auf einer großen Stufen¬
leiter, erstreckt sich von der Monstruosität bis zur einfachen
Anomalie und bleibt nichtsdestoweniger in allen Fällen der
einfache Ausdruck der Individualität. Die große Kunst
besteht darin, sie anzuregen, und wenn sie sich einmal entfaltet,
sie zu fassen und auch zu halten. Um dies zu erreichen, nimmt
man zu den großen fixierenden und vervielfältigenden Kräften
der Heredität und der Reproduktion seine Zuflucht.
Die Variation, die kurz gesagt eine rein individuelle Leistung
ist, stellt günstig auftretende Eventualität dar, die beim Werke
der Schaffung einer Rasse und im besonderen einer spezialisierten
Rasse nichts anderes als der nicht starre Unterbau oder das
Fundament für dieselbe abgibt.
4. Heredität und methodische Zuchtwahl. Die Ver¬
erbung hat eine doppelte Wirkung, gewöhnlich wirkt sie er¬
haltend und ausnahmsweise einmal erneuernd. Ihr Hauptzweck
ist der, die in der geheimen Anlage des Keims eingeschlossenen
Formen und Fähigkeiten, sowie es fundamentale, von den
Vorfahren ererbte oder von jeher bestehende Eigen¬
schaften der Rassen, oder nur solche, die erst kurze Zeit
unter dem Einfluß des Menschen und der Milieus erworben sind,
fortzupflanzen. In ihrem Wesen hat die Heredität auch die
Fähigkeit, der künstlichen Ausgestaltung der Haustierrassen in
dem Moment, in dem das der Züchter von ihr verlangt, zu
dienen. Diese Fähigkeit hat sie daher, weil sie nicht nur
einzig und allein durch die Funktion eines Individuums, sondern
eines Paares bedingt ist, welches ohne in der Art verschieden
zu sein, doch je nach dem Willen deB Tierzüchters aus Individuen
von verschiedenem Typus bestehen kann. Aus ihrer Vereinigung
entstehen komplexe, gemischte Individuen — cynthetische
Individuen — die alle Sorten von Variationen erzeugen können
und die man oft fälschlicherweise mit dem Worte Mestize be¬
zeichnet.
Die Methodische Zuchtwahl tritt glücklicherweise hinzu,
um den Gang der aus der Heredität entstandenen Resultate zu
beschleunigen, und um die morphologischen und physiologischen
Verschiedenheiten der auf dem Wege der Evolution fortschreitenden
Gruppen, von jenen von welchen diese ursprünglich ausgegangen
sind, noch mehr auszuprägen. Die methodische Zuchtwahl
beruht nicht wie die natürliche Zuchtwahl auf der vitalen
Konkurrenz, die ihrerseits die verhängnisvolle Folge des
Malthusiani8chen Gesetzes ist. Diese an wunderbaren
Resultaten so reiche methodische Zuchtwahl hat als Haupt¬
triebkraft nur das Urteil des Menschen, der die Eltemtiere
nach den vorstechendsten Rasseneigenschaften und nach dem
Zweck, den er mit der zu bildenden Rasse verfolgt, heraussucht.
Da vom Menschen nur solche Tiere, welche die verlangten
Eigenschaften in höherem Maße besitzen, zur Reproduktion
verwandt werden, so schlägt die formende Kraft dieser Tiere
durch, und die Rasse steigt auf der Stufe der Vervollkommnung
und der Spezialisierung.
5. Anpassung: Unter dem unerbittlichen Drange des
häuslichen Milieus, das durch die fortdauernde Mühewaltung des
Menschen progressiv besser wird, und unter dem methodischen
Antrieb einer immer geschickteren Technik verwandeln sich
nach und nach die Tierrassen. Sie sind sozusagen die Kinder
der sie umgebenden Verhältnisse, und sie stellen die aufeinander¬
folgenden Abschnitte des materiellen Fortschnitts im landwirt¬
schaftlichen Betriebe her. ' "
Alle Arten kann man in drei Gruppen einreihen, von denen
jede einer Entwicklungsstufe der wirtschaftlichen Betriebe
entspricht.
1. Die gemeinen Rassen, die zu den kleinen Betrieben
gehören.
2. Die verbesserten Rassen, die in den mittleren und
3. die spezialisierten Rassen, die in den Großbetrieben
zu finden sind.
Die Akklimatisationsfähigkeit der spezialisierten Rassen ist
auch beschränkt; werden diese aus ihrer Formationszone versetzt,
so werden sie in ihren Existenzbedingungen getroffen, ihre
Fruchtbarkeit geht zurück und ihre Nachkommen entwickeln
sich schlecht. Da sie nur für die bevorzugten Verhältnisse der
intensiven Kultur geschaffen sind, so verfallen sie dem un¬
vermeidlichen Zwange des Gesetzes der Harmonie und der
Anpassung. Diese doppelte Einwirkung beherrscht die
Spezialisierung der Haustierrassen ebenso wie sie die natür¬
liche Evolution der Lebewesen leitet.
3. Folgen und Grenzen der Spezialisierung.
Die Spezialisierung der Rassen zeigt ihre industrielle
Anpassung durch die Reihe der Produktionen, die von den
Tieren verlangt werden. Sie entspricht dem Gesetz der Kon¬
vergenz der den gleichen Funktionen angepaßten gleichen
Formen (analoge Ähnlichkeit nach Darwin). In anderen
Worten, eine Spezialisierung in irgendeiner der Produktionen
der tierischen Maschine (Milch, Fleisch, Arbeit usw.) bewirkt,
daß alle Rassen, welche dieselbe Spezialisierung erreicht haben,
schließlich einander ähnlich sehen, auch wenn sie Von sehr ver¬
schiedenem Ursprung ausgegangen sein sollten, denn die gleichen
704
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39.
Ursachen haben auch die gleichen Wirkungen, besonders wenn
diese systematisch gegen ein gemeinsames Ideal hin geleitet
werden. So sehen beim Rind z. B. alle Fleischrassen einander
ähnlich, ebenso alle Arbeitsrassen und alle Milchrassen. Die
weiblichen Tiere letzterer Rassen haben eine breite Hinter¬
hand im Vergleich zu der schlanken Vorderhand und ein 10 bis
15 mal größeres Euter als die primitiven Rassen. Alle Fleisch¬
rassen haben einen leichten Kopf, einen massigen, weiten, breiten
und tiefen abgerundeten Rumpf der auf dünnen breitstehenden
Füßen aufgebaut ist sowie eine feine, dünne Haut, die sich
leicht abheben läßt.
Die Vervollkommnung der spezialisierten Rassen ist keine
unbegrenzte, denn es sind ihr durch die sexuelle Impotenz
Grenzen gesetzt. Diese tritt glücklicherweise nicht plötzlich
auf, sondern meldet sich durch verschiedene Vorzeichen an, von
denen das hervorstehehdste die geschlechtliche Teilnahmslosigkeit
ist, welche mit dem Namen Frigidität belegt wird. Diese
Warnung bildet den Grenzstein der Aufzucht der spezialisierten
Rassen und spricht für eine etwas gegensätzliche Doktrin, die
Lehre von der Blutauffrischung.
4. Die produktive Kraft der spezialisierten Tiere.
Um diese zu zeigen, vergleichen wir die Produktion einer
Kuh einer spezialisierten Rasse mit der je einer verbesserten
und einer gemeinen Rasse.
I. Jährliche Produktion einer 500 kg schweren Kuh einer
gemeinen Rasse.
A. Ein Kalb verkauft mit 5 Wochen . . . . 04 M.
B. 500 Liter Milch zu 12 Pf. . . . , . . 60 „
C. 150 Tage Arbeit zu 1,20 M. . . . . . 180 „
Zusammen; 304
II. Jährliche Produktion einer 500 kg schweren Kuh einer
verbesserten, Rasse.
A. Ein Kalb verkauft mit 6 Wochen ... 80 M.
B. 1800 Liter Milch zu 12 Pf..216 „
C. 60 Tage Arbeit zu 1,20 M. . . . . . 92 „
Zusammen: 368 M.
III. Jährliche Produktion einer 500 kg schweren Kuh einer
spezialisierten Rasse.
A. Ein Kalb verkauft mit 3 Monaten. . . . 96 M.
B. 4500 Liter Milch zu 12 Pf. . . ... 540 „
Zusammen: 636 M.
Der produktive Wert der Kühe der gemeinen Rasse beträgt
47 Proz. des der spezialisierten und des der Kühe der ver¬
besserten Rasse 58 Proz.
Schlußfolgerungen: 1. Die Spezialisierung der Rassen fördert
im Vergleiche zu anderen, sehr mächtige Maschinen zutage.
Der Ertrag aus diesen spezialisierten Maschinen kann in gewissen
Fällen der zehnfache sein von dem der gewöhnlichen oder
primitiven Maschinen.
II. Die produktive Fähigkeit der spezialisierten Maschinen
kann den doppelten und sogar dreifachen finanziellen Ertrag
geben von dem der nicht spezialisierten.
IH. Die Spezialisierung ist eine kostbare Acquisition, sie
darf aber nicht das Palladium der tierzüchterischen Industrie
abgeben, denn die spezialisierten Maschinen passen nur für ein
begrenztes Gebiet und das ist der Großbetrieb.
IV. Die Spezialisierung schafft wohl vervollkommnete
Rassen, ermöglicht aber nicht eine tierzüchterische
Vollkommenheit. Sie hat nicht die Vollkommenheit eines
mehr oder weniger umschriebenen Mechanismus der tierischen
Maschine zum Zwecke, wohl aber den Reingewinn, der von den
Tieren erzielt wird. Es gibt Umstände, und sie sind in der
Praxis sehr häufig, bei welchen gute, nicht spezialisierte Tiere
mehr eintragen, als die spezialisierten.
V. Alle Rassentypen haben ihren Platz in der tier¬
züchterischen Domäne, sowohl der Typus der spezialisierten
Rassen wie die anderen. Außer ihrer speziellen Anpassung
an den Großbetrieb haben diese Rassen eine große, ergänzende
und ganz allgemeine Rolle zu erfüllen, nämlich bei der Kreuzungs¬
zucht einzuspringen, um die Produktion der ihnen minderwertigen
Rassen zu verbessern. Helfer.
ßücheranzeigen und Kritiken.
Die Zucht der rehfarbenen, hornlosen Schwarzwaldziege in Württem¬
berg. Von Oberaratstierarzt Honecker. Stuttgart, Eugen Ulmer, 1908.
Pr. 1,60 M.—
In fi Abschnitten gibt der für die Hebung der württembergischen
Ziegenzucht eifrig tätige Verfasser nach einleitenden Bemerkungen über
Ziegenzuchtliteratur, rationelle Ziegenzucht, Zuchtziel und Geschichte
der württembergischen Ziegenzucht, eine eingehende Darstellung von
Beschaffenheit, Wert und Leistungen der rehfarbigen Schwarzwaldziege,
ferner eine anschauliche Besprechung des Züchtungsverfahrens, der
Ziegenhaltung- und Pflege, der Hilfsmittel der Ziegenzucht, der Ziegen¬
krankheiten und ihrer Behandlung. Aus der Züchterpraxis für die Züchter¬
praxis geschrieben, enthält das in volkstümlichem Tone gehaltene, mit
6 Abbildungen versehene Sehrittehen, eine Reihe schätzenswerter
züchterische Winke und Anregungen und stellt sich erstlich als empfehlens¬
wertes Handbüchlein für die württembergischen Ziegenzüchter, wie im
weiteren auch für die Freunde und Züchter der Landziegensetläge im
allgemeinen dar. Kronacher.
Professor Leonhard Hoffmann, Atlas der tierärztlichen
Operationslehre in fünf Büchern. I. Buch: Zwangsmittel und
Zwangsmaßregeln. II. Buch: Instnimentenlehre. III.Buch: Verbandslehre.
IV. Buch: Allgemeine Operationen. V. Buch: Spezielle Operationen. Mit
107 Tafeln und 307 Texttiguren. Verlagsbuchhandlung von Eugen Ulmer*
Stuttgart 1008. ’Kompl. geh. 30 M.
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. W. Ellenberger und Med.-Rat Prof. Dr. Braun,
Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere.
XII. Auflage. Mit 894 in den Text gedruckten Abbildungen. August
Hirschtvald, Berlin 1908. Preis 28 M.
Obermedizinalrat Professor Dr. Georg Müller, Die Krankheiten
des Hundes und ihre Behandlung. Zweite gänzlich nenbearbeitete
Auflage. Mit 195 Textabbildungen. Verlagsbuchhandlung Paul Parey,
Berlin 1908. Preis geh. 16 M.
Dr. H. Lantzsch, Kgl. sächs. Gesetz betreffend die Unterhaltung und
Körung der Zuchtbullen vom 30. April 1906. 2. ergänzte Auflage. Roß*
bergsche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1908. Preis 2.40 M.
Carl Depperich, Beiträge zur Kenntnis der „neuen Hühner¬
seuche“ (Hühnerpest Ostertag). (Inang-Diss. der verein, med.
Fakultät Gießen). [Sonderabdruck ans Fortschritte der Veterinär-Hygiene
Heft 10 u. 11, Jahrg. 1907 ] Lonis Marcus. Berlin.
Franz Schwaebel, Über dicknotige Muskeltuberkulose des
Rindes (Inveterierte Tuberkulose Dürbeck - Blastomy-
kose Foulerton.) (Inaug.-Diss. der verein, med. Fakultät Gießen.) 1908.
L. Panisset et Lolseau, Vaginalite experimentale a bacille
Diphtörique. (Extrait des Comptes rendns des seances de la Societe
de Biologie. T. LXV., p. 117).
Personalien.
Auszeichnungen: Dem Marstall-Oberstabsveterinär Dr. Toepper
ist das Prädikat Professor, dem Korpsstabsveterinär Heinrich
Schlahe beim Generalkommando des VI. Armeekorps der rote
Adlerorden vierter Klasse verliehen worden.
Ernennungen: Dr. Reinhardt, Oberamtstierarzt in Freudenstadt
als Professor an die Tierärztliche Hochschule zu Stuttgart berufen.
Tierarzt Dr. Viktor Oclkers ist mit der Verwaltung der kreistierärzt¬
lichen Geschäfte des Kreises Isenhagen mit dem Amtssitze in
Wittingen betraut.
Verzogen : Oberveterinär a. D. Mihr von Pfaffendorf nach Koblenz,
Schlachthofassistenztierarzt Gustav Schwab in gleicher Eigenschaft
nach Straßburg, Tierarzt Franx Herold aus Hammelburg als Vertreter
nach Traunstein. .
Pomoviert : Die Schlachthoftierärzte Franx Bourmer - Trier
a. Mosel und Waldemar AVco/atw-Glogau zum Dr. med. vet. in Bern-
Todesfall: Kreistierarzt Paul Gebhardt in Vohwinkel.
Vakanzen. (v g i. Nr. 36 .)
Verantwortlich für den Inhalt (exkL Ineententeil): Prot Dr. Sehmaltx in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard SchoeU ln Berlin. —
Druck veu W. BSxenateln, Berlin.
Die „Berliner Tierärztlich« Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Riehard 8choeta la
Berlin SW. 48, Wllhelmatr. 10. Dnreh Jedes dentsche
Postamt wird dieselbe tarn Preise von M. 5,— viertHJähr-
lieh CM. 438 fllr die Wochenschrift, 18 Pt für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert, (österreichische Post-Zeitongs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Origiualbeitrlge werden mit 60 Hk.« In Petitsats mit
•0 Hk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
au senden an Prof. Dr. SchrnslU, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW., Luisenstrafle 66. Korrekturen.
Resenslons-Exemplare and Annonoen dagegen an die
Verlagsbachhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Med.-Bat Dr.
Professor in Dresden.
Helfer
ßchlach‘h.-Direktor in Mülhansen t BL
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothee
Hamburg. DepartemenU-T. in Cöln.
Dr. Schlegel
Professor in Freiburg.
Veterinärrat Petere
Departements T. in Bromberg.
Professor Dr. Peter
Staatatierarst für Hamburg.
Dr. I. Schmidt Reg.-Rat Dr. Vogel
Professor in Dresden. Landestierarat in Manchen.
Dr. Städter
Stadt-Tierarzt in Hamburg.
Dr. Richter
Professor in Dresden.
Dr. H. Sieber
am Tropeninstitut in Hamburg.
Veterinärrat PreuBe
DepaitemeoU-T. in Danzig.
Webrle ZOndel
Kais. Regierungsrat in Berlin. Kreistierarxt in MOlhausen L BL
Dr. Zimmermann
Dozent ln Budapest
Dr. Trapp
am Kaiser Wilhelm-Institut in Bromberg.
Jahrgang 1908. JW. 40 . Ansgegeben am 1. Oktober.
Inhalt: Klimmeck: Laparotomie mit daran anschließender Amputation des Uterus bei einer Hündin. — Schütt: Ulcus
ventriculi. — Friederich: Mißbildung der männlichen Geschlechtsorgane beim Rind. — Freytag: Eine neue
Geschwulsttheorie. — Schwinning: Über ein aus zwei Karpfen gezüchtetes pathogenes Bakterium. — Referate:
Querrnau: Über die Tenotomie des Perforatus in den sich wiederholenden oder unheilbaren Formen der Sehnenzerrungen. —
Schein: Die Ursachen des Grauwerdens der Haare. — Rüdiger: Filtration experiments with virus of cattle plague. —
Tageegeachichte: Preuße: Vereinbarungen betr. einen tierärztlichen Minimaltarif. — Borufs-überfttllung. — Herbstversammlung
des Vereins rheinpreußischer Tierärzte. — Verein Pfälzer Tierärzte. — Vom Reichsgericht. — Verschiedenes. — Staatsveterinfir-
wesen: Tierseuchen in Deutschland 1906. — Tätigkeit der Institute der Landwirtschafts-Kammern im Dienste der Seuchen¬
tilgung. — Verschiedenes. — Nahrungemittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel: Söhellhase: Peroxydasen. — Verschiedenes.
Personalien. — Vakanzen.
Laparotomie mit daran anschlieOentfer Amputation
des Uterus bei einer Hündin.
Von Tierarzt K- Klimmeck, Strasburg i. Wpr.
Am 12. März abends telephonierte mich ein in der Nähe
wohnender Gatsbesitzer an und hat nm Rat. Seine Staben-
hündin scheine nicht gebären zn können. Seit einigen Standen
sei sie unruhig, habe Wehen, es hätten sich auch bereits etwas
Flüssigkeit und Schleim entleert.
Ich riet dem Besitzer der Hündin vorläufig abzuwarten,
vielleicht würde die Geburt ohne Hilfe im Laufe der Nacht von¬
statten gehen. Wenn aber am nächsten Morgen die Hündin
noch nicht geboren hätte, sollte sie mir sofort zugesandt werden.
Am nächsten Tage früh 7 Uhr war bereits die Hündin zu
mir transportiert worden. In einem Begleitbrief teilte mir der
Besitzer mit, daß „Abgänge“ auf dem Lager der Hündin
bemerkt worden wären. Die Hündin, Wachtelhündin, zirka
fünf Jahre alt, sehr gut genährt, saß traurig in einer Kiste.
Der Bauch war sehr stark anfgetriehen. Aus der Scheide hing
etwas zäher Schleim, und es entleerte sich ein wenig schleimige,
farblose Flüssigkeit. Die Untersuchung per vaginam konnte
nur mit einem Finger vorgenommen werden. Eine Entzündung
der Vagina bestand nicht. Der Geburtsweg war infolge sehr
großer Fettheit der Hündin eng. Es konnte festgestellt werden,
daß der Muttermund gut eröffnet war, aber irgendein Körper¬
teil eines Jungen war nicht zn fühlen.
Ich teilte dem Besitzer der Hündin telephonisch das Unter-
sucliungsergehnis mit und riet zur Sectio caesarea. Da die
Hündin dem Besitzer sehr wertvoll war, war er damit ein¬
verstanden. Er gab auch noch seine Einwilligung zn einer
eventuell* nötig werdenden Amputation des Uterus, indem er
sagte, daß ihm dieses noch lieber wäre, weil er die Hündin
nicht noch einmal trächtig haben wollte. Daraufhin faßte ich
den Operationsplan: Laparotomie und daran anschließende
Amputation des Uterus.
Nach Harms, Eggeling und Schmaltz, Lehrbuch der
tierärztlichen Geburtshilfe, HL Auflage 1899 (de Bruin, Geburts¬
hilfe hei allen Haustieren — ausgenommen Rind — stand
mir leider nicht zn Verfügung) findet die Amputation des
Uterus derart statt, daß man denselben am orificium uteri
umschnürt und dann ahschneidet. Der Stumpf wird im unteren
Wundwinkel extraperitoneal eingenäht. (Porrosche Methode.)
Mir gefiel dieses Einnähen des Stumpfes nicht recht und ich ent¬
schloß mich nach einigem Überlegen, etwas anders zu operieren.
Die in Morphiumnarkose befindliche Hündin wurde auf einen
mit Lysolwasser abgewaschenen und mit reinen Handtüchern
bedeckten Tisch auf die linke Seite gelegt und von 2 Männern
an Kopf und Füßen gehalten. Die rechte Flanken- und Baucli-
gegend wurden in weitem Umfange abrasiert. Daß im übrigen
die Regeln der Antisepsis und Asepsis beobachtet wurden, ist
selbstverständlich. Ich machte einen 10 cm langen Hautschnitt,
der einen Finger breit unterhalb des Tuber coxae begann und
nach vorne und unten führend zwei Finger breit entfernt von
der Linea alba endete. Der Reihe nach wurden dann durch¬
schnitten der Muse, obliqu. ahd. ext., der M. ohl. ahd. int. und
der M. transvers. abd. Die Blutung war sehr gering. Durch
den MuBkelspalt bauschte sich das Peritoneum vor. Dieses
wurde mit einer Pinzette erfaßt und mit der Schere ein kleiner
Einschnitt gemacht. Sofort drängte sich das sehr viel Fett¬
gewebe enthaltende Netz aus der kleinen Öffnung, die nun mit
der Schere genügend verlängert wurde. Ein Teil des blauroten
Uterus wurde sichtbar. Mit verhältnismäßig großer Kraft mußte
das rechte Uterushorn ans der Wunde herausgezogen werden,
so weit, daß die Spitze des Uterushornes sichtbar wurde. Hier
wurde die Art. u. Ven. spermatica interna nach der Ahsendung
der Art. ovarica doppelt unterbunden, desgl. längs des Hornes
im Ligamentum latnm die einzelnen Zweige der Art. u. Ven.
spermatica externa. Zwischen den einzelnen Catgutligaturen
wurden die Gefäße durchschnitten, dann die Plica tubaria, das
Ligamentum ovarii proprium und das Ligamentum latum. Jetzt
706
BERLINER TIERÄRZTLIC HE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
konnte das reckte Uterushorn bis auf den Anfang desselben aus
der Bauchhöhle herausgezogen werden. In derselben Weise
wuirde das linke Uterushorn hervorgeholt, die einzelnen Gefäße
unterbunden und dann das Mesometrium vom Uterus getrennt.
Beide Hörner hingen nun vollkommen aus der Bauchhöhle heraus.
Ich ließ nun die Uterushörner anziehen und umschnürte am
Orificium Uteri den Uterus mit einem starken Seidenfaden, nahm
aber gleichzeitig in die Ligatur den Uteruszweig der Art. u. Yen.
haemorrhoidalis media. Circa 1 cm vor der Ligatur wurden die
beiden Uterushörner, in denen sich 6 Junge befanden, abge¬
schnitten. Der abgeschnittene Stumpf wurde mit Sublimat¬
spiritus gut desinfiziert. Dann faßte ich diesen Stumpf mit
einer Arterienklemme und schob ihn in die Scheide hinein, und
zwar so weit, daß zwischen den Schamlippen der mit der
Klemme erfaßte abgeschnürte Stumpf (die vorher angelegte
Ligatur war natürlich nicht sichtbar, weil auf der Außenseite
der Scheidenwand befindlich) zu sehen war. Diesen faßte ich
nun mit einer Unterbindungspinzette, ließ etwas anziehen und
umschnürte die vorgezogene ausgestülpte Scheide ca. l'/a cm
unterhalb der Pinzette mit einem doppelten Seidenfaden.
Zwischen diesem und der die Scheide haltenden Pinzette schnitt
ich nun in die Scheidenwand ein, gelangte auf die vom
Peritoneum bedeckte Seite derselben, präparierte die dort
befindliche erste Ligatur und den zuerst abgeschnürten Stumpf
heraus und schnitt zuletzt die Scheide ca. Va cm hinter der
zweiten Ligatur vollständig ab. Sofort zog sich der Scheiden¬
stumpf in die Scheide zurück. Es war auf diese Weise eine
ca. 5—6 cm lange, blind endende Scheide entstanden. Die
schließende Ligatur und das außer Ernährung gesetzte Stück
der Scheide befanden sich innerhalb der Scheide. Sofort begann
ich nun mit der Wundnaht. Das Peritoneum wurde durch feine
Catgutknopfnähte exakt vereinigt, die Bauchmuskulatur durch
etwas stärkere Catgutknopfnähte. Die Hautwunde wurde mit
Seide genäht, und der Hündin wurde nun ein Verband angelegt.
Bemerken möchte ich, daß die Patientin während der
ganzen Operation, die exkl. Vorbereitungen I 14 Stunden dauerte,
scheinbar keine Schmerzen fühlte. Nur beim Unterbinden der
Art. und Ven. spermatica interna und bei der Umschnürung der
Scheide am Orificium uteri äußerte sie Schmerz.
Am nächsten Morgen zeigte die Hündin guten Appetit, sie
erhielt aber nur wenig leicht verdauliche Nahrung. Die
Temperaturen und
Pulsfrequenzen waren in der nächsten
Woche folgende:
Am 14. März
Temperatur 38,5°,
38,9", 38,2".
Pulsfrequenz 128,
140, 132.
„ 15.
„
Temperatur 38,7°,
39,0", 38,2°.
Pulsfrequenz 110,
110, 108.
„ 16.
>?
Temperatur 38,4°,
38,1°, 38,9°.
Pulsfrequenz 11(5,
106, 102.
„ 17.
„
Temperatur 38,4°,
38,5", 38,5°.
Pulsfrequenz 102,
100, 96.
„ 18 .
Temperatur 39,2°,
38.6°, 38,3".
Pulsfrequenz 100,
98, 98.
„ 19.
„
Temperatur 38,4",
38,4", 38,6°.
Pulsfrequenz 98,
100, 96.
,, 20.
>>
Temperatur 38,2",
38,0", 38.0".
Pulsfrequenz 92,
92, 90.
Am 14. März
erhielt die Hündin alle drei Stunden einen
Eßlöffel Rotwein.
Da
sich der Verband
am 16. März etwas
verschoben hatte — die Hündin lag nicht einen Augenblick
ruhig — wechselte ich den Verband. Die Wunde sah sehr gut
aus. Beim nächsten Verbandwechsel, am 17. März, erschien die
Umgebung des unteren Wundwinkels vor der Kniefalte etwas
höher gerötet und geschwollen. Als am nächsten Tage die
Temperatur auf 39,2° C stieg, öffnete ich den unteren Wund¬
winkel. Es entleerte sich etwa ein Fingerhut einer sehr
klebrigen Flüssigkeit. Ich spülte die Wunde gut aus, tamponierte
mit Jodoformgaze und legte wieder einen Verband an. Jeden
Tag wurde die Wunde ausgespült, mit Jodoform eingepudert
und mit Jodoformgaze tamponiert. Es konnte jedoch nicht ver¬
hindert werden, daß doch eine tasckenförraige Eiterversenkung
eintrat. Nachdem die Tasche aufgeschnitten war, behandelte
ich die Wunde mit Jodoformvasoliniment Bengen. Die oberhalb
befindlichen, vereinigten Wundränder w r aren per primam geheilt.
Die Wunde begann sich jetzt zu schließen und am 10. April
war die ganze Operationswunde vernarbt. — Am IG. März be¬
merkte ich einen braunschwarzen Scheidenausfluß. Die Scheide
wurde nun regelmäßig mit Creolin gespült. Am 25. März
konnte ein Ausfluß nicht mehr beobachtet werden.
Am 12. April ging die Hündin vollständig geheilt ab.
Ulcus ventriculi.
Von Kreistierarzt Schütt, Meldorf.
Bei der Sektion eines 10 Wochen alten, gut genährten
Kalbes, welches angeblich nach sehr kurzer Krankheitsdauer
verendet war, fand ich beistehendes, perforiertes Labmagen¬
geschwür.
Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
707
Die Bauchhöhle enthielt reichliche Mengen käsiger Milch.
An der äußeren Labmagenfläche fiel eine kleine schlitzartige
Öffnung auf, deren nächste Umgebung rötlich durchschien. In
weiterer Ausdehnung, etwa handflächengroß, war die Serosa
durch fibröses Gewebe mäßig verdickt.
Auf der Schleimhautfläche trat ein Ulcus rotundum zutage.
An der Perforationsstelle ist die Stärke der Magenwandung
sehr gering. Sie besteht aus der Serosa, die durch das neu¬
gebildete Bindegewebe außen verstärkt ist.
Man kann diesen zentralen Teil auf dem Bilde leicht er¬
kennen. Peripher nimmt die Wandstärke allmählich zu, Muskel¬
fasern treten deutlich in die Erscheinung. Der Übergang in
die gesunde Schleimhaut ist scharf begrenzt durch einen
wulstigen, narbig eingezogenen Rand.
Über Krankheitserscheinungen während des Lebens war
nichts zu ermitteln. — Der Appetit soll nicht sehr rege gewesen
sein. — Der gute Nährzustand spricht aber dagegen, daß das
Gedeihen des Tieres jemals wesentlich ungünstig beeinflußt
worden ist.
Anhaltspunkte für die Entstehung des Geschwüres fand
ich nicht.
Mißbildung der männlichen Geschlechtsorgane
beim Rind.
Von Tierarzt Friederich-IIersfekl.
Eine interessante Mißbildung der männlichen Geschlechts¬
organe konnte ich kürzlich bei einem im hiesigen Schlachthofe
geschlachteten Rind beobachten. Der Besitzer des Tieres
meldete es zur Schlachtung als weibliches Jungrind an, fügte
Nr. 1.
aber hinzu, er wisse nicht geanu, ob es ein „Er“ oder eine
„Sie“ sei. Tatsächlich konnte man auch das Tier auf den
ersten Blick leicht für ein weibliches Jnngrind mit abnormer
Bildung der Vulva halten. Bild 1, am liegenden Tier auf¬
genommen, zeigt den von der Vorhaut bedeckten, schlaff herab¬
hängenden Penis, während dieser auf Bild 2 durch Zurückhalten
der Vorhaut sichtbar wird. Auf Bild 3 ist die Mündung der
sehr kurzen und gerade verlaufenden Harnröhre durch Ein¬
führen einer Sonde von der Blase aus erkennbar gemacht. Die
Untersuchung der Mißbildung ergab, daß der Schwellkörper die
Harnröhre an Länge um ein mehrfaches übertraf und daß er
von seiner Insertion am Sitzbein aus in zahlreichen Windungen
zunächst nach unten und dann wieder nach oben stieg, um mit
dem äußeren Ende der Harnröhre vereinigt im Präputium zu
endigen. Die Harnröhre selbst war nur etwa 15 cm lang und
führte von der Blase auf geradestem Wege nach außen. Die
Nr. 2.
Windungen des Schwellkörpers dokumentieren sich auf Bild 1
durch zwei kleine Hervorwölbungen unterhalb des Präputiums.
Von Geschlechtsdrüsen waren lediglich die verkümmerten Hoden
mit Nebenhoden vorhanden, die etwa taubeneigroß im Hodensack¬
fett ihre Lage hatten.
Nr. .7.
Das Zustandekommen der Mißbildung erkläre ich mir so
daß die Harnröhre im Wachstum mit dem Schwellkörper nicht
gleichen Schritt gehalten hat, so daß dieser, an seinem freien
Ende durch die Harnröhre fixiert, sich in zahlreiche Windungen
legen mußte.
Nach Mitteilung des Besitzers hat das Tier beim Betasten
der äußeren Geschlechtsteile geschlechtliche Erregung zu er¬
kennen gegeben.
708
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
Eine neue Geschwulsttheorie.
Von Dr. mcd. vet. et phil. Fr. Freytag-Magdeburg.
Eine „neue Geschwulsttheorie“ izt zwar etwas Altes. Die
Gesichtspunkte jedoch, welche dieselben bedingen sind neu, so daß
diese Theorie wohl erwähnt werden darf.
Sie hat zur Voraussetzung eine neue Theorie der Zelle*)
überhaupt. Bekanntlich vermehrt sich die Zelle durch Teilung.
Nun ist aber dabei zu bedenken, daß die einzelnen Zellen auch
beschädigt werden können und von den ihnen anhaftenden
schädlichen Bestandteilen befreit werden müssen. Wie geschieht
diese Befreiung? Etwa dadurch, daß die Zellen sich auf lösen
und resorbiert werden oder daß sie sich auflösen, aus dieser
Auflösungsmasse Leukocyten und die Blutflüssigkeit die schäd¬
lichen Stoffe entfernen und das übrig bleibende Material zur
Zellbildung in ähnlichem Sinne wieder zur Geltung kommt wie
in den Amphiblasten des Knochenmarks?
Die Auflösungsmasse mag ebenso wenig im histologischen
Bilde zu sehen sein wie die Knochenmarksstränge. Diese färben
sich allerdings mit Eosin rosa, so daß man ihre Struktur grade
noch erkennen kann, weil sie zwischen hellen im histologischen
Bilde aussehenden Zellen (den chem. Fetträumen) liegende,
während die Auflösungsmasse der fixen Zellen zwischen den
gewöhnlich mit dunklen Farbstoffen gefärbten Massen liegt.
Bei dieser Art der Zellbildung ist nun denkbar (es kommt
da dieselbe Hypothese in Frage wie bei den Blutkörpern)**)
daß sich Stoffe in der Auflösungsmasse finden, Kernelemente,
welche die Fähigkeit haben, aus der Masse Zellen zu bilden.
Wenn wir nun annehmen, daß sich die Zellen unterscheiden,
zwar nicht grade in der Art von männlichen oder weiblichen,
aber immerhin im Sinne eines Gegensatzes, so wird durch diese
Bildung in der Auflösungsmasse sicherlich der Zweck mit
verfolgt sein, die gegenseitigen „Kerneinheitssubstanzen“ aus¬
zutauschen, etwa wie uns dies von niederen botanischen
Organismen her bekannt ist.
Wir hätten also in der Auflösungsmasse eine Zellbildung
durch Austauschen der „Kerneinheiten“.
Diese kann regelmäßig erfolgen, es braucht dies aber nicht
immer bei ev. Störungen der Fall zu sein (Ribberts embryonale
Keime?).
Die schädlichen oder alten Stoffe sind z. B. nicht entfernt.
Dadurch ist die Möglichkeit vorhanden, daß ihre Stoffe mit zur
Zellbildung verwandt werden, oder aber die Leukocyten (Aichel),
welche die schädlichen Stoffe entfernen sollen, können dies nicht,
weil sie mit diesen überladen sind. Statt sich nun an ihren
Bildungsorten aufzulösen, tun sie dies an Ort und Stelle und
so liegt die Möglichkeit vor, daß ihre Substanzen mit zur Zell¬
bildung verwandt werden und hierdurch nach alten Theorien
die bösartigen Geschwülste entstehen. Können die Leukocyten
ev. weiter wandern, und lösen sie sich etwas entfernter von
der Geschwulst auf, so verursachen sie hier eine weitere
Störung des Austausches der Kerneinheiten, eine Metastase.
Die Geschwulst ist hiernach eine Störung des Austausches
der Kerneinheiten.
*) Freytag, Zur Theorie der Blutzellenbildung und der fixen
Zellen der tierischen Organismen. Zentralblatt für Physiologie,
1907, Nr. 22.
**/ Frey tag, Die Bedeutung des gelben Knochenmarkes für
die Blutbildung und die „Kerneinheit der Erythrocyten“. Verworns
Zeitschrift für allgem. Physiologie, 1908.
Die Geschwulst ist durch Störung in der Ausbildung der
Zelle entstanden. Die Geschwulst ist also eine Störung der
Zelle von Jugend auf, nicht erst eine Störung der fertigen Zelle.
Die fertige Zelle kann Störungen abhalten, die ZeUe, die
Störungen von Jugend auf schon in sich enthält, wird diesen
Störungen nachgeben müssen und uns so ein eigenartiges Bild
bieten. Daß nun in solchen Zellbereichen, wo eine Störung des
Fortschaffens alter Materialien vorliegt, Parasiten etc. sich an¬
sammeln, ist leicht erklärlich. Sie sind jedoch nicht die Ur¬
sache der Zellveränderung, sie sind deren Folge. Weitere Er¬
örterungen hierüber finden sich im theoretischen Nachtrag
meiner Arbeit über Blutreinigung und -bildung in Johnes Zeit¬
schrift für Tiermedizin 1908.
Nach meiner Ansicht liegt aber die Entstehung des Krebses
in der Mitte der Ribbert-, Aichel-, Klebs’schen etc. Hypothesen.
Da jede Zelle, nicht nur die einzelne Ribbertsche, ein
Embryonal etc. (Grawitz’, Schlummerzellen) und Alters-Stadium
durchmacht, kommt das embryonale Moment in Betracht, und
dieser embryonale Zustand gestattet dann auch die Bildung einer
somatisch-leukocytären Zelle. An anderer Stelle habe ich aus¬
geführt, daß jede Zelle sich entweder aus einer Zelle oder ihrer
Substanz nur der gleichen Art bildet. Es handelt sich ja auch
hier um eine Bildung gleicher Art, jedoch ist durch das Vor¬
handensein zweier Substanzarten eine Anomalie geschaffen,
welche in ihrer Abweichung vom normalen Typus so schädliche
Folgen haben muß, im Gegensatz zu den gutartigen Ge¬
schwülsten, bei denen es sich wahrscheinlich nur um die Anomalie
einer Zelle handelt.
Über ein aus zwei Karpfen gezüchtetes pathogenes
Bakterium.
Von Dr. med. vet Schwinning, ehemaliger Assistent am Bakterio¬
logischen Institut der Landwirtschaftskammer Für die Provinz
Sachsen, Halle a. S.
In einem bedeutenden Karpfenbestande starben plötzlich,
ohne nachweisbare Ursache, eine große Anzahl Tiere innerhalb
weniger Tage. Zwei von den verendeten Fischen bekam ich
zur Untersuchung.
Die Sektion zeigte in beiden Fällen dieselben deutlich in
die Augen springenden Abweichungen von den normalen Ver¬
hältnissen. Ein Teil der Flossen und die umgebenden Partien
der Körperoberfläche wiesen eine diffuse Rötung auf, und nach
Eröffnung der Leibeshöhle konnte ich eine in der ganzen Länge
des Darms ausgedehnte Enteritis erkennen. Die Darmschleim¬
haut war ödematös geschwollen und mit einem roten, schmierigen
Belag bedeckt, der sich leicht mit dem Rücken des Messers
abstreichen ließ.
Bei der mikroskopischen Untersuchung ließen sich, nach
Färbung mit Karbolfuchsin und Löfflerschem Methylenblau, in
Ausstrichpräparaten des Herzbluts vereinzelte Bakterien von
kurzstäbchenförmiger Gestalt erkennen, die den Farbstoff gut
anfgenommen hatten.
Bei Fischen kann nun infolge von Fütterungsfehlem usw.
eine Darmentzündung auftreten, die nicht selten massenhafte
Opfer fordert, doch pflegt diese Krankheit nicht auf einige
Tage zusammengedrängt zum Ausbruch zu kommen wie in
diesem Fall. Da ferner der oben geschilderte Sektionsbefund
gegen eine Vergiftung sprach, so ließ sich der Verdacht nicht
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
709
1. Oktober 1908.
abweisen, daß die Tiere infolge einer seuchenhaften Erkrankung
gestorben waren.
Anknüpfend an den Befund in den Ausstrichpräparaten des
Herzblutes wurde Material aus dem flüssigen Herzblut und dem
Inhalt der Schwanzarterie in verflüssigten Agar und Gelatine
übertragen, worauf dann in üblicher Weise Platten gegossen
wurden. Ferner wurden eine Reihe von Agar- und Gelatine¬
stichkulturen hergestellt. Die Platten und Reagenzgläschen
wurden schließlich in einen dunklen Kellerraum gebracht, in
dem das Thermometer eine durchschnittliche Temperatur von
5—7 0 C anzeigte.
Nach 24 Stunden zeigten sich auf den Platten verschiedene
Kolonien, unter ihnen, zahlreich auftretend, eine kreisrunde,
koliäbnliche Form, meist weißlich durchscheinend und manchmal
mit einem Ton ins gelbliche. Auf dem Schrägagar waren eben¬
falls im Verlaufe des Striches die soeben beschriebenen Kolonien
gewachsen. In den Gelatineröhrchen zeigte sich nach 48 Stunden
ein in der ganzen Länge des Stichkanals zusammenhängendes
Wachstum. In der Ausdehnung des nagelkopfformig erweiterten
oberen Endes der Kultur war eine Verflüssigung der Gelatine
eingetreten. Auf den Gelatineplatten waren zahlreiche mulden¬
förmige, milchig getrübte Verflüssigungen entstanden.
Die eben beschriebenen, auf dem Agar gewachsenen Kolo¬
nien und Material aus den Verflüssigungen der Gelatine wurden
auf Schrägagarröhrchen und auf Gelatine in Form von Stich¬
kulturen, sowie auf Bouillon übertragen. Auf beiden Nährböden
erhielt ich bei fortgesetzter Züchtung immer wieder dieselben
Wachstumsformen, die sich folgendermaßen beschreiben lassen:
1. Auf dem Schrägagar wachsen die Bakterien bei einer Tempe¬
ratur von 5—7 0 C über Null innerhalb 24 Stunden zu einem
breiten Rasen aus, der einen welligen Rand besitzt, von wei߬
licher Farbe ist und sich in der Nähe des Kondenswassers
verbreitert.
2. In den Gelatinestichkulturen bildet sich bei einer Tempe¬
ratur von 5—7 0 C über Null innerhalb 48 Stunden eine nagel¬
förmige Kolonie, die sich nach dem Verlauf von weiteren zwei-
bis viermal 24 Stunden zu einem trichterförmigen Gebilde
umwandelt, das mit milchig getrübter, verflüssigter Gelatine
angefüllt ist.
3. In der Bouillon tritt bei 5—7 0 C über Null nach
24 Stunden eine leichte Trübung auf, nach 48 Stunden senken
sich die Bakterien in Form eines wolkigen Niederschlages auf
den Boden des Röhrchens nieder.
Ausstrichpräparate aus den Kulturen zeigten die alle Anilin¬
farben leicht aufnehmenden, teilweise sich bipolar färbenden
Bakterien als kurze plumpe Stäbchen mit abgerundeten Enden.
Die Mikroorganismen waren ferner stark beweglich, nicht säure¬
fest, gramnegativ und bildeten nie Sporen. Entsprechende Ver¬
suche ergaben, daß das Bakterium fakultativ anaerob ist und
am besten bei einer Temperatur von 3—10 0 C über Null
wächst. Letzteres Verhalten änderte sich jedoch nach einigen
Wochen fortgesetzter Kulturzüchtung und nach Passage durch
den Tierkörper des Warmblüters; in diesem Fall kam das
Optimum bei 30—37 0 C zu liegen.
Die Ähnlichkeit des vorliegenden Bakteriums mit den Koli-
arten — als solche ist es nicht anzusprechen, da man von den
Kolibakterien verlangt, daß sie Gelatine nicht verflüssigen —
bewog mich zu der Annahme, daß es imstande ist, Zucker zu
vergären.
Zu diesem Versuch griff ich eine Anzahl Schrägagarröhrchen
heraus, von denen jede ihre spezielle Bezeichnung erhielt. Ich
verwendete hierbei römische Ziffern I und H (von Karpfen I
bzw. H herstammend), und die Buchstaben H (aus dem Herz¬
blut herstammend) und Sch. (aus der Schwanzarterie her¬
stammend). Jede dieser Kulturen wurde in mehrfacher Aus¬
führung hergestellt und erhielt fortlaufend eine in arabischer
Ziffer geschriebene Nummer.
Auf diese Weise erhielt ich folgende Kulturen bzw. Stämme:
H. I 1, H. I 2, H. I 3, H. I 4, H. I 5, H.I6; Sch. I 1, Sch. I 2,
Sch. 13; H.II1, H.II2, H.II3*), H. II 4, H. H 5, H. II G;
Sch. III, Sch. II 2, Sch. II 3.
Von diesen Kulturen wurde etwas Material mit der Platin¬
öse auf 1 proz. Lösungen von Rohrzucker, Traubenzucker und
Milchzucker in Cibils Bouillon, die in Gärröhrchen gefüllt war,
übertragen und letztere auf 48 Stunden in einen dunklen kühlen
Kellerraum gebracht, worauf geprüft wurde, ob Säure- oder
Gasbildung in den Bouillonröhrchen stattgefunden hatte. Zur
Kontrolle wurde eine Anzahl Zuckerbouillonröhrchen mit einem
bekannten Kälberruhrstamm geimpft, der in jedem Fall nach
24 Stunden mit Sicherheit Gas- und Säurebildung hervorrief.
Dieser Versuch ergab, daß nach 24—48 Stunden sämtliche
Kulturen imstande waren, alle drei Zuckerarten unter Gas-
und Säurebildung zu vergären.
Ferner konnte festgestellt werden, daß die Bakterien fähig
waren, Indol zu bilden.
Nachdem ich das Bakterium soweit kennen gelernt hatte,
um es mit Sicherheit wiederfinden zu können, ging ich daran,
Tierversuche vorzunehmen, die sich naturgemäß besonders mit
dem Experiment an Fischen beschäftigen mußten.
Es wäre logisch am richtigsten gewesen, zuerst Infektions¬
versuche an Karpfen vorzunehmen, da Bazillen, die für eine
Fischart pathogen sind, es nicht für andere Arten zu sein
brauchen.
Da es mir jedoch anfangs an genügend großen Gefäßen
fehlte, um Karpfen einwandfrei halten zu können, nahm ich
meine Zuflucht zu den leichtbeschafflichen Exemplaren des
massenhaft vorkommenden Leuciscus rutilus.
Die Fische wurden erst eine geraume Zeit im Bassin ge¬
halten, erkrankte und tote schnell fortgeschafft, bis ich mich
überzeugt hatte, daß sich die Überlebenden den veränderten
Lebensbedingungen vollständig angepaßt hatten. Um letztere
zu infizieren, standen zwei Wege offen, die Injektion von
Kulturmaterial mit der Pravazspritze und die Infektion des
Wassers, in dem die Fische lebten.
Beide Arten fanden ihre Anwendung und zwar folgender¬
maßen :
Vier Versuchsfische mit den Nummern I bis IV bezeichnet,
wurden in 10000 ccm Wasser gesetzt, das mit je 2 ccm
Bouillonkultur der Stämme H. Iß, H. 1 3, H. 14, H. I 5, H. I 6,
Sch. I 1 und Sch. I 2 infiziert war. Zwei Fische V und VI er¬
hielten 0,25 g Bouillonkultur von H. 15, und zwei weitere
Fische VII und VHI erhielten 0,25 g Bouillonkultur von H. II 5
intramuskulär eingespritzt.
Sieben andere Versuchstiere IX—XV wurden in 10000 ccm
Wasser gesetzt, das mit 10 ccm Bouillonkultur von H. II 2
infiziert war.
*) H. II 3 bedeutet z. B. drittes Röhrchen aus dem Herzblut
von Karpfen II.
710
BERLINER TIERÄRZTLIC HE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
Zur Kontrolle wurden schließlich fünf Fische mit der Be¬
zeichnung CI bis C V unter denselben Lebensbedingungen
gehalten wie die anderen Tiere.
Die Ergebnisse dieser Versuche gibt nachstehende Tabelle
wieder.
Fisch
Tag der Infektion
Tag des Todes
I
25. VIII. 05
26. VIII. 05
II
25. VIII. 05
26. VIII. 05
III
25. VIII. 05
28. VIII. 05
IV
25. VIII. 05
28. VIII. 05
V
28. VIII. 05
29. VIII. 05
VI
28. VIII. 05
29. VIII. 05
VII
28. VIII. 05
2. IX. 05
VIII
28. VIII. 05
4. IX. 05
IX
28. VIII. 05
29. VIII. 05
X
28. VIII. 05
29. VIII. 05
XI
28. VIII. 05
29. VIII. 05
XII
28. VIII. 05
29. VIII. 05
XIII
28. VIII. 05
30. VIII. 05
XIV
28. VIII. 05
30. VIII. 05
XV
28. VIII. 05
29. VIII. 05
C. I
-
—
V. II
—
—
C. III
—
10. IX. 05
C. IV
—
—
C. V
-
—
Aus dieser Zusammenstellung ist klar zu ersehen, daß alle
der Infektion ausgesetzten Tiere prompt gestorben sind und
zwar meistens in einem Zeitraum von 1—2 Tagen, während die
Kontrollfische alle, bis auf einen, am Leben geblieben sind.
Die Sektion bei diesen Fischen gab nur in wenigen Fällen
eine Enteritis zu erkennen; Ausstriche des Bluts zeigten unter
dem Mikroskop in allen Fällen, ausgenommen Fisch VIII, kurze
plumpe Stäbchen. Aus dem Herzblut angelegte Schrägagar¬
röhrchen und Gelatinestichkulturen wiesen das oben beschriebene
typische Wachstum, besonders die trichterförmige Verflüssigung
in der Gelatine auf.
Sie spalteten Rohr-, Milch und Traubenzucker unter Gas-
nnd Säurebildung und bildeten Indol. Die aus dem Blut der
gestorbenen Versuchsfische gezüchteten Bakterien waren also
dieselben, mit denen das Wasser bzw. eie Tiere selbst infiziert
waren.
Mit diesen aus den Versuchsfischen gewonnenen Kulturen
wurden nochmals Infektionsversuche vorgenommen.
Da ich inzwischen ein geeignetes Bassin für größere Fische
beschafft hatte, so impfte ich zwei Karpfen intramuskulär mit
je 0,25 g Bouillonkultur. Die Tiere waren vorher vier Wochen
in dem Bassin gehalten, um die Gewißheit zu haben, daß die
ihnen im Bassin gegebenen Lebensbedingungen durchaus ge¬
nügend waren.
Ferner wurden zu dieser Versuchsreihe noch sechs Gold¬
fische herangezogen, da die Tiere sich vorzüglich in Gefäßen
und Leitnngswasser halten und mir ferner durch ihre Zu¬
gehörigkeit zur Familie der Karpfen besonders geeignet erschienen.
Die Goldfische wurden zu je zwei in drei Gefäße gesetzt, die
mit ein wenig Bouillonkultur (aus den Versuchsfischen) infiziert
waren.
Der Erfolg war auch hier ein prompter; die Karpfen starben
nach drei bis vier Tagen, und die Goldfische in einem Zeitraum
von drei bis sechs Tagen. Ans allen Tieren konnte ich wieder
kurzstäbchenförmige Bakterien züchten, die die typischen, oben
beschriebenen morphologischen und biologischen Eigenschaften
besaßen.
Wenn ich das Resultat vorliegender Untersuchungen zu¬
sammenfasse, so läßt sich sagen:
1. Die aus dem Karpfenbestande eingelieferten toten Tiere
waren an einer seuchenhaften Erkrankung gestorben.
2. Die Erreger dieser Seuche sind die vorstehend beschriebenen
Bakterien.
Referate.
Über die Tenotomie des Perforatns in den sich
wiederholenden oder unheilbaren Formen der
Sehnenzerrungen.
Von Querrnau.
(Hecimil d’Alforf vom 15. Juni und 15. Juli 1905.)
Schon seit 15 Jahren versucht der Verfasser bei allen
Lahmheiten, die infolge der sich wiederholenden oder unheil¬
baren Sehnenzerrungen der Kniebinde oder der Sehne des
Perforatns selbst oder seines Ringbandes entstanden waren, das
Leiden durch die Tenotomie des Perforatns zu heben, was ihm
in fast allen Fällen so geglückt ist, daß die Pferde in aUen
Gangarten wieder zu verwenden waren. Er hat dabei viele
Beobachtungen gemacht und Erfahrungen gesammelt, die er in
seiner Veröffentlichung bekannt geben will, geleitet durch die
Erwägung, daß die absolute Ruhe die Hauptbedingung einer
jeden Behandlung von Sehnenzerrung ist, hat er die Funktion
der kranken Sehnenpartie durch die Tenotomie während mehrerer
Wochen zu unterdrücken gesucht.
Die früher viel angeratene Tenotomie des Perforans wird
zurzeit kaum mehr ausgeübt und das mit Recht. Nach dem
Durchschneiden der Sehne zieht sich ihr oberes Ende etwa 4
bis 5 cm nach oben zurück, so daß eine bedeutende Lücke
zwischen den beiden Enden entsteht. Durch den sich nun
bildenden Kallus wird der Perforans mit dem Perforatns ver¬
bunden und dadurch wird die auf jenen ausgettbte Nerven-
aktion auf diesen übertragen, so daß der Perforans seine Ein¬
wirkung auf das Hufbein, an dessen hinterer unterer Fläche er
sich ansetzt, ganz verliert, und dieses nicht mehr nach rück¬
wärts und oben gehoben werden kann.
Die Beweggründe, die für die Tenotomie des Perforatus
und nicht des Perforans sprechen, und diese Operation zu einer
heilsamen und rationellen machen, sind folgende:
1. Bis zur vollständigen Bildung des Kallus hält sie den
Perforatus mitsamt seinen Adnexen, es sind dies die Kniebinde,
das Ringband und seine am Kronbein sich befestigenden seh¬
nigen Ansätze in absoluter Ruhe.
2. Im Gegensatz zur klassischen Tenotomie des Perforans,
durch welche die Funktion der letzten Phalangen vollständig
unterdrückt wird, wird diese trotz der Durchschneidung des
Perforatus, durch die Wirkung des Perforans noch aufrecht
erhalten.
3. Der Verfasser hält die Sehne des Perforatus für viel
weniger widerstandsfähig als die des Perforans, weil sie auf
der ganzen Länge von der Kniebinde an bis zu ihrer Ansatz¬
stelle am Kronbein verhältnismäßig leicht zerreißt, während er die
letztere noch immer in gutem Zustande gefunden hat. Durch
die Durchschneidung der schwächeren Sehne des Perforatus,
1. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
711
wird dieser unter die Einwirkung der stärkeren des Perforans
gestellt.
4. Ein in der Chirurgie häufig angewandtes Prinzip ist
folgendes: Es ist besser, ein unheilbares Organ zu unterdrücken
als es zu erhalten, falls sein schmerzhafter Zustand das
Funktionieren benachbarter gesund gebliebener Organe be¬
einträchtigt. Da erwiesenermaßen alle Beuge- oder Streck¬
sehnen die Fähigkeit haben, sich gegenseitig zu unterstützen
oder gar zu ersetzen, ohne daß eine funktionelle Unregel¬
mäßigkeit eintritt, so kann die Tenotomie des Perforatus ganz
gut gewagt werden.
Die Tenotomie des Perforatus kann je nach dem vor¬
liegenden Falle auf zweifache Weise ausgeführt werden,
entweder subkutan nach der klassischen Methode, wenn sie den
Zweck hat, Läsionen der Kniebinde, des Ringbandes oder des
Hnfgelenkkapselbandes zu steuern, oder sie muß offen gemacht
werden, wenn die Sehne des Perforatus selbst entzündet oder
induriert ist. Dies muß aus folgendem Grunde so geschehen:
Ist der Perforatus an der Stelle, an der gewöhnlich die Operation
gemacht wird, verdickt, was bei Entzündung der Sehne regel¬
mäßig der Fall ist, und wird die Operation subkutan gemacht,
so gewärtigt man nur einen Teil der Sehne zu durcli-
schneiden, wodurch die ganze Operation wertlos wird, da der
Zweck, den man durch sie erreichen will, nämlich während
der Daner der Kallusbildung jeden Zug des Perforatus
zu verhindern, nicht erreicht wird. Noch aus einem
anderen Grunde soll der offenen Tenotomie der Vorzug gegeben
werden, nämlich weil unter den Sehnen oft Verwachsungen be¬
stehen, die nur beim Freilegen der Sehnen gesehen und behoben
werden können. Endlich dringt bei der subkutanen Operation
das gerade Tenotom, das dem gekrümmten den Weg vorbereitet,
leicht zwischen die Sehnenfasern des Perforatus selbst hinein,
so daß dieser nicht vom Perforans getrennt wird; dies ist
nie zu vermeiden, wenn der Perforans durch Indurationen
verdickt.
Die subkutane Tenotomie des Perforatus muß nach der
klassischen Methode der Tenotomie des Perforans gemacht werden,
wobei streng darauf zu achten ist, daß auch alle seine Sehnen¬
fasern durchschnitten werden und nicht einzelne am Rande ge¬
legene vom Messer verschont bleiben, was den Erfolg der
Operation illusorisch machen würde.
Für die offene Operation narkotisiert der Verfasser seine
Pferde mit Chloroform, doch kann auch die lokale Anästhesie
versucht werden.
Nachdem die Esmarchsche Binde angelegt und die ganze
Gegend zu beiden Seiten der Sehne von der hinteren Fläche
des Vorderknies bis zum Hufe rasiert worden ist, wird auf dem
hinteren Rand des Perforatus ein 6—8 cm langer Längsschnitt
in die Haut gemacht, der in einem Zuge bis auf die Sehne
hindnrchgeht. Hierauf wird diese in einer Länge von 4—5 cm
freigelegt. Der Perforatus ist je nach dem Alter und der
Intensität der Entzündung verschieden dick und breit, so daß
er oft den Perforans ganz überdeckt und sogar seine Dicke
erreicht. Nun wird er von diesem mittelst einer krummen,
geschlossenen Schere, die man allmählich durch das die beiden
Sehnen zusammenhaltende Bindegewebe hindurchstößt, getrennt
und mit dem konvexen Bistouri, das in die mit der Schere
freigemachte Öffnung hineingeführt wird, durchschnitten. Dabei
muß darauf geachtet werden, daß er auch vollständig durch¬
schnitten und keine Verbindung zwischen dem oberen und
unteren Ende zurückgelassen wird. Die Wunde wird in ihrer
Tiefe mit einigen Lagen Jodoformgaze ausgepolstert, zugenäht
und mit einem reichlichen Watteverband, der vom Huf bis zum
Karpalgelenk reicht, locker umgeben; darauf wird, wie bei
der klassischen Tenotomie, ein Schnabeleisen aufgeschlagen.
Nach 5—6 Tagen wird der erste Verband abgenommen, die
Gaze, welche den Zweck hatte, die Haut auseinanderzuhalten
und zu verhindern, daß sie sich im Anfang der Entzündungs¬
periode retrahiere, nebst einer oder zwei Nähten herausgenommen,
damit dem in der Sehnenwunde stagnierenden Eiter Abfluß ge¬
währt wird. Der Jodoform verband wird so lange erneuert, bis
die Sehnenwunde ausgeheilt ist und sich der Kallus gebildet
hat, was etwa drei Wochen in Anspruch nimmt. Um diese
Zeit ist die Wunde voll von starken Wucherungen und sieht
sehr häßlich aus. Dies hat aber gar nichts zu bedeuten.
Man legt nun während einiger Tage in Villatschein Liquor
getränkte Wattebäuschchen auf, welche die zu reichlichen
Wucherungen zurückdrängen und die Wunde flach machen.
Nach 4—6 Wochen hat sich ein voluminöser Kallus und auf der
hintern Fläche der Sehne eine geradlinige Narbe gebildet. Schon
14 Tage nach der Operation müssen die Pferde zuerst im Schritt
bewegt werden. Nach einem Monat wird das Schnabeleisen
abgenommen und die Pferde von nun ab im Trab bewegt und
das Bewegen immer länger ausgedehnt. Nach eineinhalb bis
drei Monaten ist die Lahmheit verschwunden und das Pferd kann
in allen Gangarten gebraucht werden. Der Kallus braucht
sechs Monate bis zur Resorption.
Ein Schnabeleisen muß unbedingt aufgeschlagen werden,
wenn das Pferd nach der Heilung der Wunde nicht übertrten soll.
Der Verfasser resümiert seine persönlichen Ansichten über
die Sehnenzerrungen in folgenden zwei Sätzen: Alle Zerrungen
des Sehnenapparates erstrecken sich ausschließlich auf den
Perforatus und seine Adnexen und nicht anf den Perforans.
In der Mechanik der Sehnen ist der PerforatuB das schwächere
Organ, der Perforans dagegen ist unverwundbar in der Hinsicht,
daß er nicht Gelegenheit hat, sich zu überdehnen, weil das
Pferd schon vor diesem Vorfall durch Läsionen des Perforatus
immobilisiert ist.
Die bisherige Behandlung der Sehnenzerrungen durch das
Feuer und die Vesikantien haben schon lange im Stiche gelassen,
während die Neurotomie des Medianus irrationell und sogar ge¬
fährlich ist und zwar aus folgenden Gründen: Der Schmerz ist
der Erhalter des lädierten Organs, weil er es vor nicht wieder
gut zu machender Überanstrengung schützt, dadurch, daß er es
an seine Schwäche erinnert. Das Unterdrücken der Sensibilität
in der entzündeten Sehne durch den Nervenschnitt übt weder
auf die organische Läsion noch auf ihre Ursachen eine Ein¬
wirkung aus.
Der Verfasser hat acht Pferde, die infolge von Sehnen¬
entzündung des Ringbandes des Perforatus chronisch lahmten,
durch die Tenotomie vollständig geheilt, außerdem hat er auch das
durch Sehnenretraktion infolge Induration des Perforatus hervor¬
gerufene Übertreten durch die gleiche Operation geheilt. Im
letzteren Falle muß die offene Tenotomie nebst der Resektion
eines Stückes des Perforatus vorgenommen werden.
Helfer.
712
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
Die Ursachen des Graimerdens der Haare.
Von Dr. M. Schein-Budapest.
(Gyogydkat 1907. Nr. 38.)
Im Alter entwickeln sich die Haare ohne Pigment, der
gewöhnliche Gang des Organes ist der, daß die pigmentierten
Haare ausfallen nnd an ihre Stellen unpigmentierte Haare
treten. Tatsache ist, daß zwischen dem Grauwerden der
Haare nnd dem Ernährungszustände der Haut kein Zu¬
sammenhang besteht. Der Autor hat in einzelnen Fällen die
Beobachtung gemacht, daß dort, wo früher mehr Pigment er¬
halten war, die Haare dasselbe rascher verloren hatten, als die
umgebenden Haare. Dort wo wir also frühes Ergrauen be¬
obachteten, hat sich während des Wechsels der einzelnen Haar¬
generationen mehr Pigment entwickelt, wurde mehr Pigment
verbraucht, als an anderen Stellen. Bei Anwendung der Röntgen-
Strahlen zur Depigmentation machen wir die Beobachtung, daß
anfangs stärker pigmentierte, später an dieser Stelle ganz
depigmentierte Haare produziert werden. Je stärker die
Pigmentation der Haare war, je rascher die einzelnen Haar¬
generationen einander folgen, um so rascher ergraut das Haar,
denn um so mehr wurde im Bereiche einer Papille die Pigment¬
produktion in Anspruch genommen. Es ist verständlich, daß die
Erschöpfung der Pigmentproduktion nicht gleichmäßig eintritt,
da die einzelnen Haare als besondere Individuen aufzufassen
sind, deren Pigmentbildung und Pigmentatrophie von einander
ganz unabhängig sind. Auf das Detail im Mechanismus des Er-
grauens der Haare können wir so lange nicht eingehen, als wir
nicht gewisses über die Art* der Pigraentproduktion, über das
Einwandern des Pigmentes in die Zellen, wissen. Vorläufig
müssen wir uns damit begnügen, zu wissen, daß das Ergrauen
an jenen Stellen zuerst eintritt, an welchen die Haare im Laufe
der Jahre das meiste Pigment verbraucht hatten und daß die
Pigmentatrophie mit der Pigmentbildung in engem
ursächlichen Zusammenhänge steht. Dr. Z.
Filtration experiments with virus of cattle plague.
Von Rüdiger.
(The Philippine Journal of Science 1908. Bd. III, Nr. 2, 8. 164-169.)
Rüdiger stellt fest, daß in Übereinstimmung mit Semmer,
Kolbe, Turner, Todd das Virus der Rinderpest Berkefeld-
tiltcr V, N oder W nicht passiert. Mr.
Tagesgeschichte.
Vereinbarungen betr. einen tierärztlichen Minimaltarif.
Von Preuße.
In Nr. 35 B. T. W. hat Schmaltz auf die von ver¬
schiedenen tierärztlichen Vereinigungen getroffenen Verein¬
barungen über eine Minimaltaxe für tierärztliche Verrichtungen
hingewiesen und hierbei erwähnt, daß der Herr Minister für
Landwirtschaft usw. die beamteten Tierärzte angewiesen hat,
von diesen Vereinbarungen zurückzutreten. Es dürfte interessieren
den Wortlaut des an den Regierungspräsidenten in M. gerichteten,
den übrigen Regierungspräsidenten zur gleichmäßigen Nach¬
achtung mitgeteilten Erlasses zu erfahren:
„Die Teilnahme beamteter Tierärzte an Vereinbarungen der
im Bericht gedachten Art über Innehaltung von Mindesttaxen
ist als unzulässig zu erachten. Die Innehaltung der vereinbarten
Taxe soll dadurch gesichert werden, daß ein gewohnheitsmäßig
niedriger liquidierender Tierarzt, der die Taxe anerkannt hat, eine
Geldstrafe zu zahlen hat. Ob eine Übertretung in diesem Sinne
stattgefunden hat und die Geldstrafe verwirkt ist, darüber hat
zunächst der Vorstand des Vereins in Gemeinschaft mit einem
Ehrenrate zu befinden und in zweiter und letzter Instanz die
Generalversammlung der Mitglieder. Der Entscheidung hat ein
Verfahren vorherzugehen. Die Vereinbarung spricht von einer
„Anklage“ und von der Ladung des „Angeschuldigten“. Es
handelt sich danach um eine Art ehrengerichtlichen Verfahrens,
das in die Disziplinarbefugnisse der staatlichen Gewalt ein-
greifen würde. Es ist bereits bei anderer Gelegenheit (vergl.
den Runderlaß vom 21. Januar 1898)*) darauf hingewiesen,
daß der staatlichen Disziplinargewalt über die Beamten ein
ausschließlicher Charakter innewohnt, und daß neben ihr für
eine freiwillige Unterwerfung der Beamten unter eine andere
Instanz mit ähnlichen Zielen und Strafmitteln kein Raum ist.
Euer Hochwohlgeboren wollen dies den in Betracht
kommenden Beamten eröffnen und sie auffordern, von der
Vereinbarung zurückzutreten. Darüber, daß dies geschehen ist,
sehe ich einem Berichte entgegen.“
Daß was für die beamteten Tierärzte gilt, gilt auch für
die Militärveterinäre. Hiermit fallen natürlich die in Rede
stehenden Vereinbarungen, denn da beamtete Tierärzte und
Militärveterinäre fast durchweg mehr oder weniger Privat¬
praxis betreiben, so hätte eine Vereinbarung über die Festsetzung
eines Minimaltarifs unter den Privattierärzten, welche, wenn
man die Kommunaltierärzte auch noch abzieht, nur etwa die
Hälfte aller Tierärzte ausmachen, keinen Zweck mehr. Obgleich
man nun dem vorerwähnten Ministerialerlaß im Interesse der
ausschließlichen Wahrung der Disziplinargewalt eine Berechtigung
wohl zuerkennen muß, so bleibt es doch sehr zu bedauern, daß
es für die Privatpraxis treibenden Tierärzte nicht möglich ist,
sich gegen die Preisunterbietungen zu schützen, welcher sich
leider so manche Tierärzte schuldig machen. Gegen diese vor¬
nehmlich sollten sich die in Rede stehenden Vereinbarungen
wenden, nicht gegen die Sätze der Taxe vom 21. Juni 1815. Die
Preisunterbietungen schaffen namentlich in größeren Städten und
in mit Tierärzten stark besetzten Gegenden eine Konkurrenz,
welche den Tierärzten, die ihre Tätigkeit in angemessener
Weise bewerten, die Ausübung der Privatpraxis immer schwieriger
macht. Die Tierärzte, welche in ihrem Einkommen allein auf
die Privatpraxis angewiesen sind, werden natürlich am meisten
hiervon betroffen. In vielen kaufmännischen Geschäftszweigen,
gewerblichen Berufen u. a. hat man sich gegen die durch die
Preisunterbietungen hervorgerufene unlautere Konkurrenz durch
Bildung von Ringen usw. erfolgreich zu schützen gesucht. Für
die Tierärzte ist dieser Weg leider ungangbar geworden.
Schmaltz meint zwar, die Vereinbarung ließe sich auch ohne
Verfahren und Strafbestimmungen halten, wodurch den beamteten
Tierärzten und auch den Militärveterinären der Anschluß an
diese Vereinbarungen wieder ermöglicht würde, dem muß ich
jedoch widersprechen. Ohne einen durch Strafbestimmungen
hervorgerufenen Zwang würde wohl bald wieder der eine oder
der andere Kollege abfallen und der ursprüngliche Zustand wäre
wieder erreicht. Besprechungen im Kollegenkreise, wie sie
Schmaltz in Vorschlag bringt, würden nur wenig Nutzen haben,
daher ohne Strafbestimmung keine Ringbildung.
*) B. T. W. 1898, S. 141.
. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
713
Was nun die Taxe vom 21. Juni 1815 betrifft, so dürfte
die Frage, ob diese noch zeitgemäß und den jetzigen Verhält¬
nissen angemessen ist, doch wohl nicht mehr diskutabel sein.
Die Aufstellung einer neuen tierärztlichen Taxe ist unzweifelhaft
ein Bedürfnis, schon aus dem Grunde, weil eine Anzahl Be¬
stimmungen derselben verworren, unklar sind und sich zum Teil
sogar gegenseitig widersprechen. Dessenungeachtet wird der¬
jenige, der seine Liquidationen nach der gegenwärtigen Taxe
genau einzurichten versteht, immer noch nicht schlecht weg¬
kommen. Auch die von den Vereinbarungen normierten Preise
gehen, so weit sie mir bekannt sind, nicht oder nur wenig über
die Sätze der Taxe von 1815 hinaus, so weit in letzterer für
die einzelnen tierärztlichen Verrichtungen überhaupt besondere
Preise vorgesehen sind. Im übrigen sind mir Fälle bekannt,
in denen die betr. Kollegen zum Teil weit unter die Sätze der
alten Taxe hinuntergegangen sind. Die Taxe von 1815 soll
auch weder einen Minimal- noch einen Maximaltarif darstellen,
über den unter keinen Umständen hinausgegangen werden darf.
Der § 80 der Gewerbeordnung bestimmt:
„Die Bezahlung der approbierten Ärzte usw. (§ 29 Abs. 1)
bleibt der Vereinbarung überlassen. Als Norm für streitige
Fälle im Mangel einer Vereinbarung können jedoch für die¬
selben Taxen von den Zentralbehörden festgesetzt werden.“
Die Taxe von 1815 ist demnach durch § 80 G.-O. nicht
aufgehoben worden; sie bildet aber nur eine subsidiarische
Rechtsnorm, die in Streitfällen nur unter der Voraussetzung
zur Anwendung gelangt, daß die Parteien eine Summe nicht
vereinbart haben.
Wenn somit auch kein Grund vorliegt, darüber, daß
bisher eine neue Taxe noch nicht geschaffen ist, sich allzusehr
zu beklagen, so kann es doch nur unser aller Wunsch sein, daß
die alte Taxe bald durch eine neue, zeitgemäße ersetzt wird.
Mag dieselbe freilich ausfallen wie sie wolle, die Preisunterbietungen
einzelner Tierärzte werden hierdurch auch nicht verhindert
werden können. Das einzige, was hier helfen kann, ist die
Errichtung von Tierärztekammern und der dadurch bewirkte
festere Zusammenschluß unter den Tierärzten. Hoffen wir,
daß dieses bald zur Tat werden möge.
Berafs-Überfüllung.
In Nr. 251 der Leipziger Neuesten Nachrichten vom 10. Sep¬
tember d. J. findet sich folgender Artikel:
Warnung vor der Ergreifung'des tierärztlichen Be¬
rufs Von einem Tierärzte wird uns geschrieben: Sehr geehrte
Redaktion! Im Interesse der Wichtigkeit der Angelegenheit möchte
ich Sie bitten, jetzt anläßlich der vor der Türe stehenden Abitu¬
rientenprüfungen die folgende Warnung der jungen Leute vor der
Ergreifung des tierärztlichen Studiums in Ihre Zeitung aufzunehmen.
In dem tierärztlichen Berufe herrscht augenblicklich eine riesengroße
Überproduktion: nicht nur, daß schon bedeutend mehr Tierärzte
vorhanden sind, als Bedarf an ihnen ist, nein auch die Zahl der an
den Hochschulen Studierenden gibt Anlaß, an einer sicheren Zu¬
kunft derselben zu zweifeln. Durch die Einführung der öffentlichen
Fleischbeschau durch das Reichsgesetz von 1900 entstand einmal,
im Jahre 1903, ein vorübergehender, aber merkbarer Mangel an
Tierärzten, da alle Städte genötigt waren, solche anzustellen. Dann
wurde vom 1. April 1903 ab das Abiturientenexamen als Vorbildung
gefordert. Diese Ankündigung führte den Hochschulen in den
Jahren 1900—1903 überaus zahlreiche Jünger „vor Toresschluß“ zu.
Man glaubte, daß von 1903 infolge der erhöhten Ansprüche an die
Vorbildung ein Zurückflauen des Zuzuges einsetzen würde, und
dies war wohl auch der Grund, der einflußreiche Personen des
tierärztlichen Standes dazu veranlaßte, Propaganda für den „aus¬
sichtsvollen“ Beruf zu machen (im „Berliner Tageblatt“ vor
allem), jedoch hatte die Zahl der Neuimmatrikulierten bald,
schon 1904, die frühere Höhe wieder erreicht. Die Dauer des tier¬
ärztlichen Studiums beträgt jetzt, trotz des umfangreichen Lehr-
und Prüfungsplanes, 7 Semester. Nach ihrer vorschriftsmäßigen
Erledigung und nach bestandener Approbationsprüfung wird die
Approbation verliehen. Jedoch steht eine Verlängerung der Studien¬
zeit auf 9—10 Semester in nächster Aussicht, ebenso wird die
Einführung eines praktischen Jahres für Schlachthofsdienste und
bei Kreistierärzten schon erwogen. Im tierärztlichen Berufe lassen
sich dann, abgesehen von der Laufbahn des beamteten (Kreis- oder
Bezirks-) Tierarztes, die Laufbahnen des praktischen und des Schlacht¬
hofstierarztes einschlagen. Infolge der sich immer mehr vergrößern¬
den Ausbildung der deutschen Landwirte verringert sich im selben
Maße die Tätigkeit des praktischen Tierarztes, so daß von einer
Gründung einer Praxis kaum noch gesprochen werden kann; ver¬
hältnismäßig dicht sitzen die Praktiker auf dem Lande. Verheißungs¬
voller sieht schon die Laufbahn des Schlachthofstierarztes aus, der,
wenn er Glück hat, bald nach bestandenem Examen eine Assistenten¬
stelle von 2000—2700 Mark bekommen kann. Für den Anfang ganz
gut; jedoch bei den wenigsten Städten sind Steigerungen vor¬
gesehen, so daß der Betreffende dann unter Umständen jahrelang
auf dieser Skala stehen bleiben wird! Einige Zahlen werden noch
eine beredte Sprache sprechen: Zur Verfügung Preußens stehen
z. Zt. etwa 400 Tierärzte mit der Qualifikation zum preußischen
Kreistierarzt. Um Schlachthofsstellen, die mit 24'0 Mark aus¬
geschrieben sind, bewerben sich im Durchschnitt je 35 Tierärzte,
die auf Unterkommen warten, dabei etwa 25 Prozent qualifizierte
Kreistierärzte!
Der ungenannte, anscheinend nicht sächsische Einsender
hat damit — wenn auch etwas ausführlicher — eine Warnung
wiederholt, die bereits vor zirka 7» Jahr an derselben Stelle
von seiten eines sächsischen Kollegen in die Öffentlichkeit ge¬
worfen wurde und die zurzeit vollkommen am Platze ist.
Nimmt man heute eine politische oder Fachzeitung zur
Hand, so findet man häufig das Bestreben eines jeden Standes
zutage treten, seine Stellung zu bessern und zu heben. Die
Arbeiter, der Mittelstand, die Handlungsgehilfen, Ärzte, Rechts¬
anwälte und Beamte bemühen sich, in dem wogenden wirtschaft¬
lichen Kampfe Oberwasser zu gewinnen, eine gesunde Existenz
sich zu erringen. Die einen suchen es zu erreichen, indem sie
sich organisieren, um durch die Macht der Einigkeit Einfluß
auf die Gesetzgebung zu gewinnen, die anderen* schließen sich
wirtschaftlich zusammen, Beamte petitionieren an Regierung
und Volksvertretung, Ärzte, Rechtsanwälte, Förster und Techniker
suchen durch Aufklärung über die Chancen des Fortkommens
einer weiteren Überfüllung vorzubeugen — schließlich ist es ja
bei Personen wie bei Sachen. — Preis und Verdienst stehen
in engem Verhältnis zu Angebot und Nachfrage.
Wie steht es nun mit uns Tierärzten in dieser Frage?
Der Umstand, daß immer wiederkehrende Klagen über die
Überfüllung in unserem Stande laut werden, daß eine nicht zu
verstehende Vermehrung der Neuimmatrikulationen in diesem
Sommersemester stattfand, drängte die Vereinigung sächsischer
Privattierärzte dazu, in ihrer diesjährigen Generalversammlung
sich mit diesem Punkte zu beschäftigen, und führte zu dem Be¬
schluß, durch Aufklärung gegen die weitere Überfüllung unseres
Standes vorzugehen.
Wollte man dem glauben, was in anderen Kreisen über
unser Einkommen gedacht wird, so geht es uns sehr gut —
eigentlich am besten unter den gelehrten Berufsständen. Wer
die einschlägigen Verhältnisse nicht kennt, kommt leicht zu
einer Täuschung. Nimmt man dagegen Angehörige anderer
Stände, die uns um unsere Einkünfte beneiden, mit auf Praxis
**•
714
und demonstriert ihnen so ad oeulos, was wir an Zeit und Un¬
kosten aufwenden müssen, dann staunen sie, wie man sich bei
uns plagen muß, um ein halbwegs anständiges Leben führen zu
können. Daß eine so verkehrte Anschauung in der breiten
Masse des Volkes Platz greifen konnte, daran hat ein großer
Teil der Kollegen, vor allem wohl jüngere, selbst schuld! Es
ist gut, daß dies schon einmal von Herrn Kollegen Dralle
öffentlich ausgesprochen wurde, es ist tatsächlich so — tag¬
täglich kann es der Praktiker hören.
Mögen die Betreffenden es sagen aus geschäftlicher Un¬
erfahrenheit oder in der Meinung, sich, wie Dralle glaubt,
dadurch Ansehen zu verschaffen — es mag dahingestellt sein
— unter allen Umständen bleibt es verwerflich! Sie schädigen
sich, ihre Kollegen und die, die es werden wollen! Ein Blick
in die Inseratenteile unserer Fachzeitschriften lehrt uns etwas
ganz anderes, wenn man leider nur zu häufig Stellenangebote
findet, die uns die Schamröte ins Gesicht treiben.
Hohe Einkommen, wie z. B. bei Ärzten und Rechtsanwälten
mit denen wir uns nötigerweise vergleichen müssen, gibt es bei
uns überhaupt nicht. Es kommen nur mittlere in Betracht.
Was ist nun aber ein mittleres Einkommen? Durch intimeren
Verkehr mit Ärzten und Rechtsanwälten erfährt man, daß diese
ein Einkommen von 1*2 OOO M. für wünschenswert und nicht für
übermäßig hoch halten, und die Mehrzahl von ihnen verdient
es auch (trotz der beweglichen Klagen, die man hört), wenn sie
sich in die Praxis eingeführt haben. Wenn man weiterhin in
Betracht zieht, daß höhere Lehrer, Juristen und andere Beamte
mit akademischer Bildung es am Ende des mittleren Mannes-
alters fast durchweg auf 7000—8000 M. pensionsfähiges
Gehalt bringen, so muß man für Leute derselben Bildung in
der freien Konkurrenzarbeit mit ihren hohen Spesen das obige
Einkommen als normal betrachten und um so mehr, wenn man
die Gefahr für das eigene Leben, die körperlichen Anstrengungen
und bei uns die immerwährende Dienstbereitschaftsnotwendigkeit
mit in Betracht zieht.
Inhaber tierärztlicher Stellen mit derartigen Einkünften
müssen wir aber bei Tage mit der Laterne suchen. Es mag
sein, daß es 1iin und wieder einen gibt, der das verdient, aber
dieser Glückliche schweigt, er hängt es nicht an die große |
Glocke, schon aus Furcht, daß ihm ein Konkurrent erstehen
könne. Die meisten Kollegen müssen sich mit einem weitaus
geringeren Einkommen zufrieden geben. Das geht zur Genüge
aus mehreren Wahrnehmungen hervor: wie schon erwähnt, aus
den „lukrativen“ Stellenangeboten in den Fachblättern, aus dem
Umstand, daß sich viele, selbst ältere Kollegen, mit Rad und
Motorrad herumplagen müssen, um die Unkosten herabzumindern,
daß sehr viele, die auch einmal Erholung vom nervösen Hasten
suchen möchten, die Scholle nicht verlassen können und daß
ein großer Teil der Kollegen sich nicht in dem Milieu bewegt,
in das er seiner Bildung nach gehört, und sich so vor Ausgaben
schützt, die nun einmal ein Reservat der Gebildeten sind.
Ausgenommen die großen Städte, regelt sich das Einkommen
der Tierärzte nach den im Bezirk vorhandenen Großrindern und
Pferden, da man wegen anderer Tiere w’enig konsultiert wird.
Bei manchen wird wohl das Impfen der Schweine die Einnahme
erhöhen, in Sachsen dürfte dies aber so erheblich nicht mitsprechen.
Dividiert man nun die ganze Jahreseinnahme ohne Abzug der
Unkosten, so bekommt man eine Einheit, die Dralle auf 2 M.
pro Großtier berechnet. Diese Zahl ist nach unseren Be-
No. 40.
rechnungen zu hoch, sie ist im günstigsten Falle, die Er¬
gänzungsbeschau eingerechnet, nur 1,30 M.
1906 gab es in Sachsen 289 Tierärzte, die sich teilten in
die Behandlung von 877 264 Pferden und Großrindern im gleichen
Jahre. Das ist demnach 3055 X 2 = 6070 M.
Nimmt man trotzdem 2 M. an, um von vornherein dem
Einwande gegen die Berechnung zu begegnen, daß doch auch
die Behandlung von Hunden und Schweinen etwas bringt, 16
sind von diesen 6070 M. die Unkosten nicht abgerechnet. Viele
Kollegen können sich der immer stärker werdenden Konkurrenz
wegen kein Geschirr mehr halten. Sie mieten sich nur im Not¬
fall Geschirr und kommen sonst zu Fuß, per Bahn oder Rad
vorwärts. Hält man nun eine Umfrage über die Höhe ihrer
Spesen, so erfährt man, daß diese Kollegen ohne eigenes
Geschirr mit 25—30 Proz. Unkosten gearbeitet haben. Nimmt
man auch hier wieder die minimalste Ziffer, so ergibt sich bei
einem Einkommen von 6070 M. = 1518 M. Abzug, also ein
Verdienst von zirka 4500 M. Das ist also das gerühmte hohe
normale Einkommen der sächsischen Tierärzte, auf dem Bis bis
ins hohe Alter — wenn sie es je erreichen — fest sitzen bleiben!
denn eine Erhöhung der Einkünfte durch Erweiterung der Praxis
ist in den meisten Fällen bei der Dichtigkeit des tierärztlichen
Personals rein undenkbar. Man kann den Kollegen selbst über¬
lassen, darüber nachzudenken, und hoffentlich zieht mancher
Renommist seine Konsequenzen hieraus.
Aber nicht allein das Verhalten von jungen Kollegen ohne
Geschäftssinn, bei denen wohl der Wunsch der Vater des Ge¬
dankens, viel Geld zu verdienen, gewesen ist, auch noch ein
anderer Umstand hat wohl dazu beigetragen, daß man uns im
allgemeinen bezüglich des nervus rerum überschätzt. Alle,
die längere Zeit schon in der Praxis stehen, begrüßten die Ein¬
führung der Maturität nicht allein als eine wohlverdiente
Anerkennung tierärztlicher Forschung und Arbeit, sondern sie
glaubten auch, daß in Zukunft unser Beruf weniger Zuzug haben
würde und das nur, weil sie die Überzeugung hatten, daß seit
der Erhebung der Tierarzneischulen zu Hochschulen übergenug
Tierärzte approbiert wurden. Man hat es deshalb nicht verstanden,
daß von seiten der Hochschulen damals, um den „nötigen“ Nach¬
wuchs zu sichern, Aufforderungen zum tierärztlichen Studium
in den politischen Tageszeitungen erschienen. Für die Ein¬
geweihten erweckte dies den Eindruck der Ängstlichkeit; denn
man mußte annehmen, daß die Urheber dieser Artikel der An¬
schauung lebten, daß unsere Wissenschaft allein und was sonst
über das Veterinär wesen im allgemeinen bekannt war, nicht
genug Werbekraft besitzen würde. Man hätte dessen eingedenk
sein sollen, daß nicht die Arbeit bzw. das Objekt, das er be¬
arbeitet, einen Stand entwerten kann, sondern daß die Arbeit
wertvoll und anerkannt wird, wenn sie von gebildeten
Menschen gewissenhaft ausgeführt wird. Die Praktiker haben
damals allgemein dazu geschwiegen, aber durchaus nicht, weil
sie damit übereinstimmten, sondern einmal, um die Herren nicht
zu desavouieren und zum anderen, weil man hoffte, daß der
Zuzug zum Studium dem vorhandenen Bedürfnis entsprechen
würde. Hätte man demgegenüber, daß gesagt wurde: das
Studium bringt den Vorteil, gleich nach der Approbation in
annehmbare Stellungen eiurücken zu können, entgegen gehalten,
daß diese Kollegen, wenn sie alt sind, zumeist noch in der¬
selben d. h. gering dotierten Stellung sich befinden, dann hätte
] man allerdings mehr geschadet als genützt.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
715
1. Oktober 1908.
Heute sieht man nun, daß sich junge Kollegen in ihrer
Not, troti der Warnung erfahrener, in allen möglichen und un¬
möglichen Orten niederlassen, in denen sie sich in absehbarer
Zeit niemals eine gesunde Existenz schaffen können.
Erst neuerdings hat man wieder erfahren, daß von den
5000 Tierärzten Deutschlands über 400 — also mindestens
8 Proz. — ohne gesicherte Existenz sind. Was würde in den
Zeitungen für ein Geschrei entstehen, wenn z. B. in einer Stadt
wie Dresden von 100 000 Menschen, die arbeiten wollen und
müssen, 8000 beschäftigungslos wären? Es ist ein entschiedener
Verdienst von Dralle, daß er darauf hingewiesen hat, wir
würden schlimmes erleben, wollten wir zu dieser Not keine
Stellung nehmen. Wie lange wird es dauern, bis diese aus
den Jahrgängen von 1900 bis 1906 stammenden Kollegen ein
Unterkommen finden? Wie groß wird aber die Zahl der Be¬
schäftigungslosen erst sein, wenn die Zahl der Approbationen
stetig wächst? Die Immatrikulationen sind, als die Einführung
der Fleischbeschau bevorstand, von 1898—1900 um 19,6 Proz.
gestiegen und seitdem noch mehr. Es hat sich aber doch, als
die Fleischbeschau eingefuhrt wurde, kein Mangel an Tierärzten
fühlbar gemacht, und das ist doch der beste Beweis dafür, daß
genug vorhanden waren.
Fehler sind bekanntlich nicht dazu da, daß sie gemacht
werden, sondern daß man aus ihnen eine Lehre zieht. Und die
Erfahrungen des ärztlichen und juristischen Standes zeigen uns,
daß es nötig ist, beizeiten sich zu rühren und mit kräftiger
Hand einzugreifen, um der Bildung eines neuen Proletariats
vorzubengen, das die aufkeimende Hofinung auf Hebung des
tierärztlichen Standes schändlich wieder zugrunde richten muß.
Gerade der Umstand, daß die Ärzte zu spät Abwehrmaßregeln
ergriffen haben, bedingt es, daß die Überfüllung ein ganzes
Menschenalter andauert, da ja auch die Verwarnungen keinen
sofortigen fühlbaren und dauernden Rückgang der Frequenz der
medizinischen Fakultäten herbeiführten.
Deshalb ist es jetzt an der Zeit, daß sich die Tierärzte
gegen eine weitere Überfüllung ihres Standes rühren. Nicht
nur aus einem gesunden Egoismus heraus, sondern auch aus
Humanität gegen die unerfahrenen Abiturienten, die bei uns guten
und leichten Verdienst zu finden vermeinen, sind wir zum Vor¬
gehen gezwungen. Möchten sich auch die anderen tierärztlichen
Vereine Deutschlands diese Sorge zu der ihrigen machen und
wie wir, durch Aufklärung der Abiturienten und ihrer Lehrer
gesunde Verhältnisse zu schaffen suchen!
Die Vereinigung sächsischer Privattierärzte.
I. A.: Geißler.
Herbstversammlang
des Vereins Rheinpreußischer Tierärzte
am 8. September 1907 im Hotel Heck zu Düsseldorf.
Die Versammlung, zu der sich 45 Mitglieder eingefunden hatten,
wurde vom Vorsitzenden gegen 11‘/a Uhr mit einer kurzen Ansprache
oröffnet.
Unter Punkt 1 der Tagesordnung erfolgte die Verlesung der
eingegangenen Entschuldigungsschreiben und verschiedener anderer
eingelaufenen Schriftstücke. Von den letzteren hatte die Antwort
des Allgemeinen Ärztlichen Vereins zu Köln auf die eingereichte
Beschwerde gegen Dr. Funck (wegen des Artikels im Türmer)
besonderes Interesse. Trotz der ausweichenden und ungenügenden
Fassung des betr. Schreibens hielt die Versammlung es für das
boste, von einer weiteren Verfolgung der Angelegenheit abzusehen.
Der Antrag, einen Bücherschrank auf Vereinskosten anzuschaffen
und im Schlachthofe zu Köln aufzustellen, fand allseitige Zu¬
stimmung.
Zur Aufnahme in den Verein hatten sich folgende Herren ge¬
meldet: 1. Kreistierarzt Belcour-M.-Gladbach, 2. Tierarzt Fack-
Gerresheim, 3. Kreistierarzt Eckardt-Neuß, 4. Tierarzt Dr. 0. Kühn-
Aachen, 5. Tierarzt Hün erb ein-Geilenkirchen, 6. Tierarzt Tönnies -
Zülpich, 7. Tierarzt Bath-Düsseldorf, 8. Tierarzt Dennemark-
Huckingen, 9. Schlachthofdirektor Bolsinger-Eupen, 10. Schlacht¬
hofdirektor Ackermann-Ohligs, 11. Tierarzt Bennewitz-Dovcrn.
Mit der einstimmigen Aufnahme der vorgenannten II Kollegen
beträgt die Mitgliederzahl nunmehr genau 150.
Die Verlesung des Protokolls durch den Schriftführer gab
Strohe-Köln Veranlassung einen kurzen Passus in demselben zu
beanstanden. Die Versammlung billigte jedoch einstimmig den
Gesamtinbalt des Protokolls.
Bockolmann-Aachen erstattete im Anschluß daran Bericht
über seine Reise nach Hannover, die er zur Übermittlung der
Glückwünsche des Vereins gelegentlich des 50jährigen Dienst¬
jubiläums des Ehrenmitgliedes Herrn Geheimrat Prof. Dr. Kaiser
unternommen hatte. Der Berichterstatter schilderte in trefflicher
humoristischer Weise, mit welch großen Schwierigkeiten es ver¬
knüpft gewesen sei, des Jubilars überhaupt habhaft zu werden. Fiir
seine Findigkeit und für die ausgezeichnete Erledigung seiner
Mission erntete Bockeimann allseitigen Beifall.
Durch die Verlesung eines Protestes, der gegen die Leitung
der letzten Generalversammlung von Althof-Betzdorf auf Grund
des § 50 der Statuten beim Vorstand eingereicht war, wurde die
Angelegenheit Strohe*Dr. Flatten von neuem aufgerollt. Der
Protest richtete sich im wesentlichen gegen die von dem stell¬
vertreten Vorsitzenden auf der letzten Frühjahrsversammlung cin-
gebrachte Resolution gegen Dr. Flatten sowie gegen die Ablehnung
einer von Althof eingebrachten Gegenresolution.
Der Vorsitzende trat, indem er die heirige Abwesenheit seines
l Stellvertreters lebhaft bedauerte, Althofs mündlichen Ausführungen,
die in dem Vorwurf der Parteilichkeit des Vorstandes gipfelten,
ganz energisch entgegen. Der Protest wurde nach kurzer Debatte
mit überwiegender Stimmenmehrheit abgelehnt. Bongartz-Bonn
benutzte diese Gelegenheit, um mit warmen, herzlichen Worten an
das Solidaritätsgefühl aller Mitglieder zu appellieren und die
Mahnung auszusprechen, den kleinlichen Haß und Hader, der ja
leider im menschlichen Leben allerorts vorkäme, nach Möglichkeit
zu bekämpfen und zu vergessen suchen. Ein Schüren des Hasses
sei eines gebildeten Menschen unwürdig, gereiche ihm zur Unehrc,
und der Leidtragende dabei sei der ganze Stand Der lebhafte
Beifall bewies, daß Bongartz den richtigen Ton getroffen hatte.
Von zwei dem Vorstande eingereichten Anträgen in Sachen
Strohe — Dr. Flatten schlug der "eine, von Nehrhaupt-Köln
eingereicht, vor, daß die Regelung von Differenzen zwischen Mit¬
gliedern dem Vorstande allein überwiesen werden sollte und nur,
wenn dieser zu einem definitiven Beschlüsse nicht kommen könnte,
dürfe die betreffende Angelegenheit der Generalversammlung unter¬
breitet werden.
Ein zweiter, ausführlich begründeter Antrag, unterzeichnet von
Bettel hä u 8 er-Duisburg, van Straaten-Dinslakcn, Schmitz-
Mülheim, bezweckte die Ausschließung von Strohe aus dem Verein.
Um beiden Anträgen gerecht zu werdon, und um nach
Möglichkeit einen baldigen und endgültigen Abschluß der
unerquicklichen, die Interessen des Vereins schädigenden An¬
gelegenheit herbeizuftthren, beantragte der Vorsitzende die Wahl
einer Kommission, bestehend aus drei Mitgliedern, die die ganze
Angelegenheit Flatten — Strohe nochmals zu prüfen und der
Frühjahrs Versammlung Vorschläge über ihre endgültige Regelung
zu machen hätte. Dabei wäre es gleichzeitig eine wesentliche
Aufgabe der Kommission, einen Ausgleich zwischen den Streitenden
herbeizuführen. Die Versammlung nahm nach kurzer Debatte den
Vorschlag an mit der Abänderung, daß der Kommission das Recht
zur Kooptation auf fünf Mitglieder zustehen solle. In die Kom¬
mission wurden den Vorschlägen des Vorstandes entsprechend ge-
716
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
wählt: Bettelhäuser-Duisburg, Dr. Davids-Mülheim (Rhein) und
Bongartz-Bonn (als Obmann).
Es folgte nunmehr die Verlesung eines Antrages Grupe-
Malmedy, in Zukunft die Frühjabrsversammlung nicht mehr im Mai,
sondern im Februar abzuhalten. Die Versammlung schloß sich der
Begründung des Antragstellers, von einzelnen Stimmen abgesehen,
nicht an. Es soll jedoch mit Rücksicht auf eine Anzahl von Mit¬
gliedern in Zukunft der Anfang der Versammlung probeweise
12 Ubr mittags, nicht, wie bisher, 11 Uhr vormittags stattfinden.
Nach kurzer Pause hielt Kreistierarzt Eck har dt-Neuß einen
längeren, sehr interessanten Vortrag: „Über die Stellung der Tier-
ärzto in der rheinischen Kaltblutzucht.“
Der Vorsitzende sprach dem Referenten für die lichtvolle Be¬
handlung des aktuellen Themas den Dank der Versammlung aus
und knüpfte daran die Mahnung, daß es Pflicht der Tierärzte sei,
sich mehr als es bisher geschehen, der Pferdezucht zu widmen
Vor allen Dingen solle möglichst jeder Tierarzt bestrebt sein, die
Mitgliedschaft der deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft zu
erwerben, denn dadurch würden Beider Interessen, die Interessen
der Tierärzte und die der deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft
gefördert.
Der Vortrag zeitigte eine recht lebhafte Debatte, an der sich
außer dem Vorsitzenden die Mitglieder Suckow-B. Gladbach,
Bongartz-Bonn und Dr. Kenten-Geldern beteiligten. Suckow
hat, wie er ausführt, seine ersten züchterischen Unterrichtsstudien
beim Landstallmeister Dr. Grabensee erhalten. Der Wohlstand
der rheinischen Pferdezucht sei ver allem zwei deutschen Tierärzten
zu danken, außer Grabensee noch Schwarzenecker. Überaus
empfehlenswert zum Studium der einschlägigen Verhältnisse sei
Rau: „Die Notlage der Pferdezucht“. Bongartz widersprach dem
Vorredner insofern, als wohl Grabensce, aber nicht Schwarzen-
ecker zuerst auf das Kaltblut hingewirkt habe. Schwarzenecker
habe vielmehr als Ideal das Ralbblut hingestellt Er bestreite
keineswegs die ungewöhnlich großen Verdienste Sch warzcneckers
um die Hebung der Pferdezucht, aber besondere Verdienste um die
Kaltblutzucht kämen ihm nicht zu. Für uns Tierärzte tue im übrigen
in erster Linie Selbsthilfe not, d. b., es sei unbedingt erforderlich,
daß wir allerorts den landwirtschaftlichen Lokalvereincn als Mit¬
glieder beiträten, Vorträge hielten usw. So habe er schon in zahl¬
losen Vereinen zugunsten des Kaltblutes seit langen Jahren Vorträge
gehalten und, wie er glaube, viel Erfolge dadurch erzielt.
Dr. Keilten ist weniger Optimist als Bongartz Nach seiner
Ansicht wären wir den landwirtschaftlichen Gesellschaften recht
willkommen, wenn wir Vorträge hielten, aber im übrigen suche man
uns, nachdem man uns ausgenutzt habe, in der Regel beiseite zu
schieben Vom Vorsitzenden wird bemerkt, daß bereits vor langen
Jahren der verstorbene Departementstierarzt Sticker in einem
längem Exposö auf die großen Vorzüge der Kaltblutzucht gegen¬
über der damals staatlich geförderten Halbblutzucht hingewiesen
habe. Suckow, der selbst seit Jahren als tierärztlicher Vorkämpfer
für die Edelzucht in der vordersten Reihe steht, schildert zum
Schlüsse die beispiellosen Erfolge, die die Rheinprovinz mit ihrem
für die Zucht so sehr geeignetem Boden und Klima zu verzeichnen
habe. Der Boden bedürfe allerdings einer entsprechenden Be¬
handlung. Er belegt das an einer Reihe von Beispielen und schließt
seine Ausführungen mit einer nochmaligen Würdigung der Verdienste
Schwftf seneckers.
Mit Rücksicht auf die weit vorgeschrittene Zeit fielen die
„Mitteilungen aus der Praxis ‘ (Punkt 5) nur spärlich aus. Allgemeines
Interesse erweckte jedoch der von Dr. Beecker-Köln angeführte
Fall einer versuchten Kryptorchidcn-Operation, wobei kein Hoden
zu finden gewesen sei. Die Obduktion des bald darauf ein¬
gegangenen Tieres habe eine äußerst umfangreiche sarkomatöse
Entartung eines Hodens, dessen Gewicht 145 Pfund betragen habe,
ergeben.
Bei dem sich anschließenden Mittagessen wurde die geringe
Teilnahme der Damen um so mehr bedauert, als das herrlichste
Sommerwettcr Gelegenheit bot, späterhin die Kunst- und Garten¬
stadt Düsseldorf in ihrer ganzen Schönheit kennen zu lernen
gez. Dr. Lothes, Vorsitzender, gez. Wigge, Schriftführer.
Verein Pfälzer Tierärzte.
Die 66. ordentliche Generalversammlung fand am 22. August
im Saale des Hotels Dümmler in Homburg statt und wurde um
11V 4 Uhr mit herzlichen Worten durch den Vereinsvorstand eröffnet
Leider war Herr Kreistierarzt Marggraff zum allgemeinen
Bedauern am Erscheinen verhindert.
Beehrt wurde die Versammlung durch den Besuch der Herren
Landestierarzt Dr. Vogel und Ehrenmitglied Landstallmeister
Bauwerker.
Erschienen waren 33 Mitglieder: D’Alloux, Braun, Breß,
Eckart, Engel, Feil, Fenzel, Frank Albert, Höfle, Löffler,
Mahler, Mattem, Markert, Meyer, Müller, Dr. Musterte,
Oehl, Rabus, Reinhardt, Rohr, Sauer, Semmler, Thomas,
Weigand Friedr., Weigand Wilhelm, Weigand Otto, Witzig¬
mann uncj Zimmer, ferner dieKollegenHerzer und H au ck als Gäste.
Ihre Abwesenheit haben entschuldigt: Dr. Lydtin, Louis,
Bitsch, Eckardt, Hengen, Hirsch, Köhl, Mayer, Dr. Ohler,
Seibert, Steiger, Steynbrenner und Zix.
Beim Mitgliederstand Bind nachstehend Änderungen eingetreten:
Wöhner, Kritzer und Roinheimer sind ausgetreten, EhrenB-
b erg er ist gestorben; der Vorstand widmete demselben einen
warmen Nachruf. Dem Gedenken des Verstorbenen zu Ehren er¬
hoben sich die Anwesenden von den Sitzen. Neu eingetreten sind
Braun-Blieskastel, Harder-Wulfstein und Rabus-Kaiserslautern.
Am 1. August 1908 war der Stand: 55 ordentliche, 2 außerordent¬
liche und 3 Ehrenmitglieder.
Beim Geschäftsbericht hob der Vorstand hervor, daß die Tätig¬
keit der Vorstandschaft besonders in Anspruch genommen wurde
durch lange Verhandlungen mit anderen Beamten-Kategorien wegen
eines infolge der neuen Gehaltsordnung geplanten Zusammen¬
schlusses aller Beamten. Bei dem Vertrauen in die wohlwollende
Haltung der Königl. Staatsregierung sowie der gesetzgebenden
Körperschaften glaubte die Leitung des Vereins nach eingehender
Beratung eine ablehnende Stellung einnehmen und von weiteren
Schritten in dieser Angelegenheit absehen zu müssen, eine Ansicht,
welche durch den Gang der Dinge vollauf gerechtfertigt wurde.
Der Vorstand hält dabei einen kurzen Rückblick über die früheren
ßesoldungsverhältnisse der Amtstierärzte zwischen einst und jetzt.
Die amtlichen Tierärzte dürften mit der beschlossenen Gehalts¬
ordnung zufrieden sein und sind es auch.
Der Kassabericht ergab mit dem Überschuß vom Vorjahre
481,75 M. Einnahmen und 280,14 M. Ausgaben, somit einen Über¬
schuß von 201,61 M. Dem Rechner wurde Entlastung erteilt.
Als Ort der nächsten Generalversammlung wurde Bad Dürkheim
bestimmt.
In den Ausschuß wurden gewählt: Heuberger, Müller, Rohr,
Engel und Thomas und als Ersatzmänner Feil und D’Alleux
in den Obermedizinalausschuß: Marggraff und als Stellvertreter
Thomas.
Als Vertreter des Vereins für den Internationalen Tierärztlichen
Kongreß 1909 im Haag wurde Vorstand Heuberger und als dessen
Vertreter Feil bestimmt.
Zu Punkt 2 der Tagesordnung „Die Mitwirkung der Tierärzte
bei Förderung der Haustierzucht“ erstatteten die Zuchtinspektoren
Eckart und Rabus sehr beifällig aufgenommene Referate. Beide
Redner betonten die engen Beziehuugen zwischen Tiermedizin und
Landwirtschaft und besprachen eingehend die vielfachen Gelegen¬
heiten, bei welchen der Tierarzt bei Hebung der landwirtscha t-
lichen Haustierzucht mitwirken kann und muß, wobei sie die bis¬
her schon nach dieser Richtung hin mit Erfolg entfaltete Tätigkeit
der Tierärzte hervorhoben.
An der Diskussion beteiligten sich Landestierarzt Dr. Vogel,
Frank, Engel, Eckart, Heuberger, Markert und Sauer.
Punkt 3: Die Tierärztliche Gesellschaft in Berlin hat den
Antrag gestellt, die außerordentliche Fleischbeschau als besonderen
Lehrgegenstand an den Tierärztlichen Hochschulen einzuführen.
Die Generalversammlung beschließt hierzu, „eine Erweiterung und
Vertiefung dos Unterrichtes nach dieser Richtung hin sei wünschens¬
wert, aber erst dann, w r enn die an und für sich schon zu kurze
Studienzeit verlängert worden ist“.
1. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
717
Ein Beschluß des Tierärztlichen Provinzialvereins für Schleswig-
Holstein betr. Milchverkehr wird zur Kenntnis gegeben.
Nachdem wie alljährlich der Vereinsvorstand insbesondere die
jüngeren Kollegen dringend zum Beitritt in den Unterstützungs¬
verein für die Hinterbliebenen bayrischer Tierärzte aufgefordert
hatte, wurde die Versammlung gegen 2 Uhr geschlossen.
Das sich anschließende gemeinsame Mittagsmahl hielt die
Teilnehmer bis zum Abgang ihrer Züge in fröhlicher Stimmung
beisammen.
Auf Wiedersehen in Bad Dürkheim!
Yom Reichsgericht.
(Neue Entscheidungen des Reichsgerichts
von K. Miß lack, Leipzig-Ötzsch).
Unfall bei einer Tieroperation und Haltbarmachung des Tlereigentümera
aus den §§ 618, 278 B. G. B.
(Vom Reichsgericht.) (Nachdruck verboten.)
Bei der Vornahme einer Operation an der Tierärztlichen
Hochschule in Berlin wurde der Kläger dieses Rechtsstreits,
der 8. Z. Hochschuldiener war, von einem Hengste, den er vor-
föhren und halten sollte, gebissen, an die Wand geschleudert
und dadurch schwer verletzt. Die Operation wurde durch Dr.
K. ausgeführt, der dem Kläger kurz vor Eintritt des Unfalles
aufgegeben hatte, dem Hengste die Nasenbremse abzunehmen.
Trotzdem Kläger auf die Bissigkeit des Tieres hingewiesen
hatte, war Dr. K. auf seinem Begehren stehen geblieben, da die
Operation sonst unmöglich sein sollte. Der Kläger behauptete,
durch diesen Unfall gänzlich erwerbsunfähig geworden zu sein
und verlangte vom Preußischen Staatsfiskus als Tierhalter und
Dienstherr Zahlung seines vollen Gehalts, indem er die Klage
auf die §§ 883, 012, 278 B. G. B. stützte.
Das Landgericht zu Berlin erklärte den Beklagten als Tier¬
halter gemäß § 833 B. G. B. für haftbar, ohne auf die Frage
der Haftung aus den §§ 618, 278 B. G. B. näher einzngehen.
Auf die Berufung des Beklagten verneinte das Kammergericht
die Haftung aus § 833 B. G. B., indem er höchstwahrscheinlich
die Operation als Einwirkung eines unwiderstehlichen Zwanges
auf die Sinne des Tieres ansieht. Dagegen bejaht das Kammer¬
gericht die Verpflichtung zum Schadenersätze aus dem Dienst¬
vertrage in analoger Anwendung der §§ 618, 278 B. G. B.
Beide Vorinstanzen nehmen an, daß der Kläger durch den Unfall
die Hälfte seiner Erwerbsfähigkeit eingebüßt habe und erachten
deshalb den Beklagten für verpflichtet, dem Kläger eine Rente
von 50 Proz. seines amtlichen Diensteinkommens und vom
65. Lebensjahre die ihm zustehende volle Pension zu zahlen.
DaB Kammergericht stellt fest, daß der ursächliche Zusammen¬
hang zwischen der Abnahme der Bremse und dem Angriffe des
TiereB erwiesen sei, und daß Dr. K. fahrlässig gehandelt habe,
als er trotz der ihm bekannt gegebenen Bissigkeit des Pferdes
darauf bestand, ohne vorher anderweitig Schutzmaßregeln an¬
zuordnen. Da Dr. K. aber Leiter der Operation im Aufträge
des Beklagten gewesen sei, hätte er nach § 618 B. 0- B. An¬
ordnungen treffen müssen, die den Kläger hinreichend schützen
konnten. Die nach der Abnahme der Bremse getroffene Anord-
ordnung, den Zügel des Pferdes ganz kurz zu fassen, hatte der
Kläger nicht mehr auBführen können, da der Angriff des Tieres
ihm zuvorgekommen war. Nach den Ausführungen des Kammer¬
gerichts hat der Beklagte aber nach § 278 B. G. B. für die
Fahrlässigkeit seines Vertreters einzustehen, wie für eigene
Fahrlässigkeit.
Gegen dieses Urteil hatte der beklagte Fiskus Revision
beim Reichsgericht eingelegt und besonders geltend gemacht,
daß die Operation ohne Abnahme der Bremse nicht zu ermög¬
lichen gewesen sei. Der in. Zivilsenat des höchsten Gerichts¬
hofes erkannte jedoch auf Zurückweisung der Revision,
indem er dazu noch folgendes äusführt: „Selbst wenn aber die
ärztliche Behandlung des Pferdes nicht ohne Abnahme der
Bremse möglich gewesen sein sollte, blieb immer noch bestehen,
daß der leitende Arzt nicht durch andere Sicherungsmaßregeln
für die herstellbare relative Gefahrlosigkeit der Dienstleistung,
wie sie § 618 erfordert, gesorgt hat. Seine vom Beklagten
behauptete Anordnung, der Kläger solle den Zügel des Pferdes
ganz kurz fassen, wäre nur dann ein* ausreichender Ersatz der
Bremse gewesen, wenn beide Maßnahmen von einer Person
gleichzeitig nebeneinander technisch in ausreichend
sicherer Weise ausführbar gewesen wären, dergestalt, daß sich
das Pferd in jedem Augenblicke in der vollen Gewalt des
Klägers befunden hätte. Das aber hat der Beklagte nicht be¬
hauptet, in dem Tatbestände erster Instanz sind beide Maßregeln
als wahlweise anwendbar bezeiclmet, es ist aber nicht gesagt,
daß man gefahrlos von der einen zur andern unter den da¬
maligen Umständen, wo sich das Pferd bereits sehr unruhig und
gereizt zeigte, übergehen konnte. Bei solcher Sachlage wäre
die Zuziehung einer zweiten Hilfsperson erforderlich gewesen.
Unbegründet ist auch der letzte Angriff der Revision, der
sich gegen die Höhe des zuerkannten Schadenersatzes richtet
und eine Verletzung des § 249 des Bürgerlichen Gesetzbuchs be¬
hauptet. Die Revision meint, eine Wiederherstellung des früheren
Zustandes würde darin liegen, daß der Beklagte den Kläger
wieder als Beamten unter den früheren Bedingungen anstelle.
Geschäht das, so würde es dann dem Beklagten freistehen, von
seinem Kündigungsrechte Gebrauch zu machen. Dies Recht
werde ihm durch die Entscheidung des Berufsgerichts genommen.
Der Ausgangspunkt dieser Erwägung trifft nicht zu. Wieder¬
herstellung des früheren Zustandes läge nur dann vor, wenn der
Beklagte dem Kläger nicht nur seine frühere Stellung, sondern
auch seinen früheren Gesundheitszustand wieder verschaffte. Da
letzteres nicht möglich ist, so hat er den Kläger durch eine
Geldrente nach Maßgabe des § 618 B. G. B. Absatz 3 zu ent¬
schädigen. Bei der Bestimmung des Maßes dieser Rente hat
das Berufsgericht zutreffend die Erwerbsverhältnisse zur Grund¬
lage genommen, in denen der Kläger vor dem Unfälle gelebt
hat und ohne ihn weiter gelebt haben würde. Die Möglichkeit
der Kündigung hat das Gericht erwogen, aber angenommen, daß
die Kündigung eines Staatsbeamten nicht willkürlich, sondern
nur aus gerechtem Grunde erfolgt, und daß es hier an jedem
Anhalte dafür fehle, daß der Beklagte in Zukunft einmal
gerechten Anlaß zur Kündigung gehabt und davon Gebrauch
gemacht hätte. Das Berufungsgericht geht also von der tat¬
sächlichen Annahme aus, daß der Kläger ohne den Unfall aller
Wahrscheinlichkeit nach bis zum 65. Lebensjahre in seiner
Stellung beim Beklagten geblieben wäre und das nach der Be¬
soldungsordnung sich ergebende Gehalt bezogen hätte. Wenn
es ihm unter dieser Annahme mit Rücksicht auf die Herab¬
minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 Proz. die Hälfte dieser
Bezüge zuerkennt und für die Zeit nach dem 65. Lebensjahre
unter der Annahme, daß er zu dieser Zeit einen höheren Ver¬
dienst nicht mehr gehabt haben würde, die volle Pension zu¬
spricht, so ist das nicht rechtsirrtümlich.“ (31. März 1908.
Akt.-Z. III, 312/07.) K. M.-L.
718
Veterinär-Offizierkorps.
Mitteilungen der politischen Presse bestätigen, daß das
Kriegsministerium an seiner bestimmten Absicht festhält, die
Vorlage betr. Errichtung des Veterinäroffizierkorps, mit dem
diesmaligen Etat einzubringen.
Wolffsches Stipendium.
An einen Studierenden der Tierheilkunde ist um 2. Januar 1909
für zwei Semester ein Stipendium von 300 M. zu vergeben.
Berücksichtigung finden nur solche Studierende, welche das
Abiturientenexamen auf einem Gymnasium oder Realgymnasium
abgelegt und sich moralisch gut geführt haben.
Bei der Verteilung kommen vorzugsweise nur Studierende in
Betracht:
a. Die eine Blutsverwandtschaft mit der Familie des Stifters
nachzuweisen vermögen;
b. Nachkommen folgender Freunde des Stifters:
1. des in Göhren auf Rügen verstorbenen Hotelbesitzers
Borgmeier,
2. des zu Wusterhausen geborenen Rentiers Otto Gericke,
3. des zu Finkenstein Westpr. geborenen Chemikers Wilhelm
Lindner,
1 des zu Calaar geborenen und verstorbenen Tierarztes
Gustav Sichert,
c. Söhne von Tierärzten.
Den bis zum 15. Dezember d. J. an den Vorstand z. II. des
Geheimen Regierungsrats Prof. Dr. Schütz, Luisenstraße 50, cin-
zureichenden Bewerbungen sind beizufügen:
a. Beglaubigte Abschrift des Maturitätszeugnisses;
b. obrigkeitliches Führungszeugnis,
c. vorkommendenfalls der Nachweis der Zugehörigkeit zu den
unter a bis c bezeichneten Kategorien.
Vorlesungsverzeichnis der Deutschen Kolonialschule für das
Wintersemester 1908/09.
I. Allgemeinbildende Lehrfächer:
a) Kulturwissenschaften: 1. Kolonialpolitik der europäi¬
schen Kulturstaaten; 2. Einführung in die Volks- und Kolonialwirt-
schaft; 3. Kulturgeographie. Direktor Prof. Fabarius.
b) Naturwissenschaften: 1. Grundriß der Mineralogie und
Geologie, Prof. Dr. Fcsca; 2. anorganische Chemie; 3. Physik;
4. landwirtschaftliche Nebengewerbe, erster Teil (Technologie);
5. Pflanzenmorphologie; 6. offizineile Pflanzen der Tropen und
Subtropen; 7. praktische Übungen im Laboratorium; 8. technische
Lehrausflüge. Dr. Peppler.
c) Sonstiges: 1. Tropengesundheitslehre: Tropenländer und
Tropenklima; Einfluß des tropischen Klimas auf den menschlichen
Körper und seine einzelnen Teile; Bau und Tätigkeit der wichtigsten
Organe, Sanitätsrat Dr. Men sc; 2. Rechtskunde, Amtsgerichtsrat
D r i e ß e n; 3. Samariterkursus, Sanitätsrat Dr. C o 11 m a n n ;
4. Sprachen: Spanisch, Portugiesisch, Suahep, Sprachlehrer
Metzger; Holländisch, Amtsgerichtsrat Drießen; Französisch,
Assessor a. D. Wilhelmson; Englisch, Cand. cam. Kucklentz.
II. Wirtschaftliche Lehrfächer:
a) Landwirtschaft:!. Allgemeiner Pflanzenbau, mit besonderer
Berücksichtigung der tropischen und subtropischen Verhältnisse:
Klima- und Bodenlchro, Prof. Dr. Fes ca.
b) Tierheilkunde und Tierzucht: 1. Anatomie; 2. Physio¬
logie; II. Teil, einschließlich Entwicklungsgeschichte; 3. syste¬
matische Zoologie; 4. klinische Demonstrationen mit Milch- und
Harnuntersuchungen; 5. Sektionen; 6. pharmazeutische Übungen;
7. praktische Übungen in der Fleischbeschau und Trichinenschau;
8. anatomische Übungen. Tierarzt Schröter.
Praktische Arbeiten und Übungen in allen landwirtschaftlichen
Betriebszweigen unter Leitung des Inspektors llunsinger.
c) Gärtnerei: Gemüsebau mit praktischen Unterweisungen,
(Jartenmeister Sonnenberg.
d) Forstwirtschaft: Waldbau und Forstschutz, Forstmeister
Prof. Dr. J entsch.
No. 40
Praktische Arbeiten und Übungen in allen gärtnerischen Betriebs¬
zweigen (Baumschule, Gemüsebau, Gewächshaus, Obstpflanzungen)
und in Waldarbeiten.
e) Kaufmännisches: Doppelte Buchführung: Buchführung
eines Geschäftes, das mit Kolonialprodukten handelt, nach italienischer
Methode, Handelslehrer Daeubert
III. Technische Lehrfächer:
a) Baufach: Konstruktion inStein, Baukonstruktionszeichnen,
Architekt Prof. Strehl.
b) Kulturtechnik: 1. Feldmeßkunde; 2. Be- und Ent¬
wässerung, Steuerinspektor Hahn; 3. Planzeichen, Cand. cam.
Kucklentz.
c) Handwerke: Schmiede, Tischlerei, Sattlerei, Stellmacherei,
Maurerei, Zimmerei, Schuhmacherei.
Zahl der Tierärzte in der Schweiz.
Das Schweizer Archiv veröffentlicht, was sehr interessant
ist, eine vollständige Liste der Verteilung der Tierärzte in der
Schweiz. Es ergibt sich daraus, daß die Zahl der dortigen
Kollegen 554 beträgt. Die Gesellschaft Schweizerischer Tier¬
ärzte ist bekanntlich einer der ältesten tierärztlichen Vereine
und wohl schon im Anfang des vorigen Jahrhunderts begründet.
(Der älteste tierärztliche Verein soll eine von Abildgaard
begründete Gesellschaft gewesen sein.) Gegenwärtiger Präsident
ist Professor Rubeli-Bern, Vizepräsident Professor Ruster¬
hol z-Zürich. Die Gesellschaft zählt 10 Ehrenmitglieder, dar¬
unter aus Deutschland Lydtin, Bollinger (der in der Schweiz
Professor war) und Vogel-Stuttgart.
Zum Besitzrecht auf durch Operation entfernte Teile.
Ein Münchener Arzt hatte zwei große Nierensteine
operativ entfernt, deren Besitz ihm der Patient indessen streitig
machte, was den Arzt veranlaßte, das ursprünglich geforderte
Honorar zu verdoppeln unter dem Hinweis, die Operation sei
nur billig ausgeführt worden in der Überlassung der Steine.
Auf die erhobene Klage wegen Erhöhung des Honorars hat das
Oberlandesgericht München dem Arzt das hohe Honorar zu-
geBprochen und sich gleichzeitig in bemerkenswerter Weise
über das Besitzrecht an den Steinen ausgesprochen. Dem Arzt
stehen hiernach an den Steinen keinerlei Rechte zu. Alle durch
Operation aus oder vom menschlichen Körper entfernten Teile
sind nach geltendem Recht herrenlose Sachen. An diesem steht
dem Patienten, aus dessen Körper sie entfernt wurden, ein be¬
vorrechtigtes Aneignungsrecht zu, ähnlich wie dem Jagd¬
eigentümer an dem in seinem Jagdrevier befindlichen Wilde.
Durch Ausübung dieses Aneignungsrechtes wird der Kranke
Eigentümer der vorher herrenlosen Sache. Eine Aneignung des
Arztes gegen oder ohne den Willen des Kranken ist deshalb
ungesetzlich. Der Arzt darf unter gewissen Umständen seine
ursprünglich gestellte Rechnung abändern. Als solchen Um¬
stand ließ das Gericht gelten, daß der Arzt bei Stellung seiner
Rechnung von der Annahme ausgegangen war, er dürfe die
Nierensteine ihreB wissenschaftlichen Wertes halber behalten.
Sohwedische Milch für Berlin.
Wegen der Steigerung der Engrospreise der deutschen Milch
hat sich nach der Milchzeitung eine Großfirma entschlossen, von
der skandinavischen Halbinsel Milch nach Berlin einzuführen.
Dieselbe wird den Weg Trelleborg—Saßnitz (Eisenbahntrajekt¬
verkehr) wählen und die Milch in großen Bassinwagen verfrachten
lassen.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
1. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
719
Staatsveterinärwesen.
Redigiert von Veterinärrat Preufie.
Tierseuchen in Deutschland 1906.
Nach dein Jahresbericht des Kaiserlichen Gesundheitsamtes.
(Berlin, Verlag von Jnlins Springer.)
Die Schweine8euche (Schweinepest).
Diese Seuche hat im Berichtsjahr gegenüber dem Vorjahr
eine geringe Zunahme erfahren. Betroffen wurden 11513 Ge¬
meinden usw. und 23911 Gehöfte, 12 bzw. 18 Proz. mehr wie
1905. Die Zahl der erkrankten Schweine betrug 104728,
3,8 Proz. mehr. Von den erkrankten Tieren sind 77830
gefallen oder getötet = 74,3 Proz. Die Zahl der Seuchenfälle
ist in den einzelnen Vierteljahren nicht wesentlich verschieden.
Die meisten Fälle, 5926 betroffene Gehöfte mit 30749 Er¬
krankungen, ereigneten sich im vierten Vierteljahr, die wenigsten,
4999 Gehöfte mit 23867 Erkrankungen, im dritten.
Die räumliche Verbreitung der Schweineseuche in den
einzelnen Teilen des Deutschen Reiches ist bereits auf S. 243,
B. T. W. 1907, eingehend besprochen worden. Es bedarf daher
hier wohl nur der Bezugnahme auf diese Veröffentlichung.
Im Auslande hat die Schweineseuche verschiedentlich große
. Ausbreitung gehabt, so in Österreich, in welchem Lande sie am
stärksten in den Sommermonaten auftrat. Anfang Juli waren
253 Gemeinden und 695 Höfe betroffen. Auf annähernd gleicher
Höhe hielt sich hier die Seuche während der Monate Juni, Juli
und August. Ein gleiches trifft für Ungarn zu, hier war die
Schweineseuche noch mehr ausgebreitet. Mitte August waren
hier 1577 Orte gleichzeitig verseucht, bis zum Jahresschluß
ging diese Zahl auf 564 herab. In Rumänien erkrankten 3442
Schweine an Seuche und 561 an Pest; davon sollen 1131 bzw.
129 wieder genesen sein = 32,8 bzw. 23 Proz. In Rußland
wurden 1377 Gemeinden betroffen; es erkrankten 28251, von
denen 19531 = 70 Proz. verendeten oder geschlachtet wurden.
In Bosnien und Herzegowina erkrankten 5628 Schweine, in
Serbien 3608. In Bulgarien wurden 139 Ortschaften von der
Schweineseuehe betroffen. In Italien erkrankten 18086 Schweine,
von diesen sollen 5460 genesen sein = 30 Proz. Aus Frankreich
werden nur verhältnismäßig wenige Seuchenausbrüche gemeldet.
In Großbritannien wurden 1156 Ausbrüche mit 6869 Erkrankungen
festgestellt. Aus Dänemark, Schweden und Norwegen werden
nur wenige Seuchenausbrüche gemeldet.
Einschleppungen der Schweineseuche aus dem Ausland nach
Deutschland sind mehrfach erfolgt. Aus Rußland 5 mal an¬
geblich durch Fleischfreiportionen nach Ostpreußen: aus den
Niederlanden lmal durch eingeschmuggelte Ferkel nach dem
Reg.-Bez. Osnabrück; aus Luxemburg 2 mal nach dem
Reg.-Bez. Koblenz. Verschleppungen der Schweineseuche aus
einem Bundesstaat in den andern haben sehr zahlreich statt¬
gefunden, aus Preußen allein 55 mal nach Sachsen und 37 mal
nach Württemberg, nach Preußen in 8 Fällen aus Bayern, in
5 Fällen aus Sachsen, in je 3 Fällen aus Württemberg und
Baden, in 38 Fällen aus Oldenburg, in 16 Fällen aus Sachsen-
Koburg-Gotha, in 22 Fällen aus Waldeck, in 25 Fällen aus
Hamburg, in 48 Fällen aus Elsaß-Lothringen und vereinzelt
noch aus den übrigen Bundesstaaten. In zahlreichen Fällen
wurde die Seuche innerhalb der einzelnen Bundesstaaten durch
den Handelsverkehr verbreitet, es waren daher in sehr vielen
Fällen die Schweine schon erkrankt oder infiziert, als sie in den
Besitz der letzten Eigentümer gelangten. Unterlassene Anzeige
hat in sehr vielen Fällen in Sachsen-Weimar und Elsaß-
Lothringen zur Weiterverbreitung der Seuche geführt. Fleisch
kranker Tiere veranlaßte in 1 Falle im Kreise Danziger
Niederung die Weiterverbreitung der Seuche, im Kreise Marien¬
burg geschah dies durch den Personenverkehr nach 2 Gehöften;
auch in dem Kreise Itzehoe war der Personenverkehr in 1 Falle
der Anlaß zur Verbreitung der Seuche. Durch Entfernung
kranker Schweine aus einem Seuchenstall wurden im Kreise
Elbing die Schweine dreier anderer Besitzer angesteckt, ferner
durch Transport eines kranken Schweines aus demselben StaU
die Schweine eines Gastwirts, in dessen Gaststall das kranke
Schwein unterwegs vorübergehend untergebracht worden war.
Durch den Handel im Umherziehen wurde die Schweinepest in
den Kreisen Oldenburg und Stormam (Schleswig-Holstein) ver¬
schleppt, worauf dieser Handel vorübergehend mit Erfolg ver¬
boten wurde. In Sachsen-Weimar soll der rege Handel mit
Milchschweinen die Verschleppung der Schweineseuche verursacht
haben. In 2 Fällen haben Schweinekastrierer die Seuche nach¬
weislich verschleppt.
Mangelhafte oder unterlassene Ausführung der Desinfektion
gab öfter Anlaß zur Seuchenausbreitung. In einer Molkerei im
Kreis Elbing waren die Tummelplätze der Schweine bereits
derartig infiziert, daß selbst deren vorübergehende Bebauung
mit Gemüse nicht genügte, um den Ansteckungsstoff unschädlich
zu machen. In demselben Kreis verursachte die unterlassene
Desinfektion eines zum Transport kranker Schweine benutzt
gewesenen Kastenwagens die Entstehung der Schweineseuche
bei den Schweinen eines anderen Besitzers, die später mit
diesem Wagen in Berührung gekommen waren.
Trotz scheinbar sorgfältiger Stalldesinfektion wurde in
mehreren Fällen in den Regierungsbezirken Schleswig, Bromberg
und Frankfurt a.O. Neuausbruch der Schweineseuche bei den später
eingestellten Schweinen beobachtet. Die Unterlassung jeglicher
Stalldesinfektion ist im sächsischen Bezirk Annaberg die Ursache
zu häufigen Neuausbrüchen der Schweineseuche gewesen. Die
Ermittlung der Schweineseuche erfolgte in sehr zahlreichen
Fällen auf Märkten, 222 mal allein in Preußen, 1308 mal in
Hamburg, 8 mal bei öffentlichen Auktionen und in sehr zahl¬
reichen Fällen in öffentlichen oder privaten Schlachtstätten und
bei Vornahme der Fleischbeschau. Diese Ermittlungen führten
häufig zu Seuchenfeststellungen am Herkunftsorte. Auf offener
Straße erfolgte die Ermittelung der Seuche in 1 Fall im
Herzogtum Sachsen-Koburg-Gotha; in vielen Fällen auch in
Abdeckereien, davon allein 136 mal im Kreise Kassel-Land und
254 mal in Hamburg. In 49 Fällen wurde Ausbruch von Schweine¬
seuche bei einer polizeilichen Untersuchung der durch die Seuche
gefährdeten Tiere am Seuchenort oder in dessen Umgebung fest-
gestellt. Die Bicher ermittelten Inkubationszeiten schwanken
zwischen 4 und 20 Tagen.
Über Impfungen ist nur sehr wenig berichtet worden. In
den anhaitischen Kreisen Zerbst und Cöthen soll das polyvalente
Serum mit günstigem Erfolg benutzt worden sein; auch in
Elsaß-Lothringen wurde erfolgreich gegen Schweineseuche
geimpft. Bei Mischerkrankungen von Schweineseuche undSchweine-
pest blieb die Impfung wirkungslos.
Ein Verbot der Märkte wurde wegen vermehrten Auf¬
tretens der Schweineseuche im Regierungsbezirk Lüneburg für
den ganzen Umfang erlassen. Die Seuche ging hierauf zurück,
doch hatte das Marktverbot unverkennbar wirtschaftliche Nach-
720
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
teile im Gefolge. Auch in Bayern wurde wiederholt ein Markt¬
verbot ausgesprochen. Der Erfolg war günstig. In Hamburg
hatte die Ausschließung von Schweinen vom Markte und das
Verbot des Handels mit Schweinen im Umherziehen keinen Ein¬
fluß auf die Seuchentilgung gehabt. Die Einwohner deckten
ihren Bedarf auf benachbarten auswärtigen Märkten.
Über Mischerkrankungen von Schweineseuche und Schweine¬
pest mit akutem Verlauf wird aus Mecklenburg-Schwerin und
Anhalt berichtet. Aus Hamburg wird mitgeteilt, daß die der¬
zeitig zur Bekämpfung der Schweineseuche erlassenen Maßnahmen
vollständig versagt haben.
Die Geflügelcholera.
Diese Seuche hatte im Berichtsjahre räumlich zugenommen,
es wurden 1164 Gemeinden usw. und 2700 Gehöfte betroffen.
Insgesamt erkrankten 74 329 Stück Geflügel, 33,5 Proz. mehr
wie 1905. Die höchsten Verlustziffern entfallen auf die
Regierungsbezirke Potsdam (24 538), Marienwerder (7583),
Allenstein (6064), Bromberg (6002), sowie auf die Kreise
Niederbarnim (11 452), Oberbarnim (8436), Teltow (3163),
Löbau (3082), Eupen (2928) und Osterode Ostpr. (1913).
In zahlreichen Fällen ist die Geflügelcholera aus dem Aus¬
lande in das Reich eingeschleppt worden, doch gelang es meist,
eine Seuchenverbreitung zu verhüten, mehrfach ist aber eine
Verbreitung im Inlande erfolgt. Aus Rußland haben 145 mal
Seucheneinschleppungen festgestellt werden können, aus Österreich-
Ungarn 16 mal, aus Italien 4 mal, aus der Schweiz lmal. Ver¬
schleppungen der Geflügelcholera aus einem Bundesstaat in den
anderen haben ebenfalls wiederholt stattgefunden, aus Preußen
allein 14 mal nach Sachsen. In sehr zahlreichen Fällen waren
die Tiere bestimmt oder doch wahrscheinlich schon erkrankt,
als sie in den Besitz der betreffenden Eigentümer gelangten.
Aus Elsaß-Lothringen wird berichtet, daß die Anzeige von
Seuchenausbrüchen in der Mehrzahl der Fälle unterlassen worden
ist. In einem solchen Falle erkannte das Schöffengericht auf
Freisprechung, weil das plötzliche Verenden von 46 Hühnern
an einem Tage den Verdacht auf das Herrschen einer Seuche
nicht erwecken müsse. Im Kreise Osterode (Ostpr.) wurden
aus einer Gemeinde an Geflügelcholera erkranktes und ge¬
schlachtetes Geflügel ausgeführt, wodurch eine Seuchen Verbreitung
in einer anderen Gemeinde hervorgerufen wurde, das gleiche
geschah durch Ausfuhr seuchekranken geschlachteten Geflügels
im Kreise Pyritz (Pommern). Im Kreise Putzig (VVestpr.) er¬
folgte die Verbreitung in einem Falle von einem verseuchten
Dorfteiche aus. Im Kreise Leobschütz (Oberschi.) wurden
Geflügelkadaver in ein fließendes Gewässer geworfen, wodurch
die Geflügelcholera mehrere Kilometer verschleppt wurde. Im
Kreise Oachersleben verheimlichte ein Geflügelhändler das Fort¬
bestehen der Seuche in seinem Bestände. Die Sperrmaßregeln
wurden daher zu früh aufgehoben und die Geflügelcholera ver¬
breitete sich durch Verkauf von Gänsen in 3 weitere Qehöfte.
Auf mangelhafte Desinfektion wurde nur ein Seuchen¬
ausbruch im Kreise Weißensee (Sachsen) zurückgeführt. Im
Reg.-Bez. Magdeburg soll eine Seuchenverschleppung trotz
vorschriftsmäßiger Ausführung der Sperrmaßnahmen durch
Massenkäufe erfolgt sein.
Die Ermittlung der Seuche fand in 45 Fällen auf dem
Magerviehhofe in Friedrichsfelde statt.
Durch polizeilich angeordnete Untersuchungen der durch die
Seuche gefährdeten Tiere wurde im Kreise Osterode (Ostpr.)
56 mal Geflügelcholera festgestellt, im Kreise Wiesbaden einmal,
in Schwarzburg-Sondershausen in 7 Gemeinden und 28 Gehöften.
Die sicher ermittelten Inkubationszeiten schwanken zwischen
30 Stunden und zwei Tagen.
Die Hühnerpest
Es wurden betroffen 41 Gemeinden usw. und 46 Gehöfte.
Gefallen oder getötet, sind 957 Hühner und 72 Gänse, 20 Proz.
mehr wie 1905. Die stärksten Verlustziffern wiesen auf die
Reg.-Bez. Marienwerder (264), Braunschweig (145), Allenstein
(107), Oberbayern (67) und die Kreise Briesen (148) und
Blankenburg (145).
Nach den im Herzogtum Lauenburg gemachten Erfahrungen
betrug die Inkubationsdaüer zwei Tage.
Gehirn-Rückenmarksentzündung der Pferde.
(Bornasche Krankheit.)
Die Anzeigepflicht für diese Krankheit besteht nur für die
Provinz Sachsen und das Königreich Sachsen. Eis wurden ins¬
gesamt betroffen 224 Gemeinden und 266 Gehöfte, davon ent¬
fallen auf die Provinz Sachsen 58 und 62, auf das Königreich
173 und 208. Es erkrankten 275 Pferde, von denen 220 ver¬
endeten oder getötet wurden == 80 Proz. Die Zahl der neu¬
betroffenen Gehöfte hat in der Provinz Sachsen um 16 Proz.
zngenoinmen, im Königreich um 17 Proz. abgenommen, die der
erkrankten Pferde um 19,2 Proz. zugenommen bzw. 19,3 Proz.
abgenommen. Die am meisten betroffenen preußischen Kreise
waren Delitzsch mit 14 Gehöften und 15 Erkrankungen und
Eckartsberga mit 10 Gehöften und 10 Erkrankungen; die am
meisten betroffenen sächsischen Amtshauptmannschaften Flöha
(36 und 36) und Chemnitz (32 und 32). Im zweiten Viertel¬
jahr trat die Seuche am stärksten auf. Der Reg.-Bez. Magde¬
burg und die Kreishauptmannschaft Bautzen blieben seuchefrei.
Gehirnentzündung der Pferde.
Für diese Krankheit besteht eine Anzeigepflicht nur im
Königreich Sachsen. Es wurden 199 Gemeinden und 266 Gehöfte
mit 268 Erkrankungen betroffen. Von den erkrankten Pferden
verendeten oder wurden getötet 162 — 60 Proz., die Krankheit
ist seit vorigem Jahr ein wenig zurückgegangen. Die größte
I Verbreitung zeigten die Kreishauptmannschaften Dresden
| (54 Gemeinden und 81 Gehöfte) und Bautzen (52 und 70).
Die meisten Erkrankungen wurden ermittelt in den Amts-
hauptmannschaften Löbau (29), Dresden Stadt (25) und
Plauen (17).
Die Influenza der Pferde.
Diese Krankheit ist bisher nur in der Provinz Ostpreußen
und im Königreich Sachsen anzeigepflichtig. Es liegen über
diese Seuche aber Mitteilungen vor aus Preußen, Bayern,
Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Braunschweig, Anhalt,
Schwarzburg-Sondershausen und Reuß j. L. Diese Mitteilungen
sind aber als zuverlässig nicht zu erachten. In Preußen sind
an der Influenza verendet gemeldet 323 Pferde, davon allein
in Ostpreußen 289 (Königsberg 203, Gumbinnen 50 und Allen-
steiii 36). In Bayern wurden an Influenza erkrankt gemeldet
189 Pferde, davon sind 10 gefallen, in Sachsen sind 313 er¬
krankt und 17 gefallen. In Württemberg erkrankten in zwei
Gehöften je ein Pferd, in Baden wurden 6 Gehöfte betroffen,
in Braunschweig 35 Gehöfte, der Verlust betrug 6 Proz., in
Anhalt 14 Gehöfte, in Schwarzburg-Sondershausen und in Reuß
j. L. je ein Gehöft. Meist trat die Influenza iu der Form der
Brustseuche auf, häufig jedoch auch als Pferdestaupe.
1. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
721
Eine Einschleppung der Influenza aus dem Auslande ist
einmal aus Böhmen nach Sachsen festgestellt worden.
Verschleppungen aus einem Bundesstaat in den andern
haben mehlfach stattgefunden. In 9 Fällen wurde ermittelt,
daß Pferde beim Übergang in neuen Besitz bereits mit der
Influenza behaftet waren. Im Kreise Labiau, Ostpr., soll mangel¬
hafte Durchführung der Sperrmaßregeln die Ausbreitung der
Seuche verursacht haben. Aus dem Reg.-Bez. Königsberg wird
berichtet, daß der Verkauf von Militärpferden die Seuche auf
Pferdebestände der Zivilbevölkerung weiterverbreitet hat. Der
rege Fuhrwerksverkehr vom Lande nach der Stadt Königsberg
hat die Seuchenverbreitung dann noch sehr begünstigt. Auch
die Düngerabfuhr aus verseuchten Ställen hat zu neuen Seuchen¬
ausbrüchen Anlaß gegeben. Es wurde auch beobachtet, daß
durchgeseuchte Pferde trotz sorgfältiger Stalldesinfektion die
Seuche übertragen haben. Die Beobachtungen in betreff der
Inkubationsfrist schwankten zwischen 5 und 25 Tagen.
Ansteckender Scheidenkatarrh der Rinder.
Hierfür besteht Anzeigepflicht nur in Sachsen-Altenburg.
Es sind in 39 Gemeinden und 72 Gehöften 511 Rinder erkrankt,
von denen eins getötet wurde.
In Schwarzburg-Rudolstadt wurden im Laufe des Jahres
12 Gehöfte mit 164 Erkrankungen betroffen.
Die Druse der Pferde.
Diese Seuche ist für Ostpreußen seit 1. Juni 1905 anzeige¬
pflichtig. Es erkrankten hier im Berichtsjahre 6623 Pferde bei
einem Bestände von 21 104 Tieren; von diesen fielen 513 =
7„7 Proz. Im Laufe des Jahres wurden 960 Gehöfte in 803 Ge¬
meinden neu durch Druse betroffen. Die höchsten Erkrenkupgs-
un^ Verlustziffern wiesen auf die Kreise Rasteuburg (523 und
31), Ragnit (519 und 27), Gumbinnen (405 und 47), Pillkallen
(395 und 25), Pr. Eylau (388 und 25), Heilsberg (378 und 20)
und Darkehmen (376 und 28).
Die Druse wurde in einem Falle auf dem Pferdemarkt in
Gumbinnen festgestellt. Im Kreise Pr. Holland fand eine all¬
gemeine Untersuchung der Pferde nach dem Weidegang statt,
Wobei in fünf Gehöften die Druse festgestellt wurde. Pr.
Tätigkeit der Institute der Landwirtschafts-Kammern
im Dienste der Seuchentilgung.
Zur Bekämpfung der Rindertuberkulose.
(Aus den Berichten der Landwirtschaftskanimern.)
Der Bericht des Instituts zu Halle für das Jahr 1906,07
stellt fest, daß überall da, wo das seit 1903 eingeführte
Ostertagsche Verfahren, bestehend in Ausmerzung der ge¬
fährlich tuberkulösen Tiere und tuberkulosefreie Aufzucht der
Kälber, streng durchgeführt ist, ein wesentlicher Rückgang der
Seuche zu verzeichnen war. Die Kopfzahl der dem Verfahren
an geschlossenen Bestände belief sich am Ende des Berichts¬
jahres auf 266 Bullen und 5 129 Kühe. Bei den klinischen
Untersuchungen ergab sich, daß die von Robert und Ellinger
empfohlene Lungenprobe (zeitweises Zuhalten von Maul und
Nasenlöchern mit einem Tuch im Stalle) bei der Diagnose gute
Dienste leistet. Bei der Einsendung von Milchproben, deren
Haltbarmachung .umständlich war, ist dadurch eine wesentliche
Verbesserung erzielt worden, daß in die 100 ccm Milch fassenden
Probeflaschen vor ihrem Gebrauch 0,5 g Acidum boricum ein¬
gefüllt werden; dieses Konservierungsmittel erhält die Milch
lange untersuchungsfähig, ohne den mikroskopischen Nachweis
zu beeinträchtigen. Von den im Berichtsjahr untersuchten
5 395 Tieren litten an offener Tuberkulose 125, davon an
Lungentuberkulose 121 und an Eutertuberkulose 9, was einen
Rückgang ergibt. Da es sich bei der Kälberaufzucht gezeigt
hat, daß die Ernährung mit abgekochter Milch praktisch schwer
durchführbar ist, so ist neuerdings empfohlen worden, statt
dessen die Ammenmilch solcher Kühe zu verabreichen, die sich
klinisch frei von offener Tuberkulose erwiesen haben und der
Tuberkulinprobe unterworfen worden sind. Da wiederholt beob¬
achtet ist, daß in nahezu seuchefreien Beständen die Tuber¬
kulose wieder aufblühte, wenn zur Blutauffrischung Zuchttiere,
die an Tuberkulose litten, eingestellt waren, so wurde eine
sachverständige Untersuchung des angekauften Zuchtmaterials
empfohlen. Damit in jedem Falle die Richtigkeit der Diagnose
bei den klinisch ermittelten Fällen sichergestellt werden kann,
ist den Züchtern der Vorschlag gemacht, beim Verkauf der
Tiere vom Schlächter ein Attest über das Ergebnis der Schlacht¬
vieh- und Fleischbeschau einzufordern, das unentgeltlich auf
jedem Schlachthof ausgestellt wird. In zwei Beständen wurde
das Behringsche Immunisierungsverfahren abgebrochen, nach-
| dem sich gezeigt hatte, daß in Beständen mit latent verlaufenden
Kälberkrankheiten die Impfungen einen direkt tödlichen Einfluß
haben können.
Im Bereich der Landwirtschaftskammer für Sehleswig-
Holstein ist die Kopfzahl der dem 0stertagsehen Verfahren
angeschlossenen Bestände auf 36 000 gestiegen. Die Unter¬
suchung wird von Tierärzten des Instituts ausgeführt; sie findet
im Stalle selbst statt zu einer Zeit, wo die Rinder nach der
Fütterung ruhen; es ist dann sehr wohl möglich, Veränderungen
an den Lungen festzustellen. Den Immunisierungsversuchen
nach Behring und Koch-Schütz stellte sich auch hier die
Tatsache entgegen, daß bei der starken Verbreitung der Kälber¬
krankheiten vielfach Verschlimmerungen durch die Impfungen
eintraten, so daß viele Besitzer von den Impfungen Abstand
nahmen.
Im Bereich der Landwirtschaftskammer für Pommern
wurden klinisch auf offene Tuberkulose 218 Bestände mit
22 356 Rindern untersucht. Bei 135 Stück gleich 0,60 Prozent
wurde offene Tuberkulose nachgewiesen, davon Lungentuberkulose
bei 90 Rindern, Eutertuberkulose bei 45 Kühen. Von 842 ge¬
körten und nichtgekörten Bullen wurde keiner mit Tuberkulose
behaftet gefunden, von 4 766 gekörten Kühen 0,92 Proz., von
8 452 nichtgekörten 1,03 Proz., von 7 868 Stück Jungvieh
0,05 Proz.
Die Landwirtschaftskammer für die Provinz Ostpreußen,
welche das hisherige Laboratorium der ostpreußischen Holländer
Herdbuchgesellschaft übernommen hat, sieht bei der Durchführung
der klinischen Untersuchungen auf Tuberkulose von der An¬
stellung von Tierärzten ab, ist vielmehr der sehr richtigen
Ansicht, daß die Untersuchung den Tierärzten der Provinz
überlassen werden müsse, wie denn überhaupt auch in anderen
Fragen die Versuchsanstalt bei der Sanierung der Viehbestände
mit den Tierärzten der Provinz Zusammenarbeiten muß. Um
den Tierärzten Gelegenheit zu geben, sich mit den zu über¬
tragenden Aufgaben vertraut zu machen, wurden in Königsberg
im vorigen Jahre Besprechungen abgehalten, zu denen alle
Tierärzte der Provinz eingeladen waren, und an denen je 60
bis 70 Herren teilnahmen. Auf dem Schlachthof wurde gleich¬
zeitig das Verfahren praktisch vorgeführt, wozu die Landwirt-
722
schaftskammer 10 Kühe mit klinisch erkennbarer Tuberkulose
augekauft hatte. Im ganzen unterliegen in Ostpreußen zurzeit
etwa 21 000 erwachsene Kinder einer systematischen Tuber¬
kulosebekämpfung, wozu etwa dieselbe Zahl an Kälbern und
Jungvieh kommen dürfte. Über die Immunisierung nach Behring
wird im allgemeinen kein günstiges Urteil gefällt; der Schutz
vor Ansteckung gegenüber offener Lungentuberkulose sei nicht
groß genug und könne auch in verhältnismäßig kurzer Zeit
verloren gehen. Damit dürfe die Hoffnung zu Grabe getragen
werden, daß die Immunisierung für sich allein im Kampfe
gegen die Rindertuberkulose eine größere praktische Bedeutung
gewinnen werde; nicht ausgemacht sei es, ob sie nicht doch im
Verein mit einem anderen Verfahren von Nutzen sein werde.
Die Lösung des ganzen Problems der Tuberkulosebekämpfung
liegt offenbar in dem Schutz der Nachzucht. Bei der Ernährung
derselben ist gegenüber der Verabreichung gekochter Vollmilch
die Verwendung der Milch von Ammenkühen, die einer strengen
Kontrolle unterstehen, auch hier als besonders empfehlenswert
bezeichnet. Hinsichtlich der Verfütterung von Magermilch muß
die Abkochung unbedingt gefordert werden, namentlich wenn die
Milch aus Meiereien bezogen wird. Wird die Ernährung der
Kälber so gestaltet und kommen die Kälber nie mit den alten
Tieren wieder zusammen, so läßt sich in wenigen Jahren ein
völlig tuberkulosefreier Bestand schaffen. Mindestens muß man
bemüht sein, eine Trennung des Jungviehs während der ersten
zwei bis drei Jahre durchznftihren, denn erfahrungsgemäß er¬
eignet sich die Infektion vorwiegend während dieser Zeit. Eine
Tuberkulosebekämpfung ohne Trennung der Kälber wird nur
einen verschwindenden Wert haben. Daneben kommen dann die
periodischen klinischen Untersuchungen durch einen Vertrauens¬
tierarzt in Betracht. Die Landwirtschaftskammer sucht das
Übel dadurch an der Wurzel zu fassen, daß zunächst in den
Meiereien Wandel geschaffen wird. Die Durchführung der
klinischen Maßnahmen muß einem Vertrauenstierarzt übertragen
werden, den zu wählen den einzelnen Besitzern, Meiereien und
Korporationen völlig überlassen ist; die Kammer behält sich nur
die Leitung der Maßnahmen im allgemeinen und die bakterio¬
logischen Untersuchungen vor.
Zur Bekämpfung der Kälberseuchen.
(Aus den Berichten der Lnndwirtächartsknminern.)
Im Bezirk der sächsischen Kammer sind im Berichtsjahr
997 Kälber gegen Ruhr geimpft worden, von denen 88,5 Proz.
am Leben blieben, während von 376 nichtgeimpften nur 35 Proz.
erhalten wurden; freilich sind die Erfolge in den einzelnen
Beständen ungleichartig. Im allgemeinen läßt sich aber ein
Steigen des Erfolges nachweisen; denn es blieben von den Ge¬
impften am Leben 1904: 71 Proz., 1905: 72,5 Proz., 1906:
76,8 Proz. und 1907: 88,5 Proz. Die Serumherstellung wird
im vergrößerten Maßstabe fortgesetzt. Zur Bekämpfung der
ansteckenden Lungenentzündung wurde das Ga ns sehe Pneu-
monieserum in erheblich erweitertem Umfänge (8 180 ccm) an-
gewendet.
Im Bezirk der Kammer von Schleswig-Holstein hat die
Abgabe von Sernmpriiparaten, deren Vertrieb das Institut seit
1905 übernommen hat, sehr an Ausdehnung zugenommen. Es
wurden 3-130 Dosen gegen Kälberruhr, 2 535 Dosen gegen
Lungenentzündung abgegeben. Die Erfolge waren in Beständen,
wo es sich um reine Ruhr handelte, sehr günstig; Mißerfolge
No. 40.
zeigten sich in denjenigen Beständen, wo die bisher als toxische
Ruhr bezeichnete Seuche herrschte. Die Untersuchung dieser
Form ergibt, daß es sich um Septikämie handelt; die Keime
gehören zur Gruppe der hämorrhagischen Septikämien. Ob sie
mit den Erregern der ansteckenden Lungenentzündung ver¬
wandt sind, ist fraglich, zumal das Pneumonieserum versagt.
Die Krankheit endet in 1—2 Tagen tödlich, meist ohne deut¬
lichen Durchfall. Diese Septikämie der Kälber ist zu einer
großen Kalamität geworden, da die vorhandenen Mittel in keiner
Weise schützen. Man hat daher Versuche begannen, ein be¬
sonderes Serum dagegen herzustellen. Bei ansteckender Lungen¬
entzündung wurde das Gans sehe Pneumonieserum angewandt,
und die Berichte lauten günstig.
Die pommer8che Landwirtschaftskaramer hat 2952 Impf¬
dosen für Kälberruhr ausgegeben mit 29 520 ccm. Neuerdings
werden zur Herstellung dieses Serums nur noch Rinder ver¬
wendet, da das früher verwendete Hammelserum keine Vorteile
hatte. Gegen die gar nicht so seltene chronische Ruhr ist das
Immunserum aussichtslos, weil der Tierkörper dasselbe nach
zwei bis vier Wochen wieder ausscheidet.
Aus dem Bericht der ostpreußischen Landwirtschafts¬
kammer ergibt sich, daß die Kälberkrankheiten eine außer¬
ordentliche Verbreitung haben, und zwar sowohl die eigentlichen
Nabelerkrankungen, als auch die Kälberruhr und die Lungen¬
entzündung. Bei der Bekämpfung der Erkrankungen kommt es
darauf an, die Infektion zu verhüten, und zwar sowohl vom
Nabel aus, als vom Darm und von den Atmungswegen aus.
Hier kommen zunächst in Betracht die bekannten Poelsscl^en
Vorschriften über Desinfektion des Nabels und Verhinderung
der Darminfektion durch a) sofortige Verabreichung von J /4 Liter
kuhwarmer, sauber in Flaschen gemolkener Muttermilch, die die
Bildung von Magen- und Darmsäften anregt und den Darm
widerstandsfähig macht, und b) Anlegen eines aus Weidengeflecht
bestehenden Maulkorbes während der ersten fünf Tage, um die
Aufnahme von Keimen aus dem Stallboden zu verhüten. Günstig
ist es, wenn die Kühe in einem besonderen Stalle abkalben, der
dann jedesmal gründlich zu reinigen ist. Gegen die in Ost¬
preußen besonders in Betracht kommende Infektion der Atmungs¬
wege ist die sofortige Einspritzung eines Serums gegen die
septische Pneumonie durchaus zu empfehlen.
Schutzimpfungen gegen Schweineseuchen.
(Aus den Berichten der Laudwirtschaftakammorn.)
Von dem Institut der Landwirtschaftskammer zu Halle ist
der Vertrieb des polyvalenten Schweineseucheserums nach
Ostertag-Wassermann beibehalten worden in Verbindung mit
Gesundheitskontrolle schweineseuchefreier Bestände. Im Berichts¬
jahr 190(5/07 wurden 45 000 ccm Serum abgegeben. Gegen den
Rotlauf wurde die Lorenz sehe Schutzimpfung angewandt, wobei
812 149 ccm Serum und 169 275 ccm Kulturen zur Versendung
gelangten. Dies ergibt ungefähr 162 000 Impfungen, von denen
auf die Provinz Sachsen allein 136 000, die übrigen auf die
thüringischen Staaten entfallen. Entschädigt brauchten nur
25 Schweine, gleich 0,015 Proz., zu werden.
Im Bereich der Landwirtschaftskammer zu Kiel wird ein
erheblicher Rückgang der chronischen Schweineseuche konstatiert.
Im Berichtsjahr wmrden über 40 000 ccm Schweineseucheserum,
zirka 6 000 ccm Schweinepestserum und 196 000 ccm Rotlauf¬
serum versandt.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
1. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Nachweisung über den Stand der Tierseuchen In Deutschland
vom 15. September 1908.
Die Zahlen bedenten die Kreise (Oberamtsbezirke) usw., eingeklammert die Gemeinden.
Schweineseuche und Schweinepest.
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Marienwerder .
11
28
12
Pfalz.
—
—
Berlin.
—
—
—
Oberpfalz.
1
1
Potsdam . . . .
11
46
18
Oberfranken . . .
—
—
Frankfurt....
16
47
17
Mittelfranken. . .
2
2
Stettin.
8
20
11
Unterfranken. -» .
1
T
Köslin.
7
35
18
Schwaben.
3
3
Stralsund . . . .
—
—
—
Württemberg .
5
6
Posen .
20
75
23
Sachsen.
5
7
Bromberg ....
12
92
41
Baden .
9
10
Breslau.
23
162
43
Hessen.
4
10
Liegnitz.
18
121
43
Meckl.-Schwerin
6
10
Oppeln.
12
33
12
M e c k l.-Strelitz .
2
4
Magdeburg . . .
7
11
8
Oldenburg . . .
8
15
Merseburg . . .
9
11
5
Sachs.-Weimar.
3
9
Erfurt.
4
15
26
Sachs.-Meiningcn
1
3
Schleswig . . .
11
28
13
Sachs.-Altenburg
1
2
Hannover ....
5
8
13
Sachs.-Kob.-Got.
1
1
Hildesheim . . .
7
8
11
Anhalt .
2
2
Lüneburg ....
4
12
8
Braunschweig
4
11
Stade.
3
10
14
Sch warzb.-Sond.
1
1
Osnabrück . . .
5
9
16
Schwarzb.-Rud.
—
—
Aurich.
1
1
3
Reuß ä. L.
—
—
Münster .
9
15
56
Reuß j. L .
—
—
Minden .
4'
7
14
Schaumb.-Lippe
1
1
Arnsberg ....
13
25
29
Lippe-Detmold .
8
24
Kassel .
9
33
20
Hamburg ....
3
4
Wiesbaden . . .
8
26
28
Lübeck .
—
—
Koblenz .
7
23
22
Bremen .
1
1
Düsseldorf . . .
10
30
70
Elsaß .
2
2
Köln .
4
5
17
Lothringen . .
3
4
Trier.
5
9
8
Aachen .
3
1 3
8
Mau
1- und Klauenseuche.
Regierungsbezirk usw.
bzw. Staat
(♦ =* neu verseucht)
fl
| Gegenüber d. 15. August
Kreise
'S
fl
*©
a
©
o
Gehöfte
Kreise
Gemein¬
den
Gehöfte
Preußen:
♦Stettin.
1
2
2
+ 1
+ 2
+ 2
Köslin . . . . .
0
o
0
— 1
- 2
— 5
Posen .
o
0
0
— 1
— 2
— 4
Münster.
1
1
3
— 1
— 3
— 24
Minden.
0
0
0
— 1
— 2
Arnsberg ....
0
0
0
- 3
— 4
— 12
♦Trier.
1
2
2
4- 1
+ 2
+ 2
Preußen zusammen
3
! 5
7
— 5
- 8
- 43
Bayern:
Oberbayern ....
6
!
11 !
31
+ r>
+ 9
4- 29
♦Pfalz.
2
4 ‘
6
+ 2
+ 4
4- 6
♦Oberfranken . . .
1
1 1
1
+ 1
4- 1
+ i
Schwaben ....
1
1 1
8
_ 2
— 2
4- 5
Baden:
♦Freiburg.
1
1
2
+ 1
+ 1
+ 2
♦Mannheim ....
1
l !
1
+ 1
+ 1
4- i
Elsaß-Lothringen :
1
♦Unter-Elsaß . . *
4
9
12
+ 4
+ 9
4- 12
♦Ober-Elsaß ....
1
1
3
+ 1
+ i
4- 3
♦Lothringen ....
5
9
12
4" ^
+ 9
4- 12
Zusammen
25
43
83
+ 13
-f 25
+ 28
Rotz.
Preußen: In den Reg.-Bez. Köslin, Liegnitz je 1 (1), Stadtkreis
Berlin 1 (2), in den Reg.-Bez. Posen 2 (3), Oppeln 3 (3), Marien¬
werder 3 (4), Köln 4 (13), Potsdam, Breslau je 5 (5), Bromberg 6 (6).
Zusammen 43 Gemeinden (39 im August).
Lungenseuche.
Preußen: Stadtkreis Berlin 1 (1), in den Reg.-Bez. Bromberg
1 (I), Marienwerder 3 (3).
S ac h s cn - C ob u rg - G o th a: Herzogtum Gotha 1 (1).
Zusammen 6 Gemeinden d am 15. August), davon 5 auf Preußen
(C> im August).
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
Peroxydasen.
Von Tierarzt Schellhase-Stettin.
Die Unterscheidung von roher und gekochter bzw. auf
ca. 80° erhitzter Milch hat eine große praktische Bedeutung,
weil eine ganze Reihe von Krankheiten, wie z. B. Tuberkulose,
Maul- und Klauenseuche usw. durch rohe Milch verbreitet
werden kann und aus diesem Grunde bisweilen ein Erhitzen
bzw. Kochen der in den Verkehr gelangenden Milch zwecks
Abtötung der pathogenen Keime notwendig ist. Man hat nun,
um eine solche Unterscheidung zu ermöglichen, eine ganze
Anzahl von Methoden ausgearbeitet, die alle auf der Tatsache
beruhen, daß mit dem Erhitzen auf ca. 80 0 tiefgreifende Ver¬
änderungen in der feineren Zusammensetzung der Milch Hand
in Hand gehen, die freilich grobsinnlich nicht wahrnehmbar,
sondern nur mit besonderen Hilfsmitteln nachweisbar sind. Vor
allem werden durch Erhitzen auf bestimmte Temperaturen
Fermente, von denen eine ganze Anzahl in der Milch nacli-
gewiesen sind, zerstört. Uns interessieren hier nur die durch
Erhitzung auf ca. 80° C. zerstörbaren oxydierenden Fermente,
die in den meisten Milchsorten enthalten sind und die wir durch
Zusatz von leicht oxydablen Substanzen und Wasserstoffsuperoxyd
in roher Milch leicht nachweisen können, während gekochte
Milch, weil frei von oxydierenden Fermenten, diese Reaktionen
nicht gibt. Die Peroxydasen wirken in der Weise, daß sie bei
Gegenwart von Peroxyden, z. B. H 2 0 2 , leicht oxydable Stoffe
wie z. B. Guajakol oxydieren, indem sie von dem Peroxyd
Sauerstoff abspalten und auf das Guajakol übertragen. Außerdem
sollen in der Milch noch direkte Oxydasen vorhanden sein, die
ohne Gegenwart von Peroxyden Oxydationen einleiten, indem sie
Luftsauerstoff übertragen.
Die gebräuchlichsten und bekanntesten Reaktionen, die ich
kurz schildern möchte, sind die Arnoldsche Guajaktinkturprobe,
die Storch sehe Paraphenylendiaminreaktion und die Guajakol-
probe. Die Arnoldsche Probe wurde ursprünglich ohne H 2 0 2 -
Zusatz in der Weise ausgeführt, daß man alte Guajaktinktur
mit Milch mischte oder auf Milch tropfen ließ; sie ist auch als
Peroxydasereaktion aufzufassen, denn ganz frische Tinktur, die
kein Wasserstoffsuperoxyd enthält, gibt keine Reaktion; dagegen
fällt die Reaktion auch mit frischer-Tinktur positiv aus, wenn
man etwas Wasserstoffsuperoxyd hinzusetzt (nach Zink). Daß
alte Tinktur auch ohne H 2 0 2 -Zusatz eine Reaktion gibt, erklärt
Liebermann durch die Annahme, daß sich die Tinktur das
Peroxyd aus dem Sauerstoff der Luft bereitet. Man führt die
Reaktion in der Weise aus, daß man einige Tropfen Tinktur
auf die in einem Reagenzröhrchen befindliche Milch fallen läßt
und zur Verschärfung resp. bei Verwendung von frischen
724
Tinkturen einen Tropfen einer schwachen H,O a -Lösung hinzufügt.
Einige Forscher ziehen dieser Schicht- oder Kingprobe die
Mischprobe vor, indem sie Milch und aktive Tinktur im Ver¬
hältnis von 10:1 oder 5: 1 mischen. Bei positivem Ausfall
tritt ein blauer Ring resp. im Gemisch Blaufärbung auf. Bei
der Guajakolreaktion mischt man Milch mit einigen Tropfen
einer 20 proz. alkoholischen Guajakollösung und setzt etwas
H a 0 2 -Lösung zu, worauf sich nach Umschütteln bei Vorhandensein
von Peroxydase, das Gemisch orange färbt. In derselben Weise
kann man die Paraphenylendiaminprobe, die sich durch Grau-
bzw. Schwarzfärbung charakterisiert, ausführen. Letztere Probe
ist zwar sehr empfindlich, hat aber den Nachteil, daß auch ge¬
kochte Milch allmählich eine Reaktion gibt, da, wie sich leicht
nachweisen läßt, H 9 0 2 schon für sich Paraphenylendiamin zu
oxydieren in der Lage ist. Ferner ist bemerkenswert, daß ge¬
nanntes Reagens auch ohne H a (VZusatz von roher Milch ver¬
ändert, d. h. schwach aber deutlich dunkel gefärbt wird, eine
Reaktion, die man auf direkte Oxydasen zurückführen müßte.
Die Forschungen haben nun ergeben, daß der Oxydasen-
gehalt der verschiedenen Milcharten ein verschiedener ist, und
insbesondere hat es sich herausgestellt, daß Frauenmilch sehr
wenig Peroxydasen enthält. Nach den Forschern, die sich
speziell mit Frauenmilch beschäftigten, soll diese keine oder
höchstens nur ganz schwache Guajaktinkturreaktion, dagegen
eine schwache aber deutliche Guajakolreaktion geben. Bei den
Versuchen, die ich auf Anregung des Herrn Prof. Dr. Koeppel
in dessen Laboratorium daraufhin anstellte, konnte ich diese
Angaben bestätigen; ich erhielt niemals, auch nicht mit H 3 0 3 -
Zusatz, eine positive Guajaktinkturreaktion, immer eine mehr
oder weniger starke Guajakolreaktion. Dagegen gelang es mir,
nachzuweisen, daß auch Frauenmilch immer eine
Guajaktinkturreaktion gibt, wenn man derselben
Guajakol zufügt. Es zeigt sich bezüglich der Intensität der
Reaktion ein Zusammenhang zwischen dieser und der Guajakol¬
reaktion, das heißt es tritt bei schwacher Guajakolreaktion
geringe und bei starker Guajakolreaktion intensive Bläuung auf.
Ferner konnte ich feststellen, daß auch bei Milchsorten, die, wie
zum Beispiel Kuh- und Ziegenmilch, gute Guajaktinkturreaktion
geben, diese durch Guajakolzusatz in außerordentlicher Weise
beeinflußt wird.
Wie ich eben schon angedeutet habe, hat Zink zuerst den
günstigen Einfluß H^CX, auf die Guajaktinkturreaktion fest¬
gestellt und den Zusatz H a 0 2 bei Ausführung der Reaktion
empfohlen. Weber dagegen fand anläßlich der Prüfung von
mit H 2 0 2 konservierten Milchproben, daß schwache Zusätze ohne
Einfluß, starke Zusätze geradezu schädlich für den Verlauf der
Reaktion seien. Zink meint nun, daß dieser Widerspruch viel¬
leicht darauf zurückzuführen sei, daß die Versuchsanordnung
eine andere bei Forschern gewesen. Er habe H 2 0 2 nach¬
träglich hinzugesetzt, Weber habe schon mit Hj 0 2 behandelte
Milch geprüft.
Nun haben meine Versuche ergeben, daß es tatsächlich
für den Verlauf der Reaktion von der größten Bedeu¬
tung ist, ob man H 2 0 2 anfänglich oder nachträglich d. h.
vor oder nach dem Tinkturzusatz hinzufügt.
1 bis 3 Tropfen einer 3,0proz. H 2 0,-Lösung zu etwa
lOcbcm Milch zugesetzt genügten, um die Guajaktinkturprobe
auch bei Verwendung von ganz alter aktiver Tinktur zu ver¬
hindern. Dagegen wurden immer positive Resultate selbst mit
No. 40.
ganz frischer Tinktur erhalten, wenn man H 2 0, nach dem Tink¬
turzusatz hinzugab. Die Konzentration der H^CVLösung schien
dabei ohne Bedeutung zu sein; denn selbst konzentrierte
30,0 proz. Lösungen in reichlicher Menge zugesetzt, ver-
anlaßten einen positiven Ausfall der Reaktion. Man muß dabei
berücksichtigen, daß bei dem anfänglichen Zusatz 1 bis 3 Tropfen
H a O a 3,0 proz. mit 10 cbcm Milch gemischt wurden, daß sich
demnach das H 3 O a in starker Verdünnung in der Milch befindet,
während bei dem nachträglichen Zusatz von 30,0 proz. H a O a sich
nur die obersten Schichten mit H 2 O a mischen und demnach diese
Schichten viel H 2 0 2 enthielten. Etwas anders liegen die Ver¬
hältnisse bei der Guajakolreaktion. Diese wird zwar auch aber
scheinbar geringerem Maße durch vorherigen HjO-j-Z usatz ge¬
schädigt. Während aber, wie schon angegeben, 1 bis 3 Tropfen
genügten, die Guajaktinkturreaktion zu verhindern, konnte ich
1 cbcm einer 3,0 proz. H 2 O a -Lösung zu 10 cbcm Milch hinzusetzen
und doch einen positiven, wenn auch schwachen Ausfall der
Guajakolreaktion konstatieren. Die zu diesen Versuchen ver¬
wandte Tinktur gab, wie sich bei vergleichenden Untersuchungen
herausstellte, ebenso scharfe Reaktionen wie die Guajakolprobe.
Es ist freilich hierbei zu berücksichtigen, daß die Guajaktinkturen
in ihrer Wirksamkeit sehr verschieden sind, was einmal auf das
Alter der Tinkturen dann aber auch darauf zurückzuführen ist,
daß das Guajakharz in seiner Zusammensetzung sehr inkonstant
ist. So loste sich das im Handel erhältliche nicht gepulverte
Guajakharz in Aceton oder Alkohol bis auf einen kleinen Rest,
während gepulvertes Guajakharz einen erheblich größeren unlös¬
lichen Rückstand hinterließ.
Einige Tropfen H 3 0 2 3 proz. genügten also, die Guajak¬
tinkturreaktion zu verhindern. Von Interesse war es natürlich
nur, festzustellen, wie Guajakol unter diesen Verhältnissen auf
die Tinkturreaktion wirkte. Ich konnte nachweisen, daß auch
die mit unseren Tropfen H 2 0 3 vermischte Milch eine
Guajaktinkturreaktion gibt, wenn man Guajakol (20proz.
alkoholische Lösung) hinzusetzt. Desgleichen übt Guajakol
einen günstigen Einfluß auf die genannte Reaktion ans, wenn
man an Stelle von Wasserstoffsuperoxyd Terpentinöl oder
Baryumsuperoxyd Sauerstoffquelle benutzt.
Aus meinen Versuchen geht also hervor, daß Guajakol, das
selbst auch als Reagens verwendet wird, einen ganz eigen¬
artigen Einfluß auf die Guajaktinkturreaktion selbst in den
Fällen, wo das Ferment durch H 2 0 2 vernichtet zu sein scheint,
ausübt. Es lag natürlich nahe, zu untersuchen, ob auch andere
Stoffe, die mit Milch und H 2 0 2 eine Reaktion geben, einen
Einfluß auf die genannte Probe ausüben oder ob dieser nur eine
zufällige Eigentümlichkeit des Guajakols sei. Es wurde demnach
eine Reihe von Stoffen, deren Reaktionsfähigkeit zum Teil von
de Jong und de Gr aff geprüft worden ist, untersucht und
zwar: Paraphenylendiamin, a-Naphthol, Hydrochinin, Resorcin,
Pyrrojallol, Brenzkatechin, Karbolsäure und Formaliu. Bis auf
Karbolsäure, das in 5 proz. wässeriger Lösung, und Formalin,
das in konzentrierter Form benutzt wurde, kamen 20proz. alko¬
holische Lösungen in Anwendung. Die Versuche wurden in der
Weise angestellt, daß der Milch zuerst zur Verhinderung der
Guajaktinkturreaktion H 2 0 2 , dann 3 Tropfen Tinktur zugesetzt
wurden und das Ganze dann vorsichtig mit dem zu prüfenden
Stoffe überschichtet wurde. Mit Formalin konnte wegen des
hohen spezifischen Gewichts natürlich keine Überschichtung erzielt
werden, vielmehr war eine Mischung bezüglich ein Zutropfen
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
1. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLIC HE WOCHENSCHRIFT.
725
erforderlich. Nach meinen Untersuchungen übten nun folgende
Stoffe einen Einfluß auf die Guajaktinktnrreaktion aus: a-Naphthol,
Hydrochinin, Brenzkatechin, Karbolsäure und Formalin. Bis auf
Formalin gaben all diese Stoffe, wie sich bei Versuchen, die in
dieser Hinsicht angestellt sind und die in der Tabelle angeführt
sind, herausstellte, mit Milch und HA eine Reaktion. Anderer¬
seits muß hervorgehoben werden, daß keineswegs alle Stoffe,
die mit Milch eine Farbenreaktion geben, wie z. B. Paraphenylen¬
diamin, die Guajaktinktnrreaktion beeinflussen. Ferner ist be¬
achtenswert, daß die Beeinflussung der genannten Reaktion durch
die oben angeführten Stoffe keineswegs eine gleichmäßige ist.
Als am wirksamsten erwiesen sich Guajakol und a-Naphthol, bei
denen es auch nicht notwendig war zu überschichten, die man
vielmehr ruhig hinzutropfen konnte, wodurch eine intensive
Bläuung der Tinktur erreicht wurde.
Weniger wirksam waren schon Karbolsäure, Brenzkatechin
und Formalin. Bei diesen traten abgesehen von Formalin beim
Zutropfen noch andere Farbentöne auf, die auf die spezifischen
Farbenreaktionen zurückzuführen sind. Beim Hydrochinon end¬
lich konnte man nur beim Überschichten eine schwache aber
reichliche Beeinflussung der Gnajaktinkturreaktion, die sich
durch einen schmalen, schwach blauen Ring charakterisiert,
nach weisen.
Frische Tinktur gibt ohne H 3 0,-Zusatz keine oder nur in
den seltensten Fällen eine ganz schwache Reaktion. Letzteres
habe ich nur einmal beobachten können. Wenn man die Tink¬
tur nun stehen läßt, so gibt sie mit Milch ohne H a O a -Zusatz
ganz schwache Reaktionen, die mit der Zunahme der Peroxyd¬
bildung in der Tinktur immer deutlicher werden. Da nun
Guajakol und die obenan geführten Stoffe diese Reaktion so
bedeutend beeinflussen, so war es wahrscheinlich, daß sich mit
Hilfe dieser Stoffe schon zu früheren Zeiten in jungen Tinkturen
das Auftreten von Peroxyden nachweisen ließ. Bei Versuchen,
die ich in dieser Richtung anstellte, zeigte es sich nun, daß
auch ganz frische Tinktur ohne H a O a bei Guajakolzusatz eine
Reaktion gibt. Demnach muß auch schon in ganz frischer
Tinktur ein Peroxyd vorhanden sein, wenn man nicht annehmen
will, was mir aber sehr unwahrscheinlich erscheint, daß direkte
Oxydasen hiebei eine Rolle spielen. Karbolsäure, Brenzkatechin
und Formalin — und Naphthol ist nicht geprüft worden — übten
keinen Einfluß auf den Verlauf der Reaktion bei Verwendung
frischer Tinktur aus.
Endlich suchte ich noch festzustellen, ob Guajakol auch
einen Einfluß auf unsere Reaktion ausübt, wenn man der Milch
vorher andere, die Guajaktinktur verhindernde oder verzögernde
Stoffe, z. B. Blausäure, hinzufügt, Auch in diesem Falle ließ
sich eine sehr deutliche Beeinflussung der Reaktion durch
Guajakol nachweisen.
Tabolle.
Kuhmilch.
I. a) Milch (ca. 10 ccm) -{- 2—3 Tropfen HA 3,0 Proz. -f
Guajaktinktur (aktive oder alte). (Schichtprobe): neg.
(Es werden 10°/ o Guajaksurgacetanlösungen benutzt.)
b) Milch -j- Guajaktinktur (frisch): neg.
c) Milch -f- Guajaktinktur (frisch) 4“ H a O a 1—2 Tropfen
0,3 ft /o : positiv (dunkelblau).
d) Milch Guajaktinktur (frisch) + H.,O a 1—2 Tropfen
3,0%: positiv (dunkelblau).
e) Milch -f- Guajaktinktur (frisch) 4* H a 0 a 1-2 Tropfen
30,0% positiv: blau.
f) Milch Guajaktinktur (frisch) 4" HA 5—10 Tropfen
30,0 % positiv: blau.
(Bei Vers, e und f ist die Blaufärbung nicht so intensiv wie
bei Vers, c und d.)
II. a) Milch (10 ccm) 4- 1 ccm H a O a 3,0% 4- Guajaktinktur: neg.
b) Milch (10 ccm) 4- 1 ccm HA 3,0% 4- Guajakol (20%)
positiv: schwach orange.
[Milch (10 ccm) 4“ 1 ccm H a O a 3,0% 4~ Guajakol (20 *'/ 0 )
4~Guajaktinktur: positiv, schwachorange4" schwach blau]
III. a) Milch (ca. 10 ccm) 4" 2—5 Tropfen HA 4* Guajak¬
tinktur: neg.
b) Milch (ca. 10 ccm) 4-2—5 Tropfen HA 4~ Guajakol
positiv: (orange) 4“ Guajaktinktur positiv: dunkelblau.
c) Milch (ca. 10 ccm) 4~ 2—3 Tropfen HA 4“ Guajaktinktur :
neg. 4 - Guajakol: positiv: iutensiv blau.
(Die schärfsten Reaktionen erhält man, wenn man den Versuch
in folgender Weise ausführt:
Milch -f- Guajaktinktur 4~ 1 Tropfen HA 0,3 % 4- Guajakol:
positiv intensiv blau.)
IV. a) Milch 4~ Guajaktinktur (frisch): neg.
b) Milch 4” Guajaktinktur (frisch): neg. 4” BaO a : positiv 4*
Guajakol: noch intensiver.
c) Milch 4~ Guajaktinktur (frisch) 4- Terpentinöl: positiv (hell¬
blau) 4 Guajakol: die Reaktion wird deutlicher.
V. a) Milch (ca. 10 cbem) 4 1—3 Tropfen H a O a 3% 4 Guajak¬
tinktur: neg.
b) Milch (ca. 10 ebem) 4" 1—3 Tropfen HA 3,0 % 4~ Guajak¬
tinktur: neg. 4“ Guajakol (20 %) positiv: blau.
c) Milch (ca. 10 ebem) -4 1—3 Tropfen H 2 0 a 3,0 % 4~ Guajak¬
tinktur: neg. 4* « Naphthol (20%) positiv: blau.
d) Milch (ca. 10 ebem) 4“ 1—3 Tropfen HA 3,0 % -4 Gnajak-
tinktur: neg. Carbolsäure (5%) positiv: blau.
e) Milch (ca. 10 ebem) 4” 1—3 Tropfen HA 3,0 % 4* Guajak¬
tinktur: neg. Hydrochinon (20 %) positiv (schwach).
f) Milch (ca. 10 ebem) 4-1—3 Tropfen H 2 0 2 3,0 % 4- Guajak¬
tinktur: neg. Itesorcin (20%) neg.
g) Milch (ca. 10 ebem) 4- 1—3 Tropfen HA 3,0 % 4- Guajak¬
tinktur: Pyrogallol (20 %) neg.
h) Milch (ca. 10 ebem) 4" 1—3 Tropfen H 2 0 3 3,0 % 4- Guajak¬
tinktur: Brenzkatechin (20 %) positiv (blau 4~ violett).
i) Milch (ca. 10 ebem) 4-1—3 Tropfen H 2 O a 3,0 % 4* Guajak¬
tinktur: Formalin (conc.) positiv (blau).
k) Milch (ca. 10 ebem) -4 1—3 Tropfen H 2 0 a 3,0 % 4 Guajak¬
tinktur: Paraphenylendiamin (2%) ne S*
VI. a) Milch 4” Guajakol (mischen) 4“ 1 Tropfen HA 0,3 %:
positiv (orange).
b) Milch er Naphthol (mischen) 4“ 1 Tropfen H 2 0 2 0,3 %:
positiv (grau bis grauschwarz).
c) Milch 4- Carbolsäure (5 %) (mischen) 4* 1 Tropfen II.,O.,
0,3 %: positiv gelb bis gelbbraun).
d) Milch 4- Hydrochina (mischen) 4" 1 Tropfen H 2 0 2 0,3 %:
positiv gelb bis orange.
e) Milch *4 Resorcin (mischen) 4" 1 Tropfen H.,0., 0,3%:
negativ.
f) Milch 4“ Pyrogallol (mischen)
positiv gelbgrün.
g) Milch 4- Formalin (mischen) 4~ 1 Tropfen R,0 2 0,3 %:
negativ.
h) Milch 4- Paraphenylendiamin (2 %) (mischen) 4~ 1 Tropfen
H 2 0 2 0,3%: positiv (grau bis schwarz).
VII. a) Milch 4* Guajaktinktur (frisch: neg.
b) „ -4 „ „ 4* Guajakol: positiv
(schwach blau).
c) „ 4~ „ »4* Carbolsäure: neg.
d) „ 4~ „ „4“ Brenzkatechin: neg.
e) „ 4“ v „4* Formalin: neg.
Es wurden zur Kontrolle Versuche mit gekochter Milch angestellt.
VIII. Guajakholztinktur (alt).
1. 10 ccm Milch-4 Guajakholztinktur: positiv: blau (schwache
Reaktion), durch H a O a keine Beeinflussung.
1 Tropfen HA 0,3 %:
No. 40.
726
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
2. 10 ccm Milch -f- 1 ccm Aq. Amygdal. ainarmn. -f- Guajak-
holztinktur: neg.
3. 10 ccm Milch -f- I ccm Aq. Amygdal. arnarum. -J- Guajak-
holztinktur -f~ II 3 0 a 1 Tropfen 0,3%: neg. |
4. 10 ccm Milch -f- 1 ccm Aq. Amygdal. arnarum. -f Guajak- i
holztinktur -j- ILO, 1 Tropfen 0,3 %-f- Guajakol: positiv. J
IX. Guajakharztinktur. 14 Tage alt. j
1. 10 ccm Milch -f- Tinktur: positiv, blau.
2. 10 ccm Milch -f- H a 0.j 0,3%: dunkelblau. !
3. 10 ccm Milch -f- 1 ccm Aq. Amygdal. arnarum. Tinktur:
schwach positiv, hellgrün.
4. 10 ccm Milch -f 1 ccm Aq. Amygdal. arnarum. + Tinktur -f*
HjO.j 0,3%: schwach positiv, hellgrün.
5. 10 ccm Milch -j- I ccm Aq. Amygdal. arnarum. -f- Tinktur -f-
H a 0 3 0,3% -J- Guajakol: positiv, dunkelblau.
Demnach würden sich folgende bemerkenswerte Schlußsätze
ergeben. Wasserstoffsuperoxyd wirkt schädlich auf den Verlauf
der Guajaktinkturreaktion, wenn es vor der Guajaktinktur zu
der Milch hinzugesetzt wird. Nachträglicher Zusatz selbst von
konzentrierten H 3 0 2 -Lösungen beeinflußt die Reaktion in günstiger
Weise selbst bei Verwendung von ganzen frischen Tinkturen. Die
oben angeführte schädliche Wirkung der H/L und Blausäure wird
durch Guajakol, und Naphthol, Brenzkatechin, Hydrochinen, ;
Karbolsäure und Formalin aufgehoben; bei geringen, nachträg¬
lichen H 2 0.fZusatz wird die Reaktion durch obengenannte Stoffe
zum Teil in außerordentlich günstiger Weise beeinflußt.
Alle diese Stoffe gaben bis mit Ausnahme des Formalins
mit Milch und H a O a eine Guajaktinturreaktion, aber nicht alle
Stoffe, die mit Milch und H a O a eine Reaktion gaben, z. B.
Paraphenylendianin, beeinflussen die Guajaktinkturreaktion.
Literatur:
1. liaudnitz: Über sogenannte Fermentreaktionen der Milch.
Centralblatt für Physiologie, 1898.
2. Storch: Verfahren zur Unterscheidung erhitzter und nicht¬
erhitzter Milch. Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene,
9. Jahrgang.
3. Weber: Arnolds Guajakprobe zur Unterscheidung roher von
gekochter Milch. Leipziger Milchzeitung, 1902.
4. Arnold und Wentzell: Die Guajakprobe in der Praxis.
Leipziger Milchzeitung, 1902.
5. Zink: Über Unterscheidung roher von gekochter Milch ver¬
mittelst der Guajaktinktur. Leipziger Milchzeitung, 1903.
6. Siegfeld: Der Nachweis einer Erhitzung der Milch. Zeitschrift
für angewandte Chemie, 1903.
7. P. und L. Liebermann: Ist zur Guajakreaktion die Gegen¬
wart einer Katalase notwendig. Archiv für Physiologie, 1905.
8. De Jong, de Graaf, cit. nach Raudnitz: Die Arbeiten auf
dem Gebiete der Milchwissenschaft und Molkereipraxis 1906.
9. Seligmann: Über den Einfluß einiger Aldehyde besonders des
Formalins auf die Oxydationsfermento der Milch. Zeitschrift
für Hygiene und Infektionskrankheiten, 1905.
Schlachtvieh- und Reischbeschau (n Deutschland Im II. Quartal 1908.
(Zii8atnmonge8telIt im Kaiserlichen Statistischen Amt.)
(Vgl. B. T. W. Nr. 24.)
S t a a t e n
und
Landesteile
Zahl der Tiere, an denen die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vorgenommen wurde
Pferde
und
andere
Einhufer
Ochsen
Bullen
Kühe
Jung¬
rinder
über
3 Mor
Kälber
bis
late alt
Schweine
Schafe
Ziegen
Hunde
Provinz Ostpreußen.
342
1 670
3 408
7 511
6 831
41 003
88 523
13 158
496
,, Westpreußen ....
185
1*86
2 671
0 557
3 353
33 606
80 324
10 401
834
_
Stadt Berlin.
2 236
17 117
9 858
1? 7f>f)
5 008
51 219
289 921
114 620
30
_
Provinz Brandenburg ....
2 100
3 *83
10 505
21 906
9 628
67 107
222 913
29 147
7 735
3
„ Pommern.
28*
533
3 059
7 911
2 500
32 106
77 631
21 180
334
_
„ Posen .
121
026
2 101
6 397
6 222
48 223
105 146
10 136
3 116
_
„ Schlesien.
2 73t;
4 130
13 355
32 042
19 053
128 094
336 757
20 392
14 952
267
,, Sachsen.
1 867
2 056
6 702
16 176
8 122
41 223
170 253
23 401
8 017
32
„ Schleswig-HoUtcin . .
850
3 205
4 088
10 91t
4 936
30 822
71 255
7 134
177
1
„ Hannover.
1 503
2 880
7 744
11 309
6 927
41 725
114 297
20 780
756
_
„ Westfalen.
1 888
2 834
5 624
35 662
5 783
*38 632
158 425
2 942
2 027
_
„ Hessen-Nassau ....
506
8 828
1 502
14 493
12 039
58 966
126 628
11 519
4 305
_
„ Rheinland.
3 361
19 086
9 159
CI 031
18 324
130 234
376 898
20 060
6 815
2t
Hohenzollern ... ...
—
94
29
285
601
890
1 671^
21
» 236
—
Königreich Preußen.
17 989
68 863
79 925
235 309
108127
776 858
2 220 675
305 390
49 830
324
Königreich Bayern.
2 013
31 091
12 990
46 522
39 767
225 612
450 535
24401
61335
82
Königreich Sachsen.
2 226
9 098
8 951
34 911
5 280
124 763
311 378
37 048
17 018
492
Württemberg.
183
4 171
3 030
9 836
24 480
50 431
118121
3883
10 520
13
Baden .
332
6 306
2 751
9617
19 551
48 807
117 759
5189
11948
—
Hessen.
225
4 218
488
8 579
9174
22 792
79 541
1991
10 969
_
Mecklenburg-Schwerin ....
268
217
1961
4107
1545
20 027
28 345
5358
234
—
Großherzogtum Sachsen . . .
88
i 465 I
295
1882
1633
7 668
20 821
3 075
3 074
—
Mecklenburg-Strelitz .
59
43 1
1 91
453
168
2 605
4 520
898
40
—
Oldenburg .
97
1 454
449
1197
1052
6 284
11970
677
113
—
Braunschweig .
105
! 205
2194
1034
2 408
7 512
37 397
4 803
120
Sachsen-Meiningen .
57
380
164
1273
1408
4199
14 015
1685
1109
Sachsen-Altenburg .
42
102
325
1 636
490
4161
11985
854
2 649
2
Sachsen-Koburg-Gotha ....
61
307
132
1 431
1209
4199
18 767
3 033
502
10
Anhalt .
301
259 :
829
1414
553
4 508
20 796
2 506
189
42
Schwarzhurg-Sondershausen . .
5 !
36 1
58
825 !
317
1528
6 275
663
49
—
Schwarzburg-Rudolstadt . . .
5
63
52
512
462
1789
4 873
882
212
—
Waldeck.
—
59 1
102
256
421
1879
1333
319
891
—
Reuß ältere Linie.
18
98
118
445
230
1294
4 890
610
1884
1
Reuß jüngere Linie.
43
150 !
317
947
584
2 599
12 432
1462
2 789
4
Schaumbiirg Lippe.
li
1 1
28
273
65
839
900
59
63
—
Lippe.
34 !
17 i
358
578
207
2 413
3 272
187
160
—
Lübeck .
124
150
300
2011
348
1 4 077
8 705
1042
112
—
Bremen.
425
938 j
2 092
609
413
5 944
24 538
4228
14
—
Hamburg.
958
6 869
2 709
2 373
7 394
1 16 774
94 417
22 126
52
—
Elsaß-Lothringen.
701
4 522 |
| 1565
20 542
5 654
43 041
81 941
9 027
1 3 858
—
Deutsches Reich ....
26 370
139112
122 274 1 388 572
| 232 940
1 392 603
3 710 201
441 346
1 179 264
970
Dagegen im 1. Vierteljahr 1908 .
35 987
138 913
107 860
420 753
212612
1 149 342
4418214
; 446180
| 126 936
2 061
1. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
727
Notschlachtungen.
Bei Notschlachtungen darf bekanntlich die Lebendbeschau
unterbleiben. Da aber der Begriff der Notschlachtung verschieden aus¬
gelegt wird, trotzdem § 1, Absatz 3 des Reichsflcischbeschaugesetzes
eine Definition enthält, und demgemäß unter der unhaltbaren Be¬
gründung, es liege eine Notschlachtung vor, oft die Lebendbeschau
unterlassen wird, hat das Großherzogi. Badische Ministerium des
Innern unter dem 27. September 1907 in einem Erlaß auf das
Unstatthafte eines solchen Verfahrens hingewiesen:
„Es ist zu unserer Kenntnis gelangt, daß vielfach Schlachtungen
ohne vorausgegangene Lebendbeschau auch bei solchen Tieren vor¬
genommen werden, die zwar krank erscheinen, bei denen aber zur
Unterlassung der Untersuchung vor der Schlachtung die Voraus¬
setzungen des § 1 Abs. 3 des Reichsgesetzes vom 3. Juni 1900,
die Schlachtvieh- und Fleischbeschau betreffend, nicht gegeben
sind, indem der Krankheitszustand des Tieres weder unmittelbare
Gefahr für sein Leben bedeutet, noch die Herabminderang der
Fleischqualität beim Zuwarten mit dein Schlachten bis zur Ankunft
des Beschauers im Gefolge hat.
Nach § 1 Abs. 2 a. a. 0. darf aber nur bei Notschlachtungen
die Untersuchung vor der Schlachtung unterbleiben, und der Fall
der Notschlachtung liegt nur dann vor:
1. wenn zu befürchten steht, daß das Tier bis zur Ankunft des
zuständigen Beschauers verendet, oder
2. wenn zu befürchten steht, daß das Fleisch bis zur Ankunft
des zuständigen Beschauers durch Verschlimmerung des
krankhaften Zustandes wesentlich an Wert verlieren werde,
oder
3. wenn das Tier infolge eines Unglücksfalles sofort getötet
werden muß.
Hierher gehören u. a. folgende Fälle:
Zu 1. Aufblähung nach Grünfutter mit drohender Erstickung.
Zu 2. Schwere Geburten oder Krankheiten im Anschlüsse an
die Geburt mit starker Störung des Allgemeinbefindens. Ursache
der Störung des Allgemeinbefindens kann sein eine Entzündung
der Gebärmutter, ein Gebärmutterriß mit nachfolgender Bauchfell¬
entzündung, Herzschwäche infolge innerer Blutung etc.
Zu 3. Schwere äußere Verletzung infolge Unglücksfalles, Ver¬
blutung, Knochenbruch.
Wie diese Beispiele zeigen, handelt es sich bei den Not¬
schlachtungen im Sinne des Fleischbeschaugesetzes meistens um
plötzliche Zufälle und weniger um gewöhnliche Erkrankungen, wie¬
wohl auch bei diesen unter Umständen eine Notschlachtung ohne
Lebendbeschau ratsam erscheinen kann, besonders wenn es sich
um mit Fieber verbundene blutige Durchfälle, brandige Euter¬
entzündungen, fieberhafte Erkrankung junger Tiere mit Nabel- und
Gelenkschwellungen handelt.
In allen anderen Krankheitsfällen darf die Lebendbeschau nicht
unterbleiben, und es wird hier auch dem Besitzer jeweils möglich
sein, die Ankunft des rechtzeitig verständigten Fleischbeschauers
vor der Schlachtung abzuwarten. Insbesondere ist eine Schlachtung
ohne Lebendbeschau dann nicht gerechtfertigt, wenn sie wegen
einer schleichenden, länger dauernden, oft Tage und Wochen sich
hinziehenden äußeren oder inneren Krankheit vorgenommen wird,
wozu namentlich Abmagerung infolge innerer Erkrankung (Tuber¬
kulose, leichter Durchfall), Verdauungsstörungen (Fremdkörper-
entzfindungen), krankhafte Ausflüsse aus den Geschlechtsteilen
(infolge nicht oder unvollständig abgegangener Nachgeburt), Wasser¬
sucht, Lähmungen, Starrkrampf, Bäcklergeschwülste (Aktinomykosc)
am Kopf und an der Zunge, sonstige Schwellungen, schlecht
heilende Wunden, Verrenkungen, Verstauchungen, Lahmheiten usw.
rechnen.
Erfordert die Beurteilung des Fleisches von Tieren, welche
wegen einer Krankheit geschlachtet worden sind, überhaupt be¬
sondere Sorgfalt, so muß sie bei Notschlachtungen ohne vorauf¬
gegangene Lebendbeschau mit um so größerer Vorsicht vorgenommen
werden (§ 29 der Ausf.-Best. A). Es läßt sich aber die Ent¬
scheidung über die Beschaffenheit des Fleisches bei vorausgegangener
Lebendbeschau leichter treffen, und die Beurteilung des Fleisches
kann milder ausfallen als in denjenigen Fällen, in denen keine
Lebendbeschau stattgefunden hat. Es sollte daher jeder Besitzer
in seinem eigenen Interesse tunlichst bei jeder Notschlachtung eine
Untersuchung des zu schlachtenden Tieres in lebendem Zustande
veranlassen, auch wenn sie nach der Vorschrift des Gesetzes unter¬
bleiben kann.“
Hausschlachtungrn in genehmigten Schlacbtstätten.
Hausschlachtungen, bei denen ein gewerbsmäßiger Verkauf
von Fleisch stattfindet, dürfen nach einer Entscheidung der Straf¬
kammer in Mannheim nur in genehmigten Schlachtstätten vor¬
genommen werden. Der Beklagte hatte auf dem Hofe öfters Ziegen
geschlachtet. Das Gericht hielt eine Verpflichtung zur Anmeldung
eines Gewerbebetriebes bei der geringen Zahl der Schlachtungen
nicht für gegeben, wohl aber, daß der Angeklagte den Vorschriften
über die Genehmigung zur Errichtung von Schlachtsätten zu ge¬
nügen habe.
Fleisch und Fleischextrakt.
I. Hackfleisch.
Metzger und Fuchs untersuchten die Wirkung von Konserve¬
salzen im Hackfleisch (Zeitschrift für die Untersuchung der Nabrungs¬
und Genußmittel Nr. 12); ebenso Reinsch, der Direktor des
städtischen chemischen Untersuchungsamts in Altona. (Berichte
derselben.) Beide Autoren sind der Ansicht, daß die Salze lediglich
eine farbkonservierende Eigenschaft besitzen, nicht aber das
Bakterienwachstum und damit die Fäulnis des Fleisches auf¬
halten können. Demgegenüber gibt es zweifellos Salze, die eine
konservierende Eigenschaft gegenüber dem Fleisch auszuüben in
der Lage sind, und wir sind jedenfalls nicht berechtigt, a priori ins¬
gesamt eine Abtötung von Bakterien zu verneinen, wir haben uns
nur zu fragen, ob die Produkte dem menschlichen Körper Schaden
zuzufügen vermögen. Vor allen Dingen spricht beim Konservierungs¬
verfahren einmal der Prozentgehalt des Mittels, zweitens die Dauer
der Einwirkung, dann das Alter des Fleisches ganz erheblich mit.
Über diese Fragen spielt nur die eine Tatsache eine Rolle, daß
rohgenossenes Hackfleisch oben an und für sich unter Umständen
schon gesundheitsschädlich sein kann, wenn es nicht direkt frisch
genossen wird. Denn daß das Fleisch nur von rohem Fleische
auch unkonserviert stets eine gewisse Gefahr birgt, beweist doch,
daß z. B. die Roastbeefs der Hotels größtenteils eine tiefgreifende
alkalische Zersetzung des Fleisches durchgemacht haben, ehe sie
zum Braten zugerichtet werden. Und von Nachteilen durch solcher¬
lei zubereitetes Fleisch hört man doch im allgemeinen gar nichts,
obwohl dasselbe, ebenso wie ein großer Teil des Wildes (Hirsch¬
braten!) eigentlich verdorben wäre im Sinne des Nahrungsmittel-
gesetzes. Dr. G.
2. Fleischextrakt.
Mieko fand in dem Anteil, der nach Ausfällung der Albumosen
mittels Zn 504 zurückbleibt (neben nicht weiter untersuchten
Substanzen, die sich kristallisieren ließen), in geringen Mengen
Monaminsäuren, wie Glykokoll alanin, Leucin, in der Hauptsache
aber Diaminosäurcn. Z. f. U. d. N. u. G. No. 9; 1908. Dr. G.
Begriff „Frisches Fleisch“.
Die Stadt Herford hatte einen Gemeindebeschluß erlassen,
wonach alles nicht im öffentlichen Schlachthofe ausgeschlachtete
frische Fleisch nicht eher feilgeboten werden darf, bevor es durch
Sachverständige auf Verdorbensein untersucht worden sei. Der
Fleischermeister Meyerjohann war angeklagt worden, daß er entgegen
diesen Bestimmungen Fleisch eingebracht hatte, das nicht nach-
untersucht war. Da das Fleisch so gesalzen, daß es 8 Tage vor
dem Verderben geschützt war, und es sich also nicht mehr um
frisches Fleisch handelte, sprach die Strafkammer den M. frei. Die
Revision der Staatsanwaltschaft betraf die Frage, ob auf eine kurze
Frist verändertes Fleisch als solches die Beschaffenheit als frisches
verloren habe; das Pökelsalz hätte leicht abgewaschen werden
können. Das Kammergericht hob denn auch das Strafkammerurteil
auf als unzutreffend und wies die Sache an die Vorinstanz zurück.
Der Gemeindebeschluß Herford wurde als rechtsgültig! angesehen,
unzutreffend aber nehme das Landgericht an, daß es auf den Grad
728
No. 40.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
des Salzens nicht, ankoinrae. Die Vorschriften seien ergangen, um
gesundheitliche Schädigungen hintanzuhalten. Wesentliche Ver¬
änderungen, wie Pökeln, verhinderten die Gefahr; es komme
daher darauf an zu prüfen, in welcher Art und Stärke gepökelt
worden sei. I)r. G.
Mageninhalt in der Wurst.
Ein Tierarzt fand bei einer Revision der Wurstläden Blutwurst
Braunschweiger Art, die grünen Mageninhalt enthielt. Die Wurst
war infolgedessen zu vernichten. Die benutzten Lungen stammten
der Aussage gemäß aus einem großen öffentlichen Schlachthof.
Dr. G.
Zur Milchunter8uchung. f
Spontanserum, bekanntlich das durch Selbstsäuerung entstandene
Serum der Milch, wird von Surr und Berberich (Chemikerzeitung
1908, Nr. 52) zur Untersuchung auf Wasserverdünnung der Milch
angewandt, um auf Grund der Aschebcstimmung zum Ziele zu
gelangen. 0,75 Proz. Mindestaschengehalt w'ird nach beiden Autoren !
verlangt. Da indessen auch annormale Bakterien die Säuerung
verursachen können, ist diese Untersuchungsmethode noch nicht
ganz spruchreif. Dr. G.
Trommsdorfsches Leukocyten-Verfahren.
Die Tatsache, daß eine leukozythenreiche Milch auch reich an
Streptococcen ist, hat T. zu einer Methode veranlaßt, wonach kleine
Milchmengen zentrifugiert werden und das Raummaß des Bodensatzes
bestimmt wird. Dieses soll den Volumgehalt an Lcukozythen ergeben
und es „bilde diese Milcheiterprobe zweifellos eine wertvolle Er¬
gänzung der bisherigen Untersuchungsmethoden auf chronische
Mastitis“. Kühe, deren Mischmilch mehr als l%o Leukozythen
enthielt, sei mastitisverdächtig, über 2°/ 00 dürfte mit Sicherheit
eine Euterkrankheit diagnostizieren. Rullmann und R. Tromms¬
dorf haben sich in ihren „Milchbygienischen Untersuchungen“ ein¬
gehend damit beschäftigt (Archiv für Hygienie, Band 49, S. 257).
* Dr. G.
Gesundheitsschädlichkeit der Milch der an Mastitis erkrankten Kühe.
Uber die Frage, ob die Milch ein-, zwei- und raehrstrichiger
Kühe gesundheitsschädlich ist oder sein muß, scheint in München
eine lebhafte Debatte entbrannt zu sein zwischen Geheimrat Dr.
von Soxhlet und den städtischen Tierärzten. Ersterer erreichte
durch einen Vortrag in der Sitzung des bayerischen Landwirtschafts¬
rates, daß dieser einen Antrag an die Stadtverwaltung München
stellte, die Handhabung der Milchpolizei zu mildern. Die Milch¬
untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Gcnußmittel mit dem tier¬
ärztlichen Bureau verbunden habe sich als eine „keineswegs
glückliche Kombination erwiesen“, schreibt Herr von S.
nach einem Referat in der „Berliner Molkereizeitung“ Nr. 34. Will
man vielleicht in München die langjährig erprobte Milchpolizei den
Tierärzten wegnehmen und den Hygienikern geben? Ncc vestigia
terrent! Dr. G.
Lecithingehalt des Tierkörpers.
J. Ncnking fand einen relativ hohen Durchschnittsgehalt von
So enthielten Kaninchen 0,3626 bis
0,4478 Proz. des Lebendgewichtes Lecithin, ein Igel sogar 0,7995 Proz.
Das Rückenmark, das lecithinreichsto Organ, hatte 35,18 Proz. des
Trockengewichts, das Gehirn 12,41 Proz. Nieren, Nebennieren,
Lunge und Herz etwas mehr als 5 Proz. Dieselben Verhältnisse
fanden sich auch bei der Katze vor. Der Igel dagegen hatte
in den Nebennieren (auf Trockengewicht berechnet) 92 Proz., im
Gehirn 22,31 Proz., im Rückenmark 18,12 Proz., in den Hoden 11,27 Proz.,
im Herzen 10,49 Proz., in den Nieren 8,53 Proz. Verfasser will
untersuchen, ob er keinen Zusammenhang zwischen Lecithin¬
gehalt und Giftfestigkeit beim Igel finden kann. (Biochemische
Zeitschrift 1908, X, Nr. 10.) Dr. G.
Pferdeantiserum.
Die Rotlaufmischanstalt der Landwirtschaftskammer der Provinz
Brandenburg liefert (laut Z. f. d. U. v. N. 1908, Nr. 9) den Nahrungs¬
mittel-Untersuchungsanstalten und„sonstigen Interessenten“ ein
wirksames Pferde-Antiserum (Arbeiten von Reuchlin, Behre & Baier),
über den biologischen Nachweis von Pferdefleisch in der Wurst.
Dr. G.
Fleischteuerung in England.
Im Unterhausc gab der Handelsminister Churchill bekannt, daß
eine Kommission zur Prüfung der Frage eingesetzt sei, inwieweit
und in welcher Weise die Zufuhr und der Preis des Fleisches in
Großbritannien durch irgendeine Kombination von Firmen oder
Gesellschaften kontrolliert oder beeinflußt würden.
Färben von Nahrungsmitteln in den Vereinigten Staaten.
Eine Verdeckung der Minderwertigkeit von Nahrungsmitteln
durch Färben ist verboten. Im übrigen dürfen Farbstoffe benutzt
werden, die für die Färbung von Lebensmitteln besonders hergestellt
sind, keine anderen Stoffe enthalten und einen dahingehenden
Vermerk des Herstellers tragen. Dazu ist eine Bescheinigung eines
Sachverständigen beizubringen, daß die Farbe keine schädlichen
Bestandteile enthält.
Preisausschreiben für Schlachthausbapten.
Das niederländische Landwirtschaftsministeriura hat Preise von
750 und 250 Gulden, sowie Prämien von 300 und 100 Gulden für
Entwürfe billiger und zweckdienlicher, einfacher Schlachthäuser mit
und ohne Kühlanlagen ausgesetzt. Die Entwürfe und Kosten¬
anschläge sind von den Bausachverständigen aller Länder innerhalb
4 Monaten an das Reichsbaumeisterbureau im Haag einzureichen.
Proteid.
Dieses Wurstbindemittel (Pflanzeneiweiß genannt), das 25 Proz.
mehr Wasserbindekraft der Wurst verleihen soll, enthält Stärkemehl ; Lecithin im Tierkörper vor.
und ist daher, weil auf Jod reagierend, unzulässig. Dr. G.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen den Oberstabsveterinären
Johann 2h7sc//-Landau (Pfalz) der Rote Adlerorden vierter Klasse,
Ernst //ö7i/'/.-e-Darmstadt das Ritterkreuz erster Klasse des Hess.
Verdienstordens Philipps des Großmütigen.
Ernennungen: Tierarzt Paul Ilascnkamp , Assistent an der Tier¬
ärztlichen Hochschule Hannover zum Assistenten an der Seuchcn-
stelle der Landwirtschaftskammer in Münster (Westf.). — Der
Tierarzt Luchhau- Rixdorf ist mit den kreistierärztlichen Geschäften
in Rosenberg (Westpr.) betraut worden. — Tierarzt Georg Dennler-
Bischweiler (Elsaß; zum Schlachthofdirektor daselbst, Schlachthof¬
inspektor Hermann Roßmann zum Schlachthofdirektor in Coburg, Tier¬
arzt Edmund BaumiiUcr- Barth (Pom ) zum Schlachthofinspektor das.
Niederlassung: Tierarzt Paul E. W. Wesener in Metternich bei
Koblenz. — Verzogen: Tierarzt Heinrich Thal von Worms nach
Landau (Pfalz).
Todesfall: Königl. Bezirkstierarzt Hermann NWvrw/cr-Frankenthal
(Pfalz).
Vakanzen.
Kreistierarztstellen: a) Neu ausgeschrieben: Reg.-Bez.
Koblenz: Mayen. Bewarb, bis 10. Oktober er. a. d. Regierungs¬
präsidenten. — Reg.-Bez. Düsseldorf: Mettmann mit dem
Amtssitz in Vohwinkel. Bewerb, bis 10. Oktober er. a. d. Regierungs¬
präsidenten. — b) Nach Ablauf der Meldefrist noch un¬
besetzt: Reg-Bez. Köln: Rheinbach. — Reg.-Bez. Osnabrück:
Lingen. — Reg.-Bez. Posen: Koschmin.
Schlachthofstellen: Nach Ablauf der Meldefrist noch unbe¬
setzt: Bitburg: Tierarzt, 1600 M. — Frankfurt a. M.: Tierarzt,
2500 M. — Hannover: Tierarzt, 2400 M. bis 4100 M. — Königs-
htitte: Assistenztierarzt, 2400 M. bis 3900 M. — Liegnitz:
Assistenztierarzt, 2400 M. — Osterode (Ostpr.): Direktor, 2100 M.
bis 3000 M. — Stargard (Pom.): Assistenztierarzt, 1800 M.
Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis: Nach
Ablauf derMeldefristnoch uubesetzt: Kemberg (Kr. Witten¬
berg). — Kirchberg (Hunsrück). — Langelsheim (Herzogtum
Braunschweig).
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung Ton Richard SchoeU In Berlin. —
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz ln
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. ■Durch Jedes deutsche
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am Tropeninstitnt in Hamburg.
Dr. Stttdter
8tadt-Tierarzt in Hamburg.
Dr. Trapp
am Kaiser Wilhelm-Institut in Bromberg.
Dr. Zimmermann
Dozent in Budapest
Jahrgang 1908. Jfä 41 . Ausgegeben am 8. Oktober.
Inhalt: Freund: Bemerkungen zu Prof. Dexlers Operationstisch für kleinere Haustiere; — Wolfstein: Ein eigenartiger
Fall von Erkrankung des Bewegungszentrums (?). — Liebetanz: Glottisödem infolge traumatischer Peri-
carditis. — Wieland: Rückfall von Gebärparese beim Rind. — Goldberger: Darmanhängsel beim Schweine. —
Willenberg: Ein Fall von Rauschbrand bei einem Schwein. — Referate: Rach fall: Hufbeinfissuren und Hufbeinfrakturen.
Zimmermann: Über tierärztliche Geburtshilfe. -- Adelmann: Das Aneurysma verminosum equi vom pathologisch-anatomischen,
statistischen, klinischen und zoologischen Standpunkte. — Dorn: Strophantin und Digalen. — Erkrankung der Hasen durch
Strongylus retortaeformis. — Guerrini: Über einen Fall von Struma sarcomatosa der Schilddrüse (kleinzelliges Rundzellen¬
sarkom) mit sekundärer Hypertrophie der Nebennieren und Hydrops Ascites beim Hunde. — von Liebermann: Hämagglu-
tination und Hämatolyse. — Mießner: Über Tuberkulose. — Franz: Die Druse der Pferde und ihre Behandlung mit Serum
nach DDr. Jeß-Piorkowski — Zur Aufklärung. — Tageogesohlohte: Militaria. — Protokoll der Versammlung des Vereins
sächsischer Geraeindetierärzte. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
(Aua dem K. K. Tierärztl. Institut der Deutschen Universität in Prag.)
Bemerkungen zu Prof. Dexlers Operationstisch für
kleinere Haustiere.
Von Dr. L Freund,
Assistent des Institutes.
Mit 3 Abbildungen im Text.
Professor H. Dexler hat im Jahre 1904 die Beschreibung
eines neuen Operationstisches für kleine Haustiere in der Zeit¬
schrift für Tiermedizin
(8. Bd., S. 350—363,
10 Textfiguren) ver¬
öffentlicht. Dort sind
auch die Grundsätze
niedergelegt, nach
denen der Tisch ge¬
baut worden war und
die sich während
seines damals bereits
mehrjährigen Gebrau¬
ches vollkommen be¬
währt haben. Diese
betrafen zunächst die
absolute Sicherheit in
der Fixation der Tiere
bei weitgehendster
Schonung derselben
im Hinblick auf ihren
Wert, weiterhin die
möglichste Ausschal¬
tung von Hilfskräften, um erstens die etwa nötigen aseptischen
Kantelen zu verbessern und zweitens mit einem geringeren
Personalstande aaszukommen. Dadurch wurde der Tisch nament¬
lich für die chirurgische Hnndepraxis großer Städte qualifiziert,
wobei sicherlich sein von den alten hölzernen Operationsbrettern
usw. abstechendes, gefälliges Außere nicht gering anzoschlagen
ist. Abgesehen aber von allen den genannten mehr konstruktiven
Vorteilen gestattet der vollständig ans Metall hergestellte Tisch
mit seinem einfachen Bau eine absolute Asepsis und Reinlichkeit.
Nun ist schon vor längerer Zeit ein neues Exemplar in Ver¬
wendung genommen worden, das gegenüber dem alten Modell
technisch vervollkommneter, in den Hauptzügen die alte erprobte
Konstruktion wiederholt. Die Brauchbarkeit unseres Operations¬
tisches, die sich in physiologisch-experimenteller wie in klinisch-
chirurgischer Rich¬
tung durch nunmehr
zehn Jahre erwiesen
hat, rechtfertigt eine
Ergänzung der seiner¬
zeit publizierten An¬
gaben durch die Be¬
schreibung seiner ge¬
genwärtigen Gestalt.
Auf einem ein¬
fachen Tischgestell
(Fig. 1) von geboge¬
nem Eisenrohr, wie
es für chirurgische
Zwecke gewöhnlich
verwendet wird, ruht
eine große - recht¬
eckige Metallplatte,
an deren Unterseite
in der Längsachse
eine eiserne Trag¬
stange befestigt ist, die über die eine Schmalseite hinaus¬
reichend mittelst zweier Krenzköpfe die Nackengabel und den
Schnanzenring trägt.
Das Gestell ist von gewöhnlichem Bau, aus einzölligem
Eisenrohr, 100 cm lang, 50 cm breit und 73 cm hoch. An den
vier Füßen gestattet eine einfache Hebelvorrichtung rollen-
780
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41.
tragende Hülsen herabzulassen und den Tisch um 3 cm zu
heben, so daß er leicht verschoben werden kann. Durch Heben
der Rollen wird der Tisch wieder festgestellt. Vom oberen
Rahmen des Gestelles erheben sich 6 Stück 10 cm hohe Lager¬
zapfen, auf welchen die Platte mittelst Gegenzapfen aufruht.
Beide sind an ihren aneinander gelagerten Enden durchlocht,
so daß sie mit quer gesteckten Kegelzapfen fest verbunden
werden können. Durch Entfernung entsprechender Querzapfen
können die restlichen als Scharniere zum Aufheben bzw. Schief¬
stellen der Platte benutzt werden. Infolge der Höhe der Lager¬
zapfen ist die Unterfläche der Platte überall bequem mit der
Hand oder geballten
Figur 2.
Feststellen zu ermöglichen, was durch eine halbe Umdrehung
erzielt wird.
In beiden Führungslaschen gleitet nun die 140 cm lange,
2,1 cm starke, exakt abgedrehte, massive Tragstange aus Stahl.
Auf dieser gleiten wiederum zwei 4,5 cm lange, 9 cm breite
Kreuzköpfe (Doppeloliven). Beide besitzen je eine Feststell¬
schraube von der vorerwähnten Qualität und je eine Fülirungs-
schraube, erstere seitlich, letztere unten bzw\ vorn angebracht,
für jede Olive des Kreuzkopfes. Die Führungsschraube der
horizontalen Oliven ist für die Nut der Tragstange bestimmt,
die der senkrechten für die kurzen Tragstangen der Nackengabel
und des Schnauzen¬
Faust zu erreichen.
Früher, als die Platte
dem Rahmen beinahe
auflag, störte dies
bei der Manipulation
wesentlich. Beim fest¬
stehenden Tisch ist
die Platte 83, beim be¬
weglichen 86 cm vom
Fußboden entfernt.
Die Tischplatte ist
langgestreckt, recht¬
eckig; ihre Dimensionen sind 136 : 56 cm, bei 0,8 cm Dicke. Sie
wurde diesmal aus Messing hergestellt, um eine tadellose Ver¬
nickelung zu gestatten, was bei der früheren Kesselblechplatte
wegen ihrer Risse und Rauhigkeiten nicht möglich w r ar. Freilich
ist das Kesselblech viel steifer, doch kann dies auch bei der etwas
federnden Messingplatte etwa durch Anbringen zweier niedriger
Längsrippen auf der Unterseite vollkommen erreicht werden. In
der Platte befinden sich sechs Reihen von elf abwechselnd längs-
und quergestellten, 1 cm breiten und 4,2 cm langen Schlitzen
zum Durchführen der
64 kg schicerer Berghund mit Cystenkropf in Rückenlage xur Operation aufgebunden.
75 kg schwere, große Dogge , in Seitenlage mit stark schräg eingespanntem Kopf
auf gebunden.
Longen und Fesselschnüre
gleichmäßig verteilt. Die
früher vorhandenen run¬
den Öffnungen wurden
gänzlich weggelassen, da
das Einführen der Schnüre
kein schnelles Arbeiten
gestattete und sie auch
schlecht zu reinigen sind.
Auf der Unterfläche der
beiden Längsseiten finden
sich je vier gleich ge¬
richtete, kräftige Exzenterhebel zum automatischen Fest¬
halten der Fußfesselschnüre. Wir verwenden jetzt solche
mit geriefter Innenfläche, da die früheren glatten namentlich
dünnere Schnüre nicht ganz festhalten konnten. In der
Längsachse der Unterfläche sind die beiden Führungslaschen
der Tragstange angebracht und zwar die eine in der Mitte, die
andere am Vorderrande. Sie sind 10 cm lang, sehr kräftig und
insbesond.-re sehr genau ausgerichtet, um ein anstandsloses Ver¬
schieben der Tragstange zu gestatten. Nur die Randlasche be¬
sitzt eine Feststellschraube, welche in eine auf der Unterseite der
Tragstange eingerissene Nut paßt. Sie ist somit gleichzeitig
Führungsschraube für die letztere. Sie ist mit einem genügend
langen, queren Feststellhebel versehen, um ein bequemes, schnelles
Figur S.
ringes, die selbstver¬
ständlich auch beider¬
seits mit genau parallel
gestellten Nuten ver¬
sehen sind. Es ist auf
diese Weise leicht
möglich, beide Kreuz¬
köpfe mit ihren Appa¬
raten in die passende
Lage am einzuspan¬
nenden Tierkopf zu
bringen, sie gegenein¬
ander zu verschieben, ohne daß sie aus der vertikalen und,
w T as besonders wichtig ist, parallelen Stellung zu einander
herausfallen können. Die Feststellung erfolgt dann durch zwei
kurze und schnelle Handgriffe an jedem Kreuzkopf. Diese
kleine Adaptierung ist eine wesentliche Erleichterung, aber auch
Sicherung gegen früher, wo all das mit den Feststellschrauben
gemacht wurde, die dann, um dem mächtigen Drehmoment des
Tierkopfes Widerstand leisten zu können, mit großer Kraft
eventuell mit der Zange angezogen werden mußten. Es wird
somit einer Haupteigen¬
schaft des vorliegenden
Tisches — weitgehendste
Schonung und Sicherung
des aufzuspannenden oft
sehr wertvollen Tieres —
neuerlich eine wesentliche
Förderung zuteil.
Die gegenseitige Un-
verrückbarkeit der drei
in Betracht kommenden
Tragstangen gilt natür¬
lich nur für die Bauch¬
oder Rückenlage des zu operierenden Tieres (Fig. 2) wobei alle
Führungsschrauben in den entsprechenden Nuten laufen. Aber
auch bei einer schrägen (Fig. 3) oder Seitenlage, bei welcher
die Haupttragstange so weit gedreht werden muß, daß die Fest¬
stellschraube der Führungslasche seitlich der Nut angreift,
werden wenigstens die beiden anderen Sicherungen ihre Schuldig¬
keit tun. Doch ist dabei nicht immer ein Einspannen des Kopfes
nötig, es genügt häufig ein Niederbinden des Kopfes an die
Platte.
Die beiden kurzen Tragstangen, die in den vertikalen
Oliven gleiten, wurden schon erwähnt. Sie haben ein schwächeres
Kaliber — 1,9 cm und verschiedene Länge: 22 cm für die
Nackengabel uud 26 cm für den Schnauzenring. Die ein-
8. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
731
gerissenen Nuten sind so angeordnet, daß beide Apparate genau
senkrecht zur Haupttragstange stehen. Es sind vorn und rück¬
wärts Nuten angebracht, um die Stange beiderseitig verwenden
zu können. Die Nackengabel besteht aus einem halbovalen
Eisenbogen von 1 cm Stärke mit etwas auswärts gerichteten
Enden und einem rückwärtigen 2 cm langen vierseitigen Pyra¬
midenstutz als Einsteckdorn. Die Tragstange besitzt am oberen
Ende eine dem Dorn entsprechende Düse, jedoch schräg nach
oben aufgesetzt, so daß die eingesteckte Nackengabel aufwärts
gerichtet mit der Tragstange einen nach vorn und unten offenen
Winkel von 140 Grad einschließt (für die Rücken- und benach¬
barten Seitenlagen). Für die Bauch- und benachbarten Seiten¬
lagen, wobei die Gabel nach abwärts gerichtet sein muß, wird
eine kurze Tragstange von 15 cm verwendet mit einem kräftigen
Schaltbogen — ein Halbbogen von 7,5 cm Radius —, der den
Hals überspannend an seinem oberen Ende, also im Rücken des
Tieres, die erwähnte Düse, diesmal natürlich im entsprechenden
Winkel nach abwärts gerichtet trägt. Es genügt ein Satz von
vier verschiedenen auswechselbaren Nackengabeln von 9,10,
5,15 und 18,5 cm Querdurchmesser an den Gabelenden. Infolge
der Neigung der Düse kann man den Schaltbogen nur einseitig
verwenden, doch hilft dem eine Doppeldüse ab.
Dem Satz an Nackengabeln entsprechen vier verschiedene
Schnauzenringe, ovale geschlossene Ringe von 1 cm Breite und
0,5 cm Dicke, die durch einige Schraubendrehungen an die
Tragstange befestigt werden können. Ihre Durchmesser sind
7 : 5,8, 8,5 : 6,8, 9,5 : 7,5 und 11:9 cm.
Die Art des Aufspannens ist der Beschreibung und den
Abbildungen des eingangs zitierten Aufsatzes zu entnehmen.
Hier wäre nur zu bemerken, daß es beim Einspannen des
Kopfes in die Nackengabel und Schnauzenring nicht darauf an¬
kommt, die Kopflängsachse möglichst viel von der Körperlängs¬
achse abzubiegen. Ist das Tier auf den Tisch aufgelegt, das
Hinterhaupt in die Nackengabel gefügt, so ist das wichtigste,
den Körper möglichst zu strecken, ihn vom Kopfe abzuziehen,
mittelst Gurten den Köiper in der abgezogenen Lage an die
Platte zu befestigen und dies durch Ausspannen der Extremi¬
täten mittelst der Fesselschnüre zu unterstützen. Der auf die
Schnauze aufgeschobene Ring wird nur so viel gesenkt (bei der
Rückenlage), bzw. gehoben (bei der Bauchlage), daß der Kopf
mäßig gestreckt wird, so daß das Tier den Kopf nicht mehr
durch Senken bzw. Heben des Hinterhauptes aus der Nacken¬
gabel befreien kann. Ein übermäßiges Strecken des Kopfes,
wovon die normale Einspannung noch immer erheblich entfernt
ist, kann bei einem exzessiven Befreiungsversuch des Tieres
zum Zerreißen oder Brechen der Knochen und Bänder in der
Atlantooccipitalgegend führen. Die vorteilhafteste Spannung
dürfte im allgemeinen erreicht sein, wenn die Stirn-Sclmauzen-
linie parallel mit der Rückenlinie zu liegen kommt.
Im übrigen hat der Tisch durch die Vernicklung der Platte
und der übrigen blanken Teile, sowie durch das weißlackierte
einfache Gestell sehr an Eleganz gewonnen und läßt sich nun
absolut rein und aseptisch halten. Er übertrifft hierdurch alle
anderen Tische bei weitem. Die mangelnde Aushöhlung der
Platte, die von manchem für wesentlich gehalten werden könnte,
wurde bei uns noch nie störend empfunden, da im Bedarfsfälle
durch zwei aus der humanen Chirurgie bekannte Sandsäcke von
weißen Wachsleinen der Tierkörper genügend gestützt werden
kann (Fig. 2). Die Größe ist nun auch für die größten Hunde
usw., wie aus den beigegebenen Abbildungen erhellt, vollkommen
ausreichend. Möge das neue Gewand der Verbreitung des
Operationstisches jene Förderung angedeihen lassen, die er ver¬
möge seiner ausgezeichneten Eigenschaften verdient, wozu
sicherlich der Umstand nicht wenig beitragen wird, daß die
renommierte Firma H. Hauptner, Berlin, dessen Herstellung
um einen verhältnismäßig zivilen Preis übernommen hat.
Ein eigenartiger Fall von Erkrankung des Bewegungs-
Zentrums (?).
Von Tierarzt Wolfstein, Bochum.
Dieses unten 3 mal photographierte Pferd, eine Fuchsstute,
ca. 12 Jahre alt, Landpferd mit verhältnismäßig langem Rücken
und schlecht gebauten Schultern, behandelte ich am 12. März
und folgenden Tagen wegen einer subkutanen nekrotisierenden
Eiterung auf der linken Seite zwischen Tuber coxae und Knie¬
falte; die Nekrose ging aus von einer Decubituswunde am
tuber coxae, und die Decubituswunde war durch häufiges und
anhaltendes Liegen auf der linken Seite entstanden.
Figur 1. Figur 3.
Während der ganzen Winterruhe — ich hebe das hervor,
weil es sich um das Pferd eines Bauern handelt — zeigte Patient
nach Aussage des Besitzers nicht die geringsten Krankheits¬
erscheinungen, weder akuter noch chronischer Natur. Erst seit
2—3 Wochen hat Besitzer die eigentümliche Bewegungsanomalie
beobachtet, die Patient zum vielen Liegen veranlaßt; und jener
machte mich darauf erst aufmerksam, nachdem ich Patient lokal
behandelt hatte. Vorausschicken möchte ich aber noch, daß
eine Untersuchung meinerseits das Freisein von einer akuten
Krankheit feststellte, ferner noch folgendes:
So oft ich den Stall betrat, fand ich Patient meist liegend und
zwar auf der linken Seite. Um es in die Höhe zu bringen,
bedurfte es einer sehr kräftigen und nachhaltigen Anregung;
auf die Art des Aufstehens habe ich leider zu wenig geachtet.
Als P. dann stand, nahm es ungefähr die Stellung ein, wie sie
aus Figur I einigermaßen deutlich hervorgeht: die 'Hinterbeine
werden etwas nach vorn unter den Leib geschoben und sehr
782
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41.
breit auseinandergestellt. Beide Vorderbeine werden in der
Grundstellung ebenfalls etwas unter den Leib gezogen. Nach¬
dem jedoch die Grundstellung nur wenige Sekunden gedauert
hat, wird der rechte Vorderschenkel in allen Gelenken gebeugt,
der Huf mit den Trachten scheinbar auf die Krone des linken
Hufes aufgesetzt; dann das ganze Bein krampfartig in allen
Gelenken gestreckt und nach vorn gehalten (Figur II); das
Eisen berührt den Erdboden nicht, sondern das Bein bleibt so
ca. 1 Minute in der Schwebe; dieses Bild ist das vorherrschende.
Teilweise hat man auch das Gefühl, als ob im Huf große
Schmerzen wären, die Patient abzuschütteln suchte.
Bei der Bewegung zeigte Patient hinten einen ähnlichen Gang
wie Hunde, die von der Staupe her im Kreuz eine Schwäche
zurückbehalten haben. Auch die Vorderbeine scheinen sich zu
überschlagen; insgesamt also ein unregelmäßiger und unsicherer
Gang.
Der Gesamteindrnck, den Patient sowohl in der Ruhe als auch
Bewegung macht, ist kein besonders guter, etwas stupide, wie
auf den Abbild, deutlich. Deshalb dachte ich zuerst auf Grund einer
Figur 2.
ganz oberflächlichen Untersuchung, und als mich der Besitzer
scheinbar ohne jedwede Absicht deswegen fragte, an eine
chronische Gehirnkrankheit (Dummkoller). Außer einer geringen
Empfindlichkeit sämtlicher 4 Kronen, der abnormen Beinstellung
und des stupiden Eindrucks hatte die Untersuchung auf Dumm¬
koller aber ein negatives Resultat.
Die eigentümliche Stellung des rechten Vorderbeins lenkte
mich auf eine nähere Untersuchung desselben. Vom Huf bis
zum Schultergelenk war der Schenkel ganz gesund. Als ich
dann zwecks Untersuchung des rechten Schultergelenks den
— zufällig — gestreckten Schenkel nach vorn ziehen ließ, wie
auf Figur III der Versuch gemacht wird, erhob sich Patient mit
beiden Beinen mindestens 20 cm vom Erdboden, stellte die
Hinterbeine breit und verharrte so längere Zeit, sich mit der ge¬
streckten rechten Vordergliedmaße auf die Hände des aufhebenden
Mannes stützend. Dieses Experiment ließ sich beliebig oft und
sowohl mit der rechten als auch linken Schulter wiederholen.
Nach meiner Ansicht wurden weniger Schmerzen, als Reflex¬
bewegungen ausgelöst.
Dieses die ganz eigentümlichen Krankheitserscheinungen.
Ich bin heute zu der Überzeugung gekommen, daß eine Er¬
krankung des Bewegungszentrums Vorgelegen hat.
Es wäre mir auch sehr interessant gewesen, wenn ich den
Patient häufiger und länger hätte beobachten können; aber der
Besitzer war froh, daß er das versicherte Pferd der Versicherung
anheimstellen konnte.
Wenn ich mich bezüglich der Diagnose geirrt oder irgend
jemand der Herren Kollegen dasselbe Krankheitsbild gesehen
haben sollte, so bin ich für eine diesbezügliche Mitteilung
stets dankbar.
Glottisödem infolge traumatischer Pericarditis.
Von Dr. Liebetanz, Janowitz.
In den mir gegenwärtig zur Verfügung stehenden Lehr¬
büchern, der Gerichtlichen Tierheilkunde von Fröhner, der
Spec. Pathologie und Therapie von Friedberger-Fröhner
und dem Buche von Dieckerhoff, die Krankheiten des Rindes
finde ich das Glottisödem als Folgeerscheinung der traumatischen
Pericarditis nicht angegeben. Ich habe in den vergangenen
sechs Jahren eine größere Anzahl Fälle von traumatischer
Pericarditis gesehen, in letzter Zeit hintereinander vier damit
behaftete Rinder, habe auch häufig Atembeschwerde beobachtet,
welche auf Zirkulationsstörungen in den Lungen zurückzuführen
sind, wie sie in der Literatur angegeben werden, habe auch die
traumatische Pericarditis häufig mit traumatischer Pneumonie
verbunden gesehen, die sich kennzeichnete durch Husten, ver¬
mehrte Atmungsfrequenz, verstärktes Vesiculäratmen, trockene
Rasselgeräusche, die Erscheinungen eines Glottisödems
(Stauungsödems) habe ich aber jetzt zum erstenmal beobachtet.
Ich will den Fall der Literatur einreihen, trotzdem ich
den klinischen Befund leider nicht durch das Sektionsergebnis
beweisen kann, da ich zur Ergänzungsschau nicht zugezogen
wurde. Der Hilfsfleischbeschauer sagte, das Herz sei an einer
Stelle mit dem Herzbeutel verwachsen gewesen, dort soll ein
Abszeß gewesen sein. Außerdem habe er ein Stück Draht in
dem Organ gefunden.
Am 13. April 1908 wurde ich von dem Rittergutsbesitzer
F. in K. zu einer kranken Kuh gebeten. Dieselbe soll wieder¬
holt etwas krank gewesen sein, sie soll stets wieder von selbst
gesund geworden sein und dann auch reichlich Nahrung zu sich
genommen haben. Plötzlich am 10. April 1908 soll sie das
Futter versagt haben. Sonst seien keine Erscheinungen hervor¬
getreten. Am 11. April 1908 sei zum erstenmal eine leichte
Anschwellung in der Gegend des Kehlkopfs bemerkt worden mit
einer geringen Atembeschwerde. Am 12. April sollen die
röchelnden Atmungsgeräusche intensiver geworden sein, sie
sollen sich allmählich immer mehr verstärkt haben. Wasser
soll das Tier getrunken haben.
Am 13. April 1908 nahm ich folgenden Befund auf:
Ostfriesische schwarzbunte, junge Kuh; der Nährzustand ist
gut, die Muskeln sind gewölbt, die Dornfortsätze des Kreuzbeins
und der Rückenwirbel sowie die Hüfthöcker treten nur un¬
deutlich hervor. Das Haarkleid ist rauh, die Haare sind trocken,
sie sind leicht aufgerichtet. Die Ohren fühlen sich kalt an.
Die Temperatur, im Mastdarm gemessen, beträgt 39,0° C. Die
Augenschleimhaut ist höher gerötet. Der Puls ist nicht zu
fühlen, weil die Gegend der Umschlagsstelle der äußeren Kinn-
8. Oktober 1908.
backenschlagader wäßrig durchtränkt ist. Die Jugularvenen
sind prall mit Blut gefüllt, sie sind mannsdaumendick; die Wand
derselben fühlt sich derb an, man sieht ein rhythmisches Zurück¬
strömen des Blutes (Jugularvenenpuls). Der Herzstoß ist nicht
zu sehen, er ist auch nicht, nachdem das linke Vorderbein nach
vorn gezogen worden ist, zu fühlen. Die Perkussion ergibt in
der Herzgegend die Herzdämpfung; bei der Auskultation kann
man keine Herztöne hören, da dieselben durch die Geräusche
des Kehlkopfes übertönt werden.
Die Zahl der AÄemzüge beträgt 50. Die Luft wird zu
beiden Nasenlöchern gleichmäßig ausgestoßen, sie weist keinen
abnormen Geruch auf. Die Nasenschleimhaut ist rosarot, sie
zeigt am Naseneingang eine Quetschwunde, welche von der
Nasenzange herrührt, die von dem Kuhfütterer angelegt worden
war. Spontaner Husten besteht nicht; bei starkem Druck auf
den Kehlkopf läßt sich auch kein Husten auslösen. Schmerz¬
haftigkeit besteht bei Druck nicht. Bei jeder Ein- und Aus¬
atmung hört man weithin vernehmbare Stenosengeräusche, sie
sind röchelnd, rohrend, schnarchend. Der Kopf wird gestrekt
gehalten. Wird das Tier mit dem Vorderteil hoch und dem
Hinterkörper niedrig gestellt, so nehmen allmählich die Kehl- !
kopfsgeräusche an Intensität ein wenig ab, um wieder zuzu¬
nehmen, wenn die Kuh vorn niedrig gestellt wird.
Im Bereich der Luftröhre sind keine Wunden und Narben
nachzuweisen. Die Perkussion der Brustwandungen ergibt einen
lauten, vollen Schall, die Auskultation verstärktes Bläschen¬
geräusch.
Die Maulschleimhaut ist blaßrosarot, vermehrte Speichel¬
absonderung ist nicht wahrzunehmen. Wunden, Geschwüre und
Narben sind weder auf der Maulschleimhaut der Mundhöhle noch
in der Zunge nachzuweisen. Ein abnormer Geruch strömt aus
dem Munde nicht heraus. Die Zähne zeigen nichts Abnormes,
weder zwischen ihnen noch zwischen den Zahnreihen und den
Backenwanduugen befindet sich Futter. Die Gegend des Schlund¬
kopfs zeigt keine höhere Temperatur, keine Schmerzhaftigkeit j
bei Druck. Die Gegend des Kehlgangs ist geschwollen, die
Schwellung reicht liinauf bis zu den Unterkiefern, sie fühlt sich
weich an. Der Hals zeigt auch eine geringe Schwellung, die
ebenfalls weder eine höhere Temperatur noch Schmerzhaftigkeit
aufweist. Die Gegend des Schlundkopfs (Parotis und Submaxil-
larisgegend) wird bei jedesmaliger Ausatmung stark erweitert,
ein Moment, das sofort in die Augen springt. Die Haut ist
dann in der genannten Gegend zu beiden Seiten des Halses
gespannt, klopft man mit dem Zeigefinger darauf, so hat man
das Gefühl, als wenn man auf einen mit Luft gefüllten Sack
trommelt. Ein ungefähres Bild dieser Erweiterung der Schlund¬
kopfgegend bekommt man, wenn man sich einen männlichen
Grasfrosch denkt, der seine Schallblasen nur mäßig auftreiben
würde oder ein Pferd mit Luftsackkatarrh, wenn sich in dem
Organ Luft befindet.
Der Vergleich mit dem Pferde ist nicht gut, weil das Rind
keinen Luftsack hat, es veranschaulicht aber das Bild.
Futter- und Wasseraufnahme habe ich nicht beobachtet.
Bei der Untersuchung habe ich aber hören können, wie der
Speichel abgeschluckt wird. Das Wiederkauen ist aufgehoben,
Pansengeräusche sind vorhanden, desgleichen die Pansenbewe¬
gungen. Die Dickdarmgeräusche sind so wie bei gesunden
Kühen. Der Kot ist von braungrüner Farbe und weicher
Konsistenz. Harnabsatz habe ich nicht beobachtet.
733 _
Die Scheidenschleimhaut ist rosarot, Scheidenausfiuß ist
nicht vorhanden. Die Kuh zeigt einen ängstlichen Blick, sie
achtet nicht auf ihre Umgebung. Die Empfindlichkeit der Haut
ist vorhanden.
Akutes Glottisödem (ac. Laryngitis, Pharyngitis) ist nach
dem Untersuchungsbefunde ausgeschlossen, desgleichen ein Fremd¬
körper im Schlund- oder Kehlkopf, da man auch bei stärkerem
Druck keine Schmerzäußerungen hervorrufen konnte. Außerdem
erfolgte der Schluckakt physiologisch.
Es bleibt somit nur das Glottisödem übrig, welches auf
eine Stauung von seiten des Herzens zurückzuführen ist.
Nebenbei möchte ich noch bemerken, daß die Kuh von
einem Fleischer für 50 M. gekauft worden ist.
Rückfall von Gebärparese beim Rind.
Von Tierarzt Wieland, Wangerin, in Pommern.
Die interessante Abhandlung des Herrn Kollegen Dr. Zehl,
dessen Ansichten über den Zusammenhang des Festliegens nach
leichter Geburt und der Gebärparese ich vollkommen beistimme,
gibt mir Veranlassung, folgenden bemerkenswerten Fall zu ver¬
öffentlichen.
Am 9. Januar wurde ich nachmittags zu einer Kuh des
Dom. Wieningen gerufen, die nach Aussage des Verwalters
am Tage vorher leicht gekalbt hatte und nun nicht mehr hoch¬
kommen konnte. Es wurde Kalbefieber vermutet. Bei meiner
Ankunft zwischen 5 u. 6 Uhr nachmittags fand ich folgendes:
„Die Kuh lag auf der rechten Seite, konnte aber den Kopf noch
ganz gut hoclihalten. Ein Versuch, sie auf die Beine zu bringen,
mißlang. Ihr Sensorium war etwas benommen, sie zeigte kein
Interesse für die Umgebung. Die Mastdarmtemperatur betrug
38,2° C. Die Nachgeburt war gleich nach dem Kalben abge¬
gangen. Da durch die rektale Untersuchung keine Verletzungen
des Beckens festzustellen waren und die leichte Gebnrt gegen
das eigentliche Festliegen sprach, stellte ich die Diagnose Kalbe¬
fieber im Anfangsstadinm. Ich spritzte der Kuh 0,1 Eserin, sulf.
und 5,0 Coffein: natrio-salicyl. unter die Haut und nahm die
bekannte Luftinfusion vor. Hierbei möchte ich bemerken, daß
es in den meisten Fällen gar nicht nötig ist, die eingepumpte
Luft durch Gummiringe usw. abzuschließen. Man kann getrost
ein wenig von der eingepumpten Luft entweichen lassen und dann
sofort den Finger auf die Strichmündung drücken. In der Regel
fließt dann sogleich etwas Milch in die Milchcysterne und verhindert
allein schon den Austritt der eingepumpten Luft. — Dem ängst¬
lichen Verwalter stellte ich in Aussicht, daß die Kuh noch am
Abend desselben Tages aufstehen würde, was sie auch gegen
7 3 /i Uhr tat.
Am 11. Januar erhielt ich den telephonischen Bescheid,
daß die Kuh die ganze Nacht über (vom 10.—11. Januar) ge¬
standen, sich dann um 10 Uhr vormittags wieder hingelegt habe
und nun wieder festliege. Bei der Untersuchung am 11. Januar
zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags stelite ich folgenden Befund
fest: „T. 38,7°, Puls unfühlbar. Patientin reagiert nicht auf
Nadelstiche in den linken Hinterfuß und auf das Beklopfen der
Kniescheibe. Sie hat an diesem Tage noch nichts gefressen
auch keinen Kot abgesetzt. Die Psyche war aber freier als am
9. Januar. Ich stellte diesmal die Diagnose Festliegen nach
der Geburt und machte eine Veratrin-Injektion (0,15). Außer¬
dem verordnete ich Einreibungen der hinteren Fessel- und Sprung-
BEWJNER TIERÄRZTLIOHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
784
gelenke mit Ungt. Sapo-saHcyl. Am 12. Januar konnte die Kuh
wieder aufstehen.
Es ist dies bei den mir vorgekommenen Fällen von Kalbe¬
lieber der erste, der einen Rückfall im Gefolge hatte, denn als
selbständige Krankheit kann ich die am nächsten Tage auf¬
tretende Lähmung nicht auffassen. Ich erkläre mir die Sache
so, daß die erste Behandlung ausnahmsweise früh einsetzte, als
die Symptome des Kalbefiebers sich erst im Anfangsstadium be¬
fanden, daß die Parese durch die Lufttherapie zwar sofort auf
ca. 14 Stunden beseitigt wurde, dann aber nach Entfernung der
meisten Luft ans dem Euter wieder auftrat, jedoch unter dem
Bilde der leichteren Form d. h. des sogenannten Festliegens
verlief. — Es würde mich sehr interessieren, wenn noch andere
Kollegen über Rückfälle bei der Gebärparese berichten würden.
Auch die Frage der subnormalen Temperatur ist noch nicht
genügend geklärt. Ich habe nur selten subnormale Temperatur
gefunden. In den meisten Fällen war aber die Temperatur
normal resp. hochnormal (38°—39,5°).
Darmanhängsel beim Schweine.
Von Tierarzt Dr. Goldberger-Krojankc (Westpreußen).
In Nr. 38 des Jahrgangs 07 der B. T. W. habe ich auf
S. 091/92 die Skizze und Beschreibung eines abnormen Darm¬
anhängsels bei einem Schafe gebracht.
Ich bin heute in der Lage, von einer ähnlichen Abnormität
am Dünndarm eines Schweines zu berichten.
Das Anhängsel, dessen Skizze ich wiederbringe, fand sich
an einer scharfen Krümmung des Leerdarmes, wo es zeigefinger¬
förmig herausragte. Die Länge des Blindsackes betrug 7,5 cm,
der Durchmesser am Anfänge 3 cm, am blinden Ende 1,5 cm.
Mucosa und Serosa unterschieden sich nicht von den angrenzenden
Dannteilen.
Beide Originalpräparate habe ich Herrn Professor Schmaltz
für das Anatomische Museum übermittelt.
Ein Fall von Rauschbrand bei einem Schwein.
Von Tierarzt Willenberg, Großhartmannsdorf.
In Anbetracht der Seltenheit des Vorkommens von Rausch¬
brand bei Schweinen wird es die Leser interessieren, von einem
derartigen Fall Kunde zu erhalten: Am 31. März d. J. wurde
ich von dem Gutsbes. B. zu Gr. H. ziu* Sektion eines ihm plötz¬
lich verendeten Schweines gerufen. Infolge anderer Geschäfte
war es mir erst 4 Stunden nach Eintreffen der Requisition
möglich, an Ort und Stelle zu erscheinen. Das verendete
Schwein war ca. 3 Ztr. schwer und hatte sich noch 2 Stunden
vor seinem Tode des besten Wohlseins erfreut. Als ich des
Kadavers, der in einem Schuppen lag, ansichtig wurde, fiel mir
der riesige Umfang und die schon starke Grünfärbung der
Bauchdecken auf. Der Kadaver war noch warm, Totenstarre
noch nicht eingetreten.
Beim Durchschneiden der Haut längs der Mitte des Bauches
fiel mir ein starker Luftgehalt in der JJnterhaut auf. In der
rechten Kniefalte befand sich eine ca. kindskopfgroße Geschwulst,
die sich fast bis an den Nabel herüberzog. Diese Geschwulst
sank beim Aufschneiden der Haut in sich zusammen; dabei ent¬
wichen süßlich-faulig riechende Gase und es entleerte sich eine
größere Menge goldgelber Flüssigkeit aus dem Schnitt. Beim
Durchschneiden der Einwärtszieher zeigte sich die Muskulatur
stark mit Luft durchsetzt und fühlte sich wie Schwamm, ganz
puffig, an.
Am Dünn- und Dickdarm waren Krankheitserscheinungen
nicht nachzuweisen. Die Milz war nicht vergrößert, sah aber
infolge starker Fäulnis grün aus. Die Pulpa war erweicht.
Die Leber war nur leicht geschwollen und in ihrer Farbe wenig
heller als bei gesunden Tieren; aber.unter dem serösen Über¬
züge der Leber fand sich in reichlicher Menge Ansammlung
von Luft in kleinen Bläschen, so daß die Leber wie mit Tau-
tröpchen besetzt aussah. Das Herz zeigte unter seinen serösen
Häuten kleine Blutungen in geringer Anzahl. Die Lunge war
gesund, zeigte in der rechten Hälfte Hypostase.
Da ich bei diesem Befunde eine Diagnose noch nicht stellen
konnte, wollte ich die Halsorgane herausnehmen; dabei wurde
mein Rauschbrandverdacht sofort bestätigt. Beim Einschneiden
in den sehr stark aufgetriebenen Kehlgang hatte ich mit dem
Messer einen Widerstand zu überwinden, wie beim Einschneiden
in eine Lunge: Das ganze Gewebe knisterte und roch süßlich¬
widerlich. Die durchschnittene Muskulatur war hellrot gefärbt,
stark mit Luft durchsetzt und sehr leicht zerreißlich. Das
Ganze machte einen zunderartigen Eindruck. In derselben
Weise war die Muskulatur des linken Vorderschenkels verändert.
Am nächsten Morgen untersuchte ich mit dem zuständigen
Kreistierarzt den Kadaver noch % einmal; die Fäulnis der offen
liegenden Teile war so hochgradig, daß nichts mehr anzufangen
war. Nur durch tiefere Muskelschnitte konnte noch typisch
verändertes Gewebe freigelegt werden. Die bakteriologische
Untersuchung dieser Teile ergab einwandfrei „Rauschbrand“.
Die Fäulnisentwicklung an diesem Kadaver war so stark,
wie ich sie im Hochsommer selbst bei 4—5 Tagen alten
Kadavern noch nicht beobachten konnte.
Referate.
Hufbeinfissnren und Hufbeinfrakturen.
Von Oberveterinär Rachfall.
(Zeitschrift für Veterinär!?. 1908, S. 163.)
Innerhalb der letzten 2 Jahre hatte R. in 11 Fällen Gelegen¬
heit, bei Offiziers- und Dienstpferden eine Lahmheit zu sehen,
bei der die Diagnose ständig Schwierigkeiten machte, wüewohl
stets die Hintergliedmaßen betroffen waren und die Ursache ein
und dieselbe war. Die Lahmheit zogen sich die Pferde jedesmal
beim Sprunge über den Graben dadurch zu, daß sie zu flach
8. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
sprangen and mit der Vorderfläche des Hofes gegen die hölzerne
Bordschwelle des Grabenrandes schlagen. Die Zehe wurde nur
belastet, beim Auftritt wurde der Schenkel schnell zuckend hoch¬
gehalten. Die Untersuchung der Gliedmaße bis zum Krongelenk
abwärts fiel negativ aus; überaus starke, oft sichtbare Pulsation
der Schienbeinarterie war vorhanden, bei geringstem Druck
wurden am ganzen Huf sehr starke Schmerzen ausgelöst. —
Ein besonders schwerer Fall, bei dem infolge der erheblichen
Symptome die Diagnose Hufbeinfraktur gestellt und durch die
Sektion gesichert werden konnte, bot die Handhabe, die übrigen
Fälle bei gleicher Ursache und Symptomen als Hufbein¬
fissuren zu diagnostizieren. Auch der Verlauf stellte diese
Diagnosen sicher. Im Verlaufe von 6—8 Wochen nach Auf¬
treten der Lahmheit machte sich nämlich bei aßen Pferden am
betreffenden Hufe eine knackmandel- bis walnußgroße, harte,
schmerzlose Auftreibung im Bereiche des Saumbandes und der
Formwand des Zehenteiles dicht unter dem Kronenrande, entweder
in der Mittellinie oder in 1—2 cm Entfernung von derselben nach
außen bemerkbar. Es trat also eine Knochenneubildung am
oberen Hufbeinrande auf, als deren Ursache eine Fissur des
Hufbeines angenommen werden mußte.
Zur Heilung dieser schweren Lahmheit waren durchweg
4—5 Monate nötig. Von den 10 Pferden mit Fissur wurden
7 geheilt, bei 3 Tieren besteht im Anfang der Bewegung geringe
Lahmheit. — Die Knochenauftreibungen gingen um mehr als
die Hälfte wieder zurück; auch die konvexe Verbiegung der
Zehenwand und die untergeschobenen Trachten haben sich bei
sachgemäßem Beschläge völlig ausgeglichen. Auf Grund seiner
Beobachtungen hält R. die Prognose der Hufbeinfissuren für
verhältnismäßig günstig; jedoch dürfte vor Ablauf von 3—4
Monaten kein abschließendes Urteil zu fällen sein.
Richter.
Über tierärztliche Geburtshilfe.
Von Dr. A. Zimmermann in Budapest.
(ö«terr. Mooatsachr. f. Tierheilk. 1908, 8. 12.)
Von neueren Instrumenten hat Zimmermann u. a. das haken¬
förmige Pessarium nach Blume bei einem Scheide Vorfall ange¬
wendet, der bei einer 8 Jahre alten Kuh im 7. Trächtigkeitsmonat
eingetreten war. Die Scheide war am Tage vorher in einer Länge
von ca. 80 cm herausgestülpt. Nachdem Patient, welcher mit
dem Hinterteil in einer kanalartigen Vertiefung stand, hinten
höher gestellt worden war, wurde die Reposition vorgenommen
und der Blume sehe Scheidenhalter angewendet. Derselbe
wurde nach 3 Tagen entfernt; Kontusionen usw. waren nicht
entstanden; der Vorfall hat sich nicht wiederholt.
Zimmermann entfernte bei einer Kuh 7 Tage nach dem Kalben
mit eingeöltem Arm während einer Stunde die stark faulende Nach¬
geburt. Besonderes Interesse verleiht diesem Fall der Umstand,
daß während der Operation an der scheinbar unverletzten
Haut des eingeführten Armes eine Infektion zustande kam.
Am nächsten Morgen zeigte sich ein brennendes, schmerzhaftes
Gefühl an dem geröteten, etwas geschwollenen Arm; nachmittags
zeigten sich kleine Bläschen, abends Schwellung der Achsel¬
höhlendrüsen und am nächsten Tage einige Bläschen an der
Brustwand. — Sublimatumschläge (1:500) zwei Tage lang,
dann Einreiben mit Bleiessigsalbe nach ärztlicher Ordination
brachten in vier Tagen vollkommene Heilung,
Richter.
(Aus dom Tierhygieuischen Institut der Universität Freiburg i. Br.)
Das Aneurysma verminosum eqni vom pathologisch¬
anatomischen, statistischen, klinischen und zoologischen
Standpunkte.
Von Dr. Adelmann, Tierarzt in Oppenau (Baden).
(Archiv für wissenach. a. prakt. Tierheilk., Bd. 34, H. 3.)
Durch seine Untersuchungen beabsichtigte Adelmann Be¬
weise für die Vermutung, daß verirrte Rundwurmlarven beim
Pferde sehr verschiedenartige Krankheiten zu erzeugen imstande
sind, zu erbringen. Unter eingehender Würdigung der bisher
vorhandenen Literatur und nach Schilderung seines Unter¬
suchungsplanes geht Verfasser auf die pathologisch-ana¬
tomischen Veränderungen des näheren ein. Bei 85 unter¬
suchten Pferden konnten 125 Aneurysmen nachgewiesen werden.
Nicht ein Pferd wurde ohne Aneurysma angetroffen. Am
häufigsten wurden die vordere GekrÖswurzel, sodann die hintere,
ferner die Pfortader, Milzarterie und Lungenarterien betroffen.
Die Ausdehnung der Aneurysmen differierte zwischen Haselnuß-
bis Mannesfaustgröße. Der betreffende Thrombus ist sehr ver¬
schieden in der Form, dem Alter und der inneren Einrichtung.
Meist ist er wandständig, der Intima adhärierend, entweder
zirkumskript oder das ganze Aneurysma ausfüllend, er ist teils
kanalisiert, teils total obstruierend mit mehreren Ausläufern
nach den peripheren Ästen. Von den im Pferdekörper vor¬
handenen drei Skierostomenarten ist in den Aneurysmen nur
die Larve des Sclerostomum bidentatum anzutreffen. Die Gefä߬
wand ist nicht der alleinige Wohnsitz der Larven, sondern die¬
selben können teils in Fibringerinnseln gehüllt, teils an der
Intima festgesaugt parasitieren.
Hinsichtlich der Wanderungsweise ist folgendes zu er¬
wähnen: Aus den von den Weibchen des Sclerostomum biden¬
tatum im Darme abgesetzten Eiern können schon im Pferde¬
körper die Embryonen ausschlüpfen, so daß dieselben im Inhalt
des Blind-, Grimm- und Mastdarmes nachgewiesen werden können,
zum anderen Teil gehen die Eier mit dem Pferdekot ab und
gelangen in die Außenwelt. Eine Hauptablagerungsstätte der
Sklerostomenlarven stellt die Leber vor, woselbst aber die
Larven infolge ungünstigen Nährbodens sehr bald absterben und
als tote Körper den Anlaß zur Bildung der sogenannten ento-
zoischen oder kalkig-fibrösen Knötchen geben, mitunter wird
auch eine chronische interstitielle Leberentzündung hervorgerufen.
Sind die genannten Parasiten in die Pfortader gelangt, so
können sie die hintere Hohlvene passieren und in das rechte
Herz kommen. Nunmehr der Lunge zugeschwemmt, können sie
daselbst den Ausgangspunkt für umfangreiche Thrombosen der
Lungenarterien bilden oder sie führen durch zeitiges Absterben
zur Produktion kleiner Knötchen. Verschiedene Sklerostomen¬
larven durchdringen auch das Lungenkapillarsystem und geraten
in den großen Blutkreislauf. Sie lokalisieren sich dann in den
Herzgefäßen, Achselarterie, Nackenarterie, Gehirnarterien, Bauch¬
aorta (vordere GekrÖswurzel) Samenarterien, Beckenarterien usw.
Nicht bloß die soeben geschilderte Lokalisation der
Sklerostomenlarven kommt vor, sondern es ist zuweilen auch
eine Generalisation zu beobachten. So stellt z. B. nach
des Verfassers Ansicht die sogenannte Schweinsberger¬
krankheit eine durch Sklerostomen-Generalisierung hervor¬
gerufene Krankheit vor.
Aus den klinischen Betrachtungen möchte ich nach¬
stehendes hervorheben: Die schädliche Wirkung der hier bo-
736 __HKHUXKH T1KK ÄUZTL1
sprocheuen Parasiten bestellt zunächst in der Verletzung der
Mukosa des Darmes durch zahlreiche Bisse, in der Entstehung
von Darmkatarrhen, Ulzerationen im Dickdarm, Reizung der
nervösen Apparate und in Blutentziehung. Anämie und Kachexie
sind dann sehr oft die Folge. Von anderweitigen Veränderungen
sind zu nennen: Leberzirrhose, chronischer Milztumor, umfang¬
reiche Aneurysmenbildung, Leukozytose, Lungenthrombose mit
Dämpfigkeit, zerebrale Depression.
Die Aneurysmen der Gekröswurzeln können zur Embolie,
Nekrose, Darmlähmung, Entzündung, Achsendrehung, Invagi-
nation usw. führen (thrombotisch-embolische Kolik). Nach
Adelmanns Ansicht wird auch die gewöhnliche Krampfkolik
in der Regel durch unvollständige Embolie veranlaßt. Die
manchmal entstehende Thrombose der Becken- und Schenkel¬
arterie gibt die Ursache zum intermittierenden Hinken. Plötzliche
Ruptur eines Aneurysma bedingt Tod durch Verblutung.
Zur Feststellung etwaiger Gift Wirkung nahm Verfasser
Experimente an Meerschweinchen und Kaninchen vermittelst
subkutaner und intraperitonealer Impfung vor, indem er die
Larven der Skierostomen unter aseptischen Kautelen verrieb und
die erhaltene Masse zur Injektion benützte. Das Resultat
bestand in deutlicher Giftwirkung.
Hinsichtlich des zum Schluß noch bearbeiteten zoologische n
Teiles und weiterer Einzelheiten muß auf das Original ver¬
wiesen werden. J. Schmidt.
Strophantin und Digalen.
Von Distriktstierarzt Dorn, Markterlbach.
(WocluuiBchrlft für Tierheilkunde und Viehzucht, b'2. Jahrg., Nr. 1Ü und 11.)
Dorn stellte in seiner Praxis Versuche mit dem von der
chemischen Fabrik Böliringer-Waldhof in den Handel gebrachten
Glykosid Strophantin an. Dieses Mittel ist intravenös, und
zwar bei Pferden und Rindern in der Dosis von 0,01—0,015 zu
injizieren. Verfasser fand, daß das Strophantin bei den ver¬
schiedensten Krankheiten den Zirkulationsapparat günstig be¬
einflußt. Innerhalb weniger Minuten bessert sich der Herz¬
rhythmus und verringert sich die Pulsfrequenz. Die Körper¬
temperatur bleibt unverändert. Die Wirkungsdauer des ge¬
nannten Präparates ist auf ca. 24 Stunden zu bemessen. Der
Preis für 0,01 Strophantin Böhringer (in zugeschmolzenem
Gläschen) beträgt etwa 50 Pf.
Des weiteren schildert Dorn seine Erfahrungen mit dem
Cardiacum Digalen. Über des letzteren guten Eigenschaften
hatte er schon 1906 (Nr. 29 und 30 der Wochenschrift für
Tierheilkunde und Viehzucht) berichtet. Auch jetzt steht Ver¬
fasser noch auf dem Standpunkte, daß er das Digalen als vor¬
zügliches Herzmittel empfehlen muß, dem nur sein hoher Preis
(1,80 M. für 15 ccm) hinderlich für die allgemeine Verwendung
in der Praxis sein dürfte. Die Technik der Applikation besteht
am zweckmäßigsten in der subkutanen Injektion. Die Dosis
beträgt 15 ccm. Um den an der Injektionsstelle sich etwa
bildenden Schwellungen vorzubeugen, muß eine mehrere Minuten
währende Massage angewendet werden. J. Schmidt.
Erkrankung der Hasen durch Strongylns retortaeformis.
(Veröffentl. aus den Jahresveteriu&rberichten der beamteten Tierärzte Preußens
für das Jahr 1905. II Teil. Berlin 1908.)
Kreistierarzt Simon in Beeskow stellte als Ursache des
massenhaften Sterbens der Hasen im Königl. Forst seines
Kreises Parasiten fest und zwar handelte es sich um den
Strongylus retortaeformis. Die Hasen erkrankten und starben i
IT11K \V()(’11EXS(111HFT^ Xo^ JJ
unter den Erscheinungen des Darmkatarrhs. Simon ist der
Ansicht des Dr. von Linstow, daß nämlich die Wirkung der
Parasiten nicht auf Blutentziehung oder mechanische Störungen,
sondern auf Absonderung eines energisch wirkenden Toxins der
Parasiten zurückzuführen ist. Rdr.
Über einen Fall von Struma sarcomatosa der Schild¬
drüse (kleinzelliges Rundzellensarkom) mit sekundärer
Hypertrophie der Nebennieren und Hydrops Ascites
beim Hunde.
Von Prof. Guido Guerrini in Mailand.
(Monatsheft für prakt. Tierheilkunde. XIX. Band, 9. Heft, 8. 416.)
Fälle von Struma sarcomatosa sind beim Hunde keine
Seltenheit. Der von Guerrini beschriebene Fall ist jedoch
durch die Sekundärerscheinungen interessant. Neben der
Hypertrophie der Nebennieren fand sich bei der Sektion auch
noch Hypertrophie der H 3 r pophysis und Hydrops Ascites.
Guerrini ist der Meinung, daß durch die fortschreitende Zer¬
störung der Schilddrüse eine Insuffizientia thyreoidea eingetreten
ist, die nun zu einer Alteration im Stoffwechsel und weiterhin
zu einer Anhäufung von abnormen Substanzen im Organismus
führte. Diese Substanzen wirkten als ein Stimulans und be¬
dingten die Hyperfunktion der Hypophysis und der Nebennieren.
Der Hydrops war bedingt durch Druck der vergrößerten Neben¬
nieren auf die Vena cava und der daraus resultierenden allge¬
meinen venösen Stase. Als zweite Ursache der Transsudation,
denn um ein Transsudat handelte es sich, ist auch die Alteration
des Stoffwechsels anzusehen. Rdr.
Hämagglutination and Hämatolyse.
Von Prof. Dr. Leo von Liobermann-Budapest.
(Orvosi Hetilap 1907. Nr. 31.)
Bei der Suche nach Komplementen stellte es sich heraus,
daß die nomalerweise in den Blutsera vorkommenden Seifen
die Rolle solcher Komplemente spielen. Das aktive hämatolytische
Kaninchen-Immun-Serum und das Normalserum sind ebenso, wie
die Seifenlösnngen durch Kalksalze inaktivirt. Aktives liäma-
tolytisches Immunserum ist durch Zusatz eines Alkalis inaktivir-
bar. Wenn man Blutzellen des Schweineblutes, welche durch
Immunserum agglutiniert worden waren, mit Salzsäure behandelt,
gewinnt man eine Flüssigkeit, welche dem Schweineblutserum
zugesetzt, demselben den Schweineblutzellen gegenüber häma¬
tolytische Eigenschaften verleiht. Daraus geht hervor, daß der
Immunkörper die Eigenschaften einer Säure besitzt.
Diese Säure besitzt die Eigenschaft, die im Serum erhaltenen,
inaktiven SeifenverbinduDgen zu aktiviren.
Bisher gelang es dem Autor nicht, den Charakter dieser
Säure herzustellen, so mußte er sich damit begnügen, zu be¬
weisen, daß eine solche Annahme bezüglich des Wesens des
Immunkörpers und des Komplementes überhaupt möglich ist.
Aus diesem Grunde wurden die bei den hämatolytischen Sera
beobachteten Erscheinungen mit willkürlich gewählten Stoffen
und zwar mit Ölsäure und Seife nachgeahmt. Die Versuche
ergaben sehr interessante Erfolge. Die konzentrierte Lösung
vom Serumalbumin verhindert die haematolytische Wirkung einer
entsprechenden Seifenmenge. Setzt man jedoch dem Gemenge
von Seife und Serumalbumin Ölsäure zu, doch bloß in einer
solchen Menge, die an und für sich noch keine Hämatolyte er¬
zeugt, tritt die Hämatolyse wieder auf. Die zur Aktivirung
i des Seifenalburaingemenges eben nötige Menge der Ölsäure wird
s. Oktober 190S.
BERLINER TIERÄRZTLICHE W0< ’HENSt HRIFT.
737
die Blutzellen bloß agglutinieren, ebenso wie dies das inaktivirte
liaematolytische Immunserum allein tut. Wenn man nun dieses
durch Zusatz von Ölsäure aktivirte Gemenge von Seife und
Serumalbumin auf 56 0 eine halbe Stunde lang erwärmt hält,
so wird dasselbe vollständig inaktivirt, ebenso wie das Immun¬
serum. Bloß die Agglutinationsfähigkeit bleibt bestehen. Solche
Gemenge also, die Seife, Ölsäure und Serumalbumin in einem
gewissen Verhältnisse enthalten, verhalten sich auffallend ähnlich
wie die Immunsera und es ist unmöglich zu verkennen, daß die
Ölsäure bis zu einem gewissen Grade die Rolle des Immun¬
körpers, die Seife die Rolle des Komplementes spielt. Dr. Z.
Über Tuberkulose.
Referiert von Dr. Mießner-Bromberg.
Dr. Turbau und Dr. Baer, Opsonischer Index und Tuberkulose.
(Beiträge zur Klinik der Tuberkulose 1908, Bd. X, Heft 1.)
In dem vorliegenden Hefte wird kurz auf die Bedeutung
der Opsonine für die Diagnose und Prognose der Tuberkulose
eingegangen und vor allem eine ausführliche Beschreibung der
Methode geliefert, die allen denen, welche sich mit den Opsoninen
beschäftigen, aufs wärmste zu empfehlen ist. Verfasser halten
die Opsonine für thermostabil und berücksichtigen die Declef-
Neufeldschen Bakteriotropine gar nicht. Man vermißt auch
im Literaturverzeichnis die diesbezüglichen bahnbrechenden
Arbeiten. Es darf mit einiger Spannung der zweite Teil dieser
Arbeit, in welchem dargelegt werden soll, wie weit die eigenen
Untersuchungen an dem Krankenmaterial des Sanatoriums zu
Davos die Wrightschen Lehren rechtfertigen, erwartet werden.
Dr. Kazlmir Dluski, Über Tuberkulinanwendung In der Lungentuberkulose
vom klinischen Standpunkte.
(Beiträge zur Kliuik der Tuberkulose 1908, Heft X, S. 41.)
Verfasser bringt eine ungeheuer fleißige, aber nicht sehr
übersichtliche Arbeit über die bisher benutzten Tuberkuline und
die mit ihnen erzielten Erfolge. Er kommt auf Grund dieser
Vergleichungen zu dem Schluß, daß die Tuberkuline zweifellos
günstige Wirkung ausüben in sehr schweren Fällen, zuweilen
aber in leichten Fällen schaden können. Dluski empfiehlt als
sicherste und unschädlichste Methode das Verfahren von Sahli.
1. Anfangsdosis 0,0001 g. 2. Allmähliche Steigerung, wenn
keine Temperaturerhöhung eintritt. 3. Jede Reaktion zu ver¬
meiden. 4. Keine Behandlung bei Fiebernden.
Rothschild, Neue Gesichtspunkte der Tuberkulose.
(1908. Bd. X, Heft 1, 8. 27, 32.)
Verfasser konnte bestätigen, daß wie Wright auch ihm
häufig die Opsoninmethode in der Tuberkulintherapie versagte.
Er sucht die Ursache darin, daß die Tuberkulinpräparate aus
einem Stamm von Bazillen hergestellt sind, der nicht demjenigen
des betreffenden tuberkulösen Menschen entspricht. Rothschild
fordert deswegen für jeden Patienten ein Tuberkulin, das aus
den Bazillen der kranken Person hergestellt ist: Auto¬
tuberkulin. In drei Fällen hat er damit gute Erfolge gehabt
und vollkommene Gesetzmäßigkeit des opsonischen Index be¬
obachtet. Es folgte stets der Inokulation eine kurze negative
Phase und dann eine kräftige positive Phase. Da es nun nicht
immer gelingt, aus jedem Patienten Tuberkelbazillen zu züchten,
so verwendet Rothschild ein Universaltuberkulin, das
die bekannten säurefesten Stäbchen verschiedener Art und
Virulenz, die als Erreger der menschlichen Tuberkulose in Frage
kommen, vereinigt.
Die Druse der Pferde und ihre Behandlung mit Serum
nach DDr. Jeß-Piorkowski.
(Deutsche Schutz- und Heilserum-Gesellschaft.)
Von Dr. mcd. vet. W. Franz, approb. Tierarzt
Franz hat sich als Dissertationsthema die Behandlung der
Pferdedruse mit dem Jeß-Piorkowskisehen Antistreptococcen-
Serum der Deutschen Schutz- und Heil-Serum-Gesellschaft gestellt.
Nach Beschreibung der Geschichte der Impfungen gegen
Druse, die die gesamte diesbezügliche Literatur umfaßt, kommt
Verfasser zu dem Begriff der Krankheit selbst und bietet einen
interessanten, historischen Überblick über das Wesen derselben,
wobei er die Irrlehren im Anfang des vorigen Jahrhunderts
streift, die verschiedenen Anschauungen bis auf unsere Zeit
berücksichtigt und endlich den jetzt als richtig erkannten Er¬
reger der Drusekrankheit, den Streptococcus equi morphologisch
eingehend erörtert. In besonderen Kapiteln werden das Vor¬
kommen der Streptococcen, indem gleichfalls die Literatur zu
Hilfe genommen wird, die kulturellen und tinktoriellen Eigen¬
heiten ausführlich beschrieben. Man merkt auch diesen Kapiteln
die fleißige Arbeit Franz’ an, die um eine Anzahl eigner
Beobachtungen vermehrt ist. Der Pathogenität und dem In¬
fektionsmodus ist gleichsfalls ein besonderer Abschnitt gewidmet.
Ein zweiter Teil der lesenswerten Arbeit behandelt dann
die eignen Versuche, die Verfasser mit dem Serum anstellt. Bei
sämtlichen Patienten, die in seine Behandlung kamen, wurde
neben dem klinischen Befund die Diagnose durch Kultur, Mikroskop
und Tierversuch erhärtet. Sowohl Initialstadien, wie weiter
vorgeschrittene Fälle mit Komplikationen wurden in den Bereich
der Seruminjektionen eingezogen. Es würde zu weit führen,
das gesamte Material, das ausführlich besprochen und durch eine
Fülle von Kurven erläutert ist., hier aufzuführen. Eine große
Zahl kranker Tiere wurde eingehend untersucht, behandelt und
die Erfolge kritisch beleuchtet. Sowohl Heilimpfungen, wie
Immunisierungen wurden angewendet.
In den Schlußbetrachtungen bespricht Franz dann noch
die wissenschaftlichen Wertbestimmungen des Serums, die schon
vorher sowohl von Ludwig als von Rathjen mit günstigem
Endergebnis ausgeführt sind, um dann selbst zu dem kritischen
I Schluß zu gelangen, „daß das Serum gegen Druse nach
Jeß-Piorkowski bei rechtzeitiger Anwendung, d. h. im
Anfangsstadium der Krankheit, die Druse koupieren
kann, anderseits aber bei weiterem Fortschritt des
Krankheitsbildes den Verlauf der Krankheit sehr
günstig beeinflußt. Endlich aber auch, daß dem Druse¬
serum eine Immunitätskraft innewohnt, die sich wie
erwiesen, auf Jahre erstreckt.“ P.
Zur Aufklärung.
Herr Dr. Piorkowski hat in die letzte Nummer der Berl.
Tierärztl. Wochenschrift ein sein Hundestaupeserum betreffendes
Reklameblatt einlegen lassen, in welchem u. a. auch ein Gut¬
achten von mir publiziert wird, ohne daß ich hierzu meine Er¬
laubnis erteilt habe.
Ich erkläre hiermit, daß ich s. Z. Herrn Dr. Piorkowski
gelegentlich und nebensächlich eine Mitteilung über vorläufig
günstige Resultate mit dem Hundestaupeserum zukommen
ließ, daß ich aber auf Grund meiner vom 15. Mai bis 24. Oktober
1907 vorgenommenen zahlreichen Zwingerversuche zu einer ge¬
rade entgegengesetzten Ansicht über den Wert des Serums in
38
No. 41.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
prophylaktischer und therapeutischer Hinsicht gekommen bin
und daher demselben jede Wirkung absprechen muß.
Über die mit dem Hundestaupeserum erzielten Fehlerfolge
habe ich in einer bereits vor mehreren Monaten erschienenen
Broschüre ausführlich berichtet, welche während der letzten
Wochen in zahlreichen in- und ausländischen Fachzeitschriften
kritisch beurteilt worden ist, und ich muß annehmen, daß Herr
Dr. Piorkowski weder diese Arbeit gelesen hat, noch die
tierärztliche Literatur in der letzten Zeit eingehend verfolgt
hat, da er wohl sonst das obennerwähnte Gutachten nicht ver¬
öffentlicht haben würde.
Dr. med. vet. Richter, Hoftierarzt, Dessau.
Tagesgeschlchte.
t
Am 18. September verschied nach längerer Krankheit im
66. Lebensjahre Bezirkstierarzt Hermann Schröder in
Frankenthal.
Geboren am 5. Dezember 1842 als der Sohn eines Ober¬
försters in Hördt bei Germersheim besuchte der Verstorbene
die Lateinschule in Germersheim und von 1858/60 die land¬
wirtschaftliche Schule in Lichtenhof; nach Absolvierung der¬
selben bezog er die damalige Zentraltierarzneischule in München,
die er nach gut abgelegten Examen im Jahre 1864 verließ,
um sofort als Praktikant bei Bezirkstierarzt Regnault in
Kirchheimbolanden und ein Jahr später bei Bezirkstierarzt
Werner in Germersheim in den tierärztlichen Dienst eingeführt
zu werden.
Von 1866/78 war er als Distriktstierarzt in Otterberg
tätig und dort sowohl als Gesellschafter als auch in seiner
Eigenschaft als Tierarzt allgemein beliebt und hoch geachtet.
Im Jahre 1878 wurde er als Bezirkstierarzt nach Franken¬
thal berufen und wirkte hier 30 Jahre lang in stets ungetrübter
Gesundheit, hochgeschätzt von jedermann. Jeder, der ihn kannte,
war ihm zugetan.
Im Dienste zuverlässig und gewissenhaft, in der Praxis
stets gefällig und hilfsbereit; bis vor einem Jahre, als sich die
ersten Krankheitserscheinungen in Form von rheumatischen
Schmerzen einstellten, war er stets eifrig bemüht, seinen Ver¬
pflichtungen in musterhafter Weise nachzukommen. Schröder
war ein guter Haushalter, seine Familie ging ihm über alles.
Er hinterläßt eine Witwe mit zwei Töchtern, von denen
die eine an einen Forstmeister in Sigmaringen verheiratet ist.
Vor vier Jahren war es ihm vergönnt, mit seinen noch
lebenden Konabiturienten Albrecht, Burger, Magin, Marg-
graff und Rogener sein 40jähriges Jubiläum als Tierarzt in
körperlicher und geistiger Frische zu feiern.
Vom bayrischen Landwirtschaftsrat erhielt er schon vor
Jahren für seine verdienstvollen und erfolgreichen Bestrebungen
zur Förderung der Landwirtschaft die große silberne Vereins-
denkmünze.
In Kollegenkreisen war Schröder stets gern gesehen und
wegen seiner noblen Gesinnung hoch geschätzt.
Seinem bescheidenen, anspruchslosen Wesen entsprechend,
wurde auf seinen Wunsch seine Leiche in aller Stille im
Krematorium zu Mannheim eingeäschert; seine Kollegen ließen
es sich aber nicht nehmen, ihm in stattlicher Zahl die letzte
Ehre zu erweisen.
Bezirkstierarzt Heuberger als Vorstand des Vereins
Pfälzer Tierärzte legte nach einer ergreifenden Ansprache als
letzten Scheidegruß einen Kranz mit Schleife an der Bahre
seines Freundes nieder und der Vertreter des K. Bezirks¬
amtes und landwirtschaftlichen Bezirksausschusses Frankenthal
widmete dem Verstorbenen unter Niederlegung eines Kranzes
einen höchst ehrenvollen Nachruf.
Der Name Schröder wird sowohl in seinem bisherigen
Wirkungskreise als auch unter seinen Kollegen stets mit Ehren
genannt werden.
Friede seiner Asche!
Verein Pfälzer Tierärzte.
Militaria.
In Nr. 27 der B. T. W. findet sich unter der obigen
Bezeichnung ein Aufsatz, der darauf schließen läßt, daß der
Verfasser ziemlich genau mit dem veterinärärztlichen Dienst bei
der Truppe und allem was sonst in dieses Gebiet fällt, vertraut
sein muß. Zu bedauern au dem Artikel ist, daß derselbe
verschiedene Punkte nicht erschöpfend abhandelt; er hätte aus¬
führlicher verfaßt sein können. Ich bin der Meinung, wenn
man schon den Weg in die Öffentlichkeit, sei es auch zunächst in
einer Fachschrift, nimmt, daß man einesteils dasjenige, welches
zu beseitigen ist, scharf hervorheben, quasi mit einem festen
Rahmen umgeben, anderenteils das, was im gegebenen Falle an
die Stelle des zu Beseitigenden zu treten hat, ebenso ausführlich,
jedenfalls erschöpfend abhandeln muß, damit die öffentliche
Kritik die noch ev. nötigen Abänderungen vornehmen kann.
Die meisten Veterinäre sind wohl bis jetzt nicht gefragt und
werden nicht mehr gefragt werden, was sie noch alles für
Wünsche für die künftige Veterinärreform haben. Derartige
Anfragen werden höchstens einmal an die obere technische
Behörde gerichtet, häufiger dürften aber Umänderungen ganz nach
dem eigenen Gutdünken der Vorgesetzten Behörde vorgenommen
werden. Was die Veterinärreform anbetriflft, so sind ja für die
Reform so weitgehende Vorschläge seitens der verschiedenen
Standes Vertretungen usw. gemacht worden, daß man sagen kann,
wenn diese Vorschläge zum größten Teil Berücksichtigung
gefunden haben, alle Wünsche der Veterinäre erfüllt seiu
müssen.
Die Reform selbst ist bis jetzt mit tiefem Dunkel umgeben;
das wenige, was bis jetzt gerüchtweise nach außen gedrungen
ist, kann auf seine Wahrheit hin zunächst nicht geprüft werden.
Wenn es aber richtig ist, daß der Zeitpunkt, bis zu welchem
die Reform endgültig durchgeführt, der 1. April 1909 sein soll,
so wird jedermann noch vor Jahresschluß sich von dem Umfange
der Reform bei Einbringung des Etats selbst überzeugen können.
Der Zeitpunkt, der 1. April 1909, ist ja wiederholt von
Regierungsvertretern auf Anfragen verschiedener Abgeordneter
hin als Termin angegeben worden und es liegt gar kein Anlaß
vor, an den Angaben der Regierung zu zweifeln. Daß der
Zeitpunkt zur Einführung der Reform noch weiter hinausgerückt
werden sollte, ist wohl nicht anzunehmen. Selbst im Hinblick
auf die augenblickliche ungünstige Finanzlage des Reiches wäre
die Hinausschiebung der Reform nicht begründet, da die durch
dieselbe verursachten Kosten ja nur ein winziges Pünktchen
von den Millionen (man schrieb von 4—500 Millionen) betragen
8. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
739
werden, die durch die Reichsfinanzreform im nächsten Reichstag
ihre Deckung finden sollen.*)
Seit der Kaiserlichen Kabinettsorder über Errichtung eines
Veterinäroffizierkorps im Jahre 1903 sind nunmehr fünf Jahre
verstrichen, wahrlich eine Zeit, lang genug des Wartens, durch
welches die Geduld der meisten Veterinäre w r ohl bis zum Boden
erschöpft ist.**) Wenn auch nur ganz vereinzelt unwillige Be¬
merkungen wegen der langen Wartezeit der Veterinäre auf die
Reform in die Öffentlichkeit gedrungen sind, so darf man jeden¬
falls nicht hieraus schließen, daß dieses auf Teilnahmlosigkeit
der Veterinäre zurückzuführen sei. Wer mit den aktiven
Veterinären etwas engere Fühlung hat, wird wissen, wie lange
bereits und wie sehr der 1. April 1909 ersehnt wird und welche
große Hoffnungen die Veterinäre daran knüpfen. Hoffen wir,
daß sowohl der Zeitpunkt als auch der Umfang der Reform
allen Wünschen entspricht! Bestimmt wird angenommen, daß
die Vorlage zur Umwandlung des Militärveterinärwesens im
Herbst an den Reichstag gelangt.
Nach dem alten Sprichwort: „Was lange währt, wird gut“
zu schließen, muß ja auch hier etwas ganz besonders Gutes
herauskommen.
Würde das Ergebnis ein Fl ick werk und befriedigte die
meisten, für die es gemacht ist, nicht (einige Unzufriedene gibt es
in jedem Stande nach eingeführten Reformen), so müßte man wohl
annehmen, daß es an dem guten Willen der zuständigen Be¬
hörde, von Grund auf zu bessern, gefehlt hat. Vorschläge und
Eingaben tierärztlicherseits sind jedenfalls genügend gemacht
worden; hoffen wir, daß diese die weitgehendste Beachtung und
Annahme der Behörden gefunden haben! Die nächste Zukunft
wird ja darüber Bescheid geben.
Nach außen hat es auch wirklich den Anschein, als ob der
Schreiber in Nr. 27 recht hat mit seiner Annahme, „die älteren
Veterinäre haben sich zu viel auf den lieben Gott und ihre
Zivilkollegen verlassen“. Wie wäre es denn sonst wohl möglich
gewesen, daß z. B. die Oberveterinäre über zehn Jahre auf die
Gestellung eines Burschen haben warten müssen, nachdem
sie obere Militärbeamte geworden waren — warum läßt man
heute die Unterveterinäre 5 Jahre als Wachtmeister in der
Armee — wie kam es, daß bei Gehaltserhöhungen die
Veterinäre immer einige Jahre später bedacht wurden, als
alle anderen Staats- und Militärbeamten — warum besteht noch
heute ein so großer Unterschied im Gehalt zwischen Militär¬
apothekern und Militärveterinären; in Vorbildung und Studien¬
zeit sind doch die letzteren den ersteren überlegen. Die Er¬
klärung hierfür — wer nicht ruft, wird nicht gehört!
Kein Wunder deshalb, wenn die jüngeren Generationen der
Veterinäre, die ihrer Meinung über die Rückständigkeit des
Militärveterinärwesens unverhohlen Ausdruck gaben, bald unlieb¬
sam auffielen, unbequem wurden; man merkte, daß sie etwas werden
wollten. Die frühere sprichwörtliche Bescheidenheit der Veterinäre
war verloren gegangen; man schloß sich deshalb noch mehr
von ihnen ab, als dies schon sowieso der Fall war, die bis dahin
wohlwollend Geduldeten wurden kälter behandelt.
So wird es wohl noch einige Zeit fortgehen, das ange-
*) Inzwischen haben auch die Zeitungen berichtet, daß der
Kriegsminister die Vorlage zum nächsten Etat einzubringen be¬
absichtige.
**) Diese Zeit war aber von vornherein als Übergangszeit
angekündigt.
kündigte „Übergangsstadium“ wird desto länger dauern, je
länger der Veterinär auf die eigene Verantwortung und Selb¬
ständigkeit in seinem eigenen Fach warten darf. Erst, wenn
Bestimmungen in der Veterinärordnung festgelegt sein werden,
nach denen der Veterinär der allein Verantwortliche
in Sachen seines Faches in Wirklichkeit auch ist, dann wird
eine langsame Besserung in der Stellung der Veterinäre eintreten.
Wenn man die Veterinärordnung daraufhin durchsieht, in
welchen Fällen seines Faches der Veterinär der eigentlich Ver¬
antwortliche ist, so kann man sich wirklich nicht eines Kopf
schüttelns erwehren über die „große Verantwortlichkeit“ des
Veterinärs. Überall, wo man hinsieht, heißt es „unter Ver¬
antwortung und nach den Anordnungen des etc.“. Der veterinär¬
ärztliche Dienst erstreckt sich hauptsächlich auf Beaufsichtigung
(Unteroffizierdienst) und Behandeln nach vorheriger Ge¬
nehmigung. Wenn man noch bedenkt, daß die Veterinär¬
ordnung erst vor zwei Jahren neu herausgegeben ist, so kann man
sich wohl ein Bild davon machen, wie schwierig es hier ist,
grundsätzlich zu bessern, den Veterinären Zufrieden¬
stellendes in gesetzlichen Formen zu schaffen.
Nun kann es wohl heißen: so lange der Veterinär noch
Beamter ist, hat er nichts zu verantworten. Dem Buchstaben
nach ist dies richtig, in der Praxis steht dieser Redensart aber viel¬
fach die Tatsache entgegen, die auch in Nr. 27 treffend hervor¬
gehoben wurde, daß wenn etwas in irgendeiner Beziehung
verfahren ist und der unverantwortliche Veterinär damit in
Verbindung gebracht werden kann, dieser in dem Falle plötzlich
der Verantwortliche ist. Die UnVerantwortlichkeit des Veterinärs
ist mit einem Mal vergessen. Der Veterinär hat jedenfalls
öfter Gelegenheit, das Wort seitens militärischer Vorgesetzter
zu hören „macht nichts, ich habe ja die Verantwortung“, selbst
in rein technischen Sachen, und es bedarf nicht nur be¬
sonderer Energie, auch vieler Geschicklichkeit seitens des
Veterinärs, um an das gewünschte Ziel in einer Sache zu ge¬
langen. Viele mögen allerdings fünf gerade sein lassen, was
soll man sich weiter darüber aufregen oder nackdenken, wie
man auf einem anderen Wege zu dem gesteckten Ziele kommt,
gelohnt wird es doch nicht, nur neue Schwierigkeiten entstehen
daraus. Dies ist wohl in den meisten Fällen richtig, ob es
aber im Beruf befriedigt, ist eine andere Sache. Wenn das
Offizierkorps kommt, wird alles ganz anders — hört man
sagen. Alles braucht nicht anders zu werden, wenn nur das
zunächst abgestellt wird, was von den meisten Veterinären als
selbstverständlich angenommen wird — dann mag es zu¬
nächst genug sein.
Ein Vertreter des Kriegsministeriums hat ja gelegentlich
der Enthüllung der Gedenktafel für die gefallenen Veterinäre
in Süd-West oder bei der daran anschließenden Festtafel ge¬
äußert, „es würde sich eine Form finden lassen, um auch die
weitgehendsten*)Wünsche der Veterinäre zu erfüllen“. Wollen
wir hoffen, daß diese Form nunmehr gefunden ist, und die weit¬
gehendsten Wünsche wenigstens der meisten Veterinäre Be¬
rücksichtigung und Erfüllung gefunden haben! Was das Kriegs¬
ministerium in dieser Sache dem Reichstag vorlegt, dürfte ohne
Abänderung nach der einen, wie nach der anderen Seite ge¬
nehmigt werden; Abänderungen werden wohl kaum vorgenommen
werden. Immerhin dürfte es ratsam sein, die Verhandlungen
*) Der Superlativ ist wohl nicht gebraucht worden, aber das
Wort an sich genügt auch schon.
740
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41.
iu der Budgetkommission über die Reform später einmal auf¬
merksam zn verfolgen.
Doch nun einmal zur Sache selbst. Was erwarten die meisten
Veterinäre als Minimum von der Veterinfirreform:
1. in bezug auf Stellung, Gehalt, Uniform?
2. in bezug auf die Abstellung gewisser Bestimmungen in der
Veterinftrordnung?
Selbstredend wird die Bildung des Veterinäroffizier-
korps mit Bestimmtheit vorausgesetzt. Über die Einrichtung
des zukünftigen Offizierkorps selbst ist schon viel geschrieben
worden, und es braucht deshalb nur in aller Kürze darüber
rekapituliert werden.
An Offizierchargen müssen durch die Reform geschaffen
werden:
1. Veterinäre mit dem Rang eines Leutnants bzw. Assistenz¬
arztes,
2. Oberveterinäre mit dem Rang eines Oberleutnants bzw.
Oberarztes,
.‘5. Stabsveterinäre mit dem Rang eines Hauptmanns bzw.
Stabsarztes,
4. Oberstabsveterinäre mit dem Rang eines Majors bzw.
Oberstabsarztes,
5. Korpsstabfeveterinäre mit dem Rang eines Oberstleutnants
bzw. Generaloberarztes,
G. Der Veterinärinspekteur mit dem Rang eines Oberst
bzw. Generalarztes.
Daß die Charge der Veterinäre geschaffen wird, ist
selbstverständlich. Die Veterinäre würden aus den
Unterveterinären, die samt und sonders durch die Reform zu
Veterinären mit dem angegebenen Range avancieren müssen,
hervorgehen. Wie ist es überhaupt möglich, daß man jetzt
Unterveterinäre 4—5 Jahre lang im Wachtmeisterrang beläßt
Die Beförderung der Unterveterinäre zu Veterinären hätte schon bei
der neuen Titelverleihung usw. im Jahre 1905 dabei sein müssen;
warum hat man sie nicht auch zu Beamten gemacht, wollte
man vorher nicht mit der Reform anfangen? Ein solcher
Übelstand kann nicht früh genug beseitigt werden; ihn zu
beseitigen war, was die pekuniäre Seite anbetraf, sicherlich
nicht schwer, da die heutige „Löhnung“ des Unterveterinärs
so groß ist, wie das „Gehalt“ des Leutnants oder Assistenz¬
arztes und das frühere Gehalt der Roßärzte (1200—1400 M.).
Einen gewissen Übergang wollte man ja schaffen, das Alte
sollte nicht so unvermittelt in das Neue übergehen, deshalb
kamen die anderen Bezeichnungen, Achselstücke etc. Ich
glaube, daß dem Stande mehr geholfen worden wäre, wenn
man den Wachtmeistergrad der Unterveterinäre beseitigt hätte.
Bei den Obe rveterinären ist dafür Sorge zu tragen, daß
diese in einem früheren Lebensalter Stabsveterinäre werden,
als dies gegenwärtig der Fall ist. Wenn man bedenkt, daß der
Oberveterinär jetzt 42—45 Jahre alt wird, in einem solchen
Alter ein Gehalt von 2200 Mark (Gehalt der Oberveterinäre
= 1800 — 2200 Mark pro Jahr) bezieht, also ein Gehalt, der
hinter dem der subalternen Eisenbahn- und Postbeamten (die zu
einem großen Teil aus dem Unteroffizierstande hervorgehen,
zum Teil nur im Besitz des Einjährigen-Zeugnisses sind ohne
jedes Studium) zurückbleibt, und der von diesen in der Regel
im 38.—40. Lebensjahre erreicht wird, so muß man sich
als vernünftig denkender Mensch die Frage vorlegen: wie ist
es überhaupt möglich, daß zu dieser Karriere (wenn man von
einer solchen sprechen darf) sich immer wieder junge Leute
bereit finden! Und die Antwort — der Reiz des kostenlosen
Studiums und Unkenntnis der ganzen Sachlage.
Durch Schaffung einer größeren Anzahl von Stabs¬
veterinärstellen kann erzielt werden, daß die Ober veterinäre
in einem Alter Stabsveterinäre werden, in welchem auch die
Oberärzte den Stabsarzt zu erreichen pflegen, also mit durch¬
schnittlich 33—34 Jahren. Wenn der gute Wille vorhanden
ist, an Gelegenlieit zur Einrichtung neuer Stabsveterinärstellen
fehlt es jedenfalls nicht. Derartige Stellen können neu errichtet
werden bei den Trainbataillonen, an der Akademie, an
den Lehrschmieden und bei den detachierten Abteilungen
der Artillerie, auch dürfte sonst noch Gelegenheit vorhanden
sein zur Errichtung noch weiterer Stellen.
Was die Stabsveterinäre anbetrifft, so ist es selbst¬
verständlich, daß diese den Rang der Stabsärzte bzw. Haupt-
leute erhalten und auch ähnlich wie bei den Ärzten in dem
gleichen Lebensalter zu Oberstabsveterinären mit dem defini¬
tiven Oberstabsarztrang bzw. Majorsrang ohne besondere
Schwierigkeiten befördert werden müssen.
Nun zu den Oberstabsveterinären. Der Titel ist vor¬
handen, das beste daran aber fehlt noch — der eigentliche
Rang. Der jetzige Oberstabsveterinär mit dem persönlichen
Rang in der V. Rangklasse ist durchaus ungenügend. Wenn
die Stabsveterinäre durch die Reform Hauptmannsrang erhalten,
als solche in der V. Klasse rangieren, so ist es nicht mehr wie
recht und billig, den Oberstabsveterinären den Rang eines
Majors bzw. Oberstabsarztes zu geben, wobei für die
Oberstabsveterinäre die IV. Klasse erreicht wäre. Dies ist
keine zu weit gehende Forderung. Jeder Stabsarzt wird nach
eiiter Reihe von Jahren Oberstabsarzt, ohne sich noch einmal
besonders anstrangen zu müssen; das gleiche findet bei den
Zivilbeamten statt, wenigstens in den meisten Berufen derselben*);
warum sollte also den Veterinären die IV. Rangklasse zu er¬
reichen nicht ermöglicht werden. Eine zu weit gehende Forderung
ist es jedenfalls nicht, ein etwaiges nur „Charakterisieren“
der älteren Stabsveterinäre, d. h. den persönlichen Rang der
IV. Klasse diesen verleihen, muß unter allen Umständen als
ungenügend bezeichnet werden. Als Akademiker hat der
Veterinär ein Recht darauf, den Majorsrang zu erreichen, wie
die anderen Militärs und Militärbeamten mit der gleichen Bildung;
diesen Rang muß jeder Stabsveterinär nach einer Reihe von
Jahren ohne Schwierigkeit erlangen können. Den Oberstabs¬
veterinär nur mit dem Charakter zu beschenken, hat für diese
und den ganzen Stand keinen Wert. Oberstabsveterinär-
stellen können bei den Kavallerie- und Artillerieregimentern
mit reitender Abteilung errichtet werden. Es ist dabei ganz
selbstverständlich, daß diese Regimenter dadurch mit den älteren
Veterinären besetzt werden müssen, und daß die Beförderung
zum Oberstabsveterinär unbedingt eine Versetzung zur Folge
haben müßte. Auch an der Akademie und an den Lehrschmieden
ist Platz genug zur Errichtung von Oberstabsveterinärstellen,
dabei würde wohl allerdings die Leitung dieser Anstalten durch
Nichtfachmänner aufznhören haben. Doch davon noch später.
An Gelegenheit zur Errichtung von Oberstabsveterinärstellen
*) Das ist durchaus unrichtig. Die große Mehrzahl der
akademisch gebildeten Zivilbeamten erreicht nur den „persönlichen“
Rang der IV. Klasse, also den sogenannten „Charakter“ als Major.
S.
8. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
741
fehlt es jedenfalls nicht, sofern der gute Wille hierzu vor¬
handen ist. Sollte der definitive Majorsrang der Oberstabs¬
veterinäre, wie man munkeln hört, erst zu dem Zeitpunkt ein¬
mal zur Einführung in die Armee kommen, wenn die ersten
Abiturienten erst so weit vorgeschritten sind, so müßte man
sich wirklich fragen, woher kommt es nur, daß die mit Primaner¬
reife ausgerüsteten Veterinäre nicht würdig oder nicht tüchtig
genug sein sollen, den Majorsrang zu erreichen, welcher ja
beinahe von jedem Offizier ohne Abiturium erlangt werden
kann. Nochmals — den Oberstabsveterinären gehört der
definitive Oberstabsarztrang bzw. Majorsrang — weniger ist
durchaus ungenügend — es würde dann kein Unterschied
zwischen dem Feuerwerksoffizier und dem Veterinäroffizier¬
bestehen — daß ein solcher aber bestehen muß, ergibt sich
aus den verschiedenartigen Anforderungen zum Eintritt in
den Beruf.
Kommen wir nun noch zu den Korpsstabsveterinären.
Diesen gehört, wie nach dem Vorhergehenden zu folgern ist, der
Rang eines Oberstleutnants bzw. Generaloberarztes.
Die Zahl der Korpsstabsveterinärstellen ist in der preußischen
Armee so gering, daß die Stellung zu erreichen für die größte
Menge der Oberstabsveterinäre nicht in Betracht kommt. Im
Interesse des Ansehens des ganzen Veterinärstandes liegt es
aber, daß diese wenigen Stellen Oberstleutnantsrang erhalten.
Die Militärärzte sind, was die höheren Stellen anbetrifft,
bedeutend günstiger daran, wie die zukünftigen Veterinär¬
offiziere; trotzdem genügt das Vorhandene den Militärärzten
nicht, sie streben nach Errichtung noch mehrerer höherer
Stellen (Sanitätsinspektionen sind bereits eingeführt), ziehen Ver¬
gleiche mit den vorhandenen Generalsstellen der Offiziere und
Intendanturbeamten und beweisen dadurch, daß diese Berufe
prozentualiter bedeutend günstiger von Generalsstellen gestellt
sind, als sie selbst. Der Oberstleutnantsrang bzw.
Generaloberarztrang den Korpsstabsveterinären! —
außerdem würde das Wort Generaloberveterinär mindestens
eben so schön sich anhören wie Korpsstabsveterinär, obgleich
durch letzteres zugleich der Ort des Wirkungskreises mit zum
Ausdruck gebracht wird. Der Oberstleutnantsrang der Korps¬
stabsveterinäre würde selbstredend auch einen weiteren Unter¬
schied zu den Feuerwerksoffizieren vor Augen führen.
Mit wenigen Worten ist die Stellung des Veterinär¬
inspekteurs zu erledigen. Der Inspekteur hat bis jetzt den
Rang eines Regimentskommandeurs; er tritt deshalb als solcher
im Oberstleutnantsrang die Stelle an und wird später zum
Oberst befördert. Diese Stellung ist für den Inspekteur des
Militärveterinärwesen eine ungenügende. Die Inspektion als
Behörde selbst muß in die Rechte und Befugnisse einer Brigade
gesetzt werden; der Vorstand dieser Behörde also auch den
Rang eines Brigadekommandeurs erhalten. Der Veterinär-
inspekteur hat als solcher seine Stellung als Oberst anzu¬
treten und es muß ihm ermöglicht sein, den Generalsrang zu
erreichen. Die Gleichstellung der Inspektion als Behörde mit
der einer Brigade wird als selbstverständlich angenommen.
Über die Besetzung der Inspekteurstelle später noch einige
Worte.
Eine weitere Stelle, deren Errichtung unbedingt anzu¬
streben ist, wäre die Schaffung eines ständigen technischen
Referenten im Kriegsministerium mit dem Range eines Oberst¬
leutnants bzw. Generaloberarztes. Daß diese Einrichtung dem
ganzen Stande zum großen Nutzen gereichen wird, dürfte ganz
außer Frage stehen. Zu wünschen ist aber dabei, daß immer
der richtige Mann für diese Stelle gefunden wird, der neben
der nötigen Energie auch die nötige Geschicklichkeit
besitzt.
Mit kurzen Worten möchte ich noch den Ersatz zur
Veterinärlaufbahn streifen. Der Zuzug setzt sich heute zum
kleineren Teil aus Zwei- bzw. Dreijährig-Freiwilligen und
zum größeren Teil aus Einjährig-Freiwilligen Veterinär¬
aspiranten, so weit ich orientiert bin, zusammen. Daß die
letzteren sich als etwas Besseres dünken den ersteren gegen¬
über, ist nicht einzusehen. Diese haben keine Schuld daran, daß
sie pekuniär nicht in der Lage sind, als Einjährige zu dienen,
jene kein Verdienst, daß sie es können. Im Interesse und An¬
sehen des Veterinäroffizierkorps muß allerdings darauf gehalten
werden, daß alle Veterinäraspiranten als Einjährige
72 Jahr Dienst in der Front zu tun haben. Diese wenigen
hundert Mark muß auch schließlich noch ein jeder, der die
Laufbahn einschlagen will, hierzu übrig haben. Man darf sich
nicht verhehlen, daß in diesem Punkte die Veterinäraspiranten
ein etwas größeres pekuniäres Opfer bringen müssen, da sie
nur bei berittenen Truppenteilen eintreten können, wie die des
militärärztlichen Berufes, die meist bei der Infanterie Dienst tun.
Kommen wir nun einmal zum Kapitel Gehalt.
Von seiten der Veterinäre wird angenommen, daß mit der
Reform auch eine vollständige Umgestaltung der Gehaltsbezüge
einhergehen wird. Diese Annahme ist eigentlich ganz selbst¬
verständlich, und hoffentlich gibt es hierin keine Ent¬
täuschungen. Die ungünstige Finanzlage des Reiches wäre
jedenfalls absolut keine Entschuldigung dafür, die Veterinäre
mit ungenügenden Gehaltsaufbesserungen abfinden zu wollen.
Offiziere und Sanitätsoffiziere haben die gleichen Gehaltsstufen,
und es steht deshalb wohl auch zu erwarten, daß für das
Veterinäroffizierkorps keine besondere Gehaltsskala
eingefuhrt wird. Dies ist wohl nicht anzunehmen. Immerhin
ist es ratsam, den nächsten Etat sich etwas näher daraufhin
anzusehen und die Verhandlungen der Budgetkommission mit
der nötigen Aufmerksamkeit zu verfolgen. Wie bestimmt an¬
genommen wird, erhält der nächste Reichstag Vorlagen über die
Beamtenaufbesserungen, auch einige untere Offizierchargen
sollen ein höheres Einkommen erhalten. Ist dieses richtig, so
wird als selbstverständlich angenommen, daß die entsprechenden
Chargen des zukünftigen Veterinäroffizierkorps die gleichen
Gehaltserhöhungen erfahren, nicht etwa auf der alten Skala
einrangiert werden. Was die Gehaltsstufen der Veterinär¬
chargen einmal änbetrifft, so sind nach dem Ausgefuhrten diese
denen der Sanitätsoffiziere gleich zu stellen, also:
der Veterinär das Gehalt des Assistenzarztes = 75 M.
monatlich,
der Oberveterinär das Gehalt des Oberarztes — 125 M.
monatlich,
der Stabsveterinär das Gehalt des Stabsarztes = 225 bzw.
325 M. monatlich,
der Oberstabsveterinär das Gehalt des Oberstabsarztes =
487,50 M. monatlich,
der Korpsstabsveterinär das Gehalt des Generaloberarztes =
8227 M. jährlich,
der Inspekteur das Gehalt des Generalarztes = 9462 M.
jährlich.
742
No. 41.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
In Nr. 6 der B. T. W. war eine sehr schöne Zusammenstellung
des Gehaltseinkommens der Veterinäre im Vergleich zu den
Einkommen anderer Militärberufe zu lesen.
Wenn nach jenem Vergleich:
1. der Militärarzt, mit 18 Jahren beim Militär ein¬
getreten, im 40. Lebensjahre eine Pension von 3000 M.
erhält; der Veterinär im gleichen Alter unter den gleichen
Bedingungen eingetreten aber nur einen Gehalt von 2650 M.
oder wenn:
2. das höchste Gesamteinkommen eines Oberstabs-*
Veterinärs bzw. Stabsveterinärs 4077 M., das des
Oberstabsapothekers aber 8127 M.; der anderen Militär¬
apotheker 6075 M., der Zahlmeister 4477 M.,
(s. Vorbildung!) der Intendantursekretäre 4677 M.
beträgt.
oder wenn:
3. Das höchste Gesamteinkommen des Korpsstabs¬
veterinärs 5475, das des Oberstabsapothekers 8127,
des Oberstabsarztes 7077, des Generaloberarztes
8227 ist,
so braucht man nicht erst die Frage aufzuwerfen, ob eine
gründliche Aufbesserung der Gehälter der Veterinäre nötig
bzw. noch weiter hinauszuschieben ist. Eine umgehende
und gründliche Besserung der Gehaltsbezüge ist unbedingt
nötig. Der Anerkennung dieser Notlage kann sich eine Behörde
nicht verschließen. Auf die ev. Einnahmen aus der Privat¬
praxis kann sich die Behörde nicht stützen, Privatpraxis existiert
für die meisten Veterinäre nicht aus bestimmten Gründen
oder ist doch so minimal, daß sie einer Erwähnung nicht be¬
darf.*) Bei Einführung einer genügenden Gehaltsskala bleibt die
Praxis den oberen Veterinärchargen verboten.
Auch die Uniform möchte ich kurz streifen. Was die Zu¬
sammenstellung derselben anbetrifft, so ist ja diese Frage von
den verschiedensten Seiten in den Zeitschriften beleuchtet worden.
Die Vorschläge zu dieser Sache waren jedenfalls so mannigfaltig
und verschieden, daß bei Zusammenstellung derselben ein buntes
Allerlei entstehen würde, das in seiner Farbenpracht den
alten Papageno weit in Schatten stellte. Als Grundregel sollte
man wohl bei der zukünftigen Uniform die Einfachheit ob¬
walten lassen. Je einfacher, desto schöner die Uniform.
Die Farbenpracht der verschiedenen Truppenteile dürfte ja in
den nächsten Jahren allmählich reduziert werden. Ich stehe
nicht an zu erklären, daß es ein großer Schritt nach vorwärts
ist, wenn dieser baute Tand einfacheren aber würdevolleren Be¬
kleidungen gewichen sein wird. Die einfachere Uniform würde
auch nach der pekuniären Seite hin eine wohltuende Wirkung
haben. Nicht zum Paradieren, sondern zum Siegen wird
eine Armee gebraucht.**) Das letztere ist aber von ersterem un¬
abhängig. Wollen wir also für uns der Einfachheit den
Vorzug geben!
Die Uniform muß selbstverständlich auch etwas Fertiges,
Ganzes darstellen, was von der jetzigen nicht behauptet
werden kann. Es fehlt dem Veterinär, wie auch den
Ärzten die Leibbinde, wodurch der Anzug den Eindruck
*) Ich würde es für richtiger halten, die Praxis außerhalb
der Garnison ganz zu verbieten, in der Garnison aber die Er¬
laubnis allen Chargen zu belassen. S.
**) An Würde mangelt es doch wohl den heutigen Uniformen
nicht und an der Parade freut sich das ganze Volk. S.
des Unfertigen macht. Die Achselstücke müssen so zusammen¬
gestellt sein, wie die der Offiziere und nicht etwa wie die
der Sanitätsoffiziere mit nach längs verlaufenden dicken schwarzen
Fäden. Als Abzeichen ist unter allen Umständen das V zu
vermeiden (aus naheliegenden Gründen) an Stelle des schwarzen
Lackkoppels muß ein silbernes, innen abgefüttertes treten.
Diese drei Sachen: Leibbinde, Achselstücke und Koppel
genügen vollständig, die Uniform zu einer zwar einfachen abpr
doch würdevollen zu machen. Einfachheit dürfte jedenfalls
besser gefallen, als buntes Allerlei.
Gehen wir nun einmal auf einige Bestimmungen der Veteriipfr-
ordnung ein, die der Abstellung dringend bedürfen und die
wohl auch bei einigermaßen gutem Willen der Vorgesetzten Be¬
hörde leicht beseitigt werden können.
Das Wort Veterinärinspekteur deutet schon au, daß
der künftige Vorstand des Militär-Veterinärwesens ein Fach¬
mann sein soll. Erwägt man die einschneidende Frage, ob
wohl ein Offizier oder Veterinär an der Spitze des Veterinär-
Wesens dieses am schnellsten vorwärts bringen würde, so kann
man sich wohl nicht verhehlen, daß dem Offizier mit der nötigen
fachmännischen Unterstützung dies leichter gelingen wird,
als dem Veterinär. Erfahrungen bei anderen Berufsständen
sprechen auch dafür, daß der Stand schneller vorwärts gebracht
wird, wenn nicht gerade ein Fachmann die oberste Behörde
darstellt. Die Offiziere als Inspekteure des Veterinärwesens haben
auch insgesamt mit aller Macht danach gestrebt, das ihnen unter¬
stellte Veterinärwesen zu heben und vorwärts zu bringen und
es mag eine gewisse Undankbarkeit gefunden werden in der
Forderung, die oberste Stelle durch einen Fachmann zu be¬
setzen. Diese Forderung muß aber unbedingt gestellt und mit
allen Mitteln nach deren Erfüllung gestrebt werden. Die Ärzte
haben ihren eigenen Fachmann an der Spitze, warum sollen
also die Veterinäre das nicht fordern; im Ansehen des ganzen
Standes liegt es, daß eben die oberste Spitze einer Organisation
mit einem Fachmann besetzt ist.
Solange die Veterinäre noch Beamte sind, muß selbst¬
redend ein Offizier dem Ganzen vorgesetzt sein; sobald der
Veterinär selbst Offizier ist, fällt diese Notwendigkeit weg; der
Veterinär ist dann selbst in der Lage, befehlen zu dürfen. Daß
die Inspektion als Behörde die Rechte und Befugnisse einer
Brigade erhalten muß, ist schon früher erwähnt worden. An den
Veterinärinspekteur werden große Anforderungen zu stellen
sein. Er muß viel eignes Urteil haben, gerecht handeln,
gerechte Ausgleichung in Garnisonen, Kommandos etc. herbei¬
zuführen suchen; niemals darf an der obersten Behörde eine
Günstlingswirtschaft einreißen und bestehen, dies wurde
den Stand im Ansehen nicht fördern, und rückwärts anstatt vor¬
wärts bringen. Zu dieser Stellung gehört viel Objektivität
und viel guter Wille zum gerechten Handeln. Zur Unter¬
stützung des Veterinärinspekteurs müßten noch ein oder zwei
Veterinäre mit Stabs- oder Oberstabsveterinärrang zur Ver¬
fügung stehen.
Eine weitere Forderung ist die Rationsberechtigung.
Diese Forderung ist recht und billig, da Veterinärdienste nur
bei berittenen Truppen zu tun sind. Der Veterinär muß, um
allen Anforderungen, die an ihn gestellt werden, in bezug auf
Beurteilung von Gang, Benehmen unter dem Reiter etc. gerecht
zu werden, selbst ein tüchtiger Reiter sein; er muß sich aus¬
bilden im Reiten, muß seine Reitfertigkeit zu erhalten
8. Oktober 1008..
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
suchen, sich weiter vervollkommnen. Dies kann er aber nur,
wenn ihm seitens der Trappe ein Pferd znr ständigen Ver¬
fügung steht, das allen Anforderungen des Dienstes genügt.
Die Truppe stellt dem Veterinär aber nur dann ein allen An¬
forderungen entsprechendes Pferd, wenn er im Bezug
der nötigen Kompetenzen ist. So lange dies nicht der Fall, der
Veterinär nicht rationsberechtigt, so lange wird er nach dem
Ermessen der Eskadron beritten gemacht. Und wie geschieht
dies jetzt? Oft ist das Pferd entweder ein Tier, welches aus irgend
einem Grunde in der Eskadron nicht zu gebrauchen ist, z. B.
Schläger, Sterngucker, Durchgänger etc. oder im günstigeren
Falle ein „Schonungsbedürftiger“, der im Schritt vom
Stall nach dem Exerzierplatz und von da wieder nach dem
Stall geritten werden darf. Wie soll wohl der Veterinär sich
mit derartigen Pferden eine genügende Reitfertigkeit er¬
werben bezw. erhalten! Jeder Veterinär muß im Interesse
des Dienstes ein tüchtiger Reiter sein, er kann dies nur sein,
wenn er gut. beritten gemacht; dies wird nur der Fall sein,
wenn der Veterinär rationsberechtigt in allen Chargen wird.
Vor einiger Zeit ist von seiten des Kriegsministeriums
darauf hingewiesen worden, dahin zu wirken, daß die Veterinäre
die nötige Reitfertigkeit sich aneignen bzw. erhalten. Es wäre
einmal interessant zu erfahren, wie viel Regimenter die
erforderlichen Maßnahmen nach dieser Richtung hin ge¬
troffen haben?
„Das Reitzeug ist im Friedensverhältnis aus den Beständen
der Truppenteile zu überweisen.“ Dieser Passus ist über¬
flüssig. Jeder Veterinär ist in der Lage, sich auch ein
eigenes Sattelzeug zu beschaffen. Dem Eskadronschef ist es
nur angenehm, wenn der Veterinär auf eigenem Sattelzeug reitet,
da dadurch die Kammerbestände geschont werden. Kann jeder
Veterinär sich die Pferdeausrüstung beschaffen, so ist auch der
obige Passus überflüssig, der gelegentlich doch auch
einmal nach einer anderen dem Veterinär gerade nicht sehr
angenehmen Seite hin ausgelegt werden könnte!
Sämtliche Veterinäre haben im Dienst in Uniform
zu erscheinen. Dadurch wird einesteils das Ansehen des
Veterinärs dem Publikum gegenüber erhöht, anderenteils wird'
die Disziplin im Heere wesentlich gefördert. Das jetzige Er¬
scheinen in Zivil im Dienst ist ein Unding und schon jetzt
überall verboten. Eins gehört aber immer zur Uniform —
der gute Sitz, die Sauberkeit und die Modernität der¬
selben.
Die Uniform der Studierenden an der Mil.-Vet.-Akademie
bat zu verschwinden, auch bei dem gemeinschaftlichen Kirch¬
gänge usw. „Studierender“ und „Soldat sein“ sind nun
einmal zwei sich entgegenstehende Begriffe.
„Die Art der Behandlung ist von dem Veterinär dem
Militärbefehlshaber in Vorschlag zu bringen. Wird der Vor¬
schlag gebilligt, so erfolgt die Durchführung der Behand¬
lung unter Verantwortung des Veterinärs, anderenfalls trifft
den Befehlshaber die Verantwortung.“
Dies ist ganz klug herausgedacht. Als Sachverständiger
und Fachmann muß der Veterinär die Art der Behänd,
lung erst vorschlagen; er hat erst die Genehmigung
einzuholen. Der ganze angeführte Satz ist über¬
flüssig; es ist herabsetzend für den Veterinär! Der
erste Teil des Abschnittes ist vollständig ausreichend, „der
Dienst erstreckt sich auf die Behandlung der von dem Militär¬
74)1
befehlshaber dem Veterinär als krank überwiesenen Dienstpferde.“
Selbstredend hat der Veterinär hierbei auch die Verantwortung!
Woher mag es w r ohl kommen, daß die preußische Armee
jährlich 1 Proz. mehr Verlust an Pferden durch Tod, Aus¬
rangierung etc. erleidet, als die bayerische Armee. Dieser
Mehrverlust von 1 Proz. bedeutet aber jährlich einen
Geldverlust von beinahe einer halben Million Mark!
Interessant müßte sein, diese Frage einmal nach allen Rich¬
tungen hin genügend zu ventilieren.
Den Oberveterinären ist Gelegenheit zu geben, durch
Kommandierung an verschiedene Institute sich wissen¬
schaftlich weiter zu bilden.
Den Veterinären ist jährlich ein Urlaub von vier Wochen
zu gewähren. Sollten durch die Beurlaubung Kosten dem
Staate entstehen, z. B. in Garnisonen, wo nur ein Veterinär
vorhanden, so hat der Staat auch hierfür aufzukommen, nicht
etwa der Veterinär!
Das „Schmiedikum“ ist sowohl für die Veterinär¬
aspiranten, als auch für die Unterveterinäre d. Res. abzu¬
schaffen. Die Tierärzte brauchen ebensowenig Schmied zu
sein, als der Arzt Schuster; eine gute theoretische Aus¬
bildung und Beurteilung des Pferdes ist vollständig aus¬
reichend. Für den Veterinär ist die Hauptsache, daß er sich
Kenntnisse erwirbt, um dem Fahnenschmied angeben zu können,
wie er das Pferd zu beschlagen hat. Selbst beschlagen
können, ist überflüssig, da die Veterinäre über den „Kur¬
schmied“ hinaus sind. Es dürfte deshalb wohl auch über¬
flüssig sein, nachdem die Studierenden der Militär-Veterinär-
Akademie ihre Approbation erlangt haben, diese noch auf
V 3 Jahre zur Lehrschmiede Berlin zu kommandieren, wo diese
gleich den Schmieden sich im Eisen- und Schraubstollenanfertigen
zu üben haben. „Dieses Klopfen“ ist jedenfalls ganz über¬
flüssig, die Zeit könnte viel zweckmäßiger (z. B. durch Klinik,
Beurteilung vom Pferd im Exterieur etc.) ausgenutzt werden.
Ich kann mir auch gar nicht denken, daß es zum besonderen
Ansehen des Unterveterinärs beitragen wird, wenn dieser
einige Wochen später plötzHch bei der Truppe den Schmied
wiedersieht, dessen Vorgesetzter wird, der ihn einige Wochen
früher auf der Lehrschmiede hat herumhämmern sehen.
Zustimmen kann man dem Schreiber in Nr. 27 auch in
dem Vorschläge, daß alle Unterveterinäre zuerst bei der
Kavallerie einige Jahre Dienst zu tun haben und später zur
Artillerie versetzt werden, vielleicht ergibt sich schon aus der
Reform diese Sachlage.
Damit möchte ich zunächst schließen. Es wäre noch
manches zu erwähnen, das der Abstellung bedarf, z. B. die
Wohnungsverhältnisse der Studierenden etc., doch mag das An¬
geführte vorerst genügen. Die Kollegen werden mir aber bei
Beurteilung des Vorstehenden in dem Punkte recht geben, daß
zu weit gehende Forderungen nicht gestellt wurden.
H.
Protokoll der Versammlung des Vereins sächsischer
Gemeindetierärzte
am 4. und 5. April 1908 in Chemnitz, Carolahotel.
Am 4. April, abends 8 Uhr, fand eine Kommissionssitzung
statt, an welcher die Herren Dr. Mayfarth-Glauchau, Dr. Tempel-
Chemnitz, Dr. Keil-Leipzig, Dr. Schmutzer-Waldheim, Dr. Sey-
fert-Pima und später Encke-Zittau teilnahmen.
1. Dr. Meyfarth bringt die eingelaufenen Schreiben zum
Vortrag.
744
No. 41.
HEHLIN ER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
2. Einer Anregung des Kollegen Tempel-Lirabach, geeigneten
Ortes dahin vorstellig zu werden, daß für Gemeindetierärzte und
Schlachthofdirektoren besondere Fortbildungskurse in Dresden ab¬
gehalten werden möchten, welche auf unser Spezialfach mehr Be¬
dacht nehmen sollen, gibt man, da die jetzigen allgemeinen Fort¬
bildungskurse das für uns Wesentliche nicht genügend bieten, dahin
Folge, daß dieser allgemeine Wunsch mit der Denkschrift dem
Ministerium unterbreitet werden soll, mit dem Hinzufügen, daß den
Gemeindetierärzten der Besuch solcher Kurse auf Fleischbeschau¬
kosten ermöglicht werde und den Gemeinden vom Ministerium
empfohlen werden möchte, ihre Tierärzte dazu abzuordnen.
3. Von der Äußerung eines Landtagsabgeordneten, der angeblich
Teile des Veterinärwesens zur Bearbeitung erhalten haben soll, daß
er den Schlachthoftierärzten von der Regierung die Privatpraxis
verbieten lassen werde, wird Kenntnis genommen, ohne weitere
Schritte zu unternehmen.
4. Die Vereinssatzungen sollen nach Vornahme verschiedener
Abänderungen der morgenden Sitzung zur Annahme empfohlen
werden.
5. Mit dem vom Vorsitzenden Dr. Meyfarth vorgeschlagenen
Weg, um das Verfahren abzukürzen, an Stelle der Denkschrift Ab¬
züge des Sitzungsberichts der Herbstversammlung mittelst Begleit¬
schreibens dem Ministerium zur Kenntnisnahme und Berücksichtigung
zu unterbreiten, kann sich die Kommission nicht einverstanden
erklären, sie hält vielmehr an der weiteren Bearbeitung der Denk¬
schrift in der beschlossenen Form fest und will das Einverständnis
der morgenden Versammlung dazu einholen.
Sonntag, den 5. April, vormittags II Uhr,
Allgemeine Versammlung.
Der Vorsitzende des Vereins eröffnet die Sitzung, an welcher
die Herren Arnold-Riesa, Dr. Eberle-Auerbach, Encke-Zittau,
Gänsehais-Großenhain, Günther-Eibenstock, Hempel-Meißen,
Dr. Horni ekel-Chemnitz, K ar n ah 1- Freiberg, Dr. Keil-Leipzig,
Mcißner-Rie8a, Dr. Meyfarth-Glauchau, Rieht er-Frankenberg,
Rommel - Chemnitz, Dr. Schmutzer-Waldlieim, Dr. Seyfert-
Pirna, Stieh 1 er - Bautzen, Dr. Tempel - Chemnitz, Ungerer-
Chemnitz, Wenzel-Chemnitz, Zehr-Roßwein und als Gast Dr.
Geißler-Werden, Vorsitzender des Privattierärztevereins, teil¬
nehmen, begrüßt die Erschienenen, gibt erstens ein Schreiben des
Herrn Landestierarztes, Medizinalrat Prof. Dr. Edelmann bekannt,
betr. die Veröffentlichung seiner Äußerungen in unseren Versamm¬
lungen, dann zweitens ein Dankschreiben desselben für die Einladung
zur heutigen Versammlung, und drittens ein Schreiben der Tier¬
ärztlichen Gesellschaft in Berlin (Vors. Prof. Dr. Eberlein),
welches ihre Stellungnahme zur Kontrolle der Markthallen und
animalischen Nahrungsmittel kennzeichnet, diese für eine Not¬
wendigkeit erklärt und um unsere Unterstützung ersucht. Den
Ausführungen dieses Schreibens schließt man sich einmütig an.
4. Auf die Verlesung des Protokolls der letzten Versammlung
wird, da allgemein bekannt, verzichtet. Dr. Tempel-Chemnitz
empfiehlt hierzu noch als Titel für Gemeindetierärzte den Namen
„Stadttierarzt“, als unsere Funktionen vollständig zusammenfassend,
anzustreben und findet damit allseitig Anklang.
5. Die Fortbildungskurse betr. beschließt man im Sinne der
Kommissionssitzung.
6. Der Entwurf der Vereinssatzung wird eingehend beraten und
findet nach mehrfachen redaktionellen Abänderungen Annahme.
Insbesondere wird die Umänderung des bisherigen Vereinstitels
„Verein der Gemeindetierärzte und Schlachthofdirektoren im König¬
reich Sachsen“ in „Verein sächsischer Gemeindetierärzte“ einstimmig
beschlossen.
7. Infolge der Umfänglichkeit des Materials und aus anderen
Gründen ist die Denkschrift zur Vorlage noch nicht fertiggestellt.
Zur weiteren Ausführung derselben wird eine Arbeitsteilung in der
Weise festgesetzt, daß die großen Schlachthöfe Dr. Tempel-
Chemnitz, Dr. Keil-Leipzig und Schneiderheinze-Dresden, die
städtischen Schlachthöfe mittlerer und kleiner Städte Dr. Meyfarth-
Glauchau und die Innungsschlachthöfe mittlerer und kleinerer Städte
Sti eh ler-Bautzen und Dr. Sey fort- Pirna zu bearbeiten haben,
und wird als Endtag der Erledigung für die einzelnen Abteilungen
der 15. Mai bestimmt. Die Kommission wird ermächtigt, die Denk¬
schrift an das Ministerium des Innern einzureichen, von einer Ein¬
gabe derselben an die städtischen Behörden sieht man aus Gründen
verschiedener Art ab.
8. Über die Ausübung der Milch- und Stallkontrolle entspinnt
sich eine lebhafte Debatte, an der sich insbesondere die Kollegen
Gänschals, Günther, Encke, Dr. Meyfarth, Wenzel, Arnold
und Kar nah 1 beteiligen. Man ist sich einig darin, daß zur Aus¬
übung der Stallkontrolle jeder Tierarzt befähigt ist, und es wird
die Resolution angenommen, daß jeder Gemeinde-Tierarzt danach
streben soll, die Milch- und Stallkontrolle in seiner Gemeinde zu
erhalten.
Bei der Wichtigkeit dieses Themas beschließt man, dasselbe
wieder auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung zu setzen.
Amtstierarzt Günther-Eibenstock erklärt sich bereit, einen Vortrag
darüber zu halten und Amtstierarzt Wenzel-Chemnitz übernimmt
dazu das Korreferat.
9. Der Vereinskassierer Arnold-Oschatz berichtet über den
günstigen Stand der Kassenverhältnisse.
10. Dem Verein beigetreten sind: Amtstierarzt Hempel-
Meißen, Stadttierärzte Dr. Hornickel, Rommel, Ungerer in
Chemnitz und Direktor Zehr-Roßwein.
11. Vertretungen der Gemeindetierärzte bei Beurlaubung betr.
übernimmt Gänse hals-Großenhain die Vermittlung durch eine am
schwarzen Brett der Dresdener Hochschule anzubringende ent¬
sprechende Mitteilung.
12. Die nächste Versammlung findet am 4. Oktober in
Dresden statt
Der Versammlung, welche gegen 3 Uhr geschlossen wurde,
schloß sich ein gemeinsames Mittagsmahl an.
Chemnitz, den 5. April 1903.
Dr. Seyfert, Schriftführer.
Internationaler Tuberkulosekongreß.
Der in Amerika zusammengetretene Tuberkulosekongreß, der
Exzellenz Robert Koch zum Ehrenpräsidenten gewählt hat, ist
entgegen der Anschauung Kochs für die Übertragbarkeit der
Rindertuberkulose auf Menschen eingetreten.
Maul- und Klauenseuche.
Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche ist gemeldet aus
Saargemünd (Lothringen).
Personalien.
Auszeichnungen: Dem Stabsveterinär a. D. IMschcr-herttn ist
der Charakter als Oberstabsveterinär verliehen worden.
Ernennungen: Schlachthoftierarzt Heinrich Probst zum Kaiserl.
Regierungstierarzt in Deutsch-Ostafrika, Tierarzt Julius Schröder aus
Stade zum Assistenten am Hygien. Institut der Tierärztlichen Hoch¬
schule in Hannover, Dr. Walter Zfeww-Braunfels zum Assistenten an
die Chirurg. Klinik der Tierärztlichen Hochschule Stuttgart. Dem
Tierarzt Luchau zu Rixdorf ist die komm. Verwaltung der Kreis¬
tierarztstelle zu Rosenberg in Westpreußen übertragen worden.
Niederlassungen: Amtstierarzt Dr. A. Bennstedt , bisher Assistent
des Hoftierarztes Walther in Weimar, die Tierärzte Dr. Falkenbach in
Sobernheim a. d. Nahe, Theodor Hügel aus Memmingen in Apenrade
(Schl.-Holst.), Konstanz Veitkamp aus Osterwick in Coesfeld (Westf.).
— Verzogen: Die Tierärzte Eiler von Tingleff nach Flensburg,
Bielfeldt von Hannover nach Tingleff, Dr. Albert Möller von Cammin
i. Pomm. nach Polch bei Coblenz.
Examina: Promoviert: Tierarzt Jacobs-Porz zum Dr. med. vet.
in Bern. Approbiert: Die Herren Hermann Achilles aus Beeskow,
Friedrich Baur aus Einsingen, Albert Durchholz aus Walterkehmen,
Kurt Haneke aus Rosenberg i. Westpr., Erich Harms aus Güstrow,
Franz Kaszubowski aus Wischin, Wladimir Marko ff aus Tirnowo
(Bulgarien), Wilhelm Meyer aus Hannover, Maximilian Rack aus
Poln. Olbersdorf, Bruno Sacker aus Schwetz, Gustav Weber aus Jercyce.
Vakanzen. (v g i. Nr. 40 .)
Besetzt: Schlachthofstelle in Liegnitz, Tierarztstelle in Kirchberg.
Verantwortlich für d«o Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prot Dr. Scbmalu In Berlin. — Verlag and Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Sehoets in Berlin, —
Druck ron W. Bdxenateln, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlege von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48, Wllhelmstr. 10. Darch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pt für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert, (österreichische Post-Zeitunps-
Preislistrf Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit SO Hk., In Petltsats mit
00 Mk« für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Luisenstrafie 66. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare tfnd Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr, Schmaltz -Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departements-T. in Cöln.
Med.-Rat Dr. Boeder Dr. Schlegel
Professor in Dresden. Professor in Freibnrg.
Veterinärrat Peters
Departements T. in Bromberg.
Veterinärrat Preuße
Departements-T. ln Danzig.
Professor Dr. Peter
Staatstierarzt für Hamburg.
Dr. J. Schmidt Ober-Reg.-Rat Dr. Vogel Wehrle
Professor in Dresden. Landestierarzt in München. Kais. Regierungsrat in Berlin.
Dr. Richter
Professor in Dresden.
ZQndel
Kreistierarzt ln Mülhausen i. E.
Helfer
Schlachtb.-Dlrektor in Mülhanien L E.
Dr. H. Sieber
am Tropeninstitut in Hamburg.
Dr. Stödter
Stadt-Tierarzt in Hamburg.
Dr. Trapp
am Kaiser Wilhelm-Institut in Bromberg.
Dr. Zimmermann
Dozent in Budapest
Jahrgang 1908.
Jfä 42 . Ansgegeben am 16. Oktober.
Inhalt: v. Müller: Warum eignet sich die Stätigkeit der Pferde nicht zum Hauptmangel im Sinne von § 482 des
Bürgerlichen Gesetzbuches? — Referate: Zimmermann: Mittelst Alkoholinjektionen geheilter Nabelbruch. — Aus der
medizinischen Literatur. — Tageegeechlchte: Paul Schnibbe-Rakwitz (Posen) +. — Das Doktorat an den Tierärztlichen Hoch¬
schulen Österreichs. — Francke: Die 80. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln. — Maier: Über den
Entwurf des Kurpfuschergesetzes. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Warum eignet sich die Stätigkeit der Pferde nicht
zum Hauptmangel im Sinne von § 482 des Bürger¬
lichen Gesetzbuches?
Vortrag, gehalten in der Versammlung des tierärztlichen Vereins
der Kreishauptmannscliaft Leipzig
von Dr. von Müller, Oberveterinär und Amtstierarzt.
Vom Beginn der Vorarbeiten zum Deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch im Jahre 1875 an bis zur Fertigstellung dieses
Gesetzes hat kaum ein Gegenstand seitens der beteiligten und
interessierten Kreise eine so lebhafte Erörterung erfahren als
derjenige Teil dieses Gesetzbuches, welcher den Handel mit
Tieren regelt. Es war indessen auch für die Kommission zur
Beurteilung des neuen Gesetzes keine leichte Aufgabe, bei den
eich widersprechenden Ansichten der zur Begutachtung der
Frage gehörten Körperschaften — besonders des Deutschen
Landwirtschaftsrates, des Deutschen Veterinärrates 1875, des
preußischen Landes-Ökonomie-Kollegiums, der Deputation für
das Veterinär wesen 1876 und der Regierangen der deutschen
Bundesstaaten — ans den bestehenden Rechtsprinzipien das¬
jenige ansznwählen, welches den vielseitigen Anforderungen des
Viehhandels am meisten gerecht erschien und geeignet war, für
eine lange Reihe von Jahren im Deutschen Reiche als Rechts¬
norm zu gelten. Jedes der damals in einzelnen Teilen des
Reiches geltenden Rechtssysteme, römisches, deutsches und
gemischtes, fand hei den drei hauptsächlich interessierten
Faktoren, den Tierbesitzern, Tierärzten und Juristen, seine
Verteidiger. Speziell unter den Tierärzten neigte die Mehrheit,
dem Vorhilde Gerlachs folgend, unter Führung vonDieckerhoff,
Schmaltz, Lydtin, Pütz, Leonhard, Schell und anderen,
dem römisch-rechtlichen System zu, das eine Haftung des Ver¬
käufers für alle verborgenen, erheblichen, zur Zeit des Kaufes
vorhandenen Fehler fordert, weil dieses System dem gegen¬
wärtigen fortgeschrittenen Standpunkt der tierärztlichen Wissen¬
schaft und dem allgemeinen Rechtsgefnhl am besten entspräche
und die Schwierigkeit des Aufsteilens von Gewährsfehlern und
-fristen vermeide.
Dieser Anschauung ist auch in den Beschlüssen des Deutschen
Veterinärrates 1875 und 1889 Ausdruck gegeben worden. In¬
dessen hat es auch nicht an gewichtigen Stimmen für das
deutsch-rechtliche, bzw. gemischte System gefehlt. Es seien
nur erwähnt Roloff, Siedamgrotzky, Johne, Lorenz, die
diesem System aus Gründen der Praktibilität und Zweckmäßig¬
keit den Vorzug gaben. Vereinfachung der Auseinandersetzung
von Streitigkeiten, möglichste Vermeidung von langwierigen und
kostspieligen Prozessen waren hier ausschlaggebend. Die Mehr¬
heit der mit der Bearbeitung des Entwurfes betrauten Kommission
und schließlich auch der gesetzgebenden Faktoren hat sich be¬
kanntlich für das deutsch-rechtliche System entschieden mit der
Begründung, „daß es Sache des Gesetzgebers ist, in erster
Linie das praktische Bedürfnis ins Auge zu fassen, welchem das
Gesetz zu dienen bestimmt ist, und die Rücksicht hierauf, im
vorliegenden Falle also die Rücksicht auf die Bedürfnisse und
die Förderung des Viehhandels und damit zugleich der Viehzucht,
müsse bei den zutreffenden Bestimmungen den Ausschlag geben,
wenn auch die strenge Rechtskonsequenz zu einem anderen
Resultate führen würde.“ (Motive zum Entwürfe der §§ 399
und 400 des B. G. B.)
Nachdem der Entwurf in diesem Sinne Gesetz geworden
ist, erübrigt es in Zukunft nur noch, die Hauptmängel nach
§ 482 Abs. 2 des B. G. B. periodisch durch Kaiserliche Ver¬
ordnung festzustellen. Die Denkschrift zu dem Entwürfe des
B. G. B. bemerkt hierzu: „Die Feststellung der Hauptmängel
kann nnr an der Hand des heutigen Standes der Tierheilkunde
erfolgen. Bei weiterem Fortschreiten dieser Wissenschaft wird
jedoch eine derartige Festsetzung nach kürzerer oder längerer
Zeit der Berichtigung bedürfen.“ Die erste und seither gültige
Verordnung betr. die Hauptmängel und Gewährsfristen beim
74G
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSC HRIFT.
No. 42.
Viehhandel ist hiernach unter dem 27. März 1809 veröffentlicht
worden. Von der großen Anzahl Fehler, welche bei Aufstellung
dieser Hauptmängelliste hauptsächlich in Betracht gezogen
wurden, konnte nur ein kleiner Teil den in der Begründung des
Entwurfes aufgestellten Anforderungen standhalten, viele eigneten
sich aus dem einen oder anderen Grunde nicht zur Aufnahme
in die Verordnung.
Bei einem Vergleiche der so entstandenen Hauptmängelliste
mit den früher als Gewährsmängel in verschiedenen Ländern
angesehenen Fehlern vermissen wir unter anderen auch die
Stätigkeit der Pferde in der Kaiserlichen Verordnung. Es er¬
scheint deshalb die Frage einer Erörterung wert:
Weshalb eignet sich die Stätigkeit der Pferde nicht zum
Hauptmangel im Sinne von § 482 des B. G. B.?
Bevor wir dieser Frage näher treten, halte ich es für
richtig, daß wir uns über den Begriff „Stätigkeit“ einig werden.
Ich bitte Sie daher, mir zunächst einige Minuten zur Feststellung
dieses Begriffes Gehör zu schenken.
Unter Stätigkeit des Pferdes (Pertinacia, Mania periodicia)
versteht man eine Untugend (Vitium animi), die sich durch eine
ungewöhnliche und hartnäckige, meist nur periodisch auftretende,
auf Eigenwillen beruhende Unfolgsamkeit nnd Widersetzlichkeit
im gewöhnlichen oder gewohnten Dienstgebräuche äußert. Der
Name hat seinen Ursprung davon her, daß das Pferd während
der Dienstleistung plötzlich „steht“ und sich weigert, vorwärts
zu gehen.
Man hat von jeher eine wahre und falsche Stätigkeit
unterschieden, ohne daß unter den maßgebenden Autoren Einig¬
keit hinsichtlich dieses Unterschiedes herrscht. Nach Siedam-
grotzky versteht man unter falscher Stätigkeit die durch
rohe Behandlung häufig bei frisch gekauften oder jungen, noch
nicht gebrauchten, an die Verhältnisse nicht gewöhnten Tieren
auftretende Widersetzlichkeit, die durch Abstellung der Ursachen,
ruhige und vorsichtige Behandlung sich allmählich verliert,
anderenfalls aber beharrlich wird und zur wahren Stätigkeit
führt. Erstere nannte man früher auch physiologische, die
letztere wahnsinnige Stätigkeit. Diese Bezeichnungen sind
indessen hinfällig geworden, seitdem man gelernt hat, daß es
sich bei Stätigkeit nicht um eine Geistesverwirrung oder Krank¬
heit, sondern um eine Untugend handelt. Auch Gerl ach gibt
an, daß man früher in dem oft periodischen Auftreten der
Stätigkeit und darin, daß die Pferde ihre Widersetzlichkeit ge¬
wöhnlich durch eine gewisse Untätigkeit äußern und dabei einen
wilden stieren Blick haben, die Gründe für eine Krankheit zu
finden geglaubt hat, die als eine besondere Art sensorielle
Störung, als ein Seelenleiden, eine gewisse Willenlosigkeit an¬
gesehen worden ist. Mit Recht sehen wir jetzt mit Gerl ach
in dem passiven Widerstand keine Krankheit mehr, vielmehr
einen tiefgewurzelten Eigenwillen, verbunden mit raffinierter
Klugheit.
Dieckerhoff führt die Unterscheidung in wahre und
falsche Stätigkeit auf andere Verhältnisse zurück. Nach ihm
hat man schon seit dem Mittelalter in den Hauptmangel
„stettisch“ den Dummkoller in vielen Partikulargesetzen ein¬
begriffen. Später erst haben die Sachverständigen erkannt, daß
es neben der durch Dummkoller verursachten Stätigkeit noch
eine solche bei Pferden gibt, die nicht an Dummkoller leiden.
Letztere hat man nunmehr als „wahre“ Stätigkeit bezeichnet
und die erstere dem Dummkoller subsummiert, wie wir es z. B.
im Preuß. Allgem. Landrecht vom Jahre 1794 ausgeprägt
fanden. Da wir indessen weder diese auf Dummkoller be¬
ruhende falsche Stätigkeit, noch die durch unpassende
Behandlung hervorgerufene und durch gute Behandlung wieder
zu beseitigende falsche Stätigkeit Siedamgrotzkys gegen¬
wärtig noch zur Stätigkeit gerechnet wissen wollen, hat diese
Meinungsverschiedenheit keine praktische Bedeutung.
Wichtiger ist, daß der Grad der Widersetzlichkeit nicht bei
allen stätigen Pferden der gleiche ist. Bei manchen erstreckt
sich die Unbrauchbarkeit auf alle üblichen Dienstleistungen. Wir
nennen das absolute Stätigkeit. Diese Art der Stätigkeit wird
jedoch verhältnismäßig selten beobachtet. In der Regel zeigen
die Pferde die Widersetzlichkeit nur gegen eine bestimmte
Dienstleistung (relative Stätigkeit). Manche versagen den
Dienst hartnäckig beim Reiten, sind aber im Wagen- und Zug¬
dienst folgsam (Reitstätigkeit). Andere lassen sich willig
reiten, sind aber vor dem Wagen nicht zu verwenden (Wagen¬
stätigkeit). Schließlich gibt es Wagenpferde, die gut zwei-
spännig gehen, sich aber im einspännigen Dienste widersetzlich
zeigen und umgekehrt.
Hinsichtlich der Entstehung der Stätigkeit ist zu berück¬
sichtigen, daß das Pferd von Natur aus wenig Neigung zeigt,
seinen freien Willen ohne weiteres aufzugeben und sich dem
Menschen zu seinen Dienstzwecken gefügig zu erweisen. Wir
können hauptsächlich bei den halbwilden Zuchten beobachten,
wie schwer es ist, dem Pferde allmählich den Gehorsam zu
Dienstverrichtungen anzuerziehen. Die Natur bäumt sich immer
und immer wieder gegen den auferlegten Zwang und die er¬
zwungene Leistung, und das kleinste Versehen in der Behandlung
kann zum offenen Ausbruch der Widersetzlichkeit führen. In¬
dessen sind die Pferde gegenwärtig im allgemeinen durch die
jahrhundertelange Haltung im Dienste des Menschen und ver¬
nünftige Zucht mit Bevorzugung der Rassen mit ruhigem
Temperament, sowie die erhöhte Sorgfalt in der Aufzucht der
jungen Tiere so weit an Gehorsam gewöhnt, daß eine auf
starkem Eigenwillen beruhende hartnäckige Widersetzlichkeit
zu den Seltenheiten gehört.
Eine gewisse Disposition zur Entwicklung der Stätigkeit
besteht bei leicht erregbaren Tieren, besonders sind es deshalb
die veredelten Rassen, die das größere Kontingent zu den
stätigen Pferden liefern. Der Farbe nach stellen nachweislich
die Füchse die größere Masse dar, und unter ihnen wiederum
sind die weiblichen Tiere in der Überzahl. Verhältnismäßig oft
zeigen sich ältere Reitpferde, die zur Dienstleistung am Wagen
verwendet werden sollen, unfolgsam und widersetzlich. Bei
schweren Pferden ist die Stätigkeit eine seltene Erscheinung.
Als veranlassende Ursache ist in der Regel wiederholte
fehlerhafte Behandlung anzusehen. Die Pferde werden oft
gleich nach dem Kaufe zu ungewohnten Dienstleistungen heran¬
gezogen. Statt den Tieren gütig dabei zuzureden, wird sofort
mit Strafen vorgegangen, weshalb die Tiere ihren Eigenwillen
aufsetzen. Unter Umständen ist jedoch auch zu milde Be¬
handlung schuld. Die Tiere erkennen sehr bald die Schwäche
ihres Herrn und setzen dann ihren Willen durch.
Die Stätigkeit tritt in der Regel unter folgenden Er¬
scheinungen auf: Im Stalle ist das Verhalten des Tieres voll¬
ständig normal. Es machen sich weder physische, noch andere
Störungen bei ihm bemerkbar, höchstens zeigt es sich beim
Putzen, Beschlagen und dergleichen etwas eigenwillig und
ir>. Oktober 11)08.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
747
leicht erregbar. Erst beim Gebrauche tritt der Fehler auf.
Gewöhnlich lassen sich die Pferde auch ohne weiteres noch
aufschirren, aus dem Stalle fuhren und anspannen oder
satteln. Auch beim Gebrauch tritt die Stätigkeit meist nicht
sofort hervor. Die Tiere gehen ruhig an und eine Weile
vorwärts, hören dann aber ohne erkennbare Veranlassung
plötzlich auf, den Dienst zu verrichten. Sie bleiben wie an¬
gewurzelt stehen oder legen sich auch zurück und stemmen
sich mit den Beinen fest an den Boden (passive Stätigkeit).
Oder sie werden beim Versagen des Dienstes zugleich unruhig,
schlagen mit den Hinterbeinen aus, bäumen sich, überschlagen
sich dabei auch, drängen unruhig zur Seite oder werfen sich
nieder. Reitpferde versuchen, sich durch Bocken des Reiters
zu entledigen oder ihn an Wänden, Bäumen und dergleichen ab¬
zustreifen. Wir nennen das aktive Stätigkeit. Droht man nun
den Tieren mit der Peitsche oder straft sie, so bestärkt man sie
in ihrem Eigensinn. Läßt man sie ruhig stehen, so gehen sie
nach einigen Minuten eventuell allein wieder an, wiederholen
aber bald dasselbe Manöver. Bei umsichtigen, geschickten
Führern bzw. Reitern bleiben die Anfälle oft länger aus. Lenkt
man nach dem Stalle zu um, so gehen die Tiere in der Regel
sehr gut. In allen Fällen der Widersetzlichkeit geben die
Tiere femer noch in geringerem oder stärkerem Maße „Auf¬
regung durch einen feurigen, wilden Blick, beschleunigten Puls,
pochenden Herzschlag, Strotzen der Hautvenen, zuweilen selbst
durch Schweißausbruch, beschleunigtes Atmen und Zittern u
(Gerlach) zu erkennen.
Die Untersuchung auf Stätigkeit ist sehr schwer und zu¬
weilen sehr unangenehm. Sie erfordert große Umsicht und
Sachkenntnisse nicht nur rein tierärztlicher Natur, sondern setzt
vor allem auch Verständnis für die Gebrauchsweisen des Pferdes
voraus. Irren ist deshalb hier leichter möglich als bei der
Feststellung irgend eines anderen Mangels.
Der Untersuchung in der Dienstleistung muß eine solche im
Stalle vorausgehen, um festzustellen, ob das Tier gesund ist.
Besonders müssen diejenigen Körperteile, an denen Geschirr-
und Sattelteile anliegen, frei von schmerzhaften Zuständen, d. h.
Entzündungen, Quetschungen oder Wunden sein. Vor allem ist
auf Kummet- und Lendendrücke zu achten. Hierauf ist das
Geschirrzeug selbst einer Musterung zu unterziehen und gut zu
verpassen. Reitsättel, Sielengeschirr, Kummet, Hinterzeug,
Schweifriemen dürfen keine schmerzhafte Empfindung ver¬
ursachen, also weder zu eng noch zu weit sein. Es ist hierbei
auch an Druck auf die Luftröhre durch das Kummet zu denken.
An neuen Geschirren und Zaumzeug, die gerade nach dem
Kaufe eines Pferdes sehr häufig in Gebrauch genommen werden,
drücken zuweilen die scharfen Kanten z. B. an den Ohren.
Schließlich ist auch festzustellen, ob die Trense oder Kandare
bequem liegt und nicht zu scharf ist. Bei Reitpferden ist das
Augenmerk auf die Lage des Sattels und des Gurtes zu richten.
Manche Pferde, besonders Stuten sind unleidig, wenn sie zu
weit zurückgesattelt sind, andere vertragen zu enges Gurten nicht.
Die eigentliche Untersuchung geschieht hierauf in dem
Dienst, zu dem das Tier bestimmt ist, also entweder ein- oder
zweispännig im Wagen oder unter dem Reiter. Ist beim Kaufe
nichts ausbedungen, so untersucht man das Pferd im ein- und
zweispännigen Wagendienst. Als zweites Pferd wählt man ein
bekanntes, ruhiges, ungefähr gleich starkes Tier, um über die
Zugleistung Vergleiche anstellen zu können und wechselt während
der Untersuchung auch einmal die Seiten. Ist nicht ausdrücklich
der Gebrauch für schweres Fuhrwerk ausgemacht, so benutzt
man einen mit einer mäßigen Last beschwerten Wagen (etwa
10—12 Zentner für ein mittelschweres Pferd beim Gebrauch auf
festem, ebenem Wege). Bei Reitpferden verwendet man einen
geschickten ruhigen Reiter von mittlerem Gewicht. — Die
Untersuchung nimmt man am praktischsten im Freien vor, wo
sich Mensch und Tier weniger leicht Verletzungen zuziehen
können. Womöglich wählt man sich weichen oder chausierten
Weg aus, da das Rasseln des Wagens auf dem Pflaster den
Tieren, die nicht daran gewöhnt sind, unangenehm ist. Um
alles, was Furcht erregen kann, zu vermeiden, nimmt man die
Peitsche vom Bock weg, der Reiter läßt Gerte und Säbel fort.
Zuerst redet man nun dem Pferde in Güte zu und läßt es
dann anführen, eventuell an besonderen in die Trensenringe
eingeschnallten Zügeln. Stellt sich nun eine Widersetzlichkeit
nicht ein, so bewegt man das Pferd weiter bis zum Schwei߬
ausbruch und macht nunmehr auch von Peitsche und Sporen in
dem Maße Gebrauch, wie es sonst üblich ist. Zeigt das Pferd
dagegen die oben beschriebene Widersetzlichkeit, so iBt, ehe
man die Diagnose Stätigkeit ausspricht, nochmals sorgfältig in
Erwägung zu ziehen, ob nicht doch äußere Verhältnisse vor¬
liegen, die eine Täuschung veranlassen können. Man lege sich
noch einmal die Fragen vor: Drücken nicht etwa Geschirr¬
teile? Stören vielleicht die ungewohnten Scheuklappen? Ent¬
spricht die Belastung des Fahrzeuges der Leistungsfähigkeit
des Pferdes? Ist alles vermieden, was demselben Furcht
erregen könnte (Rasseln, Kettengeklirr usw.)? Auch vor
Personen fürchtet sich das Pferd, besonders, wenn es von ihnen
gemißhandelt worden ist. Sie sind deshalb wegzuschicken.
Gerade rohe Behandlung verursacht sehr häufig bei frisch¬
gekauften, nicht an die Verhältnisse gewöhnten Tieren eine
Widersetzlichkeit, die durch ruhige, vorsichtige Behandlung sich
allmählich wieder verliert. Ferner ist zu erwägen, ob das Tier
überhaupt an die geforderte Dienstleistung gewöhnt ist. Bei
drei- und vierjährigen Pferden kann man das oft nicht annehmen.
Sie sind häufig noch nicht eingefahren bzw. eingeritten und ver¬
stehen nicht, was man von ihnen verlangt. Ist das der Fall,
so tritt die Widersetzlichkeit in der Regel gleich zu Anfang
der Bewegung auf, bessert sich aber allmählich bei Behandlung
in Güte und Nachhelfen durch Anschieben des Wagens und
dergleichen. Schließlich geht das Tier leidlich. Es besteht
dann keine hartnäckige Widersetzlichkeit. Indessen schließt
das Ungewohntsein mit der Dienstleistung nicht immer das
Vorhandensein der Stätigkeit aus, es gibt vielmehr auch junge
Pferde, die sich wegen hartnäckiger Widersetzlichkeit von
vornherein als ungeeignet zum Erlernen des Wagendienstes
erweisen.
Zur Diagnose der Stätigkeit ist festzustellen:
1. Daß überhaupt Widersetzlichkeit vorhanden ist, aktive
oder passive,
2. daß dieselbe hartnäckig ist, und
3. daß besondere Ursachen hierzu ausgeschlossen sind.
Zu Täuschungen können neben den oben angegebenen Um¬
ständen noch Veranlassung geben:
a) Der Dummkoller. Es ist schon oben erwähnt worden,
daß man in vielen älteren Partikulargesetzen Dummkoller und
Stätigkeit für identisch ansah. Heute wissen wir aber, daß
wesentliche Unterschiede zwischen beiden bestehen. Bei der
748
BERLINER TIEKÄRZTLK 1IE WOCHENSCH RIFT.
No. 42.
Stätigkeit handelt es sich ausschließlich um eine auf Eigensinn
beruhende, also bewußte Widersetzlichkeit, während für Dumm¬
koller gerade charakteristische Symptome Abstumpfung des Be¬
wußtseins, der Empfindung und des Willens sind. Hier beruhen
die Erscheinungen, welche zur Verwechslung Anlaß geben
können (Drängen nach einer Seite, schwere Lenkbarkeit, Aus¬
schlagen, Schaum), weniger auf Böswilligkeit als auf falscher
Vorstellung und mangelhaftem Verständnis. Die Abstumpfung
in den physischen Stätigkeiten und die damit zusammenhängenden
Erscheinungen lassen keinen Zweifel darüber, daß Dummkoller
vor liegt;
b) das Rossigsein der Stuten. Dasselbe ist, so lange es
in physiologischen Grenzen bleibt, unschwer von der Stätigkeit
zu unterscheiden. Bei empfindlichen Tieren hingegen, besonders
Füchsen ist es sehr oft mit ungewöhnlicher Aufregung und Reiz¬
barkeit, Kitzlichkeit, Schlagen und Beißen verbunden und kann,
wenn es zur Nymphomanie ausartet, sehr leicht zur Stätigkeit
führen. Es wurde schon oben erwähnt, daß weibliche Tiere
den größeren Prozentsatz der stätigen Tiere ausmachen.
Dieckerhoff hat es in seiner „Gerichtlichen Tierarznei¬
kunde“ unternommen, Unterarten der Stätigkeit aufzustellen. Da
diese mit großer Sorgfalt zusammen gestellte Einteilung für die
Beurteilung der Erheblichkeit der Stätigkeit eine gewisse Be¬
deutung besitzt, sei sie hier angeführt. Er unterscheidet
Stätigkeit bei Reitpferden, Wagenpferden und Arbeitspferden
und zählt zu diesen Gruppen folgende Formen:
A. Reitpferde.
1. Die anfallsweise auftretende Unfolgsamkeit.
2. Die Unfolgsamkeit bei einer unwesentlichen Wahrnehmung.
3. Die Unfolgsamkeit im Einzelgebrauch.
4. Das Kleben.
5. Das habituelle Steigen beim Dienstgebrauch.
G. Das Bocken.
B. Wagenpferde.
I. Im zweispännigen Gebrauch.
1. Die anfallsweise auftretende Unfolgsamkeit.
2. Das vollständige Versagen der Dienstleistung.
3. Die mangelhafte Zugfestigkeit.
4. Das habituelle Schlagen gegen die Zugstränge.
5. Das habituelle Leinefangen.
6. Die habituelle Widersetzlichkeit gegen den Schweifriemen.
7. Das habituelle Ausschlagen.
II. Im einspännigen Gebrauch.
Dieselben Formen außer dem habituellen Schlagen gegen
die Zugstränge.
C. Arbeitspferde.
1. Der habituelle Mangel an Zugfestigkeit.
2. Das vollständige Versagen der Dienstleistung vor dem
Arbeitswagen.
3. Das habituelle Schlagen nach den Zugsträngen.
4. Das habituelle Leinefangen.
5. Die habituelle Widersetzlichkeit gegen den Schweifriemen.
G. Das habituelle Ausschlagen mit den Hinterfüßen.
Auf die Frage nach dem Wert und der Zweckmäßigkeit
dieser Einteilung komme ich später zurück.
Die Stätigkeit der Pferde ist keine Erscheinung der Neuzeit.
Es ist vielmehr anzunehmen, daß sich, so lange es Pferde im
Dienste des Menschen gegeben hat, darunter auch solche be¬
fanden haben, die sich kraft des ihnen von Natur ans inne¬
wohnenden Eigensinnes den Dienstanforderungen des Menschen
widersetzt haben. Es ist sogar kaum anzuzweifeln, daß bei der
halbwilden Aufzucht diese Untugend früher viel häufiger war.
Wir finden deshalb die Stätigkeit geschichtlich auch schon in
dem ersten überhaupt aufgezeichneten, logisch geordneten Zivil-
recht des Altertums, in dem edictum aedititium der römischen
Republik angedeutet: „In menta, quae sine causa turbantur“
werden dort die stätigen Tiere genannt. In der römischen
Literatur wird der Mangel dann fernerhin bezeichnet als per-
vicacia (Eigensinn) oder als pervicase contumacia (eigensinniger
Trotz, hartnäckige Widersetzlichkeit) oder als obstinatio in
flexibilis (unbeugsamer Starrsinn) und ein stätiges Pferd als
equus contumase. In den älteren deutschen Spezialgesetzen
über Mängelgewähr beim Tierhandel, die nach deutschrechtlichem
Grundsatz aufgestellt, den Zweck verfolgten, die Verkäufer von
Tieren, im besonderen von Pferden besser zu stellen, als es in
dem im übrigen allgemein gültigen römischen Recht der Fall
war, finden sich die Bezeichnungen vor: Stettisch, Stökisch,
Stettig, Stättig, Stöttig, aber es ist nicht einwandfrei festzu¬
stellen, ob man darunter allein eine besondere Art der Wider¬
setzlichkeit verstanden hat; nach Dieckerhoff begriffen die
sächsischen Städterechte in den Hauptmangel „stettisch“ auch
den Dummkoller ein, in anderen wiederum z. B. im Lübischen
Rechte wurde diese Ausdehnung für streitig gehalten. Als be¬
sonderen Hauptmangel führen die Stätigkeit neben dem Dumm¬
koller erst die neueren Gesetze auf, zum ersten Male das
Herzoglich Sächsische Mandat, die beim Pferdehandel zu
leistende Gewähr usw. betr. vom 29. März 1790 und zwar mit
Recht auch mit verschieden langen Gewährsfristen (Stettiach-
sein = 8 Tage, Dummheit = 42 Tage). Das Preußische All¬
gemeine Landrecht vom 1. Juni 1794 verzeichnet die wahre
Stätigkeit der Pferde mit 4 Tagen Gewährszeit, Dummkoller
mit 4 Wochen, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für die
Holländer der Österreichischen Monarchie vom 1. Juni 1811 da¬
gegen Stättigkeit und Koller mit 30 Tagen. Von den neueren
deutschrechtlichen Währschaftsnormen, die seit Mitte des vorigen
Jahrhunderts bis zum Infrafttreten des Neuen Bürgerlichen
Gesetzbuches für das Deutsche Reich in Gültigkeit waren,
führte das Gesetz vom 15. Juli 1858 für das Großherzogtum
Hessen die Stätigkeit mit 14 Tagen Gewährzeit auf, das
Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen vom
2. Januar 1863 die wahre Stätigkeit mit 5 Tagen, das Gesetz
vom 23. Oktober 1865 für das ehemalige Kurfürstentum Hessen
(Regierungsbezirk Kassel) die Stätigkeit der Pferde mit gleich¬
falls 5 Tagen Gewährszeit. Die süddeutschen Währschafts-
gesetze, nämlich für Bayern vom 26. März 1859, für Württem¬
berg vom 23. April 1859, Baden vom 26. Dezember 1861 und
für Hohenzollem vom 5. Juni 1863 stimmten unter anderem
darin überein, daß sie die Stätigkeit als Hauptmangel nicht
kannten und sie sind hierin maßgebend für das neue deutsche
B. G. B., bzw. für die das letztere ergänzende Kaiserliche Ver¬
ordnung, betreffend die Hauptmängel und Gewährsfristen beim
Viehhandel vom 27. März 1899 geworden. Die Hauptmängel
dieser Verordnung sind nach vorhergegangenem Einvernehmen
mit den landwirtschaftlichen und tierärztlichen Vertretungen
und den Regierungen der Bundesstaaten durch den Bundesrat
festgesetzt worden.
Es muß an dieser Stelle festgestellt werden, daß keine der
zur Begutachtung dieser Hauptmängelliste von den zuständigen
15. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
749
Behörden des Reiches und den Regierungen der Bundesstaaten
gehörten Körperschaften (Deutscher Landwirtschaftsrat 1897,
kaiserl. Gesundheitsamt 1895, königl. preuß. Deputation für das
Veterinärwesen, März 1896 usw.) die Stätigkeit der Pferde
in die Liste der Hauptmängel aufgenommen wissen wollte. Es
herrschte also in den maßgebenden Kreisen vollständige Einig¬
keit darüber, daß sich die Stätigkeit der Pferde nicht zur Auf¬
nahme unter die Gewährsmängel eignet. Die Gründe hierzu
sollen im folgenden erörtert werden und zwar ist die Unter¬
suchung dieser Frage deshalb sehr zeitgemäß, weil man seit
Einführung des neuen B. G. B. in den Kreisen der praktischen
Tierärzte sowohl als der Pferdebesitzer sehr oft die Frage
gehört hat: „Warum fehlt jetzt die Stätigkeit der Pferde in
der Mängelliste?“ Ich gebe zu, daß im Laufe der Jahre diese
Frage seltener geworden ist. Man hat sich allmählich an die
veränderten Verhältnisse gewöhnt. Jedoch ist dieselbe gegen¬
wärtig wieder dadurch in den Vordergrund unseres Interesses
gerückt, daß zurzeit eine Revision der Kaiserlichen Verordnung
über die Gewährsmängel mit Rücksicht auf die Interessenten
des zweiten Teiles dieser Verordnung, welcher den Handel mit
Schlachttieren regelt und der sich als sehr reformbedürftig er¬
wiesen hat, unvermeidlich erscheint.
In Übereinstimmung mit der Begründung des Entwurfes zur
Kaiserl. Verordnung, betreffend die Hauptmängel und Gewährs¬
fristen beim Viehhandel lassen sich zur Beurteilung der Frage,
ob sich ein Fehler zur Aufnahme in diese Verordnung eignet,
folgende Forderungen aufstellen. Ein Fehler muß, um als Haupt¬
mangel gelten zu können,
1. zur Zeit des Verkaufes seiner Natur nach verborgen sein;
2. erheblich sein und den Handels- und Gebrauchswert
des Tieres beträchtlich mindern;
3. muß sich für denselben eine bestimmte Gewährs¬
frist festsetzen lassen, innerhalb welcher derselbe nach der
tierärztlichen Erfahrung in der Regel sich nicht entwickeln,
aber wenn vorhanden, immerhin in der Regel erkannt und
wissenschaftlich festgestellt werden kann, und
4. muß der Fehler allgemein oder in größeren Teilen des
Reiches so verbreitet sein, daß ein praktisches Bedürfnis zur
Aufnahme desselben in die Liste der Hauptmängel angenommen
werden kann.
An der Hand dieser Forderungen soll auch im nachstehen¬
den der Frage näher getreten werden, ob sich die Stätigkeit
der Pferde zum Hauptmangel im Sinne von § 482 des B. G. B.
eignet.
1. Ist die Stätigkeit der Pferde als ein zur Zeit des Ver¬
kaufes seiner Natur nach verborgener Fehler anzusehen?
Die Forderung, daß ein Fehler zur Zeit des Verkaufes
seiner Natur nach verborgen sein muß, fundiert auf dem im
§ 460 des B. G. B. hinsichtlich der Gewährleistung wegen
Mängel der Sache überhaupt ausgesprochenen Grundsatz, daß
der Verkäufer einen Mangel der verkauften Sache nicht zu
vertreten hat, wenn der Käufer den Mangel bei dem Ab¬
schluß des Kaufes kennt oder dem Käufer der Mangel infolge
grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Der Käufer ist
hiernach zu einer gewissen (gewöhnlichen) Aufmerksamkeit und
Sorgfalt beim Kaufhandel verpflichtet, wenn er Rechtsansprüche
an den Verkäufer erheben will. Kann er aber bei der Anwendung
derselben einen Mangel nicht erkennen, weil derselbe keine
sinnlich wahrnehmbaren Seiten hat oder doch nur solche gering¬
fügige, daß noch eine besondere Kunst bei der Untersuchung
oder Sachkenntnis (Wissenschaft) bei der Beurteilung zur Er¬
kennung desselben notwendig ist, so ist der Mangel für den
Käufer ein verborgener im juristischen Sinne (Gerlach) und ver¬
pflichtet den Verkäufer zu der im § 459 ausgesprochenen
Haftung. Diese Eigenschaft des Verborgenseins zur Zeit des
Kaufes ist also in gleicher Weise von den nach § 482 für den
Verkauf mit Tieren als Hauptmängel aufzustellenden Fehlern
zu fordern. Der Fehler muß, wenn er als Hauptmangel gelten
soll, bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit und Sorgfalt beim Kauf¬
geschäft nicht wahrzunehmen sein. Von der Stätigkeit der
Pferde läßt sich das aus folgenden Gründen behaupten:
Es ist oben ausführlich dargetan, daß das stätige Pferd im
Stalle und überhaupt im Stande der Ruhe ein vollständig normales
Verhalten zeigt, daß sich weder physische noch andere Störungen
an ihm bemerkbar machen, ja daß man bei sachgemäßer Unter¬
suchung vor Stellung der Diagnose „Stätigkeit“ festgestellt
haben muß, daß das Pferd vollständig gesund ist. Es ist daher
auch beim Kauf keine sinnliche Wahrnehmung an dem Tiere zu
machen, die darauf schließen läßt, daß dasselbe mit Stätigkeit
behaftet ist. Ein Probieren des Pferdes in seiner Dienstleistung
ist aber beim Kaufgeschäft nicht allgemein üblich. Die Ver¬
hältnisse verbieten das sehr oft, besonders auf Pferdemärkten,
in den Händlerställen usw. Beim Kaufgeschäft findet vielmehr
in der Regel nur eine Musterung des Tieres in der Ruhe und
hierauf in der Bewegung an der Hand im Schritte und Trabe
statt. Hierbei ist aber die Stätigkeit weder vom Durchschnitts¬
käufer noch von einem Sachverständigen zu erkennen. Selbst
wenn ein Vorfahren oder -reiten stattfindet, zeigen stätige Pferde
die Untugend sehr häufig nicht, wenn sie sich unter geschickter
Hand, besonders derjenigen des Händlers und seiner Angestellten
und in den gewohnten Verhältnissen befinden; erst wenn dann
nach dem Kauf die Veränderung dieser Verhältnisse eintritt
(fremder Führer, fremdes Geschirr, fremdes Nachbarpferd u.
dgl.), kommt die Stätigkeit an den Tag.
Die Stätigkeit der Pferde ist demnach sehr wohl als ein
seiner Natur nach beim Kaufe verborgener Mangel anzusehen.
2. Ist die Stätigkeit des Pferdes ein erheblicher, den Handels¬
und Gebrauchswert beträchtlich mindernder Fehler?
Wenn weiter gefordert wird, daß ein Fehler erheblich sein
muß, wenn er unter die Hauptmängel im Sinne von § 482 des
B. G. B. aufgenommen werden soll, so entspricht das dem im
§ 459 hinsichtlich der Gewährleistung wegen Mängel der Sache
aufgestelltem Prinzip, daß der Verkäufer nur für Fehler haftbar
ist, die den Wert oder die Tauglichkeit der Sache zu dem ge¬
wöhnlichen oder nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch
aufheben oder wesentlich mindern. Der. § 459 lautet:
„Der Verkäufer einer Sache haftet dem Käufer dafür,
daß sie zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den
Käufer übergeht, nicht mit Fehlern behaftet ist, die den
Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder
nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben
oder mindern. Eine unerhebliche Minderung des Wertes
oder der Tauglichkeit kommt nicht in Betracht.“
Der Text dieses Paragraphen deckt sich fast wörtlich mit
der Erklärung, welche der Präsident Dr. von Kübel in den
Motiven zum Entwurf erster Lesung des B. G. B. von den
Hauptmängeln gibt:
750
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 42.
„In der Bestimmung der einzelnen Gewährsmängel liegt
der Ausspruch, daß diese Mängel solche sind, welche den Wert
oder die Tauglichkeit des Tieres zu dem gewöhnlichen Gebrauch
aufheben oder nicht unerheblich mindern. Die Untersuchung
nach dieser Richtung wird aber für alle Fälle durch den Aus¬
spruch des Gesetzes überflüssig gemacht und abgeschnitten. u
Erheblichkeit in jedem Falle ist nach dem letzten Satz
dieser Erklärung Voraussetzung zur Aufnahme eines Mangels in
das Gesetz, wenn nicht eine Rechtsunsicherheit hervorgerufen
werden soll. Leider besitzen aber nur wenige Krankheiten und
Mängel diese Eigenschaft. Die meisten setzen nur in den
höheren Graden ihrer Ausbildung den Wert des Tieres herab,
nicht aber in niedrigen Graden. Andere mindern den Wert nur
bei wertvollen Tieren erheblich, während sie bei anderen als
unwesentlich angesehen werden müssen. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß die Stätigkeit der Pferde zu den aus diesen
Gründen als ungeeignet zur Aufnahme in die Hauptmängelliste
zu bezeichnenden Fehlern gehört, wenn wir bedenken, daß sich
neben der oben als Grundtyp der Stätigkeit beschriebenen Form
auf Grund der Definition zwanglos noch eine Reihe unwesent¬
licher Formen aufstellen lassen. Ein Blick in die von Di eck er¬
hoff aufgestellte Tabelle der Formen der Stätigkeit bestätigt
das ohne weiteres. Ein Urteil über die Bedeutung dieser
einzelnen Formen gewinnen wir aber am besten, wenn wir in
diese Tabelle die Wertminderung einfügen, die das Pferd durch
die Fehler nach Dieckerhoffs eigenen Angaben erleidet.
A. Reitpferde.
1. Die anfallsweise auftretende Unfolgsamkeit. — Die Tiere
haben meist nur Schlachtwert.
2. Die Unfolgsamkeit bei einer unwesentlichen Wahrnehmung.
— Die Wertminderung ist nach dem Grad der Untugend
zu schätzen.
3. Die Unfolgsamkeit im Einzelgebrauch — verursacht voll¬
ständige Entwertung.
4. Das Kleben — bedingt Wertminderung um V 4 —V 2 des
Preises.
5. Das habituelle Steigen beim Dienstgebrauch — desgleichen
um Yj— 2/3 des Preises.
6. Das Bocken — desgleichen um V 3 des Preises.
Alle Reitpferde lassen sich ev. als Wagenpferde besser
verwerten.
B. Wagenpferde.
I. Im zweispännigen Gebrauch.
1. Die anfallsweise auftretende Unfolgsamkeit — verursacht
bedeutende Herabminderung im Preise.
2. Das vollständige Versagen der Dienstleistung — des¬
gleichen.
3. Die mangelhafte Zugfestigkeit — verliert sich oft, be¬
sonders bei gutem Kutscher.
4. Das habituelle Schlagen gegen die Zugstränge — ist nach
dem Grade des Mangels verschieden zu beurteilen.
5. Das habituelle Leinefangen — desgleichen, ist bei teueren
Wagenpferden jedoch immer ein bedeutender Fehler.
6. Die habituelle Widersetzlichkeit gegen den Schweifriemen
— die Wertminderung ist gering.
7. Das habituelle Ausschlagen mit den Hinterfüßen. — Die
Wertminderung ist verschieden nach dem Grade des
Mangels.
II. Im zweispännigen Gebrauch.
1. Das vollständige Versagen der Dienstleistung. — Das
Pferd ist vollständig untauglich zum Dienst.
2. Die anfallsweise auftretende Unfolgsamkeit — verursacht
bedeutende Herabminderung.
3. Die mangelhafte Zugfestigkeit — ist nach dem Grade des
Mangels verschieden zu beurteilen.
4. Das habituelle Leinefangen — Die Wertminderung ist
nach dem Grade des Mangels verschieden.
5. Die habituelle Widersetzlichkeit gegen den Schweifriemen
— desgleichen.
6. Das habituelle Ausschlagen mit den Hinterfüßen gegen
den Wagen — desgleichen.
Einige Formen der Stätigkeit sind hiernach fast bedeutungs¬
los z. B. die habituelle Widersetzlichkeit gegen den Schweif¬
riemen besonders bei Arbeitspferden, bei denen man zur Beseitigung
des Fehlers den Schweifriemen weglassen kann. Andere Betzen
den Wert des Pferdes bedeutend herab und machen es zur
Dienstleistung vollständig untauglich, so daß es nur Schlachtwert
besitzt, bei Reitpferden z. B. die anfallsweise auftretende Un¬
folgsamkeit, bei Wagenpferden das vollständige Versagen der
Dienstleistung. Bei einzelnen Formen läßt sich die Wert¬
minderung direkt in Zahlen angeben. So entwertet das Kleben
Reitpferde um etwa V 4 —V 2 des Kaufpreises, das habituelle
Steigen um die Hälfte bis 2 / 3 desselben. Bei vielen Formen ist
ferner die Beurteilung von dem Grade der Ausbildung der Un¬
tugend abhängig und es ist danach die Wertminderung sehr
verschieden anzunehmen, zumal einzelne Tiere die Verwendbar¬
keit zu anderer als der ausbedungenen Dienstleistung im Werte
wieder um ein Geringes heben kann. Schließlich befinden sich
Formen der Stätigkeit darunter, die nur bei wertvollen Tieren
eine Bedeutung besitzen. Es ist z. B. das habituelle Leine¬
fangen bei einem teuren Wagenpferd als ein erheblicher Fehler
anzusehen, während es bei einem billigeren Arbeitstiere
ziemlich belanglos ist.
Wir verstehen hiernach unter Stätigkeit eine Anzahl
Untugenden des Pferdes, die hinsichtlich ihrer Bedeutung für
die Brauchbarkeit des Tieres eine sehr verschiedene Beurteilnng
erfahren müssen.
Es besteht kaum ein Zweifel darüber, daß viele Sach¬
verständige mit der weitgehenden Ausdehnung des Begriffes
„Stätigkeit“, wie sie Dieckerhoff aufführt, nicht ganz ein¬
verstanden sind. Viele wollen unter „Stätigkeit“ nur die schweren
Grade der Untugend verstanden wissen, die den Gebrauchswert
tatsächlich erheblich herabmindern. Aber die Ausdehnung ist
möglich und da sie von einem so hervorragenden Sach¬
verständigen wie Dieckerhoff gegeben worden ist, dessen
Ansicht in einem großen Teile des Deutschen Reiches maßgebend
war, muß mit derselben gerechnet werden. Daß aber die
Meinungen der Sachverständigen über die Beurteilung der
Stätigkeit tatsächlich ganz wesentlich auseinandergehen, ist
allgemein bekannt und läßt sich auch aus den amtlichen Ver¬
öffentlichungen über die Kliniken der norddeutschen tierärztlichen
Hochschulen unschwer nachweisen. Die süddeutschen Hoch¬
schulen kommen für einen Vergleich nicht in Frage, weil die
Stätigkeit in den süddeutschen Staaten auch vor Einführung des
B. G. B. für das Deutsche Reich kein Gewährsfehler war. In der
Klinik der Tierärztlichen Hochschule in Berlin ist nach den
offiziellen Berichten (Archiv f. w. u. pr. Tierheilkunde) in der
15. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Zeit vom 1. Januar 1878 bis Ende März 1888 unter 2595
konstatierten Hauptmängeln Stätigkeit 315 mal (= 12,1 Proz.
aller Fälle verzeichnet. In Hannover dagegen ist nach den
Jahresberichten der Königl. Tierarzneischule zu Hannover
IX—XVI in dem gleichfalls etwa 10 Jahre betragenden Zeit¬
raum vom 1. Januar 1875 bis 31. März 1886 Stätigkeit unter
856 festgestellten Hauptmängeln nur 7 mal aufgefiihrt, das be¬
deutet 0,73 Proz. der Hauptmängel. In der Klinik der Dresdener
Hochschule endlich sind in den 10 Jahren von 1878—1887
(Bericht über das Veterinärwesen im Königreich Sachsen) 637
Hauptmängel zur Konstatierung gelangt, darunter die Stätigkeit
in 4 Fällen — 0,63 Proz. der Hauptmängel. An der Berliner
Hochschule machte die Stätigkeit hiernach 12,1 Proz., in Hannover
0,73 Proz. und in Dresden 0,63 Proz. der festgelegten Mängel
aus. Der beträchtliche Unterschied in diesen Zahlen läßt sich
kaum allein damit erklären, daß in Berlin die Stätigkeit ein
häufigerer Fehler als in den anderen Städten sei, zumal man
ein ziemlich gleichmäßiges Pferdematerial in allen drei Städten
voraussetzen darf. Wahrscheinlicher ist, daß die Stätigkeit eine
verschiedene Beurteilung seitens der betreffenden Sachverständigen
in dem oben angedeuteten Sinne erfahren hat. Während man in
der Klinik zu Hannover und Dresden zögerte, das Bestehen der
Stätigkeit anzuerkennen, wenn der Grad der Widersetzlichkeit
nicht ein erheblicher war, verstand man in Berlin auch alle die
unbedeutenden Untugenden darunter, die sich neben der schweren
Form der Stätigkeit zuzählen lassen. Von diesem Standpunkte
aus kann aber die Stätigkeit nicht als ein Fehler bezeichnet
werden, der in jedem Falle oder in der Regel erheblich ist und
den Handels- und Gebrauchswert der betroffenen Tiere beträchtlich
herabmindert.
Fraglich erscheint, ob etwa diesem Übelstand durch eine
genaue Begriffsbestimmung bei Aufnahme der Stätigkeit in die
Mängelliste der Kaiserlichen Verordnung begegnet werden
könnte, wie es bei anderen Hauptmängeln z. B. der Tuberkulose
geschehen ist. In den durch den Reichsanzeiger (1899, S. 143)
veröffentlichten Erwägungen, die für die Beschlußfassung des
Bundesrates über diese Vorschriften maßgebend gewesen sind,
heißt es: „Die einzelnen Hauptmängel sind unter den Namen
angeführt, die ihnen nach dem Sprachgebrauch des Verkehrs
und der Tierheilkunde zukommen. So weit für einen Fehler oder
für bestimmte Erscheinungsformen desselben im Verkehr noch
andere Bezeichnungen Anwendung finden, sind diese Be¬
zeichnungen in Klammem beigefügt. Außerdem wird aber jeder
Hauptmangel, bei dem jene Angaben zur Klarstellung seiner
Tragweite noch nicht genügen, durch eine genaue Begriffs¬
bestimmung erläutert.“ Bei der Tuberkulose ist man einen
Schritt weiter gegangen und hat noch den Grad der Ausbildung
bezeichnet, den dieselbe erreicht haben muß, um als Haupt¬
mangel zu gelten. Bei Nutz- und Zuchtrindero sind tuberkulöse
Erkrankungen bekanntlich Gewährsfehler, wenn infolge dieser
Erkrankung eine allgemeine Beeinträchtigung des Nährzustandes
des Tieres herbeigeführt wird, bei Schlachttieren, sofern infolge
dieser Erkrankung mehr als die Hälfte des Schlachtgewichts
nicht oder nur unter Beschränkungen als Nahrungsmittel für
Menschen geeignet ist. Maßgebend für diese Ausnahmestellung
der Tuberkulose in der Kaiserlichen Verordnung waren die Er¬
wägungen, daß die Tuberkulose erfahrungsgemäß häufig so
leicht auftritt, daß sie den Gebrauchswert des Tieres überhaupt
nicht oder doch nur unbedeutend mindert und daß andererseits
751
ebenso sicher die Tuberkulose in den höheren Graden ihrer
Entwicklung einen erheblichen Fehler darstellt, für den dem
Käufer der Schutz des Gesetzes nicht gut versagt werden kann.
Liegen nun bei der Stätigkeit des Pferdes die Verhältnisse nicht
ähnlich? Auf der einen Seite gibt es Formen, die eine Be¬
deutung kaum beanspruchen, auf der anderen Seite kann diese
Untugend die Brauchbarkeit der Pferde wesentlich beeinträchtigen
oder zuweilen zu gewissen Zwecken vollständig aufheben. Wäre
es nun nicht durch eine genaue Begriffsbestimmung und Be¬
schränkung im Gesetz zu ermöglichen, daß der Verkäufer nur
für die erheblichen Fälle der Stätigkeit die Haftpflicht zu über¬
nehmen braucht? Sicherlich, aber es liegt bei dem, wie wir
später sehen werden, doch immer verhältnismäßig seltenen Vor¬
kommen der Stätigkeit keine Veranlassung vor, derselben eine
ähnliche Ausnahmestellung in der Kaiserlichen Verordnung ein¬
zuräumen wie der Tuberkulose, die bei ihrer großen Verbreitung
unter dem Rindvieh eine immense Bedeutung im Handelsverkehr
hat und deshalb alB Hauptmangel nicht gut entbehrt werden
kann. Anderenfalls würden sich auch noch andere Erkrankungen,
die je nach dem Grade ihrer Ausbildung verschieden zu beurteilen
sind, durch umständliche und den Verkehr erschwerende Um¬
schreibungen zur Aufnahme in die Kaiserliche Verordnung
geeignet machen lassen. Der Umstand, daß in diesen Fällen
dann nicht allein das Vorhandensein des Mangels festzustellen,
sondern auch die Erheblichkeit jedesmal durch Sachverständige
zu beurteilen wäre, würde das Verfahren in Streitfällen aber
demjenigen bei Geltung des gemeinrechtlichen Prinzips sehr
nahe bringen mit allen Nachteilen, die demselben anhaften, und
die Abkürzung der Beweisaufnahme und des ganzen Verfahrens,
die gerade durch die Gewährsmängel herbeigeführt werden soll,
illusorisch machen. Nur bei der Tuberkulose rechtfertigt die
große Verbreitung die ihr in der Kaiserlichen Verordnung zuteil
gewordene Ausnahmestellung.
Schließlich erscheint noch die Frage einer Erörterung wert,
ob die Fälle, in denen die Stätigkeit als ein unerheblicher Mangel
bezeichnet werden muß, etwa so selten sind, daß sie nur als
Ausnahmen bezeichnet werden können. Unter diesen Ver¬
hältnissen wäre es angängig, aus Gründen der Praktabilität
den Verkäufer zugunsten der Allgemeinheit in den seltenen
Fällen des Rechtsschutzes entbehren zu lassen d. h. ihm die
Haftung zu übertragen, wenn sich aus anderen Gründen die
Aufnahme der Stätigkeit in die Hauptmängelliste als sehr
wünschenswert erwiese. Die im Reichsanzeiger veröffentlichten
Erwägungen bringen das in folgenden Worten zum Ausdruck:
„Das Wesen des deutsch-rechtlichen Systems bringt es mit sich,
daß ausnahmsweise den Verkäufer die Haftung für einen Mangel
im einzelnen Falle treffen kann, obwohl der Mangel für den
Handels- und Gebrauchswert des Tieres nach der Lage der
Sache ohne Bedeutung ist. Mit Rücksicht auf die Interessen
des Verkäufers wird daher die Verordnung nur solche Fehler
zu Hauptmängeln erklären dürfen, welche zufolge ihrer Natur
die Eigenschaft haben, die Tauglichkeit und den Wert des
Tieres wenigstens für die regelmäßigen Fälle aufzuheben oder
erheblich zu beeinträchtigend Auf Grund dieser Ergänzungen
ist z. B. auch der Gewährsfehler „Koppen“ entgegen dem Vor¬
schlag wieler Sachverständiger noch unter die Hauptmängel bei
Nutz- und Zuchttieren aufgenommen worden, obwohl er in weiten
Fällen den Wert des Tieres nicht erheblich herabsetzt.
Hinsichtlich der Stätigkeit läßt sich bei Zugrundelegung
_7r>2
der Einteilung Dieckerhoffs aber keineswegs behaupten, daß
diejenigen Fälle, in denen der Fehler als unerheblich bezeichnet
werden muß, nur zu den Ausnahmen gehören. Es würde deshalb
die Aufnahme der Stätigkeit in die Kaiserliche Verordnung sehr
oft zu einer unberechtigten Inanspruchnahme der Haftpflicht
des Verkäufers führen, besonders auch, wenn das Pferd aus
einem anderen Grunde dem neuen Besitzer nicht genehm wäre.
3. Läßt sich für die Stätigkeit eine Gewährsfrist aufstellen?
Über die Feststellung der Gewährsfristen bestimmen die
Motive zum B. G. B. 2. Bd., S. 253: „Man kann bei Festsetzung
der Gewährsfrist nur die auf Erfahrung gestützte Regel zu¬
grunde legen. Bei einer Begrenzung der Frist auf die denkbar
kürzeste Entwicklungszeit würde dieselbe den größten Teil
ihrer Bedeutung verlieren, weil bei einem Hervortreten des
Fehlers in dieser denkbar kürzesten Zeit der Beweis auch ohne
Präsumption zumeist nicht schwierig sein wird, andererseits
aber in diesem Falle dem Erwerber auch bei einem Hervor¬
treten des Fehlers nach der Präsumptionspflicht der Beweis des
Vorhandenseins zur entscheidenden Zeit nicht abgeschnitten
werden könnte, ohne ihm in nicht zu rechtfertigender Weise
zu nahe zu treten, womit der Zweck der Erzielung der Rechts¬
sicherheit und Rechtsgewißheit vereitelt wäre.“ Der in diesen
Worten gekennzeichneten Auffassung, daß man unter Gewährs¬
frist die durchschnittliche Entwicklungszeit eines beim Kaufe
in den Anfangsstadien befindlichen und daher unerkennbaren
Fehlers bis zur vollen Ausbildung desselben versteht, konnte
man bei Aufstellung der Hauptmängel nicht folgen, sondern
man ist sich unter Anschließung an die Ansicht der hervor¬
ragendsten tierärztlichen Sachverständigen einig darüber ge¬
worden, daß die Gewährszeit nichts anderes sein kann als eine
Probezeit, die es dem Käufer ermöglicht, den verborgenen, bei
der einmaligen Besichtigung beim Kaufe nicht, sondern erst bei
längerem Gebrauch erkennbaren Fehler wahrzunehmen. In der
Begründung des Entwurfs zur Kaiserlichen Verordnung, betr.
die Hauptmängel und Gewährsfristen heißt es dementsprechend:
„Es muß sich für den Fehler, damit er als Hauptmangel gelten
kann, eine bestimmte Gewährsfrist feststellen lassen, innerhalb
welcher derselbe nach der tierärztlichen Erfahrung in der Regel
sich nicht entwickeln, aber wenn vorhanden immerhin in der
Regel erkannt und wissenschaftlich festgestellt werden kann.“
Die Gewährsfrist muß hiernach einerseits so kurz als möglich
angenommen werden, wenn die Interessen des Verkäufers nicht
dadurch geschädigt werden sollen, daß ein Entstehen des Fehlers
innerhalb der Gewährsfrist möglich ist, andererseits muß die
Gewährsfrist aber auch so lang bemessen sein, daß dem Käufer
innerhalb derselben die Wahrnehmung des Mangels ermöglicht
wird. In beiden Richtungen kann indessen nur die nach der
tierärztlichen Erfahrung aufzustellende Regel zur Ermittlung
der angemessenen Zeit maßgebend sein, es kann daher, wenn
die Interessen sowohl des Verkäufers als Käufers im allgemeinen
gewahrt werden sollen, ausnahmsweise den einen oder anderen
eine Benachteiligung treffen.
Treten wir nun der Frage näher, ob es unter den erwähnten
Forderungen möglich wäre, für die Stätigkeit eine Gewährs-
frist aufzusetzen, so ist zunächst festzustellen, daß sich die
Stätigkeit bei roher ungeschickter Behandlung, bei ungewohnt
hohen Anforderungen im Dienst u. dgl. absichtlich oder
unabsichtlich in kurzer Zeit ausbilden kann. Aus diesem Grunde
darf die Gewährsfrist für Stätigkeit nur wenige, höchstens vier
No. 42.
bis fünf Tage betragen. Innerhalb dieser Frist dürfte wohl
nur ausnahmsweise einem Pferde eine Stätigkeit anerzogen
werden können, die ein umsichtiger Sachverständiger nicht von
der wahren Stätigkeit zu unterscheiden vermöchte. Je länger
die Gewährsfrist für Stätigkeit ausgedehnt würde, um so größer
würde die Gefahr für den Verkäufer, daß er mit Unrecht zur
Haftpflicht herangezogen werden kann. Diese Tatsache hat in
allen neueren Währschaftsgesetzen, welche die Stätigkeit noch
als Gewährsfehler aufführten, Berücksichtigung erfahren, ja es
läßt sich geschichtlich verfolgen, daß die Gewfthrszeit für
Stätigkeit mit der Erkenntnis dieses Umstandes geradehin in den
einzelnen Gesetzen herabgesetzt worden ist.
Eine Gewährsfrist von wenigen Tagen für die Stätigkeit
würde andererseits in der Regel zum Erkennen des Mangels
und zur Feststellung desselben durch einen Sachverständigen
genügen. Denn die Stätigkeit pflegt Bich gewöhnlich schon
beim ersten Gebrauche des Pferdes durch den Käufer zu äußern
und tritt meist sogar unter den ungewohnten neuen Verhältnissen
in auffälligerem Maße auf. Auch die sogenannte periodische
Stätigkeit Gerlachs, die sich nur zu gewissen Zeiten und
unter besonderen Verhältnissen zeigt, würde in der Regel
in dieser Zeit hervortreten. Denn es ist kaum anzunehmen, daß
ein Pferd vier bis fünf Tage willig den Dienst tut und sich
später dennoch als stätig erweist. Auch stehen dem Käufer,
falls der Sachverständige nicht in der Lage wäre, innerhalb
der kurzen Gewährsfrist, durch eine einmalige Untersuchung
den Fehler einwandfrei festzustellen, sondern sein Urteil von
einer zweiten bestätigenden Untersuchung abhängig machen
müßte, nach § 485 des B. G. B. nach Ablauf der Gewährsfrist
noch zwei Tage zur Verfügung, innerhab welcher er jedoch dem
Verkäufer den Mangel angezeigt oder wenigstens die Anzeige
an ihn abgesandt haben, oder auf eine andere zulässige Art
sein Recht gesichert haben muß.
Es läßt sich demnach für die Stätigkeit des Pferdes eine
Gewährsfrist feststellen, welche die Interessen des Verkäufers
sowohl als des Käufers „in der Regel“ wahrt, wie es die Be¬
gründung des Entwurfs der Kaiserlichen Verordnung verlangt.
4. Ist die Stätigkeit allgemein oder in größeren Teilen des
Reiches so verbreitet, daß ein praktisches Bedürfnis zur Auf¬
nahme derselben in die Liste der Hauptmängel angenommen
werden darf?
Es ist schon oben erwähnt worden, daß die Stätigkeit bei
einzelnen Pferderassen eine fast unbekannte Untugend ist»
während sie bei anderen häufiger vorkommt. Letzteres läßt
sich von allen edleren, warmblütigen Rassen und von allen
Pferden sagen, welche in wilden oder halbwilden Gestüten ge¬
zogen werden, während bei den schweren kaltblütigen Rassen,
z. B. den dänischen, holsteinischen, belgischen Pferden und den
verwandten Schlägen Stätigkeit äußerst selten ist. Es läßt
sich deshalb von dem Überwiegen der einen oder anderen Rasse
in den einzelnen Landesteilen des Reiches ein Rückschluß auf
das Vorkommen der Stätigkeit ziehen. Sie müßte demnach in
den Zuchtgebieten des ostpreußischen Halbblutpferdes, das heißt
den östlichen Provinzen Preußens am häufigsten zu finden sein.
Jedoch haben auch bei Pferden veredelter Abkunft eine ver¬
nünftige Auswahl bei der Zucht und größere Sorgfalt bei der
Aufzucht der jungen Tiere, wie nochmals betont werden soll,
allmählich dahin geführt, daß die Fälle von erheblicher Wider¬
setzlichkeit in der Dienstleistung immer seltener geworden sind.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
15. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Ea ist das eine Tatsache, welche von vielen hervorragenden
tierärztlichen Sachverständigen, denen durch ihre Stellung ein
großes Beobachtungsmaterial zur Verfügung gestanden hat, an¬
erkannt worden ist. So schreibt schon Herr Gerl ach: „Wenn
die Stätigkeit in manchen Ländern kein Gewährsmangel ist und
selbst in einzelne neue Gewährschaftsgesetze (Baden, Bayern,
Württemberg) nicht mit aufgenommen worden ist, so beruht
dies wohl darin, daß dieser Mangel bei manchen Pferderassen
selten oder gar nicht vorkommt, das Bedürfnis in manchen
Ländern gar nicht gegeben ist.“ In ähnlichem Sinne äußert sich
Dieckerhoff mit den Worten: „Die Stätigkeit wird nicht
mehr so oft beobachtet wie früher. Diese Tatsache erklärt sich
einerseits durch die größere Sorgfalt, mit welcher die jungen
Fohlen gegenwärtig zu einem frommen Verhalten angespornt
werden und andererseits durch die Einschränkung der Zucht
solcher Rassen und Schläge, iu welchen das störrische und
widersetzliche Temperament sich bei den Pferden vererbt.“
Auch Czokor-Wien bemerkt hierüber: „Wenn die Stätigkeit im
Sinne einer Untugend vom juristischen Sinne betrachtet wird,
so kommt sie in der Praxis sehr selten vor. Die meisten Fälle
der Widersetzlichkeit lassen sich auf bestimmte Ursachen und
Einwirkungen zurückführen, welche außerhalb des Tieres liegen
und durch die Umgebung veranlaßt werden. Dies ist auch der
Grund, warum ein großer Teil der Tierärzte die Stätigkeit der
Pferde als einen dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht
angepaßten Gewährsmangel betrachtet und seine Ausscheidung
aus den betreffenden Gesetzen befürwortet.“ Es konnten deshalb
schon auf dem I. Internationalen tierärztlichen Kongreß zu
Wien 1865 die süddeutschen Tierärzte den in den Währschafts-
gesetzen von Bayern, Württemberg und Baden vertretenen
Standpunkt, daß kein praktisches Bedürfnis zur Aufnahme der
Stätigkeit unter die Gewährsfehler bestehe, ausschlaggebend
machen. Es haben jedenfalls aus gleichem Grunde später fast alle
zur Währschaftsfrage gehörten tierärztlichen und landwirtschaft¬
lichen Körperschaften von einem Vorschlag zur Aufnahme der
Stätigkeit in das Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich
bzw. die dazu erlassene Kaiserliche Verordnung abgesehen.
Wir finden sie weder in den Revisionsvorschlägen des
preußischen Landes-Ökonomie-Kollegiums vom Jahre 1870, noch
in denjenigen des deutschen Landwirtschaftsrates vom Jahre
1876, oder der sächsischen Kommission für das Veterinärwesen
aus dem Jahre 1877, oder des sächsischen Landeskulturrates
aus dem gleichen Jahre verzeichnet. Auch der im Sommer 1895
im Kaiserlichen Gesundheitsamt unter Hinzuziehung hervor¬
ragender tierärztlicher Sachverständiger ausgearbeitete Entwurf
zur Kaiserlichen Verordnung läßt die Stätigkeit der Pferde
vermissen, obgleich in der Begründung des Entwurfes aus¬
drücklich ausgesprochen ist, daß dieselbe sich unter den Fehlern
befand, welche bei der Aufstellung der Hauptmängelliste in
Betracht gezogen worden sind. Seitens der zur Begutachtung
dieses Entwurfes herangezogenen Korporationen (die preußische
Deputation für das Veterinärwesen, März 1896, deutscher Land¬
wirtschaftsrat, Februar 1897 usw.) sind Änderungsvorschläge
hinsichtlich der Stätigkeit gleichfalls nicht gemacht worden.
Wertvolles Material zur Beurteilung der Frage über die
Verbreitung der Stätigkeit und ihre Bedeutung als gesetzlicher
Fehler liefern uns mangels anderweitigen statistischen Materials
die schon oben herangezogenen amtlichen Berichte der tierärzt¬
lichen Hochschulen derjenigen deutschen Staaten, in denen die
753_
Stätigkeit bisher Gewährsmangel war, besonders deshalb, weil
sie einen Vergleich mit der Häufigkeit der übrigen Hauptmängel
zulassen. In der Klinik der tierärztlichen Hochschule zu Dresden
ist z. B. in den zwanzig Jahren von 1880—1899 unter 1373
festgestellten Gewährsmängeln Dummkoller 517, Dämpfigkeit 222,
Pfeiferdampf 376, periodische Augenentzündung (einschl. grauer
Star) 90 mal vertreten, Stätigkeit hingegen nur 19 mal; mit
anderen Worten Dummkoller macht abgerundet 38 Proz., Dämpfig¬
keit 16 Proz., Pfeiferdampf 27 Proz., periodische Augenentzündung
fast 7 Proz., Stätigkeit jedoch nur 1 Proz. der konstatierten
Mängel aus.
In der Klinik der tierärztlichen Hochschule zu Hannover
sind in der Zeit vom 1. Januar 1875 bis 31. März 1886
1060 Mängel zur Konstatierung gelangt, darunter:
Dummkoller in 449 Fällen = 42 % der festgestellten Mängel
Dämpfigkeit „ 48
* = 4,5%
V
n
n
Kehlkopfpfeifen „ 440
„ — 42 %
n
n
n
Mondblindheit „ 12
„ = 1,13%
n
n
„
Stätigkeit „ 7
n — 0,6l)()%
n
n
n
Es kam mithin der Stätigkeit gegenüber den übrigen Haupt¬
mängeln nur eine verhältnismäßig geringe Bedeutung zu.
In der Klinik der Berliner Hochschule dagegen ist die
Stätigkeit etwas häufiger festgestellt worden, ein Umstand, für
den schon oben genügende Erklärung gegeben worden ist. Es
wurden in den Jahren 1889/90 bis 1896/97 nach dem Arch. f.
w. u. pr. T. daselbst 3383 Untersuchungen auf Gewährsmängel
vorgenommen und dabei Dummkoller in 732 Fällen, Dämpfigkeit
in 337 Fällen, Kehlkopfpfeifen in 597 Fällen und Stätigkeit in
117 Fällen festgestellt. Letztere macht damit 5 Proz., Dumm¬
koller dagegen 22 Proz., Dämpfigkeit 10 Proz. und Kehlkopf¬
pfeifen 18 Proz. der konstatierten Hauptmängel aus. Es bleibt
somit auch hier die Stätigkeit hinsichtlich der Häufigkeit der
Fälle immer noch wesentlich hinter den übrigen Hauptmängeln
fcurück.
Berücksichtigen wir weiter, daß die Stätigkeit der Pferde
in den süddeutschen Staaten schon längst als Gewährsfehler
fallen gelassen worden ist, weil dort ein praktisches Bedürfnis
zur Beibehaltung derselben als Hauptmangel nicht bestand, so
kann von einer derartig großen Verbreitung der Stätigkeit im
Dentschen Reiche wohl kaum die Rede sein, daß eine Aufnahme
derselben in die Mängelliste der Kaiserlichen Verordnung not¬
wendig erscheinen müßte.
Fassen wir zum Schluß die Resultate unserer Erwägungen
über die Fragen zusammen, welche wir uns zur Entscheidung
vorgelegt hatten, so ergibt sich folgendes:
1. Die Stätigkeit der Pferde kann zwar als ein zur Zeit
des Kaufes verborgener Fehler angesehen werden, und es läßt sich
2. für dieselbe auch eine Gewährsfrist festsetzen, inner¬
halb welcher sie nach den tierärztlichen Eifahrungen sich in der
Regel nicht entwickeln, aber wenn sie vorhanden ist, erkannt
und wissenschaftlich festgestellt werden kann.
Andererseits kann aber die Stätigkeit nicht als ein Fehler
bezeichnet werden, welcher
1. in allen Fällen erheblich ist und den Handels- und Ge¬
brauchswert des Tieres erheblich mindert und
2. allgemein oder in größeren i Teilen des Reiches eine
derartige Verbreitung besitzt, daß ein praktisches Bedürfnis zur
Aufnahme derselben in der Liste der Hauptmängel angenommen
werden kann.
754
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 42.
Die Stätigkeit der Pferde entspricht sonach in diesen
letzten zwei Punkten nicht denjenigen Anforderungen; welche
wir an einen Fehler stellen müssen, damit 'er als Hauptmangel
im Sinne von 482 des B. G. B. gelten kann und eignet sich
daher nicht zur Aufnahme in die auf Grund vom Absatz 2
dieses Paragraphen zu erlassende Kaiserliche Verordnung.
Literatur:
1. Ger lach, Handbuch der gerichtlichen Tierheilkunde. Berlin
1872.
2. Roloff, Handbuch der gerichtlichen Tierheilkunde. Berlin 1889.
3. Dieckerhoff, Gerichtliche Tierarzneikunde. Berlin 1899.
4. Csokor, Lehrbuch der gerichtlichen Tierheilkunde. Wien 1898.
5. Fröhner, Gerichtliche Tierheilkunde. Berlin 1905.
6. Reuter und Sauer, Die Gewährleistung bei Viehveräußerungen
nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Berlin 1900.
7. Spinola, Sammlung von tierärztlichen Gutachten, Berichten
und Protokollen. Berlin 1865.
8. Semmer, Stätigkeit. Kochs Encyklopädie der Tierheilkunde.
9. Dieckerhoff, Die Bestimmungen über die Gewährleistung beim
Viehhandel in dem Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Adams Wochenschr. f. Tierheilk. u. Viehz. 1889. 12.
10. Derselbe, Die Gewährleistung beim Viehhandel und das Währ-
schaftsgesetz im Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Berlin 1895.
11. Siedamgrotzky, Zur Frage der Gewähr bei Viehmängeln.
Tierm. Rundschau 1888/9, 11 u. 12.
12. Derselbe, Bericht über die Klinik für größere Haustiere. Be¬
richt über das Veterinärwesen im Königreich Sachsen 1889—97.
13. Röder, ebenda 1897-1901.
14. Jahresbericht der Kgl. Tierarzneischule zu Hannover. IX—XVI.
15. Jahresbericht über die Tierärztliche Hochschule zu Berlin.
Archiv f. w. u. pr. Tierheilkunde 1879—1897.
16. Dieckerhoff, Zum neuen Wirtschaftsgesetzentwurf. B. T. W.
1896, S. 35.
17. Derselbe, Zum Entwurf des neuen bürgerlichen Gesetzbuches
(Beratung des Entwurfes einer kaiserl. Verordnung, enth. die
Liste der Hauptmängel in einer Plenarversammlung der Königl.
techn. Dep. f. d. Veterinärw.). Ebenda. S. 228.
18. Schmaltz, Der Ausgang des Kampfes um das Währschafts-
gesetz im Bürgerl. Gesetzbuch. Ebenda. S. 153.
19. Dammann, Die Hauptmängel und Gewährsfristen beim Vieh¬
handel (Beratung des Deutschen Landwirtschaftsrates v. 8. bis
13. Februar 1897 über den Entwurf einer Kaiserl. Verordnung
betr. die Hauptmängel und Gewährsfristen beim Viehhandel).
D. T. W. 1897. S. 69.
20. Schmaltz, Gewährleistung beim Viehhandel. B. T. W. 1898.
S. 185.
21. v. Kübel, Die Gewährleistung beim Viehhandel. Separat¬
abdruck n. d. württemb. Archiv für Rechtskunde. Bd. 21, Heft 1.
Tübingen. 1880.
22. Derselbe, Motive zu dem Entwürfe eines Btirgerl. Gesetzbuches
für das Deutsche Reich. Bd. II. Berlin u. Leipzig. 1888.
23. Dieckerhoff, Die Reform der Währschaftsgesetzgebung im
Deutschen Reiche beim Kaufe und Tausche von Haustieren.
(Ein Gutachten des Deutschen Veterinärrates). Augsburg. 1875.
24. Dieckerhoff, Schell, Leonhard, Die Bestimmungen über
die Gewährleistung beim Viehhandel in dem Entwürfe des
bttrgerl. Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Verhandlung
des VI. Deutschen Veterinärrates. Eisenach. 1889.
25. Esser, Eingabe des Deutschen Veterinärrates, betr. Abänderung
der §§ 417—428 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches.
B. T. W. 1896. S. 99.
26. Ktihnau, Die Gewährleistung beim Viehhandel. Ebenda. 1901.
S. 165.
27. C so kor, Über die Gewährleistung und die Gewährsmängel der
Haustiere. Tierärztl. Centralblatt. 1893. 3.
28. Toskano, dasselbe. Ebenda. 5.
29. Petsch, Die Gewährmängel beim Viehhandel nach dem neuen
bürgerlichen Gesetzbuch. Zt. f. Veterinärk. 1899. S. 475.
30. Maier, Die Vieh währschaft im neuen bürgerlichen Gesetzbuche
und die süddeutsche, spez. die badische Währschaftsgesetzr-
gebung v. 23. Kgr. 1858. B. T. W. 1898. S. 470.
31. Markt, Über die Gewährleistung beim Viehhandel nach Ein¬
führung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Vortrag, gehalten in
der Frtthjahrsversammlung des tierärztlichen Provinzialvereina
für Posen. B. T. W. 1899, S. 359.
32. C. Müller, Über die Stätigkeit und sogenanntes Strangschlagen
der Pferde. Mag. f. d. ges. Tierheilk. v. Gurlt u. Hertwig.
Berlin 1864.
33. Zürn u. Müller, Die Untugenden der Haustiere. Weimar 1885.
34. Fröhner, Ist die Kaiserl. Verordnung v. 27. März 1899 betr.
die Hauptmängel und Gewährsfristen beim Viehhandel einer
Revision bedürftig? Berlin 1906.
Referate.
Mittelst Alkoholinjektionen geheilter Nabelbruch.
Von Dozent Dr. Zimmermann-Budapest
(Zeitschrift für Tiermedizin, XII. Bd., S. 187.)
Zimmermann macht Mitteilung über die günstige Wirkung
der Alkoholinjektionen beim Nabelbruch eines neunjährigen
Bernhardinerhundes. Nach gründlicher Reinigung der Umgebung
des Bruches wurde an zwei Stellen in einer Entfernung von je
1 cm von der Bruchstelle je 1 g Alkohol absolutus unter die
Haut gespritzt. Am nächsten Tage entstand an der Injektions¬
stelle eine wärmere, teigige, etwas schmerzhafte Geschwulst.
Am 3. und 6. Tage wurden die Injektionen in derselben
Entfernung vom Bruch, aber an anderen Stellen wiederholt.
Die Anschwellung breitete sich auf die Bruchwand aus. Am
14. und am 20. Tage wurden die Injektionen wiederholt. Die
Anschwellung ging nur sehr langsam zurück und war nach
zwei Monaten noch nicht verschwunden, aber durch das ent¬
zündliche Ödem war es auch inzwischen zur Obliteration der
Bruchpforte gekommen. Rdr.
Ans der medizinischen Literatur.
Münchener Meditinische Wochenschrift. 55. Jahrgang Nr. 37, S. 1934
Ein Beitrag zu den Untersuchungsmethoden Ober Erythrocytenformen.
Von Dr.K. Yamada. — Die genaue Beobachtung der Erythrocyten¬
formen unter dem Mikroskop wird durch die Agglutination der roten
Blutkörperchen sehr erschwert. Auf dünnen Glimmerplättchen
tritt die Agglutination später ein als auf Deckgläschen, namentlich
wenn sie nicht mit Wasser sondern mit Alkohol gereinigt Bind.
Die Verschiedenheit des Verhaltens der roten Blutkörperchen
auf Glas und Glimmer wird auf Unterschiede in dem Wärme¬
leitungsvermögen und der Glätte der Oberfläche beider Sub¬
stanzen zurückgeführt. Aus Versuchen, die mit Rinder-, Menschen-,
Kaninchen- und Schweineblut gemacht worden sind, geht hervor,
daß die Rinderblutkörperchen am schnellsten agglutinieren, dann
folgen die Blutkörperchen des Menschen und der Kaninchen,
am langsamsten ballen sich die Blutkörperchen von Schweinen
zusammen. Der mit Alkohol gereinigte Glimmer verzögert die
Agglutination zweimal länger als das mit Alkohol gereinigte
Glas und der mit Wasser gereinigt^ Glimmer läßt die Agglu¬
tination noch zwei Minuten 20 Sekunden später in die Erscheinung
treten als das mit Alkohol gereinigte Glas. Das Blutserum
der Sängetiere ist nach einer Feststellung von Ringer einer
gemischten Lösung von 9,0 NaCl -f- 0,3 KCl -{- 0,3 CaCl -f-
1000,0 Aqua dest. gleichwertig. Versetzt man eine hypisotonische
Lösung, z. B. Ringerlösung und 70 prom. NaCl mit Schweine-
blut, so wird die Agglutination zweimal so lang verzögert als
B ERLINER TIERÄ RZTLIC HE W OCH ENSCH RIFT,
755
15. Oktober 1908.
bei reinem Blut. Mischt man Blut zweier gleicher Tierarten,
so agglutiniert das Gemisch schneller als das Blut jeder Tierart
für sich. Auffallend langsam agglutinieren die Erythrocyten
von Embryonen. Die Verzögerung der Agglutination bei den
einzelnen Tierarten hängt mit dem Alkaligehalt der roten Blut¬
körperchen zusammen. Nach Blutanalysen von Bunge, Ab der -
halden und Schmidt enthalten die Rinderblutkörperchen am
wenigsten Alkali (sie agglutinieren am schnellsten), während
die am meisten Alkali enthaltenden roten Blutkörperchen des
Schweines sehr langsam agglutinieren.
Dieselbe- Zeitschrift 8. 1935.
Die Feuchtlgkeitsreaktion trockener Gelatine und ihre Bedeutung für
die Präservierung von Fleisohsaft. Von G. Richter. — Verfasser
teilt ein Verfahren mit, das die unbeschränkte Aufbewahrung
von Fleischsaft u. dgl. wenigstens in trockener Form ermöglicht
und sich in Amerika, wo es patentiert ist, außerordentlich be¬
währt haben soll. Es gründet sich auf die besondere Eigen¬
schaft der Gelatine, mit der atmosphärischen Feuchtigkeit ein
ungemein scharfes Gleichgewicht zu halten. Die Präservation
ist eine physikalische und hat vor der mit Salz, Zucker oder
Alkohol den Vorzug, daß die Gelatine selbst ein im allgemeinen
indifferenter und unter allen Umständen unschädlicher Körper
ist, der bei hinreichender Verdünnung und besonders nach
Zusatz schmeckender Stoffe keinen eigenen Geschmack hervor¬
treten läßt. Blut und Blutserum halten sich in Gestalt von
Gelatinepulvern jahrelang. Selbst eingedickte Rindergalle, die
schwer vor Fäulnis zu schützen ist, blieb, nachdem sie mit
Gelatine versetzt und pulverisiert worden war, viele Jahre
hindurch unzersetzt. Wahrscheinlich könnte man auch leicht
Nährböden für Bakterienkulturen als lösliche Pulver herstellen,
die dann nur in sterilem Wasser zu lösen wären.
Deutsche Medixinalxeitung 29. Jahrg. Nr. 78. S. 877.
Über das Verhältnis des Ohrläppchens zur Tuberkulose. Von Dr.
G. J. Rossolimo. — Verfasser zieht aus den Untersuchungen
von 800 Kranken folgende Schlußfolgerungen:
1. Von allen anatomischen Kennzeichen der Entartung, die
bei Personen mit persönlicher oder familiärer Veranlagung für
Tuberkulose Vorkommen, kann man als das häufigste verschiedene
Arten von Unregelmäßigkeiten im Bau des Ohrläppchens be¬
trachten. (Verfasser stellt drei Typen von Abnormitäten auf:
1. angewachsene und schief verschnittene Ohrläppchen; 2. an¬
gewachsene Ohrläppchen; 3. nicht entwickelte Ohrläppchen.)
2. Bei Individuen, die hauptsächlich der Bevölkerung von
Zentralrußland angehören und von jeglicher Beziehung zur
Tuberkulose frei sind, sowohl als auch bei Personen mit
alkoholischer und psychopathischer Heredität, ist das Verhältnis
der abnormen Ohrläppchen zu den normalen gleich 1: 4.
3. Umgekehrt beträgt das Verhältnis der ersteren zu den
letzteren bei Veranlagung zur Tuberkulose 3,25 :1.
4. Dabei drückt sich dieser Zusammenhang besonders deut¬
lich bei familiärer Veranlagung aus und beträgt dann das Ver¬
hältnis 5:1, während bei persönlicher Tuberkulose dieses Ver-
hältnis 3 :1 ist.
5. Tuberkulose in Familien beider Eltern des betreffenden
Individuums gibt ein größeres Verhältnis der abnormen Läppchen
zu den normalen (5:1) als nur einseitige tuberkulöse Heredität
(3,3:1).
6. Bei persönlicher Tuberkulose mit tuberkulöser Heredität
ist das Verhältnis der unregelmäßigen Ohrläppchen zu den regel¬
mäßigen größer (5 :1) als bei persönlicher Tuberkulose, die nur
mit alkoholischer Heredität aggraviert ist, wo das Verhältnis
2,7 1: beträgt.
7. Wie unbedeutend die Rolle der ausschließlich alkoholischen
Heredität in dem Degenerationsprozeß des Ohrläppchens, unab¬
hängig von gleichzeitig persönlicher Veranlagung für Tuberkulose
ist, ist daraus ersichtlich, daß bei mit alkoholischer Heredität
aggravierten, jedoch persönlich für Tuberknlose veranlagten
Personen, das Verhältnis der verschiedenen Ohrläppchentypen
2,7:1 beträgt, während bei Personen ohne persönliche Veran¬
lagung für Tuberkulose und mit alkoholischer Heredität dieses
Verhältnis 1: 4,5 gleicht.
8. DaB unregelmäßige Ohrläppchen kann, wie jedes
anatomische Kennzeichen der Entartung, als besonderes Element
an dem Bilde eines bestimmten Degenerationstypus Anteil
nehmen, ohne daß es ein obligatorischer oder'wesentlicher Be¬
standteil zu sein braucht; es kann sowohl bei alkoholischen als
auch syphilitischen Degeneranten Vorkommen, bei denen die
Veranlagung für Tuberkulose noch nicht bewiesen ist, immerhin
ist es charakteristisch für eine besondere physische Organisation,
deren wesentliches Merkmal eine vitale Schwäche der Gewebe
bildet, für eine Prädisposition einigen schädlichen Einflüssen
gegenüber, insbesondere aber für eine schwäche Widerstands¬
kraft der tuberkulösen Infektion gegenüber und eine Neigung
zu asthenischen Erkrankungen einiger Organe, besonders funk¬
tionellen Erkrankungen des Nervensystems. (Ref. nach Wien,
klin. Wochenschr. 22/08.)
Fortschritte der Medixin. 26. Jahrg ., Nr. 25, S. 794.
Über die Lautgebungsstelle In der Hirnrinde des Hundes. Von
G. Katzenstein. — Von dem von H. Krause entdeckten Zentrum
im Gyrus praefontalis des Hundes aus läßt sich nur Stimmband¬
bewegung auslösen. Die Annahme, daß einseitige Reizung
dieses Zentrums stets beiderseitigen Effekt habe, ist schon von
Masini bestritten worden. Katzenstein bestätigt die An¬
gaben des letzteren, indem er mittelst unipolarer Reizung ein¬
seitige Stimmbandaktion hervorrufen konnte. Ein wirkliches
Lautgebungszentrum fand Katzenstein in dem steil abfallenden
Teil des Gyrus central, ant. Der Laut hat in Äthernarkose
knurrenden, im wachen Zustande des Hundes den Charakter
des echten Bellens. Exstirpation des einen Zentrums verändert
für einige Zeit den Ton des Bellens und erzeugt Störungen der
Beweglichkeit und Empfindlichkeit der gekreuzten Kehlkopfseite.
Nach beiderseitiger Exstirpation ist das Bellen (nicht aber das
Winseln) anscheinend dauernd aufgehoben. Ferner treten Herab¬
setzung der Sensibilität und dauernde Bewegungsstörungen der
Stimmbänder ein. (Nach Ref. aus Arch. für Laryng., Bd. 20,
Heft 3.) W.
Tagesgeschichte.
t
Paul Schnibbe-Rakwitz (Posen).
Am 27. September d. J. verschied im Diakonissenhause zu
Posen als ein Opfer seines Berufes der Tierarzt Paul Schnibbe
aus Rakwitz (Posen) im blühenden Alter von 37 Jahren.
Am 10. März 1871 zu Posen geboren, besuchte er zu¬
nächst die damalige Realschule erster Ordnung, sodann das
Königl. Mariengymnasium in Posen und legte im Jahre 1890
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
756
das Abiturientenexamen ab. Hierauf studierte er in Berlin
Veterinärmedizin und erwarb im Jahre 1895 die Approbation
als Tierarzt. Nachdem er in Starnburg, Klütz (Mecklenburg-
Schwerin) und Haynau die tierärztliche Praxis ausgeübt hatte,
wurde ihm im Jahre 1897 die interimistische Verwaltung der
Kreistierarztstelle des Kreises Schmiegel (Posen) übertragen,
welche er bis zum Jahre 1901 innehatte. Alsdann ließ Schnibbe
sich in Rakwitz nieder, wo er eine ausgedehnte Praxis ausübte,
bis ihn der unerbittliche Tod aus der Mitte seiner Familie abrief.
Er starb infolge einer Infektion, die er sich bei Gelegenheit
einer Obduktion zugezogen hatte.
Schnibbe war nicht nur ein hervorragend geschätzter und
sehr gesuchter praktischer Tierarzt, der sich in den Kreisen
der Landwirte und Tierbesitzer seines Wirkungskreises für alle
Zukunft ein dankbares Andenken gesichert hat, sondern er war
auch mit den Schönsten Eigenschaften des Geistes und des
Herzens ausgestattet, durch welche er sich die Liebe und
Achtung aller Menschen, mit denen er in Berührung gekommen,
erworben hatte. Einen schönen Beweis hierfür lieferte die
Leichenfeier, welche im Diakonissenhause zu Posen stattfand
und zu der außer den Familienangehörigen, namentlich seiner
geliebten Mutter und seiner teuren Schwester, zahlreiche Kollegen
aus der Stadt Posen und Umgegend, sowie auch viele Freunde
und Verehrer des Dahiugeschiedenen erschienen waren.
Nachdem Pastor Stark eine ergreifende Trauerrede ge¬
halten hatte, wurde der mit zahlreichen Kränzen, gewidmet u. a.
vom tierärztlichen Provinzialverein für Posen, dessen langjähriges
eifriges Mitglied der Verblichene war, der A. T. V. Frisia von
der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin, dem Magistrat und
der Schützengilde der Stadt Rakwitz, geschmückte Sarg nach
dem Bahnhof geschafft, um nach Bromberg befördert zu werden.
Dort fand am 30. September d. J. die Beerdigung statt. Es
hatten sich hierzu außer den Angehörigen zahlreiche Kollegen,
Freunde und Verehrer des Dahingeschiedenen eingefunden, welche
ihm die letzte Ehre erweisen wollten. U. a. waren auch zwei
Chargierte der A. T. V. Frisia in vollem Wichs erschienen.
Pfarrer Aßmann hielt eine zu Herzen gehende Leichen¬
rede, worauf der reichgeschmückte Sarg in die Gruft gesenkt
wurde. Möge er in Frieden ruhen! Hey ne-Posen.
Das Doktorat an den Tierärztlichen Hochschalen
Österreichs.
Mit Allerhöchster Entschließung vom 5. September 1. J.
wurde den Tierärztlichen Hochschulen in Wien und Lemberg
das PromotionBrecht zur Kreierung von Doktoren der Tierheil¬
kunde verliehen.
Hierdurch wird ein in den Kreisen der Veterinärmediziner
lang gehegter Wunsch erfüllt und sind dadurch nunmehr die
Tierärztlichen Hochschulen auch bezüglich der Verleihung aka¬
demischer Grade den anderen Hochschulen gleichgestellt.
Das neue Doktorat wird ein fakultatives, also für den
praktischen Beruf nicht erforderliches sein und auch keine be¬
sonderen beruflichen Rechte gewähren, wie z. B. das medizinische
Doktorat. Infolgedessen tritt auch in den Vorschriften über die
Erlangung des mit der Praxisberechtigung verbundenen Diploms
als Tierarzt, welches auf Grund eines nach erreichter Mittel¬
schulmatura absolvierten vieljährigen Hochschulstudiums und
nach Ablegung von drei Rigorosen erworben wird, keine Än¬
derung ein, vielmehr wird dieses Diplom die regelmäßige Vor-
Ko. 43.
aussetzung für die Zulassung zum Tierärztlichen Doktorat sein.
Ausnahmsweise können jedoch auch Kandidaten zugelassen
werden, welche zwar nicht das Tierärztliche Diplom erlangt,
aber nach bestandener Mittelschulmatura durch längere Zeit auf
dem Gebiete der Veterinärmedizin sich wissenschaftlich betätigt
haben und besonders tüchtige wissenschaftliche Arbeiten auf
diesem Gebiete aufzuweisen vermögen.
Auch den immaturen Tierärzten ist das Promotionsrecht
zugestanden und werden dieselben über Vorschlag des ProfeBBoren-
kollegiums im Einvernehmen mit dem Unterrichts- und Ackerbau¬
ministerium zum Doktor-Rigorosum zugelassen.
Der Text des Doktordiploms sowie der Vorgang bei der
Promotion ist, wie aus einem gleichzeitig ergehenden Ministerial¬
erlasse hervorgeht, vollends dem an Universitäten geltenden nach¬
gebildet; Diplomstext und Promotionsformeln sind in lateinischer
Sprache abgefaßt.
Bei Einreichung der Dissertation ist eine Taxe von 40 K,
für das mündliche Rigorosum eine solche von 80 K und für die
Promotion von 60 K zu entrichten, welche in der an Hochschulen
üblichen Weise den Professoren zukommt.
Gleichzeitig mit der Promotionsordnung tritt an den Tier¬
ärztlichen Hochschulen mit dem nächsten Studienjahre eine zweite
Ministerialverordnung in Kraft, der zufolge die in das Tierärztliche
Studium neu eintretenden Veterinärmediziner ein Unterrichtsgeld
zu entrichten haben und zw T ar jene, welche im österreichischen
Staatsverbande stehen, 50 K, alle übrigen 75 K für ein Semester,
wofür ihnen der Besuch aller obligaten Vorlesungen und Übungen
an der Hochschule freisteht. Nur die Privatdozenten werden
berechtigt sein, für ihre ohne Lehrauftrag abgehaltenen Vor¬
lesungen für sich ein besonderes angemessenes Honorar einzu¬
fordern. Wie an anderen Hochschulen können unbemittelte und
fleißige Studierende vom Unterrichtsgelde, und zwar schon vom
ersten Semester an, ganz oder zur Hälfte befreit werden; auch
die an der Wiener Hochschule studierenden Militär-Veterinär¬
akademiker sind vom Unterrichtsgelde befreit.
Durch die Einführung des Unterrichtsgeldes, welches ebenso
wie an anderen Hochschulen dem Staatsschätze zukommen wird,
ist eine an den Tierärztlichen Hochschulen bestehende Anomalie
beseitigt worden, die noch aus jener Zeit stammt, in der das
dreijährige Tierarzneistudium ausschließlich der Heranbildung
für den praktischen Beruf gewidmet war. Die Ausstattung der
Tierärztlichen Hochschulen mit dem Rechte zur Verleihung des
Doktorates ließ es geboten erscheinen, mit dem Prinzip der
Unentgeltlichkeit dieses Hochschulstudiums zu brechen.
Von jenen Studierenden, welche schon an den Tierärztlichen
Hochschulen aufgenommen sind und ihre Studien fortsetzen, wird
kein Unterrichtsgeld eingehoben werden.
Nach den vom Minister für Kultus und Unterricht
Dr. Marchet schon früher abgegebenen Erklärungen,
wird den Tierärztlichen Hochschulen die freie
Rektorswahl im Laufe des nächsten Studienjahres zu¬
gestanden werden. Für das Studienjahr 1908/09 wurde an
der Wiener Tierärztlichen Hochschule der Liebling der Studenten¬
schaft Professor Dr. Armin von Tschermak vom Professoren¬
kollegium zum Prorektor einstimmig gewählt. — Auch betreffs
der Übernahme der Wiener Tierärztlichen Hochschule in die
Zivilverwaltung wird auf Grund der mit dem Reichskriegs¬
ministerium geführten Verhandlungen vorausichtlich in nächster
Zeit eine positive Grundlage für eine Transaktion gefunden
1 r> . Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
7f,7
werden, welche auf einen Neubau der Wiener tierärztlichen
Hochschule abzielt.
Über den Entwurf des Kurpfaschergesetzes.
Von Bezirkstierarzt Maier in Konstanz.
Bekanntlich ist den Bundesregierungen bereits schon längere
Zeit ein Gesetzentwurf, betreffend die Ausübung der Heilkunde
durch nicbtapprobierte Personen und den Geheimmittelverkehr
nebst Erläuterung zugegangen. Trotzdem derselbe auch für die
Tierheilkunde von Bedeutung ist, hat er merkwürdigerweise
in der tierärztlichen Fachpresse bisher wenig Beachtung und
fast nirgends eine Besprechung gefunden. Diese Tatsache muß
um so auffallender erscheinen, als der Entwurf voraussichtlich
bei der nächsten Tagung den Reichstag beschäftigen dürfte;
dem letzteren kann es doch nur erwünscht sein, die Stimmungen
aus Fachkreisen zu vernehmen.
Mit Rücksicht auf das bereits in Baden bestehende Kur¬
pfuschergesetz vom 20. August 1904, das übrigens nach § 15
des Reichsentwurfs mit dem Inkrafttreten des letzteren auf¬
gehoben wird, sei es mir gestattet, die reichsgesetzlichen Be¬
stimmungen au dieser Stelle einer Betrachtung zu unterziehen,
soweit Fragen der Tiermedizin in Betracht kommen. Der
Wortlaut des Entwurfs wurde bereits in Nr. 8 der B. T. W.
laufenden Jahres veröffentlicht und soll darauf verwiesen werden.
Der Entwurf will also dem Kurpfuschertum auf reichs¬
gesetzlichem Wege entgegentreten, ein Weg, der als der einzig
richtige zu bezeichnen ist. Er bekämpft, wie auch schon aus
seinem Wortlaut hervorgeht, in seinen §§ 1—4 die Auswüchse
des Kurpfuschertums und in seinem § 5 und weiter diejenigen
des Geheimmittelwesens.
Zunächst unterwirft er in § 1 die nichtapprobierten Personen,
welche sich gewerbsmäßig mit der Behandlung von Krankheiten,
Leiden oder Körperschäden an Menschen oder Tieren befassen
der Verpflichtung, den Beginn des Betriebes wie seine Aufgabe
oder Einstellung der Ortspolizeibehörde anzumelden.
Nach § 2 sind sie weiterhin verpflichtet, der Behörde auf
deren Erfordern über gewisse, mit ihrer Tätigkeit zusammen¬
hängende Umstände Auskunft zu erteilen und Geschäftsbücher
zu führen. Über den Inhalt und Art der Führung der letzteren
hat der Bundesrat Bestimmungen zu treffen. Die Bücher selbst
sind der Polizeibehörde auf Verlangen vorzulegen. Die Dauer
ihrer Aufbewahrung bestimmt der Bundesrat. Ihre unrichtige
Führung, Verheimlichung oder Vernichtung wird nach § 13
unter Strafe gestellt.
Nach § 3 ist ein Verbot der Fernbehandlung auch an
Tieren vorgesehen. Weiter kann durch bundesrätlichen Beschluß
an Tieren die Behandlung unter Anwendung von allgemeinen
Betäubungsmitteln, diejenige mittelst Hypnose und mittelst
mystischer Verfahren untersagt werden. Ferner kann die
Polizeibehörde die Weiterbehandlung eines an einer anzeige¬
pflichtigen Seuche erkrankten Tieres untersagen.
Nach § 4 endlich ist der Gewerbebetrieb zu untersagen,
wenn Tatsachen vorliegen, welche die Annahme begründen, daß
durch die Ausübung des Gewerbes das Leben der behandelnden
Menschen oder Tiere gefährdet oder deren Gesundheit geschädigt
wird oder daß Kunden schwindelhaft ausgebeutet werden.
§ 5 behandelt das Geheimmittel wesen, während die §§ 6—13
die Strafvorschriften über die öffentlichen Ankündigungen oder
Anpreisungen zur Fernbehandlung, ferner über diejenigen von
Geheimmitteln usw. enthalten. Über alle diese Punkte erfahren
wir nach der Begründung folgendes:
Der Entwurf geht davon aus, daß die Bestimmungen der bereits
erlassenen vielfachen Verordnungen, wenn sie auch wegen ihrer Ver¬
schiedenartigkeit in Form in Inhalt dem GeheimraittelUnwesen nicht
genügend entgegenwirken konnten, doch viele beachtenswerte Vor¬
schriften enthalten und damit Fingerzeige geben, in welcher
Richtung die Lösung der Aufgabe gesucht werden kann. Im An¬
schluß an bereits bestehende Vorschriften begreift der Entwurf
nicht nur arzneiliche Mittel in seinen Geltungsbereich, sondern auch
Gegenstände und Verfahren, die zur Linderung oder Heilung von
Krankheiten, Leiden oder Körperschäden dienen sollen, er bezieht
sich ferner auch auf solche Mittel und Gegenstände usw., die zur
Verhütung von Krankheiten, Leiden und Körperschäden bestimmt
sind und befaßt sich nicht nur mit menschlichen, sondern auch mit
tierischen Krankheiten usw. Seine Bestimmungen richten sich ein¬
mal gegen den Verkehr mit den fraglichen Mitteln, Gegenständen
usw. und sodann gegen die mit ihnen betriebene Reklame, gegen
das Öffentliche Ankündigen und Anpreisen.
In ersterer Beziehung soll der Verkehr mit einzelnen Gegen¬
ständen oder Mitteln der gedachten Art beschränkt oder ganz
untersagt werden können, wenn von deren Anwendung eine
Schädigung der Gesundheit zu befürchten ist, oder wenn sie in
einer auf Täuschung oder Ausbeutung der Abnehmer abzielenden
Weise vertrieben werden (§ 5). Ob und inwieweit für die einzelnen
Mittel usw. diese Voraussetzungen gegeben sind, soll, wie es bisher
bei den sogenannten Geheimmittellisten der Fall gewesen ist, der
Bundesrat bestimmen, der aber vor seiner Entschließung eine bei
dem kaiserlichen Gesundbeitsamte zu bildende, aus Sachverständigen
und aus Beamten bestehende Kommission gutachtlich zu hören hat.
In dieser kann eine angehende technische Erörterung über die An¬
gemessenheit des Verbots erfolgen, und es soll dabei den Beteiligten
Gelegenheit gegeben werden, ihre Einwendungen geltend zu machen.
Die nähere Einrichtung der Kommission sowie das Verfahren vor
derselben wird zweckmäßig dem Bundesrate zuzuweisen sein.
Ob bei den betreffenden Gegenständen der Verkehr ganz zu
untersagen oder zu besc. ränken ist, und worin diese Beschränkungen
bestehen sollen (Verkauf nur mit gewissen warnenden Aufschriften
usw.), bleibt dem Ermessen des Bundesrats überlassen. Ferner soll
die Einfuhr derjenigen Gegenstände und Mittel verboten sein, deren
Verkehr der Bundesrat untersagt hat. Das den Anordnungen des
Bundesrats zuwiderlaufende Feilhalten und Verkaufen der Gegen¬
stände usw. ist ebenso wie deren verbotswidrige Einfuhr unter
Strafe gestellt (§ 10). Dem Ankündigungsverbot unterliegen Gegen¬
stände, Mittel und Verfahren der in Rede stehenden Art, sofern
ihre Bestandteile oder die Art ihrer Zusammensetzung geheim¬
gehalten oder verschleiert werden. Ferner sind unter Strafe gestellt,
bestimmte Ankündigungen auf geschlechtlichem Gebiete, das Er¬
bieten zur Fernbehandlung, unwahre Angaben, die geeignet sind,
Täuschungen, insbesondere über Wert und Erfolg der Mittel usw.
hervorzurufen, schließlich die Ankündigung der vom Bundesrate
dem Verkehr entzogenen oder Verkehrsbeschränkungen unterworfenen
Mittel.
Die Beschlüsse des Bundesrats sind öffentlich bekannt zu
machen und werden in ihrer Zusammensetzung ein den jetzigen
Geheimmittel listen ähnliches Verzeichnis bilden, das mit Rücksicht
auf die Vorschrift im § 10 für Gewerbetreibende, für Zeitungs¬
redakteure usw. von erheblichem Interesse ist.
Zu den anderen „Beteiligten“ des Absatzes 5 gehören diejenigen,
die, ohne Verfertiger zu sein, die Mittel oder Gegenstände vertreiben
oder den Verkehr, besonders bei im Auslande hergestellten Mitteln
usw., im Inlande vermitteln.
Daß für diejenigen Gegenstände und Mittel, deren Vertrieb der
Bundesrat im Inlande verboten hat, auch die Einfuhr vom Auslande
gesetzlich verboten wird, ist dringend wünschenswert. In diesem
Falle können bereits die Zoll- und Steuerbehörden zur Fernhaltung
der verbotenen Waren beitragen.
Die Strafvorschrift des § 6 wendet sich gegen alle diejenigen,
welche in öffentlicheu Ankündigungen oder Anpreisungen bestimmter
Art wissentlich unwahre Angaben machen, die geeignet sind, gewisse
No. 42.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
7.~>8
Täuschungen lurvorzunifen. Das Aufstellen solcher wissentlich
falschen Behauptungen grenzt an Betrug. Die jinwahren Tatsachen
brauchen keine Täuschungen tatsächlich hervorgerufen zu haben,
es genügt die Feststellung, daß sie solche hervorbringen können.
Die Täuschungen können sich beziehen auf die Person des Ver¬
fertigers, oder was für die angekündigten Verfahren besonders in
Betracht kommt, auf die Person des Urhebers, ferner auf den Wert
oder den Erfolg der Mittel usw., sodann aber auch auf die die Ver¬
öffentlichung veranlassende Person beziehungsweise deren Erfolge.
Durch diese Ausdruckweise soll der Strafvorschrift eine möglichst
weite Wirkung beigelegt werden. Es soll die in neuerer Zeit viel¬
fach in Aufnahme gekommene Art der Reklame getroffen werden,
wonach in Zeitungen, Volkskalendern, illustrierten Blättern usw.
Schreiben zum Abdrucke gelangen, in denen bestimmt bezeichnete
Personen den Erfindern oder Herstellern von Heilmitteln, Gegen¬
ständen usw. den durch den Gebrauch derselben erzielten glänzen¬
den Erfolg mit Dankesworten bestätigen, während die Schreiben
jeder tatsächlichen Grundlage entbehren und meist von den Her¬
stellern der betreffenden Mittel selbst oder in ihrem Aufträge von
unzuverlässigen Personen gefertigt und größtenteils mit erdichteten
Namen, besonders solcher Personen versehen sind, die durch ihre
Stellung oder ihr Amt in den Volkskreisen für glaubwürdig gelten*
In diesen Fällen ist die Veröffentlichung auf die Geheimmittel¬
fabrikanten zurückzuführen, von ihnen veranlaßt, und es scheint
geboten, sie dafür zur Verantwortung zu ziehen, zumal die Er¬
fahrung gelehrt hat, daß gerade solche Täuschungen eine erhebliche
Irreführung weiter Kreise des Publikums verursachen.
Täuschungen über den Wert können vorliegen, wenn zum Bei¬
spiel der Preis in keinem Verhältnisse zu den Herstellungskosten
steht, oder wonn dieser absichtlich nicht angegeben wird.
Der Unterschied zwischen Ankündigen und Anpreisen ist ein
gradweiser. Wann das Ankündigen in ein Anpreisen (maikt-
schreieri8che Empfehlung) übergeht, kann nur nach den Verhältnissen
des Einzelfalles entschieden worden.
So weit die Bestimmungen des Entwurfs, von denen uns
nameutlich diejenigen über das Kurpfuschertum am meisten
interessieren dürften.
Der reichsgesetzliche Entwurf sieht also, wie das badische
Gesetz, die Anzeigepflicht der niclitapprobierten Personen vor.
Während aber in Baden diese Anzeige bei dem beamteten Arzt
bzw. Tierarzt gemacht werden muß, ist sie dort bei der Orts¬
polizeibehörde zu erstatten. Jedenfalls dient diese Bestimmung
in erster Linie dazu, der Behörde einen Überblick über die Zahl
und Art der nichtapprobierten Personen, über ihre Vorbildung usw.
Kenntnis zu verschaffen. Eine abschreckende Wirkung wird
nicht erreicht, sondern wohl gerade das Gegenteil. Der Kur¬
pfuscher wird sich in Zukunft, wie bereits vorgekommen, das
Epitheton ornahs „polizeilich angemeldeter Tierheilkundiger“ bei¬
fügen, eine Bezeichnung, die seine Tätigkeit jedenfalls nicht
beeinträchtigen dürfte.
Dagegen ist in der Verpflichtung der Geschäftsbücherführung
meines Erachtens ein gewiser Fortschritt zu erblicken, eine
Bestimmung übrigens, die auch der badische Entwurf seinerzeit
enthielt, von den Kammern aber aus mir unbekannten Gründen
abgelehnt wurde. Durch diese Geschäftsbücher ist immerhin eine
gewisse Kontrolle der Tätigkeit der Kurpfuscher möglich. Diese
Kontrolle kommt ganz besonders der Fleisch- und Milchhygiene
zugute.
Bereits im Jahre 1822 hat Schreiber dieser Zeilen in
Ostertags „Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene“ die
schädliche Wirksamkeit des Kurpfuschertums auf dem Gebiet des
Fleischverkehrs dargelegt. Ich hatte damals auseinandergesetzt,
daß sich das gemeingefährliche Treiben dieser Leute auf diesem
Gebiete äußern kann:
1. Durch Behandeln erkrankter Tiere mit Arzneien, die ge-
geeignet sind, dem Fleisch eine verdorbene Beschaffenheit
zu verleihen,
2. durch verzögerte oder gar verspätete Schlachtung,
3. durch Mißgriff bei Seuchenkrankheiten und
4. durch Begünstigung des Schmuggels mit erkranktem
Schlachtvieh.
In ähnlicher Weise habe ich in Nr. 40 der B. T. W. 1905
auf die schädliche Tätigkeit der Quacksalber auf dem Gebiete
der Milchhygiene hingewiesen und Vorschläge znr Bekämpfung
gemacht. In dieser Arbeit hatte ich auch bereits den Zwang
der Geschäftsbuchführung für die Kurpfuscher als ein Bekämpfungs¬
mittel empfohlen. Diese Forderung wird hoffentlich Gesetzes¬
kraft erlangen. Durch diese Tagebücher dürfte es immerhin
möglich werden, einen Einblick über die Art der Behandlung,
Dauer derselben usw. zu gewinnen, wodurch den mit der Über¬
wachung des Fleisch- und Milchverkehrs betrauten Tierärzten
mancher wertvolle Fingerzeig gegeben wird. Dieser Zweck
wird umsomehr erreicht werden als, wie erwähnt, die unrichtige
Führung der Tagebücher, ihre Verheimlichung usw. mit Strafe
bedroht wird. Es muß allerdings als eine Lücke im Entwurf
betrachtet werden, daß diese Geschäftsbücher nur auf Verlangen
der Polizeibehörde vorzulegen sind. Aus dem eben erwähnten
Grunde muß die Forderung aufgestellt werden, daß jedem Tier-
arzt ein Einblick in diese Tagebücher zu jeder Zeit möglich
gemacht werden kann; bandelt es sich hier doch in erster Linie
um das Leben und die Gesundheit unserer Mitmenschen.
Die nach § 3 des Entwurfs verbotene Fernbehandlung spielt
in der Tierheilkunde allerdings keine so hervorragende RoUe,
wie in der Humanmedizin. Immerhin ist das Verbot derselben
mit Freuden zu begrüßen. Auch die Behandlung unter An¬
wendung allgemein wirkender Narkotika, wie ferner diejenige
mittelst Hypnose und mittelst mystischer Verfahren (sogenannter
Sympathiekuren) nimmt ebenfalls keinen so breiten Raum ein,
wie in der Menschenheilkunde. Es muß allerdings als auf¬
fallend betrachtet werden, daß diese Behandlungsmethoden beim
Menschen unter ein Verbot fallen sollen, während bei Tieren
erst ein Bundesratsbeschluß herbeizuführen ist. Nach meinem
Erachten wäre hier ein allgemeines Verbot, gleichviel ob bei
Menschen- oder Tierkrankheiten, am Platze.
Im übrigen sieht dieser § 3 noch ein bundesrätliches Ver¬
bot weiterer Kurverfahren bei Menschen und Tieren vor; sie
sind im Entwurf allerdings nicht genannt.
Ein anderes Novum weist der Schlußsatz des § 3 auf,
wonach die Behandlung eines an einer anzeigepflichtigen Seuche
erkrankten Tieres dem Kurpfuscher von seiten der Polizeibehörde
untersagt werden kann. Es handelt sich hier um eine Neuerung,
die von mir bei den Vorschlägen zur Bekämpfung des Kur¬
pfuschertums (siehe oben) bereits vorgeschlagen wurde.
Wer da weiß, wie leicht Seucliekrankheiten (es sei nur an
die Maul- und Klauenseuche erinnert) schon in fahrlässiger
Weise verschleppt werden können, kann diese Maßnahmen in
dem Entwurf nur mit Freuden begrüßen. Im Interesse einer
energischen Seuchenbekämpfung muß aber verlangt werden, daß
das Behandlungsverbot nicht dem Ermessen der Polizeibehörde
überlassen, sondern daß ein für allemal ein reichsgesetzliches
Verbot eingeführt wird. Dasselbe hätte einfach dahin zu lauten,
daß w-ährend einer Seuchendauer jeder nichtapprobierten Person
die Behandlung seuchenkranker oder verdächtiger Tiere unter-
15. Oktober 1908._ B ERLINER TIERARZT!
sagt ist. Ist doch in einem Seuchenstall jedes daselbst befind¬
liche Tier mindestens als verdächtig anzusehen. „Die Durch¬
führung dieses Verbots“, so hübe ich damals schon ausgeführt,
„dürfte umsoweniger auf Schwierigkeiten stoßen, als das Reiclis-
viehseuchengesetz vom bereits einen ähnlichen
1. Mai 1894
Fall kennt. So gestattet § 32 dieses Gesetzes ein blutiges Ein¬
greifen bei Milzbrandkrankheiten oder verdächtigen Tieren nur
den approbierten Tierärzten. Zuwiderhandlungen werden nach
§ 65 bestraft.“
Auch der § 4 des Entwurfs, wonach der Gewerbebetrieb
den Kurpfuschern unter gewissen Umständen untersagt werden
kann, ist als ein Fortschritt zu bezeichnen. Wenn auch im
allgemeinen namentlich der bäuerliche Tierbesitzer bei Schaden¬
fällen durch Quacksalber aus gewissen Gründen ziemlich zurück¬
haltend ist, so bietet dieser Paragraph doch eine nicht zu
unterschätzende Handhabe gegenüber dem Kurpfuscher. Zu
wünschen wäre allerdings, daß dem letzteren in derartigen
Fällen sein unsauberes Handwerk ein für allemal und nicht Für
eine gewisse Zeit gelegt werde.
§ 5 läßt sich, wie bereits erwähnt, über den Vertrieb von
Geheimmitteln aus. Da die letzteren in der Tiermedizin keine
so große Rolle spielen, wie in der Humanmedizin, so kann an
dieser Stelle von einer weiteren Besprechung um so mehr
Umgang genommen werden, als sich die obijje Begründung des
Entwurfs bereits eingehend damit beschäftigt hat. Erwähnens¬
wert ist nur, daß dieser Paragraph die Bildung einer Kommission
bei dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vorsieht. Dieselbe besteht
aus Juristen (Richtern oder höheren Verwaltungsbeamten), aus
medizinischen, tierärztlichen und pharmazeutischen Sachver¬
ständigen nebst Stellvertretern. Sie werden vom Reichskanzler
auf die Dauer von fünf Jahren gewählt und haben die Aufgabe,
bei dem Bundesrat zur Überwachung des Geheimmittelverkehrs
mitzuwirken. Vor der Beschlußfassung des Bundesrats hat die
Kommission sich gutachtlich darüber zu äußern, ob eine Be¬
schränkung oder Untersagung des Verkehrs geboten sei. Sie
beschließt in der Zusammensetzung von fünf Mitgliedern, unter
denen mindestens drei Sachverständige sein müssen. Sie hat
dem Verfertiger oder anderen Beteiligten, so weit dies ausführbar
ist, zur Wahrung ihrer Interessen Gelegenheit zu geben.
Die Einrichtung der Kommission und das Verfahren vor
derselben w'ird im übrigen durch den Bundesrat geregelt.
Die Strafvorschriften der §§ 6 — 13 erübrigen sich von selbst.
§ 14 bezeichnet die Polizeibehörden in den einzelnen Bundes¬
staaten durch den Bundesrat. § 15 endlich hebt die bisherigen
landesherrlichen Vorschriften über das Kurpfuscherei- und Ge¬
heimmittelverbot an Stelle des Reichsgesetzes auf.
Wenn wir am Schlüsse den Entwurf im ganzen betrachten,
so kann nicht behauptet werden, daß derselbe gegen das Kur¬
pfuschertum radikal vorgeht. Von einem allgemeinen gesetz¬
lichen Verbot ist daselbst keine Rede. Gerade über das letzte
spricht sich die Begründung wie folgt aus:
Ein allgemeines gesetzliches Verbot würde höchstens dahin
führen, die Ausübung der Kurpfuscherei der Öffentlichkeit noch
mehr zu entziehen und sie in verborgene Winkel hineinzutreiben,
wo sie dann, weil unbeaufsichtigt, um so üppiger gedeihen und um
so größere Schädigungen hervorrufen würde. Gerade die heimliche
Ausübung umgibt allzu leicht die Kurpfuscherei mit einem Nimbus,
der ihr Ansehen in den Augen der Menge hebt und ihren Gcschiifts-
kreis erweitert. Ein allgemeines Kurpfuschereiverbot würde daher
JC HE_ WOCH ENStllRIFT._759
nicht nur in weiten Kreisen auf Widerstand stoßen, sondern auch
in der Praxis sich nur mit großen Schwierigkeiten durchführen
lassen. Zudem würde es zu Ergebnissen führen, die nicht erwünscht
und nicht nötig sind, denn es müßten folgeweise alle von der Schul¬
medizin zunächst nicht anerkannten Heilmethoden dem Verbot
unterstellt werden. Es läßt sich aber nicht leugnen, daß, wie auf
anderen Gebieten, so auch auf dem der Medizin von Nichtfach¬
männern mancherlei Heilmethoden empfohlen und zur Anwendung
gebracht sind, die später auch in der wissenschaftlichen Medizin
Eingang und Verbreitung gefunden haben. Alle solche Versuche
oder Bestrebungen für die Zukunft zu unterbinden, dazu dürfte ein
zwingender Grund nicht vorliegen.
Diese Ausführungen beziehen sich freilich in erster Linie
auf das Quacksalbertum auf humanmedizinischem Gebiete. Von
einem allgemeinen Verbot des Kurpfuschertums auf dem Gebiete
der Tiermedizin, kann, so wünschenswert es auch wäre, noch
viel weniger die Rede sein. Dieses Verbot käme einem Eingriff
in das persönliche Verfügungsrecht des Eigentümers über sein
erkranktes Tier gleich. Der Besitzer hat auch die Folgen seiner
Handlungsweise zu tragen.
Alles in allem betrachtet, muß aber doch zugegeben werden,
daß der Entwurf mehrere Maßnahmen enthält, die gegen die
I bisher noch vielfach herrschende Rechtlosigkeit und Unsicherheit
als wesentliche Fortschritte anzusehen sind. Vielleicht läßt sich
später auf Grund des Vorhandenen noch weiter bauen.
Im übrigen dürfte es sich im Hinblick auf die beginnende
Reichstagsession empfehlen, daß von seiten der einzelnen tier¬
ärztlichen Vereinigungen oder noch besser von dem deutschen
Veterinärrat, als der amtlichen Vertretung der deutschen Tier¬
ärzte, Stellung zu dem Entwurf genommen wird.
Mag der letztere aus der Hand des Gesetzgebers hervor¬
gehen wie er wolle, die Hauptwaffen im Kampfe gegen das
tierärztliche Kurpfuschertum bleiben nach wie vor: Aufklärung
der Bevölkerung in Wort und Schrift, verständnisvoller Umgang
mit ihr und Erkennung ihrer wirtschaftlichen Bedürfnisse, Aus¬
dehnung des Viehversicherungswesens, sei es auf staatlichem
oder privatem Wege und last not least: die persönliche Tüchtig¬
keit und das Selbstvertrauen des tierärztlichen Praktikers.
„Wenn ihr euch nur selbst vertraut, vertrauen euch die
andern Seelen“.
Dieses Wort unseres Dichterfürsten hat nirgends mehr als
hier seine vollste Berechtigung.
Die 80. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Ärzte in Köln
vom 20.—26. September 1908.
Berichterstatter: Kreistierarzt Francke-Köln.
Die Stürme zweier Jahrzehnte haben das feine Spitzenwerk
der schlanken und doch so mächtigen Domtürme umbraust seit
die 60. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in
Köln tagte. Nun hat die von Rhein- und Weinzauber umwobene,
blühende Colonia Agrippina in diesem Jahre zum zweiten Male
ihre Einladung an die älteste wissenschaftliche Wanderver¬
sammlung ergehen lassen. Und es ist gewiß, neben den aus¬
erlesenen Früchten des Geistes und der Forschung, die die
reiche Tafel der diesjährigen Tagung verhieß, haben auch die
lockenden Vorstellungen, die sich mit einer Fahrt an den Rhein
verbinden, dazu beigetragen, eine so große Zahl von Gästen
nach der Rheinstadt zu ziehen. Weit über 3000 Naturforscher
und Ärzte sah Köln in seinen Mauern und die blauen Herbst¬
tage in der reichen gastlichen Stadt, die empfängt wie eine
760
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 42.
stolze Fürstin und scherzt wie ein fröhliches Kind, werden gewiß
allen Teilnehmern noch lange in der Erinnerung haften.
Es dürfte auch wohl nicht viele deutsche Städte geben, die
vermöge ihrer Lage und Geschichte und des gewaltigen modernen
Lebens, das ihre Adern durchpulst, so geeignet sind, die fremden
Besucher anzuzielien und festzulialten, als die einstige Römer¬
feste am Rhein — Koellen eyn Kroine boven allen steden schoine.
Der Rheinische Tierärztetag.
Den Auftakt zu den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen
Veranstaltungen der 80. Naturforscherversammlung bildete für
die tierärztlichen Teilnehmer der Rheinische Tierärztetag.
Einer Anregung des tierärztlichen Vereins für Rheinpreußen
folgend vereinigten sich am Sonntag, den 20. September, die tier¬
ärztlichen Körperschaften der Rheinprovinz im großen Saale des
Restaurants des Zoologischen Gartens zu gemeinsamer Sitzung,
um den zur Naturforscherversammlung gekommenen Kollegen
ein Willkommen zu bieten. Die überaus stattliche Teilnehmer¬
schar die den Saal besetzt hielt und unter der sich Tierärzte
aus allen Teilen des Reiches befanden, zeigte, daß der Gedanke
einer gemeinsamen Tagung der tierärztlichen Berufsgruppen all¬
gemeinen Beifall gefunden hatte. Nach Eröffnung der Sitzung
durch denVorsitzenden desVereins rheinpreußischer Tierärzte,Vet.-
Rat Dr. Lothes-Köln, und nach einigen herzlichen Begrüßungs¬
worten durch den Alterspräsidenten Schlachthofdirektor Brebeck-
Bonn, hörte die Versammlung zwei Vorträge von Dr. Bettendorf-
Ürdingen und Schlachthofdirektor Stier-Wesel. Ersterer sprach
über städtische Milchkontrolle, letzterer über die Herstellung
einwandfreier Kindermilch. Die Ausführungen des Redners über
diese augenblicklich im Brennpunkt des tierärztlichen Interesses
stehenden Fragen ernteten allgemeinen Beifall und entfesselten
eine lebhafte Aussprache. Die Versammlung nahm schließlich
die folgenden Leitsätze an, deren Wiedergabe bei der großen
Bedeutung der Sache für den tierärztlichen Stand auch an dieser
Stelle nicht unterlassen werden soll.
1. Die Einführung einer allgemeinen staatlichen Milch¬
kontrolle ist ein dringendes sanitäres Bedürfnis und daher mit
allen Mitteln zu erstreben. So lange eine solche noch nicht zur
Einführung gelangt ist, bleibt es eine der vornehmsten Aufgaben
der Gemeinden, in ihrem Bereiche eine sachgemäße Milch¬
kontrolle einzuführen. Mit dieser Überwachung der Milch¬
gewinnung und des Milchverkehrs sind in erster Linie Tierärzte
zu betrauen.
2. Der heute anläßlich der 80. Versammlung deutscher
Naturforscher und Ärzte in Köln zusammengetretene Rheinische
Tierärztetag hält daran fest, daß — abgesehen von anderen
hygienischen und sozialen Maßnahmen — das beste Mittel zur
Verringerung der Säuglingssterblichkeit die Errichtung von
tierärztlich geleiteten Kindermilchanstalten ist, die aus Zweck¬
mäßigkeitsgründen in Schlachthofgemeinden am besten den
städtischen Schlachthöfen anzuschließen sind.
Damit war die Tagesordnung erschöpft. Der Rest des
Tages gehörte der heiteren Geselligkeit. Zunächst vereinigte
die Teilnehmer mit ihren Damen ein fröhliches Mittagsmahl an
festlich geschmückter Tafel. Dem begeistert aufgenommenen
Kaiserhoch folgte noch mancher Trinkspruch ernsten oder scherz¬
haften Inhalts und damit dem Mahl die höhere Weihe nicht
fehle, fand sich auch Frau Musika ein. Zwei Kinder eines
Kollegen erfreuten die Tischgesellschaft durch virtuos vor¬
getragene Musikstücke unserer besten Meister.
Der schöne Herbstnachmittag lockte nach beendigter Tafel
in den prächtigen Garten hinaus. Man lustwandelte bei deu
Klängen des sonntäglichen Nachmittagskonzerts oder vereinigte
sich in zwanglosen Gruppen bei dem duftenden braunen Tranke,
der einem Festessen erst den rechten Abschluß gibt. Schnell
enteilten die Stunden. Der Abend versammelte die Gesellschaft,
Damen und Herren, wieder im Restaurationssaale zu einem
solennen Kommers, bei dem der rheinische Humor schillernde
Blüten trieb. Die alten, ewig jungen Burschenlieder, Gesangs¬
und andere Vorträge, zum Schluß ein Opfer auf dem Altar
Terpsichores — so klang der Bchöne Tag harmonisch und
heiter aus. (Fortsetzung folgt in nächster Nummer.)
Berichtigung.
In dem Protokoll über die letzte Versammlung des tierärztlichen
Provinzialvereins zu Posen, B. T. W. Nr. 35, S. 623, heißt es in der
Diskussion über meinen Vortrag „Die Trichinenkrankheit der
Schweine und ihre Bekämpfung durch Vergiftung der Ratten mittelst
Rätin 4 : „Dr. Mi eß ne r-Bromberg warnt vor dem Ausstreuen der
Ratinkulturen.“ Das Wort „Ausstreuen“ ist sinngemäß den Aus¬
führungen des Herrn Dr. Mießnor synonym „Verstreuen“, „plan¬
losem Ausstreuen“ gemeint, nicht als Auslegen überhaupt.
Herr Dr. Mießner ist von der Vorzüglichkeit der Wirkung
des echten Ratin durchaus überzeugt und möchte nur vor seiner
planlosen Anwendung und der Verwendung der vielfach im Handel
befindlichen Imitationen warnen.
Posen, 7. Oktober 1908. Dr. Bartels-Posen.
Maul- und Klauenseuche.
Der Ausbrach der Maul- und Klauenseuche ist gemeldet aus
dem Kreise Forchheim (Oberfranken). — Auf dem Schlachtviehhofe
zu München ist die Seuche erloschen.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen den Stabsveterinären a. D.
Tobofewski und Lübke (Bez.-Kdo. Königsberg i. Pr.) der Charakter
„Oberstabsveterinär“.
Für verdienstvolle Bestrebungen gelegentlich des diesjährigen
Landwirtschaftsfestes in München Kgl. Kreistierarzt Heichlinger in
Landshut, die Kgl. Bezirkstierärzte Abele in Regen, Ehrenkarl in
Ingolstadt, Kogel in Rehan und Dr. Mitteldorf in Donauwörth, sowie
Dr. Dimpfl, Vorstand der Hufbeschlagschule und städt Sanitäts¬
tierarzt in Nürnberg die große silberne Denkmünze des landwirt¬
schaftlichen Vereins in Bayern, Distriktstierarzt Ponader I, Vorstand
des landwirtschaftlichen Bezirksausschusses in Prien die kleine
silberne Vereinsdenkmünze.
Ernennungen: Tierarzt W. Äormann-Nienburg a. Weser zum
Schlachthofdirektor daselbst — Versetzt: Kreistierarzt Dr. Sehmidt-
Ziegenhain in die Kreistierarztstelle zu Stuhm.
Verzogen: Tierarzt Bayer aus München als Assistent beim
Kgl. Bezirkstierarzt Ehrle nach Oberdorf. — Professor Dr. Georg
Schneidemühl- Kiel ist nicht nach Elbing verzogen, wie in Nr. 30
der „B. T. W.“ irrtümlich mitgeteilt, sondern behält seinen einst¬
weiligen Wohnsitz in Berlin.
Todesfälle: Kgl. Bezirkstierarzt L. Eder in Erding, Tierarzt Paul
Schnibbe-Rakwitz (Posen).
Vakanzen.
(Vgl. Nr. 40.)
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz in Berlin. —
Druck von W. BOxenstein, Berlin.
Die „Berliner Tlerirstlicbe Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Scboeta in
Berlin SW. 48, Wilbelmatr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5.— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, IS Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert, (österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 514. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Originalbeltrüge werden mit 60 Hk., in Petltsatx mit
60 Mk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen, und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW , Luisenstrafie 66. Korrekturen.
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Med.-Rat Dr. Roeder
Professor in Dresden.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz -Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departements-'!', in Cöln.
Dr. Schlegel
Professor in Freiburg.
Professor Dr. Peter
8taatstierarzt für Hamburg.
Dr. J. Schmidt
Profenor iu Dresden.
Veterinärrat Peters
Departements T. in Bromberg.
Ober-Reg.-Rat Dr. Vogel
Landestierarzt in München.
Veterinärrat Preuße
Departoments-T. in Danzig.
Wehrte
Kais. Rcgierungsrat in Berlin.
Dr. Richter
Professor iu Dresden.
ZOndel
Kreistierarzt in Mülhausen 1. E.
Helfer
Schlachth.-Dlrektor in Mülhausen 1. E.
Dr. H. Sieber
am Tropeninstitut in Hamburg.
Dr. Stödter
Stadt-^Tierarzt in Hamburg.
Dr. Trapp
am Kaiser Wilbelm-lDStitut in Bromberg.
Dr. Zimmermann
Dozent ln Budapest
Jahrgang 1908.
43 . Ausgegeben am 22. Oktober.
Inhalt: Freund: Ein neuer Operationstisch für große Haustiere nach Prof. Dexler. — Referate: Demora und Adriansen:
Eigenartige Fälle von Zwerchfellkrampf. — Jakob: Tympanitis und chronische lymphatische Leukämie beim Elefanten. —
Hölscher: Hyperämie des Gehirns und der Hirnhäute. — Hölscher: Septikämie. — Aus der medizinischen Literatur. —
Tag e«ge«ch lohte: Krueger: Die Pauschalierung der Reisekosten- und Tagegelder. — Francke: Die 80. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln. (Fortsetzung.) — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Aus dem K. K. Tierärztlichen Institut der deutschen Universität
in Prag.
Ein neuer Operationstisch für große Haustiere
nach Prof. Dexler.
Von Dr. L. Freund,
Assistenten des Instituts.
(Mit 9 Figuren im Text.)
Die Vorzüge eines Operationstisches für große Haustiere
in mannigfacher Beziehung sind von berufener Seite schon
häufig erörtert worden. Trotzdem scheinen diese nicht jene
Beachtung gefunden zu haben, die sie verdienen und die ihnen
die modernen Anschauungen in der Chirurgie unbedingt sichern.
Es scheinen in dieser Beziehung die Franzosen und Amerikaner
eine bessere Einsicht gewonnen zu haben, was aus dem Umstande
hervorgeht, daß von diesen die meisten bekannten Konstruktionen
von Operationstischen herrühren.
. Abgesehen von den weiter unten noch zu erörternden sach¬
lichen Vorteilen, waren es äußere Momente, welche in unserem
Institut zur Konstruktion und Aufstellung eines Operationstisches,
zugleich des ersten und einzigen in Österreich, führten. Unser
Institut verfügt nicht über jene Anzahl von Personen, die zur
üblichen Fesselung (Werfen) bei Operationen an großen Haus¬
tieren notwendig ist. Sollten daher Operationen aus chirurgischen
oder experimentell-physiologischen Gründen an großen Tieren
vorgenommen werden, so war die Erwerbung eines Operations¬
tisches unerläßlich. Freilich lag es nahe, irgendeine der bereits
bekannten Konstruktionen einfach zu übernehmen, was uns aber
aus dem Grunde untunlich erschien, da deren Qualitäten unseren
Anforderungen in keinem Falle vollkommen Rechnung trugen.
Dies führt uns auf die Besprechung derjenigen sachlichen
Eigenschaften, die ein guter Operationstisch besitzen muß.
Freilich sind trotz der Existenz und der Verwendung zahlreicher
Operationstische leider nur wenige Erfahrungen mit diesen
Instrumenten in der Fachliteratur niedergelegt. Am ausführ¬
lichsten äußert sich noch Williams in der Am. Vet. Rev. 1906,
dessen Anschauungen wir uns zum großen Teile anschließen
können. (S. auch Girard.) In jüngster Zeit endlich hat
Hoffmann Gelegenheit genommen, sich ebenso prägnant wie
treffend über den vorliegenden Gegenstand zu äußern. Auch
seinen Ausführungen müssen wir zum größten Teil beipflichten.
Es muß hervorgehoben werden, daß zu den wichtigsten
Anforderungen eines guten Operationstisches folgende
gehören: 1. Sicherheit für den Operateur, 2. Sicherheit des
Patienten gegen mechanische Beschädigungen, 3. günstige
Lagerung des Operationsfeldes, 4. Zugänglichkeit und Sicherheit
des Patienten bei allgemeiner oder lokaler Anästhesie, 5. höchste
A- oder wenigstens Antisepsis, 6. Bequemlichkeit des Operateurs
und Patienten, 7. Schnelligkeit in der Ausführung der Operation.
Vergleichen wir, inwieweit der Operationstisch der sonst üblichen
Methode des Werfens in den eben angeführten Pnnkten über¬
legen ist, so müssen wir folgendes sagen: Die Sicherheit des
Operateurs ist durch den Tisch viel mehr gewährleistet, weil
die Fesselung des zu operierenden Tieres einfacher, bequemer
und viel sicherer möglich ist. Auch die Sicherheit des Patienten
ist eine bedeutend größere. Verhindert schon das Anstellen
und Anschnallen des Tieres an die Platte exzessive Bewegungen
des Rumpfes, so bieten das spätere Festschnallen der Extremi¬
täten, das Ausspannen derselben gegen den Rumpf, das Fest¬
schnallen des Kopfes und Halses solche Sicherheiten gegen
Biegungen und Brüche der Wirbelsänle und Extremitäten, wie
keine andere Methode der Fesselung. Geringfügigere Ver¬
letzungen, die auch hier Vorkommen können, lassen sieh sicherlich
durch entsprechende Aufmerksamkeit und Vorsorge verhindern.
Auch die Zugänglichkeit des betreffenden Operationsfeldes ist
beim Operationstisch vielfach eine weit bequemere, wobei
natürlich zugegeben sein mag, daß für gewisse Operationen in
dieser Hinsicht die Wurfmethode günstigere Bedingungen liefern
kann. Daß die Narkose bei Lagerung des Kopfes in Tischhöhe
BERLINER TIERÄRZTLICHE W0( 11 EN SCHRIFT.
No. 43.
762
bequemer durchzufiihren und zu kontrollieren ist, daß die In¬
halation auf der Tischplatte einwandfreier erfolgt als auf der
Matratze oder dem Strohhaufen nach dem Werfen, steht wohl
außer Frage. Als wichtigstes Moment sei jedoch hervorgehoben,
daß es nur auf dem Operationstisch möglich ist, den Anforde¬
rungen der modernen A- oder Antisepsis gerecht zu werden.
Denken wir daran, daß ein Operationstisch immer an einen
entsprechend eingerichteten Operationssaal gebunden ist, so
können wir ohne Zweifel mit Hilfe der Asepsis solche Operationen
vornehmen, wie sie beim Werfen unter keinen Umständen wegen
der Anwesenheit der Infektionsmagazine darstellenden Matratzen
oder Strohhaufen möglich sind.
Von diesem Standpunkte aus müßte man eigentlich ver¬
langen, daß an jeder veterinär-chirurgischen Klinik ein Operations¬
tisch vorhanden sei und die Hörer in seiner Verwendung und
Fig. 7.
Operationstisch des N. Y. St. Veterinary College.
Rückansicht.
nicht bloß im Werfen unterwiesen werden sollen, da eine Reihe
von Operationen eben im Hinblick auf die notwendige Asepsis
(z. B. Bauch-, Hirnoperationen beim Pferde), abgesehen von
der nötigen Assistenz und Instrumentarien, nur] am Operationstisch
durchgeführt werden können. Diese Verhältnisse zeigen eine
große Ähnlichkeit mit denen der humanen Chirurgie, we es auch
zahlreiche Operationen der genannten Gruppe gibt, die die
Hörer später niemals in der Praxis werden ausführen können,
darin aber trotzdem eine Unterweisung linden. Denn nur in
dieser „großen“, nach den exaktesten und besten Methoden
durchgeführten Chirurgie werden den Studierenden Wesen und
Tendenz der modernen Anschauungen in dieser Wissenschaft zu
eigen gemacht. Einen Weg, auf dem dies in der Veterinär¬
chirurgie vielleicht erreicht werden kann, hat Prof. Röder-
Dresden betreten, indem er die Tiere zuerst auf die in Fu߬
bodenhöhe versenkte Tischplatte werfen, dann die Platte
hydraulisch heben läßt. Dem ablehnenden Standpunkte, der
gegen die Verwendung von Operationstischen seitens namhafter
Chirurgen aus didaktischen Gründen eingenommen wird, kann
daher nicht beigepflichtet werden. Ausführlicher und viel ent¬
schiedener äußerst sich Hoffmann darüber. Wegen des tier¬
ärztlichen Unterrichtes dürfe man nicht auf technische Fort¬
schritte in den Operationen verzichten. Nicht jener dürfe diese
aufhalten. Zum Unterricht gehört das Vollkommenste in der
Technik.
Zu beachten ist auch schließlich die Bequemlichkeit des
Operationstisches, die vielleicht bei kürzeren Operationen kaum
in Frage kommt, deren Mangel aber bei länger dauernden sich
Fig. 2.
Operationstisch des N. St., Veterinary College. Vorderansicht.
sehr fühlbar machen kann. In dieser Hinsicht wird wohl die
Lagerung des zu operierenden Tieres in Tischhöhe vielfach
willkommen sein. Als letzter Vorzug wäre njjue schon eingangs
erwähnte Eigenschaft zu nennen, unter allen Umständen mit sehr
wenig Personen das Auslangen finden zu können. In der Regel
genügen zwei, höchstens drei Personen zum Befestigen des
Tieres an den Operationstisch, ein Umstand, der es sogar viel
Fig. 3.
Operationstisch nach Daviau.
beschäftigten Praktikern ermöglichen kann, sich diesem Hilfs¬
mittel zuzuwenden. Freilich kann dem ein Moment entgegen
gehalten werden, das ist die Kostspieligkeit eines solchen
Instruments. Doch muß gesagt werden, daß die Anschauungen
diesbezüglich vielfach übertrieben sind. Wenn man auf hydrau¬
lischen (Stuttgarter Tisch, N. Y. Coli. Table) oder elektrischen
Antrieb verzichtet, so verringern sich die Kosten bei Handbetrieb
beträchtlich und es ist sicher, daß sich dem Praktiker bei
halbwegs ausreichender Beschäftigung die Anschaffung infolge
22. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
7 03
der durch die Vorzüge des Operationstisches bedingten besseren
und darum auch besser bezahlten Leistungen wohl rentieren dürfte.
Treffend sagt Hoffmann: „Die Rentabilität ist lukrativ für die
Gesamtheit und für den Besitzer.“
Es wirft sich nun die Frage auf, inwieweit die bisher
existierenden Konstruktionen den vorstehenden Anforde¬
rungen gerecht werden. Da sei nun vorausgeschickt, daß wir
mehrere Typen unterscheiden können. Die einfachste Konstruktion
ist z. B. die umwerfbare
Was die Sicherung des Patienten bei den anderen Tafeln
anlangt, so scheinen mir zwei Prinzipe in Anwendung gekommen
zu sein, die diesbezüglich nicht gleichwertig sind.
Bei der einen Type werden die Tiere an die Platte heran¬
geführt, durch Quer- und Längsbandagen angeschnallt und dann
die Platte auf mechanischem Wege gewendet, wobei das Tier
aus dem festen Stande einfach umgelegt wird. Bei der zweiten
Type erfolgt zuerst ein Heben des Tieres aus dem festen Stande
entlang der Platte, worauf
Platte von Kansas-City, Fig 4.
welche eigentlich nichts
anderes darstellt, als eine
bewegliche Operationswand.
Diese mag nicht weiter in
Betracht kommen. Alle
anderen verwenden eine
mehr weniger vollständige
oder zusammengesetzte, der
Hauptsache nach recht¬
eckige Platte, die um eine
horizontale Achse beweglich
ist.*) Die Franzosen bevor¬
zugen ein Rahmenwerk,
welches als unvollständige
Platte aufgefaßt werden
kann (Duclaux’s Tafel).
Etwas weiter entfernt sich
die bekannte Konstruktion (Bascule) von Vinsot.**) Eine Kon¬
struktion für spezielle Zwecke, die hier auch nicht weiter berück¬
sichtigt werden kann, ist derlmpftisch für Rinder aus dem schweize¬
rischen Serum- und Impfinstitut in Bern.***) Alle hier angeführten
Konstruktionen werden den Anforderungen gerecht, die wir bezüg- |
lieh der Asepsis stellen, da sie sich mehr weniger leicht mit des¬
infizierenden Flüssigkeiten behandeln lassen. Was die Sicherheit
des Operateurs und des Pa-
Operationstisch nach Duclaux.
es an der Platte frei hän¬
gend, samt dieser umgelegt
wird. Dieses Prinzip der
Hebung vor dem Umlegen,
das übrigens auch die franzö¬
sischen Konstruktionen über¬
nommen haben, erscheint
uns als das bessere und
sicherere. Auch H o ffm a n n
hat darauf nicht verzichtet,
wenngleich er das Pferd zu¬
erst an die Platte anschnallt,
hierauf diese samt dem
Pferde mittelst der hydrau¬
lischen Stempel hebt. Dann
erst wird die Platte umge¬
legt. Es ist nicht zu ver¬
gessen, daß durch die He¬
bung des Tieres, das Freischweben der Extremitäten dasselbe
in hohem Maße inaktiviert erscheint, so daß zu Beschädigungen
führende Aktionen des Körpers erheblich verringert werden. Ist
schon durch die Hebevorrichtung eine gewisse Fixation des
Rumpfes an die Platte gegeben, so bedarf es natürlich später
noch verschiedener anderer Fixationsvorrichtungen, bezüglich
deren die einzelnen Konstruktionen mehr weniger erheblich
variieren. Die Hauptsache
tienten anlangt, so scheinen
diese Wünsche am wenigsten
am Vinsot sehen Apparate
erfüllt zu sein. Diesen Um¬
stand dürfte auch Girard
nicht vollständig verneinen.
Wenigstens macht der
kastenartige Aufbau aus
Eisenfachwerk nicht den Ein¬
druck, als ob Beschädigun¬
gen des zu operierenden
Tieres schon beim Anstellen
vermieden werden könnten,
wie denn auch Beschädi¬
gungen des Operateurs, der
sich bei der Operation in das Fachwerk hineinstellen muß, nicht
ganz ausgeschlossen scheinen, da schließlich auch der festeste
Gurt, der stärkste eiserne Ring einmal nachgeben kann, ohne
daß der Operateur sich einer Gefährdung schleunigst zu ent¬
ziehen imstande ist.
*) Daviau, Tiffany, Schmidt, Conkey, Williams usw.
**) Mit den Modifikationen von Dollar, Atwood,Zaiewsky usw.
***) Noch eine Reihe anderer Operationstische wird von Hoff-
mann in seinem Atlas abgebildet und in ihren Vor- und Nach¬
teilen erörtert.
Fi 9‘ 5 - ist, daß alle Bandagen die
Teile des Körpers, für die
sie bestimmt sind, dicht und
fest an die Platte heran¬
bringen und sich leicht und
schnell befestigen lassen.
Mit Recht stellt Williams
diese Kardinalforderung auf
und verwirft die Abweichun¬
gen, die sich bei den ein¬
zelnen Konstruktionen vor¬
finden. Insbesondere sind
Schnallen, Spannkeile und
sonstige Klemmvorrichtun¬
gen zu vermeiden, da sie
häufig den Dienst versagen oder sonst unsicher werden. Unsicher
und zu Beschädigungen geeignet sind auch Vorragungen auf der
Platte, die am besten vollständig glatt gehalten wird. Zur Be¬
festigung der Bandagen dienende Haken und Klammern müssen von
der Vorderseite der Platte entfernt und durchSchlitze und Öffnungen
zugänglich gemacht oder ersetzt werden. Was die Zugänglich¬
keit des Operationsfeldes betrifft, so sind die aus Rahmenwerk
bestehenden (französischen) sicher den vollen Platten etwas
überlegen, welcher Vorteil nur am Kopfe nicht vorhanden ist.
Operationstisch nach Duclaux.
HEllLlNKU TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43.
7 r» i
Namentlich wird die Zugänglichkeit bei den vollen Platten be¬
einträchtigt, wenn sie in ihren Längs- und Höhendimensionen
erheblich größer genommen werden, als dies der Größe des
Tieres entspricht, wie dies beim Daviauschen Tisch der Fall
ist. Die Tische können diesbezüglich insofern praktikabler ein¬
gerichtet werden, daß der zwischen den Extremitäten liegende
Teil der Platte herausnehmbar gemacht wird. Freilich ist nicht
zu vergessen, daß hierdurch die Stabilität der Platte erheblich
geschwächt und durcli besonders schwere Versteifungen wieder
hergestellt werden muß. Besondern Wert legt Hoffmann mit
Recht auf eine massive, sichere Konstruktion und exaktes,
schnelles Funktionieren des Tisches, welche Bedingungen so
selten erfüllt sind. Im speziellen sind damit gemeint:
Fig. 6.
Operationstisch des Tierärxtl. Institutes der Deutschen Universität
Prag. Seitenansicht bei vertikal gestellter Platte.
Stabilität, die Möglichkeit der Feststellung in jeder Lage,
sehr schnelles, doch geräuschloses Niederlegen und Auf¬
heben des Apparates. Schließlich wäre noch ein Prinzip zu
erwähnen, das bei der Konstruktion zur Beurteilung kommt: Ob
es besser ist, den Tisch feststehend oder beweglich zu kon¬
struieren. Die meisten Tische sind feststehend und zwar bedingt
durch den mechanischen Antrieb, mit dem ihr Umlegen, be¬
ziehungsweise Aufstellen herbeigeführt wird. Außerdem bedingt
der feststehende eine außerordentliche Fundierung im Boden des
Operationsraumes, damit dem Umkippen Gegengewicht geleistet
werde. Freilich erscheint es anderseits unnötig, den Operations¬
tisch derart verschieblich zu machen, wie es beim Daviauschen
Tische der Fall ist, da ein Transport außerhalb des Operations¬
saales wohl kaum stattfindet.
Für die Narkose ist die Überlegenheit des Operationstisches
gegenüber der Lage nach dem Werfen schon hervorgehoben
worden. Doch erscheint uns die Wichtigkeit, die Williams
der Neigung der Kopfplatte nach abwärts zuschreibt, nicht be¬
rechtigt. Williams glaubt nämlich, daß Inhalations-Pneumonie
erzeugt werde durch Abfluß der mit Bakterien beladenen Schleim¬
massen in den Atemtraktus vom Munde und der Nasenhöhle
aus nach Lähmung der Cilien durch Chloroformdampf. Dieses
will er dadurch verhüten, daß der Kopf des Tieres auf eine
nach abwärts geneigte Kopfplatte gelegt wird. Wir erachten
dieses für irrelevant und die geneigte Lage für unnötig. Weiter
kann auch dem nicht zugestimmt werden, daß die Lage des
Tieres auf der Platte normal sei und Atmung und Herztätigkeit
von der Aufbindung und Lagerung weniger gestört werden. Es
muß gesagt werden, daß Herztätigkeit und Atmung auf dem
Tische wesentlich alteriert werden, da bei der unumgänglichen
Fesselung und Spannung des Tieres, die dasselbe einerseits vor
Selbstbeschädigung bewahren, andererseits die zu operierenden
Körperteile unbeweglich machen sollen, Teile des Brustkorbes
mehr oder weniger inaktiviert werden. Zuzugestehen ist, daß
die Lage beim Werfen in dieser Hinsicht etwas besser erscheint.
Nach Erwägung aller dieser Umstände und der Berück¬
sichtigung der speziellen Verhältnisse unseres Instituts gelangten
wir zur Konstruktion eines neuen Types, aus dessen Be¬
schreibung gleichzeitig jene Qualitäten ersehen werden mögen,
die wir nach unseren Anschauungen und für unsere Verhältnisse
als die notwendigsten für einen brauchbaren Operationstisch er¬
achtet haben. Im Prinzip besteht unser Operationstisch aus
einer mächtigen rechteckigen Eisenplatte, die auf einem kasten¬
artigen Eisengestell aufruhend, um die eine obere Längskante
desselben im Charnier bewegt werden kann. Die Bewegung
erfolgt durch Kurbelanlrieb mit Zahnrad- und Schraubenüber¬
setzung. Versehen ist die Platte an ihrer (stehend) oberen
Kante mit einer Aufzugsvorrichtung, die auf gleiche Weise an¬
getrieben wird. Der Tisch kann auf Schienen im Operations¬
raume verschoben, bei der Verwendung unverrückbar festgestellt
werden.
Die Tischplatte besteht aus einem 11 mm dicken, 2,55 m
! langen, 2,20 m hohen (stehend) Kesselblech, dessen untere
Ecken abgerundet sind, und deren freier Rand durch ein ent¬
sprechendes T-Eisen versteift ist. Auf der Hinterfläche finden sich
außerdem je zwei Längs- und Querversteifungen. Auf der
Vorderfläche sind in entsprechender Höhe ein breites Längs¬
polster für den Körper, ein schmales für die Fußgelenke an¬
gebracht. Das Hauptpolster ist auf einem rechteckigen, eisernen,
an die Platte angeschraubtfen Rahmen montiert, mit starkem,
glattem Rindsleder überzogen, mit festem, gepreßtem Roßhaar
gefüllt und mit Holzbrettern unterlegt. Das Fnßpolster besteht
aus einem dicken, schmalen Brett aus weichem Holze, das mit
doppeltem, dickem Filze und darüber mit extra starkem, glattem
Rindsleder überzogen ist. 10 cm vom unteren Rande, entlang
demselben ist eine aus gestreckten, langen Gliedern bestehende
Eisenkette, mit Spannvorrichtung an den beiden Enden, befestigt.
Ober- und unterhalb des Hauptpolsters findet sich je ein Längs¬
schlitz zum Durchziehen eines Brust-, bzw. Bauchgurtes. In dem
oberen rechten, bzw. linken Eckquadranten finden sich mehrere
empirisch festgestellte Öffnungen zum Feststellen des Halses und
Kopfes für Pferde verschiedener Größe in linker, bzw. rechter
Seitenlage. Für außergewöhnlich große Pferde läßt sich durch eine
22. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
kleine, mittelst zweier Zapfen oben an die Seitenkante ansteckbare
Kopfplatte, die verschiedentlich perforiert ist, die benötigte Fläche
der Platte vergrößern. Am unteren Seitenrande, jedoch nicht über
diese hervorstehend sind je zwei, auf der Rückseite des Unter¬
randes sechs Stück krückenartige Stahlgriffe angeschraubt, die
ein schnelles Auf- und Abwinkeln der Fesselschnüre in Achter¬
touren gestatten. An der Rückseite der oberen Ecken ist je
ein starker Haken befestigt, an den der Schwanz-, eventuell
ein Beckengurt gespannt werden kann.
Knapp am oberen Rande tragen zwei krahnartige Fasson¬
stücke eine 1 m lange Stahlwalze. Über diese laufen zwei
breite, extra starke Riemen, deren Vorderenden zu einer Schlinge
für einen starken, eichenen Querbalken zusammengenäht sind,
deren Hinterenden über die Walze durch einen entsprechenden
Längsschlitz in der Platte sich auf die Hinterfläche zu einer
Stahlachse begeben und hier durch den bereits erwähnten An¬
trieb aufgerollt werden können. Der eben genannte eichene
Querbalken wird mittelst kurzer Ketten mit dem Masch sehen
Schwebeapparat an sechs Punkten (in der Mitte, Vorder- und
Hinterende je zwei) verbunden und gestattet bei der Steifigkeit
der Platte ein anstandsloses Heben des Pferdes. Die Kurbel
kann selbstverständlich je nach der Lagerung des Pferdes an
beiden Enden der durchlaufenden, über die Tischkante jedoch
nicht hervorragenden Kurbelachsen angesetzt werden.
90 cm vom Boden entfernt ist die Hauptwelle, um die die
Platte in zwei, 1,30 m von einander entfernten Charnieren um¬
gelegt werden kann. Zwei große, an diesen Punkten angebrachten
Stahlgußräder von G5 cm Radius erfassen die indizierte Bewegung.
Das Tischgestell, in der oberen Zirkumferenz 1G5 cm lang,
140 cm breit, im ganzen tyQ cm hoch, besteht aus zwei Rahmen¬
gußstücken an den beiden Stirnseiten, die durch T-Eisen und
die Stahlachse fest mit einander verschraubt sind. Das ganze
Gestell ruht auf 4 kleinen, längsgestellten, in zwei Schienen
von 125 cm Spurweite laufenden Rädern. An der hinteren
Längsseite befinden sich unten zwei Schraubenbolzen, mit denen
der Tisch festgestellt werden kann. Die beiden Stirnstücke
tragen je eine in die Zahnräder der Platte eingreifende, endlose
Schraube, die mittelst je zweier Kegelzahnräder von einer längs¬
verlaufenden Kurbelachse angetrieben werden können. Auch die
Zapfen dieser Achse, welche von beiden Seiten angreifbar ist,
schauen nicht über die Platte hervor. In Hinblick auf die
Schwere des Apparates (ungefähr 2500 kg) sind die beiden
Schienen entsprechend untermauert.
Das Aufspannen des Pferdes an den besprochenen
Operationstisch gestaltet sich folgendermaßen. Das Pferd wird
in der der auszuführenden Operation entsprechenden Seitenlage
an den Operationstisch bei stehender Tischplatte herangeführt
und längsseit gestellt. Sodann w r ird ihm eine Kopfhanbe an¬
gezogen, die zur Verhütung von Excoriationen an den Supra¬
orbitalbogen innen mit doppeltem Filz gut unterfüttert ist, darüber
ein besonders starkes Kopfgestell angelegt, das über dem
Kinn bzw. der Nase je einen festen Ring trägt, von dem
Stricke zum späteren Heranziehen und Fixieren des Kopfes an
die Platte ausgehen. Dann erfolgt das Umlegen eines ge¬
polsterten, starken Halsgurtes, ebenfalls mit Ring und Strick
zum gleichen Zwecke versehen. Hierauf wird der Schwebe¬
apparat nach Masch und der Lassodompteur angelegt und
fest angezogen. Der Querbalken der Aufzugsvorrichtung wird
herabgelassen und der Schwebeapparat in die Ketten desselben
TG 5_
eingehängt *). Das Pferd kann je nach seinem Temperament
mit einer Nasenbremse versehen werden oder nicht. Ein Mann
hält während des Anlegens den Kopf, eine zweite, ev. dritte
Person besorgen das Anlegen. Nun zieht die beim Kopf stehende
Person die Stricke des Kopfgestells und des Halsriemens durch
die entsprechenden Öffnungen der Platte und den Kopf leicht
an letztere, worauf eine zweite Person an die Kurbel des Auf¬
zugsapparates tritt und auf ein Kommando das Pferd hoch¬
kurbelt, bis die Beine den Erdboden nicht mehr berühren.
Wesentliche Aktionen der Extremitäten sind wegen des Lasso¬
dompteurs nicht zu befürchten. Nur Kopf und Hals sind unter¬
dessen fest an die Platte anzuziehen, um Beschädigungen durch
Anschlägen etc. zu vermeiden. Dann erfolgt rasch das Um¬
legen der Tischplatte in die Horizontale. Bezüglich des Zeit¬
ig. 7.
Operationstisch des Tierärxtl. Institutes der Deutschen Universität
Prag. Seitenansicht bei schräg gestellter Platte.
raumes, den die genannten Aktionen benötigen sei bemerkt, daß
das Hochziehen des Tieres höchstens 30 Sekunden, das Umlegen
der Platte höchstens eine Minute benötigt. Die Umsetzungen
der Zahnräder sind so berechnet, daß die nötige Kraft von
einem Manne leicht in der erwähnten Zeit geleistet werden
kann. Wir denken übrigens daran, einen ganz kleinen Elektro¬
motor anzukoppeln. Das Aufziehen des Tieres muß ziem¬
lich rasch erfolgen, weil es sonst Vorkommen kann, daß
das Tier die Hinterbeine vorstellt, um zum Sprunge an¬
zusetzen. Ermöglicht ist dies ja auch dadurch, daß der
Schwebeapparat nicht gleichzeitig den ganzen Körper hebt,
sondern vorerst am Brustkorb Widerstand findet und diesen
*) Kleine, schwache Tiere versinken in der verwendeten Trag-
plache vollständig, so daß die Tragketten ganz kurz genommen
werden müssen, da sonst beim Aufziehen der Querbalken mit den
Riemenschleifen bis zur Übersetzungswelle gelangt, ohne daß das
Tier wesentlich vom Boden entfernt wäre.
766
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43.
bebt, während rückwärts der Bauch ausweicht und nach
rückwärts gepreßt wird. Erst beim weiteren Heben wird auch
der Hinterteil gefaßt und dem Tiere jeder Stützpunkt entzogen.
Das Tier hängt schließlich einigermaßen schräge im Schwebe¬
apparat. Um im Be¬
ginn des Aufziehens
den einen Stützpunkt
suchenden Vorderbei¬
nen das eventuelle
Aufstemmen auf den
wenig vorragenden
Fußpolster unmöglich
zu machen, ist vorne
ein den Zwischenraum
zwischen Brust- und
Fußpolster ausfullen-
des abgeschrägtes
hartes Brett von ent¬
sprechender Größe an¬
geschraubt.
Nachdem die Platte
umgelegt ist, erfolgt
nacheinander die Fes¬
selung der Extremitä¬
ten, indem eine feste
Strickschlinge um das
Fesselgelenk gelegt
und der Fuß möglichst
weit vom Körper ab¬
gezogen wird (Princip des „Appareil de contention“ von
Simonin). Der Strick wird durch ein passend gelegenes Glied
der Fußkette durchgezogen, vorsichtig angespannt und um die
nächstgelegene Krücke in
Achtertouren schnell auf¬
gewickelt. Während der
Anspannung etwa eintre¬
tende, kräftige Muskelak¬
tionen des Tieres lasse
man ruhig ablaufen und
benütze die nächste Ruhe¬
pause zur Fortsetzung der
Arbeit. Man versuche
nicht einen in Aktion be¬
findlichen Fuß durch direk¬
tes Spannen festhalten zu
wollen, da die Kraft eines
Mannes dazu selbstver¬
ständlich nicht ausreicht.
Dabei ist zu beachten,
daß beim Anspannen der
Vorderextremitäten durch
den dem Brustkorb fest
anliegenden Schwebeappa¬
rat die Gegenspannung er¬
zeugt wird. Dieses ist bei den Hinterextremitäten nicht der Fall,
da bei den Muskelaktionen das Hinterteil mit der nachgiebigen
Bauchwand im Schwebeapparat nicht den nötigen Widerstand
findet. Es muß daher ein breiter, mit Filz wohl ausgefütterter
Riemen als Beckengurt an der Inguinalgegend vorüber zwischen
die Hinterfüße und über die obere Hinterbacke gelegt und gegen
einen Randhaken fest angezogen werden, wodurch die gespannten
Hinterextremitäten die entsprechende Gegenspannung erhalten.
Der Kopf wird durch entsprechendes Anziehen und Anbinden
der vom Kopfgestelle
und Halsriemen aus¬
gehenden Stricke an
die Platte fest ange¬
zogen gehalten. Wird
dann noch der etw'a
locker gewordene
Lassodompteur ange¬
zogen, so ist das Tier
vollständig versichert
und nicht imstande,
auch nur die geringste
Beschädigung sich zu-
zuziehen. Ein Durch¬
scheuern seitens der
Fußstricke ist wegen
der Exkursionsunmög¬
lichkeit ausgeschlos¬
sen, ebenso auch die
von Williams ge¬
fürchteten Exkoria-
tionen an der Darm¬
beinschaufelkante und
an den Supraorbital¬
bogen. Deswegen ha¬
ben wir uns auch entgegen der Ansicht von Williams zur An¬
bringung eines festen Körperpolsters entschlossen. Nun ist zu
bedenken, was schon oben erwähnt wurde, daß der gespannte
Schwebeapparat durch An¬
pressen an die gesamte
Thoraxwand die Atmung
und die Herztätigkeit des
Tieres wesentlich beein¬
trächtigt. Man kann nun
dem Tiere eine bedeutende
Erleichterung verschaffen,
wenn man einen dem eben¬
besprochenen Beckengurt
ähnlichen Riemen über das
Schulterblatt zwischen die
Vorderbeine hindurchleitet
und mittelst dieser Schlin¬
ge, die man dorsalwärts
gegen einen Randhaken
anzieht, die Spannung in
den Vorderextremitäten
herstellt. Es kann dann
der Sperrhaken des Auf¬
zugapparates gelöst und
der Schwebeapparat voU-
ständig gelockert werden. Die Intensität der Spannung in der
Beckengegend kann durch Einschaltung eines kleinen Flaschen¬
zuges vergrößert werden. Die Spannung daselbst kann auch
durch eine solche des Schwanzes ersetzt werden. Doch ist ein
Stützpunkt für letztere auf der Platte zu nahe gelegen. Wir
Fig. 9.
Operationstisch des Tierärztl. Institutes der Deutschen Universität Prag. Seiten¬
ansicht hei umgelegter Platte: junger Stier behufs Kastration aufgebunden.
22. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
767
verwenden hierfür einen unweit in der Mauer fest verankerten
Haken.
Damit ist das Tier unter Bedingungen gesetzt, die die
meisten Operationen anstandslos ermöglichen werden. Die
Extremitäten lassen sich verschiedentlich ausbinden und sind,
durch das Fußpolster genügend weit von der Platte abgehoben,
allseitig zugänglich. Dasselbe gilt auch von allen peripheren
Regionen des Körpers, die infolge der bequemen Tischhöhe, der
günstigen Dimensionierung der Platte und der Verlegung der
gesamten Maschinerie unter dieselbe vom Operateur leicht er¬
reicht werden können. Nur für Operationen in der zentro-
ventralen Körperregion muß der Operateur auf die Platte hinauf¬
steigen, was aber im Hinblick auf die übrigen Vorteile der Lage
kein wesentlicher Übelstand ist.
Nach Beendigung der Operation wird Becken-, eventuell
Brustgurt abgenommen, die eventuelle Schwanzspannung gelöst
und der Schwebeapparat wieder angezogen. Dann erfolgt die
Lösung der Faßfesseln und zwar zuerst in der Schlagrichtung
der Extremitäten. Es ist wohl unnötig zu bemerken, daß man
sich sowohl beim Aufbinden, wie beim Lösen der Fesseln außer¬
halb des Schlagbereiches der Extremitäten hält, der freilich nach
unserer Erfahrung wegen des Lassodompteur mit der Tisch¬
fläche zusammenfällt. Wesentliche Muskelaktionen sind nun auch
nicht mehr zu befurchten. Hierauf tritt ein Mann an die Kurbel
und bringt die Tischplatte wieder in die vertikale Lage, wobei
während, des Aufkurbeins die Fesselung des Kopfes so weit ge¬
lockert wird, daß ein Losbinden desselben nach dem Herab¬
lassen schnell erfolgen kann. Das Pferd sinkt unterdessen in
den Schwebapparat hinein, worauf die Kurbel der Aufzugsvor¬
richtung erfaßt, der Sperrbolzen geöffnet und das Pferd unter
Führung der Kurbel langsam herabgelassen wird. Hat das Pferd
ungefähr jene Höhe erreicht, in der es mit den Füßen den
Boden erreichen könnte, so wird es, da es mit angezogenen Füßen
im Schwebeapparate hängt, durch Zuruf etc. einigemale ange¬
feuert, worauf es mit den Füßen den Boden sucht und denselben
fühlend Bich aufstellt. Der Kopf muß unterdessen freigelassen
werden. Nun erfolgt die Abnahme der Fesseln in folgender
Reihenfolge: Kopfgestell, Kopfhaube (Ersatz durch Stallhalfter),
Loshaken von der Aufzugs Vorrichtung, Entfernung des Lasso- I
dompteur und des Maschschen Schwebeapparates, worauf das
Pferd aus dem Operationssaal geführt werden kann. Die Riemen
der Aufzugsvorrichtung sind übrigens so lang gewählt, daß
man das Pferd, falls es sich auf den eigenen Beinen nicht auf¬
stellen oder erhalten könnte, bis auf den Erdboden niederlassen
kann. Hier können dann alle Fesseln gelöst werden und das
Tier kann solange ruhig liegen bleiben, bis es imstande ist, Bich
aufzustellen und wegzugehen. Der Tisch kann unterdessen auf
den Schienen weggeschoben werden.
Der Operationstisch, der seit einiger Zeit in Benutzung
des Institutes steht, hat die Erwartungen, die wir an seine
Konstruktion geknüpft haben, vollständig erfüllt und funktioniert
in tadelloser Weise. Wir können nicht umhin, an dieser Stelle
des Erbauers des Apparates, der renommierten Maschinenfabrik
F. Ringhoffer, Prag-Smichow, mit Rücksicht auf ihr unbe¬
grenztes Entgegenkommen, auf das ausgezeichnete Material und
die exakte Ausführung sowie des maschinentechnischen Kon¬
strukteurs, des Herrn Öberingenieurs Bartelmu8 der genannten
Firma, der mit liebevoller Sorgfalt auf unsere Intentionen ein¬
ging, mit Worten höchster Anerkennung zu gedenken.
Literatur:
1. Bayer, Jos. Operationslehre, 1906, S. 89—40, 3. Aufl., in:
Handb. d. Tierärztl. Operational, u. Geburtsh., I. Bd.
2. Blin et Seuillet. Ein neuer Operationstisch. Bull. m6d. v6t.
1906, S. 261.
3. Carini, A. Impftisch für Rinder. Centrbl. Bakt. Parasitenkunde.
1. Abt. Orig. Bd. 37, S. 156—159.
4. Desaintmartine, Gaston. Nouvelle Table-Bascule. Bull.
Soc. Sc. V6t£r. Lyon. 10. Jahrg. 1907, Nr. 4, S. 307—316, 3 Figg.
5. Dollar, Ino A. A Surgical OperatingTable for Horse. London,
40 S. M. Abb. Gay and Bird.
6. Girard, M. Röflexious au sujet des appareils de contention
Bull. Soc. Sc. V6t£r. Lyon, 11. Jg., 1908, S. 187—194.
7. Hoffmann. Atlas der tierärztlichen Operationslehre. Stuttgart
1908, S. 36.
8. Williams, W. L. The veterinary operating table. Am. Vet.
Review, Vol. 30, 1906, S. 917-938, 10 Figg.
9. Zalewsky. Der Operationstisch. Travail bascule von Vinsot.
Monatsh. f. Tierheilk. Bd. 17, 1906,. S. 321.
Referate.
Eigenartige Falle von Zwerchfellkrampf.
Von Demora und Adriansen.
(Recueil d’Alfort, 15. Juli 1908).
Eiu frisch gekauftes Pferd verweigert jedes Futter und
zeigt fortwährend heftiges Muskelzittern, die Lidbindehaut ist
injiziert, der Puls klein, die Temperatur 80°. Die Verfasser
machen vorerst eine Pilokarpininjektion von 0,10 g.
Am andern Tage zeigt es ausgesprochenen Zwerchfellkrampf
(Chorea des Zwerchfells) und zwar 56 Schläge in der Minute.
Der Puls ist klein, fadenförmig und unregelmäßig geworden.
Da die Verfasser einen Kongestionszustand vorhanden glauben,
verschreiben sie einen kalmierenden Einschütt von Opiumtinktur
und Chloralhydrat und lassen Senf auflegen. Auf diese Be¬
handlung hin nehmen die Schläge an Zahl und Intensität tags¬
über ab und werden unregelmäßig, so daß auf vier schwache
Schläge ein sehr starker, etwas langer und auf diesen eine
Pause erfolgt. Nachdem abends 9 Uhr ein zweiter Einschütt
gegeben worden ist, ist nur noch alle 5—6 Atemzüge eine Er¬
schütterung festzustellen.
! Am andern Morgen um 8 Uhr ist der Puls noch klein, aber
fast regelmäßig; die Temperatur beträgt 37,5°. Um 10 Uhr
werden die Stöße sehr stark und es sind um 12 Uhr 56 in der
Minute. Bei der Auskultation des Herzens hört man sehr
deutlich eine Verdoppelung des ersten Herztones und zwar so
stark, daß man drei gleich starke Herztöne wahrnimmt. Es
wird ein Chloralhydratklistier verabfolgt, worauf die Stöße auf
48 zurückgehen. Die Diagnose läßt sich nun genau feststellen,
es handelt sich um eine Herzaffektion mit Irritation des Zwerch¬
fellnerven, wodurch diese klonischen Kontraktionen ausgelöst
werden. Da die Temperatur nur 38° beträgt, kann es sich
nicht um eine akute, sondern nur um eine chronische Läsion
handeln. Am Abend wurden 20 g Bromkalium im Trinkwasser
gegeben, worauf der doppelschlägige erste Herzton bedeutend
schwächer wird, der aber am anderen Tage trotz Verabreichung
von 30 g Bromkalium immer noch zu hören ist.
Die Trinkwasseraufnahme geht sehr mühsam vonstatten und
das Pferd schlappt dabei mit der Zunge wie ein Hund.
Als um 9 Uhr des folgenden Tages die Symptome noch
stärker auftraten, präzisieren die Verfasser ihre Diagnose dahin,
daß das Pferd diesen Anfällen unterworfen ist, und daß der
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43.
7t>8
Verkäufer, um sie beim Verkaufe zu unterdrücken, dem Tiere
Bromkalium verabreicht habe.
Der Käufer entsinnt sich jetzt, daß er beim Herausführen
des Pferdes auB dem Stalle des Verkäufers Muskelzittern an
ihm bemerkt hat, das er aber der Kälte zugeschrieben hat;
außerdem hat er bei dem Vorreiten durch den Stallmeister des
Verkäufers eine gewisse Schlappheit und ein Schwanken des
Hinterteils bemerkt, dem er aber keinem besonderen Wert
beilegte, da das Pferd bald seine volle, mächtige Aktionsfähigkeit
erreicht hatte.
Der Verfasser berichtet noch über drei andere Fälle von
Zwerchfellkrampf, von denen der erste einen halben Tag gedauert
hat und durch ein Chloralhydratklystier gehoben wurde, die
Dauer des zweiten war eine Stunde und die des dritten drei
Tage. Der letzte wurde durch einen Einschütt von 15 g Brora-
kalium geheilt. Über einen weitern erst kurz behandelten Fall
sagt er, daß ihm ein Pferd mit dem Vorbericht zugeführt worden
sei, daß es schon zweimal ohnmächtig in den Straßengraben
gefallen sei und daß es der Besitzer für dämpfig halte. Der
Zwerchfellkrampf wurde durch Chloralhydratklistiere gehoben,
aber das Pferd konnte dennoch nicht mehr im Trab gebraucht
werden, da sein Herz schon nach 20 Meter wie ein Trommel¬
wirbel ging. Helfer.
Tymp&nitis und chronische lymphatische Leukämie
heim Elefanten.
Von Dr. H. Jakob-München.
(Woclienßchr. für Tierheilk. and Viehzucht, 62. Jehrg., Nr. 5.)
Der Verfasser hatte Gelegenheit, einen einjährigen Elefanten
welcher sich nach Entledigung seiner Fesseln an Heu, gelben
Rüben und frisch gebackenem schwarzen Brot überfressen hatte,
zu untersuchen. Der Befund war folgender: Der Rüssel —
sonst der beweglichste Teil des Elefanten — hing regungslos,
wie aus Blei gegossen, herunter; bei seiner Berührung zeigte
das Tier keinerlei Empfindung. Die sichtbaren Schleimhäute
des Rüssels, der Maulhöhle und des Auges sind anämisch. In¬
folge Offenstehens des Afters beträgt die Körpertemperatur nur
35,5° C. Die Herzschläge können wegen starken Muskelzitterns,
besonders an der Vorderextremität, nicht genau ermittelt werden.
Die Zahl der Atemzüge beträgt 3C>, Typus mehr kostal, Atmung
angestrengt. Zuweilen stöhnt das Tier. Das Abdomen ist
tonnenförmig aufgetrieben. Starker manueller Druck auf die
Bauchdecken löst Stöhnen aus. Peristaltische Geräusche sind
nicht wahrzunehmen. Die rektale Exploration ergibt im hintersten
Abschnitt verflüssigte gelbraune Kotmassen, die weiter vor¬
dringende Hand stößt auf festweiche Massen und anliegende
aufgeblähte Darmteile. Die Therapie — bestehend in Klysmen,
Bauchdeckenmassage, Verabreichung eines Liters gut gezuckerten
Kamillentees mit 7t Liter Kognak — erzielte baldige Besserung.
Das Tier befand sich aber längere Zeit in der Rekonvaleszenz.
Ungefähr drei Wochen nach der ersten Erkrankung war
hochgradige Verschlimmerung eingetreten. Der Elefant konnte
nicht mehr aufstehen, zeigte röchelndes Atmen und starke Herz¬
schwäche. Jakob injizierte dem moribunden Tiere in der Herz¬
gegend 30 ccm Spirit, camphorat. und untersuchte mikroskopisch
eine Blutprobe aus der Ohrvene. Er fand hierbei große Ver¬
mehrung der Leukozyten (1 auf 6—7 rote Blutkörperchen), die
als Mikrozyten anzusprechen waren. Der Tod des Tieres trat
noch am selbigen Tage unter heftigster Dyspnoe ein.
Als Obduktionbefund wurden festgestellt: chronische lym¬
phatische Leukämie, Lungenödem, Herzmuskelentartung, zahl¬
reiche Gastrophilnslarven im Magen, Distomatosis, und im Dick¬
darm eine Unzahl von Amphistomeen und Nematoden.
Interessant wurde dieser Krankheitsfall noch dadurch, daß
der Besitzer des Elefanten auf Wandelung klagbar wurde, da
er das Tier erst kurz vor dem ersten Krankheitsanfall käuflich
erworben hatte. Jakob gab sein Gutachten dahin ab, daß frag¬
licher Elefant mit Bestimmtheit am Tage der Übernahme und
schon einige Tage vorher an lymphatischer Leukämie, die stets
tödlich endigt, erkrankt war, und daß die parasitäre Invasion
(Gastrophilus und Distomeen) schon einige Monate vor dem
Kauf stattgefunden hat, wodurch die Dressurtauglichkeit des
Elefanten aufgehoben war. Nachdem der Prozeß nahezu drei
Jahre gedauert hatte, wurde die Berufung des in erster Instanz
verurteilten Verkäufers kostenpflichtig abgewiesen im Sinne
des oben erwähnten Gutachtens. J. Schmidt.
Hyperämie des Gehirns und der Hirnhäute.
Von Oberveterinär Hölscher.
(Zeitsch-. f. Vcterinärk. 1908. 8. 126.)
Ein Pferd war mit 1 ccm Lorenz scher Brustseuche-Lymphe
geimpft worden und zeigte vom folgenden Tage an große
Mattigkeit und geringe Freßlust. Am neunten Tage trat eine
offenbare Verschlimmerung im Befinden des Patienten ein; er
suchte sich am Flankierbaum und Krippe zu stützen. Am
Abend kam er zum Liegen; mit der Vorhand vermag er sich
noch zu erheben, jedoch nicht mit der Nachhand. Die Hinter¬
beine lassen sich bewegen; auf Nadelstiche erfolgt nur geringe
Reaktion. Trotz der Behandlung schreitet die Lähmung vor¬
wärts, verbunden mit völliger Empfindungslosigkeit des Rückens,
der Kruppe und der Hintergliedmaßen. Patient wird erschossen.
Die pathologisch-anatomische Diagnose lautet: 1. Hyperämie
des Gehirns und der Hirnhäute. 2. Entartung (parenchymatöse)
der Leber, Nieren und des Herzens. Richter.
Septikäinie.
Von Oberveterinär Hölscher.
(Zeitachr. f. Veterinfirk. 1908. S. 124.)
Ein Pferd war mit 1 ccm Lorenzscher Brustseuche-Lymphe
intravenös geimpft worden und zeigte nach 24 Stunden 39,1 0 C;
am zweiten Tage stieg die Temperatur auf 40,3°. Am fünften
Krankheitstage lahmte Patient ohne nachweisbare Ursache vorn
links stark, das Fesselgelenk fühlte sich warm an und war
geschwollen. Es stellte sich eine starke, schmerzhafte An¬
schwellung der ganzen linken Vordergliedmaße ein mit gleich¬
zeitiger Ausschwitzung in der Schienbeingegend. Am Hufe
trat vermehrte Wärme ein, und am neunten Krankheitstag
löste sich der Hornschuh während der Nacht völlig ab. Das
Tier wurde erschossen. Aus dem Obduktionsbericht sei die
pathologisch-anatomische Diagnose entnommen: 1. Brandige
Entzündung der Haut, Unterhaut und Muskulatur der linken
Vordergliedmaße. 2. Brandige Entzündung der Huflederhant.
3. Beiderseitige brandige Lungenentzündung: Richter.
Ans der medizinischen Literatur.
Deutsche Medizinische Wochenschrift, 34. Jahrg . 1908, S 1078.
Zur Genese der Lebercirrhose. (Aus dem Pathologischen Institut
der Universität in Bonn). Von Prof. Dr. H. Ribbert. Bei
der Lebercirrhose geht Lebergewebe unter und wird teilweise
durch Bindegewebe und Gallengangswucherung ersetzt Dazu
22 . Oktober 11)08.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
kommt meist auch kompensatorische Vergrößerung der noch ver¬
bleibenden Leberabschnitte. Eine Regeneration von Lebergewebe
aus den gewucherten Gallengängen findet nicht statt. Das
schädliche Agens ist irgendeine, meist wohl ans dem Darm auf¬
genommene und der Leber durch die Pfortader zugeführte
Substanz. Der Vorgang des Untergehens von Lebergewebe und
der Neubildung von Bindegewebe geschieht nie gleichmäßig
durch das Organ, sondern zugweise, wobei dazwischen unver¬
sehrte Inseln bleiben. Die ungleichmäßige Zerstörung des
Lebergewebes bei der Cirrhose erklärt der Verfasser daraus,
daß das aus dem ganzen Dannkanal oder aus seinen einzelnen
Abschnitten (oder aus der Milz oder dem Pankreas) stammende
toxinlialtige Blut der Leber durch die Pfortader getrennt, d. h.
in 2- oder mehrfachen Strömen, zufließt und deshalb das Ge¬
webe nicht überall, sondern nur in gewissen schmaleren oder
breiteren, gestreckteren oder vielfach verzweigten Bahnen schädigt
und vernichtet.
Münchener Medizinische Wochenschrift, 55. Jakrg. 190S % S. 2091.
Eine neue Methode der subkutanen Serum- usw. Injektionen. Von
Dr. K. Krautschneider. Verfasser hat einen Apparat kon¬
struiert, der die Injektionsspritze ersetzen soll. Zusammen-
quetschbare, mit der Injektionsflüssigkeit gefüllte Patronen aus
papierdünnem Zinn werden in einen Metallzylinder gegeben und
nach Aufsetzen der Nadel durch den Druck eines Stempels nach
Belieben langsam und gleichmäßig ausgequetscht. Die Ver¬
wendung von Zinn wird als durchaus unschädlich bezeichnet.
Umständliche Reinigung und Desinfektion des Apparates fällt
weg, weil die für jede Injektion neu verwendete Patrone jedes¬
mal gleichsam eine neue Spritze darstellt. Die Patronen sind
billig. Der Apparat (Injektor) ist unbegrenzt haltbar. Er wird
von der Firma Evers und Pi stör in Kasselund deren Filialen
geliefert.
Zent rat bl. f. Batet, usir. I. Abt. Bd. 48, S. 44.
Der Ursprung der Pneumokoniosen. (Aus dem Hygienischen
Institut der Kgl. Universität Bologna.) Von Prof. Dr. Guido
Q. Ruata. — Calmette, Vansteenberghe und Grysez
schlossen aus Versuchen an Meerschweinchen, daß die physio¬
logische Anthrakose in den meisten Fällen der Darmabsorption
der Koblenpartikelchen zuzuschreiben sei. Demgegenüber er¬
hoben sich zahlreiche Forscher, die an der klassischen Theorie
festhielten, und der Lungenanthrakose sowie im allgemeinen
allen Pneumokoniosen einen wesentlich respiratorischen Ursprung
zuschreiben. Zur Entscheidung der Frage wurde in der Soctetd
de Biologie in Paris ein „Ausschuß der Anthrakose“ ernannt,
der aber eine endgültige Lösung auch nicht herbeifnhren konnte.
Verfasser verließ nun den bisher eingeschlagenen Weg und ver¬
wendete bei seinen Studien nicht Kohlenstaub, der, weil überall
vorkommend, zu Irrtümem Anlaß geben kann, sondern die
Sporen des saprophytischen Bacillus clavatus. Das aus diesen
Sporen und Amidonstaub hergestellte feine Pulver wurde teils
zu Verschluckungs-, teils zu Inhalationsversuchen verwendet.
Nach dem Ergebnis dieser Versuche hält sich der Verfasser zur
Behauptung berechtigt, daß ein normaler Organismus die
Pneumokoniosen ihren Ursprung aus der Inhalation ziehen und
nicht au8 der Verschluckung von Staub.
Dieselbe Zeitschrift S. 125.
Über elastikotropische Erscheinungen beim Wachstum des Bacillus
anthracis 'und verwandter Bazillen auf Serumnährböden. (Aus dem
K. K. Hygienisch-bakteriologischen Institut der Jag. Universität
7bi>_
in Krakau.) Von Dr. Ph. Eisenberg. — Die von Kurth ent¬
deckte Eigentümlichkeit des Bact. Zopfii, auf schräger Gelatine
federkielartig zu wachsen, hat Jakobsen auf Grund eingehender
Versuche als eine Wirkung von „Elastikotropie“ erklärt. Diese
tropische Wachstumsrichtung wurde auch bei anderen Sporen¬
bildnern beobachtet, aber nur auf Gelatine. Agar setzt dem
Wachstum der Fäden offenbar zu großen Widerstand entgegen.
Verfasser hat in erstarrtem Serum (Pferde-, Rinder- und
Menschenserum) einen Nährboden kennen gelernt, auf dem er
federkielartiges Wachstum von Milzbrandkulturen erzielen konnte.
Er stellte fest, daß virulente lebenskräftige Stämme sich gut
zur Federkielbilduug eignen, während schwachvirulente, wahr¬
scheinlich infolge geringerer Wachstumsintensität öfter versagen.
Als Ursache der eigentümlichen Wacbsform glaubt sich Eisen¬
berg der Ansicht Jakobsens anschließen zu können, der
elastische Zugkräfte, die durch das Austrocknen des Nährbodens
und die Schwerkraft beeinflußt werden, als maßgebend ansieht.
Dieselbe Zeitschrift S. 92.
Über den ElnfluO von Wärme und Zeit auf den Ablauf der Agglutination.
(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Jena.) Von
Dr. Konrich. — Die Einwirkung von Wärme und Zeit auf
das Agglutinationsphänoraen wurde bei den Normalseris von
12 verschiedenen Tierspezies und 13 Arten von Mikroorganismen
untersucht. Dabei kamen Temperaturen von 7 bis 55° und Ein¬
wirkungszeiten von 1 bis 24 Stunden zur Anwendung. Die
Versuche führten zu folgendem Ergebnis:
1. Der Einfluß der Zeit auf die Agglutination ist weit
wichtiger als der der Temperatur.
2. Für die Agglutination der Normalsera ist die Zeit von
absolut ausschlaggebender Bedeutung, die Temperatur nahezu
gleichgültig.
3. Für die Agglutination der Immunsera mit höheren Werten
tritt der Einfluß der Zeit etwas zurück, derjenige der Temperatur
steigt, ohne jedoch im entferntesten der Zeitwirkung gleich¬
zukommen.
4. Für die einzelnen Normalsera existiert ein Temperatur¬
optimum, bei der sie am besten agglutinieren; die Unterschiede
bei den einzelnen Spezies sind aber nicht erheblich.
5. Für die Immunsera ist die Vorliebe für eine bestimmte
Temperatur stärker ausgesprochen.
6. Die Beobachtungsdauer, innerhalb der die Immunsera
sicher einwandfrei arbeiten — das Innehalten des Temperatur¬
optimums vorausgesetzt — ist bei den einzelnen Serie verschieden,
die Titerhöhe der Sera spielt dabei insofern eine bedeutende
Rolle, als bei höherwertigen Seris die diagnostisch sicher ver¬
wertbare Hauptagglutination eher herauskommt als bei niedriger
stehenden. Die Verwendung ungewöhnlich hochwertiger Sera
bietet keine Vorteile.
7. Auch für die einzelnen Bakterienarten gibt es ein
Temperaturoptimum, bei dem sie am stärksten agglutiniert werden.
8. Diese Tatsache zeigt sich am deutlichsten bei der hetero-
logen Agglutination des Immunserums; zugleich erkennt man
daraus, daß das Temperaturoptimum der Bakterienarten in den
einzelnen Seris nicht ganz konstant ist.
9. Daher ist für die Festlegung des Umfanges der Gruppen¬
oder Neben- oder heterologen Agglutination die Anwendung
verschiedener Temperaturen unbedingt erforderlich.
770
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43»
10. Endlich ist die Verwendung verschiedener Temperaturen
ratsam, wenn die Ausdehnung von Hemmungszonen genau er*
mittelt werden soll. W.
Erwiderung.
Zu der Aufklärung des Herrn Hof tierarztesDr. Richter-Dessau
und seiner Mitteilung, betreffend Hundestaupeserum, möchte ich
ausführen, daß die Zuschrift seinerseits nicht gelegentlich und
nebensächlich und über vorläufig günstige Resultate erfolgt
war, sondern daß Bie eine Zusammenstellung der Menge des be¬
zogenen Serums betraf. Wörtlich führte Herr Dr. Richter aus:
„Es handelt sich um genaue Feststellung der Wirksamkeit des
Staupeserums, dessen Erfolg m. A. n. ein ganz vorzüglicher ge¬
wesen ist“ — —
Ich konnte nicht wissen, daß Herr Dr. Richter nachträglich
zu „einer entgegengesetzten Ansicht“ gekommen ist, um so weniger,
als ich von ihm hierüber nicht unterrichtet worden bin. Es wäre
m. E. n. wohl richtig gewesen, mir die Broschüre zuzuschicken, die
mich über seine jetzige Meinung orientiert hätte.
Noch möchte ich bemerken, daß die Beilage zur B. T. W. aller¬
dings nicht von mir persönlich ausgegangen ist, sondern von der
Deutschen Schutz- und Heil-Serum-Gesellschaft, der ich das Gut¬
achten zur Verfügung gestellt habe, da ich annahm, es sei zur
freien Verfügung Übermittelt worden. Gewöhnlich wird, wenn
letzteres nicht der Fall sein soll, ein bezüglicher Vermerk gemacht.
Endlich möchte ich noch darauf hin weisen, daß das Verhältnis
der ungünstigen Ergebnisse zu den günstigen sich wie 1:60 stellt
Herr Dr. Richter hat auch noch nicht mit der durch Bakterien¬
extrakt verstärkten Lymphe gearbeitet, auf die in dem Prospekt
verwiesen ist, und ich stelle ihm gern diese zu weiterem Versuch
zur Verfügung, in der Hoffnung, daß er sich wieder zu seiner
früheren Ansicht bekehren wird. Dr. Piorkowski.
Zur Tagesgeschichte.
(Nach Sch hiß der Redaktion eingetroffen.)
Aus der neuen preußischen Beamtenbesoldungsvorlage.
Es ist eben noch möglich, in dieser Nnmmer die in der
Vorlage enthaltenen Sätze aus dem Gebiet des Veterinärwesens
mitzuteilen. Besprechung muß Vorbehalten bleiben.
Professoren an den tierärztlichen Hochschulen 4000 bis
6600 M. (bisher 3000—6000 M.), außerdem eine Erhöhung der
Stundenhonoraranteile. — Departementstierärzte 4200 bis
6300 M. (3600—4800 M.). — Kreistierärzte 1200—3000 M.
(1200—2100 M.) im Durchschnitt 2100 M. (1650 M.). [Kreis¬
ärzte 1800—3600 M., durchschnittlich 2700 M.; bisher eben¬
soviel im Durchschnitt.] — Gestütinspektoren und Oberroßärzte
3000—5400 M. (3000—4200 M.); Roßärzte 1500- 4500 M.
(1800-3000 M.).
Tuberkulose-Tilgung. Demonstration in Königsberg, I. November.
Die Landwirtschaftskammer für die Provinz Ostpreußen hat in
Anerkennung der Bedeutung des von Ostertag empfohlenen
Tuberkulosebekämpfungsverfahrens, das nunmehr seit acht Jahren
in Ostpreußen in Anwendung kommt und sich dort immer steigern¬
den Interesses zu erfreuen hat, wiederum wie bereits vor zwei
Jahren, erhebliche Mittel zum Zwecke der Demonstration dieses
Verfahrens bewilligt. Dieselbe soll im Anschluß an die Tagung
des tierärztlichen Vereins am Sonntag und Montag, den 1. und
2. November er., in Königsberg stattfinden und in einer theoretischen
Erörterung am Sonntag und in einer praktischen Vorführung am
Montag bestehen, die vormittag 9 Uhr auf dem Schlachthof anhand
von zirka 20 angekauften Tieren mit offener Tuberkulose erfolgen
wird. Die Kollegen sind dazu freundlichst eingeladen. Anmeldungen
erbeten an den Direktor des Ticrsenchenamtes, Dr. Müller, Königs¬
berg i. Pr., Beethovenstr. 14.
Tagesgeschlchte.
Die Pauschalierung der Beisekosten und Tagegelder.
Von Kreistierarzt Krueger-Ohlau.
Vor einiger Zeit hatte sich zwischen dem Redakteur der
D. T. W. und einem Mitarbeiter der B. T. W. eine Preßfehde
darüber erhoben, ob die Kreistierärzte Anlaß hätten, mit der
Pauschalierung ihrer Reisekosten und Tagegelder zufrieden oder
unzufrieden zu sein. Nach der Erklärung des einen Herrn
hat er nur Ausdrücke höchster Unzufriedenheit vernommen,
während der andere von allen Kreistierärzten, mit denen er über
das Pauschale gesprochen, nur Ruhm und Lob gehört hatte.
Zweifellos haben beide Herren richtiges gemeldet: es gibt
Kreistierärzte, die die Pauschalierung rühmen, und solche, die
sie tadeln, dazu noch welche, die weder zum Lobe, noch zur
Unzufriedenheit Anlaß haben.
Wenn man die historische Entwicklung der Reiseent-
schädigungsfrage ins Auge faßt, müßte man annehmen, daß
alle oder fast alle Kreistierärzte mit der Pauschalierung un¬
zufrieden sind. Gehören doch 4 / 5 der preußischen Kreistierärzte
dem Verein der beamteten Tierärzte an, der seit jeher für die
Erhöhung der Tagegelder auf 9 M. und der Reisekosten auf
50 Pf. pro km Landweg eingetreten ist. Noch in der November¬
sitzung 1907 führte Kreistierarzt Traeger-Belgard als Referent
aus, daß bei der ohnehin so bescheidenen Bemessung unserer
Entschädigung für Dienstreisen es ausgeschlossen erschiene, daß
uns in irgendwelcher Form hiervon noch Abzüge gemacht
werden können. Das unmöglich Scheinende ist Tatsache ge¬
worden: bei Bemessung des Pauschales hat man die Höhe der
alten Tagegelder und Reisekosten der Berechnung zugrunde
gelegt und von deren Gesamtsumme Vio abgesetzt, auf das der
einzelne Kreistierarzt ein Anrecht nicht mehr hat. Damit sind
die Tagegelder von 8 auf 7,20 M., die Kilometergelder von 40
auf 36 Pf. herabgesetzt worden.
Wenn sich dennoch Kreistierärzte finden, die ihre vöüige
Zufriedenheit aussprechen, so könnte man schließen, daß sie
entweder nicht dem V. d. b. T. angehören, oder daß sie sich
nicht mit ihm solidarisch erklären, da er vielleicht ihrer
Meinung nach seine Forderungen überspannt hat. Beide
Folgerungen indes wären in der Mehrzahl der Fälle falsch. Der
Grund ist ein anderer.
Ich kenne einen Veterinärbezirk, in dem der Kreistierarzt
während des Jahres 1906 etwa 8000 M. an Reisekosten und
Tagegeldern aus der Staatskasse erhalten hat, während in
sonstigen Jahren für den Bezirk nur etwa 4000 M. zu ver¬
ausgaben waren. Da bei Bemessung des Pauschales das Jahr
1906 zugrunde gelegt wurde, überwies man dem erwähnten
Bezirk etwa 8000 M.
Daß die Verwalter solcher Stellen über das Plus von
4000 M. p. a. sehr vergnügt sind, wird ihnen keiner verdenken;
dagegen kann man es den Inhabern von Stellen, in denen der
umgekehrte Fall eingetreten, wo ausnahmsweise in dem sonst
geschäftsreichen Kreise während des Jahres 1906 außerordentlich
wenig Reisen zu erledigen waren, auch nicht übelnehmen, wenn
sie höchst unzufrieden sind und Zeter und Mordio schreien.
Zufriedenheit und Unzufriedenheit entspringen nicht aus
dem Wesen, sondern aus der Art der Pauschalierung.
Unzufrieden ist man vornehmlich damit, daß nur das
Jahr 1906 der Berechnung zugrunde gelegt ist; manche können
22. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
771
nicht das verlorene • Zehntel verschmerzen, das nur beim
Nachweis einer nicht unerheblich (wohl = sehr bedeutend) ge¬
steigerten Diensttätigkeit für das abgelaufene Rechnungjahr
nachgewfthrt werden kann. Weiterhin herrscht darüber Be¬
unruhigung, daß die Kosten der Reisen von Tierärzten, die bei
größeren Seuchenausbrüchen den beamteten Tierärzten zur Hilfe¬
leistung attachiert werden, aus der Pauschalvergütung, wenn
auch nur teilweise, bestritten werden dürfen. Dabei könnten
bei vielleicht verdoppelter oder verdreifachter Arbeitslast starke
Kürzungen des Pauschales Vorkommen, während sonstige Ein¬
nahmen z. B. aus der Überwachung der Märkte wegen ihrer
Aufhebung ausfallen. Dann langt der Kreistierarzt nicht mit
dem Pauschale, sondern muß noch Zuschüsse oder mindestens
Vorschüsse aus seinem Gehalt, das zurzeit nur durchschnittlich
1650 M. beträgt, bis über das Jahresende hinaus gewähren.
Wovon soll er da mit seiner Familie leben?
Bei Erkrankungen, Erholungsurlaub liegt derselbe Fall
vor, wenn die Vertretung von der Vorgesetzten Behörde dem
benachbarten Kreistierarzt übertragen wird. Dabei scheint
nicht berücksichtigt zu werden, daß die Pauschalvergütung
gewährt wird an Stelle von Tagegeldern und Reisekosten, und
daß der vertretende Kreistierarzt — wenn wir die Entfernungen
unberücksichtigt lassen — bei voller Überweisung der Pauschal¬
gebühr doppelte Tagegelder erhält. Erfahrungsmäßig reist
auch der Vertreter in der Regel nicht so viel, wie der Ver¬
tretene, besonders wenn er außerhalb des Dienstbezirkes wohnt:
Viele Aufträge minder eiliger Art werden bis zur Rückkehr
des beurlaubten Kreistierarztes aufgeschoben, die Aufträge der
Tage vor Urlaubsablauf werden gesammelt, vielleicht auch noch
einige .unerledigt gebliebene Reisesachen vom Vertreter dem
Vertretenen zurückgereicht.
Viele Kreistierärzte sind besorgt, daß auf das Pauschale
hin uns weitere Aufgaben gestellt werden: Mit der Bekämpfung
der Influenza habe man den Anfang gemacht, die der Tuber¬
kulose stehe in sicherer Aussicht und andere Aufgaben können
folgen. Ob sich die Gesamtpauschalisierungssumme von etwa
IVa Millionen Mark entsprechend vermehren wird, ist Zukunfts¬
musik. Gleichzeitig mit der Steigerung der Geschäfte würde
die klingende Musik nicht einsetzen. Das widerspricht der
vermuteten Absicht, die Höchstausgabe für veterinärpolizeiliche
Zwecke auf eine Reihe von Jahren festzulegen.
Welches die Absichten und Ziele der Verwaltung bei der
Einführung des Pauschales gewesen sind, wird sieh vielleicht
ergeben, wenn dem nächsten Landtag vielleicht in Verbindung
mit der Gehaltsfrage eine Denkschrift über die Einkommens¬
verhältnisse der Kreistierärzte zugehen wird. Hoffentlich be¬
schränkt sie sich dann nicht auf ein einzelnes Jahr, sondern
macht auch Angaben über die letzten Jahre des vorigen
und die ersten dieses Jahrhunderts, so daß man klar erkennen
kann, welches Jahr die höchsten und welches die niedrigsten
Ausgaben zu verzeichnen hatte. Die Ausgaben der Jahre vor
1906 könnten sehr wohl mit diesem Jahre verglichen werden;
man müßte nur zu dem früher gewährten Tagegeldersatz von
6 M. V 3 zuschlagen.
Von dem wohl auch vorgeschlagenen Appell an die Landtags¬
abgeordneten verspreche ich mir in bezug auf das Pauschale
rein gar nichts. Die Herren Abgeordneten werden sich wohl
die Nachweise vorlegen lassen, im allgemeinen sich aber nur
an die absolute Höhe der gewährten Entschädigungen halten.
Die Beträge für die einzelnen Stellen dürften kaum angegeben
werden; das ist Verwaltungssache. Den angeforderten Gesamt¬
betrag hinaufzusetzen, dafür wird gerade in dieser Tagung, wo
Ersparnisse auf allen Gebieten gemacht werden sollen, wohl
gar keine Stimmung vorhanden sein.
Wir müssen uns nun einmal mit dem Pauschale abfinden,
getreu dem alten Wahrspruch „es geht auch so“, zumal
wenn die Härten der einzelnen Festsetzungen beseitigt und
die Pauschalien dann auf eine Reihe von Jahren festgelegt
werden.
Wir können das um so eher, als die Pauschalien, wie ich
bereits am 10. Oktober 1907 in der B. T. W. ausführte, mit
gewissen Vorteilen verknüpft sind, die zweifellos schon jetzt
hervorgetreten sind und in Zukunft noch mehr hervortreten
könnten.
Dem Pauschale als solchem ist man ja auch früher nicht
ganz abgeneigt gewesen. Im Jahre 1905 haben sich bei einer
Rundfrage von 352 Kreistierärzten 269 für die Pauschalierung
ausgesprochen, wenn dadurch der volle Rang der Räte V. Klasse
für alle Kreistierärzte erreicht werden könnte und nur 83
erklärten sich gegen die Pauschalierung, auch wenn die Rang¬
frage alsbald in unserem Sinne geregelt würde.
Werden die Pauschalien indes alljährlich fest¬
gesetzt, so fällt ihr Hauptvorteil, der der Stetigkeit,
fort. Dann werden die Kreistierärzte nach wie vor jeden Auftrag
abwarten, selbst wenn sie in drei Tagen drei Reisen in denselben
Ort machen müßten. Nehmen wir nämlich amtliche Verrichtungen
ohne amtlichen Auftrag vor, so verzichten wir dabei auf das Recht,
die Reise zu liquidieren. Wir begeben uns in die Gefahr, daß
die Forderungsnachweise hinuntergehen und das Jahrespauscliale
herabgesetzt wird. Deshalb wird aus Nützlichkeitsgründen der
Eingang von Aufträgen abgewartet. Ich habe gehört, daß
sogar Seuchenfeststellungen auf Antrag des Besitzers in einem
Orte, in dem sich der Kreistierarzt gerade befand, unter Be¬
rufung darauf abgelehnt sind, daß erst der amtliche Auftrag
eingehen müsse. Und doch wäre es aus verschiedenen Gründen
erwünscht, daß die öde, unverständige Fahrerei endlich be¬
schränkt würde, natürlich unter vollständiger Aufrechterhaltung
des alten Grundsatzes, daß jeder Auftrag zu einer Seuchen¬
feststellung sofort erledigt wird. Der Kreistierarzt muß in der
Lage sein, ohne ängstlich an den Auftrag denken zu müssen,
sich gelegentlich selbst von dem Seuchenstand oder von einer
Desinfektionsausführung überzeugen zu können. Dann kann es
nicht Vorkommen, daß Tierbesitzer unnötigerweise V 4 Jahr und
länger unter Sperre bleiben, weil die Polizeibehörde Aufträge
zu senden unterlassen hat. Der Polizeibehörde bliebe dann
manches Schriftwerk erspart, und Tierbesitzer und Veterinär¬
polizei hätten ihren-Vorteil. Wir selbst hätten mehr Ellbogen¬
freiheit und könnten die ersparte Zeit anderen veterinär- und
sanitätspolizeilichen Fragen und den von der Landwirtschaft ge¬
stellten Aufgaben widmen.
Aus obigen Gründen plädiere ich dafür, daß die einmal für
die einzelnen Kreise festgesetzten Pauschalvergütungen auf längere
Zeit, mindestens für einen Zeitraum von fünf Jahren,
gewährt werden. Der Staat hat das allergrößte Interesse
daran, daß die Bezirke möglichst seuchenfrei sind. Das Interesse
des Kreistierarztes läuft dem des Staates parallel. Der Kreis¬
tierarzt wird daher alles aufbieten, um jede Seuche in seinem
772
BERLIN EU TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43.
Kreise schon im Keim zu ersticken. Der Mittel und Wege
gibt es viele.
Werden die Pauschalien für einen längeren Zeitraum ge¬
währt und bietet man uns damit größere Bewegungsfreiheit, so
wird die Zahl der Reisetage und die Menge der Kilometer,
wenn ich mich nicht irre, so wesentlich herabgehen, daß durch
Kaiserliche Verordnung ruhig bestimmt werden kann, daß wir
die unserem Range entsprechenden Tagegelder und Reisekosten,
hoffentlich bald die der V. Rangklasse, in die Forderungs¬
nachweise aufnehmen können, ohne daß an der Gesamthöhe der
festgesetzten Pauschalien in absehbarer Zeit etwas geändert zu
werden braucht. Höhere Tagegelder und Reisekosten werden
ein Gegengewicht bilden gegen das Sinken der Reisetage und
Kilometer.
Ich bitte diejenigen, denen das Ohr des Herrn Ministers
und seiner Räte offen steht, diesen Vorschlag weiterzugeben,
durch den die ewige Unruhe im kreistierärztlichen Stande aus
der Welt geschafft würde, zumal, wenn uns bald der „Mandarinen¬
knopf“ verliehen wird, was um so mehr zu erhoffen ist, als die
Stabsveterinäre, die jetzt mit uns in gleichem Range stehen,
voraussichtlich vom 1. April 1909 ab Rittmeisterrang erhalten,
der der V. Klasse der Beamten entspricht.
Die 80. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Ärzte in Köln
vom 20.—26. September 1908.
Berichterstatter: Kreistierarzt Francke-Köln.
(Fortsetzung.)
Oie Eröffnungssitzung.
Wenn das alte hillige Köln Gäste empfängt, die es ehren
will, dann erschließt es den Saal, der seit mehr als 400 Jahren
den Rahmen für alle großen städtischen Feste bildet, den alten
ehrwürdigen Gürzenich. Hier hat schon 1505 ein deutscher
Reichstag getagt, hier wurde Kaisern und Königen der Ehren¬
trunk kredenzt und keines der an stolzen Gebäuden gewiß nicht
armen Stadt wäre mehr geeignet, Kölns Bedeutung in Ver¬
gangenheit und Gegenwart fremden Besuchern so vor Augen zu
führen, wie dieser weite, prächtige, gotische Saal, den längst
versunkene Geschlechter erbaut und die nachfolgenden liebevoll
erhalten und verständnisvoll erweitert haben. In der einzig¬
artigen Stimmung dieses Raumes wirkte die feierliche Er¬
öffnungssitzung, die der Montag brachte, doppelt feierlich.
Der erste Einführende Prof. Dr. Tilmann von der Akademie
für praktische Medizin in Köln leitete die Sitzung ein mit einer
Ansprache, in der er die staatlichen und städtischen Behörden
begrüßte. Eine so große Versammlung, so betonte er, könne
nur erfolgreich tagen, wenn sie von dem Vertrauen der ma߬
gebenden Behörden und der Bürgerschaft getragen sei. Köln
habe durch seine Einrichtungen gezeigt, daß es auch für wissen¬
schaftliche Bestrebungen ein offenes Auge besitze. Deshalb sei
auch die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte —
eingedenk des angenehmen Verlaufes der Tagung vor 20 Jahren
— der Einladung, wiederum hier zn tagen, gerne gefolgt. Auf
jener Tagung sei mit der Neuorganisation der Gesellschaft be¬
gonnen, die seitherigen Fortschritte ließen den Schluß zu, daß
dieselbe ein Machtfaktor im wissenschaftlichen Leben Deutsch¬
lands zn werden verspreche. Die Ansprache klang in ein Hoch
auf den Kaiser aus, das die Versammlung durch die Absendung
eines Huldigungstelegramms noch bekräftigte.
Den Willkommensgruß der Königlichen Staatsregierung
entbot, zugleich namens Sr. Exzellenz des Kultusministers und
Sr. Exzellenz des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, die beide
am Erscheinen verhindert waren, Regierungspräsident
Dr. Steinmeister. Er könne, so führte der Redner aus, kaum
einen wissenschaftlichen Kongreß nennen, den er mit größerer
Sympathie begrüßen würde, als die Gesellschaft deutscher
Naturforscher und Ärzte. Keine andere Wissenschaft greife,
neben ihren idealen Zielen, so in die vitalsten Interessen der
Menschheit ein als die, zu deren Förderung die Gesellschaft
vor 80 Jahren gegründet sei. Unser ganzes Kulturleben
beruhe in letzter Linie auf der steigenden Naturerkenntnis.
In höherem Maße als der Naturwissenschaft zolle er als Mensch
und Beamter der Heilkunst und der Hygiene seine Bewunderung.
Redner erinnert an die gewaltigen Fortschritte aller Zweige
der Medizin und an den Siegeszug der Hygiene, deren hohe
Bedeutung stets die Würdigung der Staats- und Kommunal¬
behörden erfahren habe. Daß die Bestrebungen nicht ver¬
geblich gewesen seien, beweise die Statistik in der zunehmenden
Besserung der Volksgesundheit und Verlängerung der Lebens¬
dauer trotz der Mehrung der gesundheitswidrigen Einflüsse des
Lebens unserer Zeit. Noch viele unbekannte Gebiete seien zn
erforschen, möge die Versammlung dazu beitragen, diese un¬
absehbaren Felder weiter aufzuschließen zu ihrer eigenen Be¬
friedigung, der Wissenschaft zur Förderung, der Menschheit
zum Segen.
Nunmehr ergriff das Oberhaupt der Stadt Köln, Ober¬
bürgermeister Wallraf, das Wort: Zum zweiten Male seit
dem Bestehen der Gesellschaft hat die Stadt Köln heute die
Ehre, den Naturforscher- und Ärzte tag zu begrüßen. Zwischen
damals und heute liegen 20 Jahre friedlicher gewaltiger Ent¬
wicklung nicht zuletzt auch für den Acker, den zu bestellen
Naturforscher und Ärzte berufen sind, dessen Früchte mitzuernten
der ganzen Kulturmenschheit beschieden ist. Die ärztliche
Wissenschaft hat sich nicht nur gehoben und vertieft, sie ist
auch in die Breite gewachsen und was früher Vorrecht be¬
vorzugter Stände war, das ist zum Gemeingut breiter Schichten
der Bevölkerung geworden. Die soziale Medizin ist erstanden.
In der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte erblicken
wir die Pioniere und Bannerträger dieses Strebens. Hat auch
im Laufe der Jahre manch engerer Verband dem Zuge der
Spezialisierung folgend, sich auf. eigene Füße gestellt, so bleibt
doch Ihre Gesellschaft das große, zusammeiifassende Band.
Anknüpfend an das Wort Alexander von Humboldts, das
für die Wissenschaft, wie für die Praxis gelte: „Jedes Natur¬
gesetz, das sich seinem Beobachter offenbart, läßt auf ein höheres,
noch unerkanntes schließen. Denn die Natur ist das ewig
Wachsende, ewig im Bilden und Entfalten Begriffene“, schloß
die Rede mit dem Wunsche, daß auch die beginnende Tagung
diesem Streben eine Förderung bedeute; gleichzeitig aber, daß
die Stadt, die nicht nur eine Stadt der Arbeit, sondern auch
eine Heimstätte heiterer Lebenskunst sei, die Teilnehmer nach
des Tages Mühen fröhlich rasten lassen möge.
Nachdem nun noch namens der Universität Bonn Geheimrat
Professor Erdmann, , für die Handelshochschule in^Köln Pro¬
fessor Reitter und als Vertreter der Akademie für praktische
Medizin in Köln Professor Hochhaus gesprochen hatten, schloß
der derzeitige erste Vorsitzende der Gesellschaft, Professor
Dr. Wettstein von Westersheim-Wien, den Festakt mit
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
773
^ 2 2. Okto ber 1908.
Dankesworten an die Behörden, die Hochschulen und wissen¬
schaftlichen Vereine und es begannen die wissenschaftlichen
Vorträge.
Die Verhandlungen der Abteilung 31
„Praktische Veterinärmedizin“.
Am Montag nachmittag nahmen die einzelnen Abteilungen ihre
Tätigkeit anf.
Die Sitzungen der naturwissenschaftlichen Hauptgruppe fanden
teils in der Handelshochschule, teils in den Räumen des Rauten-
strauch-Joest-Museums statt. Die medizinische Hauptgruppe, dar¬
unter die Abteilung 31, erledigte ihre wissenschaftlichen Verhand¬
lungen in den geräumigen Hörsälen der Königlichen Maschinenbau-
scfaule am Ubierring. Dieser stattliche moderne Bau beherbergte
auch die Geschäftsstelle und die Ausstellung von Neuheiten auf dem
Gebiete der Medizin und der Naturwissenschaften, von der noch
weiter unten zu reden sein wird, nnd war der Schauplatz eines
regen Lebens und Treibens.
An den Verhandlungen der Abteilung 31 nahmen nach dem
Ausweis der Präsenzlisten folgende Herren teil:
1. Dr. Albert-Berlin, 2. Dr. Ammeiburg, 3. Dr. Bützler-
Trier, 4. Bächstädt-Köln, 5. Bockelmann-Aachen, 6. Dr. Beck¬
mann, 7. Dannenberg-Köln, 8. Diekmann-Remscheid, 9. Doh-
mann-Kottbus, 10. Dr. Frey tag-Magdeburg, 11. Frick-Rawitsch,
12. Francke-Köln, 13. Dr. Fambach-Glauchau, 14. Friedrich-
Halle a. S., 15. Giesen-Köln, 16. Helfers-Prenzlau, 17. Heyden-
Hermülheim, 18. Hofstadt-Heilbronn, 19. Dr. Im misch-Dresden,
20. Dr. Jäger-Frankfurt a. Main, 21. Dr. Krautstrunk-Bonn,
22. Kaspareck-Prag, 23. Koch-Hannover, 24. Kühnau-Köln,
25. Koll-Koblenz, 26. Dr. Lothes-Köln, 27. Matthiesen-Hannover,
28. Dr. Marxer-Berlin, 29. Müller-Ottweiler, 30. Dr. Mießner-
Bromberg, 31. Meyer-Köln, 32. Dr. Neumark-Berlin, 33. Nehr¬
hau pt-Köln, 34. Dr. Prof 6 -Köln, 35. Prof. Dr. Peter-Hamburg,
36. Rickmann-Höehst, 37. Dr. Rusche-Köln, 38. Ricliter-Sieg-
burg, 39. Reif-Wadern, 40. Riehlein-Biberach, 41. Schaaf-
Hoebbeim, 42. Dr.-Schi pp-Gießen, 48. Dr. Schmitt - Zülchow,
44. Stolz-Köln, 45. v. Sande-Frankfurt a. M., 46. Dr. Schaefer-
Friedenau, 47. Dr. Tiede-Köln, 48. Wertheim-Saarlouis,
49. Wilkens-Warendorf, 50. Ziegenbein-Wolmirstedt, 51. Dr.
Zanders-Köln.
I. Sitzung,
Montag, den 21. September, nachmittags.
Eröffnet wird die Sitzung vom ersten Einführenden, Veterinärrat
Dr. Lothes-Köln, mit einer Begrüßung der zahlreich erschienenen
Teilnehmer und einigen geschäftlichen Mitteilungen. Nach seinem
Vorschlag einigt man sich dahin, die Vorträge, selbst wenn sich
dadurch längere Sitzungen nicht vermeiden lassen sollten, hinter¬
einander tunlichst bis Mittwochabend zu erledigen, damit auch
die Herren, die vorzeitig abzureisen gezwungen seien, Gelegenheit
hätten, alle Vorträge zu hören.
Aus der Wahl zum Vorsitzenden geht Veterinärrat Ziegen¬
bein-Wolmirstedt hervor.
Nunmehr tritt man in die Tagesordnung ein. Als erster redet
Dr. Jäger-Frankfurt a. M.: „Über die Tumorgenese“.
Die Fragen der Onkologie schließen sich eng an an
die Fragen der Organologie, also der Entwicklungs¬
geschichte der normalen Organe. Bei einer kritischen Be¬
trachtung de» mikroskopischen Gesamtbildes der Tumoren erkenne
man überall ein streng gesetzmäßiges Zusammenwirken aller be¬
teiligten Zellarten, in jeweils ganz charakteristischer Weise, zur
Entstehung organartiger Bildungen. Sowohl der architektonische
Bau, dessen Wesen und Bedeutung sich bei der Metastasierung
geltend mache, wie der physiologische Charakter der Tumoren
weisen uns daB Verständnis ihrer Organartigkeit in vollem Umfange.
Mit der Realisierung eines ausgesprochenen Organisationsplanes
bei allen Geschwülsten könne man die Tumorzellen nicht mehr als
wachstumsfähige Elemente an sich betrachten. Vielmehr sei es
Aufgabe, einmal die Faktoren zu diskutieren, welche zunächst den
Geschwulstkeim schaffen. Die andere Frage betreffe die Art der
Kräfte, die in der Fähigkeit der Tumorzellen, bei ihrer Wucherung
speziell in organartigem Bau sich zusammenzufinden, zum Ausdruck
kommt. Da die ätiologischen Fragen der Organogenie entwicklungs¬
mechanische Probleme sind, so sei anch die Frage der Entstehung
eines Tumors ein entwicklungsmecbanisches Problem von der grund¬
sätzlich gleichen Art wie der Werdegang irgendeines Organs.
An der Hand der Erscheinungsformen der Tumoren erörtert
nun der Vortragende des ausführlichen die Möglichkeit, die sich
nach Eugen Al brecht entwicklungsmechanisch für die Schaffung
einer Geschwulstanlage ergeben. (Siehe B. T. W. 1908, S. 66.)
Als logisches Postulat habe sich für die Vorgänge der normalen
Entwicklung aus den verschiedensten Untersuchungen die Existenz
chemischer, spezifisch organbildender Stoffe ergeben.
Man müsse sich daher vorstellen, daß bei der durch die
organischen Stoffe bewirkten Differenzierung der in der Bildung
begriffenen Organverbände in gewissen Zellkomplexen Störungen
unterlaufen, die zunächst mal deren Isolierung veranlassen, und so
den Geschwulstkeim schaffen. Die organologische Betrachtung der
Tumoren zwingen uns dann, für die Onkologie atypische, organogene
Bildungsstoffe in Anspruch zu nehmen; die in weiterer Folge die
Wachstumstätigkeit der Tumorzellen dirigieren. Für die Entstehung
der bösartigen Tumoren könne man sich nur vorstellen, daß be¬
sondere chemische Stoffe von malignem Charakter ihre Wii ksamkeit
als auslösendes Moment hier ausüben, die sowohl organoide Wuchs¬
stoffe an sich sind, als auch zugleich schrankenloses Wachstum
auslösen. Der Vortragende rekapitulierte, daß die letzte Frage in
| der Geschwulstlehre nicht eine Frage nach der Zellwucherung,
sondern nach den Abnormitäten der Organbildung sei, sowohl der
embryonalen wie postembryonalen Entwicklung. Wie die im Laufe
der normalen Ontogenese vorgesehenen Bildungsfaktoren dem
Chemismus des Körpers angehören, so sei auch das zelluläre Problem
der Tumorengenese ein rein chemisches.
In der Diskussion bemerkt zunächstVet.-Rat Rickmann-Höchst
als Stütze der Jäger sehen Erklärung, daß chemische Agentien für
die Genese der Tumoren in Betracht zu ziehen sind, könne es
dienen, daß in Anilinbetrieben Blasentumoren in besonders auf¬
fallender Weise und Anzahl beobachtet werden. Es handelt sich
in diesen Fällen um Karzinome meist bösartigen Charakters.
Dieselben werden bei Menschen jeden Alters, auch bei jugendlichen
Individuen gefunden.
Professor Dr. Peter-Hamburg erkundigt sich nach dem Stande
der Frage der parasitären Entstehung der malignen Tumoren, indem
er daran erinnert, daß es Sticker gelungen sei, Sarkome von Tier
zu Tier durch verschiedene Generationen zu übertragen.
Dr. Jäger: Die Frage der positiven Übertragung von Sarkomen
bei Hunden, von malignen Tumoren allgemein bei Mäusen erklärt
sich sehr wohl im Rahmen der organoiden Entstehungstheorie der
Tumoren.
Dr. Schipp-Gießen wünscht Auskunft über das Vorkommen der
Hamartome bei Haustieren und über die Unterscheidung dieser
Tumoren von chronisch entzündlichen Vorgängen nnd weist auf
die Schwierigkeiten der Diagnostik bei bösartigen Epithel Wucherungen
hin, worauf
Dr. Jäge r-Frankfurt erwidert, daß er bei sämtlichen Haustieren
Hamartome verschiedenster Art gefunden habe. Hamartome seien
durch ihre Abgeschlossenheit gegen das umgebende Gewebe scharf
unterschieden von chronisch entzündlichen Vorgängen.
Dr. Prof 6-Köln: Bei Tumortransplantationen bei Mäusen ist die
Zahl der mit Erfolg behandelten Mäuse eine wechselnde. Spätere
Generationen wachsen häufiger an, bis zu 90 Proz.; weiterhin tritt
meist ziemlich schnell Abfall ein.
Auf einer gewissen Höhe zeigen die Tumoren ausgesprochene
Neigung zu Metastasenbildung. Bei Infektionsversuchen mit
Kulturen, die zwar hinsichtlich des Nachweises eines Infektions¬
erregers negativ ausfielen, die aber zu Tumorbildung führten, hat
offensichtlich das Trauma als ätiologisches Moment gedient.
Dr. Jäger teilt diese Ansicht. Er kann die Beobachtungen des
Vorredners hinsichtlich des Verhaltens der Mäusekarzinome aus
eigner Erfahrung bestätigen.
An zweiter Stelle spricht Professor Dr. Peter-Hamburg: „Die
Neurektomie In der tierärztlichen Praxis“. Der Vortrag wird in dieser
Zeitschrift in extenso veröffentlicht werden. Es folgt daher hier
nur eine Wiedergabe der Schlußsätze:
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43.
774
Die besten Erfolge sind nach alter Erfahrung von der Doppel-
neurektomio der Volar- und Plantarnerven zu erwarten.
Es bestätigt sich immer wieder, daß diese Operation das beste
Palliativmittel gegen die Podotrochlitis chronica darstellt, welche
Lahmheit vor 100 Jahren den Engländern zur Erfindung dieser
Neurektomie den Anlaß gab. Gleich gute Dienste leistet sie gegen
die chronischen Arthriten und Periarthriten deB Kronengelenks und
chronische Huflahmheiten, die mit Dislokationen oder Wucherungen
der Homteile nicht verbunden sind.
Die Doppelneurektomie des Tibialis und Peroneus gegen Spat
hat verhältnismäßig günstige Resultate aufzuweisen, immerhin ist
der Erfolg wechselnd und anscheinend der Regel nach nicht von
Dauer. Zu empfehlen ist diese Neurektomie im allgemeinen gegen
alle chronischen Entzündungen der Sprung- und der Fesselgelenke,
sowie gegen Periostiten an den Metatarsalknochen. Eine annähernd
gleiche Beurteilung hat sich die Doppelneurektomie des Medianus
und Ulnaris in Beziehung auf die entsprechenden Krankheitszustände
im Vorderfuß ejworben.
Nicht zti empfehlen sind diese Doppelneurektomien gegen die
häufige Tendinitis und Tendovaginitls chronica an den Beugern
der Zehe.
Für alle Arten dieser Operationsmethode haben als Kontra¬
indikationen zu gelten nicht nur die akuten, sondern auch alle
chronischen Entzündungszustände des Hufes mit erheblichen Ver¬
lagerungen und Veränderungen der Hornkapsel und denjenigen Be¬
wegungsanomalien, die Greifen in die Ballen und auch Streichen an
der Hufkrone verursachen können.
Diskussion.
Veterinärrat Ziegenbein-Wolmirstedt hält die Neurektomie für
die ultima ratio. Bei Kaltblütern, bei denen er die Operation
wegen Schale machte, hat er fast stets Ausschuhen danach
gesehen. Edlere Pferde, wie Halbblüter, ertrugen die Operation
besser. Bei zwei Halbblütern trat späterhin Sehnenzerreißung in
der Höhe der Sesambeine bzw. Ausschuhen mit anschließender
jauchiger Infiltration der Unterhaut und Septikämie ein. Der Be¬
sitzer muß vor der Operation stets auf die Gefahr des Ausschnhens
hingewiesen werden.
Prof. Dr. Peter-Hamburg: Die Häufigkeit der Exungulation nach
Neurektomie, wie sie der Vorredner erlebt hat, ist auf besondere
unglückliche Umstände zurückzuführen. Pferde mit flachen, wenig
tragfähigen Hufen dürfen nicht neurektomiert werden. Die Zer¬
reißung der Beugesehne könne durch einen schon vor der Operation
an der Rupturstelle vorhanden gewesenen entzündlichen Krankheits¬
prozeß begünstigt worden sein.
Veterinärrat Dr. Lothes-Köln stimmt Ziegenbein darin bei,
daß die Erfolge der Neurektomie sich bei Kaltblütern weniger
günstig gestalten, als bei Halbblütern. Es liege dies daran, daß
bei den ersteren ungleich häufiger abnorme Hufe Vorkommen als
bei letzteren. Die Mehrzahl des rheinisch-belgischen und dänischen
Kaltblutes habe mangelhafte Hufe, die die Neurektomie kontra-
indiziert erscheinen lassen.
Veterinärrat Dr. Fambach-Glauchau: Totale wie auch partielle
Verknöcherung des Hufknorpels sind ebenfalls Kontraindikationen
für die Neurektomie.
Prof. Dr. Peter tritt dem bei.
Als nächsten Gegenstand behandelt Dr. Jäger-Frankfurt a. M.:
„Die Genese der pathologisch sich bildenden intralobularen, epithelialen
Gallenkapillaren .“*)
Leberzellen wie Gallengangsepithelien leiten sich bekanntlich
cntwicklungsge8chichtlich von den gleichen Ausgangselementen her,
den Zellen der aus dem kranialen Lebergange hervorsprossenden
Leberzylindern. Auf einem späteren Stadium der Ontogenese bilden
sich dann diese zum Teil zu dem Duktusbiliferi um, indem ihre
Zellen zu kubischen bzw. zylindrischen Auskleidungselementen
sich umformen. Zum anderen Teil differenzieren sich die Zellen
weiter und erfahren ihre chemische Einstellung als gallesezeraierende
Elemente. Bei dem Studium einer Aspergillusmykose der Rehleber
ergaben sich mir nun äußerst interessante Einblicke in die Organologie
*) Das Autoreferat wird auf Wunsch des Verfassers unverkürzt
wiedergegeben.
der embryonalen Leberzylinder, Ergebnisse, die befruchtend auch
auf die Erkenntnis der organoiden Bildungsvorgänge wirken, wie
sie der Tumorengenese zugrunde liegen.
Es standen mir drei Lebern zur Verfügung, die alle das gleiche
Bild boten. Ihre glatte Oberfläche weist einige flache Hervor¬
wölbungen auf, die auf dem Durchschnitt sich als bis apfelgroße,
fast kugelrunde Knoten von weißgelblicher Farbe zu erkennen
geben. In den die Knoten bildenden käsigen Massen ist jede Zell¬
struktur verloren gegangen. Sie sind erfüllt von einem dichten
Pilzmycel, das einer Apergillusart angehört. Der Übergang aus
dem nekrotischen Gewebe in das noch erhaltene vollzieht sich fast
unvermittelt, es fügt sich an das erstere in scharfer Linie als ganz
schmaler Saum ein lockeres, an auffallend großen jungen Fibro¬
blasten reiches Bindegewebe, dem dann das Leberparenchym in
normaler Konfiguration und Beschaffenheit sich anschließt.
Nur ein eigenartiger Vorgang beherrscht die weitere Parenchym¬
umgebung der Pilzherde. Die peripheren Winkelstellen der Leber¬
läppchen werden von einem Kranze epithelialer Zellschläuche um¬
geben, die alle Eigenschaften kleinster präkapillarer Gallengänge
aufweisen. Sie sind in bestimmter Ordnung gruppiert, indem sie
radienförmig im Anschluß an das bindegewebige Zentrum in die
Umgebung ausstrahlen. Die Leberläppchen sind infolge dieser
örtlichen Beziehung der Epithelkanälchen zu den Winkelstellen in
ihren Außenbezirken gleichsam in die epithelialen Schläuche auf¬
geteilt. In den vorgeschrittenen Stadien des Prozesses werden
auch die breiten Berührungsflächen der Lobuli von diesen Vor¬
gängen betroffen, und schließlich können ganze Leberläppchen von
dem Gefüge der epithelialen Zellschläuche ersetzt werden. Die
Epithelkanälchen besitzen eine ausgesprochene trabekuläre Struktur,
die noch besonders dadurch zum Ausdruck kommt, daß sie in
ihrem Verlauf nach der Läppchenmitte zu in direktem Anschluß
an die Leberzellbalken stehen, also eine offensichtliche Einreihung
in deren System erfahren haben. Die Orientierung der einzelnen
Elemente der Zellschläuche ist derart, daß sie zwei Reihen dicht
stehender wohl charakterisierter Epithelzellen bilden, die zwischen
sich eine deutliche Lichtung fassen, dife besonders im Querschnitt
der Trabekeln zur Geltung kommt. Die Epithelzellen zeigen eine
weitgehende Übereinstimmung mit den Epithelien präkapillarer
Gallengänge, mit denen sie sowohl die kubische Gestalt und die
basale Kernlagerung, wie die helle Tinktion des Protoplasmas ge¬
meinsam haben. Das umgebende Leberparenchym bietet sich in
durchaus normalem Bilde dar.
Äußerst prägnante Bilder bieten Anfangsstadien des Prozesses.
In dem Verbände einzelner Leberzellbalken, ohne daß seine Balken¬
anordnung sich lockerte, sieht man im Anschluß an große,
sphärisch-polygonale Leberzellen plötzlich Zelldifferenzen auftreten.
In dem Verlauf der einzelnen Trabekeln erscheint an Stelle des
Leberzellenparenchyms ein der Zellgrenzen entbehrendes, syncytium-
artiges Protoplasma, in dem dichtgedrängte Kerne auftreten, die
sowohl in ihrer ovalen Form wie in ihrer Chromatinlagerung’
typische Veränderungen gegenüber den Leberzellkernen aufweisen.
Durch ihr Kernbild und ihre helle Protoplasmatinktdon charak¬
terisieren sich die neuen Elemente der Leberzellbalken offen¬
sichtlich als den Gallengangsepithelien sehr nahestehende Gebilde.
In der Tat nehmen sie im trabekulären Verlauf sehr bald jenen
ausgeprägten Epithelcbarakter an, der sie an die Seite der Gallen¬
gangsepithelien stellt Ihr Protoplasma erfährt eine deutliche Ab¬
grenzung, wobei sich die einzelnen Zellen wie Bausteine um ein
Lumen formieren.
An der capsula Glissonii der interlobulären Winkelstellen er¬
mangelt sowohl entzündliche Infiltration wie Umfangsvermehning
des Bindegewebes. Auch die Gallengänge sind frei von ent¬
zündlichen Vorgängen. Dagegen erhalten die Gallengänge ein
charakteristisches Bild in der weiten Nachbarschaft des Nekrose¬
knotens und am Leberhilus durch die massenhafte Aussprossung
von Epithelschläuchen, die in dichter Lagerung wie adenoide Ge¬
bilde die unmittelbare Umgebung besetzt halten. Ein Zusammen¬
hang zwischen ihnen und den neuentstandenen epithelialen Gallen¬
kapillaren in den Leberläppchen ist nicht nachzuweisen. Beide
Bildungen treten gänzlich unabhängig von einander auf. Die
gleichen Vorgänge spielen sich in der Gallenblasenwand ab.
22. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
775
Faßt man diese verschiedenen Dinge zusammen, so drängt sich
einem geradezu die Deutung auf, daß die neu entstandenen intra¬
lobulären epithelialen Gallenkapillaren nur zu den Leberzellbalken
in genetischer Beziehung stehen können. Man kann im Verbände
der Baikenstruktur die symptomenlose Vermehrung bzw. Aufteilung
der Leberzellen fast beobachten, wobei nicht Tochtergebilde
resultieren, die den Mutterzellen gleichen, sondern Zellen, die mit
den embryonalen Schwesterelementen der Leberzellen,
den Gallengangsepithelien, identisch sind.
In analoger Weise wie der eingangs dargelegte Entwicklungs¬
gang der embryonalen Leberzylinder läuft der Prozeß, nur in um¬
gekehrter Richtung, offenbar hier ab, indem die Leberzellen aus
ihrem parenchymalen, also sicher hoch spezialisierten Zustand in
den einer lediglich auskleidenden Zelle übergehen. Wir werden
uns darüber nicht zweifelhaft sein können, daß dieser Vorgang den
Charakter eines Rückbildungsprozesses in sich schließt, daß mit
der Aufteilung der Leberzellen eine Rückkehr zum embryonalen
Typus erfolgt. In diesem Sinne präsentieren sich die intralobulären
Epithelkanälchen als entdifferenzierte Leberbalken.
Analog dem progressiven Auftreten epithelialer Gallengangs¬
elemente in den Epithelbalken der Leberläppchen findet bedeut¬
samerweise eine solche Massenzunahme der Gallengangsepithelien
auch in dem intralobulären Kanalsystem statt, nur daß sie hier
sich aus einer Proliferation der präexistenten herleitet. Aber es
handelt sich hier wie dort bei den neu entstandenen Epithel¬
formationen um prinzipiell gleichartige Bildungen. In beiden
Fällen sind es Gebilde, deren Elemente Gallengangsepithelien
dar 8 tellen.
Bei kritischer Würdigung all’ dieser Erscheinungsformen kann es
dann keinem Zweifel unterliegen, daß die adenomatöse Entartung
der intralobulären Gallengängc und die progressive Umwandlung
der Leberzellbalken zu selbständigen, epithelialen Gallenkapillaren
eine gemeinsame ätiologische Basis besitzen, daß die Ursache der
Gallengang 8 wucherung zugleich auch das Auftreten der Epithel¬
kanälchen veranlaßt. Gallengangsepithelien wie Leberzellen proli-
ferien, nur daß die letzteren hierbei morphologisch wie physiologisch
in den Zustand epithelialer Auskleidungselemente zurückfallen, wie
ihn die ersteren darstellten, als sie bei ihrer Bildung aus dem ent¬
wicklungsgeschichtlich gleichen Ausgangstypus,, den Leberzylindern,
keine Höherenentwicklung erfuhren: bei der Aufteilung der Leber¬
zellen scheidet hier also das Moment ihrer Weiterdifferenzierung aus.
Das massenhafte Auftreten der Epithelkanälchen ist dem¬
nach aus einem organoiden Wucherungsprozeß im Ent¬
wicklungsbereich der embryonalen Leberzylinder zu er¬
klären, der mit einer Entdifferenzierung ihrer höchst
organisierten Elemente, der Leberzellen, einhergeht. Die
Faktoren, die zum Ausgangspunkt werden, sind in der Stoffwechsel-
sphäre des Aspergillusherdes gegeben, aus der organogene Wucher¬
stoffe hervorgehen.
Wir sehen, das die Pathogenese der beschriebenen Epithel¬
kanälchen einen instruktiven Beitrag bietet zur Erkenntnis des
Wesens organogen wirkender, stofflicher Reize und der von ihnen
ausgelösten organogenen Bildungsvorgänge: ein für die organoide
Auffassung der Tumoren bochbedeutsamer Prozeß.
Diskussion:
Dr. Mießner-Bromberg vertritt die Ansicht, daß die Gallen¬
kapillaren nicht infolge des Reizes der Aspergillus-Ausscheidungen
entstanden sind, sondern gewisse Regenerationserscheinungen
darstellen, zu welchen der durch die Geschwulst bedingte Untergang
von Leberzellen Anlaß gegeben habe.
Dr. Jäger-Frankfurt widerspricht dem unter Hinweis auf seine
im Vortrage gegebenen Darlegungen.
Dr. Freytag-Magdeburg hält es für unwahrscheinlich, daß aus
Leberzellen Gallenepithelien entstehen könnten.
Der folgende Redner ist Dr. Freytag-Magdeburg. Dieser erledigt
das Thema: „Bekämpfung der Maul- und Klauenseuohe mittelst Bosanats
und Boeanols“ mit der kurzen Bemerkung, daß die günstige Wirkung
dieser Mittel zu weiteren Versuchen auffordere und führt dann zu
dem weiter von ihm angemeldeten Vortrage: „Was sind Blutplättchen?
Ein Beitrag zum Wesen der Hämogloblnämie“ folgendes aus: Blut¬
plättchen entstehen durch Trennung des Hämoglobins vom Blut¬
körperchenstroma. Dieser Vorgang läßt sich durch gewisse Mittel
experimentell erzeugen. Entsprechend ist wahrscheinlich die
Trennung bei der Hämoglobinäinie zu denken.
Nach Kokaininjektion bei Kaninchen sah Referent das Blut
schwarz werden, d. h. das Hämoglobin war in das Serum übor-
getreten. Geeignete Gegenmittel müßten einmal diese Trennung
hindern, andererseits die Vereinigung fördern.
Die Hämoglobinämie besteht mehr in der Änderung des bis¬
herigen physiologischen Verhaltens der Erythrocyten als in einer
bakteriellen Schädigung. Die vorzeitige Trennung beider Bestand¬
teile der Erythrocyten bzw. Störung der Blutbildung ist die Folge
entsprechender Anomalien des Blutbildungsortes, des Knochen¬
markes.
Diskussion:
Dr. Mießner-Bromberg ist nicht überzeugt davon, daß die Blut¬
plättchen hämoglobinfreie rote Blutkörperchen seien. Dagegen
spreche der starke Chromatingehalt der roten Blutplättchen und die
ungeheuer wechselnde Form dieser Körperchen.
Dr. Freytag-Magdeburg: Blutplättchen als selbständige Form¬
elemente wie die Zellen gibt es nicht. Wie das schon Retterer
ausgefiihrt hat, sind es nur Zerfallsprodukte. Es kommen hierfür
Erythrocyten, Leukocyten und das Amphiplasma in Frage.
(Fortsetzung folgt.)
Trakehnen.
Ihre Majestät die deutsche Kaiserin und Königin von
Preußen und die Prinzessin Victoria Luise kamen am 1. Oktober
von Rominten nach Trakehnen herüber, um das Gestüt zu be¬
sichtigen. Herr Landstallmeister von Öttingen nahm mit
seiner Familie sowie dem Herrn Grafen von Spohneck und dem
Leiter der Arbeiten der deutschen Gesellschaft für Züchtungs¬
kunde, Herrn Professor Dr. Krämer-Berlin an der Rundfahrt
über die Weiden im Jagdwagen teil, wobei die Kaiserin in an¬
regendster Unterhaltung großes Interesse für alle Fragen der
Pferdezucht bewies und eine Reihe von photographischen Auf¬
nahmen machte. Von der Bevölkerung wurden die hohen Damen
überall freudig begrüßt, und das herrliche Herbstwetter sowie
die eigenartig stimmungsvolle Landschaft trugen das ihrige
dazu bei, das Bild besonders reizvoll zu gestalten.
50 jähriges Jubiläum als Tierarzt
In voller körperlicher Rüstigkeit und geistiger Frische
feierte am 1. Oktober d. J. Herr Kollege Siebert in Quedlin
bürg sein 50jähriges Jubiläum als Tierarzt. Ferdinand
Siebert wurde am 17. September 1833 in Oranienburg bei
Berlin geboren und dortselbst im Waisenhaus erzogen. Er
besuchte die damalige Tierarzneischule in Berlin und wurde am
1. Oktober 1858 zum Unterroßarzt und 1874 zum Roßarzt
befördert. Lange Jahre gehörte er dem Magd. Husaren-Regiment
Nr. 10 (Garnison Schoenebeck a. E.) an. Nach Zurücklegung
einer aktiven Dienstzeit von 35 Jahren, während welcher er an
den Feldzügen 1864, 1866 und 1870/71 teilnahm und sich in
denselben hervortat, ließ er sich pensionieren, verblieb aber als
praktischer Tierarzt und Sanitätstierarzt in Schoenebeck a. E.
Im Jahre 1892 gab Siebert die Praxis auf und verlegte seinen
Wohnsitz nach Quedlinburg, wo er noch heute den Kollegen
hilfreich zur Hand geht.
Siebert gehört zu den Alten unseres Standes, auf welche
wir stolz sind. Mit Treue und Hingebung hat er den schweren
Pflichten der Praxis fünf Jahrzehnte hindurch obgelegen und
sich großes Ansehen und allgemeine Beliebtheit erworben. Die¬
selbe kam auch an seinem Jubeltage zum Ausdruck, an welchem
zahlreiche Glückwünsche von Kollegen und Bekannten aus nah
und fern eingingen. Möge es dem verdienten Kollegen und
seiner verehrten Gattin beschieden sein, die Früchte ihres
arbeitsreichen Lebens noch recht viele Jahre in glücklicher,
ungetrübter Zufriedenheit zu genießen.
776
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43.
Herbstversammlung (98.) des Vereins Schlesischer Tierärzte
zu Breslau (Konzerthaus Gartenstraße 39/41)
am 25. Oktober 1908.
I. Vorstandssitzung VaK* Uhr (Saal im 1. Obergeschoß).
II. Gruppensitzungen 10—11 Uhr.
(Die Gruppe der beamteten Tierärzte tagt im Saale des
1. Obergeschosses, die Gruppen der Schlachthoftierärzte und
der Privattierärzte in den beiden Nebenräumen des Kammer¬
musiksaales.}
III. Hauptversammlung 11 Uhr
(im Saale des 1. Obergeschosses).
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten:
a) Eingänge und Mitteilungen;
b) Abgang und Aufnahme von Mitgliedern;
c) Vorstandswahl;
d) Wahlen für die Zentralvertretung der Tierärztlichen Ver¬
eine Preußens und den Deutschen Veterinärrat.
2. Antrag Bermbach.
Ref. Departementstierarzt Veterinärrat Be rmb ach-Oppeln.
3. Erfahrungen bei der Bekämpfung der Rindertuberkulose in
Schlesien.
Ref. Dr. L. Schmidt, Tierarzt der Landwirtschaftskammer
in Breslau.
4. Besprechungen aus der Praxis.
Um 2 Uhr gemeinsames Essen.
Der Vorstand. I. A.: Ri eck.
XXIX. Hauptversammlung des Vereins der OstpreuDischen Tierärzte
am Sonntag, den 1.November 1908, vormittags 12Uhr,
zu Königsberg i. Pr. im oberen Festsaale des Theater-Restaurants.
Tagesordnung:
1. Geschäftliche Mitteilungen.
2. Rechnungslegung.
3. Beratung und Beschlußfassung Uber neue Vereinssatzungen.
Referent: Herr Veterinärrat Dr. Marx-Allenstein.
• 4. Die biologischeDiagnostik der Infektionskrankheiten. Referent:
Herr Direktor Dr. Müller-Königsberg.
5. Allerlei aus der veterinär-polizeilichen und kurativen Praxis.
Eine rege Beteiligung der Herren Kollegen auch als Gäste ist
wegen Besprechung wichtiger Standesfragen erwünscht.
Um 4 Uhr findet in denselben Räumen ein gemeinsames Mittag¬
essen statt. Anmeldungen zu letzterem wolle man bis zum 28. Ok¬
tober d. J. an Herrn Kreistierarzt Dr. Fischoeder, Schnürling-
straßc 22, richten. Der Vorstand. I. A.: Dr. Mehrdorf.
Seuohennachriohteu.
Die Deutsche Veterinärpolizei hat einen seit langem fremd
gewordenen Gast erhalten. In Ostpreußen ist die seit Jahr¬
zehnten in Deutschland getilgte Beschälseuche eingekehrt. Die
Seuche ist in den Kreisen Lyck und Johannisburg aufgetreten
und durch Hengste des Königlichen Landesgestütes Rastenburg
übertragen worden, welche in der abgelaufenen Deckperiode
auf der Station Baitkowen gestanden haben. Dorthin ist wahr¬
scheinlich eine kranke russische Stute geführt worden. Bei
einem der Hengste ist die Beschälseuche festgestellt, in den
genannten Kreisen sind eine Anzahl Stuten erkrankt.
Die Maul- und Klauenseuche ist ausgebrochen auf dem Schlacht¬
viehmarkte zu Metz und im Kreise Ruppin, R.-B. Potsdam.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen: den Kreistierärzten Richard
Michalik- Lötzcn, Rudolf Lnrenx-Lyck, Emil FVerfricA-Kruschwitz,
Edwin A’iW^r-Rybnik, Max, UVcwAc-Wittenberg, Heinrich A r w//-Brakel,
Anton Heckeimann- Rennerod, Otto /MscÄ/e/tf-Kreuznach, Johann
U7vs.w?^or/ f -Elberfeld der Charakter als Veterinärrat; — der Rote
Adlerorden IV. Klasse dem Oberstabsveterinär Emst Höhnke beim
(Hess.) Gardedragoner-Regt. Nr. 23.
Ernennungen: Veterinärbeamte: Die Tierärzte Dr. Karl Qrabert
zum zweiten Kreistierarzt in Stettin, Karl Hochstein-L&xki zum
K. Bezirkstierarzt daselbst. — Schlachthofverwaltung: Die
Tierärzte Gustav *Se*7*-Karls ruhe zum Schlachthaustierarzt in Mann¬
heim, Viktor Bach aus Oels i. Schl, zum II. Assistenztierarzt am
Schlachthof in Königshtitte. — Versetzt: Die Kgl. Bezirkstierärzte
Ludwig Westermaier von Aichach nach Fürstenfeldbruck, Sebastian
Liebl von Neumarkt nach Riedenburg, Martin Sporer von Teuschnitz
nach Marktheidenfeld. Dr. med. vet. Albert Möller in Polch zum
Polizeitierarzt in Düsseldorf.
Niederlassung: Tierarzt Bruno Oslerburg in Praust bei Danzig.
Verzogen: Die Tierärzte Eugen Beck aus Bösingen und Adolf
Aberle von Möhringen als Assistenten der Gr. Bezirkstierärzte nach
Emmendingen bzw. Mosbach, August Zettl von Postau nach München,
Tierarzt Dr. Schumacher , bisher am Schlachthof zu Mainz, als
Assistent des Kreisveterinärarztes Dr. Sauer nach Groß-Gerau bei
Darmstadt.
In der Armee: Preußen: Befördert: Oberveterinär Marks im
Ulan.-Regt. Nr. 7 zum Stabsveterinär; die Unterveterinäre Stange
im Feldart.-Regt. Nr. 72, Stammer im Hus.-Regt. Nr. 14,- Schüler im
Feldart.-Regt. Nr. 73 zu Oberveterinären, überetatsmäßiger Ober¬
veterinär Galke mit dem 1. August 1908 in eine etatsmäßige Ober¬
veterinärstelle eingerttckt; die Studierenden der Militär-Veterinär-
Akademie Jachnke im Drag.-Regt. Nr. 5, Balxer im Feldart.-Regt.
Nr. 56, Haneke im Feldart.-Regt. Nr. 72, Durchholx im Hus.-Regt.
Nr. 13, Meyer ( Wtlh .) im Feldart.-Regt. Nr. 39 — sämtlich unter
gleichzeitiger Kommandierung auf 6 Monate zur Militär-Lehrschmiede
Berlin zum Unterveterinär. — Versetzt: Stabsveterinär Brokmann
im Drag.-Regt. Nr. 12 zum Gren.-Regt. zu Pferde Nr. 3; die Ober-
veterinäre Born im Ulan.-Regt. Nr. 15 behufs Wahrnehmung der
Stabsveterinärgeschäfte zum Drag.-Regt Nr. 12, Kühn im Ktir.-
Regt. Nr. 4 zum Feldart.-Regt. Nr. 25, Tiegs, Assistent bei der
Militär-Lehrschmiede Königsberg i. Pr. zum Feldart.-Regt. Nr. 16,
Reumann im Ulan.-Regt Nr. 9 als Assistent zur Militär-Lehrschmiede
Königsberg i. Pr.; die Unterveterinäre Schüler im Drag.-Regt Nr. 22
zum Feldart.-Regt. Nr. 73, Woggon im Hus.-Regt Nr. 5 zum Feldart.-
Regt Nr. 3.
Verabschiedet: Oberveterinär Pahl im 1. Garde-Feldart.-Regt.
unter Verleihung des Charakters „Stabsveterinär“, Stabsveterinär
Stottmeister vom Remontedepot Wirsitz, die Oberveterinäre Pfeffer¬
korn im Jäger-Regt. zu Pferde Nr. 2 und Neumann im Feldart.-Regt
Nr. 75 in den Dienst der Remonteverwaltung übernommen.
Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika: Oberveterinär
Fontaine aus der Schutztruppe ausgeschieden und im 3. Garde-
Ulanen-Regt wieder angestellt.
Sachsen: Befördert: Die bisherigen Militärstudierenden
Müller im 1. Feldart.-Rgt Nr. 12 und Bergelt im 4. Feldart-Regt.
Nr. 48 unter gleichzeitiger Kommandierung auf 6 Monate zur Lehr¬
schmiede der Tierärztl. Hochschule zum Unterveterinär. — Versetzt:
Oberveterinär Jurk vom Garde-Reiter-Regt. zum 3. Feldart.-Regt.
Nr. 32, Unterveterinär Emshoff vom 1. Hus.-Regt. Nr. 18 zum 2. Ulan.-
Regt. Nr. 18 und zum Patholog. Institut der Tierärztlichen Hoch¬
schule Dresden kommandiert, Unterveterinär Ulbricht vom Garde-
Reiter-Regt. zum 1. Hus.-Regt. Nr. 18. — Kommandiert: Ober-
veterinär OoftschaUc im 4. Feldart.-Regt. Nr. 48 als Repetitor bei
der Militär-Abteilung der Tierärztlichen Hochschule Dresden.
Württemberg: Befördert: Stabsveterinär Breitschuh im
Feldart.-Regt. Nr. 29 zum Oberstabsveterinär; die Studierenden der
Militär-Veterinär-Akademie Neher im Ulan.-Regt. Nr. 19 und Bub
im Drag.-Regt. Nr. 26 unter gleichzeitiger Kommandierung auf
6 Monate zur Militär-Lehrschmiede Berlin zum Unterveterinär.
Im Beurlaubtenstande: Preußen: Befördert: Die Unter-
veterinäre der Reserve Dr. Herne (Bez.-Kdo. I Bochum [Garde])
und Zömer (Bez.-Kdo. Landsberg a. W.) zu Oberveterinären. —
Abgang: Dem Oberveterinär der Landwehr 2. Aufgebots Wahldc
(Bez.-Kdo. I Oldenburg) der erbetene Abschied bewilligt.
Todesfall: Polizeitierarzt Wilh. Qrothe in Berlin.
Vakanzen. (Vgi. Nr. 40 .)
Sehlaohthofstellen: Witt stock (Dosse): Assistenztierarzt zum
1. November er. Gehalt 150 M. monatlich. Bewerb, sofort an den
Magistrat.
Besetzt: Schlachthofstelle in Königshütte.
Achtung: Neuerdings ist zur Niederlassung eines Tierarztes
in Janowitz in Posen aufgefordert worden mit der falschen Angabe,
daß dort kein Tierarzt ansässig sei. Deshalb soll hier festgestellt
werden, daß in Janowitz der Tierarzt Dr. Liebetanz seit 7 Jahren
praktiziert. Vor der Befolgung der offenbar irreführenden Annonce
wird daher gewarnt.
Ich bin von meiner Reise zurückgekehrt und werde mich beeilen,
die inzwischen unerledigt gebliebenen Einsendungen und Anfragen
zu bearbeiten. S chm alt z.
Verantwortlich lur den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltx ln Berlin. — Vorlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetx in Berlin. —
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
Die ,(Berliner Tierärztlich© Wochenschrift" erscheint
wöchentlich im Verlag« von Richard Scboetz in
Merlin SW. 48, Wilhulmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pt für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert. (Österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Origlnalbeltrftge werden mit 60 Klu, fn Petltsats mit
00 Uk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Luisenstrafie 66. Korrektoren,
Rezensions-Exemplare and Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departementa-T. in Cöln.
Med.-Rat Dr. Boeder
Professor in Dresden.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Dr. Schlegel
Professor in Frei bürg.
Professor Dr. Peter
8tasiaiierarzt für Hamburg.
Dr. j. Schmidt
Professor in Dresden.
Veterinärrat Peters
Departements T. in Bromberg.
Ober-Keg.-Rat Dr. Vogel
Landeatierarzt in München.
Dr. Richter
Professor in Dresden.
Helfer
8ch1achth.-Direktor in Mülhausen I
Dr. H. Sieber
am Tropenlnstitnt in Hamburg.
Dr. Städter
Stadt-Tiei arzt In Hamburg-
Veterinärrat PreuSe
Departements-T. ln Danzig.
Wehrle Zündet
Kais. Regierungsrat in Berlin. Kreistierarzt ln Mülhausen t E.
Dr. Trapp Dr. Zimmermann
am Kaiser Wilhelm-Institut ln Bromberg. Dozent in Budapest
Jahrgang 1908. J\f$. 44 . Ansgegehen am 29. Oktober.
Inhalt: Schlegel: Neoplasmen in den Nebennieren und accessorischen Nebennieren beim Pferd und Rind. — Mleßner:
Die Piroplasmosis der Schafe und ihre Beziehung zur sogenannten Bradsot — Vogel: Zur Frage der
Gregarinose bei unsern Haustieren. — Stietenroth: Kaltwasseranwendung in der Bujatric. — Herhudt: Zwei
Fälle von Krampf des cervix uteri als Ursache abnormer Geburt beim Rind? — Referate: Mießner: Die Mallein-
reaktion. — Hebrant und Antoine: Über den Dammbruch des Hundes. — Graelin: Die Wirkungsweise des Pilokarpins.
— Eloire: Die Kauterisation mit zwei Stiften. — Ronge: Starrkrampf beim Rinde. — Ansteckender Scheidenkatarrh der
Rinder. — Zerreißung des Labmagens bei einer Kuh. — Zimmermann: Über das Klauensäckchen des Schafes. — Neuber:
Das Verhalten der elastischen Fasern in der Haut, mit besonderer Rücksicht auf den Hautkrebs. — Uhlenhuth und
Xylander: Antiformin ein bakterienauflösendes Desinfektionsmittel. — Uhlenhuth undWeidanz: Untersuchungen über die
präventive Wirkung des Atoxvls im Vergleich mit Quecksilber bei der experimentellen Kaninebensyphilis. — Uhlenhuth und
Hüben er: Über das Vorkommen von Bakterien der Paratypbus-B-Gruppe in der Außenwelt. — Über das Vorkommen von
Bakterien der Paratyphus-B-Gruppe in der Außenwelt. — Tageogeochlohte: Verschiedenes. — Tierhaltung und Tierzucht:
Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
(Aus dem tierhygienischen Institut der Universität Freiburg i. Br.)
Neoplasmen in den Nebennieren und accessorischen
Nebennieren beim Pferd und Rind.
Von Prof. Dr. M. Schlegel in Freiburg i. Br.
Schon in meinem Tätigkeitsbericht über das tierhygienische
Institut der Universität Freiburg für die Jahre 1906 und 1907
wurde darauf hingewiesen, daß ich seit einer Reihe von Jahren
auf Grund fortlaufender Beobachtungen Nebennierengeschwülste
zu untersuchen Gelegenheit hatte. Sie kamen mir als benigne
und maligne, als einseitige und beiderseitige Neubildungen in
kleinen Formen bis zu mächtigen Größen, lokal und generalisiert
als ausgebreitetste Metastasen nnd Embolisierangen zu Gesicht.
Zufolge der eingehenden anatomischen nnd histologischen
Untersuchungen einer Auswahl von suprarenalen Tumoren konnte
ich Kolloidcysten, Adenome, Kystadenome, Adenokarzinome,
RundzeUensarkome, ferner Mischgeschwülste wie Adenosarkome,
Adenosarkome mit Verkalkungen nnd Osteombildnngen, Angio-
sarkome, generalisierte Angiosarkomatose (Pigmentsarkom,
Peritheliom), Hypernephrome, Hypernephroma sarkomatodes mit
Verkalkung nnd Verknöcherung nachweisen. Gleichzeitig habe
ich in dem erwähnten Jahresbericht (Zeitschrift für Tiermedizin
1908, 12. Bd., S. 282, 283, 297, 298 und 308—309) einen
klassischen Fall einer malignen, generalisierten Karzinomatose,
ausgehend von beiden Nebennieren, bei einem fünf Monate alten
Stierrind geschildert, wobei am lebenden Rinde allgemeine
Krebskachexie bestand, durch welche das Vorliegen von Tuber¬
kuloseverdacht vorgetäuscht wurde. Bei der Herausnahme der
Eingeweide werden die Nebennierengeschwülste übrigens leicht
übersehen oder verwechselt.
Im laufenden Jahre verfüge ich wiederum über allgemein
interessierende Neoplasmen der Nebennieren nnd Beinebennieren
beim Rind nnd Pferd, so daß ich meine hierüber gesammelten
FeststeUungen nachstehend zu besprechen für gerechtfertigt halte
nnd zwar umsomehr, als die bisherigen literarischen Mitteilungen
über Nebennierengeschwülste recht dürftige sind und dieselben
offenbar und zwar besonders beim Rinde ein häufiges Vor¬
kommnis abgeben.
Die Nebennieren weisen zuweilen diffuse Anschwellungen
nach Art der Hypertrophie und Hyperplasie auf, oder es treten
an denselben zirkumskripte, kleinere nnd größere, weiche,
orangegelbe Knoten in der Rinden- oder Markschicht zutage,
welche aus Nebennierengewebe zusammengesetzt sind. Sie ent¬
halten ein zartes Stroma mit vorwiegenden Gefäßkapillaren, die
Blutgefäße bilden oft weite, spaltenförmige Räume. Um dasselbe
sind bald haufenweise, bald säulenartig in einer oder zwei
Reihen geordnete, bald netzförmig verbundene, meist polygonale
oder rundliche, fettinfiltrierte Epithelzellen angereiht: kleinste
Adenomknötchen.
Außer diesen typisch anfgebanten Nebennierenbyperplasien
und Adenomknötchen kommen Neubildungen von gewaltigem
Umfange nnd Bedeutung vor, sie können in ihrem histologischen
Aufbau von der normalen Nebenniere beträchtlich abweichen;
die Ballen und Zylinder von Zellen erreichen dann große Aus¬
dehnungen, die Zellen können groß nnd polymorph bis lang¬
gestreckt anftreten und unregelmäßige, große Kembildungen
annehmen; auch riesenzellenähnliche Formen und pigmenttragende
Zellen sind zn sehen. Die ZeUstränge zeigen sich nicht immer
solid, sondern auch mit zentralem, drüsenfthnlichem Lumen ans¬
gestattet nnd können dann Adenome bzw. Adenokarzinome be¬
nannt werden, wiewohl die normale Nebenniere streng genommen
keine tnbnlöse oder alveoläre Drüse ist; denn entwicklungs¬
geschichtlich wird die Entstehung der Rinde der Nebenniere
(nach Rabl, Semon, v. Spee usw.) vom Epithel der Urniere
oder vom embryonalen Cölom abgeleitet, während die Mark-
snbstanz aus Zellen, die sich von Ganglien des Nerv, sympathi-
cns abschnüren, gebildet wird.
Besonderes Interesse beanspruchen des weiteren die ganz
ähnlich anfgebanten Neoplasmen, welche den accessorischen oder
778
No. 44.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
verlagerten Nebennieren und der aberrierten Nebennierenkeiinen
entsprossen und die ich sowohl beim Rinde wie beim Pferde
nachweisen konnte. Zumeist ist nur Rindengewebe selten Mark-
Substanz verlagert, und die daraus entstehenden accessorischen
Nebennierengeschwülste treten als bohnen- bis taubenei- oder
faustgroße, den Nebennierengeschwülsten gleichgeartete Tumoren
auf und zwar einseitig, beiderseitig und multipel (1—4 fach)
vorkommend. Sie liegen dicht am vorderen Rand der Niere
und Nebenniere und deren Nachbarschaft, an der Vena supra-
renalis, auf der Vena cava, im retroperitonealen Gewebe usw.
Gut und bösartig sich analog erweisende Tumoren können von
solchen versprengten Nebennierenkeimen ihren Ursprung nehmen;
unter den zwei untenstehenden Nebennierentumoren des Pferdes
waren die Beinebennieren einmal und unter den 12 Fällen des
Rindes zweimal befallen.
a. Nebennierengeschwülste beim Pferd.
I. Fall:
Generalisierte Angiosarkomatose in beiden Nebennieren und
in einer accessorischen Nebenniere, den Nieren und in deren
Lyraphdrüsen, in der Leber, der Milz, im Darm und den
Mesenterialdrüsen, Pankreas, im Ovarium und in beiden Lungen
von einer 18 Jahre alten, abgemagerten und geschlachteten
Braunstute mit Stern und Strich, leichtes Wagenpferd, Land¬
rasse, Fleischgewicht ca. 3 Zentner.
Die linke Nebenniere ist rinderhodengroß und die rechte
Nebenniere erreicht dieselbe Größe. Beide Nebennieren zeigen
an der Oberfläche ein blaurotes bis schwärzliches Kolorit, sind
stellenweise schwammig weich bis fluktuierend, an der Ober¬
fläche blasig-höckerig. Auf dem Halbierschnitt beider Neben¬
nieren findet sich ein V 2 — 1 cm breites, mattgrauweißes, leisten¬
artig vorspringendes, fibröses Stroma, welches ein grobes
Maschenwerk bildet; die bindegewebigen Faserbündel stellen
eine deutliche Felderung der Geschwulst her, indem die kaver¬
nösen Hohlräume linsen- bis kastaniengroßes, blauschwarzes,
teils graurotes, kompaktes Geschwulstgewebe, teils dunkelbraun¬
schwarze, geschichtete Thromben, teils dickflüssiges, dunkelblau¬
rotes Blut enthalten. An einem Pol und der Peripherie beider
Geschwülste finden sich noch Streifen normaler Nebennieren¬
rinde. In der Nähe derselben liegt eine taubeneigroße
accessorische Nebenniere, in deren Parenchym drei wickenkorn-
bis erbsengroße, dunkelbraunrote Geschwulststadien postiert sind.
Die sonst normalen Nieren sind unter der Oberfläche, in
der Rinden- und Markschicht von Dutzenden Stecknadelkopf- bis
haselnußgroßen, schwarzblauen, fluktuierenden oder grauroten,
kompakten Geschwulstembolien durchsetzt. Gleichgeartete Ge¬
schwülste sind auch im Bindegewebe der Nierenkapsel eingebettet.
Die Leber enthält viele Dutzende miliarer bohnen- bis
taubeneigroßer, cystoid-knotiger, dunkelblauer bis tuscheschwarzer,
scharf umschriebener Tumoren, welche auf der Schnittfläche teils
kompaktes Geschwulstgewebe, teils in kavernös erweiterten Ge¬
fäßen geschichtete Thromben enthalten.
Die Milz ist um das Doppelte vergrößert und enthält im
unteren Ende einen hühnereigroßen, dunkelblaugrauen, an der
Oberfläche einen wickenkorngroßen Durchbruch aufweisenden
Tumor, dessen Schnittfläche ein faseriges, grauweißes Gefüge
zeigt, in dessen Hohlräumen sich zahlreiche rundliche oder ge¬
schlängelte, angiomatöse Gefäßerweiterungen finden; die laku¬
nären Erweiterungen bergen geschichtete, mit Geschwulstmasse
infiltrierte Thromben; an einer anderen Stelle liegt im Milz¬
parenchym ein haselnußgroßer, grauweißer, braunrot ge¬
sprenkelter, solider Geschwulstherd.
In der Submucosa des Dünndarms und Cöcums jiegen an
drei Stellen haferkorngroße, dunkelbraune Geschwulststadien.
Die Mesenterialdrüsen sind daumen- bis kastaniengroß, blaurot
bis tintensckwarz. Die Schnittfläche ist bald dunkelrot punktiert,
bald diffus schwarzbraun mit eingesprengten, graugelben Ge¬
schwulstflecken, bald mit zahlreichen melanotischen Pigmen¬
tierungen durchsetzt.
Das Pankreas beherbergt zwei elliptische, haselnußgroße,
graubraune Tumoren.
Das eine hühnereigroße Ovarium ist blaugrau, schwammig,
die Schnittfläche graugelb mit massenhaften kavernösen, steck-
nadelkopf- bis linsengroßen runden oder gewunden verlaufenden
Teleangiektasien, gefüllt mit schwarzbraunen Thromben oder
Detritusmassen.
Die Lunge ist stark vergrößert, die rechte Lunge wiegt
2510 g. An der Lungenoberfläche und im Lungenparenchym
finden sich in der rechten Lunge allein 177 gezählte Geschwulst¬
embolien von Linsen- bis Walnußgröße, mit teils violettem, teils
graurotem, teils schwarzem Kolorit. Die Geschwulststadien sind
auf der Schnittfläche bald cystoid und mit dickem blaurotem Blut
gefüllt, bald mit derber, solider Geschwulstmasse gefüllt, welche
orangerote bis sepiafarbene, fleckige Pigmentierungen anfweisen.
Im Zentrum anderer Schnittflächen finden sich verfettete Detritus¬
massen, die Bronchien sind im Zustand chronischen Katarrhs
mit froschlaichähnlichem, grauweißem Sekret erfüllt.
Die Neoplasmen aller Organe weisen in typischer Über¬
einstimmung schwammige, schnellwüchsige Knoten mit ge¬
wucherten Blutgefäßen, kavernösen und lakunären Räumen auf,
deren Peripherie von sarkomatösen Geschwulstmassen breit in¬
filtriert ist, während das Zentrum hochgradige hämorrhagische
oder fettige Degenerationen zeigt; in den Nebennieren-, Nieren-,
Lebertumoren usw. finden sich ausgebreitete schwarze und in
den Lungenembolisierungen auch intensiv braune Pigmentierungen.
Ob im vorliegenden Falle eine pathologische Hautpigmentierung,
wie bei dem Morbus Addisonii, einer zur Kachexie führenden,
von Nebennierenveränderungen abhängenden Allgemeinerkrankung
des Menschen, Vorgelegen hat, konnte nicht eruiert werden.
Histologisches: Schnittbilder aus den Nebennieren zeigen
übereinstimmend denselben Befund. Die fibröse Kapsel und das
Stützgerüst sind durch Proliferation erheblich verbreitert: in
den Saftlücken liegen vielfach größere und kleinere Infiltrationen
von Rundzellen. Das fibröse Gewebe ist daher reich an kleinen,
spindeligen Zellen und auch Rundzellen. Unter der Tumorkapsel
finden sich die zu deutlichen Bogen formierten Zylinderzellen
der Zona arcuata, welche in der Nebenniere des Pferdes quer-
gestelltes hohes Zylinderepithel trägt und stärker ausgeprägt
ist, als beim Rinde, bei dem die Rindensubstanz eigentlich nur
die Zona fasciculata und recticularis aufweist; die Zylinderzellen
sind teils noch gut erhalten, teils von massenhaft einwucbernden
Sarkomzellen erdrückt. Zellen der Zona fasciculata und reti¬
cularis sind nicht mehr nachzuweisen, sondern durch die vor¬
wiegend in den Gefäßwänden des Kapillarnetzes der Rinden¬
schicht üppig wuchernden größeren Spindelzellenzüge verdrängt,
so daß die Entstehung der Geschwulst von den Perithelzellen
(Adventitialzellen) der Gefäße abgeleitet werden kann. Das
Stroma wie auch das neoplastische Sarkomgewebe führen nämlich
zahlreich Vaskularisationen, viele stark gefüllte Kapillaren und
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
779
_ 29. Oktober 1908.
sowohl teleangiektatische wie kavernös erweiterte Gefäße; an
anderen SteUen sind die Blutgefäße zu größeren Lakunen um¬
gewandelt, oder es stehen größere und kleinere Blutextravasate
zu Gefäßkapillaren in Beziehung und zeigen erhaltene oder in
Zerfall begriffene oder gänzlich deletäre Erythrocyten, welchen
stellenweise verfettete Sarkomzellen beigemengt sind. An
Stroma und Gefäßen treten stellenweise hyaline Degenerationen
auf; auch Fibrinnetze und geschichtete Thromben finden sich in
den Lumina neugebildeter Gefäße und deren kavernösen Räumen,
welche oft noch an der Tunica intima der sarkomatös ge¬
wucherten Gefäßwand eine Lage langgestrekter, in der Rand¬
ansicht spindelförmiger Endothelzellen enthalten. Die Gefä߬
wände und deren Umgebung sind von in verschiedenen
Richtungen sich durchflechtenden Zügen der zuweilen schuppen¬
artig aneinandergelagerten, größeren spindelförmigen ZeUen,
welche die Gefäße wie einen Mantel umgeben und zuweilen mit
Rundzellen untermischt sind, nach Art eines Peritheliomes durch¬
setzt. Dieselben repräsentieren nebst den kavernösen und
lakunären Blutherden bei weitem den Hauptanteil des Tumors.
Viele spindelige Sarkomzellen beherbergen in kleineren und
größeren Geschwulstflecken tuscheschwarzes körniges oder |
scholliges amorphes Pigment (Pigmentsarkom).
Die Metastasen in den übrigen Organen, wie in den
Nieren, der Leber, den Lungen usw., kopieren den gleich¬
gearteten histologischen Aufbau wie die primären suprarenalen
Tumoren: Um die miliaren bis linsengroßen cystoiden Er¬
weiterungen der größeren Gefäßveränderungen finden sich in
der Nachbarschaft in dem sonst normalen Organgewebe viele
gewucherte Kapillarnetze; alle Gefäßwände sind von mehr oder
weniger breiten, oft röhrenartig angeordneten Zügen von großen
Spindelzellen, zuweilen untermischt mit Rundzellen, durch¬
flochten; dieselben entsenden zuweilen papilläre Stränge von
SpindelzeUen in das Gefäßlumen durch die zerstörten Blut¬
körperchen und die Thromben. Die GeschwulstzeUen tragen in
den Nierenmetastasen weniger diffuse als mehr fleckweise auf¬
tretende melanotische Pigmentierungen, während die Geschwulst¬
zeUen in den Lungenembolisierungen sowohl ausgebreitetes
tintenschwarzes Pigment, als auch flächenweise eine intensive,
gelbe bis braune Pigmentierung aufweisen, so daß oft ganze
Geschwulstflecken fuchsrot oder schwarz gefärbt sind. Die
Lungenmetastasen werden durch ein in der näheren und
weiteren Umgebung produziertes Bcirrhöses Bindegewebe wall¬
artig abgekapselt.
Diese dem Typus J eines Angiosarkomes (Peritheliomes)
entsprechende, große Tendenz zur ausgedehnten Metastasierung
anfweisende Neubildung gehört zweifellos zu den größten
Seltenheiten der tierischen Geschwülste. (Einsender: Kreis¬
tierarzt Anckly in Colmar, (Eis.)
H. Fall:
Kolloidcyste einer Nebenniere von einem 9 V 2 Jahre alten
Braun-Wallach.
Die faustgroße Geschwulst besitzt einen Durchmesser von
beüäufig 11 cm, ist länglich rund, prall gespannt, blaugrau,
fluktuierend. Die Schnittfläche quillt stark vor, der relativ
dünne, glattwandige Cystensack birgt in dem nur spärlich ent¬
wickelten Bindegewebsgerüst eine dunkelbraune, breiig-weiche,
gallertig gequollene und schmierig-fettige musähnliche Tumor¬
masse. (Fortsetzung folgt.)
(Aus der Abteilung für Tierhygiene des Kaiser Wilhelms-Instituts
zu Bromberg.)
Die Piroplasmosis der Schafe und ihre Beziehung
zur sogenannten Bradsot.
Zum Artikel von Sonnenberg in Nr. 35 dieser Wochenschrift.
Von Dr. Mieftner.
Sonnenberg gibt in dem bezeichneten Artikel an, die
Piroplasmosis ovium in Deutschland nachgewiesen zu haben und
beschuldigt gleichzeitig die Piroplasmen als die Erreger der
sogenannten Bradsot. Ich habe nun stets bei den hiesigen, im
großen Maßstabe ausgeführten Schafobduktionen das Blut auf
Pirosomen oder ähnliche Gebilde nach Giemsa und Romanowsky
untersucht, niemals aber derartige Parasiten gefunden. Des¬
gleichen sind Blutübertragungen stets erfolglos geblieben.
Hiernach muß ich annehmen, daß besonders bei der so¬
genannten Bradsot Blutparasiten der genannten Art nicht in
Frage kommen. •
Während meiner Abwesenheit hatte ferner mein erster
Assistent Dr. Trapp Gelegenheit, die Befunde Sonnenbergs
an Ort und Stelle nachzuprüfen. Auch hierbei konnten weder
in den Sonnenbergschen Testpräparaten, wovon ich mich
später selbst überzeugte, noch in frisch angefertigten Präparaten
von Tieren, die nach Sonnenbergs Ansicht an derselben
Krankheit litten resp. verendet waren,. Blutparasiten ermittelt
werden.
Die von Sonnenberg als Parasiten bezeichneten Flecke,
zuweilen 5--6 auf einem Blutkörperchen, rühren von Farbnieder-
schlägen her oder stellen Degenerationserscheinungen dar.
Die in Gegenwart von Sonnenberg obduzierten beiden
Lämmer waren kachektisch und zeigten in der Magenschleimhaut
eine große Anzahl von Strongyliden (Strongylus ventriculi
ovium), so daß die betreffenden Tiere wahrscheinlich an der
Magenwurmseuche gelitten haben.
Irgendwelche Blutparasiten konnten bei diesen Lämmern
nicht ermittelt werden.
Abgesehen davon, daß der Befund und das aus¬
schließliche Kranksein der Lämmer nicht für Bradsot
sprechen, dürfte auch auf Grund der mikroskopischen
Untersuchung und der Tierversuche der Nachweis von
Pirosomen beim Schafe in den Sonnenbergschen Fällen
nicht gelungen sein.
Zur Frage der Gregarinose bei unsern Haustieren.
Von Dr. Otto E. Vogel-Kreuznach.
In B. T. W. 1908, S. 675flf. bringt Koiransky-Tambow
einen Artikel über Gregarinen bei Haustieren, zu dem ich
einiges zu bemerken habe.
Mir scheint, der Verfasser hat mit der Gregarinen-Diagnose
beim II. Fall erheblich daneben geraten. Als ich nämlich die
Arbeit las, merkte ich sofort, daß hier unverkennbar die
anatomischen Veränderungen beschrieben wurden, wie sie durch
Laminosioptes gallinarum, die Bindegewebsmilbe des Huhns
verursacht werden. Da Kollege K. in diesem Fall den mikro¬
skopischen Nachweis von Gregarinen schuldig geblieben ist, wird
er seine Diagnose einstweilen in obigem Sinne ändern müssen.
Ferner bin ich der Ansicht, daß auch beim V. Fall die
Knötchen im subkutanen Bindegewebe durch dieselbe Milbe
hervorgerufen worden waren, ohne anzweifeln zu wollen, daß
die Veränderungen in den Eingeweiden tatsächlich durch
780
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHE NSCHRIFT.
No. 44.
Gregarinen veranlaßt worden sind. Diese hat Verfasser ja auch
mikroskopisch nachgewiesen, aber gerade in den subkutanen
Knötchen nicht. Beide Zustände, Gregarinose und Milben¬
erkrankung können ja ganz gut nebeneinander bestanden haben,
was man um so eher annehmen kann, als durch Fall II das
Vorhandensein von Laminosioptes im Hühnerbestand des Ver¬
fassers meines Erachtens erwiesen ist.
Selbst wenn man von einer Fehldiagnose ganz abselien will,
muß man jedenfalls der Absicht des Verfassers, die „Kalk-
steinchen“ in Zukunft als diagnostischen Wegweiser zur Gre¬
garinose aufzustellen, widersprechen, weil diese verkalkten
Bindegewebsknötchen beim Huhn eben ein charakteristisches
Produkt der Laminosioptes sind.
Kaltwasseranwendung in der Bujatric.
Von A. Stietenroth- Halle i. Braunschw.,
prakt. Tierarzt.
In den alljährlich herausgegebenen therapeutischen An¬
weisungen findet man noch immer die Empfehlungen, all die
Leiden, die den Uterus betreifen, sei es Metritis, Vorfall der
Gebärmutter oder Festsitzen der Nachgeburt, mit warmem Wasser
zu behandeln. Die Mißerfolge bei dieser Behandlung, die ich
zuerst auf das Hinzusetzen von reizenden karbolhaltigen Mitteln,
wie Kreolin, Lysol, Bacillol und wie sie sonst alle heißen, zurück¬
führte und trotzdem hin und wieder zu verzeichnen hatte, als
reizlose, wie Büro wache Mischung, Alaun, Borsäure, über¬
mangansaures Kali, an diese Stelle traten, ließen mich schon
vor Jahren auf den Gedanken kommen, daß die Anwendung des
warmen Wassers kontraindiziert sei. Seit ich diese Methode
verlassen habe und kaltes Wasser an wende, trete ich mit großer
Zuversicht an diese Zustände heran. Ich bin der festen Über¬
zeugung, daß Kühe warmes Wasser an und in der Tracht nicht
gut vertragen können. Der günstige Kontrast beim Verlassen
des warmen Wassers trat zu deutlich hervor. Auch bei Aus¬
spülungen gegen das Festsitzen der Nachgeburt ist das warme
Wasser bei mir abgetan. Wiederholt habe ich Kühe gerettet,
die durch Einschlauchungen mit warmem Wasser unter Zusatz
von KreoUn, die die Besitzer mitunter von selbst anwenden,
schon krank geworden waren.
Karbolhaltige Zusätze unterlasse ich aus zweierlei Gründen,
erstens, weil sie reizend auf die Schleimhaut des Uterus wirken,
zweitens, weil die Besitzer diese Mittel kennen und sich hier in
der Gegend in größeren Dörfern immer leicht verschaffen können.
Bemerkt sei hierzu, daß eine Drogenhandlung in H. (Hameln)
Drogen, mit den vorschriftsmäßigen Einrichtungen dazu, vielen
Kaufleuten aufgeschwatzt hat. Ja sogar Injektionsmittel, wie
Eserin, gibt sie an Laien ab. Auf den Schildern der Kaufleute
liest man dann: „Drogen und Tierarzneimittel“. Auch ein Be¬
weis, wie man uns von dieser Seite ins Handwerk pfuscht.
Bei Tierarzneiwaren wird es seitens der Drogisten und Apotheker
nicht so genau genommen, wenn nur tüchtig abgesetzt wird.
Das Auftauchen so vieler Tierheilmittel läßt schließen, daß das
Geschäft rentabel ist. Dies sollte uns veranlassen, noch mehr
tierärztliche Wirtschaftsgenossenschaften zu gründen. Sollte
diesseits Berlin oder in Berlin selbst eine neue Genossenschaft
sich bilden, so bin ich mit dabei, Posen ist zu weit entfernt.
Nach dieser kleinen Abschweifung komme ich zum Thema zurück.
Daß die Gebärmutter an und für sich eine höhere Tempe¬
ratur in diesen Zuständen besitzt, beweist, daß das nach einigen
Minuten zurückgedrängte Wasser, welches vorher als kalt ein¬
geschlaucht ist, nun sich schon ganz warm anfühlt. Außerdem
wird eingeführtes warmes Wasser die Vermehrung der durch die
Zersetzung der Eihäute sich bildenden Fäulnisbakterien be¬
günstigen, während kaltes Wasser die Entwicklung hemmt.
Das Ablösen der Nachgeburt, welches bei mir früher Be¬
denken erregte, weil Tiere ab und zu krank wurden, diese
durch warme Ausspülungen noch kränker machte und letale
Ausgänge herbeiführte, verursachte mir nun weniger Sorgen.
Zieht der Besitzer das Ablösen den Ausschlauchungen vor, so
versuche ich es am vierten Tage nach der Geburt. Es gelingt
auch in vielen FäUen noch am fünften oder sechsten Tage,
wobei man den Muttermund vorher erweitern muß. Bekanntlich
ist es schwierig, aus der Spitze der Gebärmutter hervor die
Eihäute vollständig zu holen. Ich löse letztere so weit als
möglich ab und lasse dann, während die Hand in dem Horn
bleibt, kaltes, mit Burowscher Mischung versetztes Wasser
mittelst Schlauches in die Hornspitze laufen. Durch das Aus¬
dehnen der Tracht und der Karunkeln infolge Berieselns mit
kaltem Wasser gelingt oft das Ablösen vollständig, ohne Zurück¬
bleiben von größeren Nachgeburtresten.
Wenn die Eihäute nicht stark entwickelt sind oder nur
teilweise den Karunkeln anhaften, mag die Trennung auch wohl
am dritten Tage gelingen, meistenteils ist dies nicht der Fall,
bevor nicht eine Zersetzung der Eihäute, die sich erst nach
dem dritten Tage fühlbar macht, stattfindet.
Obwohl man nun vor einem Krankwerden des Tieres bei
meiner Behandlungsmethode gesichert ist, bleibt es hin und
wieder nicht aus, daß Leukorrhöen sich bemerkbar machen.
Eine unangenehme Zugabe, die aber in der Natur der Sach^
liegt. Ich führe sie nicht auf die Kaltwasseranwendung zurück,
denn auch bei warmem Wasser stellen sie sich ein. Es wird
weniger am Einschlauchen liegen, als vielmehr daran, daß
Eihautreste und Wasser im Uterus Zurückbleiben. Könnte man
den Irrigator nach dem Einschlauchen immer als Saugheber
durch Niederhängenlassen des Trichterendes benutzen, so wäre
dies ein wesentlicher Vorteil. Mitunter gelingt es, wenn Luft
in die Scheiden- und Uterushöhle eindringen kann.
I Wie schwierig es ist, den weißen Fluß zu unterdrücken —
es braucht nicht der infektiöse Scheidenkatarrh zu sein —, weiß
der Praktiker. Ich möchte hier auf die Behandlung mit Hefe¬
kulturen hinweisen. Kürzlich behandelte ich die Kuh eines
Schlächters, bei der auch die Nachgeburt sitzen geblieben war.
Nach Ausspülen und nachherigem Abholen machte sich auch
der w'eiße Fluß bemerkbar. Als Ausspülungen mit Alaunwasser
keine Besserung erzielten, sagte ich dem Schlächter, er möchte
sich für 10 Pfennig Kuchenhefe, hier Gest genannt — Bierhefe
ist hier nicht zu bekommen —, kaufen, diese eine Nacht durch
Anrühren mit warmem Wasser im warmen Raume gären lassen,
am andern Morgen den Brei der Kuh in der Scheidensohle
herumzustreichen und letztere 24 Stunden später mit Wasser
vermittelst Schlauches zu reinigen. Der Schlächter meldete
mir, daß nach dieser Prozedur der weiße Fluß wie weggeblasen
gewesen wäre.
Zum Schluß mache ich nochmals darauf aufmerksam, wie
ich dies schon in einem früheren Artikel getan habe, daß bei
Vorfällen der Tracht Berieseln mit kaltem Wasser das Hinein¬
bringen wesentlich erleichtert und Entzündungen vorbeugt.
29. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
781
Zwei Fälle von Krampf der cervix uteri als Ursache
abnormaler Geburt beim Rind?
Von Tierarzt Herhudt-Bladiau (Ostpr.).
Nach Prof, de Bruin kann eine Verengung des Mutter¬
mundes zurzeit der Geburt, die ein Geburtshindernis bildet,
verursacht sein:
a) durch knorpelförmige Entartung;
b) durch Narbenretraktion nach Verletzungen bei Schwer¬
geburten ;
c) durch Tumoren;
d) Verwachsung der Wände des Zervikalkanals;
e) Krampf der Muskulatur des Zervix.
Bei der normalen Geburt sind es die Wehen, welche im
Verein mit der Wasserblase eine Erweiterung der Öffnung be¬
wirken. Ist nun aus einer der vorgenannten Ursachen der
Gebärmuttermund geschlossen, so kann die Wasserblase nicht
in Funktion treten und die Eröffnung nicht stattfinden.
Zwei derartige Fälle, die innerhalb eines Monats vorkamen,
will ich hier, weil sie eine merkwürdige Übereinstimmung
zeigten und an die Geduld ziemlich hohe Anforderung stellten,
wiedergeben.
Der eine Fall betraf die Kuh eines kleinen Besitzers, zu
der ich am 28. April 1908 geholt wurde. Nach dem Vor¬
bericht sollte die Kuh schon seit dem Morgen heftige Wehen
gezeigt haben, alle Anzeichen waren vorhanden, die Kuh drängte
heftig, stand mit gekrümmtem Rücken und zuweilen konnte man
Teile der Scheide zwischen den Labien sehen. Da man einen
Vorfall der Gebärmutter fürchtete, hatte man die Kuh aufstehen
lassen. So fand icli dieselbe vor. Signalement: Rfolländer Kuh,
vier Jahre alt, hatte im vergangenen Jahre zum erstenmal
gekalbt; wie der Besitzer versicherte, war die Geburt leicht
gewesen. Bei der Untersuchung fand ich den Zervikalkanal bis
auf etwa Fingerstärke verengt. Am Ende des etwa 10 cm
langen Wulstes, der den Finger zusammenschnürte, fühlte ich
die innere Öffnung und konnte auch zuweilen die Füße des
Fötus erreichen. Das Kalb führte zeitweise äußerst heftige
Bewegungen aus, wobei die Kuh dann immer drängte und mein
Arm von den Fäkalien derselben beschmutzt wurde. Trotz fünf¬
stündiger Bemühungen gelang es mir aber nicht, eine genügende
Erweiterung herbeizuführen und so entschloß ich mich denn,
auf die Bitte des Besitzers, über Nacht dort zu bleiben. Am
andern Tage sollten meine Bemühungen Erfolg haben. Aller¬
dings dauerte es noch drei Stunden, bis ich mühsam die Hand
hindurchzwängen konnte. Gleich darauf trat die Blase hindurch
und nach im ganzen fünf Stunden konnte die Geburt des gut
entwickelten Bullkalbes endgültig erfolgen. Leider blieb das
Junge nicht am Leben. Die Kuh wurde durch Unterlegen von
Strohbündeln hinten hoch gelegt und eine Ausspülung der
Gebärmutter mit einer lauwarmen lprom. Sublaminlösung vor¬
genommen.
Der andere Fall verlief analog dem ersten. Auch hier
handelte es sich um eine Kuh, die zum zweitenmal kalben
sollte. Die erste Geburt war leicht gewesen. Nach der
Extraktion des Kalbes trat eine Blutung ein, die durch Tam¬
ponade leicht gestillt wurde. Kuh und Kalb sind gesund
geblieben.
Referate.
Pie Malleinreaktion.
Von Dr. Mießner, Abteilungsvorsteher im Kaiser Wilhelms-Institut,
Bromberg.
(Archiv für wissenschaftliche and praktische Tierheilkunde, 34. Bd., 3. H.)
Verfasser bespricht zunächst die Gründe, welchen die so
verschiedene Beurteilung der Malleinprobe zuzuschreiben ist und
erwähnt hierbei vor allem die Diagnose des Lungenrotzes.
Während beispielsweise die französische Schule die meisten
Knötchen in den Lungen auf Mallein reagierender Pferde für
Rotz hält, sind mit Recht Schütz und seine Schule in der Be¬
urteilung rotziger Veränderungen viel vorsichtiger. Nach der
Ansicht dieses Forschers müssen alle verkalkten oder glasig
durchscheinenden Knötchen für die Produkte tierischer Parasiten
gehalten werden. Dann kommt es sehr auf das zur Verwendung
gelangte Mallein-Präparat an. Auch die als Maßstab für die
Reaktion von den einzelnen Autoren aufgestellten Temperatur¬
werte sind wichtig. Außer dieser sogenannten thermischen
Reaktion kommt noch nach Nocard, Hutyra, Schlegel etc. die
lokale und die allgemeine Reaktion in Betracht. Zu den
örtlichen Symptomen wird besonders eine an der Injektionsstelle
ca. 3 Tage anhaltende Schwellung gerechnet. Dieselbe soll
heiß, schmerzhaft sein und durchschnittlich die Größe einer
Handfläche besitzen. Von allgemeinen Erscheinungen sind
Mattigkeit, mangelnde Freßlust und Muskelzittern zu nennen.
Im Laufe des Jahres 1907 hat nun Mießner insgesamt an
24 Pferden, von denen 12 rotzfrei und 12 rotzkrank waren,
sowie an 5 Versuchspferden zur Nachprüfung der oben er¬
wähnten Momente experimentiert und hierbei speziell geachtet
auf: 1. Das Verhalten der ersten Malleinisierung in bezug auf
thermische, lokale, allgemeine Reaktion; 2. Einfluß der ersten
Malleinisierung auf die zweite; 3. Einfluß abgetöteter Rotz¬
bazillen auf die Malleinreaktion. Seine Resultate faßt Mießner
wie folgt zusammen:
1. Es kommen Fälle vor, in denen nach Einspritzung des
Malleins gesunde Pferde reagieren und rotzkranke nicht, mithin
ist Mallein kein sicheres Mittel zur Erkennung der
Rotzkrankheit.
2. Die Malleinreaktion ist als positiv zu bezeichnen, wenn
die Reaktionstemperatur 2° und mehr beträgt. Schwellungen
an der Injektionsstelle und Störungen im Allgemeinbefinden
sprechen für Rotz.
3. Die erste Malleinisierung hat bei gesunden Pferden auf
die zweite keinen Einfluß, schwächt dagegen bei rotzkranken
häufig die Wirkung der zweiten nach 2—3 Wochen wieder¬
holten Malleineinspritzung ab. Es ist deshalb unzulässig, in
diesen kurzen Zwischenräumen eine zweite Malleinisierung aus-
zufiihren.
4. Bei gesunden Pferden wird nach Einspritzung von ab¬
getöteten Rotzbazillen durch die nachfolgende Malleinisierung
eine Temperaturerhöhung nicht veranlaßt.
5. Das Ausbleiben einer Malleinreaktion bei rotzkranken
Pferden nach wiederholten Malleinisierungen ist kein Zeicheu
dafür, daß der Rotz geheilt ist.
6. Der Malleinisierung ist die Agglutination deswegen vor¬
zuziehen, weil mit ihr sichere Resultate zu erzielen sind und
die Höhe des Agglutinationswertes Aufschluß darüber gibt, ob
eine frische Rotzinfektion vorliegt oder nicht. Dazu kommt
ferner, daß man mit Hilfe eines Standardserums imstande ist,
782
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44.
den Titre der zur Agglutinationsprobe verwendeten Tast-
üüssigkeit jederzeit zu prüfen. Eine ähnliche, gleich einfache
Methode, die den Wert eines neu hergestellten Malleinpräparates
angibt, besteht nicht. J. Schmidt.
Über den Dammbruch des Hundes.
Von Prof. Hebrant und Assistent Antoine.
(Annalea de Bruxellei. Dezember 1907.)
Die mit Dammbruch behafteten Hunde haben unter dem
Anus eine rundliche, weiche, bis faustgroße, wenig schmerzhafte
Geschwulst, die sich leicht zurückbringen läßt und deren Inhalt
entweder von der Blase oder der Gebärmutter, oder dem Netz
oder dem eingeknickten und delatierten Mastdarm, oder von
mehreren dieser Organe zugleich gebildet wird. Ist die Blase
im Bruchsack drin, so fühlt man beim Betasten ein Fluktuieren,
auch geht das Harnen nur mühsam vor sich, und ist die
Geschwulst selbst nach dem Urinieren viel kleiner geworden.
Ist es der Mastdarm, so leidet der Hund fortwährend an hart¬
näckiger Verstopfung und geht der Kotabsatz nur unter
Schmerzen vor sich. Beim Eingehen mit dem Finger in den
Mastdarm fühlt man entweder eine Verlagerung oder eine Er¬
weiterung dieses Organs! Bei dieser Rektaluntersuchung kann
man sich auch über die Beschaffenheit, die Giöße und die Lage
der Prostata Gewißheit verschaffen. Ist das Netz darin, so
fühlen die Finger bewegliche aufeinanderliegende Häute. Die
Gebärmutter fühlt man als ein derbes Organ durch, das in das
Becken hineinreicht ohne nach hinten in den Anus auszulaufen.
Den Dammbruch trifft man gewöhnlich bei älteren Hunden
an, die oft konstipiert sind, viel Knochen fressen, und bei
welchen der häufige Druck auf den Mastdarm zur Kotentleerung
eine Lageveränderung der Beckenorgane verursacht hat.
Die Verfasser haben die Beobachtung gemacht, daß der
Darombruch beim Rüden häufiger auftritt, als bei der Hündin,
besonders wenn ersterer vom Begattungsakt fern gehalten wird
und eine Hypertrophie der Prostota vorhanden ist. Diese wirkt
bei Hunden, die oft auf dem Hinterteil sitzen, mit ihrem
Gewicht vorerst auf die Blase und ihre Bänder ein und zieht
sie gegen das Perinäum hin. Durch die Kompression, welche
sie auf den Hamkanal und den Mastdarm ausübt, wird eine
größere Kraft zur Harn- und Kotentleerung benötigt, durch
welche die am Beckeneingang gelegenen Organe weiter nach
hinten geschoben werden. Die Mastdarm-Blasen-, die Mastdarm-
Tragsack und die Blasen-Tragsackausbuchtung nehmen dadurch
an Tiefe zu, die Bänder der Verschiedenen Beckenorgane ver¬
längern sich infolge der Zerrung, wodurch den Organen selbst
die Gelegenheit gegeben wird, sich zu verlagern, einzubiegen
und einzuknicken und so ist der Bruch fertig.
Die beste Behandlung, um das Leiden zn heilen, ist ein
chirurgischer Eingriff, der folgende zwei Indikationen zu erfüllen
hat: erstens den Bruchsack zu entfernen und zweitens die darin
eingeschlossenen Organe in ihrer natürlichen Lage im Bauche
festzuhalten.
Die Verfasser verfahren dabei folgendermaßen: Nachdem der
Hund während 24 Stunden gehungert hat, wird der Körperteil,
an dem die Operation gemacht werden soll, anästhesiert und
aseptisch gemacht; darauf wird der Bruchsack abgetastet, um
zn fühlen, welche Organe drin sind. Sobald man das festgestellt
hat, drückt man die darin sich befindlichen Organe in das Becken
zurück, macht einen Schnitt in den Bruchsack und schneidet
einen möglichst breiten Lappen zu beiden Seiten des Schnittes
heraus. Es wird dann eine Etagennaht angelegt und zwar die
in der Tiefe, um die verdickten Ränder des Peritoneums
zusammenzubringen, aus Katgut, und die oberflächliche um die
Haut zu vernähen, mit Seide. Die Wunde wird darauf mit
JodoformkoUodium bedeckt.
Sobald diese erste Operation zu Ende ist, so fängt man
mit der zweiten an. Soll die Blase oder der Uterus fixiert
werden, so schneidet man den Bauch bei der Hündin in der
weißen Linie, beim Rüden neben dem Schlauche auf. Ist der
Mastdarm zu fixieren, so macht man die Laparotomie am besten
in der linken Flanke, sucht dann das Organ und kratzt mit dem
Skalpel wie auch an der korrespondierenden Partie der Bauch¬
wand, wo es angeheftet werden soll, eine möglichst große Fläche
ab und vernäht nun das Organ mit der Bauchwunde durch
mehrere Knopfnähte. Diese müssen durch die Muskularis des
Organs und durch die Muskulatur der Bauchwand hindurch¬
gehen. Die Verfasser legen bei einem großen Hund fünf Nähte
an, die je 1 cm voneinander entfernt sind, und zwar drei mit
schwarzer Seide, davon die zwei äußersten, und zwei mit Katgut.
Die schwarze Seide nehmen sie deswegen, damit sie die Nähte,
die später herauszunehmen sind, leichter finden. Die Hautränder
werden über der Wunde mit zwei oder drei Nähten provisorisch
vernäht, und das ganze mit Jodoformkollodium bedeckt und ein
Verband darüber gelegt. Nach sechs bis sieben Tagen werden
die mit schwarzer Seide gemachten Nähte herausgenommen und
die Haut definitiv vernäht. Nach 10—15 Tagen kann die
Wunde verheilt sein. Helfer.
Die Wirkungsweise des Pilokarpins.
Von Prof. Dr. Gmelin-Stuttgart.
(Ans dem phyaiolog. Institut der tierärztlichen Hochschule in Stuttgart.)
(Monatshefte für praktische Tierheilkunde, XIX. Bd., 7. u. 8. Heft, S. 360.)
Die mit 18 Kurven versehene Arbeit, die auch für den
Praktiker Bedeutung hat, führte zu folgenden Ergebnissen:
Bei Pilokarpinvergiftung ist im Anfang der Sekretdruck
gesteigert, aber er sinkt dann dauernd ab, entsprechend dem
Absinken des Blutdruckes. Eine während der Pilokarpinwirkung
erzeugte Steigerung des Blutdruckes hat nicht auch eine
Steigerung des Sekretdruckes zur Folge.
Im Stadium niedersten Druckes und größter Pulsfrequenz
hat der Vagus seine Erregbarkeit verloren. Diese kann aber
durch Nebennierenextrakt wieder hervorgerufen werden, weil
der Vagus durch das Nebennierenextrakt vom Zentrum aus,
durch das Pilokarpin aber an der Peripherie erregt wird. Zur
letzteren Erregung genügen nach den Untersuchungen von
Hedbom schon kleine Quantitäten.
Daraus ergibt sich also, daß das Pilokarpin bei aHen
Erkrankungen des Herzens kontraindiziert ist. Ebenso ist es
nicht anwendbar bei allen jenen Erkrankungen, bei denen das
Herz stark beansprucht wird. Völlig verfehlt ist seine An¬
wendung bei Lungenentzündung, weil das Pilokarpin eine
Hypersekretion der Bronchialschleimhaut erzeugt und außerdem
die Herztätigkeit steigert. Durch das Zusammenwirken dieser
beiden Faktoren kommt es zu Lungenödem. Rdr.
Die Kauterisation mit zwei Stiften.
Von A. Eloire, Veterinär in C au dry, Frankreich.
(Österr. Monatascbr. f. Tierheilk., 1908, S. 55.)
Bei der Kauterisation mit zwei Stiften handelt es sich
nicht etwa um eine neue, sondern um eine wahrscheinlich aus
29. Oktober 1908. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 788
Italien gekommene Heilmethode, die zuerst von Besnier und
neuerdings von Labourand in Frankreich als ein Mittel zur
heroischen Behandlung schwammiger, wuchernder, geschwüriger
Skrofulodermiten, Fistelbildungen usw. angewendet worden ist.
Der Vorgang besteht in der Benutzung zweier Stifte, eines aus
gewöhnlichem salpetersaurem Silber und eines aus reinem
metallischem Zink in Form und Größe eines Bleistifts. Man
bestreicht die zu zerstörenden Substanzen erst mit dem Silber-
nitrat-, dann mit dem Zinkstift. Eloire hat nun verschiedene
Versuche mit dieser doppelten Kauterisation angestellt und sehr
gute Erfolge mit denselben gezeitigt bei einer veralteten Wider-
ristfistel, einer Zyste des Blingknorpels bei einer Dogge, bei
den an den Euterzitzen der Kühe auftretenden Warzen, nach
der Trayonotomie, bei Wucherungen und Geschwüren in der
Fesselbeuge, bei Verletzungen durch Stollen, bei verschiedenen
Papülomen, Geschwülsten der Haut (Kauterisation nach der
Abtragung). — Diese Heilmethode gehört unstreitig in das
Gebiet der Tierheilkunde; sie ist sehr billig, ihre Anwendung
ist eine leichte und energische. Da die Berührung, namentlich
die mit dem Zinkstifte, sehr schmerzhaft ist, sind Bremse,
Fesseln usw. zu empfehlen. Richter.
Starrkrampf beim Rinde.
Von Stabsveterinär Ronge.
(Zeltscbr. f. Veterinärk. 1908, 8. 161.)
Ronge fand einen 3 / 4 jährigen Schnittochsen, der vor drei
Wochen kastriert worden war, mit Starrkrampf behaftet. Das
Tier war seit drei Tagen krank, lag scheinbar in Totenstarre
und sollte getötet werden. Die rechte Kastrationswunde war
so gut wie geheilt; die linke KastrationssteUe zeigte eine 3 cm
lange Schnittwunde mit schwammig-dunkelroten Rändern, aus
der sich trübes Sekret ausdrücken ließ. Ronge holte den
Samenstrang hervor und entfernte nach dem Abbinden ein 10 cm
langes Stück in Gemeinschaft mit einem handtellergroßen Haut¬
stück rings um die linke Kastrationswunde. Rechterseits wurde
zur Sicherheit gleichfalls ein fünfmarkstückgroßes Hautstück
herausgeschnitten. Desinfektion. Schon am nächsten Tage war
eine Besserung eingetreten, nach drei Tagen konnte Patient
zum Stehen gebracht werden, nach vier Wochen war er gesund.
— Aus diesem Falle ist erneut der Schluß zu ziehen, daß bei
Tetanus eine operative Behandlung versucht werden soll, falls
die vermutliche Infektionsstelle bekannt ist.
Richter.
Ansteckender Scheidenkatarrh der Rinder.
(Verüffentl. a. d. Jahrea-Veterinär-Rerichten der beamteten Tierärate Preußen* flir
da* Jahr 1906. II. Teil. Zusammengestellt von VeterinErrat Nevermann. Berlin 1908.)
Die Mitteilungen über das Auftreten dieser Krankheit aus
den verschiedenen Kreisen, tierärztlichen wie landwirtschaft¬
lichen, lassen erkennen, daß zwar die Seuche in großer Aus¬
dehnung herrscht, sich jedoch der Charakter der Seuche wesentlich
gemildert hat. Die in den beiden Vorjahren laut gewordenen
Klagen über die durch die Seuche hervorgerufenen Nachteile
deB Verkalbens, des Umrinderns, Gfistbleibens, von Störungen in
der Futterverwertung und Milcherzeugung, sowie des gelegent¬
lichen Verendens von Tieren sind ganz verstummt. Über recht
günstige Erfolge der therapeutischen Bekämpfung der Seuche
berichtet Kreistierarzt Estor. Die aus Chinosol oder Ichthyol
und Kakaobutter hergestellte Kugel (bzw. Stift) wird in die
Scheide eingefülirt, durch Zuhalten der Schamlippen ca. drei
Minuten lang fixiert und dann der Rest in das Innere geschoben.
Schon eine dreimalige Behandlung innerhalb einer Woche führte
zur Beseitigung bzw. Besserung der Erkrankung. Rdr.
Zerreißung des Lahmagens bei einer Kuh.
(Verüffentl. a. d. Jabres-Veterin&r-Bericliten der beamteten Tierärste Preußens f. <J.
Jalir 1905. II. Teil. Berlin 1908.)
Kreistierarzt Giickel fand bei der Sektion einer Kuh, die
nur einen Tag lang krank gewesen sein soU, ein jauchige Bauch¬
fellentzündung, bedingt durch Zerreißung des Labmagens an der
vorderen Fläche in der Längsrichtung. Die Ränder waren
unregelmäßig gezackt und stark blutig. Labmagenzerreißungen
kommen offenbar selten vor, denn weder Dieckerhoff noch
Friedberger-Fröhner noch Harms erwähnen dieselbe in
ihren Lehrbüchern. Rdr.
Über das Klauensäckchen des Schafes.
Von Dozent Dr. August Zi mm ermann -Budapest
(Küzlcm^nyok ar öraecbascmitü £let-cs körtan körieböl VI. Band. 3. Heft.)
Bei den Wiederkäuern bildet die äußere Haut an einzelnen
Stellen eingenartige Einstülpungen, welche besonders durch
ihren Drüsenreichtum auffallen und hauptsächlich an jenen Stellen
der Körperoberfläche Platz nehmen, wo sich zwei Flächen treffen.
Beim Schafe befindet sich eine solche eigentümliche, drüsenreiche
Hauteinstülpung zwischen den Zehen. Dieses Gebilde, das
KlauenBäckchen kommt, außer beim Schaf, noch bei ver¬
schiedenen Hir8cliarten vor, bei den Ziegen jedoch wo es
Baioph beschrieben hat, konnte Verfasser, ebenso wie Tempel,
kein Klauensäckchen nachweisen. Im übrigen stimmen die
Resultate der histiologischen Untersuchungen des Verfassers mit
den Angaben von Bai oph und Tempel im großen ganzen
überein. In der Wand des Klauensäckchens kommen neben
feinen Härchen gut entwickelte tubnlöse Drüsenknäuel vor,
welche in der Lederhaut eine besondere Drüsenschicht bilden;
ihr Sekret ist talgartig. In die Haarbälge münden die Ans¬
führungsgänge der alveolaren Talgdrüsen. Die sackartige Ein¬
stülpung der Haut wird von einer doppelwandigen Bindegewebs-
kapsel eingefaßt. Der dickbreiige Inhalt dieser Schmiergrube
(sinus cutis) wird beim Auftreten herausgepreßt und ist daher
geeignet, bei jedem Tritt die innere Kronen- und Zehenfläche
einzufetten und dadurch vor den schädlichen äußeren Einflüssen
(Nässe, Kälte usw.), vor starkem Reiben zu schützen.
Dr. Z.
Das Verhalten der elastischen Fasern in der Haut,
mit besonderer Rücksicht auf den Hautkrebs.
Von Dr. Eduard Neuber.
(Orvosi Hetilap. 1908. Nr. 5)
Verfasser hat eine neue Methode der elektiven Färbung
der elastischen Fasern der Haut konstruiert. Die mit essig¬
saurem Orcein bedeckten Schnitte kommen in den Thermostat,
bis die 2,5 proz. Orceinlösung sich zu einem Brei eindickt; nun
kommen die Schnitte in verdünnten Alkohol und werden dann
einige Stunden lang in gewechseltem Wasser gewaschen. Nach
dieser Vorbehandlung wird die Salzsäure-Orcein-Methylenblau-
Färbung (nach Krystalo witz) angewandt. Bei dieser Färbung
wird das Elastin und das verwandte Kollastin rotbraun, das
Elacin und das verwandte Kolacin, das basophile Kollagen, die
Zellkerne und das Protoplasma blau, das Kollagen gelb gefärbt
Verfasser hat nun an reichlichem Material festgestellt, daß die
Rundzelleninfiltration die elastischen Fasern mechanisch aus-
7K4
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44.
einander drängt und ihrer Auffaserung nnd ihrem Zerfall in
Klümpchen nnd Schollen Vorschub leistet; niemals jedoch sah er,
daß die Infiltrationszone ihre vollständige Zerstörung, ihr Ver¬
schwinden verursacht hätte. Die elastischen Fasern besitzen
dem Verhornungsprozesse der Epithelnetze gegenüber eine
herabgesetzte Widerstandsfähigkeit.
Dr. Z.
Antiformin ein bakterienanflösendes Desinfektions¬
mittel.
Von Uhlenhuth und Xylander.
(Berliner k'ininche Wochenschrift 1908, Nr. 29.)
Verfasser haben in dem Antiformin (Alkalihypochlorit,
.Alkalihydrat oder das bekannte Eau de Javelle mit Zusatz von
freiem Alkali) ein ausgezeichnetes bakterienlösendes Mittel
entdeckt. Die säurefesten Bakterien werden nicht angegriffen,
man kann daher das Antiformin benutzen, um aus dem Sputum
eines Phthisikers oder aus verfaulten tuberkulösen Organen
beispielsweise mit Leichtigkeit Tuberkelbazillen zu züchten.
Ferner zerstört es die Endotoxine vieler Bakterien, ohne die
Antigene anzugreifen. Es verspricht daher das Antiformin als
desinfizierendes, desodorierendes und immunisierendes Mittel weit¬
gehendste Anwendung. Das Liter kostet 50 Pfennige und ist
durch Kühn, Berlin, Dirksenstraße, zu beziehen.
Mießner.
Untersuchungen über die präventive Wirkung
des Atoxyls im Vergleich mit Quecksilber bei der
experimentellen Kaninchensyphilis.
Von Uhlenhuth und Weidanz.
(Deutsche medizinische Wochenschrift 1908, Nr. 20.)
Das von Uhlenhuth bei der Syphilis zuerst empfohlene
Atoxyl hat sich nach dem Verfasser ausgezeichnet beim Menschen
und Kaninchen bewährt. Auch ist das Atoxyl bezüglich seiner
Präventivwirkung dem Quecksilber überlegen. Es sind ferner
Schmierkuren mit Atoxylsalbe bei der Schlafkrankheit und der
Syphilis im Gange. Mießner.
Über das Vorkommen von Bakterien der Paratyphus-
B-Gruppe in der Außenwelt.
Von Uhlenhuth und Hübener.
(Vcrciuslioilage der Deutschen militärärztlichen Zeitschrift 1908, 6. Juni, S. 27 30.)
In der Sitzung der Berliner militärärztlichen Gesellschaft
vom 21. Mai 1908 berichten Uhlenhuth und Hübener, daß
es gelungen ist, in sechs von 100 untersuchten, einwandfreien
Wurstproben Bakterien der Paratyphus-B-Gruppe nachzuweisen,
ohne daß die Würste Gesundheitsschädigungen hervorgerufen
hätten. Der gefundene Bazillus läßt sich zur Zeit nicht vom
echten Paratyphus-B-Bazillus und dem Erreger der Fleisch¬
vergiftungen unterscheiden. Derartige Bakterien finden sich im
Darm gesunder und schweinepestkranker Schweine, desgleichen
ist er auch von den Verfassern bei der Kälberruhr beobachtet
worden. Der von Jensen ermittelte Paracolibazillus unter¬
scheidet sich nicht vom Bazillus enteritidis Gaertner, dem
Erreger der Fleischvergiftung. Uhlenhuth bezweifelt, daß
diese Bakterien die primäre Ursache der Kälberruhr sind. Es
haben aber die bei der Kälberruhr festgestellten Paratyphus B.
Gaertner und auch Kolistämme eine große Bedeutung für die
Beurteilung der Epidemiologie der Paratyphus, der Fleisch¬
vergiftungen etc. Mießner.
Über das Vorkommen von Bakterien der Paratyphus-
B-Gruppe in der Außenwelt.
(Deutsche Medizinische Wochenschrift 1908, Nr. 2t.)
Auf Grund seiner Untersuchungen nnd derjenigen in Ge¬
meinschaft mit Uhlenhuth, Xylander und Bohtz kommt Verfasser
zu dem Ergebnis, daß die Bakterien der Paratyphus B-Gmppe,
zu der der Hogcholera- oder Schweinepestbazillus, der
Mäusetyphus- und Psittakosebazillus nnd einer bestimmten
Art der Fleischvergiftungsbakterien gehören, sich nicht
nur bei den betreffenden kranken Individuen finden, sondern
auch in der Außenwelt, so in der Wurst, in den Ausscheidungen
gesunder Menschen usw., oft nachzuweisen sind. Diese Fest¬
stellungen sind in klinischer, sanitätspolizeilicher und forensischer
Beziehung von Wichtigkeit. Mießner.
Tagesgeschlchte.
Die preußische Beamtenbesoldnngsvorlage.
Von Professor Schmaltz.
Der Vorlage, welche eine fast allgemeine Aufbesserung der
Gehälter der preußischen Beamten bringen sollte, hat man
sicher überall mit größter Spannung, vielfach aber auch mit
einem Bangen vor Enttäuschung entgegengesehen. Gewiß werden
nach dem Erscheinen derselben die Urteile der verschiedenen
Beamtenkategorien nicht ganz gleich ausfallen, und es wird
daher jede gut tun, ihr Urteil lediglich vom eignen Standpunkt
aus zu bilden. Das darf man aber wohl sagen, daß im all¬
gemeinen die Vorlage nur einen sehr guten Eindruck machen
kann. Denn sie bringt in der Tat den überhaupt berück¬
sichtigten Beamtenklassen erhebliche Verbesserungen und läßt
ein wirkliches Wohlwollen der Regierung für die Lage ihrer
Beamten erkennen. Angenehm berührt es namentlich auch, daß
die Beamten nicht gleichzeitig der vollen Kommunalbesteuerung
unterworfen werden sollen, was der Verbesserung vielfach er¬
hebliche Abzüge entgegengestellt hätte. Ein eigenartiger
Grundzug der ganzen Vorlage ist ferner, daß gerade diejenigen
Beamtenklassen, die im allgemeinen bisher (teilweise mit Unrecht)
als die bevorzugtesten auch in der Besoldung galten, zurück¬
treten. Dies gilt von den höheren Verwaltungsbeamten und von
den Juristen und muß um so mehr bemerkt werden, als gerade
diese Klassen in erster Linie in der Lage sind, ihre Wünsche
zur Geltung zu bringen. Die Vortragenden Räte in den
Ministerien werden nicht aufgebessert, obwohl deren Besoldung
mit Rücksicht auf die Lebensbedürfnisse in Berlin und in An¬
betracht der Stellung keineswegs als hoch bezeichnet werden
kann. Ebenso erhalten die Regierungsräte nichts, denen man
wohl eine Aufbesserung gegönnt hätte, da immerhin an diese
Beamten besondere Anforderungen gestellt werden. Dagegen
sind alle anderen höheren Beamten „mit voller akademischer
Ausbildung“ an die Regierungsräte herangerückt und im Höchst¬
gehalt ihnen gleichgestellt worden. Es wird nicht verkannt
werden dürfen, daß diese Gleichstellung für manche Beamten¬
klassen nicht bloß eine absolute erhebliche Verbesserung, sondern
auch eine relative Besserstellung gegenüber den Regierungs-
räten bedeutet. Wenn z. B. die Oberlehrer jetzt im Höchst¬
gehalt den Regierungsräten und den Richtern gleichstehen, so
stehen sie sich in Wirklichkeit insofern besser, als doch die
(tatsächlich viel benutzte) Gelegenheit zum Nebenerwerb bei
den Lehrern nicht ganz gering zu schätzen ist, während eine
solche Gelegenheit bei den Erstgenannten durchaus wegfüllt.
20. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
785
Wenden wir uns nun den Beamten mit tierärztlicher
Ausbildung zu, so ist zunächst allgemein zu bemerken, daß ihre
Besoldungen denjenigen der entsprechenden Klassen von Be¬
amten „mit voller akademischer Ausbildung“ durchweg nicht
vollkommen gleichgestellt worden sind, wenn auch der Unter¬
schied, wie wir im einzelnen sehen werden, ein mehr äußerlicher
ist. Man kann über die Aufrechterhaltung dieser Unterscheidung
verschieden denken; dagegen wird man aber nichts einwenden
können, wenn zur „vollen akademischen Ausbildung“ auch die
volle Vorbildung, d. h. das Reifezeugnis gerechnet wird, und
man muß dann anerkennen, daß innerhalb unseres Berufes diese
volle Ausbildung noch nicht vollkommen durchgeführt ist. Als
ungerecht wird man daher die Unterscheidung nicht bezeichnen
können, wenn wir natürlich auch erfreut gewesen wären, sie
schon jetzt verschwinden zu sehen. Andererseits ist aber mit Be¬
friedigung festzustellen, daß in der neuen Vorlage der bisherige
Unterschied erheblich verringert ist, und daß somit in der
Annäherung an die anderen, schon länger im Besitz der Voll¬
bildung befindlichen Beamten ein weiterer Schritt vorwärts getan
ist. Ziehen wir vollends den Vergleich rein vom materiellen
Standpunkt aus, so schrumpft, wie sich aus folgendem ergibt,
der verbleibende Unterschied außerordentlich zusammen.
Sehen wir uns nun die Durchführung der oben hervor¬
gehobenen Grundzüge bei den einzelnen Abteilungen der
Veterinärbeamten an, so ergibt sich folgendes Bild:
Die 454 nicht vollbesoldeten Kreisärzte bezogen bisher ein
Gehalt von 1800 bis 4200, im Durchschnitt 2700 M. Auf diesem
Durchschnittsgehalt sind sie stehen geblieben, haben also eine
Verbesserung nicht erfahren, und es ist nur insofern eine
Änderung eingetreten, als das Höchstgehalt niedriger, auf
3600 M. normiert worden ist. Dazu kommen durchschnittlich
450 M. Stellenzulage und durchschnittlich 250 M. Amtsunkosten¬
entschädigung. Die in den letzten Etat für die Kreisärzte ein¬
gestellte Pauschalsumme für Reisekosten und Tagegelder beträgt
865 000 M. Demgegenüber bezogen die Kreistierärzte bisher
ein Durchschnittsgehalt von 1650 M., das heißt 1050 M. weniger
als das Durchschnittsgehalt der Kreisärzte. Das Durchschnitts¬
gehalt ist jetzt auf 2100 M., also um 450 M., aufgebessert, und
jene Differenz ist dadurch auf 600 M. vermindert worden. Die
Gehälter betragen fortab 1200—3000 M. Dazu kommen 450 M.
durchschnittliche Stellenzulage und 200 M. Amtsunkosten¬
entschädigung. Zu dem pensionsfähigen Gehalt werden bekanntlich
1050 M. hinzugerechnet, so daß dasselbe den Höchstbetrag von
4950 M. erreicht. Es wäre ebenso möglich gewesen, das Höchst¬
gehalt auf 3600 M. zu normieren, nur daß dann ein größerer
Teil der Kreistierärzte in dem niedrigen Anfangsgehalt stehen
geblieben wäre; es dürfte daher gerade den jüngeren Kreistier¬
ärzten willkommen sein, daß man unter Beschränkung der
Maximalstufe auch sie an der Aufbesserung hat teilnehmen
lassen. Rechnet man andererseits dazu, daß die Pauschal¬
summe für Reisekosten und Tagegelder der Kreistierärzte,
wie angegeben wird, sich auf zirka anderthalb Millionen beläuft,
so vermindert sich der tatsächliche Unterschied zwischen dem
durchschnittlichen Diensteinkommen des Kreisarztes und des
KreiBtierarztes bis zur Geringfügigkeit. Der Nachteil, welcher
bestehen bleibt, liegt in dem Unterschied der Pension.
Ein Interesse wird noch der Vergleich des Diensteinkommens
der preußischen Kreistierärzte mit demjenigen derselben Beamten
in anderen Bundesstaaten bieten, namentlich der Vergleich mit
den Gehältern der bayerischen Bezirkstierärzte, die den Bezirks¬
ärzten gleichstehen. Da ergibt sich, daß die bayerischen
Bezirkstierärzte mit 6000 M. Höchstgehalt weitaus am besten
stehen. Indessen sind in allen Beamtenklassen die bayerischen
Gehälter erheblich höher als die preußischen (Professoren z. B.
8400 M., siehe unten), wobei aber wieder zu bedenken ist, daß
Bayern, soviel ich weiß, keine Wohnungsgeldzuschüsse kennt.
Die badischen Bezirkstierärzte mit 4800 M. pensionsfähigem
Maximum stehen den preußischen Kreistierärzten gleich. Der
korrekte Vergleich muß übrigens das gesamte Diensteinkommen,
nicht bloß das feste Gehalt berücksichtigen.
Von den in staatlichen Gestüten angestellten Tierärzten
erhalten die Gestütsinspektoren und Oberroßärzte 3000 bis
5400 M. (nach 15 Dienstjahren, bisher 3000 bis 4200 M.) und
die Roßärzte 1800 bis 4500 M. (nach 24 Dienstjahren, bisher
1800 bis 3000 M.)
Die Departementstierärzte haben im Verhältnis zu den
übrigen tierärztlichen Beamten und auch im Vergleich mit den
Beamten überhaupt mit am besten abgeschnitten. Sie bezogen
bisher 3600 bis 4800 M. und erhalten jetzt 4200 bis 6300 M.
und zwar nach 12 jähriger Dienstzeit das Höchstgehalt. Das
bedeutet also eine Verbesserung des Anfangsgehalts um 600 M.
und des Höchstgehalts um 1500 M. Es gibt kaum eine Beamten¬
klasse, welche im Höchstgehalt einen so großen Sprung vorwärts
gemacht hat. Da sie noch nicht Regierungs-Veterinärräte sind,
so war nicht zu erwarten, daß sie im Gehalt den Regierungs¬
räten gleichgestellt werden würden. Bei näherer Betrachtung
ergibt sich aber, daß eigentlich in Wirklichkeit schon die Gleich¬
stellung erfolgt ist. Die Anfangsgehälter sind gleich, der Abstand
von 900 M. im Höchstgehalt aber wird dadurch ausgeglichen,
daß die Departementstierärzte je 900 M. für die Verwaltung
einer Kreistierarztstelle erhalten. Der Unterschied liegt auch
hier nur in der Pension, da die 900 M. nicht pensionsfähig sind.
Wenn man im übrigen die Nebeneinnahmen betrachtet, die
der Departementstierarzt aus der Verwaltung der Kreistierarzt¬
stelle bezieht, so darf man wohl sagen, daß er zu der besser
bezahlten Hälfte der höheren Regierungsbeamten gehört. Für ihn
wird übrigens auch noch die Aufbesserung der Wohnungsgeld-
zuschüsse in Betracht kommen, über die der Herr Finanzminister
in der Sitzung vom Montag mitgeteilt hat, daß sie 5O 0 /o der
bisherigen Bezüge betragen werde.
Auch die Professoren an den Tierärztlichen Hochschulen
haben sich noch eine kleine Differenzierung von den übrigen
Hochschulprofessoren gefallen lassen müssen, die aber ebenfalls
nur äußerlich ist. Sie bezogen bisher 3000 bis 6000, im Durch¬
schnitt 4500 M. und erhalten jetzt 4000 bis 6600, im Durch¬
schnitt also 5200 M. Wenn wir von den Universitäten, die
sich zum Vergleich nicht eignen, absehen und die übrigen
Hochschulen betrachten, so ist bei denen zunächst ein Unter¬
schied zwischen denen in Berlin und denen der Provinz gemacht.
Die Professoren der Berliner Hochschulen erhalten im Durch¬
schnitt 6500 M., die Professoren der Provinzialhochschulen
5500 M. Bei den ersteren ist eine Verbesserung überhaupt
nicht eingetreten, bei den letzteren dagegen ist der Durchschnitt
um 300 M. gegen früher gestiegen. Diese Gehälter steigen aber
nicht nach dem Dienstalter, Mindest- und Höchstgehalt sind
nicht festgesetzt, das Gehalt des Einzelnen unterliegt be¬
sonderer Abmessung. Es sind das die Professoren der Tech¬
nischen und der Landwirtschaftlichen Hochschulen und der
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44.
78«
Bergakademien. Die Besoldung der Professoren der Forst¬
akademien ist eine grundsätzlich andere, indem ihr Gehalt nach
Dienstaltersstufen von 4200 bis 7200 M. wie dasjenige der
Regierungsräte (Höchstgehalt in 15 Jahren) steigt. Die Ab¬
weichung in der Besoldung der tierärztlichen Professoren besteht
zunächst darin, daß die Berliner nicht höhere Gehälter beziehen
als diejenigen von Hannover. Dies erklärt sich aber daraus,
daß von den zehn Berliner Professoren neun Dienstwohnungen
haben, und daß diese Dienstwohnungen mit Recht höher bewertet
werden, als der etatsmäßige Wohnungsgeldzuschuß beträgt;
freilich wird diese Differenz nach der allgemeinen Erhöhung der
Wohnungsgeldzuschüsse nicht mehr so hoch sein, wie sie an¬
gesetzt worden ist, sodaß hier immerhin eine relative Benachteili¬
gung eintritt. Betrachten wir nun aber das Gehalt der tierärzt¬
lichen Professoren insgesamt im Vergleich mit dem der Professoren
der übrigen Provinzial-Hochschulen, so ergibt sich im Durcli-
schnittsgehalt eine Differenz von 300 M. Dieser Minderbetrag
wird jedoch völlig ausgeglichen dadurch, daß die Professoren
an den Tierärztlichen Hochschulen im Gegensatz zu denen der
Technischen Hochschulen, der Landwirtschaftlichen Hochschulen
und Bergakademien im Gehalt nach Dienst altersstufen auf¬
steigen. Dies ist an sich aus verschiedenen Gründen ein
Vorteil; es führt im übrigen aber in der Regel zu einer Er¬
höhung des Gesamtdurchschnittes, indem sich die Mehrzahl der
Professoren in den höheren und höchsten Gehaltsstufen befindet.
Die Professoren der Forstakademien beziehen zwar auch Gehalt
nach Dienstaltersstufen, und das bis 7200 M., haben dafür
aber keine Kolleggeldanteile. Mithin bleibt das Gehalt der
tierärztlichen Professoren hinter dem der anderen Hochschul¬
lehrer in der Provinz faktisch nicht zurück; die früher be¬
stehende erhebliche Differenz ist so gut wie ausgeglichen. Die
hier eingetretene Verbesserung beläuft sich auf 1000 M. im
Anfangsgehalt und 600 M. im Höchstgehalt; sie wird außerdem
dadurch gesteigert, daß letzteres Gehalt in 15 statt wie bisher
in 21 Jahren erreicht wird.
Zu der Gehaltsaufbesserung tritt noch eine immerhin er¬
hebliche Steigerung der Anteile an den Kolleggeldern. Bisher
bezogen die Professoren, und zwar alle zu gleichen Teilen, aus
der einkommenden Gesamtsumme ein Viertel; jetzt dagegen
erhält jeder aus dem einkommenden Honorar 1500 M. vorweg
und von dem verbleibenden Rest noch ein Viertel. Bei einer
Frequenz von 200 Studenten beispielsweise kommen im Jahre
40000 M. an Kollegiengeldern ein, wovon dem Kollegium bis¬
her 10000 M. zufielen, während ein Kollegium von 10 Mit¬
gliedern, wie das Berliner, jetzt 15 000 M. vorweg und von den
übrigbleibenden 25 000 M. noch 6250 M., im ganzen also
21250 M., mit anderen Worten doppelt so viel erhält. In
bezug auf die Bemessung der Kolleganteile sind übrigens die
Professoren sämtlicher Hochschulen, immer von den Universitäten
abgesehen, völlig gleichgestellt mit Ausnahme derjenigen der
Forstakademien, die, wie gesagt, keine Anteile erhalten.
Ein erheblicher Nachteil besteht jedoch auch hier in dem
Zurückbleiben des pensionsfähigen Gehalts, und gerade bei den
Professoren zeigt sich die Benachteiligung gegenüber anderen,
im Range sogar nachstehenden Beamtenkategorien besonders
kraß. Denn die Gymnasiallehrer z. B. erreichen ein pensions¬
fähiges Gehalt von 7 200 M. und die Hochschulprofessoren nur
ein solches von 6 600 M. Das ist eigentlich doch ein Wider¬
spruch. Derselbe zeigt sich übrigens nicht nur bei den Pro¬
fessoren der Tierärztlichen Hochschulen, sondern kann auch bei
denen der übrigen Hochschulen eintreten, bei denen nur Dnrcli-
schnittsgehälter festgesetzt sind. Denn da dort die Besoldungen
der einzelnen Professoren je nach ihrer Berufung recht ver¬
schieden bemessen werden, so ist sehr wohl möglich, daß
manche auch nicht auf das Höchstgehalt von 7 200 M. kommen.
Hier sollte ein Ausgleich geschaffen werden, und er ließe sich
meiner Ansicht nach sehr einfach erreichen, indem man bei der
Pensionierung die Hälfte des festen Kolleggeldanteils von
1500 M. dem pensionsfähigen Gehalt zurechnete. Wenn das
bei Kreisärzten und Kreistierärzten geht, so ist nicht einzusehen,
welche Schwierigkeit sich bei den Professoren ergeben sollte.
Da die Universitäten in jeder Hinsicht in der Besoldung eine
Sonderstellung haben, so brauchte sich das auf die Universitäten
nicht zu erstrecken, sondern nur die übrigen Hochschulen zn
betreffen.
Das Zurückbleiben der pensionsfähigen Gehälter
gegenüber gleichgestellten Beamtenkategorien hat noch eine
andere ernstere Bedeutung als die rein materielle. Es wird da¬
durch offenbar der so wie so schon vorhandenen Abneigung gegen
die rechtzeitige Erbittung des Abschiedes Vorschub geleistet. Das
sollte der Staat nicht nur nicht tun, sondern er sollte im Gegen¬
teil Vorsorge treffen, daß die so vielfach und auch unter den
Professoren verbreitete Überalterung im DienBt gründlich ab¬
gestellt wird. Die Einführung einer Altersgrenze hat sich überall
als segensreich bewährt (auf die politischen Beamten brauchte sich
diese Grenze übrigens nicht zu erstrecken). Das siebzigste Lebens¬
jahr sollte auch in Deutschland im allgemeinen die unübersteig-
liche Schranke bilden — nicht zuletzt auch für den Professor. Mag
da auch wissenschaftliche Größe und geistige Rüstigkeit vorhanden
sein, es haben sich doch allmählich Eigenschaften eingestellt, die
der fruchtbaren Gesamttätigkeit entgegenwirken. Wenn jetzt die
Staatsregierung sich ernstlich mit der Frage zu beschäftigen
beginnt, wie Ersparungen in der Beamtenzahl sich ermöglichen
lassen, so sollte man bei diesen Erwägungen auch prüfen, ob nicht
eins der besten Mittel zur Verminderung der Beamtenzahl die recht¬
zeitige Pensionierung überalterter und nicht mehr voll leistangs¬
fähiger Beamter sein würde. Es kann gar keinen Eindruck
machen, wenn demgegenüber von Härte gesprochen wird. Wenn
der Staat von seiner Jugend verlangt, für das Vaterland in den
Tod zu gehen, so kann er mit noch weit größerem Recht von
dem überreifen Alter verlangen, im Interesse des Staatsdienstes
rechtzeitig in Pension zu gehen. Diesen Satz habe ich schon
einmal an andrer Stelle, in der politischen Presse, ausgesprochen,
und ich möchte ihn bei dieser Gelegenheit hier wiederholen.
Von diesem einen Punkt, dem Zurückbleiben der Pension,
abgesehen, muß meiner Ansicht nach das Bild, welches die Be¬
soldung der tierärztlichen Beamten im Rahmen der Gesamt¬
vorlage bietet, als ein voll befriedigendes bezeichnet werden,
und ich glaube, daß die tierärztlichen Beamten aller Kategorien
der offenbar vorzüglichen Vertretung, die ihre Interessen
gefunden haben, einen vollen Dank schuldig sind.
Das Promotionsrecht an den österreichischen tier¬
ärztlichen Hochschulen.
In Nr. 42 der B. T. W. konnte die Freudenbotschaft mit¬
geteilt werden, daß unseren österreichischen Kollegen in ihrem
Kampfe um die Entwicklung der tierärztlichen Hochschulen
endlich der Sieg beschieden worden ist. Sie haben zunächst
29. Oktober 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
787
das Promotionsrecht erhalten nnd damit den Nachteil aus¬
geglichen, in den sie gegenüber der ungarischen. Hochschule
seit dem Jahre 1906 geraten waren. Die kaiserlich königliche
Staatsregierung ist jedoch dabei nicht stehen geblieben, sondern
sie hat der Tierärztlichen Hochschule in Wien ein weiteres
wichtiges Recht verliehen, durch das die Entwicklung dieser
Anstalt zu einer freien hohen Schule mit vollen akademischen
Rechten gekrönt wird, nämlich das Recht der freien Wahl des
Rektors. Es ist auch bereits eine provisorische Wahl vor¬
genommen worden, welche auf den Professor Dr. v. Tschermak
gefallen ist. Da der frei gewählte Rektor unter dem Kriegs-
mini8terium selbstverständlich eine unmögliche Figur ist, so ist
damit ausgesprochen, daß die allseitig gewünschte Übernahme
der Verwaltung seitens des Kultnsministeriums bzw. des Acker¬
bauministeriums im Prinzip beschlossene Sache ist.
Die deutschen Kollegen, insonderheit die Hochschulen, werden
den österreichischen von Herzen Glück wünschen zu diesen
Erfolgen, die um so höher anzuschlagen sind, je schwieriger
und kleinlicher die Verhältnisse waren, aus denen heraus der
jetzige Fortschritt geschaffen worden ist. Dieser Glückwunsch
erstreckt sich aber auch auf die österreichische Staatsregierung.
Das österreichische Veterinärwesen hat lange Zeit beklagens¬
werte Zustände aufgewiesen, und es ist auch heute noch nicht
alles gut. Die Neigung namentlich, neben die Tierärzte
Pfuscher zu stellen, ist noch nicht geschwunden, wenn sie
auch freilich weniger von der Regierung, als von der Be¬
völkerung getragen wird. Das aber muß man in jedem Falle
der kaiserlich königlichen Regierung lassen, daß sie, so schwer
sie sich von jenen Mängeln frei machen konnte, auf der andern
Seite eine anderswo unerreichte Kühnheit des Fortschrittes ge¬
zeigt hat. Es gehörte wirklich Wagemut dazu, im Jahre 1897
angesichts des damaligen Standes des Veterinärwesens das
Abiturientenexamen als Vorbedingung für das Studium vor¬
zuschreiben. Die österreichische Regierung hat das gewagt in
einer Zeit, wo man in Deutschland bei ungleich besseren Ver¬
hältnissen dazu noch zu vorsichtig war. Obwohl der dadurch
geschaffene Zustand, weil die Anforderungen in Widerspruch
standen zu den Verhältnissen, zu einer Katastrophe zu führen
drohte, weil die Hochschulen verödeten, so ist dieser Ausgang
durch den zweiten folgerichtigen Schritt einer umfassenden Ver¬
besserung auf dem Gebiet des Zivilveterinärwesens (1901) glück¬
lich vermieden worden. Jetzt hat die kaiserlich königliche Re¬
gierung mit der Verleihung des Promotionsrechtes an die
ungarische und an die österreichischen tierärztlichen Hochschulen
wiederum einen Schritt Deutschland voraus getan. Wir freuen
uns dessen, neidlos sowohl wie auch im eigenen Interesse; denn
wenn die beteiligten deutschen Bundesregierungen, insonderheit
wenn die preußische Staatsregierung noch gezögert hätte (sie
tat es vielleicht schon nicht mehr), auch unsere tierärztlichen
Hochschulen mit diesem letzten und höchsten akademischen
Rechte auszustatten: jetzt, daran kann kein Zweifel mehr sein,
kann nnd wird sie nicht mehr zögern.
Weitere Mitteilungen über die näheren Bestimmungen betreffs
der Promotion müssen vorläufig Vorbehalten bleiben.
Schmaltz.
Beratung Uber eine neue PrUfungserdnung für Tierärzte.
Im preußischen Ministerium für Landwirtschaft hat am
9. und 10. Oktober eine Konferenz über die Neugestaltung der
Prüfungsordnung für Tierärzte unter dem Vorsitz des Ministerial¬
direktors Küster stattgefünden. Vom Ministerium für Land¬
wirtschaft waren außer dem Vorsitzenden anwesend Geh. Ober¬
regierungsrat Schröter, Regierungsrat Nevermann und
Assessor v. Wagenhoff; ferner waren vertreten das Reichsamt
des Innern durch den Geh. Oberregierungsrat Dam mann und
den Direktor im kaiserl. Gesundheitsamt Geheimrat Dr. Oster¬
tag, das Kultusministerium durch Geh. Oberregierungsrat
Tilmann und Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Esser, das Kriegs¬
ministerium durch Major Frlirn. v. Hoverbeck gen. v. Schön¬
aich und Oberstabsveterinär Grämlich. Ferner waren vom
Ministerium für Landwirtschaft einberufen worden je drei Pro¬
fessoren der Tierärztlichen Hochschulen zu Berlin und zu
Hannover (Dammann, Frick, Fröhner, Kaiser, Schmaltz,
Schütz), die Departementstierärzte Dr. Arndt (Berlin) und
Dr. Lothes (Köln) und der Kreistierarzt Traeger zu Berlin.
Der durch die Beratungen. festgestellte Entwurf wird demnächst
dem Reichsamt des Innern übergeben werden.
Anrechnung tierärztlicher Studiensemester für das ärztliche Studium.
Vor einiger Zeit trat der Sohn eines Tierarztes, der an
der Berliner Tierärztlichen Hochschule studiert hatte, zum ärzt-
Hchen Studium über. Nach langen Bemühungen gelang es ihm,
zu erreichen, daß ihm die Semester an der Tierärztlichen Hoch¬
schule auf das ärztliche Studium angerechnet wurden. Dem
Vernehmen nach ist seither seitens der zuständigen Reichsinstanz
in mehreren Fällen ähnlich entschieden worden.
Hochsohullehrertag zu Jena.
Ein Kollege hat in einer Zuschrift an die Redaktion be¬
mängelt, daß auf dem Hochschullehrertage nicht auch die Tier¬
ärztlichen Hochschulen vertreten und daher anscheinend nicht
eingeladen gewesen seien. Hierzu ist zu bemerken, daß wenigstens
an der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin eine Einladung nicht
eingegangen ist. Es ist aber ferner darauf hinzuweisen, daß
überhaupt nur Technische Hochschulen und Universitäten ver¬
treten waren, alle übrigen Hochschulen dagegen, also die Land¬
wirtschaftlichen sowie die Forst- und Bergakademien, ebenfalls
nicht. Die Organisation und die Verhältnisse der Universitäten
bieten auch so viel Eigenart, daß es vielleicht zweckmäßiger ist,
wenn die Universitätslehrer ganz unter sich bleiben. Schon die
j Technischen Hochschulen unterscheiden sich, wie sich gerade
in Jena gezeigt hat, so sehr, daß gewisse, besonders wichtige
Fragen gesondert für die Universitäten und die Technischen
Hochschulen behandelt werden mußten. Wenn im übrigen die
Technischen Hochschulen im Gegensatz zu den anderen Hoch¬
schulen teilgenommen haben, so erklärt sich das hinreichend
dadurch, daß sie den Universitäten in ihrer Größe besonders
nahe stehen.
Beschluß des Tierärztlichen Provlnzial-Vereins für Schleswig-Holstein.
Generalversammlung vom 26. und 27. September 1908 in Kiel.
Antrag des Vorstandes: Die fortschreitende Entwicklung
der Veterinärmedizin und des tierärztlichen Standes findet in
der Öffentlichkeit nicht genügende Beachtung. Es ist das Be¬
dürfnis hervorgetreten, die große Tagespresse für die Fort¬
schritte auf allen Gebieten der tierärztlichen Wissenschaft zu
interessieren und sie für die Bestrebungen und Interessen des
tierärztlichen Standes zu gewinnen.
Die Generalversammlung wolle daher beschließen:
1. den Vorstand zu beauftragen:
a) die erforderlichen Schritte zur Gewinnung
einer geeigneten Persönlichkeit zu tun, die
788
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44.
sowohl mit den Tierärzten wie mit der großen
Tagespresse die erforderliche Fühlung hat;
b) mit dieser Persönlichkeit die Organisation
einer Zentralstelle für jene Aufgaben zu beraten;
c) den tierärztlichen Vereinen Vorschläge zur
Durchführung der Einrichtung zu unterbreiten
und die Beteiligung und die Bereitstellung
von Mitteln anzuregen;
2. zur Finanzierung des Unternehmens wolle die
Generalversammlung einen jährlichen Beitrag von
vorläufig 300 M. bereitstellen.
Der Antrag wird unter lebhaftem Bravo einstimmig angenommen.
Der Vorsitzende teilt mit, daß es im Prinzip bereits ge¬
lungen sei, einen geeigneten Herrn zu gewinnen. Der Name
könne noch nicht genannt werden. Der Herr würde demnächst
zu einer Beratung eingeladen werden.
Der Vorsitzende:. Dr. Foth, Veterinärrat.
(Anmerkung: Eine Besprechung dieses Beschlusses bleibt
Vorbehalten.)
Zweckmäßige Einrichtung einer Sanitätstierarztstelle.
Im Bezirk Eving, Landkreis Dortmund (23 OOO Einwohner),
war bisher dem Amtstierarzt Meyer die Fleischbeschau gegen
Überlassung der Gebühren mit halbjährlicher Kündigung über¬
tragen. Mit dem 1. Oktober ist der Genannte durch Beschluß
der Amtsvertretung, genehmigt von der Regierung zu Arnsberg,
auf Lebenszeit mit Pensionsberechtigung als Amtsbeamter an¬
gestellt worden. Das pensionsfähige Anfangsgehalt beträgt
4000 M., wozu 300 M. als Wege Vergütung treten. Eine Regelung
der Gehaltsskala ist in Aussicht gestellt nach Ablauf eines
Jahres unter Bezugnahme auf das Gebührenergebnis. Der Amts¬
tierarzt muß neben der Fleischbeschau ohne besondere Ver¬
gütung auch die Milchkontrolle ausüben. Privatpraxis ist nach
wie vor unter den üblichen Bedingungen gestattet. Im Land¬
kreise Dortmund sind außerdem noch drei Tierärzte, Beckhaus,
Kur und Horst, unter ähnlichen Bedingungen auf Lebenszeit
mit Pensionsberechtigung angestellt. Sehr erfreuliche Zustände.
Gesetzentwurf, betreffend den Viehhandel nach Lebendgewicht
Nach einer Zeitungsmeldung soll dem Reichstag alsbald ein
Gesetzentwurf zugehen, der die Einführung des Handels nach
Lebendgewicht im Schlachtviehmarktverkehr bezweckt. Derselbe
soll die Landeszentralbehörden mit der Befugnis ausstatten, für
Schlachtviehmärkte zur Feststellung von Preis und Gewicht der
Tiere Vorschriften zu erlassen. Diese Behörden sollen ferner befugt
sein, für solche Orte, innerhalb deren jene Einrichtungen getroffen
sind, viehmarktähnliche Veranstaltungen außerhalb des Marktplatzes
während der Märkte und der vorübergehenden und folgenden Tage
zu verbieten. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bedroht.
Tollwut bei Schweinen.
Nach einer Meldung der Berliner Neuesten Nachrichten hat der
städtische Schlachthofdirektor Encke aus Zittau, begleitet von
einem dortigen Schlächtergesellen, die Tollwutschutzstation in Berlin
aufgesucht. Im Schlachthof zu Zittau wurden drei Schweine ge¬
schlachtet, bei denen nachträglich das Vorhandensein der Tollwut
konstatiert werden konnte, indem festgestellt wurde, daß sie von
einem w’utverdächtigen Hunde gebissen waren. Da sich der
Schlachthofdirektor bei der Untersuchung einige kleine Wunden
zugezogen hatte und immerhin Verdacht vorliegt, so wurde hier
eine Vorsichtsmaßregel getroffen.
Maul- und Klauenseuche.
Das Erlöschen der Seuche wird gemeldet aus Metz.
Die SO. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Ärzte in Köln
vom 20.-—26. September 1908.
Berichterstatter: Kreistierarzt Francke-Köln.
(Fortsetzung.)
2. Sitzung.
Dienstag, 22. September, vormittags.
Den Vorsitz führt Veterinärrat Rickmann-Höchst. — Die
Tagesordnung bot folgende Vorträge:
1. Dr. Schmitt-Züllchow (Stettin): „Der baclllua paratyphl B als
Krankheitserreger bei Kälbern.“
Der Vortragende berichtet Uber die künstliche Infektion von
sechs einige Wochen alten Kälbern mit Menschen-Paratyphusbazillen
und einem zur Paratyphusgruppe der Fleischvergifter gehörendem
Stamm.
Im Gegensatz zu Kutscher und Meinicke, welche infolge
der negativen Ergebnisse ihrer im Koch sehen Institut für
Infektionskrankheiten vorgenommenen Versuche zu dem Schlüsse
kamen, daß Menschen-Paratyphusbazillen für Kälber vom Darm und
von der Subkutis aus nicht infektiös seien und deshalb w r ohl „in
der Mehrzahl der Fälle von sogenannter Fleischvergiftung, als
deren Ursache Paratyphusbazillen Typus B festgcstellt werden
konnten, diese erst durch nachträgliche Verunreinigung des
Fleisches nach der Schlachtung in dasselbe hineingelangt“ seien,
stellt Schmitt die folgenden Sätze auf:
1. Einige Stämme von Menschen-Paratyphusbazillen und ein zur
Paratyphusgruppe der Fleischvergifter gehörender Stamm waren
für Kälber im Alter von einigen Wochen pathogen von der
Schleimhaut der oberen und mittleren Luftwege aus, von der
Unterhaut, der Bauchhöhle und der Blutbahn aus, sie waren
für solche Kälber aber nicht pathogen vom Verdauungs¬
schlauche aus.
2. Bereits nach Infektion per os trat bei einem Kalbe eine, wenn auch
geringe Erhöhung der Agglutinationskraft des Blutserums ein.
3. Nach Infektion in die Unterhaut, die Bauchhöhle, die Blutbahn
und nach Versprühen der Kulturen in die Nasenhöhlen erlangte
das Blutserum der Kälber einen hohen Agglutinationstiter.
4. Aus dem Blute dieser Kälber konnten die Paratyphusbazillcn
(Passagestämme) in Reinkultur gezüchtet werden.
5. Das bei Beendigung des Versuchs gewonnene Blutserum
der wie unter 3 mit Menschen-Paratyphusbazillen infizierten Kälber
agglutinierte die Menschen-Paratyphusbazillen und den Fleisch¬
vergifter um so höher, je länger sie in den lebenden Geweben der
Kälber gewesen waren.
6. Das Blutserum, welches gewonnen wurde bei der Tötung
von 2 mit Menschen-Paratyphusbazillen in die Nasenhöhle, die Unter¬
haut und in die Blutbahn infizierten Kälbern, agglutinierte die
Passagestämme eines Menschen-Paratyphusbazillus und die des
Fleischvergifters, welche 2 bis 5 Tage in den lebenden Geweben
der Kälber gewesen waren, nicht mehr wieder, wie die Menschen-
Paratyphusbazillen, welche gezüchtet w'aren aus an Ruhr, Septikämie
und Lungenbrustfellentzündung gestorbenen Kälbern [KPa- Stämme).
7. Das gleiche Ergebnis hatte die Agglutination mit KPa-
Immunserum, das aus Kaninchen dargestellt war. Umgekehrt
agglutinierten Immunsera, welche mit Menschen-Paratyphusbazillen
aus Pferd und Kaninchen gewonnen waren, die Menschen-Paratyphus-
stämme und den Fleischvergifter sehr hoch, deren Passagestämme
aber um so niederer, je länger sie in den lebenden Geweben der
Kälber gewesen waren und solche Passagestämme, die 2 bis 5 Tage
im Kalbe gewiesen waren, nur mehr ganz nieder so, w r ie die KPa-
Stämme.
8. Dieser Wechselbeziehungen wegen, da ferner Paratyphus¬
bazillen nicht nur bei der Ruhr und der Septikämie, sondern be¬
sonders bei der ansteckendon Lungen- und Brustfellentzündung der
Kälber eine erhebliche Rolle spielen und da auch die neugeborenen
Kälber erfahrungsgemäß ungemein wenig widerstandsfähig gegen
Bakterieninvasionen jeder Art sind, so erscheint eine eingehende
Bearbeitung der angeschnittenen Fragen wichtig und dringlich,
insbesondere auch in bezug auf die Beurteilung des Fleisches der
kranken Kälber.
29. Oktober 1908.
2. Dr. Schmitt-Znllchow (Stettin): „Zur Ätiologie des oeuchenhaften
Kälbersterbens“.
Der Vortragende fahrt die Ansichten über die Entstehung des
seuchenhaften Kälbersterbens auf. Er berichtet über die Mannig¬
faltigkeit der Befunde, welche in seinem Laboratorium während
des letzten Jahres erhoben wurden bei der Sektion und der
bakteriologischen Untersuchung seuchenverdächtiger Kälber; er
ergänzt diese Jahresübersicht durch die Mitteilung der einen Zeit¬
raum von 27a Jahren berücksichtigenden Sektionsergebnisse aus
dem Kälberbestande zweier großer Güter. Er betont dabei das
recht häufige Vorkommen von Bakterien aus der Paratyphusgruppe,
besonders in bi ustkranken Kälbern. Um die Frage zu entscheiden,
ob Bakterien bereits während des Lebens im Blute und in den
Eingeweiden von kranken Kälbern seien, hatt Schmitt sechs
Kälberbestände klinisch und bakteriologisch untersucht Besonderes
Gewicht wurde dabei auf einwandfreie bakteriologische Untersuchung
des den lebenden Kälbern entnommenen Blutes gelegt; es wurden
ferner brustkranke Kälber getötet und sofort seziert.
Des weiteren erwähnt der Vortragende die morphologischen,
kulturellen und agglutinatorischen Eigenschaften einiger 40 Bakterien-
stämme der Paratyphusgruppe, die in seinem Laboratorium gezüchtet
worden waren aus an Ruhr, Septikämie und Lungen-Brustfell¬
entzündung gestorbenen Kälbern.
Zum Schlüsse berichtet Schmitt über die Infektion von elf
einige Wochen alten Kälbern mit Organauszügen und Blutserum
von zur Untersuchung eingeschickten Kälbern, aus denen Kälber-
Paratyphusbazillen (AP«-Bazillen Schmitts) gezüchtet worden
waren mit Organauszügen und Blutserum von eingeschickten Kälbern,
in denen das Bacterium Septicaemie haemorrhagicac Hüppe nach¬
gewiesen war und ferner mit Reinkulturen dieser Bakterienarten.
Schmitt kommt auf Grund seiner Ausführungen zu folgenden
Ergebnissen:
1. Bakterien aus der Gruppe des Bacterium septicaemiae
haemorrhagicae Hüppe und aus der Typhus-Koligruppe können
bereits während des Lebens vorhanden sein in den'Eingeweiden
und in dem Blute von Kälbern, die an seuchenhafter Lungenbrust-
fellentzündung erkrankt sind; sie können auch schon während des
Lebens, und selbst wenn kein Fieber besteht, im Blute nach¬
gewiesen w r erden.
2. Bakterien aus der Gruppe des Bacillus paratyphi B werden
nicht nur gefunden in rühr- und septikämiekranken Kälbern,
sondern recht häufig auch in Kälbern mit ansteckender Lungen¬
brustfellentzündung. Diese Bakterien gehören zur Unterabteilung
der Enteritisbazillen und ein Teil derselben steht dem Bacillus
enteritidis Gärtner nahe oder ist von ihm nicht zu trennen.
3. Man kann mit Kälber-Paratyphusbazillen (Gruppe a der Kälber-
Paratyphusbazillen) bei mehrere Wochen alten Kälbern Lungen-
Brustfellentzündung machen, wenn man sie den Kälbern unter die
Haut gibt, oder in die Nase sprüht.
4. Die Kälber-Paratyphus a -Bazillen sind ungleich stärker
kälbervirulont als die Stämme des Bacterium septicaemiae haemor¬
rhagicae.
5. Der Tierarzt muß auf die als Fleischvergifter in Betracht
kommenden Bakterien der Paratyphusgruppe nicht nur bei der Ruhr
und der reinen Septikämie der Kälber achten, sondern besonders
auch dann, wenn er bei diesen septischen Entzündungen der Brast-
organe findet.
Diskussion:
Dr. Kr aut strunk-Bonn hat bei 23 untersuchten Kälbern sechs¬
mal Diplococcen in Reinkultur gefunden, mit denen sich sehr leicht
Kälber per os, vom Nabel aus und auch intravenös tödlich infizieren
ließen.
Dr. Mießner-Bromberg: Die Kälberruhr ist keine einheitliche
Krankheit. Sie wird, wie von Jensen schon näher ermittelt, durch
verschieder artige Bakterien erzeugt. Wie J e n s e n hat auch M i e ß n e r
einmal bipolare Bakterien als Ursache der Kälberruhr gefunden.
Dr. Schmitt-Stettin weist darauf hin, daß er des Coccennach-
weises bei seuchenkranken Kälbern in seinem Laboratorium in dem
Vortrag über die Ätiologie des senchenhaften Kälbersterbens Er¬
wähnung getan habe. Die Angaben von Krautstrunk, daß diese
7 SO
Coccen frisch aus dem Kalbe heraus sehr virulent sind, kann er
bestätigen.
Dr. Marxer-Berlin macht kurze Bemerkungen zur Sterilität der
Kerzenfiltratc, zur bakteriellen Verunreinigung während der Agone,
bemängelt die große Menge Kultur die zur Infektion erforderlich
ist und tritt dem Vortragenden darin bei, daß der Bazillus Para¬
typhi B noch nicht als Erreger einer spontanen Kälberkrankheit zu
erklären sei.
Auf eine Anfrage von Helf ers-Prenzlau, ob Kälbertyphusbazillen
wie das Bacterium enteritidis Gärtner hitzebeständige Toxine ge¬
bildet haben, bemerkt
Rickmann-Höchst, daß es sich scheinbar, so weit flüssige Nähr¬
böden in Betracht kommen, um Gemische von Ecto- und Endotoxinen
handle. Diese Toxine seien nicht lange haltbar, und ihre Wirksam¬
keit bei ein und demselben Stamme abhängig von den verschiedensten
Umständen (Alter der Kultur, Zusammensetzung der Nährböden etc.).
Dr. S c h m i tt - Stettin bemerkt im Schlußwort, daß große Infektions¬
dosen gewählt würden, weil mehrere Wochen alte Kälber verwendet
wurden, die viel widerstandfähiger sind. Durch Verwendung großer
Dosen und älterer Kälber konnten spontane Infektionen mit Sicher¬
heit ausgeschlossen werden.
Redner schließt mit Angaben über die Giftigkeit des Fleisches
eines 8 Wochen alten, an Paratyphus-Septikämie^erendeten Kalbes.
3. Dr. Krautstrunk-Bonn: „Die Bekämpfung der Rindertuberkulose in
der Rheinprovinz“.
Der Referent bespricht eingehend die zurzeit gebräuchlichsten
Tuberkulo8etilgungsverfahrcn. In Betracht kommen die verschie¬
denen Immunisierungsmethoden, ferner das Bangsche und das so¬
genannte Ostertagsche Verfahren. Die Immunisierungsversuche
sind zum Teil noch nicht abgeschlossen, zum Teil derartig aus¬
gefallen, daß die Schutzimpfung zur allgemeinen Bekämpfung der
Tuberkulose noch nicht in Anwendung gebracht werden kann.
Das Bangsche Verfahren eignet sich nur für die Tilgung der
Tuberkulose in Beständen, in denen die Krankheit noch nicht weit
um sich gegriffen hat.
Zurzeit kann nur das Ostertagsche Verfahren empfohlen
werden, welches seit längerer Zeit in sechs Provinzen und
seit 17a Jahren auch in der Rheinprovinz von der Landwirt¬
schaftskammer mit Erfolg durchgeführt wird. Bei diesem Verfahren
wird die Ausmerzung der Tiere mit offener Tuberkulose und eine
tuberkulosefreie Kälberaufzucht angestrebt Wie leicht die Krankheit
durch Tiere mit offener Tuberkulose weiter verbreitet wird, zeigte
sich deutlich in vier Beständen, in denen im Winter die Tuberkulin¬
impfung ausgeführt worden ist. In einer Herde, in welcher zwei
Tiere mit offener Lungentuberkulose ermittelt worden sind, und in
welcher die Kälber vier Wochen lang im allgemeinen Stall bleiben
und dann getrennt aufgezogen werden, hat dieser kurze Zeitraum
genügt, um die Hälfte des Jungviehs zu infizieren. In einer anderen
Herde, in der auch zwei Tiere mit offener Lungentuberkulose er¬
mittelt worden sind, das Jungvieh aber die ganze Lebenszeit im
allgemeinen Stalle bleibt, reagierten 75 Proz. auf die Impfung. In
einem dritten Bestände, in welchem ebenfalls zwei Tiere mit offener
Lungentuberkulose ermittelt worden sind, die Kälber aber sofort
nach der Geburt von den Muttertieren weggenommen und getrennt
aufgezogen werden, reagierten von 28 nur ein einziges. In einem
vierten Bestände, in dem ein Tier mit Eutertuberkulose ermittelt
worden ist und die Tiere auch getrennt aufgezogen werden,
reagierten von 20 Tieren des betreffenden Jahrganges 16. Aus
dem Ergebnis dieser Tuberkulinimpfung geht hervor, daß die Kälber
in erster Linie durch Eutertuberkulose angesteckt werden; außerdem
genügt aber auch schon das Zusammenleben mit Tieren, welche an
offener Lungentuberkulose leiden, um sie zu einem hohen Prozent¬
satz mit Tuberkulose zu infizieren.
Der Referent bespricht darauf eingehend die Erscheinungen
bei den verschiedenen Formen der offenen Tuberkulose und den
Gang der Untersuchung. In der Rheinprovinz wird die klinische
Untersuchung durch die praktizierenden Tierärzte ausgeübt. Besonders
hervorzuheben ist, daß bei den Untersuchungen sich die Entnahme
von Rachenschleim mit dun Rachenschleimlöffel bei Tieren, welche
der offenen Lungentuberkulose verdächtig sind, sehr gut bewährt hat.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
790
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44.
Um das Sauerwerden der Milch, welches das Verarbeiten sehr
erschwert, zu verhindern, wird den Proben Formalin im Verhältnisse
von 1 zu 5000 zngesetzt. Bei einer größeren Versuchsreihe hat
der Referent festgcstellt, daß das Formalin in der Verdünnung von
1 zu 500 die Tuberkelbazillen in der Milch in 36 Minuten abzutöten
vermag, daß aber die Virulenz der Tuberkelbazillen bei einer Ver¬
dünnung von 1 zu 1000 in dieser Zeit nicht abgeschwächt wird.
Im ersten Jahre sind dem Tuberkulosetilgungsverfahren in der
Rheinprovinz ca. 6000 Tiere angescblossen gewesen; diese Zahl ist
in diesem Jahre auf 13 000 gestiegen. Das Untersuchungsergebnis
ist außerordentlich günstig gewesen, da nur '/a Proz. offene Tuber¬
kulose im Gegensatz zu 2—3 Proz. in anderen Provinzen ermittelt
worden ist. Das günstige Ergebnis ist darauf zurückzuführen, daß
der Kreis Rees, in dem hauptsächlich das Verfahren durch geführt
wird, verhältnismäßig frei von Tuberkulose ist. In drei größeren
Molkereien ist kein Tier mit offener Tuberkulose ermittelt worden.
Der Grund dafür liegt besonders darin, daß in diesem Bezirke vom
Kreise aus die Tuberkulose seit etwa zehn Jahren getilgt worden ist.
Der Referent gibt zum Schlüsse der Hoffnung Ausdruck, daß
es den bedeutenden Männern der Wissenschaft, welche sich mit
der Immunisierung befassen, gelingen möge, eine sichere Schutz¬
impfung ausfindig zu machen.
• Diskussion.
Dr. Mießner-Brombergempfieht neben der Ausmerzung der offen¬
tuberkulösen Tiere die Impfung der Kälber mitTauruman. Die Wirkung
dieses Impfstoffs, zu dessen Herstellung lebende, für Rinder nicht
virulente Tuberkelbazillen vom typus humanus verwandt werden,
ist ganz.bedeutend und vermag die Rinder gerade in den ersten
Lebensjahren, der gefährlichsten Zeit, gegen Tuberkulose zu schützen.
Es steht zu erwarten, daß es binnen kurzem gelingen wird, durch
eine unschädliche Zweitimpfung die nach 1—2 Jahren erlöschende
Immunität zu verlängern. Zur Erzeugung einer Grundimmunität ist
die Injektion von lebenden Tuberkelbazillen notwendig.
Dr.Marxer-Berlin betont demgegenüber, daß eine Grundimmunität
ähnlich wie bei anderen Infektionskrankheiten auch mit toten
Bazillen zu erreichen ist, wie aus den Versuchen mit Bovo-Teben
Farase etc. der chemischen Fabrik auf Aktien, vormals E. Schering,
nach der Immunisierungsmethode von E. Levy, F. Blumenthal
und Marxer erhelle. Ein Tuberkuloseschutzimpfungsverfahren muß
unschädlich sein und einen guten Schutz verleihen.
Dr. Mießner-Brombetg: Die neuen Immunisierungsversuche mit
Schüttelextrakten abgetöteter Bakterien haben gezeigt, daß die
durch diese Stoffe erzeugte Immunität meist nur von kurzer Dauer
ist. Koch und von Behring haben sich schon frühzeitig vergeb¬
lich bemüht, mit abgetöteten Tuberkelbazillen eine ausreichende
Immunität zu erzeugen.
Dr. Schmitt-Stettin: In Pommern wird das Ostertagsche Ver¬
fahren seit 6 Jahren durchgeführt. Im letzten und vorletzten Jahre
sind jeweds rund 2200 über 6 Monate alte Rinder untersucht. Der
Prozentsatz der an offener Tuberkulose erkrankt befundenen Rinder
berechnet sich im Jahre 1902 auf 2,93, 1903 auf 1,39; er sank
dann in den folgenden Jahren weiter auf 1,01, 0,78, dann auf 0,60
und zuletzt im Jahre 1907 auf 0,39. Redner gehört nicht zu denen,
die das Ostertagsche Verfahren überschätzen. Wenn dasselbe
in das Tierseuchengesetz aufgenommen wird — was ein großer
Fortschritt wäre — so geschieht das mit auf Grund der Erfahrungen,
die einige preußische Landwirtschaftskammern bei der langjährigen
Durchführung des Ostertagschen Verfahrens gesammelt haben.
Rickmann-Höchst glaubt, daß bei dem staatlicherseits zu er¬
wartenden Tuberkulosetilgungsverfahren das Tuberkulin als Diagnos-
tikum nicht zu entbehren sein wird. Als Beweis für das Zustande¬
kommen einer hochgradigen Immunität nach Vorimpfung mit Tb.
vom typus humanum und Nachimpfung mit Tb. des typ. bov. wird
vom Redner ein Impf- und Sektionsprotokoll mitgeteilt.
Dr. Krautstrunk-Bonn: Das Ostertagsche Verfahren ist kein
ideales. Ara leichtesten wäre die Tuberkulose durch ein geeignetes
Immunisierungsverfahren zu bekämpfen. Die durch Tauruman erzeugte
Immunität sei zwar besser und länger als die mit Bovovaccin vor-
genommenc, indes seien die bisherigen Versuche nicht derart, daß
man die Gefahren die das Arbeiten mit lebenden Tuberkelbazillen j
mit sich bringt auch noch in Kauf nehmen könne.
4. Dr. Schipp-Gießen. „Beiträge zur Biologie des Retlaufbaztllue.“
Der Vortragende verbreitet sich über Morphologie und Biologie
zweier Bakterientypen, von denen der eine, Bazillus a, eineseuchenliafte
Erkrankung bei Rindern, der andere, Bazillus ß, ein Massensterben bei
Hühnern verursacht. Beide Bakterien glichen in ihrem morpho¬
logischen, tinktoricllen und kulturellen Verhalten dem Erreger des
Rotlaufs der Schweine. Es wurde daher versucht, die Beziehungen
beider zum Rotlaufbazillus experimentell zu ergründen. Die Unter¬
suchungen sind noch nicht abgeschlossen, doch läßt sich schon jetzt
folgern, daß beim Rind und beim Huhn gelegentlich Septikäinic-
erreger Vorkommen, die dem Scbweinerotlaufbazillus gleichen. Ob
der beim Huhn gefundene Bazillus ß mit dem Rotlauferreger identisch
oder ob er nur eine Stammes- oder Virulenzvarietät ist, wagt der
Vortragende noch nicht zu entscheiden; die Identität hält er für
sehr wahrscheinlich. Der aus dem Rinde gezüchtete Bazillus a
weist zwar Beziehungen auf, steht ihm biologisch aber doch sehr
fern. Weitere eingehende Untersuchungen sind nötig, um die Stellung
dieses und aller ihm gleichenden Sepsiserreger des Rindes gegen¬
über dem Rotlaufbazillus zu klären.
In der Diskussion teilt Vet.-Rat Rickmann-Höchst mit, daß
die bakteriologische Abteilung der Höchster Farbwerke durch Prof.
Rosenbach eine aus Erysipel des Menschen gezüchtete Reinkultur
erhielt, die sich in ihrem biologischen Verhalten als identisch mit
dem Rotlaufbazillus erwies. Lediglich geringgradige Virulenzunter¬
schiede konnten festgestellt werden.
Helfers-Prenzlau machte auf den eigenartigen Verlauf der Rot-
laufinfektion beim Menschen aufmerksam: Fortschreitende Entzündung
von der Infcktionsstelle aus, scheinbare Abheilung zunächst der
Infektionstelle, dann Abheilung von der Peripherie her, Neuentzündung
der Infektionsstelle und endgültige Heilung. (Fortsetzung folgt.)
Versammlung des Vereins Knrhessischer Tierärzte
am 31. Mai 1908.
Es waren anwesend: die Mitglieder: Tietze-Kassel, Schlitz-
bergcr-Kassel, Hornthal-Kassel, Günther-Rothenburg, C’all-
mann-Nauen, Mieckley-Beberbcck, Kobel-Volkmarsen, Kobel-
Wolfhagen, Suder-Hersfeld, Schmidt-Ziegenhain, Ts ehern itz-
Homburg, Meyerstrasse-Hünfeld, K o 1 b - Frankenberg, Kalteyer-
Eschwege, M e 1 d e - Marburg, Hartmann-Corbach, Schirmer-
Gelnhausen, Grimme-Melsungen, Fuchs-Fritzlar, Höxter-Freysa,
Meßler-Borken, Fischer-Kassel, Grote-Kassel.
Als Gäste: Buß-Kassel, Bö der-Hofgeismar, Kämpe r-Hof-
geismar, Osterwald-Kassel, Höpermann-Beberbeck, Nutt-Brakel.
Der Vorsitzende Veterinärrat Tietze gibt Kenntnis von einem
an den Verein gerichteten Schreiben der „Tierärztlichen Gesellschaft
zu Berlin“, in welchem um Stellungnahme gebeten wird, gegenüber
den Beschlüssen der Gesellschaft betreffend die Überweisung des
Marktverkehrs mit animalischen Nahrungsmitteln und Einführung
der gesamten animalischen Nahrungsmittelkunde als besonderen
Lehrgegenstand der tierärztlichen Hochschulen. Die Versammlung
erklärt sich als völlig auf den Boden der Beschlüsse stehend,
stimmt ihnen bedingungslos zu.
Sodann berichtet der Vorsitzende über das Vorkommen von
Schweineseuche unter Schwarzwild. Im Jahre 1906 wurde im
Reinhardswalde häufig totes Schwarzwild aufgefunden von Förstern.
Bei Sektion der Kadaver stellte der Vortragende die Schweine¬
seuche f« st, fand dagegen Läsionen der Schweinepest nicht vor.
Aus dem Umstande, daß selbst alte Brahen und Keiler der Seuche
erlegen waren, mußte auf eine große Virulenz des Kontagiums
geschlossen werden. Die Menge der von der Seuche gefallenen
Tiere ließ sich auf etwa 30 Stück beziffern. Die Einschleppung
der Seuche ist aller Wahrscheinlichkeit geschehen durch Kadaver
von zahmen Schweinen, die von Bauern der Umgebung in den
Wald gebracht wurden. Daß die Seuche eine so starke Verbreitung
fand, ist wohl darauf zurückzuführen, daß die Tiere sich während
des strengen Winters in einem Kessel zusammendrängten. Um
einer weiteren Ausbreitung der Seuche vorzubeugen, wurde das
Absuchen der Reviere nach Kadavern, deren sorgfältiges Verscharren
und das Abschießen der Kümmerer empfohlen.
Weiter wurde nach einem einleitenden Vortrage des Kollegen
Dt. Kobel-Wolfhagen über die Frage der Einführung einer Mindest-
29. Oktober 1908.
BE gLIN E R TIE R ÄRZTLICHE WOCHE NSCHRIFT.
791
taxe für die Tierärzte verhandelt. Allgemein wird dabei der Nutzen
einer solchen Taxe im Interesse der Hebung des Standes anerkannt,
aber auch die Schwierigkeit der Herstellung eines einheitlichen für |
alle Orte passenden Tarifs betont. Demgegenüber ist jedoch
Nutt-Brakel der Meinung, daß man in dieser Beziehung nicht
ängstlich zu sein brauche. In Westfalen habe man vor kurzem
eine derartige Taxe ausgearbeitet und in Wirkung treten lassen
Die damit gemachten Erfahrungen seien bisher durchaus befriedigend
Nach längerer Debatte wird schließlich der Vorstand beauf¬
tragt, eine Taxe zu entwerfen und der nächsten Versammlung
vorzulegen.
Nach Erledigung der Tagesordnung vereinigten sich die Teil¬
nehmer mit ihren Damen zu einem Festessen im Grand Hotel
Wilhelmshöhe. Daran schloß sich ein Spaziergang zu den Wasser¬
künsten im Park von Wilhelmshöhe und der Besuch des Konzert¬
gartens daselbst.
Fortbildungskursus für Tierärzte an der Abteilung für Tierhygiene des Kaiser Wilhelm-Instituts für Landwirtschaft zu Bromberg
vom
30. November bis 12.
Stund enpl
Dezember 1908.
an.
Stunde
Montag,
30. November
Dienstag,
1. Dezember
Mittwoch,
2. Dezember
Donnerstag,
3. Dezember
Freitag,
1 4. Dezember
Sonnabend,
5. Dezember
9.15
bis
10.30
Allgemeine Biologie
der Bakterien.
Dr. Mießner.
Milzbrand.
Dr. Mießner.
Tuberkulose.
Dr. Mießner.
Tuberkulose.
Dr. Mießner.
Schweineseuchen.
Dr. Immisch.
i Besichtigung einer
Molkerei im Betriebe.
10.45
bis
1
Einrichtung des
Arbeitstisches, Her¬
stellung von Farben,
Nährböden und
Untersuchung der ver¬
schiedenen Bakterien¬
formen.
1
Kultureller und mikro¬
skopischer Nachweis
von Milzbrandbazillen,
Gipsstäbcheu.
Infektion von Mäusen.
Obduktion.
j
1 Obduktion der Milz¬
brandmäuse,
i Obduktion eines tuber¬
kulösen Meerscliwein-
chens. Nachweis von
Tuberkelbazillen.
Untersuchung
lebender mit Lungen-
und Eutertnberkulose
behafteter Rinder.
Ophthalmoreaktion,
Kutireaktion.
Färbung und Unter¬
suchung von Rotlauf
und Schweineseuche¬
bazillen aus frischen
1 und alten Organen.
Anlegen von Kulturen.
Infektion von Mäusen.
Demonstration von
Präparaten.
i 10.45 bis 12. Hygie-
| nische Maßnahmen zur
Gewinnung einwand¬
freier Milch.
Dr. Mießner.
12 bis 1. Nachweis ge¬
kochter und iu Fäulnis
übergegangencr Milch.
3.45
bis
4.30
Die Zusammen¬
setzung der Milch.
Dr. Mießner.
I Verfälschung der
Milch.
Dr. Rewald.
Parasiten der Haus¬
tiere mit Demon¬
strationen.
Dr. Trapp.
Übertragung spezi¬
fischer Krankheits- ,
erreger und Geruchs¬
stoffe auf die Milch.
Riebe.
Veterinärpolizei und
gerichtliche Tierheil¬
kunde.
Veterinärrat Peters.
Besichtigung einer
Molkerei außer
Betrieb.
4.45
bis
6
Mikroskopische
Untersuchung der
Milch. Bestimmung
des spezifischen
Gewichts.
Reaktion der Milch,
l Bestimmung des Fett¬
gehaltes. Nitratprobe.
Untersuchung auf Zu- i
satz von Chemikalien.
Die Kellnersche
Fütterungslehre.
Prof. Dr. Gerlach.
Nachweis von
Tuberkelbazillcn und
Streptococcen der [
Milch.
Hygienische
Maßnahmen zur Ge- j
winnung eimvand- |
freier Milch.
Dr. Mießner.
Besichtiguug des
Kaiser Wilhelm-
Instituts.
Stunde
Montag,
7. Dezember
Dienstag,
Dezember
Mittwoch,
I 9. Dezember
Donnerstag,
10. Dezember
Freitag,
11. Dezember
Sonnabend,
| 12. Dezember
9.15
bis
10.30
Antitoxine. Bakterio-
lysiue.
Bakteriotropine.
Dr. Mießner.
1 Verfälschung von
Futtermitteln.
Dr. Mießner.
Rotz.
Dr. Mießner.
; Septikämie. Bradsot,
Rauschbraud.
Luugenseuche.
Dr. Mießner.
Protozoen¬
krankheiten.
Dr. Mießner.
Saprämie und Pyämie
(Fleisch- und Wurst¬
vergiftung)
Dr. Mießner.
10.45
bis |
1
Demonstration der
Hämolysis, des
Bakteriotropismus,
der Agglutination und
Komplementbindung.
Nachweis von Ver¬
fälschungen durch die
Präzipitation und
andere Hilfsmittel.
Nachweis vou Ver-
1 fälschungeu in der
Wurst.
j
Obduktion eines
durch Fütterung mit
Rotzbazillen rotzig
gemachten Pferdes.
Demonstration der |
Bakterien und
Schnitte sowie von
Sammlungspräpa¬
raten. Obduktion.
Anleitung zur Färbung
von Blut. Unter¬
suchung einer mit
Hämoglobinurie be¬
hafteten Kuh. Unter¬
suchung von Trypano¬
somen.
Bakterioskopischer
Nachweis vou
Fleischvergiftungen.
3.15
bis
4.30
Harn.
Dr. Rewald.
Veterinärpolizei und
gerichtliche Tierheil¬
kunde.
Veterinärrat Peters.
Nachweis von Rotz¬
bazillen. Sektion
eines rotzigen Meer¬
schweinchens. j
Enterkrankheiten, j
Dr. Trapp.
Euterkrankheiten.
Dr. Trapp.
4.30
bis
6
Praktische Übungen |
in der Untersuchung
des Harns.
Geflügelkrankheiten.
Dr. Kühne.
Verteilung und
Demonstration von
Lungen und Dann- J
Präparaten rotzigen 1
sowie verminösen 1
Ursprungs.
Makroskopische und mikroskopische
Untersuchung von Euterpräparaten.
Das Honorar für den Kursus beträgt 30 M. Nähere Auskunft über den Kursus erteilt der Vorsteher der tierhygienischen Abteilung
Dr. Mießner. Die Anmeldungen sind zu richten an die Hauptverwaltung des Kaiser Wilhelm-Instituts für Landwirtschaft zu Bromberg.
Der Direktor: Prof. Gerlach.
Herbstsitzung des tierärztlichen Vereins für die Provinz Brandenburg
am Sonntag, den 1. November 1908.
Die Sitzung findet im anatomischen Hörsaal, vormittags 11 Uhr statt. ,
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten:
a) Aufnahme neuer Mitglieder (gemeldet haben sich die
Herren: Dr. Schröder in Cottbus, Hänsgen in Finster¬
walde, Schwedler in Triebei N.-L. und Korreng in
Burg i. Spreewald);
b) Rechnungslegung;
c) Wahlen des Vorstandes und der Vertreter des Vereins.
2. Mitteilungen aus der Praxis.
3. Der biologische Nachweis von Pferdefleisch und Pferdeblut:
Herr Borchmann.
4. Besprechung der Maßnahmen zur Beschränkung der Rinder¬
finnenkrankheit: Herr Schräder.
Verhandlungsgegenstände für die Gruppe der Schlachthof¬
tierärzte werden zu Beginn der Sitzung bekannt gegeben.
Nach der Sitzung — 3 Uhr — gemeinschaftliches Essen unter
erbetener Teilnahme der Damen in der Ratsstube des „Kaiserkellers*.
Gäste sehr willkommen. Der Vorstand: I. A.: Dr. Arndt.
Tierärztliche Gesellschaft zu Berlin. (E. V.)
Einladung zur Sitzung am Montag, den 2. November 1908,
abends 87 3 Uhr pünktlich, im Restaurant „Zum Heidelberger“ (am
Bahnhof Friedrichstraße).
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten:
a) Wahl eines Vorsitzenden und eines Schriftführers.
792
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44.
b) Aufnabmemeldungen der Herren Dudzus und Dr. Kuni¬
bert Müller.
c) Verschiedenes.
2. Mitteilungen aus der Praxis.
3. Geselliges Zusammensein.
Wegen der Wichtigkeit des Punktes 1 der Tagesordnung wird
um zahlreiches Erscheinen gebeten.
Der Vorstand.
I. A.: Dr. Goldstein, Schriftführer.
Tierärztliche Abende in Stettin.
Jeden ersten Sonntag im Monat, abends 7 Uhr, Familienabend
in Stettin, „Hackerbräu“, am Königstor.
Besondere Einladungen ergehen nicht.
Genossenschaftliches.
Die Wirtschaftsgenossenschaft deutscher Tierärzte E. G. m. b. H.
zu Posen beendete am 30. September d. J. ihr drittes Geschäftsjahr
mit einem Nettoumsatz von 210 328,19 M., zu welchem noch die
den Mitgliedern zugeführten Rabatte in Höhe von rund 15 000 M.
hinzuzurechnen sind. Der Gesamtumsatz für 1907/08 stellt sich
somit auf rund 225 000 M. Die einzelnen Monate stellten sich dem
Vorjahr gegenüber wie folgt:
Monat
Wert der
im Gesc
1906/07
Aasgänge
liäftsjahr
1907/08
Zahl der Warenausgänge
im Geschäftsjahr
1906/07 | 1907/08
Oktober . .
8 874,11
11 509,15
403
430
November .
7 290,13
12 446,69
301
441
Dezember
9 682,99
11 595,61
335
454
Januar . .
10 444,78
11 527,24
369
526
Februar . .
10 321,20
15 927,36
420
517
März . . .
15 554,52
16 893,79
534
570
April . . .
22 338,81
19 510,59
654
639
Mai ... .
26 875,39
31 256,74
677
909
Juni . . .
21451,44
29 141,66
683
723
Juli ....
18 050,49
20050,47
580
806
August . .
15 479,62
17 383,81
470
595
September .
12 860,13
13 086,18
485
559
Im ganzen:
179 223,61
210329,29
5 911
7165
Die Genossenschaft eröffnete ihre Tätigkeit vor 3 Jahren mit
224 Mitgliedern. Am Ende ihres dritten Geschäftsjahres trug sie
das 500. Mitglied ein. Marks-Posen.
Tierhaltung und Tierzucht.
Exotische Tierproduktion.
Von k. u. k. Mil.-Obertierarzt Joseph S perl-Wien.
(Tierärztliches Zentralblatt 1906, Nr. 24.)
Ein Zebrahengst, der zum Zwecke der Paarung mit Pferde¬
stuten angekauft worden war, wollte absolut keine Pferdestute
decken und wurde immer ungeberdiger. Er wurde auf die
Weide gegeben, wo er mit Pferdefohlen zusammen war. Dort
deckte er eine sehr hübsche, 2 jährige Fuchsstute mit Erfolg.
Es kam ein Stutfohlen zur Welt. Im Vorderteile, besonders
Kopf und Hals, ist es dem Zebrahengste ähnlich, während der
übrige Körperteil mehr der Pferdestute ähnelt. Die Grundfarbe
ist Rotfuchs mit eingetragener dunkelbrauner Zebrastreifung
Die Streifüng beginnt am unteren Teile des Halses und setzt
sich bis zur Gruppe fort. Ebenso sind alle vier Füße dunkel¬
braun quergestreift. Das Fohlen ist kräftig, gut entwickelt und
gutmütig.
Der Zebrahengst wurde 10 Tage nach der Geburt des
Fohlens mit der Stute und dem Fohlen zusammengebracht. Er
war sehr freundlich gegen beide und deckte neuerdings die Stute
wieder. Der Deckakt konnte nur durch das Stallfenster be¬
obachtet werden, da der Zebrahengst absolut keine unnützen
Zuseher um sich duldet. Rdr.
Die abschüssige Krappe.
Von Zuchtinspektor A. Hink in Freiburg i. Br.
(Zeitschrift für GeslUtkanüe und Pferdezucht 1908, Heft 4.)
Verfasser wendet sich in seiner Arbeit gegen eine Schrift
Krämers, in welcher letzterer folgendes behauptet: „Es ist
bekannt, daß eine kurzabschüssige Kruppe zum Typus des Zug¬
pferdes gehört. In der Stammform des Tieres ist sie durchaus
nicht nachweisbar begründet. Durch die natürliche Zuchtwahl
ist sie unmöglich entstanden, und wäre sie es wirklich, so hätte
die künstliche Zuchtwahl, die den Fehler zu heben bestrebt ist,
ihn schon längst verschwinden gemacht. Sein Bleiben ist nur
zu erklären, wenn man annimmt, daß die frühe Verwendung
zum Zugdienst ihn stets aufs neue hervorruft, die Tiere ihn
stets aufs neue erwerben.“ Nach Hinks Ansicht ist in der
eben geschilderten Behauptung Ursache mit Wirkung verwechselt
worden. Unter ausführlicher Beweisführung kommt Hink am
Schlüsse seiner interessanten Arbeit zu folgendem Resultat: Das
abschüssige Becken des Kaltblutpferdes ist eine in grauer Vor¬
zeit entstandene Anpassungserscheinung, die ihren Ursprung in
der Variabilität des Keimplasmas hat. Die Behauptung, diese
Beckenform sei eine Folge des Zugdienstes, ist ein Trugschluß.
Das kaltblütige Pferd ist vielmehr zum schweren Zuge
deshalb geeignet, weil es ein vom diluvialen Wild¬
pferd, dem equus robustus abstammendes schweres
Pferd ist und als solches ^ine abschüssige Kruppe seit
Jahrtausenden hat. J, Schmidt
Personalien.
Ernennungen: Tierarzt Wilhelm Oaertner zum Assistenten am
tierhygienischen Institut der Universität Freiburg i. Br., städtischer
Bczirkstierarzt und Schlachthofdirektor Lwc/d-Frcising zum Distrikts¬
tierarzt in Isen, die Schlachthoftierärzte Dr. phil. Fiedler- Braun¬
schweig zum Schlachthofdirektor in Osterode (Ostpr.), Heinrich
A/jferf-Stolberg (Rheinpr.) zum Schlachthofdirektor daselbst, Alfred
Ka^te-Stendal zum Leiter des städtischen Schlachthofes in Lyck
(Ostpr.), die Tierärzte Dr. Paul Z>Mn£e/-Rinteln zum Assistenztierarzt
am Schlachthof in Stendal, Tierarzt Max Lüth -Borna zum Assistenz¬
tierarzt am Schlachthof in Weimar.
Verzogen: Die Tierärzte Gabriel Bayer als Assistent nach Gräfen-
berg, Johann Bichlmaier von Offenbach (Schwaben) nach Weiler
(Allgäu), August Zettl von München als bezirkstierärztlicher Assistent
nach Starnberg, Schlachthoftierarzt Dr. Bitterick von Mannheim
nach Eppingen.
Approbiert: Die Herren Arthur Breßler aus Militsch, Hans Cords¬
hagen aus Schwerin (Meckl.-Schw.), Stephan Hoppe aus Wongrowitz
in Berlin.
Todesfall: Ober veterinär a. I). Richard Raffegerst in Brand en-
burg a. H.
Vakanzen.
(Vgl. Nr. 40.)
Tlerphysiol. Institut d. landw. Akademie Bonn-Poppelsdorf: Assistent,
Gehalt 1200 M. p. a. Bewerb, an Prof. Dr. O. Hagemann.
Besetzt: Tierarztstellen in Kemberg und Langelsheim. — Schlaclit-
hofstelle in Osterode.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält* in Berlin. - Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoet* in B^li^
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48. Wilheimstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 PI für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (Österreichische Post-Zcituuga-
Preisliste Nr. 574i Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Hk«« in Petitsatt mit
60 Mk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prot. Dr. Scbmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule, NW , liiiisenstrafle 56. Korrekturen,
Rexensions-Exomplare and Annoncen dagegen au die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Mod.-Rat Dr. Roeder
Professor in Diesden.
Redaktion:
Professor Dr. Schiiialtz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departoments-T. in Cöln.
Veterinärrat Peters
Departements T. ln B. omberg.
Dr. Schlegel
Professor in Freibnrg.
Professor Dr. Peter
Staatstirrarzt für Hamburg.
Dr. J. Schmidt Ober-lteg.-Rat Dr. Vogel
Professor in Dresden. Landestierarzt in Manchen.
Veterinärrat Preuße
Departements-T. in Danzig.
Wehrte
Kais. Regierungir-tt in Berlin.
Dr. Richter
Professor in Dresden.
Zundel
Krcistierarzt ln MO bauseo i. E.
Helfer
Scblachth.-Direktor in MOlhau'en L E.
Dr. H. Sieber
am Tropeninatitut >n Hamburg.
Dr. Städter
Stadt-Ti.-i arzt in Hamburg.
Dr. Trapp
am Kaiser Wilbelm-L stilnt in Bromberg.
Dr. Zimmermann
Dozent ln Budapest.
Jahrgang 1908. ,M. 45 . Ansgegeben am 5. November.
I n h a 11: Bernhardt: Feststellung der Zahl der Samenfäden im Sperma des Hengstes. — Schlegel: Neoplasmen in den
Nebennieren und accessorischcn Nebennieren beim Pferd und Rind. (Fortsetzung.) — Lorenz: Zur Ätiologie
der Brustseuche. — Referate: Krameil: Eine eigenartige Pferdescuche. — Kukuljevitf: Behandlung des ansteckenden
Scheidenkatarrhs der Rinder. — Tagesgeschichte: Begründung eines tierärztlichen Prcsseburcaus. — Zur Militär-Veterinär-
Reorganisation. — Schaumkeil: Zur Gehaltsaufbesserung der Kreistierärzte. — Francke: Die 80. Versammlung Deutscher
Naturforscher und Ärzte in Köln. (Fortsetzung.) — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen: Preuße: Pauschalvergütung der
Kreistierärzte. — Bekämpfung der Influenza. — Verschiedenes. — Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel: Glage:
Aus der Fleischbeschau. — Genossenschaftsversammlung der Fleischereiberufsgenossenschaft — Verschiedenes. —
Personalien. — Vakanzen.
Feststellung der Zahl der Samenfäden im Sperma
des Hengstes.
Von Obertierarzt Dr. Bernhardt-Offenbausen.
Auf Anregung des Herrn Prof. Dr. Schmaltz in Berlin
habe ich die im folgenden näher beschriebenen Zählungen der
Samenfäden im Sperma des Hengstes vorgenommen. Man hat
bisher in dieser Hinsicht mit schätzungsweise festgestellten
Zahlen sich begnügt, da exakte Untersuchungen über diese Frage
noch nicht vorgenommen waren. Ich halte die gewonnenen
Resultate noch nicht für abgeschlossen, da ich die Untersuchungen
fortzusetzen beabsichtige, besonders nach der Richtung, wie die
fortschreitende Angewöhnung von Hengsten aus dem Tiefland
an das Höhenklima der schwäbischen Alb sich zahlenmäßig an
der Menge der produzierten Spermafäden ausdrückt. Die bis
jetzt gewonnenen Zahlen haben mich direkt darauf hingewiesen,
dieser Frage auf den Grund zu gehen. Heute will ich nun die
Methode bekannt geben, nach welcher ich die Untersuchungen
vorgenommen habe und die Resultate, welche bis jetzt erzielt
wurden. Ich bedaure bloß, daß meine Zeit von dringenden
Berufsgeschäften zu sehr in Anspruch genommen ist, und daß
ich nicht anhaltend, wie ich gern möchte, mich diesen Unter¬
suchungen widmen kann.
Das zu den Zählungen verwendete Sperma wurde direkt
nach dem natürlichen Deckakt in der Weise gewonnen, daß in
eine gereinigte und im Warmwasserbad gewärmte Schale der
nötige Samen in der Art gesammelt wurde, daß man die Harn¬
röhre des Hengstes an der noch in Erektion befindlichen Rute
mit dem aufgedrückten Zeigefinger von hinten nach vorne aus-
strich und den aus der Harnröhrenmündung ausfließenden Samen
in der obenerwähnten Schale auffing. Auf diese Weise bekam
man immer noch eine Menge von etwa 10 ccm, mehr wie genug
zu der beabsichtigten Untersuchung. Es wurde nun mit einer
Pipette, welche mir Herr Prof. Dr. Btirker in Tübingen von
einem Glasbläser dort hersteilen ließ, 1 ccm Samen aufgesogen
und in ein bereitgestelltes Mischkölbchen entleert, in welchem
sich bereits 5 ccm Zayemsehe Lösung befanden. Letztere
besteht aus:
Natriumsulfat . . .
. . 5,0
Kochsalz ....
. . 1,0
Sublimat ....
. . 0,5
Aqu. destillat. . .
. . 200,0
Diese Lösung dient zum Verdünnen des Samens und zum
Fixieren der Samenfäden. Durch längeres Schütteln wurden
die Samenfäden gleichmäßig darin suspendiert und nun mit
Hilfe eines Tropfenzählers diese Mischung in die Zählkammer
gebracht. Als Zählkammer benutzte ich den von Professor
Dr. Bürker in Tübingen konstruierten Objektnetzmikrometer,
hergestellt von Zeiß in Jena, der eigentlich für die Zählung
von roten und weißen Blutkörperchen bestimmt ist, sich aber
auch für die Zählung von Samenfäden sehr gut eignet. Nach
einer Beschreibung des Bürker sehen Apparates in Pflügers
Archiv, Bd. 107, S. 426, Jahr 1905, besteht die Zählkammer
ans einer Grundplatte von Glas, auf welcher zwei rechteckige
Glasstücke aufgekittet sind, welche die Zählfläche, durch zwei
Rinnen von den Glasstücken getrennt, zwischen sich lassen.
Die Zählfläche selbst ist durch eine Querrinne in zwei Ab¬
teilungen geschieden. Wird auf die Glasstücke ein Deckglas
fest aufgelegt, so überbrückt dieses die Zählfläche und grenzt
über ihr einen Raum von genau 0,100 mm Höhe ab. Auf jeder
Abteilung der Zählfläche ist ein Objektnetzmikrometer für
Zählung roter und weißer Blutkörperchen, 4 qmm entsprechend
geteilt, eingeritzt. Durch die Einteilung entstehen große und
kleine Quadrate. Zur Zählung der Samenfäden benutzt man
am besten die kleinen Quadrate. Nach sorgfältiger Reinigung
der Zählkammer schiebt man das Deckglas so auf, daß auf
beiden Unterlagen Newtonsche Streifen, unter diesen womöglich
braune, entstehen und bestehen bleiben. Nun bringt man ein
794
BERLINER TIERÄKZTLICHE WOCHENSt ’HKIFT.
No. 45.
Tröpfchen der mit Zayem scher Lösung, wie oben beschrieben
wurde, hergestellten Samenmischung auf den unter dem Deck¬
glas hervorragenden halbkreisförmigen Teil der Zählflftche,
welches sofort durch Kapillarität in die eine Abteilung der
Zählkammer gesaugt wird. Und nun werden unter dem Mikro¬
skop 80 kleine Quadrate durchgezählt. Ragen Bruchstücke von
Samenfäden in den abgegrenzten Zählraum hinein, so werden
sie als ganze mitgezählt, wenn der größere Teil der Samen¬
körperchen innerhalb des Zählraums liegt. Die Berechnung
geschieht nun folgendermaßen: Zählt man die in den großen
Quadraten befindlichen Samenkörper, so werden 100 Quadrate
durchgezählt. Über einem großen Quadrat liegt ein Raum von
16
40ÖÖ = cmm ’ ti ' )er ^ Quadraten also l / 2>5 cmm. Um auf
1 cmm umzurechnen, hat man die Gesamtzahl mit 2,5 und der
6 fachen Verdünnung wegen noch mit 6 zu multiplizieren. Zählt
man kleine Quadrate, so dividiert man die in 80 Quadraten ge¬
zählte Summe der Samenfäden durch 80. Um auf 1 cmm um¬
zurechnen hat man die durchschnitliche Zahl mit 4000 und
der 6 fachen Verdünnung wegen noch mit 6 zu multiplizieren.
Über einem kleinen Quadrat befindet sich ein Raum von
1/4000 cmm.
Meine Zählungen habe ich im Herbst 1906 ausgeführt. Am
22. November habe ich die erste Zählung der Samenfäden im
Sperma eines frisch importierten 8 Jahre alten Holsteiner
Hengstes in der oben geschilderten Weise vorgenommen. Der
aufgefangene Samen des Hengstes war ziemlich dünnflüssig und
grauweiß. Der Hengst deckte immer langsam und sprang ge¬
wöhnlich einmal ab, ohne abgesamt zu haben. Beim nochmaligen
Sprung erfolgte dann die Absamung. In 100 großen Quadraten
des Bürkerschen Netzmikrometers zählte ich 4310 deutlich
sichtbare Samenkörperchen. Nach dem oben aufgestellten Schema
der Berechnung sind im Kubikmillimeter Sperma dieses Hengstes
4310. 2,5 .6 = 64 650 Samenfäden enthalten. Am 19. März 1907
habe ich wiederum die Samenfäden im Sperma dieses Hengstes
gezählt. Bezüglich der Lebhaftigkeit beim Deckakt hat er sich
noch nicht gebessert. Er bespringt die Stute immer einigemal
und springt ab, ohne den Geschlechtsakt vollständig zu machen.
An diesem Tag hat er gleich beim ersten Bespringen der Stute
abgesamt. Die Zahl def in dem aufgefangenen Spermarest
gezählten Samenfäden wurde für den Kubikmillimeter auf 189300
festgestellt. Sie ist also nach Verlauf von 3 1 /3 Monaten auf
beinahe das 3 fache gestiegen.
Am 26. November 1906 wurde der Samen eines im Gestüt
geborenen und aufgewachsenen Hengstes in bezug auf die Zahl
seiner körperlichen Bestandteile im cmm untersucht. Dieser
Beschäler ist 9 Jahre alt und sehr temperamentvoll beim Deck¬
akt. Der aufgefangene Samen ist ziemlich dickflüssig und bildet
beim Vermischen mit der in einem Kölbchen befindlichen ab¬
gemessenen Menge Zayemscher Lösung zuerst dicke Wolken,
die sich durch längeres energisches Schütteln allmählich auflösen
und gleichmäßig suspendieren. Ein Versuch die Samenfäden
eines großen Quadrats des Netzmikrometers zu zählen ist wegen
der übergroßen Menge derselben nicht möglich. Es werden des¬
halb die Samenkörperchen in 80 kleinen Quadraten gezählt und
die Gesamtzahl derselben auf 1098 festgestellt. Nach dem oben
aufgestellten Schema der Berechnung sind also im Kubikmilli-
IQi)# 4000 G
meter gQ = 329 400 Samenfäden enthalten.
30. November 1906: Zählung der Samenkörperchen im
Sperma eines 9 jährigen, vor 172 Jahren aus Holstein importierten
Hengstes. Dieser Beschläger hat im Jahre vorher noch nicht
mit Zuverlässigkeit gedeckt, aber ein gutes Befruchtnngsresnltat
bei den Stuten erzielt. Bei dem heutigen Deckakt sprang er
zweimal ab ohne abzusamen, beim dritten Bespringen der Stute
hat er gut gedeckt und sofort abgesamt Der aufgefangene
Samen ist ziemlich dünnflüssig und 1 ccm desselben verteilt
sich schnell und gleichmäßig in 5 ccm Zayemschen Lösung.
Die Zahl der in 80 kleinen Quadraten gezählten Samenfäden
beträgt 343. In einem Kubikmillimeter befinden sich also
343.4000.6
-80- = 102 900 Samenkörper.
Am 11. Februar 1907 machte ich die letzte Zählung vom
Samen eines 16 Jahre alten, im Gestüt geborenen und auf¬
gewachsenen Hengstes. Derselbe ist ein feuriger Decker und
hatte immer ein gutes Befruchtungsresultat. Seit einigen Monaten
ist er nicht mehr zu diesem Zweck benutzt worden. Beim
heutigen Decken stand die Stute nicht ruhig. Der Hengst sprang
deswegen zweimal wieder ab, beim dritten Mal konnte er den
Deckakt ausführen und samte auch gleich ab. Der aufgefangene
Samen war hellgrau und ziemlich dünnflüssig. Mit der Zayemschen
Lösung vermischte er sich schnell und gleichmäßig. Die Zahl
der in 80 kleinen Quadraten gezählten Samenkörper beträgt 415.
415.4000.6
In einem Kubikmillimeter finden sich demnach -öö- =
124 500 Samenfäden.
Aus diesen wenigen Zählungen, welche ich aber im Laufe
der Zeit noch erheblich zu vermehren hoffe, geht hervor, daß
die Zahl der Samenkörper im Kubikmillimeter bedeutenden
Schwankungen unterliegt und daß dieselbe von den verschiedensten
Umständen beeinflußt werden kann. So ist doch sicher auf¬
fallend, daß bei seinem Import aus dem Tiefland auf eine Höhe
von 650 m. Die festgestellte niedere Zahl von 64 650 Samen¬
fäden im Kubikmillimeter des Hengstes eine Folge der ver¬
änderten Lebensverhältnisse des Tieres ist. Im Verlaufe von
372 Monaten hat durch die Angewöhnung des Beschälers an
Klima, Boden, Futter und Wasser die Zahl sich beinahme um
das dreifache gehoben. Interessant ist ferner, daß der Hengst,
dessen Samen im Kubikmillimeter die enorme Zahl von 329 400
Samenfäden aufweist, von Vater- und Mutterseite her das Blut
eines bodenständigen, sehr fruchtbaren Hengstes ln seinen Adern
hat. Sonst scheint die Zahl der Samenfäden im Kubikmillimeter
zwischen 120—150 000 zu schwanken.
(Aus dem tierhygienischen Institut der Universität Freiburg i. Br.)
Neoplasmen in den Nebennieren und accessorischen
Nebennieren beim Pferd und Rind.
Von Prof. Dr. M. Schlegel in Freiburg i. Br.
(Fortsetzung.)
b. NebennlerengeechwQlete beim Rind.
I. Fall:
Karzinom der linken Nebenniere mit Einbruch in die Aorta
und Metastase in einer regionären Lymphdrüse von einer ca.
10 Jahre alten Kuh, welche intra vitam keine Krankheits¬
erscheinungen gezeigt hat.
Der doppelfaustgroße, 822 g schwere, rundliche Tumor ist
an der Oberfläche glatt und von einer dünnen, gespannten
5. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
795
Kapsel umgeben. Anf der Schnittfläche springt die breiig
weiche, orangegelhe Geschwulstmasse stark vor. Anf dem
Durchschnitt stellt das zarte Stützgerüst, welches vielfach von
gallertigen, gelblich durchscheinenden Streifen infiltriert ist,
eine groblappige Felderung her; die Felder zeigen fleckige
und streifige, schwarzrote, blutige Zerfallsherde und graugelbe,
transparante, kolloide Metamorphosen. Auf der einen Geschwulst¬
fläche findet sich unter der Kapsel noch ein platter Rest
normaler Nebenniere. Der Tumor ist mit der Aorta auf einer
eßlöffelgroßen Stelle verwachsen, deren Wandung daselbst
atrophisch und von einem walnußgroßen, im Aortenlumen
sitzenden Geschwulstknoten durchbrochen ist. An dieser Stelle
ist die Aorta für drei Finger passierbar.
Histologisches: Das Bindegewebsgerüst ist sehr gefäßreich,
Gefäße stark injiziert, oft spaltenförmig oder kavernös erweitert.
Die in den Alveolen des Bindegewebes liegenden epithelialen
Zellen sind rundlich oder polygonal, stark fetthaltig, in Ballen
oder soliden Zylindern angeordnet, den Bau der Nebennierenrinde
kopierend. Dieselben zeigen teils hochgradige fettige, teils
kolloide Degenerationen.
Eine regionäre Lymphdrtise ist taubeneigroß, dunkelbraun¬
rot gefleckt und enthält auf Schnitten in gewucherten Trabekeln
und Septen kleinste miliare Embolien von Nebennierenepithelien.
(Einsender: Bezirkstierarzt Metzger in Säckingen.)
II. Fall:
Primäres Rundzellensarkom der linken Nebenniere, aus¬
gehend von der Marksubstanz; Metastase in der linken Niere,
von einer ca. 12 Jahre alten Kuh (Wurstkuh), welche außer
geringgradiger Distomatosis einen mittelmäßigen Ernährungs¬
zustand aufwies. .
Die linke Nebenniere ist eine rinderhodengroße, an der
Oberfläche glatte, bläulichbraune Neubildung, deren Gewicht
235 g beträgt; sie ist mit der Wand der Aorta innig verwachsen
und mit einer linsengroßen Geschwulstinfiltration in das Aorten¬
lumen eingebrochen. Die Konsistenz ist fluktuierend, die Schnitt¬
fläche quillt stark vor, ist gleichmäßig dunkelbraunrot, an der
Peripherie (unter der Kapsel) gelb. Die ganze sackförmige
Cyste ist von einem gleichmäßigen, musähnlichen, braunroten
Brei erfüllt. Nur am einen Pole der Geschwulst findet sich
noch ein auf dem Durchschnitt sichelförmiger, platter Streifen
normaler Nebenniere.
Die linke Niere enthält in einem stark aufgetriebenen
Renculus eine apfelgroße, an der Oberfläche traubig-höckerige,
glasig-transparente Neubildung von festweicher Konsistenz;
Schnittfläche von graugelblicher Farbe, mit gelapptem Bau,
Lappung durch grauweiße dünne Bindegewebssepten hergestellt.
Die Neubildung ist von der normalen Niere durch eine schalen¬
förmige Bindegewebskapsel scharf abgesetzt. Nierenbecken des
Renculus zu einer kastaniengroßen Cyste erweitert und mit
dickem, trübem Ham gefüllt.
Histologisches: Gewebsschnitte aus der Nebennieren¬
geschwulst zeigen genau die Struktur eines Rundzellensarkoms,
nämlich ein regelloses Zusammenliegen von kleinen, intensiv
gefärbten Rundzellen, welche den Lymphzellen gleich sind; ein
Bindegewebsgerüst ist nur da und dort in Form dünner Fibrillen
nachweisbar. Mitten in diesen gut erhaltenen Zellen finden
sich rundliche oder längliche Infiltrationen von Erythrocyten.
Zwischen massenhaften roten Blutzellen liegen ferner stark ver¬
fettete, zerfallene Rundzellen. In der Umgebung stark er¬
weiterter Gefäße der Bindegewebszüge und unter der Geschwulst¬
kapsel sind größere und kleinere Blutextravasate.
Die Schnitte aus der metastatiBchen Nierengeschwulst weisen
ganz den gleichen Bau auf, indem die konstituierenden Zellen
genau wie die in der Nebennierengeschwulst, wie Rundzellen
aussehen, welche durch dünne, gefäßführende Bindegewebssepten
getrennt sind. (Einsender: Schlachthofverwalter Tierarzt Metz
in Freiburg.)
III. Fall:
Hypernephroma malignum mit Verkalkung und Osteom¬
bildung in der Nebenniere von einer 10 Jahre alten Kuh.
Die festweiche Geschwulst ist 21 cm lang, 13 cm dick und
2600 g schwer. Die Geschwulstoberfläche ist glatt und ihre
3—10 mm dicke graurötliche Kapsel von größeren und kleinsten
stark injizierten Gefäßen durchzogen. Die Dorsalfläche der Ge-
schwulSt ist mit der Aorta auf einer zweiflngergroßen Fläche
verwachsen, deren atrophische Wandung an einer erbsen- und
bohnengroßen Stelle mit durchgewucherten Geschwulststrängen
infiltriert ist. Auf der Schnittfläche wird der Tumor durch ein
stark gewuchertes Stützgerüst in kastanien- bis apfelgroße
Lappen abgeteilt. Das Stroma weist 172 bis 2 cm breite Septen
auf, welche in ein immer dünner werdendes Maschenwerk ver¬
laufen. Unter der Kapsel und in den Spalträumen der Binde¬
gewebszüge finden sich massenhaft sandkoragroße Kalkein¬
lagerungen und zahlreiche federkielstarke, ästige Knochenspangen
und bis eßlöffelgroße Knochenschalen. Drei haselnuß- bis wall¬
nußgroße Tumorlappen sind total verknöchert. Die Geschwulst¬
felder sind graugelb bis dunkelbraunrot gefärbt und enthalten
im Zentrum oft erbsengroße, gelbgetrübte Fettdegenerationen
oder schwarzroten blutigen Zerfall oder gelblichtransparente,
geronnene, kolloide Metamorphosen; auch bis bohnengroße, mit
schleimiggallertiger Flüssigkeit gefüllte Cysten liegen in mehreren
Geschwulstfeldern. Nieren intakt.
Histologisches: Das neoplastisch veränderte, durch Wucherung
stark verbreiterte Stroma enthält in den Saftlücken des fibrösen
Gewebes zahlreiche Infiltrationsherde von kleineren und größeren
Rundzellen und zahlreiche Teleangiektasien kleinerer und
größerer Blutgefäße; ferner finden sich in den Bmdegewebszügen
und in deren Umgebung massenhafte Spindelzellen, welche in
den feineren Fibrillen auch mit glatten Muskelzellen untermischt
sind; die Bindegewebszüge enthalten aber auch sternförmige,
ästige Schleimzellen mit langen Ausläufern. An diesen Stellen
ist das Zwischengewebe durch serös-schleimige Infiltration ver¬
breitert oder es enthält kleinere und größere schleimig-gallertige
Zerfallsherde. In den Hohlräumen des Stromas liegen fett¬
infiltrierte rundliche oder polygonale Epithelzeßen in netzförmiger
Anordnung; ihr Protoplasmaleib ist häufig fettig zerfallen (Misch¬
geschwulst: Adenosarkoma malignum). (Einsender: Bezirks¬
tierarzt Huber in Waldshut.)
IV. Fall:
Adenoma malignum der linken Nebenniere einer 10 Jahre
alten Kuh der „großen Höhenfleckviehrasse“.
Die Geschwulst ist mannsfaustgroß, 10 cm lang, 6 cm dick
und 578 g schwer. Die Geschwulst ist an der Oberfläche glatt,
verwischt graurot, mit injizierten Blutgefäßen. Die Schnitt¬
fläche quillt vor, ist weich, durch ein zartes Bindegewebsgerüst
in runde und längliche Lappen geteilt, von gelbrötlicher
Färbung, mit zahlreichen schwarzroten Blutflecken und kleinen
bläschenähnlichen, gelblichtransparenten Kolloidherden durch-
796
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45.
setzt; am einen Pol der Geschwulst sitzt noch sichelförmig die
Hälfte der normalen Nebenniere. Der Tumor ist mit der Aorta
auf einer talergroßen Stelle innig verwachsen und durch mehrere
wickenkom- bis erbsengroße Geschwulststränge in deren Lumen
eingebrochen.
Histologisches: Die den Rindenzellen der Nebenniere
gleichenden Epithelzellen sind teils haufenweise, teils säulen¬
förmig angeordnet. Die Bindegewebszüge sind stellenweise ge¬
wuchert und daselbst hämorrhagisch oder schleimig degeneriert.
(Einsender: Bezirkstierarzt Meitzer in Donaueschingen.)
V. Fall:
Karzinom der rechten Nebenniere und Niere von einer Kuh.
Die Geschwulst der rechten Nebenniere ist kindskopfgroß,
wiegt 1200 g; die Oberfläche ist glatt, graurot, von einer dünnen
Kapsel umschlossen, die Schnittfläche durch ein spärlich ent¬
wickeltes Stützgerüst gefeldert. Im Bindegewebe findbn sich
vielfach bis sandkorngroße, gelbliche, knirschende Verkalkungen.
In den Maschen liegen über die Oberfläche vorspringende, gelb¬
rötliche, weiche Geschwulstmassen; mehrere Maschen enthalten
schwarzbraunen, blutig-fettigen Inhalt.
Die Nierenmetastase wiegt 64 Pfund, ist von einer höcke¬
rigen, fibrösen Kapsel umgeben, Nierensubstanz nicht mehr nach¬
zuweisen. Die Konsistenz der Geschwulst ist fluktuierend, der
Inhalt dickbreiig. Auf der durch Bindegewebssepten in ein
großes Maschenwerk abgeteilten Schnittfläche findet sich ein
schokoladebrauner Zerfallsbrei.
Histologisches: Schnitte der Nebennieren- und Nieren¬
geschwulst zeigen einen übereinstimmenden Bau; die aus fibrösem
Bindegewebe bestehende Kapsel entsendet ein bindegewebiges
Gerüst in das Geschwulstinnere, in dessen Maschen teils zu
Ballen, teils zu soliden Zylindern formierte, fettkörnchenreiche
Epithelzellen liegen. Die im Stroma verlaufenden Blutgefäße
sind stark erweitert, in deren Umgebung und auch mitten in
den Zellhaufen sich oft runde oder streifenförmige Blutungen finden.
Das Geschwulstgewebe zeigt ansgebreitete Verfettungen und
beginnende Verkalkung. (Einsender: Bezirkstierarzt Metzger
in Säckingen.)
VI. Fall:
Cystadenoma haemorrhagicum s. gelatinosum der rechten
Nebenniere von einer ca. 10 Jahre alten Wurstkuh, die sonst
gesund war.
Der Tumor ist kindskopfgroß, 1380 g schwer, von feBt-
weicher Konsistenz, an der Oberfläche glatt, graurötlich gefärbt,
mit dünner Bindegewebskapsel umschlossen. Die Schnittfläche
zeigt ein spärlich entwickeltes Bindegewebsstroma, springt stark
vor und zeigt eine graurötliche bis braunrote Färbung. Die
einzelnen Geschwulstlappen sind auf der Schnittfläche breiig¬
fettig erweicht oder hämorrhagisch zerfallen.
Histologisches: Die Schnitte besitzen an der Oberfläche der
Geschwulst eine dünne Bindegewebskapsel, von welcher aus ein
spärliches fibrilläres, sehr gefäßreiches Stroma nach dem Innern
der Geschwulst zieht; seine HohlräumC sind durch strangförmig
zusammengelagerte epitheliale Zellen mit bläschenförmigen
Kernen erfüllt. Auffällig ist in den Schnitten der hochgradige
hämorrhagische, fettige und gelatinöse Zerfall in den Epithel¬
zellen; es finden sich besonders unter der Kapsel ausgebreitete,
streifenförmige, frischere Blutungen und ältere Herde mit
Erythrocytenresten und Fibrin, ferner besonders länglichrunde,
ausgedehnte Fettdegenerationen mit Ansammlung massenhafter
kleinerer und größerer Fettkugeln. (Einsender: Schlachthof¬
verwalter Tierarzt Metz in Freiburg.)
VII. Fall:
Hypernephroma sarkomatodes der linken Nebenniere von
einer neun Jahre alten Simmentaler Kuh.
Die linke Nebenniere ist in eine kopfgroße, 3090 g schwere,
länglichrunde, graugelbe Geschwulst umgewandelt. Die Geschwulst
drückte auf die auf ihrer Dorsalfläche verlaufende hintere Hohl¬
vene und auf die in letztere einmündende Nierenvene, bo daß
eine starke Erweiterung der Nierenvene, deren Lumen für zwei
Mannsfinger passierbar ist, erfolgte. Die linke Niere ist deshalb
im Zustande hochgradiger venöser Stauungshyperämie.
Die Nebennierengeschwulst ist von einer graurötlichen,
dünnen, stark gespannten Bindegewebskapsel umschlossen and
von fest weicher Konsistenz. Die Schnittfläche springt stark vor
und zeigt einen lappigen Bau, welcher durch ein stark ent¬
wickeltes Bindegewebsstroma zustande kommt; in den Maschen
desselben finden sich linsen- bis bohnen- bis wallnußgroße
Geschwulstfelder von weicher Konsistenz und orangerötlicher
Färbung. Letztere zeigen zahlreiche fleckförmige, getrübte
Herde regressiver Metamorphose; ein solcher kastaniengroßer,
graugelber, fettiger Degenerationspfropf findet sich inmittender
Geschwulst. Andere Stellen, besonders unter dem Bindegewebs¬
stroma und inmitten der Zellhaufen weisen sandkorngroße oder
fleckförmige Verkalkungen auf.
Histologisches: Die Geschwulst ist von einer fibrösen
Bindegewebskapsel umgeben, von welcher aus ein Maschenwerk
von breiten gewucherten und gefäßreichen Bindegewebszügen
n das Geschwulstinnere gebildet wird. Dasselbe besteht aus
massenhaften Spindelzellen und auch glatten Muskelzellen. In
den Hohlräumen liegen diffus zerstreut Rundzellen und Spindel¬
zellen, welche durch spärliches Zwischengewebe voneinander
getrennt sind. Unter denselben treten oft Schleimzellen mit
langen Ausläufern auf; an diesen Stellen ist die Interzellular-
substanz serös-schleimig infiltriert. An der Innenfläche des
bindegewebigen Stützgerüstes und in der Mitte der Sarkom¬
zellen sind vielfach kleinere und größere fettige Zerfallsherde
und Einlagerungen von zahlreichen Verkalkungen. (Einsender:
Bezirkstierarzt Berger in Bühl.)
VHI. Fall:
Hypernephroma sarcomatodes mit Verkalkungen und Osteom¬
bild ung und Metastasen in beiden Nieren von einer Kuh, welche
an geringgradiger Lungen- und Brustfelltuberkulose bei Freisein
der übrigen Organe und Lymphdrüsen gelitten hat.
Die linke Nebenniere ist in eine menschenkopfgroße, 3015 g
schwere, runde Neubildung umgewandelt, welche von einer Binde¬
gewebskapsel umschlossen ist, von der aus das stark gewucherte
Bindegewebsgerüst ein Maschenwerk der Geschwulst hersteUt,
in deren Hohlränmen kastanien- bis gänseeigroße Geschwust-
lappen und zwar teils blutig-graurote bis graugelbe und gelb¬
rötliche, konzentrisch geschichtete, kolloid-fibrinöse, teils grau¬
gelbe, breiig-weiche, fettige Gewebsmassen und teils graugelbe
Verknöcherungen eingelagert sind. Die Geschwulstfelder springen
über die Schnittfläche stark vor. Beim Schneiden knirschen die
graugelben punkt-, wickenkorn- bis wallnußgroßen Verkalkungen
und Verknöcherungen. Die Verkalkungen und Verknöcherungen
finden sich besonders in der Nähe des Stützgerüsts, aber auch
regellos mitten in den Geschwulstlappen; an mehreren Stellen
finden sich teils linsen- bis bohnengroße Verknöcherungen, teils
5. November 1908,
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
797
schalenartig formierte Verknöcherungen im Stützgerüst um
kastaniengroße hämorrhagisch-fettige Geschwulstlappen herum.
Beide Nieren, von denen die linke am stärksten verändert
ist, sind um die Hälfte vergrößert. Die Oberfläche ist braunrot
und enthält massenhafte linsen- bis erbsen- bis pfenniggroße
hellgraue Flecke, welche streifenförmig durch die Rindensubstanz
ziehen. Außerdem finden sich tief braunrote blutige Flecken an
der Nierenoberfläche, welche auch auf der Innenfläche der
fibrösen Kapsel kopiert sind und derselben ein blutig getigertes
Aussehen verleihen. In diesen Geschwulstherden sind ferner
gelbgetrübte Flecke der regressiven Metamorphose. Die rechte
Nebenniere ist hyperämisch, die linke Nierenvene infolge Kom¬
pression der Höhlvene und der linken Nierenvene bedeutend
ektasiert und für zwei Mannsfinger passierbar.
(Fortsetzung folgt.)
Zur Ätiologie der Brustseuche.
Berichtigung zu zwei Referaten auf Seite 768 in Nr. 43
dieser Zeitschrift von 1908
und zu zwei Artikeln im 3. Heft der Zeitschrift für
Veterinärkunde vom März 1908.
Von Obermedizinalrat Professor Dr. Lorenz-Darmstadt.
Die Nummer 43 dieser Zeitschrift vom 22. Oktober laufenden
Jahres enthält auf Seite 768 zwei Referate, die mich veranlaßt
haben, mir die Originalartikel dazu im Heft 3 der Zeitschrift
für Veterinärkunde vom März 1. J. zu verschaffen.
Die Originalartikel und die hiernach bearbeiteten
Referate sind geeignet, bei den Lesern nach zwei
Richtungen, bin unrichtige Vorstellungen über den
Sachverhalt zu erwecken. Ich überlasse dem Leser, zu be¬
urteilen, ob die Fassung der Artikel mit oder ohne Absicht so
gewählt ist.
Zunächst heißt es darin, daß je das betreffende Pferd mit
Lorenz scher Brustseuche ly mp he geimpft worden sei. Ferner
sind die beiden Artikel derart abgefaßt, daß der von der
Sachlage nicht unterrichtete Leser den Eindruck gewinnen muß,
als handle es sich in beiden Fällen um Einzelversuche.
Beides entspricht nicht den Tatsachen, und ich sehe mich daher
zur Aufklärung veranlaßt.
Unter Lymphe kann alles mögliche verstanden werden,
wissenschaftlich jedoch gerade das nicht, um was es sich hier
handelte, nämlich um Bouillonreinkulturen, wie auch dem
Artikelschreiber bekannt gewesen sein muß.
Die beiden Fälle waren nicht Einzelversuche, sondern
ereigneten sich nach den innerhalb verhältnismäßig
kurzen Zeitraums vorgenommenen Impfungen von zu¬
sammen 332 Pferden im Frühjahr 1907. Auch in diesem
Punkte konnte bei dem Artikelschreiber ein Zweifel nicht be¬
stehen.
Nachdem nun auf diese Weise die Angelegenheit in die
Öffentlichkeit gelangt ist, nehme ich das Recht für mich in An¬
spruch, den Hergang der Wahrheit kurz darzustellen.
Ende März 1907 war unter den Pferden des Ülanenregiments
Nr. 6 zu Hanau die Brustseuche ausgebrochen. Ich hatte da¬
von durch die Zeitung Kenntnis erhalten und wandte mich an
den Korpsstabsveterinär mit der Bitte, mir die Erlaubnis zur
Entnahme von frischem Infektionsmaterial zu erwirken. Diese
Erlaubnis wurde erteilt. Als ich zum erstenmal in Gesellschaft
des Korpsstabsveterinärs in Hanau war uud die erkrankten
Pferde besichtigte, kam auch in Gegenwart des Regiments¬
kommandeurs und mehrerer Offiziere die Rede auf die bei Pferden
des 24. Dragonerregiments zu Darmstadt im Januar 1906 vor¬
genommenen Infektionsversuche (beschrieben in einem Artikel in
Nr. 5 dieser Zeitschrift von 1906). Seit jener Zeit hatte ich nur
einzelne Infektionsversuche an dazu angekauften Füllen vor¬
genommen (beschrieben in Nr. 45 dieser Zeitschrift von 1906 und
Nr. 23 und 24 von 1907). Daß ich nach einer so kleinen An¬
zahl von Versuchen nicht gleich zu einer Massenimpfung teurer
Militärpferde raten konnte, habe ich wohl bedacht. Ich habe
mich denn auch erst nach wiederholter Aufforderung zur Abgabe
von Impfkulturen verstanden.
Diese Impfkulturen rührten von den Hautabsonderungen
eines im Herbst 1906 an Brustseuche erkrankten Dillenburger
Landbeschälers her. Erst kurz vor der ersten Verabfolgung an
den Stabsveterinär zu Hanau habe ich die Kultur bei einem
mir zur Verfügung stehenden l 1 /* jährigen Füllen zu Hoppen-
heim a. d. W. bei Worms auf ihre Wirkung geprüft. Das Tier
hat dabei zwei Tage lang gefiebert und keine weiteren Er¬
scheinungen gezeigt, und ich habe die Kultur deshalb für un¬
gefährlich gehalten. Ich gab davon dem Stabsveterinär zur
Impfung einer Serie von Pferden ab, klärte ihn über Art und
Beschaffenheit der Kulturen auf und besprach mit ihm die Art
und Weise der Anwendung. Die erste Serie von Pferden ist
am 29. April infiziert worden. Da der Verlauf ein durchaus
gutartiger war, wurden nach und nach noch vier Serien infiziert,
so daß Ende Mai 91 Pferde geimpft waren. Nach den mir
gewordenen Mitteilungen sind die Reaktionen verschieden ge¬
wesen, jedoch meist nicht hoch. Bösartige Erkrankungen sind
bei diesen 91 Pferden nicht aufgetreten.
Ich gestehe offen, daß es mir lieb gewesen wäre, wenn
man hier die Versuche abgebrochen hätte, und ich habe dies
auch damals ausgesprochen. Aber man drängte mich schon
gleich, nachdem die Impfung der ersten Serie gut abgelaufen
war, zur Abgabe von größeren Kulturmengen, und ich selbst
habe erst noch die Impfung weiterer vier Serien veranlaßt,
bevor ich mich dazu verstand. Es sollten Ende Mai die 120
Pferde einer Eskadron geimpft werden. Da die dazu nötige
Kulturmenge vorsichtshalber doppelt hergestellt und dem Stabs¬
veterinär zur Verfügung gestellt war, sind aber 421 Pferde
am 30. und 31. Mai damit infiziert worden. Unter diesen 421
Pferden sind, wie mir mitgeteilt worden ist, neun schwere
Erkrankungen vorgekommen, von denen fünf tödlich endeten.
Zu letzteren zählen auch die beiden Fälle, über die die
Artikel im 3. Heft der Zeitschrift für Veterinärkunde vom
März laufenden Jahres handeln.
Die Seuche hat damals, wie mir erzählt worden ist, nicht
weiter um sich gegriffen. Unter den nicht geimpften Pferden
sind, soviel ich weiß, noch eine Reihe von Erkrankungen vor¬
gekommen und auch unter den geimpften Pferden sollen später
noch zwei in leichtem Grade typische Erscheinungen der Brust¬
seuche gezeigt haben.
Wie es gekommen ist, daß bei den letztgeimpften 241
Pferden neun schwere Erkrankungsfälle aufgetreten sind, wird
wohl mit Sicherheit kaum aufgeklärt werden. Jemanden einen
Vorwurf wegen der Ausführung der Impfung und der Anregung
798
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45.
dazu zu machen, liegt mir fern. Aber auch ich muß unter den
gegebenen Umständen jeden Vorwurf zurückweisen. Die von
mir abgegebenen Kulturen waren rein und in zugeschmolzenen
Röhren zu 30 und 50 ccm verschickt worden. Wären übrigens
diese Kulturen von besonders bösartiger Wirkung gewesen oder
hätten sie andere bösartige Bakterien beigemischt enthalten,
dann hätten auch entschieden mehr bösartige Erkrankungen
eintreten müssen. Die Möglichkeit, daß die meist mild wirken¬
den Streptokokken des Brustseucheerregers in gefährlicher Kok¬
kenformen auch bei künstlicher Züchtung sich umwandeln können,
habe ich erst später zu beobachten Gelegenheit gehabt. Ich
lasse es dahingestellt sein, ob die erwähnten Erkrankungsfälle
darauf zurückgeführt werden können. Wie mir gesagt wurde,
sind die betreffenden Pferde nicht aus einem Kulturglas geimpft
worden.
Nicht unerwähnt soll bleiben, daß sowohl die schweren
Impfpatienten, als auch noch ein an Brustseuche erkranktes
nicht geimpftes Pferd nach Angabe des Stabsveterinärs mit
offenbar günstigem Einfluß ein Serum subkutan eingespritzt er¬
hielten, das im Frühjahr 1906 in der Merckschen Fabrik von
einem mit meinen Kulturen immunisierten Pferde gewonnen war.
Mit der Herstellung eines höher wirksamen Heilserums
gegen Brustseuche bin ich zurzeit befaßt. Ich besitze dazu
seit über einem Jahre eine Kultur von ganz erheblicher Virulenz,
die ich namentlich auch als Tastkultur zur Prüfung des Serums
benutze. Ich habe damit auch bereits das Willerdingsche
Brustseucheserum geprüft und kann bestätigen, daß beide Sera
in ihrer Wirkung gegenüber jener Kultur übereinstimmen; denn
die beiden in gleicher Weise mit je einem der Sera vorbehan¬
delten Kaninchen blieben nach der Anwendung von 0,02 ccm
Kultur munter und am Leben, während das Kontrollkaninchen
wenige Stunden nach der Infektion schwer erkrankte und nach
24 Stunden einging. Titrebestimmungen über den Wirkungs¬
grad beider Sera werden demnächst noch angestellt werden.
Das nach meiner Angabe hergestellte Serum soll bei der
nächsten sich bietenden Gelegenheit auf seine Heilwirkung ge¬
prüft, aber erst dann, wenn seine Wirksamkeit in dieser Hin¬
sicht zweifellos feststeht, in Verkehr gebracht werden.
Die in dem Willerdingschen Artikel in Nr. 34 dieser Zet-
schrift vom 20. August laufenden Jahres mit der Wirkung seines
Serums begründete Behauptung, daß die zur Herstellung dieses
Serums benutzten, aus- Nasen- und Augenschleimhautsekret
gewonnenen Kulturen die echten Erreger der Seuche enthielten,
bestätige ich um so mehr, als ich mit denselben Erregern seit
beinahe 3 Jahren experimentiere. Diese Erreger werden eben
auf der ganzen Körperoberfläche und auf sämtlichen Schleim¬
häuten ausgeschieden, in einem Falle mehr hier, im anderen
mehr dort. Aus den von einer in dem Artikel in Nr. 28 dieser Zeit¬
schrift vom 9. Juli laufenden Jahres beschriebenen, mit Schleim¬
hautsekret befeuchteten Wattebäuschchen lassen sich übrigens
mikroskopische Präparate hersteilen, die ganz eigen¬
tümliche, den Abbildungen zu meinen früheren Ab¬
handlungen gleichende Bilder zeigen. Diese Bilder
haben eine solche Eigenart, daß ich überzeugt bin,
sie werden noch ein vorzügliches diagnostisches
Hilfsmittel ab geben. Doch darüber später.
Referate.
Eine eigenartige Pferdeseuche.
Vortrag, gehalten von Stabsveterinär Kraineil.
(ZeiUchr. f. Veterlnärk. 1908. S. *41.)
Im Januar vergangenen Jahres trat unter den Pferden der
1. Batterie des Feldart.-Reg. Nr. 9 eine seuchenartige, an¬
steckende Krankheit auf, deren hauptsächlichste Erscheinungen
in verminderter Freßlust und einem unregelmäßigen Fieber be¬
standen. Die erste Erkrankung wurde als ein leichter Fall von
Brustseuche angesprochen; innerhalb von fünf Wochen erkrankten
von den 72 in den Stall untergebrachten Pferden 39, darunter
auch diejenigen, die in der Zeit von Oktober bis Dezember an
typischer Brustseuche gelitten hatten. Da vordem bei keinem
Patienten die geringsten Veränderungen an den Lungen nach¬
zuweisen waren, konnte die Diagnose Brustseuche nicht mehr
aufrecht erhalten werden.
Die Symptome der eigenartigen Seuche waren folgende:
Allgemeinbefinden wenig oder gar nicht gestört. Ein ein- bis
Bechstägiges Fieber von 38,6 0 bis 41,0 0 C, welches meist schnell
fällt und teils unregelmäßig verläuft. Herztätigkeit in einigen
Fällen normal; meist wird ein Sinken der Pulse auf 30 und
28 Schläge mit. oder ohne voraufgehende Erhöhung der Pulszahl
(in einigen Fällen bis anf 66 und 70) beobachtet. Dauer dieser
Zirkulationsstörung zwei bis vier, ausnahmsweise sechs Tage. —
Respiration wenig beeinflußt. — Appetit bei allen Patienten
wechselnd und unabhängig vom Fieber; andere gastrische
Störungen wurden nicht wahrgenommen. In etwa einem Drittel
der Fälle Bewegungsstörungen, die sich durch einen steifen
Gang, als Hahnentritt oder Lahmheit auf dem einen oder anderen
Fuße äußern. In einigen Fällen leichte ödematöse Anschwellungen
an den Hinterbeinen; ausnahmsweise wurden phlegmonöse
Schwellungen und einmal Quaddelausschlag gesehen.
Die Behandlung beschränkte sich auf Geben von Karlsbader
Salz. Über die Entstehung der Krankheit konnte nichts ver¬
mutet werden. Eine gewisse Ähnlichkeit mit einer leichten Form
der Rotlaufseuche läßt sich vielleicht nicht absprechen. Das
Kontagium der Rotlaufseuche ist indessen flüchtiger und die An¬
steckungsfähigkeit eine stärkere (zwei nur sieben Meter entfernte
andere Ställe blieben verschont). Gegen Rotlauf spricht auch
die Unregelmäßigkeit des Fiebers und das Sinken der Pulse.
Es fehlten ferner die große Hinfälligkeit, die schwere Benommen¬
heit des Kopfes, die allgemeine Muskelschwäche, die Lichtscheu,
die umfangreichen gastrischen Störungen und vor allen Dingen
die doch bei fast allen Rotlaufseuchepatienten auftretenden
Schwellungen der Haut.
Man darf wohl annehmen, daß es sich hier um eine zur
„Influenzagruppe“ gehörende, bisher aber wenig bekannte
Infektionskrankheit gehandelt hat. Richter.
Behandlung des ansteckenden Scheidenkatarrhs der
Rinder.
Von kön. ung. Tierarzt Dr. Josef von Kukuljevi?.
(Allatorvosi Lapok 1908, Nr. 31/38.)
Verfasser behandelte den ansteckenden Scheidenkatarrh bei
63 Tieren versuchsweise mit verschiedenen Mitteln und fand,
daß von den jetzt gebräuchlichen Verfahren die Bissulinbehandlung
am schnellsten und sichersten zum Ziele führt, denn auch in
schweren Fällen trat innerhalb drei Wochen vollkommene Ge¬
nesung ein. Die Behandlungsmethode bei der manuellen Ein¬
führung der Bissulinkugeln ist leicht ausführbar, billig und ohne
5. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
799
unangenehme Nebenwirkung. Die Bazillol-Therapie hat zwar
auch ihre Erfolge, doch lassen diese länger auf sich warten und
ist die Behandlung mit der Salbenspritze umständlicher; auch
kommt die eingespritzte Salbe nicht mit allen erkrankten Teilen
der Scheide in Berührung. Das Lysoform führt oft nach lang¬
wieriger Behandlung doch nicht zur vollkommenen Genesung,
sondern mildert das Übel und die Verbreitung und auch
die Intensität des Ansteckungsstoffes. Die Bissulin- Therapie
ist nach Kukuljevics Erfahrungen allen anderen überlegen.
Dr. Z.
Tagesgeschichte.
Begründung eines tierärztlichen Pressebnreans.
In Nr. 44 S. 787 ist auf Wunsch des Herrn Vorsitzenden
des tierärztlichen Provinzialvereins für Schleswig-Holstein,
Veterinärrats Dr. Foth, ein Beschluß dieses Vereins mitgeteilt,
auf dessen Text ich hier verweise. Zu diesem Beschluß muß
ich Stellung nehmen, gerade weil ich für die Sache bin und
weil mir der Beschluß des Vereins eine Gefährdung dieser
Sache zu bedeuten scheint.
Der Gedanke, eine tierärztliche Zentralgeschäftsstelle zu
begründen, ganz in dem Sinne, wie der Verein für Schleswig-
Holstein jetzt beschlossen hat, ist nicht von Herrn Dr. Foth
zuerst gehegt und ausgesprochen, sondern von Herrn Kreis¬
tierarzt Krüger-Ohlau in Nr. 7 der B. T. W. und zwar unter
gleichzeitiger Entwicklung eines Programms. Dieser Gedanke
Krügers ist des weiteren beifällig besprochen worden in B. T. W.
Nr. 15 (S. 279) und Nr. 24', zuletzt von mir. Ich habe dort dem Plan
Krügers durchaus zugestimmt, seine Schwierigkeiten beleuchtet
und betont, daß sein Gelingen von dem Aufbringen erheblicher
Mittel abhängen werde. Die Institution könne nur vom Deutschen
Veterinärrat (wie auch Krüger empfohlen hatte) unter ein¬
helliger Mitwirkung aller deutschen Vereine ins Leben gerufen
werden. Die 1909 stattfindende nächste Plenarver¬
sammlung des Deutschen Veterinärrates werde sich
darüber schlüssig zu machen haben.
Diese Tatsachen mögen nicht allen Mitgliedern des schleswig¬
holsteinischen Vereins gegenwärtig gewesen sein. Dem Vereins¬
vorsitzenden, Herrn Dr. Foth, mußten sie bekannt sein und
waren sie gewiß auch bekannt.
Unter diesen Umständen kann ich das Vorgehen desselben
nicht recht verstehen und ihm nicht zustimmen, gerade weil ich
in der Sache selbst nicht anderer Meinung bin. Der Gedanke
gehört Herrn Krüger. Die von Herrn Krüger gewünschte
Weiterverfolgung desselben durch denDeutschenVeterinär-
rat ist in baldige und sichere Aussicht gestellt. Da hat doch
niemand anders, wenn überhaupt zusammen gearbeitet werden
soll, das Recht, sich der Sache bemächtigen zu wollen. Von
dem selbstverständlichen Prioritätsrecht aber ganz abgesehen,
kann das plötzliche gesonderte Vorgehen eines Vereins der
Sache nur schaden. Es maß dem Deutschen Veterinärrat Vorbehalten
bleiben, derartige große Institutionen zu schaffen, weil nur er
sie überhaupt schaffen kann. Ein einzelner Verein kann
unmöglich erwarten, daß er mit einer Sonderbestrebung durch¬
dringt und gar den ohne weiteres von ihm aufgestellten
Kandidaten der Gesamtheit oktroyiert.
Im Interesse des Gelingens dieser von Krüger empfohlenen
Institution, die nur viribus unitis geschaffen werden kann, im
Interesse des Zusammenhalts und der Stellung des Deutschen
Veterinärrates muß ich mich ganz entschieden gegen ein vor¬
zeitiges, gesondertes Vorgehen von irgendeiner Seite aus¬
sprechen und kann die tierärztlichen Vereine nur dringend
bitten, sich jenem Beschluß nicht anzuschließen.
Dem Herrn Vorsitzenden des schleswig-holsteinischen Vereins
aber kann ich nur empfehlen, die Ausführung des Beschlusses
bis nach der nächsten Tagung des Veterinärrates 1909 zu sistieren
oder ihm eine andere Richtung zu geben. Beschränken Sie
vorläufig die Verwendung der bewilligten 300 M. auf die Provinz
Schleswig, Hamburg usw. Veranlassen Sie die in Aussicht ge¬
nommene Persönlichkeit einmal, die Presse dieser Provinz ent¬
sprechend zu bearbeiten. Das wird Ihren Beschluß wirksam
machen und zugleich eine ganz erwünschte Probe abgeben, also
Nutzen stiften.
Die Gründung einer tierärztlichen Zentralstelle aber muß
der tierärztlichen Zentral-Organisation, dem Veterinärrat,
überlassen bleiben. Jeder, der hier auf eigene Faust handelt,
handelt nicht für, sondern wider die Sache. Schmaltz.
Zur Militär-Veterinär-Reorganisation.
In dem Artikel „Vorschläge für die Militär-Veterinär-
Reorganisation“ in Nr. 37 der B. T. W. stellt der Verfasser den
Satz auf: „Erst Leistungen, dann Forderungen“.
Nun, die Leistungen der Veterinäre der preußischen Armee
sind so hoch, wie sie eben unter den gegebenen Verhältnissen
nur sein können. Wenn nicht mehr geleistet wird, so ist die
Ursache hierfür bei gerechter Beurteilung in der Hauptsache
nicht bei den Veterinären zu suchen.
Es darf doch niemals vergessen werden, unter wie schwierigen
dienstlichen Verhältnissen der Veterinär der preußischen Armee
seine Tätigkeit ausüben muß. Daß da oftmals Lust und Liebe
zum Berufe und vor allem die Dienstfreudigkeit, die die erste
Bedingung für eine erfolgreiche Tätigkeit bildet, verloren geht
oder doch erlahmt, ist für den, der die einschlägigen Verhältnisse
genauer kennt, nicht verwunderlich, ganz abgesehen davon, daß
die ungenügenden Besoldungsverhältnisse den Veterinär nötigen,
durch Ausübung der Privatpraxis seine materielle Lage zu ver¬
bessern. Diese Notwendigkeit wird auch heute allgemein an¬
erkannt und nur darauf ist es zurückzuführen, wenn den
Veterinären in bezug auf die Privatpraxis von den zuständigen
Behörden so viel freie Hand gelassen wird.
Es soll zugegeben werden, daß dabei Auswüchse Vorkommen
und in manchen Fällen bei wenig ausgeprägtem Pflichtgefühl
die dienstlichen Interessen der privaten Tätigkeit völlig unter¬
geordnet werden. Das sind jedoch nur Ausnahmen; denn heute
besitzt das Gros der Veterinäre überhaupt keine so ausgedehnte
Privatpraxis mehr, daß die dienstlichen Interessen darunter
leiden könnten. In dem künftigen Veterinäroffizierkorps dürfte
außerdem mit solchen Auswüchsen recht schnell aufgeräumt
werden.
Die Vorschläge, die der Verfasser des Artikels in Nr. 37
der B. T. W. macht, enthalten wohl manches Brauchbare, sie
werden sich jedoch natürlich erst verwirklichen lassen, wenn
die Reform perfekt geworden ist, haben dann aber auf die
Neugestaltung des Veterinärwesens keinen Einfluß mehr.
Vieles wird sich auch von selbst erübrigen. Es ist z. B.
doch selbstverständlich, daß der Veterinäroffizier ebenso wie der
Sanitätsoffizier in und außer Dienst Uniform zu tragen hat und
800
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45.
ihm das Zivil nur bei Ausübung der Privatpraxis gestattet wird.
Dadurch wird die Privatpraxis schon naturgemäß auf ein Behr
bescheidenes Maß beschränkt, denn in Uniform läßt sie sich
nicht ausüben, und das beständige Wechseln der Kleidung
dürfte der Mehrzahl der Veterinäre die Privatpraxis bald
gänzlich verleiden.
Sie völlig zu verbieten oder nur auf Pferde zu beschränken
— wie vorgeschlagen wird — ist ebensowenig angängig, wie
etwa dem Sanitätsoffizier nur die Behandlung männlicher
Personen gestatten zu wollen.
Soll die Reorganisation ein Veterinärkorps schaffen, das
seiner Aufgabe in jeder Beziehung gewachsen ist, so müssen
immer die schon anderweitig hervorgehobenen Forderungen auf¬
gestellt werden, und zwar:
1. Übertragung der vollen, uneingeschränkten Verantwortung
auf den Veterinär für alle ihm zur Behandlung überwiesenen
Pferde. Daneben bessere Ausstattung der Dispensieranstalten
und Erhöhung der für die Behandlung der Pferde ausgeworfenen
Mittel, um dem Veterinär ein besseres wissenschaftliches Arbeiten
zu ermöglichen;
2. Beförderung des Unterveterinärs nach spätestens einem
Jahre zum Veterinär;
3. Abschluß der Veterinärkarriere nicht mit dem Stabs¬
veterinär im Rittmeisterrange, sondern mit dem Oberstabs¬
veterinär im Majorsrange.
Bei den jetzigen Anforderungen an die Vorbildung und
Ausbildung der Veterinäre kann es wohl als ausgeschlossen
gelten, daß sich wirklich geeignete junge Leute in genügender
Anzahl finden, wenn die Veterinärlaufbahn über die ^Stellung
der Zeug- und Feuerwerksoffiziere nicht hinausgeht. Die
wenigen Korpsstabsveterinärstellen können für die Gesamtheit
der Veterinäre überhaupt nicht in Betracht kommen.
Vor allem würde aber der Zuzug aus den besseren Be¬
völkerungskreisen völlig ausbleiben, und ihn wird das künftige
Veterinäroffizierkorps nicht entbehren können, wenn es sich
wirklich in wünschenswerter Weise entwickeln soll.
4. Regelung der Beförderungsverhältnisse derart, daß der
Veterinär in angemessenem Alter Stabsveterinär wird; jedenfalls
darf diese Stufe nicht später erreicht werden, wie die des Ritt- j
meisters vom Frontoffizier.
Es wird mit der Bildung des Veterinäroffizierkorps natur¬
gemäß eine starke Verjüngung des Veterinärkorps eintreten.
Diese Verjüngung dann noch gar zu schnell und zu gewaltsam
fortzusetzen, dürfte jedoch kaum im Interesse der Heeresver¬
waltung liegen; denn ohne einen Stamm älterer, erfahrener
Veterinäre wird die Armee, namentlich mit Rücksicht auf die
Seuchenbekämpfung, nicht auskommen können.
Über die Verbesserung der Reitfähigkeit der Veterinäre
sind schon die verschiedensten Vorschläge gemacht worden. Es
gibt nur einen Weg, um dieses Ziel mit allen seinen für die
Armee unverkennbaren Vorteilen ganz sicher zu erreichen, das
ist die Bewilligung des Pferdegeldes für die Veterinäre.
Alle Bestimmungen über das Reiten der Veterinäre, auch die
neueren Verfügungen der M. V. 0. über diesen Punkt, können
und werden ihren Zweck nicht erfüllen, solange die Veterinäre
dienstlich beritten gemacht werden, d. h. solange dem Truppen¬
teil die Auswahl des Pferdes überlassen bleibt. Auf dem Pferde-
niaterial, welches dem Veterinär gemeinhin zur Verfügung steht
und oft nur zur Verfügung gestellt werden kann, vermag er
weder gut reiten zu lernen, noch sich Lust und Liebe in der
Reitkunst zu erwerben.
Bei der Kavallerie wird nach wie vor der Eskadronchef
über die Berittenmachung des Veterinärs bestimmen, wobei die
Erlangung einer guten Reitfertigkeit nicht immer genügend be¬
rücksichtigt wird und aus dienstlichen Gründen häufig auch nicht
berücksichtigt werden kann. Bei der Artillerie mit ihrem Mangel
an brauchbaren Reitpferden ist eine geeignete Berittenmachung
des Veterinärs in der Regel einfach nicht möglich.
Auf diese hier kurz besprochenen Kardinalpunkte muß sich
die Reorganisation des Militär-Veterinärwesens aufbauen, wenn
sie den Veterinären die erhoffte Standeserhebung und der Armee
ein Veterinärkorps bringen soll, welches seiner Aufgabe, die
Haltung der großen in dem Pferdebestande der Armee angelegten
Werte, voll und ganz gewachsen ist.
Leistungen dafür im voraus zu versprechen, wie der Ver¬
fasser des Artikels in Nr. 37 der B. T. W. wünscht, ist über¬
flüssig. Der Geist, welcher in dem Veterinärkorps des deutschen
Heeres herrscht, ist ein durchaus guter und bietet auch ohne
besondere Zuführungen für die Zukunft volle Garantien; aller¬
dings darf die Anerkennung nicht immer wieder ausbleiben.
Die Veterinäre haben sich durch das jahrelange bescheidene
und geduldige Hoffen und Harren auf eine Besserung ihrer Ver¬
hältnisse wohl ein Anrecht auf die Berücksichtigung ihrer
Wünsche erworben. Sollten sie wirklich wieder enttäuscht
werden? K.
Zur Gehaltsaufbesserung der Kreistierärzte.
Von Schaumkell-Hagen.
Wir Kreistierärzte wollen anerkennen, daß seit 1905 viel
zur Hebung unserer Position geschehen ist. Wir wollen unter
Zurücksetzung jedes Gedankens an eine Vollbesoldung, so not¬
wendig sie auch im Interesse der Weiterentwicklung des
preußischen Veterinärwesens wäre, gerne bekennen, daß die in
der Besoldungsordnung vorgeschlagenen Sätze von 1200 bis
3000 M. im allgemeinen eine gute Verbesserung in sich schließen.
Nach zwei Richtungen jedoch sind mehr oder minder früher und
dringend ausgesprochene Wünsche unberücksichtigt geblieben:
1. Die Aufrückung im Gehalt nach Dienstalterstufen;
2. Die Gewährung eines Wohnungsgeldzuschusses.
Zu 1. Das kreistierärztliche Personal hat eine außer¬
ordentliche Verjüngung erfahren. Spät, erst nach dem dreißigsten
Lebensjahre, gelangt der Kreistierarzt zur Anstellung. In
Zukunft wird sie durchschnittlich noch später wie ehedem er¬
folgen. Bleibt die Besoldung nach Klassen bestehen, dann wird
man nicht davon sprechen können, daß „die Kreistierärzte im
Gehalt bis zu 3000 M. steigen“. Der größere Teil kann künftighin
unmöglich die erste Gehaltsstufe erreichen. Wie bekannt,
bestehen drei Gehaltsklassen. Glücklicherweise ist nicht davon
die Rede, daß vier oder mehr gebildet werden sollen. Damit
würde das Übel nur noch größer werden. Vor allem würde die
Stagnation im Aufrücken in die erste Gehaltsklasse nur noch
eine größere, die erste Gehaltsklasse selbst würde von noch
wenigeren erreicht werden, als es schon bei dreien der Fall ist.
Kurzum in der Besoldung nach Klassen liegt für uns Kreis¬
tierärzte eine außerordentliche Hemmung, die manchen KoUegen,
ob nun jung oder schon älter, in diesen Tagen eine schwere
Bedrückung bereitet haben mag. Der Herr Finanzminister
selbst hat bei der Einbringung der Gehaltsvorlagen ausgeführt,
_5. Novembe r 19 08.
wie viel günstiger die Aufbesserung nach Dienstaltersstufen sei.
Er hat es als einen großen Erfolg hingestellt, daß von rund
272 000 Beamten künftig 269 200 ein nach diesem System
aufsteigendes Gehalt beziehen. Nur 2268 Beamte sind vor¬
handen, die nicht nach Altersstufen aufrücken. Ich werfe die
Frage auf: aus welchem Grunde gehören wir zu den letzteren?
Ich glaube, es gibt niemanden, der darauf eine Antwort geben
könnte. Auch die der Besoldungsordnung beigegebene Be¬
gründung und Denkschrift enthalten keine Aufklärung. In der
Denkschrift heißt es wörtlich: „Von den 2268 Beamten mit
nicht nach Dienstaltersstufen aufsteigenden Gehältern entfällt
mehr als die Hälfte auf Professoren und Dozenten bei Univer¬
sitäten, technischen Hochschulen, Akademien sowie Direktoren
von Museen, also Anstalten, bei denen die Eigenart der Ver¬
hältnisse eine besondere Festsetzung verlangt; ferner gehören
hierher 477 nicht vollbesoldete Kreisärzte, 468 Kreistierärzte.“
Warum gehören wir hierher? Eine Eigenart der Verhältnisse
besteht nicht. Ob jemand eine gute oder weniger gute Kreis¬
tierarztstelle inne hat, ob er im Osten oder Westen, Norden
oder Süden wohnt, innerhalb der Gehaltsklasse bekommt er das
gleiche Gehalt. Der Umstand, daß wir nicht vollbesoldet sind, kann
doch erst recht keinen Grund abgeben. Warum also? Ich
spreche den herzlichen Wunsch aus, die Durchberatung der
Besoldungsordnung möge dazu führen, daß wir zu dem großen
Haufen gekehrt werden. Man nehme den Kreistierärzten die
Pein, die darin liegt, daß die jüngeren auf den Tod oder die
Invalidität der älteren warten müssen. Man lasse uns, wie die
anderen alle, das Höchstgehalt in feststehenden Zwischenräumen
erdienen.
2. Die Forderung der Gewährung des Wohnungsgeld¬
zuschusses: Hier ist die Antwort auf die Frage, warum wir
bisher keinen Zuschuß bekamen, leicht gegeben. Der Wortlaut
des Gesetzes vom 12. Mai 1873, also eines Gesetzes von bereits
recht altem Datum stand dem entgegen. Aber jetzt muß die
Neukodifikation des Wohnungsgeldgesetzes vorgenommen werden.
Wir können mit dem Wunsche nicht zurückhalten, daß man
dem neuen Gesetze den Sinn und den Inhalt geben möge, daß
auch die wenigen nicht voll besoldeten Beamten und darunter
wir ein gesetzliches Anrecht auf einen Wohnungsgeldzuschuß
erhalten. Die übrigen Beamten werden, wenn man so will,
doppelseitig aufgebessert. Will man uns die eine wichtige Seite
der staatlichen Fürsorge nicht zugute kommen lassen?
Beide Wünsche, Aufrücken nach Dienstaltersstufen und Zu¬
billigung von Wohnungsgeldzuschuß bedingen eine kleine Mehr¬
belastung der Vorlagen. Diejenigen, die die Bewilligung zu
verantworten haben, werden sie auch, das bedarf keines Wortes,
gerne vertreten wollen.
Die SO. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Ärzte in Köln
vom 20.—26. September 1908.
Berichterstatter: Kreistierarzt Francke-Köln.
(Fortsetzung.)
3. Sitzung.
Mittwoch, den 23. September, vormittags.
Vorsitzender: Prof. Dr. Peter-Hamburg.
Es wurden folgende Vorträge erledigt:
1. Obertierarzf Meyer-Köln: „Terminologie und Morphologie der
Säugetierleber nebst Homologie Ihrer Lappen“.
Die zahlreichen, verschiedenen Bezeichnungsarten für die an
der Säugetierleber vorkommenden einzelnen Abschnitte vferanlaßten
801
Referenten, historische Untersuchungen über die Leberterminologie
vorzunehmen und nach geeigneten, für alle Lebern in der Säugetier¬
reihe verwendbaren Bezeichnungen zu suchen und besondere zweck¬
mäßige Namen für homologe Teile vorzuschlagen. Er benutzt
hierzu eine auf Grund eigener zahlreicher phylogenetischer und
ontogenetischer Untersuchungen aufgestellte Einteilungsart der
Leber, bei der er für bestimmte, mittlere Leberpartien nach genetischer
Deduktion eine besondere Zentralstelle nachweist. Er kommt dabei
zu folgenden Schlußsätzen: „Die eigentliche, jedenfalls erst inner¬
halb der Vertebratenreihe entstandene Leber geht, abgesehen von
einigen Unregelmäßigkeiten, aus einer zweilappigen Urform allmählich
in eine mehrlappige Form über. Bei den Proamphibien dürfte die
Leber schon aus vier Hauptlappen bestanden haben. Von da ab
erfolgt während der weiteren Stammesentwicklung einerseits in
Richtung der Amphibien und Sauropsiden eine allmähliche Abnahme
der Zahl der Lappen, andrerseits nach den Mammalien zu in der
Hauptsache noch eine Steigerung in der Lappenbildung, daneben
aber auch ein Rückschlag auf primitivere Formverhältnisse.
Bei der auf phylogenetischer und ontogenetischer Grundlage
vorzunehmenden Einteilung der Säugetierleber sind die zwischen
Incisura umbilicalis und Ductus venosus einerseits und Gallenblase
bzw. Incisura cystica sowie Mündungsstelle der Venae hepeticae
in die vena cava inferior andrerseits gelegenen Leberabschnitte
als besondere, zwischen den Seitenteilen eingelagerte, zentrale
Leberteile aufzufassen.“
Der in der Literatur selbst bis in die neueste Zeit hinein viel¬
fach unrichtig benannte und homologisch falsch gedeutete Processus
caudatus ist als eine Abspaltung vom rechten, der Niere zu¬
geschobenen Leberteil aufzufassen, der unter besonderen Lage- und
Entwicklungsbedingungen rudimentär werden kann und dann eine
andere Zugehörigkeit vortäuscht.
Die Lappenbildung im allgemeinen ist größtenteils als eine
Art mechanischer Schutzeinrichtung für das Organ selbst zu be¬
trachten. Der Vortrag wurde vom Referenten nach Beendigung
der Nachmittagssitzung durch Demonstrationen erläutert.
2. Veterinärrat Matthiesen-Hannover referierte über „Die Teil¬
nahme der Tierärzte an der Pferdezucht“
Referent führte u. a. folgendes aus: Der Pferdezüchter bedarf
einer großen Summe von Spezialkcnntnissen. Für die Beurteilung
des Exterieurs, der Körperbewegung, der Organtätigkeit, der
Leistungsfähigkeit und der Vererbung sind gründliche Kenntnisse
in der Anatomie, Physiologie, Pathologie, Geburtshilfe und Hygiene
unentbehrlich. In diesen Wissenschaften erfahren die Tierärzte
eine sorgfältige Ausbildung und ihr Beruf bietet ihnen die beste
Gelegenheit, auf die Verbesserung unseres Zuchtmatcrials hinzu¬
wirken. Das Studium der Tierheilkunde und die vielseitige Be¬
schäftigung mit dem Pferde machen allerdings an sich noch keinen
Pferdezüchter. Der Tierarzt bedarf für eine erfolgreiche züchterische
Betätigung noch einer besonderen Veranlagung zur Beurteilung
und Bewertung eines Zuchtpferdes. Unter den Tierärzten gibt es
deshalb — genau wie unter den Landwirten und Tierzüchtern — gute
und weniger gute Pferdekenner. Jedenfalls ist aber ein für züchte¬
rische Dinge veranlagter und passionierter Tierarzt wie kein anderer
geeignet, die Pferdezucht zu heben.
In Süddeutschland ist den Tierärzten in erster Linie das Auf¬
blühen der Pferdezucht zu danken. In Norddeutschland hatten die
Tierärzte früher einen viel größeren Einfluß in der Pferdezucht als
heute, wo man ihnen durchweg nur beratende Stimme in den Kör-
und Prämiierungskommissionen gewährt. Auch die preußischen
Gestüte wurden früher vielfach von Tierärzten geleitet. Der einzige
ehemalige Gestütsveterinär unter den jetzigen preußischen Gestüts¬
dirigenten steht an der Spitze des größten Landgestüts, der Land¬
stallmeister Grabensee in Celle. Referent, der fast fünf Jahre
unter der Leitung Grabensees am Celler Landgestüt tätig war,
schildert dessen große Verdienste um die Entwicklung der Pferde¬
zucht im Rheinland und Hannover.
Das Landwirtschaftsministerium steht den Wünschen der Tier¬
ärzte wohlwollend gegenüber, wie es in der Sitzung der Landes-
pferdezuchtkommission im vorigen Jahre und auch früher bei
***
BERLIN ER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
802
Regelung der Tierzuchtinspektorenpriifung gezeigt hat. Der Herr
Landwirtschaftsminister hat in der Landespferdezuchtkommission
den Vorschlägen Grabensee zugestimmt und es als erwünscht be¬
zeichnet, daß ein sachverständiger Tierarzt entweder durch die
Landwirtschaftskammer oder den Oberpräsidenten in die Kör-
kommission aufgenommen werde. Für diese gerechte Würdigung
ihrer Wünsche sind die Tierärzte aufrichtig dankbar.
Referent führt darauf aus, wie die Tierärzte ihre Sache durch
guten Willen, eigene hippologische Weiterbildung und rege Anteil¬
nahme an den pferdezüchterischen Bestrebungen selbst fördern
können. Hie Ausbildung der jungen Tierärzte auf den Hochschulen
hat in erster Linie auf den praktischen Anschauungsunterricht am
lebenden Pferde Rücksicht zu nehmen und demnach sind häufige
Besuche der Gestüte, Remontedepots, Rennen und Pferdemärkte
unter der Leitung des Lehrers von großem Wert.
Referent empfiehlt schließlich den preußischen Tierärzten, ihre
Wünsche an maßgebender Stelle gemeinsam vorzutragen und die
Herren Oberpräsidenten zu bitten, besonders geeignete Tierärzte in
die Körkommission aufzunehmen.
3. Im Anschluß an diesen Vortrag referierte an Stelle des in
letzter Stunde verhinderten Vet.-Rat Wo 1 dt-Gummersbach
Vet.-Rat Dr. Lothes-Köln über: „Tiermedizin und Tierzucht.“
Einleitend machte der Vortragende die Versammlung mit den
in der Rheinprovinz gezüchteten Rinderrassen und ihre Verbreitung
bekannt und skizzierte dann kurz die Stellung, die heute die
Tierärzte in der gesamten rheinischen Viehzucht einnehmen.
Befriedigend ist diese Stellung nur auf dem Gebiete der Ziegen¬
zucht, wo andere Sachverständige erfahrungsmäßig schwer zu
finden sind. An der Hand der Geschichte wies der Redner nach,
daß den Tierärzten, die nach ihrem ganzen Bildungsgänge und
namentlich ihrer genauen Kenntnis der Anatomie und Physiologie
der Haustiere die geeignetsten Berater der Viehzüchter sind, bei
den ersten staatlichen Maßnahmen zur Förderung der Viehzucht
eine entscheidende Rolle ohne weiteres eingeräumt worden sei.
Die alte rheinische Körordnung gab dem Kreistierarzt Sitz und
Stimme in der Körkommission, und in der Mehrzahl dieser
Kommissionen führten die beamteten Tierärzte den Vorsitz. In der
neuen rheinischen Körordnung ist der Tierarzt überhaupt nicht mehr
erwähnt. Nach ihr ist der Landrat der geborene Vorsitzende der
Körkommission. Auch die landwirtschaftlichen Körperschaften er¬
kannten früher die Supcriorität der Tierärzte in Tierzuchtfragen
an. Der erste und langjährige Leiter der Sektion „Tierzucht“ in
dem 1833 gegründeten landwirtschaftlichen Verein für Rheinpreußen
war ein Tierarzt.
Referent erörterte sodann die Gründe, die diesen Umschwung
herbeigeführt haben. Dem scharfen Wettbewerb der sich mit der
Tierzucht intensiver befassenden jungen Landwirte erwiesen sich
die Tierärzte unserer Provinz infolge ungenügender Ausbildung und
mangelnden Interesses vielfach nicht gewachsen.
Der Einfluß der Tierärzte auf die Tierzucht muß nach Ansicht
des Redners wieder gewonnen werden. Dabei soll man aber nicht
in erster Linie auf Staatshilfe rechnen. Die Tierärzte müssen sich
vielmehr ungleich reger als bisher an allen privaten Maßnahmen
zur Förderung der Zucht — Zuchtvereinen, Genossenschaften, Herd¬
büchern — beteiligen. Haben sie hier durch ernste Mitarbeit eine
entsprechende Stellung erlangt, so wird ihre Heranziehung zu den
der Förderung der Tierzucht dienenden staatlichen Maßnahmen, und
namentlich den Körungen in den meisten Fällen die unmittelbare
Folge sein. Hand in Hand damit dürfte eine durchgreifende Reform
des Tierzuchtunterrichts an den preußischen tierärztlichen Hoch¬
schulen zu gehen haben. Wird dieser zum Anschauungsunterricht
umgestaltet, so werden unsere Studierenden diesem schönen Zweige
der Tiermedizin ungleich mehr Geschmack abgewinnen wie bisher.
Diskussion:
Dr. Mießner-Bromberg hält cs für erwünscht, die bei den Land¬
wirtschaftskammern tätigen Tierärzte, von denen einige anwesend
seien, möchten dahin wirken, daß die Tierärzte mehr und mehr in
tierzüchterischen Dingen zugezogen würden.
Kühnau-Köln ist der Ansicht, daß die Tierärzte sich mehr mit
den landwirtschaftlichen und namentlich viehzüchterischen Interessen
No. 45.
beschäftigen müßten. Insbesondere sollen die Tierärzte Zuchtvieh-
und Mastviehausstellungen besuchen und dort nach Möglichkeit
auch als Preisrichter zu wirken suchen. Dadurch würden die Land¬
wirte schon auf die Sachverständigkeit der Tierärzte aufmerksam
werden und sie auch zur Beratung in tierzüchterischen Fragen
heranziehen.
Ziegenbein-Wolmirstedt glaubt, daß es den Tierärzten in der
Mehrzahl derFälle gelingen werde, als beratende und stimmberechtigte
Mitglieder in die Körkommissionen hineinzukommen, wenn sie es
ernstlich erstrebten und den Landwirten und Züchtern zeigten, daß
sie an der Züchtung Interesse hätten und etwas davon verständen.
Schaaf-Hochheim: Die süddeutschen Tierärzte ständen deshalb
mehr im Vordergründe der Tierzucht, weil dort die tierzftchterische
Vorbildung durch Demonstrationen, Besichtigung von Gestüten etc.
eine bessere sei. Er schlägt vor, die Sektion möge einen Ausflug
nach Roemerhof unternehmen.
Dr. Schipp-Gießen verlangt eingehenderen Unterricht in der Tier¬
zucht und Aufnahme derselben als obligatorisches Prüfungsfach in
die Prüfungsordnung für Tierärzte.
Dr. Lothes-Köln: Auch auf dem Gebiete der Pferdezucht sollten
wir uns mehr der Selbsthilfe bedienen und nicht vom Staate alles
erwarten. Immerhin dürfte es zweckmäßig sein zur Erlangung des
Stimmrechtes für die Tierärzte in den Hengstkörungskommissionen
die vom Referenten vorgeschlagenen Schritte zu tun. Erwünscht
ist auch eine weitgehendere Mitwirkung der Tierärzte beim Ankauf
von Staatsgestütshengsten.
Es spricht sodann
4. Dr. Mießner-Bromberg über: „Die Bradsot der Schafe.“
Referent hatte Gelegenheit Bradsotfälle in Pommern, West¬
preußen und in neuester Zeit auch in Posen und Schlesien zu be¬
obachten und zu studieren, nachdem er sich schon vorher unter
Leitung von Jensen-Kopenhagen mit der Biologie des Bradsot-
erregers genau hatte vertraut machen können. Auch von lebenden
bradsotkranken Tieren konnte Material untersucht werden. Dieser
Umstand war besonders wichtig, weil hierdurch die für die ätiolo¬
gischen Studien sehr irreführende Fäulnis ausgeschaltet werden
konnte.
Die Tiere zeigten gewöhnlich 2 Stunden vor dem Tode die
ersten Symptome: Mangelnde Freßlust, große Unruhe, Atembe¬
schwerden, Stöhnen, Zähneknirschen wechseln mit völliger Ab¬
spannung. Leichte ödematose Schwellung in der Kehlgangsgegend.
Der Tod tritt plötzlich ein. Bei der Obduktion findet man seröBe
Ergüsse in der Bauchhöhle, in den Brustfellsäcken und im Herz¬
beutel; letzterer war hnmer prall gefüllt Die Unterhaut am Halse
ist in eine sulzige, rot gefärbte Masse umgewandelt. Der Labmagen
zeigt, besonders in der Pylorusschleimhaut, geschwürsähnliche rote
Flecke. Zwölffingerdarm hämorrhagisch, Leerdarm katarrhalisch
entzündet. In der Leber eine hämorrhagische mortifizierende Ent¬
zündung.
Die Befunde glichen sich in allen Fällen und entsprachen auch
denen von Dammann und Hilbrandt Hatten die Kadaver mehrere
Stunden lang im Stalle gelegen, so fand sich auffallend vorgerückte
Fäulnis und bakteriologisch konnten den Bradsotbazillen ähnliche
Mikroorganismen ermittelt werden. Diese fehlten aber mehr oder
weniger, wenn man ganz frisch gestorbene Tiere untersuchte. Es
gelangen auch weder mit Blut, noch mit den serösen Flüssigkeiten
aus den Organen solcher Tiere Übertragungsversuche. Dieser Um¬
stand bestätigt von neuem die vom Referenten bereits vertretene
Ansicht, daß der sogenannte Bradsotbazillus nicht als die Ursache
dieser Schafkrankheit anzusprechen ist.
Die Blutparasitenfunde von Sonnenberg hat Referent nicht
bestätigen können. Er glaubt vielmehr, daß es sich dabei um
Degenerationsveränderungen der roten Blutkörperchen und um
Kunstprodukte handelt. Gegen die Annahme, daß es sich um die
Krankheitserreger des Bradsot handle, sprächen auch die negativen
Übertragungsversuche mit Blut.
Diskussion.
Rickmann-Höchst ist ebenfalls nicht von der Hämatozoen-
natur der Sonnenbergschen Befunde überzeugt. Es handle
sich um Degenerationserscheinungen; außerdem könnten derartige
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
"). November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
808
Präparate künstlich gemacht werden. Selbst wenn es sich
aber um Hämatozoen handle, sei noch nicht erwiesen, daß es die
Erreger des Bradsot seien. Sie können auch durch das Bradsot-
fieber angeregt zur Vermehrung gelangt sein — vorausgesetzt, daß
es sich um ein endemisches Piroplasmagebiet handle. Ähnliche
Wechselbeziehungen finde man zwischen Rinderpest und Texasfieber,
Pferdesterbe und Pferdemalaria.
S ch ipp-Gießen sah dieselben Veränderungen an der Leber
von Schweinen, die an Enteritis Hämorrhagica verendet waren.
Peter-Hamburg hat eine Bradsotenzootie im Kreise Ober¬
barnim beobachtet. Auch hier waren die serösen Exsudate nament¬
lich im Herzbeutel am augenfälligsten, außerdem aber die fast
fingerdicke glasige Verquellung der Labmagenschleimhaut und die
oberflächliche Geschwürsbildung an derselben.
Mießner vertritt die Ansicht, daß die Leberentzündung nicht
spezifischen Charakters sei. Man finde derartige Leberentzündungen
bei Darmkrankheiten häufig. (Fortsetzung folgt.)
Neufestsetzung der Gebühren der Medizinalbeamten.
Dem Abgeornetenhause ist zugegangen der Entwurf eines
Gesetzes, betreffend die Gebühren der Medizinalbeamten (datiert
vom 26. Oktober er.) nebst einem Tarif für die gerichtsärzt¬
lichen Verrichtungen. Gesetz und Tarif bezwecken für die
Kreisärzte das, was die Kreistierärzte schon haben. Bei letzteren
bildete das Gesetz betreffend die Dienstbezüge der Kreistier¬
ärzte vom 24. Juli 1904 einen wesentlichen Teil der Reorgani¬
sation ihrer Stellung. Bei den Kreisärzten ist dagegen bei
Erlaß des Gesetzes, betreffend die Dienststellung des Kreisarztes,
vom 16. September 1899, eine Regelung der Gebühren nicht
gleichzeitig erfolgt. Das alte Gesetz betreffend Gebühren der
Medizinalbeamten von 1872 ist für sie bis heut in Kraft geblieben.
Die Vorlage bezweckt die Beseitigung dieses Gesetzes, ihre
Verzögerung erklärt sich daraus, daß eine schon früher gemachte
ähnliche Vorlage im Abgeordnetenhause unerledigt geblieben war.
Die Bestimmungen der Vorlage, die 15 Pharagraphen um¬
faßt, entsprechen genau denen des Kreistierarztgesetzes. Nur
ist ausgesprochen, daß den Kreisärzten für Verrichtungen, deren
Kosten nicht der Staatskasse zur Last fallen, Tagegelder und
Reisekosten nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen für
Staatsbeamte zustehen, während im Kreistierarztgesetz § 2 die
Höhe dieser Gebühren der Vereinbarung oder der Festsetzung
durch den Regierungspräsidenten überlassen ist. Die Gebühren
für gerichtsärztliche Tätigkeit werden durch königliche Ver¬
ordnung festgesetzt.
Eine königliche Verordnung, betreffend Reisekosten und
Tagegelder bei Dienstreisen, wie sie für die Kreistierärzte
unterm 25. Juni 1905 erschienen ist, erübrigt sich, da inzwischen
für alle diese Reisen die Pauschalierung Platz gegriffen hat.
In gerichtlichen Angelegenheiten stehen den Kreisärzten
gegenwärtig Reisekosten und Tagegelder nach den Sätzen
für die Richter zu. Bei dieser Einrichtung soll es, wie in der
Tagesordnung (§ 5) gesagt wird, in Zukunft auch verbleiben,
was durch Köngl. Verordnung bestimmt werden wird. Im
übrigen ist für die Festsetzung der gerichtlichen Gebühren
ein Tarif vorgelegt, dessen Sätze denen des Tarifes für Kreis¬
tierärzte vom 15. Juni 1905 im allgemeinen vollkommen gleichen
(auch im Wortlaut besteht an analogen Stellen größtenteils
diese Übereinstimmung). Abweichungen sind nur folgende:
Akteneinsicht Maximum 6 M. (statt 4 M.) Leichenöffnung nebst
Protokoll 24 M., Gutachten 10—30 M. (statt 8—30 M.), da¬
gegen Untersuchung eines Nahrungs- oder Arzneimittels 3—10 M.
(statt 3—12 M.). Freilich finden sich in dem Tarif noch Ge¬
bührensätze für eine Anzahl von Handlungen, die für Kreis¬
tierärzte nicht in Betracht kommen.
Schicksal der Militfirveterinärreform ?
Bei der Versammlung des Tierärztlichen Vereins der Provinz
Brandenburg wurde auf das bestimmteste behauptet, daß das
Kriegsministerium wegen Einspruches des Reiclisschatzamtes
gezwungen sei, von der Durchführung der Militärveterinärreform
vorläufig abzusehen. Dumpfe Gerüchte über aufgetauchte
Schwierigkeiten gehen schon lange um. Eine Kontrolle ihrer
Berechtigung ist zurzeit nicht möglich. Wir kommen in nächster
Nummer darauf zurück. S.
Personalien.
Nachträglich sollen auch in der B. T. W. zwei Jubiläen mit¬
geteilt werden, die bekannte und verdiente Kollegen im Sommer
begehen konnten. Bezirkstierarzt Fuchs-Mannheim feierte seinen
70. Geburtstag und sein 50 jähriges Berufsjubiläum; er wurde
aus diesem Anlaß zum Ehrenmitglied des badischen Vereins er¬
nannt. Obertierarzt Mölter-München, Vertreter Bayerns im
Ausschuß des Deutschen Veterinärrates, feierte sein 25 jähriges
Dienstjubiläum; der Magistrat erkannte sein Verdienst in einem
warmen Glückwunschschreiben an.
Militärisches.
Die im Rahmen des Bezirkskommandos zu Dresden be¬
stehende Offiziersgesellschaft wählte in ihren Vorstand den Stabs¬
veterinär d. L. Professor Dr. Schmidt.
Verein Meoklenburglscher Tierärzte.
66. Versammlung am Sonntag, den 15. November, mittags
12 ühr, im.Hotel Erbgroßherzog, in Güstrow.
Tagesordnung:
1. Jahresbericht, Kassenbericht, Vereinsangelcgenlieiten.
2 Die Bedeutung der Wirtschaftsgenossenschaft Deutscher Tier¬
ärzte. (Referent Ebeling.)
3. Die Bedeutung der Milchhygiene. (Referent Preßler.)
4. Kommissionsbericht über die Angelegenheit des Herrn Kollegen
Metel mann (Vorstand) und daran anschließend Verhandlung.
5. Wahl des Orts für die nächste Versammlung.
6. Vorstandswahl.
Nach der Versammlung Mittagessen (Gedeck 3 M.\
Der Vorstand. I. A:
K Wilbrandt, Schriftführer.
73. Versammlung des Vereins Thüringer Tierärzte.
Sonntag, den 8. November im „Hotel Silber“ zu Erfurt.
Beginn 10 Va Uhr.
Tagesordnung.
1. Geschäftliches (Eingänge etc.)
2. Das Vorkommen der Geflügelcholera. Ref.: Medizinal-Assessor
Dr. Klee.
3. Über die Erfolge der Atoxylbehandlung bei Bornascher
Krankheit. Ref.: Bezirkstierarzt Oppel.
4. Verschiedenes. (Standesangelegenheiten. Ref.: I)r. John. —
Chirurgische Mitteilungen: Vet.-liat Wallmann).
Gäste willkommen. 2 Uhr gemeinschaftliches Essen mit Damen.
Der Vorstand. I. A.: Wall mann.
Verein der Tierärzte des Regierungsbezirks Aachen.
Herbstversammlung am 15. November, morgens 11 Uhr, in den
oberen Sälen des Kurhauses zu Aachen.
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten und Geschäftliches.
2. Aufnahme neuer Mitglieder.
3. Vortrag des Herrn Goslar, Obertierarzt am Scblaclithuf:
„Über geschlechtliche Zuchtwahl und Telegonie“.
4. Mitteilungen aus der Praxis.
Nach der Sitzung findet gegen 2 Uhr im großen Weinsaal ein
gemeinschaftliches Diner mit Tafelmusik statt. Um zahlreiche
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45.
,S04
Beteiligung mit Damen wird gebeten. Während des wissenschaft¬
lichen Teiles der Versammlung ist für die Unterhaltung der Damen
Sorge getragen. Gäste sehr willkommen.
Aachen, 1. Nov. 1908. Der Vorstand
I. A.: Weinberg, Schriftführer.
Befreiung der Kreistierärzte vom Straßenzoll.
Nachdem sowohl die Kreismedizinalbeamten wie die Kreis¬
tierärzte seit dem 1. April d. J. für die von ihnen auszuführenden
Dienstreisen an Stelle der gesetzmäßigen Reisekosten und Tage- ;
gelder Bauschvergütungen erhalten, bestehen keine Bedenken, ihnen
für Dienstreisen innerhalb ihrer Geschäftsbezirke Chausseegeld¬
freikarten zu gewähren.
Berlin, den 22. Oktober 1908. |
Der Minister der öffentlichen Arbeiten. \
In Vertretung:
von Coels. i
Beschälseuche in Ostpreußen.
Der in Nr. 43 mitgeteilte Ausbruch der Beschälseuche in
ein oder zwei ostpreußisclien Kreisen bestätigt sich. Am
Sonntag wurden bei einer tierärztlichen Versammlung in Königs¬
berg durch Veterinärrat Kleinpaul-Johannisburg die Trypano¬
somenpräparate demonstriert.
Niederlassung.
Im Sommer bat mich ein junger Kollege aus Oberschlesien
um Nachweis einer zur Niederlassung geeigneten Stelle, leider
ohne mir seine Adresse zu hinterlassen. Vielleicht kommt ihm
diese Mitteilung zu Gesicht; ich wäre in der Lage, ihm eine
Privatpraxis zu nennen, die ohne Mittel übernommen werden kann.
S.
Staatsveterinärwesen.
Redigiert von Veterinärrat Preuße.
Panschalvergütnng der Kreistierärzte.
Durch Ministerialerlaß vom 9. September ist nunmehr der
Pauschalvergütung zweiter Teil zur Anweisung gelangt. Der
Herr Minister hat eine Jahrespanschale für 1908 09 nach dem
durchschnittlichen Aufkommen an Gebühren für Dienstreisen
nach dem Durchschnitt der Jahre 1906 und 1907 festgesetzt.
Dasselbe beträgt für Preußen 1 521 000 M. Hiervon wurde die
Vergütung für das erste Halbjahr (759 500 M.) in Abzug ge¬
bracht, so daß für das zweite Halbjahr 761 500 M. zur Ver¬
fügung stehen, also sogar noch eine Kleinigkeit mehr wie für
das erste Halbjahr. Das Jahrespauschale für die einzelnen
Regierungsbezirke beträgt nunmehr:
1. Königsberg .
69 300
M.
19.
Schleswig . .
80 400
M.
2. Gumbinnen .
56 800
n
20.
Hannover . .
18 200
n
3. Allenstein . .
60 700
fl
21.
Hildesheim
IG 600
n
4. Danzig. . .
30 000
»
22.
Lüneburg . .
28800
n
5. Marienwerder
66 300
n
23.
Stade . . .
22 400
fl
6. Potsdam . .
57 300
n
24.
Osnabrück. .
15 900
fl
7. Frankfurt a. 0.
49 800
n
25.
Aurich . . .
8 500
fl
8. Stettin . . .
29 900
«
. 26.
Münster . .
29 800
»
9. Köslin . . .
25 400
n
27.
Minden. . .
20 200
n
10. Stralsund . .
8800
fl
28.
Arnsberg . .
44 800
fl
11. Posen . . .
123 400
fl
29.
Kassel . . .
66 000
fl
12. Bromberg . .
83 800
n
30.
Wiesbaden
30 300
fl
13. Breslau . .
94 300
n
31.
Koblenz . .
43 200
n
14. Liegnitz . .
76 700
n
32.
Düsseldorf
43 000
„
15. Oppeln . . .
87 000
n
33.
Köln . . .
10 GÖO
n
16. Magdeburg
30 400
n
34.
Trier . . .
25 100
fl
17. Merseburg. .
32 900
n
35.
Aachen. . .
22 000
r
18. Erfurt . . .
9 300
r>
36.
Sigmaringen .
3 100
fl
Die vorerwähnten Pauschalvergütungen stellen nun nicht
den vollen Durchschnitt der Jahre 1906 und 1907 dar, sondern
von diesen sind, wie dies in dem ersten Halbjahr bereits
geschehen ist, 10 Proz. zur Bildung eines Zentralreservefonds
abgezogen worden. Die Festsetzung der Panschvergütungen für
die einzelnen Kreistierarztsteilen ist diesmal im Ministerium
vorgenommen worden. Auch bei der Unterverteilung unter die
einzelnen Stellen ist grundsätzlich der Durchschnitt des Auf¬
kommens an Reisekosten in den Rechnungsjahren 1906/07 zu-
Grunde gelegt worden. Diese Festsetzung ist nunmehr für das
gegenwärtige Rechnungsjahr im allgemeinen als endgültig an¬
zusehen. Ob die für 1908 endgültig festgestellte Pauscli-
vergütung auch für diejenige des nächstfolgenden Jahres als
Grundlage dienen wird, steht noch dahin. Bei vorübergehend
vermehrter Tätigkeit eines Kreistierarztes wird aus dem
Zentralreservefonds auch eine vorübergehende Erhöhung der
Pauschvergütung gewährt werden können. In betreff der
Forderungsnachweise verbleibt es vorläufig heim alten. Die
Forderungsnachweise sind nicht nach den Personen, sondern
nach den Dienststellen zu sondern; bei Vertretungen eines
Kreistierarztes in einem Nachbarkreis sind daher die Dienst¬
reisen und die dafür zustellenden Reisekosten und Tagegelder
nicht für seinem Hanptbezirk, sondern für den Amtsbezirk des
vertretenen Kreistierarztes anzuschreiben. Die übrigen Be¬
stimmungen des ersten Erlasses vom 31. März 1908 (siehe
B. T. W., S. 360) bleiben aufrecht erhalten.
Auch mit der Festsetzung der Pauschvergütungen für das
zweite Halbjahr 1908 können die Kreistierärzte im allgemeinen
zufrieden sein, ist doch die Gesamtsumme des zweiten Halbjahrs
noch etwas größer, wie die des ersten.
Im einzelnen haben allerdings nicht unerhebliche Ver¬
schiebungen stattgefunden und sind die Vergütungen für viele
Stellen nicht unwesentlich geringer festgesetzt worden, wie für
das erste Halbjahr. Es trifft dies für alle diejenigen Stellen zu,
bei denen das Reisekosten au fkommen im Jahre 1907 ein wesent¬
lich kleineres war, wie im Jahre vorher, immerhin ist auch hier
noch die Vergütung auf das ganze Jahr 1908 berechnet höher aus¬
gefallen, wie das durchschnittliche Aufkommen des Jahres 1907
allein. Da im Winter im allgemeinen weniger Dienstreisen aus¬
zuführen sind, wie im Sommer, so wird die Verringerung der
Pauschvergütung gegenüber dem ersten Halbjahr hier auch nicht
allzu schwer empfunden werden. Bei einer größeren Anzahl
von Kreistierarztstellen ist die Vergütung die gleiche geblieben
wie im ersten Halbjahr und bei wieder anderen ist sie sogar
höher festgesetzt worden. Es ist dies ein Beweis dafür, daß
sich für die Festsetzung von Pauschvergütungen allgemeine
Regeln nicht aufstellen lassen, sondern daß diese Festsetzung
für jede Stelle besonders erfolgen muß und daß deren Erneuerung
von Jahr zu Jahr notwendig ist. Daraus resultiert aber auch,
daß es nicht möglich ist, stets alle Kreistierärzte znfrieden zu
stellen, der eine oder andere wird sich immer benachteiligt
glauben; zum Ausgleich der Differenzen soll dann der Zentral¬
fonds zur Anwendung kommen.
Pr.
November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
805
Bekämpfcmg der Influenza.
Nachdem durch Bekanntmachung des Reichskanzlers vom
29. Juli d. J. die Anzeigepflicht für die Influenza der Pferde
(Brustseuche und Rotlaufseuche oder Pferdestaupe) angeordnet
worden ist, bedurfte es noch des Erlasses einer Verordnung zur
Bekämpfung dieser Seuche. Der Herr Minister für Landwirt¬
schaft hat nunmehr für Preußen eine diesbezügliche landes¬
polizeiliche Anordnung entworfen und den Regierungspräsidenten
zngesandt. Die Anordnung lehnt sich an die betreffenden in Ost¬
preußen bereits seit längerer Zeit bestehenden Vorschriften*) an.
Landespolizeiliche Anordnung.
Da die Influenza der Pferde (Brustseuche und Rotlauf¬
seuche oder Pferdestaupe) vielfach in Deutschland herrscht und
die Gefahr der weiteren Verbreitung der Seuchen auch für den
Regierungsbezirk Danzig besteht, ordne ich unter Bezugnahme
auf die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 29. Juli d. J.
(R. G. Bl. S. 479), betreffend die Anzeigepflicht für die als
Influenza der Pferde bezeichneten Krankheiten, mit Genehmigung
des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten auf
Grund der §§ 18-29 des Reichsviehseuchengesetzes vom 23. Juni
1880, 1. Mai 1894 (R. G. Bl. 1894 S. 409) bis auf weiteres
folgendes an:
§ 1. Der erstmalige Ansbruch einer der eingangs be¬
zeichneten Seuchen in einem bis dahin seuchefreien Gehöft ist
nach Feststellung durch den beamteten Tierarzt von der Orts¬
polizeibehörde sofort auf ortsübliche Weise und durch Bekannt¬
machung in dem für amtliche Kundmachungen bestimmten Blatte
(Kreis-, Amtsblatt usw.) zur öffentlichen Kenntnis zu bringen,
auch den Ortspolizeibehörden aller dem Seuchenorte benach¬
barten deutschen Gemeinden und Gutsbezirke mitzuteilen. Die
Ortspolizeibehörden dieser Gemeinden und Gutsbezirke haben
gleichfalls den Seuchenausbrucli zur Kenntnis der Ortseinwohner
zu bringen. Die zuständige Ortspolizeibehörde hat ferner von
jeden ersten Seuchenausbruch in einer Ortschaft sowie von
dem Erlöschen der Seuche dem Generalkommando desjenigen
Armeekorps, in dessen Bezirk der Seuchenort liegt, sofort schrift¬
liche Mitteilung zu machen. Ist der Seuchenort ein Truppen¬
standort, so ist die Mitteilung auch dem Gouverneur, Komman¬
danten oder Garnisonältesten zu machen. In der Anzeige an
die Militärbehörde ist anzugeben, ob Brustseuche oder Rotlauf¬
seuche (Pferdestaupe) vorliegt.
Eine gleiche Mitteilung ist seitens der Polizeibehörde den
Vorstehern der Königlichen Hauptgestüte und Landgestüte von
den Ausbrüchen zu machen, die sich in der Umgegend der
Haupt- uder Landgestüte ereignen. Während der Deckperiode
sind auch die Stationshalter der Hengststationen in der Nach¬
barschaft des Seuchenortes zu benachrichtigen.
Das Seuchengehöft ist am Haupteingangstor oder an einer
sonstigen geeigneten Stelle in augenfälliger und haltbarer Weise
mit der Inschrift „Pferde-Influenza“ zu versehen.
§ 2. Ist der Ausbruch der Influenza unter dem Pferde-
bestande eines Gehöftes durch das Gutachten des beamteten
Tierarztes festgestellt, so bedarf es bis zum Erlöschen der Seuche
(§ 8) einer amtstierärztlichen Feststellung weiterer Krankheits¬
fälle unter den Pferden des verseuchten Gehöftes nicht mehr.
§ 3. Ist in einem Pferdebestande die Influenza oder der
Verdacht der Seuche von dem beamteten Tierarzt festgestellt
worden, so kann die Ortspolizeibehörde auf Antrag des Kreis¬
tierarztes und mit Genehmigung des Landrats die sofortige Ab¬
sonderung der seuchekranken und seucheverdächtigen Pferde
von den gesunden Pferden anordnen, sofern diese Maßregel ohne
besondere Schwierigkeiten ausführbar ist. Die Trennung ist
tunlichst derart zu bewirken, daß auch jede mittelbare Berührung
vermieden wird.
In eiligen Fällen kann der beamtete Tierarzt schon vor
polizeilichem Einschreiten die vorstehenden Anordnungen vor¬
läufig treffen. Sie sind alsdann dem Besitzer oder dessen Ver¬
treter entweder zu Protokoll oder durch schriftliche Verfügung
zu eröffnen, auch ist davon der Ortspolizeibehörde und dem
Landrat sofort Anzeige zu machen.
§ 4. Die seuchekranken und die der Seuche verdächtigten
Pferde unterliegen der Gehöftsperre.
Die Entfernung der der Geliöftsperre unterworfenen Pferde
aus dem Seuchengehöft darf ohne ausdrückliche Erlaubnis der
Polizeibehörde nicht stattfinden. Diese Erlaubnis darf nur unter
der Bedingung erteilt werden, daß bei der Fortschaffung der
Pferde jede mittelbare und unmittelbare Berührung mit anderen
gesunden Pferden vermieden wird. Nach einer Überführung in
ein anderes Gehöft ist dort die Geliöftsperre fortzusetzen.
Wird die Erlaubnis zur Überführung der Pferde in einen
anderen Polizeibezirk erteilt, so muß die Polizeibehörde dieses
Bezirks von der Sachlage in Kenntnis gesetzt werden.
§ 5. Fuhrwerke, die mit Pferden aus einem verseuchten
Gehöfte bespannt sind, haben eine Tafel mij. der Inschrift:
„Pferde-Influenza“ zu führen.- Diese Tafel ist bei den zur
Führung einer Ortstafel verpflichteten Fuhrwerken neben dieser,
bei den übrigen Fuhrwerken an dem Geschirr an sichtbarer
Stelle anzubringen.
§ 6. Pferde, die aus einem verseuchten Gehöfte stammen,
dürfen in fremde Gehöfte nicht eingestellt werden. Fremde
Futterkrippen, Tränkeimer oder Gerätschaften dürfen für solche
Pferde nicht benutzt werden.
§ 7. Das Seuchengehöft ist für fremde Pferde gesperrt.
Die Sperre kann auf die von den kranken und seucheverdächtigen
Pferden benutzten Teile des Gehöftes beschränkt werden, sofern
dies nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes ohne Gefahr
der Seuchen Verschleppung durchführbar ist.
§ 8. Die Seuche gilt als erloschen und die angeordneten
Schutzmaßregeln sind aufzüheben, wenn nach Abheilung des
letzten Krankheitsfalles oder nach Entfernung sämtlicher kranken
oder seucheverdächtigen Pferde aus dem Bestände (vgl. § 4,
Abs. 2) eine Frist von fünf Wochen vergangen, alsdann die
Unverdächtigkeit der Pferde durch den beamteten Tierarzt fest¬
gestellt und wenn die vorschriftsmäßige Desinfektion (§ 9)
erfolgt ist. Nach Aufhebung der Schutzmaßregeln ist das Er¬
löschen der Seuche in gleicher Weise wie der Ausbruch der
Seuche (§ 1) zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.
§ 9. Zur Desinfektion der Stallungen und sonstigen Räumlich¬
keiten, in denen seuchekranke Pferde gestanden haben, ist zu¬
nächst nach Maßgabe der §§ 4 bis 8 der Anweisung für das
Desinfektionsverfahren bei ansteckenden Krankheiten der Haus¬
tiere (Anlage A der Bundesrats-Instruktion vom 27. Juni 1895)
eine gründliche Reinigung und Lüftung vorzunehmen, darauf hat
nach § 9 derselben Anweisung eine Übertünchung der Stall¬
decken, Wände und Gerätschäften, sowie eine Abschlämmung
des Fußbodens mit Kalkmilch zu erfolgen, die aus frisch ge¬
löschtem Kalk hergestellt ist. Eisenteile sind mit Teer, Lack
*) B. T. W. 1898, S. 538.
No. 45.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
8U6
oder Ölfarbe zu bestreichen. Das gleiche Verfahren ist bei
Holz- und Steinteilen an Stelle der Übertünclmng mit Kalkmilch
anwendbar. Die Abfuhr des Düngers ist womöglich mit durch-
geseuchten Pferden oder mit Rindergespannen und jedenfalls
in der Weise zu bewirken, daß eine Berührung mit anderen
Pferden nicht stattfindet. An Stelle der Düngerabfuhr ist unter
Umständen das Aufstapeln und die mindestens vierwöchentliche
Lagerung des Düngers an passenden Plätzen zu gestatten.
Die Desinfektion ist von dem beamteten Tierarzt an¬
zuordnen. Die Polizeibehörde hat die Ausführung der Des¬
infektion zu überwachen.
§ 10. Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Be¬
stimmungen unterliegen, insofern nicht nach den bestehenden
Gesetzen, insbesondere nach § 328 des Strafgesetzbuches eine
höhere Strafe verwirkt ist, der Strafvorscbrift des § 66 Ziffer 3
und 4 des Reichsviehseuchengesetzes vom -23. Juni 1880 und
1. Mai 1894.
§ 11. Die Anordnung tritt sofort in Kraft.
§ 12. Die Aufhebung dieser Anordnung wird erfolgen, sobald
die im Eingang bezeichnete Seuchengefahr nicht mehr besteht.
Für die Pferdekliniken der tierärztlichen Hochschulen in
Berlin und Hannover bedarf es nicht der Zuziehung des be¬
amteten Tierarztes. Bezüglich dieser sind auf Grund des § 2
Abs. 2 des Viehseuchengesetzes die Obliegenheiten des beamteten
Tierarztes den Vorstehern dieser Institute übertragen worden.
Auch ist hier von einer öffentlichen Bekanntgabe des Seuchen¬
ausbruchs abzusehen. Diese Ausnahme kann, wenn wünschens¬
wert, auch für andere ähnliche Institute, z. B. die bakterio¬
logischen (tierhygienischen) der Landwirtschaftskammern, zu¬
gelassen werden, worüber sich der Herr Minister die Ent¬
scheidung für jeden Einzelfall Vorbehalten hat. Der Herr
Minister hat sodann bestimmt, daß es für die Überführung von
kranken oder seucheverdächtigen Militärpferden aus den Ställen
der Truppenteile in militärische, auf anderen Gehöften gelegenen
Krankenställe einer besonderen Erlaubnis der Polizeibehörde,
wie sie § 4 sonst vorschreibt, nicht bedarf. Für die Vorschrift
im § 5 können nach Bedarf Ausnahmen zugelassen werden.
Hierin ist bestimmt, daß Fuhrwerke, welche mit Pferden aus
einem verseuchten Gehöft bespannt sind, eine Tafel mit der
Inschrift „Pferde-Influenza“ zu führen haben. Diese Vorschrift
dürfte nicht überall, namentlich nicht in großen Städten, durch¬
führbar sein. So zweckmäßig eine solche Kennzeichnung der
aus verseuchten Gehöften stammenden Fuhrwerke im veterinär¬
polizeilichen Interesse erscheinen mag, so ist sie insofern nicht
unbedenklich, als sie eine starke Belästigung für die Fuhrwerks¬
besitzer darstellt, und letztere daher leicht veranlassen könnte,
das Herrschen der Seuche in ihrem Stalle möglichst zu ver¬
heimlichen. Im Reg.-Bez. Danzig ist daher folgende Ausnahme¬
bestimmung getroffen worden: „Für Fuhrwerke, die zu Fahrten
innerhalb der Gemeinde benutzt werden, bedarf es der An¬
bringung derartiger Tafeln nicht, sofern nicht besondere Um¬
stände eine solche nötig erscheinen lassen, worüber die Orts¬
polizeibehörde nach Anhörung des beamteten Tierarztes zu ent¬
scheiden hat“. Diese Ausnahme dürfte wohl unbedenklich
zugelassen werden können. Die Unterstellung der Influenza
unter die anzeigepflichtigen Krankheiten bedingt auch ihre Auf¬
nahme in die Seuchenstatistik. Die Kreistierärzte sind demnach
angewiesen w r orden, Seuchentabellen auch für Influenza ein¬
zureichen.
Schweinepest.
Ein Erlaß des Herrn Landwirtschaftsministers vom 17. Sep¬
tember d. J. beschäftigt sich mit den Ergebnissen der neuen
Untersuchungen über das Kontagium der Schweinepest. Durch
Versuche, die im Hygienischen Institut der tierärztlichen Hoch¬
schule in Berlin, im Kaiserlichen Gesundheitsamt und in dem
bakteriologischen Laboratorium der Landwirtschaftskammer in
Halle ausgeführt worden sind, wurde festgestellt, daß ein zur
Immunisierung gegen Schweinepest geeignetes Serum durch Be¬
handlung von Schweinen oder anderen Tieren mit virulentem
Blut pestkranker Schweine gewonnen werden kann. Es steht
ferner fest, daß nicht der Bacillus suipestifer der Erreger der
Schweinepest ist, sondern ein nicht sichtbares, mikroskopisch
nicht erkennbares Agens. Für das Arbeiten mit virulentem
Schweinepestmaterial erscheint daher besondere Vorsicht geboten,
da es nicht möglich ist, durch mikroskopische Untersuchung 1
eine Verunreinigung anderweitigen Materials mit Scliweinepest-
kontagium zu ermitteln. Besondere Vorsicht und Sorgfalt er¬
scheint vor allen Dingen bei gleichzeitigem Arbeiten mit dem
Schweinepestvirus und anderen Tierseuchenerregern zum Zwecke
der Herstellung von Immunisierungsstoffen z. B. von Rotlaufserum
und Kulturen in einem und demselben Institute geboten, wenn
nicht Übertragungen der Schweinepest befürchtet werden sollen.
Solche Übertragungen scheinen in der Praxis bereits vorgekommen
zu sein.
Den Regierungspräsidenten wird diese Angelegenheit zur
dauernden Aufmerksamkeit empfohlen. Auf die von Ärzten
und Tierärzten, welche mit dem Schweinepestkontagium arbeiten
wollen, eingehenden Anzeigen, werden die Polizeibehörden zu
prüfen haben, ob eine Gewähr dafür gegeben ist, daß das
Schweinepestkontagium aus dem Untersuchungsraum weder un¬
mittelbar noch mittelbar verschleppt werden kann. Besonders
sorgfältig ist diese Prüfung bei Instituten vorzunehmen, in
welchen noch mit anderen Tierseuchenerregern gearbeitet wird,
z. B. in den Rotlaufseruminstituten, die auch mit Schweinepest¬
virus arbeiten. Die gleiche Vorsicht ist auch für die Unter¬
suchungen von Kadavern oder Kadaverteilen in Rotlaufimpf¬
anstalten, welche für Impfverluste oder in Fällen des Versagens
der Impfstoffe Entschädigung zahlen, zu beobachten, da diese
möglicherweise von schweinepestkranken Tieren herrühren können.
Der Herr Minister bestimmt nunmehr vorbehaltlich weiter¬
gehender Anordnungen vorläufig folgendes:
1. Die nach § 2 Abs. 1 und § 3 der Bekanntmachung am
4. Mai 1904*) erforderliche polizeiliche Erlaubnis zum Arbeiten
mit dem Erreger der Schweinepest, sowie zum Feilhalten oder
Verkaufe von Material, das solche Erreger enthält, ist fortan
nicht zu erteilen, ohne daß vorher meine Genehmigung dazu
unter Angabe der Lage und Einrichtungen des Untersuchungs- und
Geschäftsraumes eingeholt wird.
2. Auf die von Ärzten und Tierärzten gemäß § 2 Abs. 2
erstattete polizeiliche Anzeige hat eine sachverständige Prüfung
der Versuchsräume und die gegen eine Verschleppung getroffenen
Vorkehrungen durch den Departementstierarzt stattzufinden. Über
das Ergebnis der Prüfung ist mir Bericht zu erstatten.
3. In gleicher Weise wie zu 2 ist zu verfahren hinsichtlich
der Fälle, in denen zurzeit schon ein Arbeiten mit virulentem
Schweinepestmaterial oder ein Verkauf und Feilhalten solchen
Materials stattfindet.
*) B. T. W. 1904, S. 554.
5. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
807
4. Besondere Aufmerksamkeit ist den Rotlanfimpfanstalten
in vorgedachtem Sinne zuzuwenden. Auch hier ist über das
Ergebnis einer durch den Departementstierarzt vorzunehmenden
Prüfung an mich zu berichten.
Die im Jahre 1907 in Preußen zur amtlichen Kenntnis gelangten Bi߬
verletzungen durch tolle oder der Tollwut verdächtige Tiere.
Im Jahre 1907 gelangten in Preußen Biß Verletzungen bei
405 Personen zur amtlichen Kenntnis. Gegenüber 1906 be¬
deutet dies eine Zunahme von 10,3 Proz. Seit 1902 beträgt
die Zunahme 61,7 Proz. Die meisten Verletzungen kamen bei
Personen im Alter von 21—30 Jahren vor, auch bei jugend¬
lichen Personen wurden Bißverletzungen häufig festgestellt. Im
Winterhalbjahr waren die Bißverletzungen häufiger wie im
Sommerhalbjahr 237 : 166. Es kamen Bißverletzungen in
11 Provinzen vor, darunter in Schlesien allein 212, also mehr
wie die Hälfte aUer Verletzungen. Die übrigen Verletzungen
verteilen sich auf die Provinzen Posen, Hessen-Nassau, Rhein¬
provinz, Ostpreußen, Sachsen und Pommern. Vereinzelte Ver¬
letzungen kamen auch in den Provinzen Westpreußen, Hannover,
Westfalen und Brandenburg zur Kenntnis. In 45 von 115 be¬
troffenen Kreisen ereignete sich nur ein Fall. Eine starke Ab¬
nahme der Bißverletzungen gegenüber dem Vorjahr zeigen West¬
preußen (von 22 auf 4) und Pommern (von 26 auf 10).
An den 405 Verletzungen waren 232 Tiere beteiligt,
218 Hunde, 12 Katzen, 1 Jungrind und 1 Schwein. Die Hunde
verletzten 382, die Katzen 17, das Jungrind 5 und das Schwein
1 Menschen. Am häufigsten wurden die oberen Gliedmaßen
verletzt (bei 231 Personen, 6 davon beim Schlachten bzw.
Sezieren), sodann die unteren Gliedmaßen bei 114 Personen.
Verletzungen am Kopf wurden bei 25 Personen festgestellt.
In 252 Fällen wurde die Tollwut durch die tierärztliche
Obduktion festgestellt, in 12 Fällen ergab die Obduktion keine
Tollwut, in 44 Fällen unterblieb die Obduktion. In 317 Fällen
wurde eine tierexperimentelle Untersuchung veranlaßt, davon
wurde 272 mal die Diagnose bestätigt, 92 mal in Berlin, 180 mal
in Breslau. In 46 Fällen konnte die Diagnose nicht bestätigt
werden, davon 8 mal wegen Fäulnis des Gehirns. Von sicher
tollwutkranken Tieren wurden demnach 274 Menschen gebissen,
von sicher nicht tollen 35, bei 96 blieb die Diagnose unsicher.
Von den 405 Verletzten unterzogen sich 382 = 94,3 Proz.
der Schutzimpfung nach Pasteur,. Dieser Prozentsatz hat sich
von Jahr zu Jahr vergrößert. 130 Personen ließen sich in Berlin,
252 in Breslau impfen. 23 der Verletzten unterzogen sich
nicht der spezifischen Behandlung, 16 davon wurden ärztlich
behandelt, 7 gar nicht.
Von den Verletzten erkrankten und starben 4, ein 13 jähriger
Knabe, ein 31 jähriger Mann, ein 15 jähriger und ein 6 jähriger
Knabe, 3 wurden im Gesicht, 1 an den Händen verletzt. Dies
weist auf die besondere Gefährlichkeit der Gesichtsverletzungen
hin. Der Tod erfolgte am 41., 259., 54. und 39. Tage nach
der Verletzung. Nur Nummer 1 und 2 hatten sich der Schutz¬
impfung unterworfen. Nummer 3 wurde in einem Krankenliause
behandelt, Nummer 4 wurde ärztlich behandelt. Bei Nummer 2
fand die Impfung erst mehrere Wochen nach der Bißverletzung
statt. Er starb 10 Tage nach dem Auftreten der ersten
Krankheitserscheinungen an Tollwut. Nummer 1 war sofort
nach der Verletzung spezifisch behandelt worden und starb,
während ein anderer von demselben Hunde in den Oberschenkel
gebissener und geimpfter Knabe gesund blieb.
Unter den 23 nicht geimpften Personen waren 10 sicher
nicht von kranken Tieren gebissen worden. Bei 5 blieb es
fraglich, ob das Tier toll war. Nur bei 6 Personen wurde fest¬
gestellt, daß sie von sicher wutkranken Tieren gebissen worden
waren. Von den 23 gebissenen, aber nicht geimpften Personen
starben zwei an Tollwut = 8,70 Proz., der Prozentsatz der an
Tollwut erkrankten beiden gebissenen und geimpften Personen
betrug dagegen nur 0,52 Proz. Das Verhältnis der Erkrankten
zu den schutzgeimpften gestaltet sich von Jahr zu Jahr
günstiger. Dieses betrug:
1903 1,42 Proz.,
1904 1,50 „
1905 0,93 „
1906 1,14 „
1907 0,52 „
Wenn man nun diejenigen Personen in Berücksichtigung
zieht, die von sicher tollen Hunden verletzt wurden, so gestalten
sich die Verhältniszahlen wie folgt: von 268 geimpften starben
2 = 0,75 Proz., von 6 nicht geimpften starben auch 2 =33,33 Proz.
Lungen8euche in Posen.
Der Regierungspräsident in Posen hat zur Bekämpfung der
im KreiBe Obornik ausgebrochenen Lungenseuche für den Umfang
des betroffenen Polizeidistrikts folgende sehr zweckmäßige An¬
ordnung getroffen:
„Die Kadaver über drei Monate alter gefallener Rinder aus
den Gehöften oder Weiden, in denen die Tiere gestorben sind,
dürfen erst fortgeschafft werden, wenn amtstierärztlich festgestellt
ist, daß die Tiere nicht an Lungenseuche gelitten haben“.
Nachweisung Ober den Stand der Tierseuchen In Deutschland
vom 15. Oktober 1908.
Die Zahlen bedeuten die Kreise (Oberamtsbezirke) uaw., eingeklammert die Gemeinden.
Maul- und Klauenseuche.
Regierungsbezirk usw.
bzw. Staat
(* = neu verseucht)
Kreise
Gemeinden ||
Gehöfte
Gegenüber d. 15. Septbr.
Kreise
Gemein-
a
©
&
SO
JO
©
Ü5
Preußen:
♦Potsdam.
1
1
1
+
1
+
1
+ i
Stettin.
1
3
3
o
+
1
+ 1
Münster.
0
0
0
—
1
—
1
— 3
Trier.
0
0
0
—
—
2
— 2
Preußen zusammen
2
4
4
—
1
—
1
- 3
Bayern:
Oberbayern ....
5
7
23
—
1
—
4
- 8
Pfalz.
o
0
o
—
2
—
4
— 6
Oberfranken . . .
1
1
1
0
0
0
♦Mittelfranken . . .
1
2
9
+
1
+
2
+ »
Schwaben ....
1
1
2
0
0
— 6
Baden:
i
Freiburg.
0
0
0
—
1
—
1
- 2
Mannheim ....
0
0
0
—
1
—
1
— 1
Elsaß-Lothringen:
Unter-Elsaß . . .
3
10
29
—
1
+
1
+
Ober-Elsaß ....
2
3
13
+
1
+
2
: + io
Lothringen . . . .
3
5
18
—
2
—
4
1 + o
Zusammen |
18
33
1 99
—
7
—
10
I + 16
Neuer Ausbruch ist gemeldet vom 3. November aus dem
Kreise Friedberg in Oberbayern.
Rotz.
Preußen: In den Reg.-Bez. Gumbinnen, Köslin, Koblenz,
Düsseldorf je 1 (1), Stadtkreis Berlin 1 (2), in den Reg.-Bez.
Marienwerder 2 (3), Oppeln, Stade je 2 (2), Frankfurt, Posen je
808
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45.
3 (3), Breslau 4 (9), Köln 4 (11), Bromberg 5 (5), Potsdam 8 (8).
Zusammen 38 Gemeinden (43 im September).
Lungenseuche.
Preußen: Stadtkreis Berlin in 1 Gemeinde.
Schweineseuche und Schweinepest.
Regierungs¬
bezirk usw.
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Preußen:
Sigmaringen . . .
—
—
Königsberg ....
11
21
7
Waldeck.
3
5
Gumbinnen ....
4
8
3
Bayern:
Allenstein ....
4
7
4
Oberbayern ....
7
12
Danzig.
5
9
6
Niederbayern. . .
9
26
Marienwerder . .
11
21
9
Pfalz.
—
—
Berlin.
1
1
1
Oberpfalz.
2
2
Potsdam.
12
52
20
Oberfranken . . .
—
—
Frankfurt.
18
66
24
Mittelfranken. . .
—
—
Stettin.
13
31
17
Unterfranken. . .
—
—
Köslin.
8
48
25
Schwaben.
6
9
Stralsund ....
—
—
—
Württemberg .
5
5
Posen .
22
69
21
Sachsen.
2
2
Bromberg.
12
94
42
Baden.
6
8
Breslau.
20
145
38
Hessen.
6
9
Liegnitz.
16
106
38
Meckl.-Schwerin
7
10
Oppeln.
13
37
13
Meckl.-Strelitz .
2
3
Magdeburg ....
5
10
7
Oldenburg . . .
9
19
Merseburg ....
9
15
6
Sachs.-Weimar.
2
8
Erfurt.
6
1 15
26
Sachs.-Meiningen
1
2
Schleswig ....
11
36
17
Sachs.-AItenburg
—
—
Hannover.
4
6
9
Sachs.-Kob.-Got.
—
—
Hildesheim ....
7
9
12
A n h a 11.
2
5
Lüneburg.
5
9
6
Braunschweig
5
21
Stade .
6
17
23
Schwarzb.-Sond.
1
2
Osnabrück ....
5
11
20
Schwarzb.-Rud.
—
_
Aurich.
1
1
3
Reuß ä. L.
—
_
Münster.
8
11
41
Reuß j. L.
1
1
Minden.
4
6
12
Schaum b.-Lippe
1
2
Arnsberg.
13
25
29
Lippe-Detmold .
6
25
Kassel.
8
37
22
Hamburg ....
1
1
Wiesbaden ....
10
29
31
Lübeck .
—
—
Koblenz.
7
28
27
Bremen.
—
—
Düsseldorf ....
13
29
67
Elsaß..;....
1
1
Köln.
2
2
7
Lothringen . .
1
2
Trier.
7
12
11
Aachen .
5
7
18
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
Ans der Fleischbeschau.
Vortrag, gehalten auf der Versammlung der beamteten Tierärzte
des Regierungsbezirks Potsdam
von Tierarzt Dr. Zehl - Trebbin.
Meine Herren! Durch die Einführung der allgemeinen
Fleischbeschau im Deutschen Reiche hat die Mehrzahl der
preußischen Tierärzte einen neuen Wirkungskreis erhalten,
damit ist denselben aber auch ein hohes Maß von Verantwortung
auferlegt worden, denn die vornehmste Aufgabe des Fleisch¬
beschausachverständigen besteht darin, das Leben des Menschen
vor den Gefahren des Fleischgenusses zu schützen. Und diese
Gefahren sind, wie Sie wissen, mannigfacher Art. Ich er¬
innere an die Übertragung tierischer Schmarotzer, an die Über¬
tragung von Infektionskrankheiten der Tiere und von Bakterien¬
giften (Fäulnis- und Wurstgift) durch den Fleischgenuß.
Die Beurteilung des Fleisches kranker Tiere bildet die
schwierigste Obliegenheit des tierärztlichen Beschauers, und
dieselbe wird ihm noch besonders erschwert, wenn die Begut¬
achtung erfolgen muß, ohne daß der Tierarzt Gelegenheit
gehabt hat, das Tier intra vitam zu untersuchen. Diesen so¬
genannten Notschlachtungen schenken Behörden und Tierärzte
mit vollem Recht die größte Beachtung. Sind doch einerseits,
wie die Geschichte der Fleischvergiftungen lehrt, ca. 80 Proz.
derselben durch den Genuß des Fleisches von notgeschlachteten
Tieren entstanden, und handelt es sich doch andererseits um
bedeutende Werte, über deren Erhaltung oder Vernichtung der
Tierarzt zu entscheiden hat. So sind im Jahre 1906 in
Preußen 2876 Pferde, 2423 Ochsen, 1398 Bullen, 31 200 Kühe,
5724 Jungrinder und ca. 75 000 Stück Kleinvieh notgeschlachtet
worden.
Nach den Bestimmungen des R. Fl. G. kann der Besitzer
die Schlachtung eines TiereB ohne vorangegangene Lebend¬
beschau vornehmen lassen in folgenden Fällen:
1. Wenn zu befürchten steht, daß das Tier bis zur Ankunft
des zuständigen Beschauers verendet, z. B. bei plötzlicher
Aufblähung nach Grünfutter mit drohender Erstickung.
2. Wenn zu befürchten ist, daß das Fleisch bis zur Ankunft
des zuständigen Beschauers durch Verschlimmerung des
krankhaften Zustandes wesentlich an Wert verliert, z. B.
bei schweren Geburten oder bei Krankheiten, die im
Anschluß an die Geburt entstehen und mit starker Störung-
des Allgemeinbefindens einhergehen. (Metritis, Riß des
Uterus mit nachfolgender Bauchfellentzündung, Herz¬
schwäche infolge innerer Verblutung u. a. m.)
3. Wenn ein Unglücksfall (Knochenbruch, schwere äußere
Verletzung, Verblutung) vorliegt, infolgedessen das Tier
sofort getötet werden muß.
Wie diese Beispiele zeigen, handelt es sich bei Not¬
schlachtungen im Sinne des R. Fl. G. meist um plötzliche Zu¬
fälle und weniger um gewöhnliche Erkrankungen. Dennoch
geben die letzteren vorwiegend Anlaß zur Notschlachtung, dem
Besitzer aber kann kaum ein Vorwurf daraus gemacht werden,
da er nach der dehnbaren, sub 2 angeführten Bestimmung fast
immer in seinem Rechte ist. Plötzliche Verschlimmerung kann
bei jeder Krankheit eintreten und den ängstlichen Besitzer zu
umgehender Schlachtung des l'ieres veranlassen. Wir müssen
demnach auch fernerhin mit den Notschlachtungen in dem
gleichen Umfange wie bisher rechnen und ich darf deshalb wohl
in Kürze auf die Art und Weise der Untersuchung bei der¬
artigen Schlachtungen eingehen.
Alle Notschlachtungen sind suspekt, da die Mehrzahl der
Massenerkrankungen des Menschen, wie schon erwähnt, durch
den Genuß des Fleisches von notgeschlachteten Tieren hervor¬
gerufen ist. Und zwar waren dies meist septikämisch erkrankte
Tiere, viel seltener solche, die an Pyämie gelitten hatten.
Mit dem Namen „Septikämie“ (Blutvergiftung, Faulfieber)
belegen wir ein durch Aufnahme von Bakterien und Zersetzungs¬
produkten (Toxinen) ins Blut entstandenes, schweres Allgemein¬
leiden, und es kommen bei unseren Haustieren folgende Krank¬
heiten vorzugsweise in Frage:
1. Metritis septicas
2. Mastitis „ > der Rinder
3. Enteritis „ '
5. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
809
4. Polyarthritis
5. Kälberruhr.
der Saugkälber
Außerdem kommen septische Erkrankungen vor nach Verletzungen
der Brust- und Bauchhöhle, der Sehnenscheiden, der Gelenke
und nach komplizierten Knochenbrtichen.
Die anatomischen Veränderungen, die wir gewöhnlich bei
der Septikämie finden, sind bekanntlich parenchymatöse oder
fettige Degeneration der Leber, parenchymatöse Entzündung
der Nieren und des Herzens. Weiter beobachten wir punkt¬
förmige Blutungen unter dem Epikard, an den serösen Häuten
und am Darm, sowie rote oder rotbraune Imbibitionen an der
Intima der großen Gefäßstämme speziell der Lungenarterie.
Diese der Septikämie eigene Neigung zu Blutungen und blutigen
Diffusionen ist zurückzuführen, wie Sie wissen, teils auf die
durch die Toxine hervorgerufene, direkte Schädigung der Gefäße,
besonders der Kapillarwände, teils auf indirekte Benachteilgung
der letzteren durch den Zerfall zahlreicher roter Blutzellen und
die hierdurch verschlechterte Ernährung der Gefäßwände, teils
endlich auf die durch Toxin und Blutkörperchenzerfall bedingte
Beeinträchtigung der kontraktilen Substanz des Herzens. Aus
dem zuletzt erwähnten Grunde sehen wir auch bei jeder
Septikämie Herzschwäche und venöse Stauung eintreten.
Ein vollständiges Bild der Sepsis, wie ich dasselbe soeben
skizziert habe, bekommen wir nicht oft zu Gesicht, sondern es
fehlen bald diese bald jene der angeführten pathologisch¬
anatomischen Veränderungen. Ja in manchen Fällen, z. B. bei
frühzeitig vorgenommener Schlachtung können alle die Septikämie
kennzeichnenden Abweichungen abwesend sein, trotzdem bereits
eine allgemeine Infektion stattgefunden hat, und nur durch die
Untersuchung der Körperlymphdrüsen sind wir imstande, die
Natur der Krankheit zu erkennen. Dieselben sind entweder
hämorrhagisch entzündet, oder ihr Gewebe ist markig geschwollen
und stark durchfeuchtet, so daß es über die Schnittfläche hervor¬
quillt. Eine ähnliche Veränderung der regionären Lymphdrüsen
bei lokalen Entzündungen (Pneumonie, Enteritis) ist natürlich
für Feststellung von Septikämie belanglos. Ebenso können
einzelne Drüsen z. B. Kniefaltendrüsen infolge traumatischer
Läsion erkrankt sein, ohne daß dieser Befund für Sepsis spricht.
Nicht mit der Affektion der Lymphdrüsen bei septischer Er¬
krankung zu verwechseln sind auch die kleinen Blutanhäufungen
z. B. in den Bugdrüsen infolge mangelhaften Ausblutens, sie
werden dadurch herausgekannt, daß die Blutpunkte beim Über¬
streichen der Schnittfläche der Drüsen verschwinden, und daß
das Gewebe nicht hervorquillt. Endlich ist zu beachten, daß
bei älteren Rindern die Rindenschicht der Lymphdrüsen dunkel¬
braun pigmentiert und so ähnlich einer hämorrhagisch ent¬
zündeten ist, und daß die kleinen lymphdrüsenähnlichen Gebilde
in der Subkutis sowie die neben den großen Lymphdrüsen
liegenden Nebendrüsen auf dem Durchschnitt normaliter dunkel¬
rote Färbung und feine Granulation zeigen.
Als Hilfsmittel bei Beurteilung von Notschlachtungen be¬
dienen wir uns der Prüfung der Fleischreaktion. Früher hat
man derselben eine ausschlaggebende Bedeutung beigelegt, indem
man annahm, daß alkalisch reagierendes Fleisch auch gesundheits¬
schädigende Eigenschaften haben müßte, in neuerer Zeit hat
man jedoch den Wert der Untersuchungsmethode auf das
richtige Maß zurückgeführt. Zahlreiche Untersuchungen in
dieser Richtung batten ergeben, daß einmal ganz gesundes
Fleisch oft bis sechs Stunden nach der Schlachtung alkalisch
reagierte, und daß bei Tieren, die an Atemnot infolge Peri¬
karditis, Pneumonie oder Tympanitis gelitten hatten, im Sommer
häufig erst 24 Stunden nach dem Tode die normale saure
Reaktion des Fleisches zu konstatieren war. Diese Erscheinung
ist wahrscheinlich durch die ungenügende Oxydation des Blutes
infolge der Asphyxie des Tieres während der letzten Lebens¬
stunden zu erklären. Demnach bleibt das Ergebnis der Prüfung
des Fleisches auf seine Reaktion für sich allein belanglos, wird
dagegen wertvoll als Ergänzung der sonst festgestellten ana¬
tomischen Abweichungen. Erinnern will ich hierbei daran, daß
das rote oder blaue Lakmuspapier, angefeuchtet mittelst Messer¬
klinge, in den tief angelegten Muskelschnitt einzuführen ist und
zehn Minuten liegen bleiben muß. Die Fingerspitzen sind dazu
nicht zu benutzen, weil dieselben häufig sauer reagieren.
Wie der Reaktion des Fleisches kommt auch dem Befund
aus der mikroskopischen Untersuchung der Muskelfasern nur
bedingte Bedeutung zu. Denn der Verlust der Körnung und
Querstreifung sowie Trübung, die wir bei septischen Leiden
beobachten, werden bisweilen auch an den Muskelfasern völlig
gesunder Tiere angetroffen. Wir dürfen deshalb aus dieser
Veränderung der Muskulatur nur dann auf Septikämie schließen,
wenn die übrigen Erscheinungen dafür sprechen. Die Art der
Untersuchung ist ja bekannt, es sind Zupfpräparate in Kochsalz¬
lösung anzufertigen, und bei unklarem Bilde ist 2—5proz.
Essigsäurelösung hinzuzusetzen.
Schließlich bedienen wir uns noch der sog. Kochprobe, um
einen dem Fleische durch Arzneimittel oder Futterstoffe bei¬
gegebenen fremden Geruch deutlich wahrnehmbar zu machen.
Ist nun in geschilderter Weise die Untersuchung des not¬
geschlachteten Tieres unter Berücksichtigung aller Umstände
abgeschlossen und hat trotzdem zu keinem sicheren Ergebnis
geführt, so muß bekanntlich im Sommer nicht vor 24, im Winter
nicht vor 48 Stunden eine erneute Prüfung des Fleisches statt¬
finden. Nicht zu selten bemerken wir nämlich nach der an¬
gegebenen Zeit bei septischen Krankheiten üblen Geruch des
Fleisches, schmierige Beschaffenheit und Grünfärbung des Binde¬
gewebes. Mitunter stellt sich auch eine grünliche Verfärbung
des Bauchfells, namentlich in der Nierengegend ein. Hierbei
ist aber zu berücksichtigen, daß die gleiche Veränderung eben¬
falls zu beobachten ist, wenn ein Rind nicht sofort nach der
Tötung ausgeschlachtet wird.
Bleiben nach der zweiten Untersuchung dem Sachverständigen
betreffs der Fleischqualität noch immer Zweifel, so führt eine
zweckmäßige bakteriologische Untersuchung des Fleisches in
Verbindung mit Fütterungsversuchen am sichersten zu einem
allseitig befriedigenden Resultate.«
Zn den Fütterungsversuchen dienen Mäuse, die sich für
Fleischvergiftungen stets sehr empfänglich erwiesen haben. Und
zwar bekommen zwei Tiere Teile des verdächtigen Fleisches
in rohem Zustande und zwei Tiere gekochte Fleischstücke, die
eine Stunde bei 100° C gehalten sind, denn die Fleischver¬
giftungsbazillen bilden Toxine, die teils durch Kochen zerstört
werden, teils nicht.
Die bakteriologische Untersuchung soll am besten erst
24 Stunden nach der Schlachtung geschehen, da sich die Fleisch¬
vergiftungsbakterien auch bei niedrigeren Temperaturen noch
vermehren, und hierdurch die Feststellung derselben wesentlich
erleichtert wird. Im Fleische gesunder Tiere sind nämlich
keine Mikroorganismen vorhanden, und selbst 10 Tage nach
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOC HENSCHRIFT.
No. 45.
S10
dem Schlachten findet man nur die Oberfläche und die Rand¬
zone bis zur Tiefe von einigen Millimetern mit Bakterien be¬
siedelt vor. Voraussetzung ist dabei natürlich, daß die Bauch¬
eingeweide rechtzeitig herausgenommen sind, und so Bakterien
keine Gelegenheit haben, vom Darm aus postmortal in das
Fleisch einzndringen.
Nachdem die Oberfläche des Fleisches mit einem breiten,
fast glühend gemachten Messer mehrmals abgesengt ist, geschieht
die Entnahme des zu untersuchenden Materials mittelst eines
scharfen Löffels aus tiefen Einschnitten in Partien der Muskulatur,
die reich an Bindegewebe sind und deshalb einen guten Nähr¬
boden für Fleischvergiftungsbazillen abgeben. Zur Feststellung
von Keimen werden nun Ausstrichpräparate angelegt und auch
Ausstriche auf schräg erstarrtem Agar gemacht. Wenn weder
auf dem Agar sich binnen 24 Stunden Kolonien entwickeln noch
in den Ausstrichpräparaten sich Bakterien nach weisen lassen,
so kann das Fleisch freigegeben werden. Sind aber in den
Präparaten oder in den Agarausstrichen, Mikroorganismen ge¬
funden worden, so muß vor der definitiven Entscheidung das
Ergebnis der Fütterungsversuche abgewartet werden, wozu drei
Tage Frist erforderlich sind. Während dieser Zeit ist das
Fleisch zweckentsprechend aufzubewahren.
Bleiben die mit gekochtem Fleische gefütterten Mäuse am
Leben, indes die anderen verenden, so wissen wir, daß die
Fleischvergiftungsbazillen bzw. die Toxine durch das Kochen
unschädlich gemacht sind, und das Fleisch kann, nachdem es im
Dampfapparat gehörig sterilisiert ist, in den Verkehr gebracht
werden. Ist jedoch ein solcher Apparat, wie meist auf dem
flachen Lande, nicht vorhanden, so muß das Fleisch dennoch
vom Konsum ausgeschlossen werden, da durch einfaches Kochen
nach den bisherigen Versuchen die Giftigkeit nicht absolut sicher
aufgehoben wird.
Sterben auch die mit gekochtem, bakterienhaltigem Fleische
gefütterten Mäuse, so ist selbstverständlich das betreffende
Schlachttier unschädlich zu beseitigen.
Nun, meine Herren, sind zwar die bakteriologischen und
die Fütterung8versuche an und für sich so einfach, daß jeder
Tierarzt dieselben anstellen kann. Indes wird die Mehrzahl der
Tierärzte eines Laboratoriums für derartige Zwecke ermangeln,
und die für die Ergänzungsbeschau gewährten Gebühren sind
ja auch nicht so bemessen, daß dafür diese Geld und Zeit be¬
anspruchenden Versuche ausgeführt werden könnten. Es werden
deshalb die bakteriologischen Prüfungen von verdächtigem
Fleische in schon bestehenden größeren Laboratorien der staat¬
lichen Anstalten geschehen müssen. Ein Vorgang in dieser
Richtung besteht bereits. Der Herr Regierungspräsident von
Schleswig hat auf eine Eingabe der Landwirtschaftskammer für
Schleswig-Holstein verfügt, daß bei Notschlachtungen in Zweifels¬
fällen eine eingehende bakteriologische und kulturelle Unter¬
suchung des Fleisches vorzunehmen ist. Und zu diesem Zwecke
ist von dem betreffenden Tierarzte ein 10 cm langes, breites
und dickes Muskelfleisch als Eilpaket an das bakteriologische
Institut der Landwirtschaftskammer nach Kiel zu senden.
Falls auch in unserem Regierungsbezirk die bakteriologische
Untersuchung des Fleisches in geeigneten Fällen verordnet werden
sollte, was im Interesse der Besitzer recht wünschenswert wäre,
so hätten wir eine Auswahl von Laboratorien in Berlin zur
Verfügung. Naheliegend ist es dann, daß für diese bakterio¬
logischen Prüfungen von Fleisch die neu errichtete Abteilung
für Fleischbeschau am hygienischen Institut der tierärztlichen
Hochschule ausersehen wird.
Bislang hat der Ergänzungsbeschauer im Regierungsbezirk
Potsdam nach einem Erlaß des Herrn Regierungspräsidenten
das Fleisch bei Notschlachtungen für untauglich, mindestens aber
für bedingt tauglich zu erklären, wenn auch nach 24 bzw.
48 ständigem Hängenlassen des Tieres nur der geringste Zweifel
betreffs der einwandfreien Beschaffenheit des Fleisches besteht.
Hat der Sachverständige entschieden, daß das Fleisch znm
Konsum zugelassen ist, so kommt dasselbe in rohem oder ge¬
kochtem Zustande auf die Freibank. Leider findet aber auf der
Freibank feilgehaltenes Fleisch auf dem Lande häufig keine
Käufer, und ich habe aus diesem Grunde ungezählte Male Fleisch
zentnerweise vergraben bzw. vernichten lassen müssen. Um
diesem Übelstand, der den ländlichen Besitzer schwer schädigt, zu
steuern, müßte alles nicht verkäufliche Fleisch aus den betreffenden
Bezirken nach größeren Gemeinden bzw. Städten zum Verkaufe
geschafft werden. Speziell in den größeren Gemeinden, ich
denke hier an einige Vororte von Berlin, ist minderwertiges oder
bedingt taugliches Fleisch meist sehr schnell abgesetzt, da die
ärmere Bevölkerung dasselbe mit Vorliebe kauft. Der Land¬
bewohner hingegen glaubt vielfach, sich etwas zu vergeben,
wenn er sich Fleisch von der Freibank holt, und gekochtes
Fleisch kann nach meinen Erfahrungen auf dem Lande nur als
Hundefutter Verwertung finden.
Während daB minderwertige und bedingt taugliche Fleisch
durch die Errichtung von Freibänken überall einer ständigen
Kontrolle bis zur Abgabe an den Konsumenten unterliegt, fehlt
diese Beaufsichtigung beim tauglichen Fleisch vielfach auf dem
Lande vollkommen oder kann nicht in zureichender Art und
Weise ausgeübt werden. Und doch sind die Gefahren, die bei
der Fleischbeschau gesund befundenes Fleisch dem Konsumenten
zu bringen vermag, nicht zu unterschätzen, wie die Fäulnis-,
Wurst- und Hackfleischvergiftungen beweisen. Denn bekanntlich
kann das ursprünglich taugliche Fleisch infolge unzweckmäßiger
Aufbewahrung oder anderweitiger, ungeeigneter Behandlung
nachträglich als Nahrungsmittel unbrauchbar werden. Derartiges
Fleisch bzw. solche Fleischwaren anzuhalten und aus dem
Verkehr zu ziehen, bildet die Aufgabe der sog. außerordentlichen
Fleischbeschau, die eine notwendige und wertvolle Ergänzung
der ordentlichen Beschau darstellt, indem sie das Fleisch auf
seinem Wege von der Stätte der Produktion bis zur Abgabe an
den Konsumenten, soweit sich das ausführen läßt, überwacht.
Die bei der Revision festzustellenden Abweichungen des
Fleisches und der Fleischwaren sind verschiedener Art. Um
die wichtigsten Ursachen zu Beanstandungen hier hervorzuheben,
nenne ich:
1. Pathologische Veränderungen, die sich ev. an Fleisch
von Hausschlachtungen finden, das ununtersucht in den
Verkehr gebracht ist.
2. Die bakteriellen Zersetzungen. Hierbei kommt bei
frischem Fleisch vor allen Dingen die Fäulnis in Frage.
;». Die Verfälschungen durch animalische Stoffe
(Pferdefleischzusatz zur Wurst.)
4. Die Verfälschungen durch chemische Stoffe.
Auf die Beschreibung der einzelnen Abweichungen bzw. auf
die Methoden, dieselben festzustellen, kann ich natürlich hier
nicht näher eingehen, da dies ganz außerhalb des Rahmens
meines Referates liegt.
November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Diese Lücke des Fleischbeschaugesetzes, die mangelnde oder
unzureichende Beaufsichtigung des Fleischverkehrs, ist allgemein
bekannt, und die Behörden sind damit beschäftigt, dem Mangel
abzuhelfen. So nimmt ein ministerieller Erlaß vom 17. August v. J.
darauf Bezug und fuhrt u. a. folgendes aus:
„Die zur Aufdeckung und Verhütung der Mißstände er¬
forderliche Beaufsichtigung des Fleischverkehrs ist zwar auf
Grund der durch das Nahrungsmittelgesetz vom 14. Mai 1879
den Polizeibehörden eingeräumten Befugnisse, namentlich in
größeren Orten und in den Industriebezirken mehr oder
weniger organisiert. Öfters fehlen aber auch selbst die
Anfänge einer solchen Organisation. Auch da, wo die Be¬
aufsichtigung eingerichtet ist, wird allgemein über die Un¬
zulänglichkeit der polizeilichen Befugnisse geklagt, die sich
zwar auf die Verkaufsstätten für Fleisch allgemein, auf die
zur Aufbewahrung und Herstellung von Fleisch und Fleisch¬
waren dienenden Räumlichkeiten aber nur in beschränktem
und für das tatsächliche Bedürfnis nicht ausreichendem Maße
erstrecken.“
Nachdem dann darauf hingewiesen ist, daß die Erwägungen
betreffs Erweiterung der Kontrollbefugnisse auf Verarbeitungs¬
und Aufbewahrungsstätten des Fleisches noch nicht zum Abschluß
gelangt sind, heißt es in dem Erlasse weiter:
„Dahingegen ist im Anschluß an die Organisation der
Allgemeinen Nahrungsmittelkontrolle überall da, wo es an
entsprechenden Anordnungen bisher gemangelt und nicht im
Hinblick auf die Geringfügigkeit des Fleisch Verkehrs ein Be¬
dürfnis zu verneinen ist, dafür Sorge zu tragen, daß eine
regelmäßige polizeiliche Beaufsichtigung der Fleischverkaufs¬
stellen, und zwar nicht nur der Fleischmärkte, sondern auch
der Fleischerläden und der sonstigen Räumlichkeiten, wo
Fleisch feilgehalten wird, nach Maßgabe der bestehenden
gesetzlichen Vorschriften stattfindet.“
Die betreffenden Bestimmungen aus dem Nahrungsmittel-
•gesetz besagen aber:
„§ 2. Die Beamten der Polizei sind befugt, in die Räum¬
lichkeiten, in welchen Gegenstände der in § 1 bezeichneten
Art (für uns von Interesse nur Fleisch- und Wurstwaren)
feilgehalten werden, während der üblichen Geschäfts¬
stunden oder während die Räumlichkeiten dem Verkehr ge¬
öffnet sind, einzutreten. Sie sind befugt usw. usw. usw.
§ 3. Die Beamten der Polizei sind befugt, bei Personen,
welche auf Grund der §§ 10, 12, 13 dieses Gesetzes (die¬
selben enthalten die Strafandrohungen für denjenigen, der
Nahrungsmittel verfälscht bzw. verfälschte oder verdorbene
in den Verkehr bringt) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt
sind, in den Räumlichkeiten, in welchen Gegenstände der in
§ 1 bezeichneten Art (u. a. Fleisch und Fleisch waren) feil¬
gehalten werden oder welche zur Aufbewahrung oder
Herstellung solcher zum Verkaufe bestimmter Gegenstände
dienen, während der in § 2 angegebenen Zeit Revisionen
vorzunehmen.“
Diese Befugnis beginnt mit der Rechtskraft des Urteils
und erlischt mit Ablauf von 3 Jahren von dem Tage an ge¬
rechnet, an welchem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder
erlassen ist.
Hiernach hat also der Sachverständige im allgemeinen
lediglich das Recht, die Verkaufsstätten für Fleisch und
Fleischwaren d. h. die Läden und Marktbuden zu revidieren.
Hl 1_
Denn Fleischer oder Händler, die nach §§ 10, 12 oder 13 des
Nahrungsmittelgesetzes bestraft worden sind, und deren Auf-
bewahrungs- und Fabrikationsräume aus diesem Grunde eben¬
falls der Kontrolle unterliegen, sind in kleineren Städten und
auf dem Lande einfach unmöglich, kein Mensch würde bei dem
hier schnellen Bekanntwerden der Vorstrafe von ihnen etwas
kaufen.
Die Beaufsichtigung der Fleischverarbeitungs- und anf-
bewahrungsstätten ist aber viel wichtiger und notwendiger als
die der Verkaufsräume. Letztere wird auch der Schlächter
bzw. Fleischwarenhändler inklusive der darin aufgestellten
Geräte im eigenen wohlverstandenen Interesse peinlich sauber
halten, und die hier vorrätig oder zum Verkauf ausliegenden
Waren werden meist in tadelfreiem Zustande sein. Die gleiche
Reinlichkeit wird aber hinter den Kulissen, in den übrigen
Räumen und an den darin befindlichen Gerätschaften nicht zu
selten völlig vermißt. Eine Abstellung solcher Übelstände ist
um so mehr am Platze, als es sich z. B. bei der in bisher
kontrollfreien Räumen betriebenen Wurstfabrikation um die
Herstellung eines Nahrungsmittels handelt, das einen wichtigen
Bestandteil der Ernährnng, besonders der weniger bemittelten
Bevölkerung bildet.
Deshalb ist eine fortgesetzte, sorgsame Überwachung aller
dieser Räumlichkeiten, ganz gleich ob die Schlächtereien in der
Stadt oder auf dem Lande liegen, dringend zu wünschen.
Und der revidierende Sachverständige hat sich nicht nur, wie
schon erwähnt, von der tadelfreien Beschaffenheit des feil¬
gebotenen und vorrätig gehaltenen Fleisches und der Fleisch¬
waren, sowie von der Sauberkeit aller in Betracht kommenden
Räume und der benutzten Geräte zu überführen, sondern der¬
selbe muß auch darauf sehen, daß die in den Betrieben be¬
schäftigten Leute zu größter Reinlichkeit an ihrer Kleidung
und ihrer Person angehalten werden.
Eine derartige wirksame Beaufsichtigung des Fleischver¬
kehrs ist bisher auf Grund des Nahrungsmittelgesetzes nicht
möglich, es ist deshalb dringend geboten, daß die allerseits fühlbare
Lücke des Fleischbeschaugesetzes, die mangelnde bzw. nicht
zureichende Kontrolle des Fleisches und der Fleischwaren nach
Passierung der Fleischbeschau recht bald ausgefüllt werde.
Erst dann ist die Möglichkeit gegeben, daß die Fleischbeschau
ihrer ersten Aufgabe, den Menschen vor den Gefahren des
Fleischgenusses zu schützen, ganz gerecht werden kann.
Ich bin am Schlüsse meiner Ausführungen angelangt und
darf vielleicht nochmals kurz resümieren:
1. Es ist empfehlenswert im Interesse der Besitzer, daß auch
für den Regierungsbezirk Potsdam die bakteriologische
Untersuchung des Fleisches notgeschlachteter Tiere in
Zweifelsfällen angeordnet werde.
2. Es ist ratsam, minderwertiges oder bedingt taugliches
Fleisch, das in manchen Freibankbezirken unverkäuflich
bleibt, nach größeren Gemeinden oder Städten desselben
bzw. des Nachbarkreises zu schaffen, um den Absatz des
Fleisches zu sichern.
3. Es ist dringend zu wünschen, daß die auf Grund des
Nahrungsmittelgesetzes auszuführenden Revisionen der
Fleischerläden und Fleisch- bzw. Fleischwarenverkaufs¬
stätten baldigst auch auf die der Zubereitung und Auf¬
bewahrung von Fleisch und Fleischwaren dienenden
Räumlichkeiten ausgedehnt werden.
812
Genossenschaftsversammlung der Fleischereiberofs-
genossenschaft.
Die Versammlung hat am 22. Juli zu Mainz im Saale des
„Kasinos zum Frankfurter Hof“, Augustinerstraße Nr. 55 vormittags
um 11 Uhr stattgefunden. Vor der Versammlung wurde von
morgens 8 bis 10 Uhr eine Besichtigung der Bureaueinrichtungen und
des opulent ausgestatteten Verwaltungsgebäudes der Genossen¬
schaft, welches an hervorragender Stelle am Rhein gelegen vor
einigen Jahren mit einem Kostenaufwand einschl. Grunderwerb von
367154 M. 62 Pf. erbaut wurde, vorgenommen. Der Bauplatz war
seitens der Stadtgemeinde Mainz für 89695 M. hergegeben. Der
z. Z. 59 Köpfe starke Beamtenkörper der Genossenschaft ist in
schönen, luftigen, sehr gut ausgestatteten Räumen bequem unter¬
gebracht. Das Gebäude ist so groß bemessen, daß an Private noch
Räumlichkeiten für 6150 M. jährlich vermietet sind. Das Gebäude
ist mit Zentralheizung versehen. Es hatten im Mai d. J. diesseits
137 Stadtgemeinden mit Schlacht- bzw. Viehhöfen des 2. Bezirks
die Aufforderung zur Teilnahme an der Genossenschaftsversammlung
oder zur Übertragung der Vollmachten mit der zustehenden
Stimmenzahl an den Unterzeichneten erhalten. 95 Gemeinden des
2. Bezirks hatten diesem ihre Stimmen übertragen, so daß derselbe
285 Stimmen auf der Genossenschaftsversammlung vertrat. Die
erschienenen Vertreter der übrigen 5 Bezirke des Deutschen Reiches
und die von den Gemeinden besonders abgeordneten Vertreter, im
ganzen 14 Herren, vereinigten auf sich 1155 Stimmen. Die Ver¬
sammlung war überhaupt von 99 Mitgliedern, welche 9465 Stimmen
vertraten, besucht. Dieses Stimmenverhältnis macht ohne weiteres
ersichtlich, daß die Vertreter der Gemeinden mit Schlacht- und
Viehhöfen in der Versammlung mit ihren Vorschlägen nicht überall
durchdringen konnten, namentlich als es sich darum handelte, wie
bisher einen Vertreter der Schlachthofgemeinden in den Rechnungs¬
prüfungsausschuß und einen Ersatzmann in den Vorstand der
Berufsgenossenschaft zu entsenden. Nur der Obertierarzt am
städtischen Schlachthof zu Hannover Koch ist von der Versammlung
als Vorstandsmitglied wiedergewählt, zum Ersatzmann ein Fleischer¬
meister, so daß im Vorstand und im Rechnungsprüfungsausschuß
außer Herrn Koch nur Fleischermeister vertreten sind. Es erscheint
dies nicht gerechtfertigt mit Rücksicht auf die hohen Beiträge,
welche seitens der Gemeinden mit Schlachthöfen in der Genossen¬
schaft geleistet werden. Den Stadtgemeinden kommt ein größerer
Einfluß in der Verwaltung der Berufsgenossenschaft zu. Nur eine
ausgiebige Vertretung der Stadtgemeinden auf den Genossenschafts¬
tagen kann hierin Wandel schaffen und ist daher ihr Besuch durch
die Stadtvertretungen selbst entschieden zu befürworten.
Die Verhandlung selbst hatte folgendes Ergebnis:
Tagesordnung:
1. Verwaltungsbericht für das Jahr 1907 (§14 Abs. 3 des Statuts).
2. Prüfung und Abnahme der Jahresrechnung für das Jahr
1907 und Wahl eines aus drei Mitgliedern und drei Stell¬
vertretern bestehenden Ausschusses zur Vorprüfung der
Jahresrechnung (§ 6 Ziffer 3 des Statuts).
3. Revision der Dienstordnung für die Genossenschaftsbeamten
(§ 6 Ziffer 8 des Statuts).
4. Feststellung des Voranschlags der Verwaltungskosten im
Jahre 1909 und Nachbewilligung für das Jahr 1908 (§ 6 Ziffer 14
des Statuts;.
5. Beschlußfassung über Anlegung und Verwaltung des Reserve¬
fonds. — Entnahmen aus diesem zur Deckung von Darlehen —
(§ 6 Ziffer 12 des Statuts).
6. Ersatzwahl für vier am 1. Oktober 1908 ausscheidende Vor¬
standsmitglieder und deren Ersatzmänner (§ 6 Ziffer 1 des
Statuts).
7. Übertragung der Strafbefugnis der Genossenschaft auf einen
Ausschuß des Genossenschaftsvorstandes.
8. Ersatz- und Regreßansprüche in Unfallsachen.
9. Bestimmung der öffentlichen Blätter, durch welche die
Bekanntmachungen des Genossenschaftsvorstandes erfolgen
sollen (§ 6 Ziffer 18 des Statuts).
10. Vermögensauseinandersetzungen der Berufsgenossenschaften
auf Grund der §§ 53 Abs. 4 und 5 des Gewerbe-Unfall¬
No. 45.
versicherungsgesetzes und 63 Abs. 4 und 5 des Unfall¬
versicherungsgesetzes für Land- und Forstwirtschaft.
11. Beitragsleistungen auf Grund des § 33 a des Statuts (Ver¬
einbarung von Pauschalsummen für die Berechnung der
Beiträge).
12. Bestimmung des Ortes der nächsten Genossenschaftsver-
Sammlung.
13. Unvorhergesehenes.
Kurz nach 11 Uhr eröffnete der Vorsitzende, FleischermeiBter
Eitel-Düsseldorf nach einigen Begrüßungsworten die Versammlung.
Insbesondere dankt er dem Vertreter des Reichsversicherungsamts,
Herrn Regierungsrat Dr. Ri es-Berlin, den Herren Oberbürgermeister
Dr. Göttelmann, Bürgermeister Dr. Schmidt und Großherzog¬
lich-Hessischen Regierungsrat Genn es-Mainz für ihr Erscheinen.
Die Rede des Vorsitzenden schließt mit einem Hoch auf Seine
Majestät den Kaiser und den Großherzog von Hessen. Die Herren
Ries, Göttelmann und Gennes erwiderten durch freundliche Be¬
grüßungsworte; sie wünschten dem Verlauf der Verhandlungen den
besten Erfolg.
I. Verwaltungsbericht für das Jahr 1907.
(Den Schlachthofgemeinden wird empfohlen, die Berufsgenossen¬
schaft jedes Jahr um die Zusendung des sehr interessanten und
eingehenden Jahresberichts zu ersuchen.)
Fleischermeister Friedrich-Nürnberg berichtet über den Ver-
waltnngsbericht, der bereits zur Verteilung gelangt war. Das
Wesentliche aus ihm trug er vor.
Er bedauerte, daß die Erwartungen, welche man seinerzeit an
das Institut der Vertrauensmänner, die zum allergrößten Teil den
Kreisen der Fleischer entnommen sind, knüpfte, gar nicht in Er¬
füllung gegangen sind. Die Beteiligung der Vertrauensmänner an
den Geschäften der Berufsgenossenschaft war sehr schwach, so
daß Erwägungen stattgefunden haben, das Institut der Kosten¬
ersparnis wegen ganz aufzuheben.
Die Revision des jetzigen Gefahrentarifs findet im Jahre 1909
statt. Der Vortragende empfiehlt etwaige Wünsche und Anträge
der Mitglieder dieserhalb schon jetzt, längstens aber bis zum
1. Oktober 1908 dem Genossenschaftsvorstande zukommen zu lassen,
und nicht erst mit Anträgen in der nächstjährigen Genossenschafts¬
versammlung zu kommen, da dann eine sorgfältige Prüfung der
Anträge nicht möglich ist Die Schlachthaus- und Viehhofbetriebe
gehören vorwiegend zur Gefahrenklasse B mit der Gefahrenziffer 1,5..
In der Besprechung klagte ein Mitglied über die scharfen Strafen,
welche seitens des Vorstandes vielfach verhängt wurden; sie
machten böses Blut. Von anderer Seite wurde betont, daß die
Mitglieder der Berufsgenossenschaft zur Ordnung und Pünktlichkeit
erzogen werden müßten.
2. Prüfung und Abnahme der Jahresrectmung für das Jahr 1907 und
Wahl eines aus drei Mitgliedern und drei Stellvertretern bestehenden
Ausschusses zur Vorprüfung der Jahresrechnung.
Das Protokoll über die Prüfung der Jahresrechnung für 1907
gelangt zur Verlesung. Beanstandungen sind nicht vorgekommen.
Dem Anträge des Referenten entsprechend erteilte die Versammlung
dem Vorstand Entlastung und genehmigt die Überschreitungen
des Vorschlags. Der im vorigen Jahre gewählte und nur aus
Fleischermeistem bestehende Rechnungaprüfungsausschuß wird nach
längerer Debatte wiedergewählt. Eine Vertretung der Schlachthof¬
gemeinden in diesem wichtigen Ausschuß zu erreichen, war nicht
möglich.
3. Revision der Dienstordnung für die Genossenschaftsbeamten.
Fleischermeister Nietzschmann-Leipzig berichtet über die
Vorlage. Sie hat hauptsächlich den Zweck, die Ruhegehaltsbe-
züge der Beamten der Genossenschaft nach Maßgabe der bezüg¬
lichen Bestimmungen des Reiches und des Preußischen Staates zu
regeln. Die unteren Beamten besonders sind durch Gehaltsauf¬
besserungen berücksichtigt. Der Entwurf hat die Zustimmung des
Reichsversicherungsamts gefunden. Der Fleischermeister Weber-
Aachen wollte die Beschlußfassung bis zum nächsten Jahre hinaus¬
geschoben haben, da ihm und anderen der Entwurf zu spät zu¬
gestellt sei. Über diesen Antrag mußte durch Stimmzettel abge-
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
n- Xovoinbrr 1908. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT._813
stimmt werden. Der Vertagungsantrag wurde abgelebnt und sodann
der Entwurf mit einigen redaktionellen Änderungen, welche der
Unterzeichnete beantragte, angenommen.
4. Feststellung des Voranschlags der Verwaltungskosten Im Jahre 1909
und Nachbewilligung für das Jahr 1908.
Das Vorstandsmitglied Herr Nietzschmann-Leipzig berichtet
über den vorliegenden Etat für 1909. Durch die weitere Anstellung
von drei technischen Hilfsaufsichtsbeamten, welche auf Anregung
des Reichsversicherungsamts zur Verminderung der Unfallhäufigkeit,
besonders bei den Betrieben, in welchen Fleischwölfe, Wiegemesser,
Mengmaschinen usw. verwendet werden, beantragt werden, wird
die Genossenschaft jährlich mit etwa 26 000 M. mehr belastet. Es
findet über diesen Punkt eine längere Besprechung statt; mehrere
Redner wenden sich gegen die Vermehrung der Kosten wegen,
andere wollen die Aufsicht durch die Innungen führen. Der Ver¬
treter des Reichsversicherungsamts empfiehlt die Vermehrung aus
wirtschaftlichen und ethischen Gründen. Auch der Unterzeichnete
befürwortet die Abstellung mit Rücksicht auf die große Zahl der
Kleinbetriebe mit Kleinmaschinen, in denen Wölfe, Wiegemesser,
Mengemaschinen, Äxte, Beile, Messer usw. verwendet werden. Im
vorigen Jahr sind von 1120 erstmalig entschädigten Unfällen 514 Un¬
fälle in derartigen Betrieben vorgekommen. Für diese Betriebe ist
eine scharfe Aufsicht am Platze, da infolge der zahlreichen Unfälle
nicht nur eine starke Belastung der Genossenschaft stattfindet,
sondern auch namentlich die jüngeren Gesellen und Lehrlinge der
Fleischer lebenslang durch Nachlässigkeit zum Krüppel gemacht
werden.
Weiterhin empfiehlt der Unterzeichnete eine stetige Beauf¬
sichtigung der Tätigkeit der Hilfsaufsichtsbeamten durch den tech¬
nischen Aufsichtsbeamten, Gewerbeinspektor Deiters, dem für
diese Mühewaltung eine Entschädigung zuzubilligen wäre. Der
Antrag des Vorstandes auf Anstellung von drei Hilfsaufsichts¬
beamten wird mit sehr großer Mehrheit angenommen. Die übrigen
Posten des Voranschlags werden gleichfalls genehmigt.
5. Beschlußfassung Ober Anlegung und Verwaltung des Reservefonds.
Entnahmen aus diesem zur Deckung von Darlehen
(§ 6, Ziffer 12 des Statuts).
Die Versammlung genehmigt die weitere Anlegung des Reserve¬
fonds bei der Seehandlung. Die Baukosten für das Geschäftshaus
mit 217 154 M. sind dem Reservefonds entnommen. 150 000 M hat
die Mainzer Sparkasse geliehen. Ein Viertel des Genossenschafts¬
vermögens darf in Immobilien angelegt werden; somit können etwa
20 000 M. abgetragen werden. Die Versammlung gibt ihr Ein¬
verständnis.
6. Ersatzwahl für 4 am I. Oktober 1908 ausscheidende Vorstands¬
mitglieder und deren Ersatzmänner (§ 6, Ziffer I des Statuts).
Am 1. Oktober 1908 scheiden die Vorstandsmitglieder Eitel-
Düsseldorf, Falk-Mainz, Ober-Tierarzt Koch-Hannover, Friedrich
Nürnberg aus. Die Neuwahlen wurden duich Stimmzettel vor¬
genommen. Falk-Mainz erhielt 9246, Friedrich-Nürnberg 9205,
Koch-Hannover 8753, Web er-Aachen 6169, Eitel-Düsseldorf
1901 Stimmen. Die vier Erstgenannten sind also gewählt und
nehmen s'e die Wahl an. Als Ersatzmänner werden die Fleischer¬
meister Lantz-Darmstadt, Schwarz-Fulda, Bernhardt-Münclen
Deckwitz-MUnster wiedergewählt. Ein Vertreter der Schlachthof-
Gemeinden ist somit als Ersatzmann nicht gewählt worden.
7. Übertragung der Strafbefugnis der Genossenschaft auf einen
Ausschuß des Genossenschafts-Vorstandes.
Die Versammlung ist mit vorstehendtm Anträge einverstanden
und überläßt dem Vorstand die erforderlichen drei Mitglieder und
ihre Ersatzmänn- r unter sich zu wählen.
8 Ersatz- und Regreßanspr&che In Unfallsaehen.
Auf Grund der Vorschriften des Statuts gibt der Vorstand eine
Anzahl Fälle bekannt, in denen Betriebsinhaber für die bei ihnen
vorgekommenen Betriebsunfälle regreßpflichtig gemacht worden
sind. In einer Sache ließ der Vorstand den Regreßanspruch fallen,
in einer anderen wurde beschlossen, von dem Anspruch keinen
Gebrauch zu machen, da ein etwaiger Prozeß für die Genossen¬
schaft aussichtslos sei. In einem dritten Falle beschloß die Ver¬
sammlung, den Regreßanspruch aus Billigkeitsrücksichten fallen zu
lassen.
9. Bestimmung der öffentlichen Blätter, durch welche die Bekannt¬
machungen des Genossenschafts-Vorstandes erfolgen sollen
(§ 6, Ziffer 18 des Statuts).
Die Versammlung beschließt, daß die amtlichen Bekannt¬
machungen des Genossenschaftsvorstandes in der amtlichen Zeitung
des „Deutschen Fleischerverbandcs“ erfolgen. Sie sollen aber auch
sämtlichen Fachblättern des Fleischereigewerbes und dem Fach¬
organ der Roßschlächter unter der Voraussetzung übersandt werden,
daß sie kostenlos veröffentlicht werden.
10. Vermögensauscinandersetzungen der Berufsgenossensohaften auf
Grund der §§ 53 Abs. 4 und 5 des Gewerbe-Unfallversfcherungsgesetzes
und Abs. 4 und 5 des Unfallversicherungsgesetzes für Land- und
Forstwirtschaft
Der Geschäftsführer Walk er-Mainz erstattet wegen der Ver¬
mögensauseinandersetzungen der Berufsgenossenschafren in solchen
Fällen, wo ein Betrieb von einer Berufsgenossenschaft auf eine
andere übergeht und mit Renten belastet ist, Bericht. Für die
Fleischereiberufsgenossenschafc haben die seitens der Berufs¬
genossenschaften -getroffenen Abmachungen keine besondere Be¬
deutung. Sie werden ohne Besprechung genehmigt.
11. Beltragsleistungen auf Grund des § 35a des Statuts (Vereinbarung
von Pauschallohnsummen für die Berechnung der Beiträge).
In einer früheren Sitzung der Genossenschaft war beschlossen,
daß für gewisse Betriebe auch die Lohnsumrae auf Grund einer
Pauschal.ingabe festgesetzt werden kann, damit den Mitgliedern die
Anfertigung besonderer Lohnlisten erspart bleibt. Nach den Aus¬
führungen des Vorstandes haben sich hierbei große Mißstände
ergeben, indem sehr große Lohnbeträge zu wenig angegeben wurden,
im ganzen über 1200 000 M. Der Vorstand beantragt deshalb, für
die Folge von der Bestimmung des § 35a des Statuts keinen Ge¬
brauch mehr zu machen, sondern überall Lohnnachweisung zu ver¬
langen. Genehmigt.
12. Bestimmung des Ortes der nächsten Genossenschaftsversammlung.
Aus der Mitte der Versammlung wird beantragt, den Berufs¬
genossenschaftstag mit dem Fleischerverbandstag zuBammenzulegen»
damit den Innungen und den Fleischern nicht so viel Reisekosten
entstehen. Der Vorstand spricht sich für Trennung der Versamm¬
lungen aus. Nachdem verschiedene Redner teils für den Antrag,
teils gegen ihn gesprochen batten, beschließt man, dem Vorstand
die Festsetzung des Ortes und der Zeit der nächsten Genossenschafts¬
versammlung zu überlassen; gewünscht wird, daß sie möglichst in
der Mitte Deutschlands stattfindet.
Der 2. Vorsitzende, Falk-Mainz, dankte dem bisherigen 1. Vor¬
sitzenden, Eitel-Düsseldorf, welcher nicht wieder in den Vorstand
gewählt wurde, für seine langjährige, erfolgreiche Tätigkeit, ebenso
dem Vertreter des Reichs-Versicherungsamts, Regierungsrat Dr. Ries
für seine Teilnahme an den Verhandlungen.
Die Genossenschaftsversammlung wird vom Vorsitzenden gegen
4 Uhr geschlossen.
Colberg, Direktor des Schlacht- und Viehhofs.
Deutsche Schlachtviehmärkte.
Zum erstenmal veröffentlicht das Kaiserliche Statistische Amt
im „Reichsanzeiger“ eine Statistik über den Marktverkehr mit Vieh
auf den 40 bedeutensten Schlachtviehmärkten Deutschlands. Eine
solche Statistik soll fortab monatlich erfolgen und die erste bezieht
sich auf den Juli 1908. Es sind danach auf den 40 Märkten
114 736 Rinder, 128 474 Kälber, 105 488 Schafe und 405 654 Schweine
aufgetrieben, die ein Schlachtgewicht von 60,80 Mill. Kilogramm er¬
gaben. Die größten Viehmärkte sind in Berlin, München und
Hamburg, in zweiter Reihe kommen Breslau, Köln, Frankfurt a. M.,
Mannheim und Nürnberg. Für den Verkehr mit Rindern ist noch
Husum sehr bedeutend. In Hamburg und Düsseldorf bildete fast
die Hälfte der zugeführten Rinder ausländisches Vieh. Letzteres
ist auch ziemlich erheblich vertreten unter dem Rinderauftrieb in
Barmen, Dresden, Frankfurt a. M., Köln, Nürnberg und Stuttgart.
Ausländische Schweine waren nur in Metz, doch sind die aus-
814_BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. _No. 45.
ländischen Schweinezufubren nach den Plätzen des oberschlesischen
Indnstriebezirkes nicht berücksichtigt Die Übersicht bietet einen
schätzenswerten Einblick in die jeweilige Gestaltung des deutschen
Viehmarktes und dessen Schwankungen, besonders sobald Vergleiche
mit dem Vorjahre angestellt werden können.
Statistik des Schlaohtvlehbandels.
Vom 1. Juli ab treten nach einem Erlaß des Reichskanzlers
Bestimmungen für die Statistik des Marktverkehrs mit Schlachtvieh
in Kraft Dieselben besagen:
1. Die Erhebung des Marktverkehis mit Schlachtvieh erfolgt
vom 1. Juli 1908 ab für die 40 bedeutendsten Schlachtviehmärkte
Deutschlands (Aachen, Augsburg, Barmen, Berlin, Bremen, Breslau,
Bromberg, Kassel, Chemnitz, Koblenz, Köln, Krefeld, Danzig,
Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Essen, Frankfurt a. M.,
Hamburg, Hannover, Husum, Karlsruhe, Kiel, Königsberg, Leipzig,
Lübeck, Magdeburg, Mainz, Mannheim, Metz, Mülhausen i. E.,
München, Nürnberg, Plauen, Straßburg, Stuttgart, Wiesbaden,
Würzburg, Zwickau) und erstreckt sich auf Rinder, Kälber, Schafe
und Schweine. Wird auf dem Schlachtviehmarkt auch Nutzvieh
gehandelt, so ist das Nutzvieh in der Erhebung einzubeziehen.
2. Die zuständige Verwaltung des Marktes (Magistrat, Direktion
des Viehhofes, Schlachthofes usw.) ermittelt an jedem Marktage
nach Maßgabe der Spalten des Formulars Muster 1 die Stückzahl
des a) lebend eingeführten, b) lebend nach einem der 40 Marktorte
oder nach anderen Orten ausgeführten, c) dem Schlachthof am
Orte zugeführten, d) in ganzen Tieren eingeführten geschlachteten
Viehes. Die sonstige Ortszufuhr von geschlachtetem Vieh nach
Markthallen usw. bleibt unberücksichtigt. Die markttäglichen Er¬
gebnisse werden in das Formular Muster 1 eingetragen.
3. Am Schlüsse jeden Monats sind nach erfolgter Prüfung der
Einträge die Summen der einzelnen Spalten zu ziehen, diese in
das Formular 2 zu übernehmen und letzteres bis spätestens zum
5. des folgenden Monats dem Kaiserlichen Statistischen Amt,
Berlin W. 10, Lützw-Ufer 6/8, einzureichen.
4. Die Zusammenstellung der Monatsergebnisse und ihre tunlichst
baldige Veröffentlichung im Reichsanzeiger erfolgt durch das Kaiser¬
liche Statistische Amt
5. Die erforderlichen Formulare sowie die mit „Reichsdienst¬
sache“ bezeichneten Briefumschlüge zur portofreien Einsendung der
Monatsberichte werden den bezeichneten Stellen erstmalig im
Juni d. J., für die Folge im Dezember jeden Jahres rechtzeitig
zugestellt werden.
Schlachtgewicht.
Im Großherzogtum Baden sind bei Bestimmung des Schlacht¬
gewichts nach der „Al lg ein, Fleischer-Zeitung“ vor der Gewichts¬
ermittlung beim Ausschlachten von dem Tiere zu trennen:
I. Bei den Rindern:
a) Die Haut, jedoch so, daß kein Fleisch oder Fett an ihr ver¬
bleibt; der Schwanz ist zwischen dem 2. und 3. Schwanz¬
wirbelknochen abzuschneiden; das sogenannte Sehwaiizfett
darf nicht entfernt werden;
b) der Kopf zwischen dem Hinterhauptbein und dem ersten
Halswirbel (im Genick) senkrecht zur Wirbelsäule ohne jedes
Halsfleisch;
c) die Füße im ersten (unteren) Gelenk der Fußwurzeln über
dem sogenannten Schienbein;
d) die Organe der Brust-, Bauch- und Beckenhöhle mit den
anhaftenden Fettpolstern (Herz- und Mittelfett), den Fleisch-
nnd Talgnieren, das Beckenfott und das Schlußfett;
e) die an der Wirbelsäule . und in dem vorderen Teile der
Brusthöhle gelegenen Blutgefäße mit den anhaftenden
Geweben, sowie der Luftröhre und des sehnigen Teiles des
Zwerchfelles;
f) das Rückenmark;
g) der Penis (Ziemer) und die Hoden, jedoch ohne das sogenannte
Sackfott bei den männlichen Rindern; das Euter von Kühen
und über die Hälfte der Zeit trächtigen Kalbinnen.
II. Bei den Kälbern:
a) Die Füße im ersten (unteren) Gelenk der Fußwurzeln Uber
dem sogenannten Schienbein;
b) der Kopf zwischen dem Hinterhauptbein und ersten Hals¬
wirbel ohne jedes Halsfleisch;
c) die Eingeweide der Brust-, Bauch- und Becken höhle ein
schließlich der Brieslein mit Ausnahme der Fleisch- und
Fettnidren, des Schlußfettes und des Kronfleisches;
d) der Nabel und bei den männlichen Kälbern die äußeren
Geschlechtsorgane.
III. Bei den Schafen:
a) Das Fell nebst den Füßen im ersten (unteren) Gelenk der
Fußwurzeln über dem sogenannten Schienbein;
b) der Kopf zwischen dem Hinterhauptbein und dem ersten
Halswirbel ohne jedes Halsfleisch;
c) die Eingeweide der Brust-, Bauch- und Beckenhöhle mit
Nieren und Nierenfett;
d) bei Widdern und Hammeln die äußeren Geschlechtsteile, bei
bei Mutterschafen die Euter.
IV. Bei den Schweinen:
a) Die Eingeweide der Brust-, Bauch- und Beckenhöfale nebst
Zunge, Luftröhre und Schlund, jedoch mit Ausnahme der
Fettnieren und dos Schmeres, Flomen, Liesen;
b) bei männlichen Schweinen die äußeren Geschlechtsteile.
Beim Ausstich der Ohren und Augen, bei Entfernung des Afters
dürfen die benachbarten Teile nicht mitgeschnitten werden.
Die Gewichtsermittlung hat bei den Rindern in ganzen,
halben, viertel, bei den Kälbern und Schafen in ganzen nnd bei
den Schweinen in ganzen oder halben Tieren zu erfolgen.
Erfolgt die Festsetzung des Schlachtgewichts innerhalb
2 Stunden nach dem Schlachten, so sind 2 Prozent für Warmgewicht,
bei Mutterschweinen jedoch 3 Prozent in Abzug zu bringen.
Wird bei Kälbern die Verwiegung im Fell, jedoch ohne Kopf'
teil des Felles vorgenommen, so kommen für Fell- und Warmgewicht
12 Prozent, beim Wiegen mit sogenannten Kopffellen 14 Prozent
in Abzug.
Viehpreise.
Nach einer Statistik des Kaiserl. Statist Amtes betrug der
Jahresdurchschnittspreis pro Zentner Schlachtgewicht:
für
bestes
Rindvieh
in
Berlin
Wien
Budapest
Paris
Rotterdam
Kopenhagen
1907
80.30
72.70
67.60
66.80
63.25
56.90
1906
79.-
71.20
66.-
60.-
64.55
57.45
1905
73.65
70.40
62.80
62.70
63.20
55.05
1904
70.75
64.30
57.-
61.30
60.95
54.30
1903
69.45
63.60
54.50
61.70
62.45
56.10
1902
65.85
62.30
52.—
58.95
57.70
52.50
für
beste :
Schw
eine
1907
57.-
63.75
57.10
75.40
52.25
48.55
1906
68.50.
59.25
53.65
65.60
55.70
51.45
1905
66.-
63.50
57.-
58.55
53.55
42.60
1904
51.-
55.75
49.80
52.95
44.40
40.-
1903
51.85
58.-
51.90
57.60
44.15
45.45
1902
61.40
52.50
46.10
60.-
53.—
43.30
Zar Erhebung der Flelsohpreise im Kleinhandel.
Geheimrat Dr. Ostertag erstattete im Königl. Preuß. Ökonomie-
Kollegium, in der XI. Sitzungsperiode, einen Bericht über die Er¬
hebung der Fleischpreise im Kleinhandel, der in der „Zeitschrift
für Fleisch- und Milchhyg.“, Jahrg. 18, S. 273 veröffentlicht ist
Die Leitsätze, die von Oster tag und einem weiteren Referenten
Engelbrecht-Obendeich aufgestellt wurden, erhob das Landes-
Ökonomie-Kollegium zum Beschluß:
1. Die Notierung der Großhandelspreise für Fleisch muß sich
anlehnen an das Schema der Viehpreisnotierungen. Die für
Berlin bereits durchgeführte Statistik der Großhandelspreise
ist auf diejenigen Städte auszudehnen, in denen ein Fleisch-
großhandel tatsächlich stattfindet.
2. Die alljährlich veröffentlichte Statistik der Kleinhandelpreise
für 165 Marktorte der Monarchie ist beizubehalten.
3. Dagegen ist die allmonatlich veröffentlichte Statistik der
Kleinhandelspreise für 24 Marktorte, welche große praktische
5. November 1908.
Bedeutung hat, als ungenügend zu betrachten und durch eine
bessere Statistik zu ersetzen.
4. Diese Statistik hat nur die wichtigsten Konsumplätze aufzu-
nebmen, also die Großstädte und Zentren der Industriebezirke.
5. Die Feststellung der Preise ist durch Sachverständige nach
genauer Anweisung vorzunehmen.
6. Die Feststellung der Preise hat zu erfolgen:
beim Rindfleisch fär Keule, Bug und Bauchfleisch,
beim Kalb- und Hammelfleisch für Keule und Bug,
beim Schweinefleisch für Keule, Bug, Rückenfett und Kopt
mit Beinen.
7. Die hiernach aufzunehmende Statistik der Kleinhandelspreise
für Fleisch hat nicht etwa den Zweck, den Verdienst des
Fleischers zahlenmäßig festzustellen; wohl aber kann sie über
die Bewegung der Fleischpreise und ihr Verhältnis zu den
Viehpreisen Aufschluß geben.
Bekämpfung der Lebensmittelteuerung.
Im Wiener Ackerbauministerium hat nach einer Mitteilung in
der „Wiener Approvisionicrnngs - Zeitung“ eine Konferenz zwecks
Beratung von Schritten zur Bekämpfung der Lebensmittelverteuerung
stattgefunden. Nach Abschluß der Beratungen, Sichtung der Ein¬
gaben und Berichte sind die Richtungen festgelegt, in denen das
Ministerium seine Kräfte einsetzen will. Die leitenden Grundsätze
sind Hebung und Schutz der eigenen Produktion, Hebung der Vieh¬
haltung und Vermittlung eines besseren Verkehrs zwischen Pro¬
duzenten und Konsumenten. Von vornherein wurden alle Anträge,
die sich mit der Öffnung der Grenzen für Fleischimporte, der Er¬
richtung von Grenz8chlachtbäusern u. dgl. befassen, fallen gelassen.
Um den heimischen Viehbestand quantitativ und qualitativ zu heben,
wendet das Ackerbauministerium sein besonderes Augenmerk der
Hebung der Weidewirtschaft zu, die gleichzeitig auch der Milch-,
Butter- und Käseproduktion zugute kommen würde. Durch künst¬
liche Berasung und Berieselung der Weiden und den Bau von
Unterständen für das Vieh hofft man bessere Fettweiden und damit
bessere Produkte zu erzielen. Die Verbesserung des Futters ist
durch Samenzüchtungen in staatlichen Anstalten anzustreben, und
eine ausgiebige Subventionierung der Züchter und Veranstaltung
von mit Prämien dotierten Rinderschauen würde die Viehzucht
sicherlich heben. Eine Dezentralisation der Großschlächtereien
durch Einrichtung von Filialen in allen Bezirken der Stadt soll das
Publikum in raschere und bessere Verbindung mit den Produktions-
Stellen bringen. Für den Handel mit den Nahrungsmitteln aller
Art sind Markthallen in größerer Zahl zu errichten und die Markt¬
ordnungen so zu ändern, daß sie den Verkehr zwischen Produzenten
und Konsumenten tunlichst fördern. Es müßten in den
Markthallen zu jeder Tageszeit auch kleine FleischstUcke zu er¬
halten sein. Dazu sind die Transportverhältnisse günstiger zu
gestalten. Die Lebensmittel müssen häufiger, besser und besonders
rascher auf die Konsumplätze geschafft werden können. Viehver¬
wertungsstellen können den Verkehr zwischen den Viehzüchtern
und Fleischern einfacher und billiger gestalten. Durch Kommissionen
sind die Verhältnisse des Auslandes zu studieren, um das Brauch¬
bare in der Beimat zu übernehmen. Das Studium der Frage der
Lebensmittelteuerung ist zwar noch niebt abgeschlossen, doch sind
die Arbeiten so weit gediehen, daß die obigen Gesichtspunkte bei
Bekämpfung der Steigerung der Lebensmittelpreise in den Vorder¬
grund bei den weiteren Verhandlungen zu rücken sein werden.
Ausnahmetarif für FleiscbseodungeD.
Die Eisenbahnverwaltung hat zur Beseitigung von Zweifeln
bestimmt, daß der Ausnahmetarif Anwendung finden solle auf:
1. Ganze, noch nicht abgehäutete, frischgeBchlachtete Tiere der
im Ausnahmetarif genannten Tiergattungen.
2. Alle Bestandteile des Schlachttieres, so yeit sie für den
menschlichen Genuß in Betracht kommen. Hierzu sind zu
rechnen alle in frischem Zustande aufgelieferten Eingeweide,
Euter, Gedärme, Gekröse, Geschlinge, Hammelkram, Herz,
Leber, Lunge, Milz, Niere, Zunge; frischer ungeräucherter
Schweineschinken, frischer sogenannter grüner Speck. Ferner
Kutteln (Wanst, Lab- und Blättermagen), auch wenn sie ge¬
brüht sind.
815
8. Frisches Schweinefett, Bauch- und Nierenfett (Fliesen, Flomen,
Liesen, Lunte, Schmer); frischer Rinder- und Hammeltalg.
4. Abfälle von frischem Fleisch, die als Fischfutter verwendet
werden.
Leichtes Bestreuen mit Salz zwecks besserer Haltbarmachung
auf dem Transport ist statthaft, dagegen ist der Ausnahmetarif
nicht anzuwenden auf gepökelte, geräucherte oder sonst zubereitete
Waren, ebenso nicht auf frisches Blut.
Trächtlgkeitssteuipel.
Der Magistrat von Wien hat nach einer Notiz in der „Wiener
Approvisionierungs-Zeitung“, das Anbringen der Marke „ohne Garantie
für Trächtigkeit“ als unzulässig erklärt und die Anwendung mit
Strafe bedroht.
Versorgung durch heimisohes Vieh.
Nach einer Mitteilung der „Amtlichen Zeitung des Deutschen
Fleischer-Verbandes“ will man in Düsseldorf versuchen, die Zufuhr
dänischen Viehs durch einheimische Tiere zu ersetzen; und sollen
deshalb fortab nur 150 dänische Tiere wöchentlich zugelassen
werden. Die Landwirte der Rheinprovinz haben in Aussicht ge¬
stellt, den Markt besser zu beschicken und die Stadtverwaltung
beabsichtigt, diesen Plan durch obige Maßnahme zu unterstützen.
Die bakteriologische Untersuchung von Fleisch notgeschlachteter Tiere.
Von Dr. Bugge-Kiel. Vorsteher des Tierseucheninstituts
der Landwirtschaftskammer für die Provinz Schleswig-Holstein.
(Zeltachrift für Fleisch- und Mllchhygiene. XVIII. Jahrg. 1908. S. Ul).
Zur Sicherung der Entscheidung in zweifelhaften Fällen von
Notschlachtungen haben wir zurzeit als einzig brauchbares Mittel
die bakteriologische Untersuchüng; die histiologische Prüfung, die
Kochprobe und Feststellung der Reaktion liefern keine genügenden
Resultate. Die Königliche Regierung zu Schleswig hat dieserhalb
im Februar 1907 verfügt, daß in allen Fällen von Notschlachtungen
ein Stück MuBkelfleisch an das Tierseucheninstitut in Kiel einzu¬
senden sei. Von letzterem war ein Fleischwürfel von 10 cm Seiten¬
länge verlangt worden. Dieser wurde dann zwecks Verarbeitung
abgeglüht und mit sterilem Messer aus der Tiefe ein etwa bohnen-
großes Stück als Aussaatmaterial für vier Agarplatten entnommen.
Sofern aus den vorhandenen Gefäßen Blut gewonnen werden konnte,
wurde dieses gesondert untersucht Ferner ermittelte man die
Reaktion mit Lakmuspapier und prüfte die Muskulatur auf das Vor¬
handensein der Querstreifung. Da erfahrungsgemäß in zahlreichen
Fällen die Eingeweide sich allein bakterienhaltig erwiesen, erlaubte
der Befund an dem eingesandten Fleisch auch nur einen Schluß
auf die Beschaffenheit der Skelettmuskulatur. Von 116 in dieser
Weise untersuchten Proben waren 22 keimhaltig, 17 vom Rind,
3 vom Kalb und 2 vom Schwein. Über die Arten der Keime soll
später berichtet werden. Bei den beiden Schweinen fanden sich
Milzbrandbazillen vor. Trotz des Keimgehaltcs reagierte die
Muskulatur meist sauer und ihre Struktur war unverändert. Für
die Inverkehrgabe des Fleisches entschied daher daa negative
Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung, und in vielen Fällen
können bei der Begutachtung des Fleisches nach bakteriologischen
Methoden Zweifel beseitigt werden, die der anatomische Befund
bestehen läßt
Untersuchungen des Fleisches an Baoksteinblattern erkrankter Schweine
auf das Vorhandensein virulenter Rotlaufbazillen.
Von August Schuh.
(Inaagural-Disaertation. Gießen.)
Verfasser fand fUr weiße oder graue Mäuse virulente Rotlauf¬
bazillen in den Organen und dem Fleische der an Backsteinblattern
erkrankten Schweine in allen den Fällen, in welchen typische
Blattern zu Lebzeiten vorhanden waren. Wenn die Blattern nicht
mehr zu Lebzeiten sichtbar waren, sondern erst nach dem Brühen,
glückte der Nachweis von Rotlaufbazillen in den Organen und dem
Fleische nicht Es würde daher eine Sterilisation des Fleisches
wenigstens in den Fällen notwendig sein, in welchen die Rotlauf¬
bazillen schon bakterioskopisch in den Organen nachweisbar sind.
Außerdem müßte die Beurteilung der Backsteinblattern der Zu¬
ständigkeit der nichttierärztlichen Beschauer entzogen werden.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
816
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45.
Verhütung der Anfüllung der Lungen mit Brühwasser.
Zur Verhütung des Eindringens von Brühwasser in die Schweine¬
lungen war ans Fleischerkreisen empfohlen, vor dem Brühen einen
mit Lappen umwickelten Stab durch die Maulhöhle in den Kehl¬
kopf einzuführen und so die Luftröhre zu verschließen.
Neuerdings wird von der Firma H. Hauptner, Berlin NW r . 6,
ein kleines Instrument in den Handel gebracht, das demselben
Zwecke dient und den Vorzug einer äußerst bequemen Anwendungs¬
weise hat. Das Instrument, das als „LuftrÖhrenklemme“ (D. R G. M.
Preis 1 M. pro Stück) bezeichnet wird und von einem Schlachthof¬
tierarzte erfunden w r orden ist, besteht aus einem Federbügel mit
zwei gerippten Enden, die in der Ruhestellung fest aufeinander
liegen und durch einen Druck auf den Bügel von einander entfernt
werden, ähnlich wie die Comctpinzetten bei bakteriologischen
Arbeiten.
Bevor nun die Tiere in den Brühkessel gebracht werden, wird
der Schlachtschniit am Halse nach hinten zu etwas erweitert, so
daß man die linke Hand einführen und die I^uftröhre zwischen den
Fingern fühlen kann. Alsdann wird mit der rechten Hand die
Klemme in die Schlachtwunde eingeführt und über dio Luftröhre
geklemmt. Dort bleibt sie, bis das Tier aus dem Brühkessel her¬
ausgenommen worden ist.
Die Anbringung d r Klemme ist nur ein Handgriff und nimmt
wenige Sekunden in Anspruch. Durch die Verunreinigung der
Schweinelungen mit Brühwasser entstehen in Deutschland jährlich
nennenswerte Verluste. Diese können durch die Anwendung der
Luftröhrenklemme erspart werden.
Feilhalten von verdorbenen Nahrungsmitteln.
In Bochum wurde der Metzger Z. wegen Feilhaltens ver¬
dorbener Nahrungsmittel mit 60 M. Geldstrafe verurteilt. Mettwurst,
Blutschwartemagen w’aren von dem Chemiker Dr. Sondhorst ent¬
nommen, welche faul, modrig und demnach völlig ungenießbar
waren. Der Schwartemagen war aus Schlachthofabfällen hergerichtet,
welche sich der Z. von Kopfsohlächtern zu verschaffen gewußt
hatte. Die Berufung bei der Strafkammer wurde verworfen. — In
Bochum wurde auch vor kurzem ein spezialistisch aus¬
gebildeter Polizeitierarzt angestellt.. Im tierärztlichen
Standesinteresse liegt es, daß dergleichen Revisionen
animalischer Nahrungsmittel auch von Fachangehörigen
vorgenommen werden, für die sie in allererster Linie
zuständig bleiben müssen. Dr. G.
Paratyphus.
Vom Infanterie-Regiment Nr. 166 erkrankten 43 Mann nach
dem Genuß von Leberwurst unter Vergiftungserscheinungen. Als
Ursache wurde eine Paratyphus-Infektion ermittelt.
Fleischvergiftung.
Nach dem Genuß von Schinken erkrankte eine Familie aus
Oppeln an einer Fleischvergiftung. Von den vier Personen sind
zwei gestorben.
Fleischhackmaschinen für den Feldgebrauch.
Seitens der Militärbehörden werden Versuche angestellt, eine
Fleischhackmaschine für die Truppen zum Gebrauch im Felde zu
erproben. Da eine solche Hackmaschine in einer Stunde 60 kg
Fleisch zerkleinern kann, würde die Ernährung der Truppen viel¬
seitiger werden und eine bedeutende Förderung erfahren können.
Fleischsaft Puro.
Der als Nährmittel dienende Fleischsaft „Puro“ soll ausschließlich
Eiereiweiß (kein Fleischeiweiß) und Lezithin enthalten. Die An¬
gelegenheit wirbelt viel Staub auf. Dr. G.
Personalien.
Vakanzen.
Auszeichnungen: Es wurden verliehen dem Professor an der Kgl.
tierärztlichen Hochschule zu Dresden, Meditinalrat Dr. Röder, von
S. Kgl. Hoheit dem Herzog von Sachsen-Koburg und Gotha das
Ritterkreuz I. Klasse des Sachsen-Ernestinischen Hausordens, dem
Professor Dr. St-kmallx -Berlin der preüß. Kronenorden III. Klasse,
dem Stabsveterinär Schmidt im 1. Garde-Drag.-Regt das Ehrenkrenz
dritter Klasse des Fürstlich Hohenzollernschen Hausordens.
Ernennungen: Hofrat Professor Dr. Albrrckt aufs neue für drei
Jahre zum Direktor der Tierärztlichen Hochschule in München. —
Verspätet: Oberamtstierarzt Dr. ÄiW/arrf-Freudenstadt zum ord.
Professor für Seuchenlehre, Veterinärpolizei, Geburtshilfe, Fleisch¬
beschau und ambulatorische Klinik an der Tierärztlichen Hochschule
in Stuttgart, PHvatdozent am Polytechnikum zu Zürich Dr Ulrich
Duerst zum außerordentlichen Professor für Tierzucht, Hygiene,
Beurteilungslehre und gerichtliche Tierheilkunde an der veterinär¬
medizinischen Fakultät zu Bern. — Tierarzt Erich Äw/>pcr/-Brockau
wurde mit den kreistierärztlichen Geschäften in Adelnau beauftragt,
Friedrich ÄzcA&r-Freiburg zum Schlachthofassistenztierarzt in Nürn¬
berg ernannt.
Niederlassung: Tierarzt Engen Gangloff aus Saarlouis in Waging,
Bezirksamt Laufen, Magnus Conradus in Eisenach. — Verzogen:
Die Tierärzte Schmeller-Gra.t\mg als bezirkstierärztlicher Assistent
nach Markt-Oberdorf, Peter Conradi aus Eigendorf als Assistent des
Kreisveterinärarztes nach Schotten (Oberhessen) August Bucht aus
Eichstätt als Vertreter des Tierarztes Scholtyssek bis Ende Februar
nach Peiskretscham bei Gleiwitz (Ober-Schlesien).
Promoviert: Tierarzt Paul /7cwc«^o/wp-Münster zum Dr. med. vct.
in Bern.
Approbiert: Die Herren Joh. Ziegcrt aus Gr.-Jablau in Berlin,
Felix Bertel aus Wiesbaden und Albert IlaUer aus Mühlau in Gießen,
Friedrich Lücke aus Kleinmühlingen und Arthur Vrüse aus Magdeburg
in Hannover.
ln der Armee: Versetzt: Oberveterinär Moguitx im Ulan.-Rgt.
Nr. 2 zum Drag.-Rgt. Nr. 8
Todesfälle: Oberveterinär a. D. Hein in Hochkretscham, Tierarzt
Julius Bauch in München.
Kreistierarztstellen: a) Neu ausgeschrieben: Reg.-Bez.
Kassel: Ziegenhain. Bewerbungen innerhalb 3 Wochen an den
Regierungs-Präsidenten. — b) Nach Ablauf der Meldefrist
noch unbesetzt: Reg.-Bez. Düsseldorf: Mettmann. — Rcg-
Bez. Koblenz: Mayen. — Reg.-Bez. Köln: Rheinbach. — Reg.-
Bez. Osnabrück: Lingen. — Reg.-Bez. Posen: Koschmin.
Schlachthofstellen: a) Neu ausgeschrieben: Lippstadt:
Verwalter, baldigst. Gehalt 2500 bis 4000 M., freie Wohnung usw.
Privatpraxis nicht gestattet. Meldungen bis 18. November an den
Magistrat. — b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbe¬
setzt: Bitburg: Tierarzt, 1600 M. — Frankfurt a. M.: Tierarzt,
2500 M. — Hannover: Tierarzt, 2400 M. bis 4100 M. — Stargard
(Pom.): Assistenztierarzt, 1800 M. — Wittstock (Dosse):
Assistenztierarzt, 150 M. monatlich.
(Nach Redaktionsschluß eingdroffttt 4
64. General-Versammlung des tierärztlichen Zentralvereins für die
Provinz Sachsen, die Anhaitischen und Thüringischen Staaten.
am Sonntag, den 15. November 1908, mittags 12'/ 4 Uhr zu Magde¬
burg im Caf6 „Hohenzollern“, Breite weg Nr. 139.
T agesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten.
2. Herr Veterinärrat Pirl-Dessau: „Über d e Faulbrutscuclie
der Bienen“.
3. Herr Dr. H. Raebiger-Hallo a. S.: „Einige in der Praxis
angestellte Versuche zur Bekämpfung der Bienenbrutpest“.
4. Herr Dr. Burow-Halle a. S.: „Über mein neues Impfverfahren
zur Behandlung der Lungentuberkulose der Rinder und des
Menschen“.
5. Fragen aus der Praxis.
Nach der Versammlung findet ein gemeinsames Mittagessen
(Gedeck 3 M.) statt. Anmeldungen hierzu an Herrn Kollegen
Gundelach in Magdeburg spätestens bis zum 11. November er.
erbeten.
Der Vorsitzende: Der Schriftführer:
Disselhorst. H. Raebiger.
Verantwortlich für den Inhalt (uxkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard School» in Berlin. —
Druck von W. BUxenstcin. Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift" erscheint
wöchentlich tan Verlege tob Richard Schoelz in
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe tum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 P£ für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert. (Österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Mk., In Petltsatx mit
00 Bk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen belieb« man
zu senden an Prof. Dr. Scbraaltz, Berlin. Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Luisenstrafie 56. Korrekturen.
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen %n die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Professor Rlage Veterinärrat Dr. Lothe«
Hamburg. Departements-T. in Cöln.
Med.-Rat Dr. Boeder
Professor in Dresden.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Ber^n
Verantwortlicher Redakteur.
Dr. Schlegel
Professor ln Freiburg.
Professor Dr. Peter
8taatstierarst für Hamburg.
Dr. J. SohRlidt Ober-Reg.-Rat Dr. Vogel
Professor in Dresden. Landestierarzt in München.
Veterinärrat Peters
Departements T. in Bromberg.
Veterinärrat Preuße
Departements-T. in Danzig.
Wehrte
Kais. Regierungsrat in Berlin.
Dr. Richter
Professor ln Dresden.
Helfer
Scblacbth .-Direktor ln Mfilhanten i. EL
Dr. H. Sieber
i Tropeninstitut in Hamburg.
Dr. Stödter
Stadt-Tierarzt in Hamburg.
Dr. Trapp
am Kaiser Wilhelm-Institut In Bromberg.
Zündel
Kreistierarzt in Mülhausen i. EL
Dr. Zimmermann
Dozent ln Budapest
Jahrgang 1908. _ Jfä 46. _ Ausgegeben am 12. November.
Inhalt: Frosch und Nevermann: Weitere Mitteilung zur Piroplasmose der Schafe (Sonnenberg). — Andrejew: Versuche
über Wirkung und Natur des Suptol Dr. Burow als Mittel zur Bekämpfung der akuten and chronischen
Schweineseuche. — Hillerbrand: Schlimme Erfahrungen mit Suptol - Burow. — Ripke: Schweineseuche. —
Schlegel: Neoplasmen in den Nebennieren und accessorischen Nebennieren beim Pferd und Rind. —
Tageegeechichte: Schmaltz: Die Vertagung der Militärveterinärreform. — Militaria. — Protokoll über die am 14. Juni 1908
im Bakteriologischen Institut der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen zu Halle a. S. abgehaltene 63. General¬
versammlung des Tierärztlichen Zentralvereins für die Provinz Sachsen, die anhaitischen und thüringischen Staaten. —
Francke: Die 80. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln. (Fortsetzung.) — Verschiedenes. — Nahrungs¬
mittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel: Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Kritiken. —- Personalien. — Vakanzen.
Weitere Mitteilung zur Piroplasmose der
Schafe (Sonnenberg).
Von
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. P. Froech und Reg.- und Vet.-Rat Nevermann.
ln .Nr. 35 dieser Zeitschrift haben wir in einem Zusatz zu
dem Artikel von Sonnenberg weitere Untersuchungen über die
von ihm, angeblich bei der Brad-
sotkrankheit, nachgewiesenen Ein¬
schlüsse der roten Blutkörperchen
in Aussicht gestellt. Schon in
dieser ersten vorläufigen Äußerung
hoben wir hervor, daß der Mangel
an Ghromatin sowie gewisse Form-
unterschiede gegenüber den bis¬
her bekannten Piroplasmen uns
die Deutung der Gebilde in diesem
Sinne erschwere. Die weitere
Untersuchung der Frage hat unsere
Zurückhaltung durchaus gerecht¬
fertigt, insofern wir diese Ein¬
schlüsse weder für Piroplasmen
noch überhaupt für Parasiten halten
können. Unsere Untersuchungen
wurden bei der Bedeutung, die
eine derartige Beobachtung immer¬
hin besitzen konnte, an dem Mate¬
rial des Herrn Sonnenberg selbst vorgenommen. Es bestand ans
drei spontan erkrankten und zwar chronisch kranken Schafen, sowie
zwei mit dem Blute dieser geimpften noch gesnnden Schafe, die
dem Hygienischen Institut von Herrn Sonnenberg überlassen
wurden. Die geimpften Schafe sind dauernd gesund geblieben;
in ihrem Blnte konnten bei täglicher Untersuchung derartige
Zelleinschlüsse nicht beobachtet werden. Bei den kranken
Tieren wurden diese Blutkörperchen-Einschlüsse jedoch regel¬
mäßig bis zu dem spontan erfolgten Tode nachgewiesen. Bei
vergleichender Untersuchung dieser Gebilde ergab sich folgendes :
Chromatin wurde, wie nochmals hervorgehoben sei, auch bei
Benutzung verschiedener Färbmethoden niemals in ihnen gefunden.
Für Kunstprodnkte (Farbstoffniederschläge usw.) konnten sie
auch nicht gelten, denn sie fanden sich nur in den roten Blut¬
körperchen, nicht außerhalb der¬
selben und fehlten in den Kontroll-
präparaten. Über die morpholo¬
gischen Verhältnisse, Anordnung
und Zahl innerhalb der roten Blut¬
körperchen usw. geben die beige-
fügten Photogramme Aufschluß.
Hierzu ist zu bemerken, daß sehr
zahlreiche Blutkörperchen befallen
waren, und daß namentlich diö
Anordnung zu zweien und zu vieren
(Fig. 1 und 4, 3, 5, 6) sehr häufig
angetroffen wurde, ein Befund, der
zusammen mit der relativen Größe
dieser Gebilde die äußere Ähn¬
lichkeit mit der Piroplasmose be¬
dingt. Des weiteren wurden aber
auch Formen wie Fig. 5 und 3 be¬
obachtet, die zwar der Größe nach
noch für Piroplasmosen gelten
konnten, aber schon nicht mehr der Zahl nach, ganz abgesehen
davon, daß alle diese Gebilde bei der feineren Differenzierung
überhaupt nicht die den Piroplasmen eigentümliche Form und
Gestalt zeigten. Außerdem aber fanden sich auch Blutkörperchen
mit mehr wie 4 Körnchen und zwar bis zu 10 oder 12. Und dabei
ergab sich, daß mit zunehmender Anzahl der Durchmesser der
einzelnen Körnchen immer kleiner wurde (cf. Fig. 1, 5, 7).
Diejenigen Blntscheiben, die die meisten und gleichzeitig
Fig. 4.
Fig. 2.
Fig. 5.
Fig. 7.
818
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOC HENSCHRIFT.
No. 46.
kleinsten Körnchen enthielten, unterschieden sich nicht mehr in
ihrem Aussehen von derjenigen Veränderung, die als basophile
Körnelung der roten Blutkörperchen bekannt ist und vorzugs¬
weise bei schweren Anämien beobachtet wird. Nach diesem
Gesamtergebnis schien es nahezu sicher, daß hier eine besondere
Form der basophilen Körnelung vorlag, ausgezeichnet durch das
ungewöhnliche Überwiegen und massenhafte Auftreten weniger
und dabei relativ großer Körner (Fig. 1 ). In diesem Urteil
bestärkte uns endgültig der Obduktionsbefund der verendeten
Schafe. Er ergab ein völliges Fehlen irgend welcher Ver¬
änderungen, die für Bradsot angesprochen werden konnten,
dafür aber eine schwere und allgemeine Anämie sämtlicher
Organe und ein massenhaftes Vorkommen von Strongyliden im
Labmagen, bei allen drei Tieren. Wenn man diese tödliche
Anämie auf Rechnung der Strongyliden setzt, so entbehrt dieser
Befund, wenn er auch nicht die Behauptung von Sonnenberg
bestätigt, doch nach einer anderen Richtung nicht des Interesses
und der Neuheit. Es ist bekannt, daß bei den Hämatozoen-
krankheiten — Malaria, Texasfieber, Dourine, Nagana usw. —
derartige Tüpfelungen der roten Blutkörperchen Vorkommen, oft
alternierend mit dem Auftreten der Parasiten selbst. Der
Schluß liegt nicht fern, darin eine Giftwirkung der Parasiten
bei diesen Blutkrankheiten auf das Blut oder die blutbereitenden
Organe zu erblicken. Es war dagegen unseres Wissens bis jetzt
nicht bekannt, daß auch Entozoen derartige Veränderungen
oder Vergiftungserscheinungen des Blutes hervorrufen können.
Deshalb bildet diese, von Sonnenberg allerdings gedeutete
Beobachtung einen vielleicht nicht uninteressanten Beitrag zu
den bekannten neueren Versuchen, eine Giftwirkung auch bei
entozoi'schen Parasiten nachzuweisen.
Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin.
Versuche Uber Wirkung und Natur des Suptol
(Jr. Burow als Mittel zur Bekämpfung der akuten
und chronischen Schweineseuche.
Von Paul Andrejew, Magister der Veterinär-Medizin.
Das unlängst im Handel erschienene, Suptol genannte, neue
Präparat zur Bekämpfting der akuten und chronischen Schweine¬
seuche, soll nach einer vorläufigen Mitteilung des Erfinders,
Dr. Burow-Halle a. S., „die Schweineseuche in allen Formen
zu bessern oder zu heilen“ vermögen.
Diese Aufsehen erregende Veröffentlichung ließ es wünschens¬
wert erscheinen, das von Burow als ein Bakterienpräparat be-
zeichnete Mittel näher zu studieren. Ich habe mich daher auf
Anregung des Herrn Geh. Med. Rat Prof. A. Wassermann in
nachfolgendem bemüht, die Wirkung des Suptols an kleinen
Versuchstieren zu prüfen und hierbei gleichzeitig seine Natur
zu erforschen. Zu diesem Zwecke habe ich folgende drei Fragen
zu lösen gesucht:
1 . Hat Suptol eine heilende oder immunisierende Wirkung
hei kleinen, für Schweineseuche empfänglichen Versuchstieren?
2. Ist Suptol ein Aggressin?
3. Wie ist die chemotaktische Wirkung des Suptols auf
Leukozyten?
Um zu ermitteln, ob Suptol eine heilende oder immunisierende
Wirkung bei kleinen, für Schweineseuche empfänglichen Versuchs¬
eren zu entfalten vermag, wurde zunächst die tödliche Dosis
der zu den Versuchen verwendeten 24 ständigen Schweineseuche-
Agarkultur bei weißen Mäusen und Meerschweinchen festgestellt.
Hierbei ergab sich, daß die mit Viooo, l l ioooo und Vtoooeoo
Ösen Kultur subkutan geimpften weißen Mäuse sämtlich starben.
Von den in gleicher Weise mit Vio ~ ' ioooo Ösen Kultur
geimpften Meerschweinchen zeigte sich, daß Vso Öse Meer¬
schweinchen innerhalb zwei Tagen, geringere Dosen etwa nach
einer Woche töteten.
Nachdem so zunächst die Virulenz der zu den nachfolgenden
Versuchen benutzten Schweineseuche - Agarkulturen für Meer¬
schweinchen ermittelt war, wurde nunmehr die Wirkung des
Suptols an sich, das heißt seine Virulenz an Meerschweinchen
geprüft.
Ich verimpfte an 5 Meerschweinchen je 3 ccm Suptol sub¬
kutan. Diese Einspritzungen von Suptol wurden von sämtlichen
5 Tieren ohne merkliche Reaktion vertragen. Die Meerschweinchen
blieben andauernd munter und verloren nicht einmal ihren Appetit.
Demnach erwies sich Suptol in relativ großen Mengen bei
subkutaner Verimpfung für Meerschweinchen als völlig un¬
schädlich, als avirulent.
Nach diesen Vorversuchen prüfte ich die Frage einer
Aggressinwirkung des Suptols.
Zu diesem Zwecke wurde in 6 Versuchsreihen je 1 Meer¬
schweinchen subkutan zunächst mit 3 ccm Suptol und darauf 1 / a Stunde
später je mit absteigenden Dosen einer 24 Stunden alten Schweine-
seuche-Agarkultur, gleichfalls subkutan geimpft. Das jedesmalige
Kontroll-Meerschweinchen erhielt kein Suptol, sondern nur die
entsprechende Dosis Schweineseuche-Agarkultur.
Die nachstehend aufgeführten Meerschweinchen von mittlerer
Größe erhielten dementsprechend folgende Einspritzungen:.
Versuch I.
Versuchs-Meerschweinchen Nr. 1 : 3 ccm Suptol und V* Stunde
später ‘/so Öse Kultur.
Kontroll-Meerschweinchen Nr. 2: ohne vorherige Suptol-
Einspritzung Vso Öse Kultur;
Versuchsergebnis: Versuchs-Meerschweinchen Nr. 1 und
Kontroll-Meerschweinchen Nr. 2 fielen beide am 1 . Tage nach
der Impfung.
Versuch II.
Versuchs-Meerschweinchen Nr. 3: 3 ccm Suptol und Va Stunde
später Viou Öse Kultur.
Kontroll-Meerschweinchen Nr. 4: Ohne vorherige Suptolein-
spritzung V 100 Öse Kultur.
Versuchsergebnis: Versuchs-Meerschweinchen Nr. 3 fiel
am 6 . Tage.
Kontroll-Meerschweinchen Nr. 4 am 3. Tage nach der Impfung.
Versuch III.
Versuchs-Meerschweinchen Nr. 5: 3 ccm Suptol und Va Stunde
später V 153 Öse Kultur.
Kontroll-Meerschweinchen Nr. 6 : Ohne vorherige Suptolein-
spritzung V 150 Öse Kultur.
Versuchsergebnis: Versuchs-Meerschweinchen Nr. 5 fiel
am 6 . Tage.
Kontroll-Meerschweinchen Nr. C fiel am 1 . Tage nach der
Impfung.
Versuch IV.
Versuchs-Meerschweinchen Nr. 7: 3 ccm Suptol und Va Stunde
später Vr.ft Öse Kultur.
12. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
819
KontroU-Meer8chweinchen Nr. 8: Ohne vorherige Suptolein-
spritzung Väco Öse Kultur.
Versuchsergebnis: Versuchs-Meerschweinchen Nr. 7 fiel
am 3. Tage.
Kontroll-Meerschweinchen Nr. 8 fiel am 6. Tage nach der
Impfung.
Versuch V.
Versuchs-Meerschweinchen Nr. 9: 3 ccm Suptol und '/* Stunde
später V*oo Öse Kultur.
Kontroll-Meerschweinchen Nr. 10: Ohne vorherige Suptol-
einspritzung Vaoo Öse Kultur.
Versuchsergebnis: Versuchs-Meerschweinchen Nr. 9 fiel
am >2. Tage.
Kontroll-Meerschweinchen Nr. 10 fiel am 1. Tage nach der
Impfung.
Versuche VI.
Versuchs - Meerschweinchen Nr. 11: 3 ccm Suptol und
Va Stunde später V 300 Öse Kultur.
Kontroll-Meerschweinchen Nr. 12: Ohne vorherige Suptol-
einspritzung Vaoo Ö 8e Kultur.
Versuchsergebnis: Versuchs - Meerschweinchen Nr. 11 |
fiel am dritten Tage,
Kontroll-Meerschweinchen Nr. 1*2 fiel gleichfalls am dritten
Tage nach der Impfung.
Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß bei Meerschweinchen
dss Suptol keine infektionserhöhende, also aggressive Wirkung
ausübte. Ebenso zeigten diese Versuche, daß bei Meerschweinchen,
obgleich sie gegenüber Schweineseuche wenig empfindlich sind,
die kurz vor der Infektion erfolgende Suptolinjektion selbst bei
Verwendung unverhältnismäßig großer.Düsen (3 ccm), gegen die
Ansteckung mit Schweineseuche nicht schützt, wiewohl nach der
Angabe von Dr. Burow schon 5 ccm dieses seines Bakterien¬
präparates für Schweine aller Größen zur vollständigen Heilung
selbst akut kranker Schweine genügen sollen.
Zwar erfolgte in Versuch II und III der Tod, der mit
Suptol vorbehandelten Versuchs-Meerschweinehen Nr. 3 und 5
einige Tage später als bei den nicht vorbehandelten Kontroll¬
ieren Nr. 4 und 6. Da indes das Versuchs-Meerschweinchen Nr. 9
nur einen Tag später als das Kontrollier Nr. 10, ferner das
Versuchs-Meerschweinchen Nr. 11 zu gleicher Zeit mit dem
Kontrollier Nr. 12, endlich das Versuchs-Meerschweinchen Nr. 7
sogar drei Tage früher als das Kontroll-Meerschweinchen Nr. 8
einging, so läßt sich schlechterdings aus diesen Versuchs¬
ergebnissen nicht folgern, daß das Suptol bei Meerschweinchen
eine schützende Wirkung gegenüber der Schweineseucheninfektion
ausgeübt hat.
Der erwähnte protrahierte Verlauf bei den Versuchs-Meer¬
schweinchen Nr. 3 und 5 ist somit aller Wahrscheinlichkeit
nach lediglich auf besondere individuelle Eigenschaften dieser
Tiere zurückzuführen.
Nachdem diese Versuche also eine schützende Wirkung des
Suptols bei rascher Infektion mit Schweineseuche nicht hatte
erkennen lassen, prüfte ich nunmehr, ob und inwieweit dem
Präparat eine schützende, immunisierende Wirkung diesen
Versuchstieren gegenüber innewohnt, wenn man das Präparat
längere Zeit vorher injiziert.
Hierzu wurden fünf Meerschweinchen mit je 3 ccm Suptol
subkutan geimpft und dann zwei Stück nach neun Tagen sub¬
kutan mit Viöo Öse Schweineseuche-Agarkultur infiziert.
Beide Meerschweinchen gingen am nächsten Tage ein.
Das dritte und vierte Meerschweinchen wurde nach 14 Tagen
mit je V 500 Öse subkutan infiziert und ging gleichfalls am folgenden
Tage ein.
Das fünfte Meerschweinchen, das nicht infiziert wurde,
sondern zur Kontrolle nur Suptol erhalten hatte, blieb natürlich
gesund. Auch die eingegangenen vier Tiere hatten sich bis
zum Tage der Kulturinfektion völlig gesund gezeigt.
Hieraus ergibt sich, daß Suptol, Meerschweinchen in großen
Dosen subkutan eingespritzt, gegen künstliche Schweineseuche-
Infektion nicht zu immunisieren vermag.
Zur Beantwortung der anderen Frage: „Wirkt Suptol be¬
sonders stark auf die opsonischen Vorgänge im Organismus?“
wurden nachstehende Versuche angestellt :
Vier Meerschweinchen erhielten intraperitoneal folgende
Einspritzungen:
Meerschweinchen Nr. 1: 1 Öse 24 ständige Schweineseuche-
Agarkultur + 0,1 Suptol.
Meerschweinchen Nr. 2: 1 Öse 24 ständige Schweineseuche-
Agarkultur + 0,1 Aggressin, künstlich nach Wassermann
I und Citron, aus Schweineseuche-Kultur hergestellt.
Meerschweinchen Nr. 3: 1 ccm Bouillon und
Meerschweinchen Nr. 4: 1 Öse 24 ständige Schweineseuche-
Agarkultnr.
Das für Meerschweinchen Nr. 1, 2 und 4 verwendete In¬
jektionsmaterial wurde mit Bouillon auf je 1 ccm aufgefüllt.
Eine halbe Stunde nach jeder Einspritzung wurde mittelst
Kapillarröhrchen Peritonealflüssigkeit zwecks mikroskopischer
Prüfung entnommen. Meerschweinchen Nr. 3 zeigte nur schwache
Leukozytosis, Meerschweinchen Nr. 1 und 2 eine etwas stärkere
und endlich Nr. 4 eine stark ausgeprägte Leukozytosis.
Somit konnte auch in dieser Beziehung von dem Suptol
nichts beobachtet werden, was als wissenschaftliche Handhabe für
eine etwaige Heilwirkung dieses Mittels betrachtet werden könnte.
Nach einer Stunde ergab der Peritonealinhalt folgenden
mikroskopischen Befund:
Meerschweinchen Nr. 3: starke Leukozytosis,
„ Nr. 4: schwächer ausgeprägte Leukozytosis
als Va Stunde zuvor.
Meerschweinchen Nr. 1 und 2: noch schwächere Leukozytosis
als Meerschweinchen Nr. 4.
Schließlich wurde die letzte Frage: Wie ist die chemo¬
taktische Wirkung des Suptols? geprüft.
Zu diesem Zwecke wurden vier kleine, sterile Kapillar¬
röhrchen, eins mit Suptol, das zweite mit künstlichem Aggressin
(aus Schweineseuche-Kultur hergestellt), das dritte mit einer
bei 00° C. abgetöteten Schweineseuchebakterien-Aufschwemmung,
das vierte mit Bouillon gefüllt, und jedes in eine Tasche unter
die Haut je eines Kaninchens eingeführt. Die eine Öffnung der
Kapillarröhrchen wurde mit Paraffin verstopft, die zweite blieb
offen. Die Hautwunden wurden mit Watte und Kollodium luft¬
dicht abgeschlossen.
Nach 24 Stunden wurden die Röhrchen wieder heraus¬
genommen und die am offenen Ende befindlichen, aus ein¬
gedrungenen Leukozyten gebildeten Pfröpfchen miteinander ver-
verglichen. In den beiden mit Suptol und Agressin gefüllten
Röhrchen waren die Leukozytenpfröpfchen bedeutend kleiner
als die in den beiden anderen, mit den abgetöteten Bakterien
und mit Bouillon beschickten Kapillarröhrchen,
No. 46.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
H20
Auf Grund der vorstehenden Untersuchungen erscheint das
Suptol als ein Präparat, an dem experimentell-wissen¬
schaftlich keinerlei Merkmale für eine günstige Beein¬
flussung der Schweineseuche-Infektion sich nachweisen
lassen. Es ist in dieser Hinsicht den keimfreien Bakterien¬
extrakten nach Wassermann, Ostertag, Citron, weit unter¬
legen, da diese, wie von allen Autoren bestätigt wurde und
wie man sich leicht überzeugen kann, im Experimente mit
Sicherheit gegen Schweineseuche-Infektion immunisieren d. h.
schützen, was das Suptol niemals leistet.
Schlimme Erfahrungen mit Suptol-Burow.
Im Aufträge meines Herrn Vaters, des k. Bez.-Tierarztes N. Hiller¬
brand-Wasserburg a. Inn, von Norbert Hillerbrand, cand. med. vet.
In dem Schweinebestand eines größeren Gutes hiesiger
Gegend waren in den letzten Jahren die verschiedenen Heil-
und Schutzmittel gegen chronische Schweineseuche erfolglos
versucht worden. Zu einem kürzlich gemachten Versuch mit
Suptol-Burow war namentlich der Umstand maßgebend, daß in
den Anpreisungen die völlige Unschädlichkeit, das Fehlen jeder j
unangenehmen Nebenwirkung für gesunde wie kranke Tiere
hervorgehoben wird. Die Erfahrung aber, die wir mit dem
Serum machen mußten, widersprechen dem vollständig.
In dem bereits erwähnten Gehöft wurden am 19. August
d. J. fünf Ferkel mit Suptol geimpft. Die Tiere erhielten der
Vorsicht gemäß je 5 ccm Serum subkutan an der Innenfläche
des rechten Hinterschenkels. Von den geimpften Schweinen
war keins ein ausgesprochener Kümmerer, sie zeigten nur
geringen Husten, fraßen nicht so gut und waren nicht so
munter wie die übrigen Ferkel des Bestandes; Ekzeme fehlten.
Am 26. August telephonierte der Besitzer, daß eins der ge¬
impften Tiere so schwer erkrankt sei, daß er es töten lassen
will. Das Ferkel atme sehr heftig und dränge unter Taumeln
ständig vorwärts. Bei der am nächsten Tage vorgenommenen
Fleischbeschau konnte außer einigen grauroten Entzündungs¬
herden in der Lunge nichts Pathologisches festgestellt werden.
In dem Befinden der übrigen vier Ferkel war weder eine
Besserung noch eine Verschlimmerung eingetreten. Sie er¬
hielten an diesem Tage nochmals je 5 ccm Serum, außerdem
noch ein weiteres Ferkel, das die letzten Tage auffallend
schlecht gefressen hatte. Sonst zeigte das Tierchen keinerlei
Krankheitssymptorae. Bereits am nächsten Tage telephonierte
der Besitzer, daß das letzterwähnte Stück unter den gleichen
Erscheinungen erkrankt sei wie das geschlachtete. Bei meinem
Eintreffen lag das Ferkel, äußerst rasch und angestrengt
atmend, im Stalle. Beim Auftreiben machte es sofort den
Versuch, sich zu erheben, doch gelang ihm dies nur mit den
Vorderfüßen, mit dem Hinterkörper fiel es immer wieder auf
die linke Seite, so daß es sich, mit den Vorderbeinen stehen
bleibend, wie ein Karussell im Kreise bewegte. Nach längeren
Versuchen kam es dann auch mit der Nachhand zum Stehen
und schritt einige Meter taumelnd weiter. Ich impfte das Tier
noch im Stehen in die Hautfalte hinter dem Ohr mit 5 ccm
Serum, worauf es bald wieder ermattet umsank. Sein Zustand
verschlimmerte sich von da ab zusehends, und bereits während
der Nacht trat der Tod ein. Bei der am nächsten Morgen
vorgenommenen Sektion fand sich die Lunge, namentlich deren
Vorderlappen, entzündlich — grnnrot verändert, die Pleura
pulmonalis mit der PI. costalis verlötet, namentlich in der
Gegend des Diaphragmas, ebenso war der Herzbeutel mit dem
Herzen verfötet. Die übrigen Eingeweide waren anatomisch
nicht verändert.
Trotz dieses gewiß wenig ermunternden Ausganges unserer
ersten Suptolimpfung wurde das Mittel noch an den Schweinen
eines anderen Gutes versucht. Der betreffende Besitzer hatte
sechs Ferkel, die sich schlecht nährten, wenig Freßlust zeigten,
vollständig mit Ausschlag bedeckt waren, doch wenig husteten.
Eines der Tiere war ein ausgesprochener Kümmerer, gegen
seine Kameraden weit in der Entwicklung zurück. Am
31. August wurden diese sechs Ferkel geimpft. Die nächsten
Tage war an den Tieren • eine Abnahme des Juckreizes der
Ekzeme zu beobachten, der übrige Befund war der gleiche.
Am Abend des 3. September begann der erwähnte Kümmerer
stark zu atmen und zeigte nach dem Erzählen der Stallmagd
genau die gleichen Symptome wie die auf dem ersten Gute
eingegangenen Ferkel. Noch im Laufe der Nacht war das Tier
verendet, und bei meinem Eintreffen am nächsten Morgen leider
bereits verbrannt worden.
! Will man diese Erscheinungen nun als plötzliches Auf-
flackem der Seuche in akuter Form oder als direkte Vergiftung
durch im Heilmittel etwa doch enthaltene chemische Bestand¬
teile betrachten, sicherlich bezeugen sie, daß Suptol-Burow In
der Anwendung nicht so harmlos ist, als wie es hingestellt
wird. Erwähnen möchte ich noch, daß das Serum, das vor¬
schriftsmäßig kühl und dunkel aufbewahrt wurde, keinerlei An¬
zeichen von Zersetzung, wie Trübung oder Bodensatz, er¬
kennen Heß.
Schweineseuche.
Von Tierarzt Ripke-Pogorzela.
AnschHeßend an die in der letzten Zeit über den neuen
Impfstoff Suptol in der Fachpresse erschienenen Arbeiten, so
auch diejenige des Herrn Tierarztes Mucha-Kranowitz, in
Nr. 22 der B. T. W., kann auch ich über günstige Impf¬
ergebnisse mit Suptol nicht berichten. Bei der ersten Anwendung
glaubte ich den Mißerfolg dem Umstande zuschreiben zu müssen,
daß eine Mischinfektion mit Schweinepest vorlag, weshalb ich
in drei anderen Tierbeständen weitere Versuchsimpfungen aus¬
führte. Aber auch hier konnte ich einen Erfolg nicht konstatieren,
weshalb ich wieder auf die Impfung mit dem polyvalenten
Schweineserum nach Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Wassermann
und Geh. Regierungsrat Professor Dr. Ostertag zurückgriff.
Die von mir mit diesem Serum ausgeführten Impfungen
haben im Laufe der Zeit einen beträchtlichen Umfang ange¬
nommen, und ich muß sagen, daß mich das Resultat stets vollauf
befriedigte.
Auf Dominium P., in dem noch niemals geimpft worden
war, brach die akute Schweineseuche aus. Nach Räumung des
Bestandes und Neubesetzung im April d. J. mit eigener Zucht
aus Dominium S., welches auch die an Schweineseuche erkrankten
Tiere seiner Zeit geliefert hatte, und welches zu derselben
Herrschaft gehört, wurden die neu eingesteUten Ferkel sofort
mit Schweineseucheserum nach Geh. Medizinalrat Professor
Dr. Wassermann und Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Ostertag
geimpft und sind Verluste bis jetzt nicht vorgekommen; auch
überzeugte ich mich davon, daß der Gesundheits- ]Srnährungs-
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
821
_12. November 1908.
zustand der Tiere als ein vorzüglicher zu bezeichnen ist. Eine
Simultanimpfung mit Serum und Schweineseuchebazillenextrakt
zeitigte dasselbe gute Resultat. Ein einziger Wurf war
weniger widerstandsfähig, doch stellte sich heraus, daß derselbe
von einer tuberkulösen Sau stammte, so daß den Impfstoffen
eine Schuld nicht beigemessen werden kann.
Auf einem anderen Dominium S., welches früher unter
Schweineseuche ständig zu leiden hatte, so daß dort die Schweine¬
zucht geradezu in Frage gestellt war, impfe ich seit langer
Zeit mit obigem Schweineseuche-Serum, und ist der Erfolg ein
ganz ausgezeichneter. Während früher die größte Zahl der
Ferkel eigener Zucht verkümmerte und starb, ist der Gesund-
heits- und Ernährungszustand seit Vornahme der Impfung ein
vorzüglicher. Von den Ferkeln kann nur ein Teil zur Mästung
gestellt werden, ein großer Teil kommt, da der Stall nicht aus¬
reicht, zum Verkauf, während vordem noch Schweine zur Mast
angekauft werden mußten.
Dasselbe gute Resultat erzielte ich auf einem weiteren
Dominium P. Dortselbst starben fast alle Saugferkel bereits im
Alter von 14 Tagen bis 6 Wochen an akuter bzw. chronischer
Schweineseuche. Nach längerem Zureden ließ sich der äußerst
sparsame Besitzer endlich dazu bewegen, seine Ferkel mit dem
polyvalenten Schweineseuche-Serum impfen zu lassen. Von dem
am 2. Lebenstage geimpften Ferkeln starb kein einziges
mehr, während von den älteren Tieren, die wahrscheinlich be¬
reits stark infiziert gewesen waren, noch sechs starben.
Nachdem nun etwa a / 4 Jahre lang mit dem besten Erfolge
geimpft war, glaubte der Besitzer, ein den nach seinem Dafür¬
halten etwas zu kostspieligen Impfungen Abstand nehmen zu
können, er mußte aber bald einsehen, daß die Sparsamkeit hier
nicht angebracht war; denn prompt erkrankten die ersten nicht
geimpften Ferkel an der akuten Schweineseuche. Der betreffende
Besitzer hatte nun natürlich nichts Eiligeres zu tun, als mich
zu bitten, die Impfungen auch fernerhin auszuführen.
(Aus dem tierhygienischen Institut der Universität Freiburg i. Br.)
Neoplasmen in den Nebennieren und accessorischen
Nebennieren beim Pferd und Rind.
Von Prof. Dr. M. Schlegel in Freiburg i. Br.
(Fortsetzung und Schluß.)
Histologisches: Schnitte aus der linken Nebennieren¬
geschwulst und der Unken Niere haben gezeigt, daß es sich
um ein Hypernephroma sarcomatodes handelt. Das stark ge¬
wucherte Bindegeweb8stroma, welches massenhafte Spindelzellen,
auch glatte Muskelzellen, stellenweise auch Verschleimungen
aufweist, teilt sich in immer kleiner werdende Maschen und
fibrilläre Faserzüge, in deren Hohlräumen kleine Rundzellen,
spindelige Zellen und stellenweise auch noch Reste strangförmig
angeordneter EpithelzeUen mit bläschenförmigen Kernen ein¬
gelagert sind. Die Sarkomzellen sind durch deutlich entwickeltes
Zwischengewebe getrennt; die Schnitte bieten daher das Bild
eines gemischtzeUigen Sarkoms. Sowohl in den Interstitien als
auch in den Zellhaufen finden sich zahlreiche kleinere und
größere rundUche Einlagerungen von Kalksalzen. Die Schnitte
aus den kolloid entarteten Stellen zeigen geschichtetes, in Längs¬
fasern verlaufendes Fibrin und koUoide geronnene Eiwei߬
substanzen, welche oft durch flächen- und streifenförmige
hämorrhagische Herde getrennt sind; auch hier finden sich herd¬
förmig zahlreiche Kalksalze und Verknöcherungen eingelagert.
Die Metastasen in den Nieren gehen teils von den Gefäßen
des intertubulären Gewebes teils von den Gefäßen der Glomeruli
aus und enthalten kleine Rundzellen und spindelige Zellen. Die
Zellen zeigen in der Mitte der größeren Herde oft starken re¬
gressiven Zerfall. Unter der Nierenoberfläche und an anderen
Stellen des intertubulären Gewebes finden sich netzförmige Blut¬
extravasate und ektasierte Kapillaren. Die Harnkanälchen sind
zahlreich komprimiert oder durch Nierenzylinder verstopft. (Ein¬
sender: Oberveterinär Koßmag in Neubreisach).
IX. Fall:
Adenom beider Nebennieren von einer ca. 20 Jahre alten Kuh.
Die linke Nebenniere ist wenig vergrößert und besitzt an
der Grenze der Rinden- und Markschicht je einen wickenkorn¬
großen, blutigbraunroten Herd (kleinste Adenome). Die linke
Niere und Lymphdrüsen intakt.
Die rechte Nebenniere ist als solche noch zur Hälfte auf
einer straußeneigroßen, an der Oberfläche glatten, grauroten,
festweichen Geschwulst aufgewachsen, deren Schnittfläche stark
vorspringt und spärliches Stroma enthält. Die Schnittfläche ist
graugelb und rot gefleckt, gleichmäßig festweich. Die Geschwulst
zeigt einen durch die Wand der hinteren Aorta durchgebrochenen,
kastaniengroßen Pfropf, welcher als bläulichrötlicher Geschwulst¬
zapfen im Aortenlumen sitzt. Rechte Nierenlymphdrüse ver¬
größert, blutigbraunrot gefleckt. Rechte Niere intakt.
Histologisches: Die Kapsel und das Bindegewebsstroma be¬
stehen aus spärlich entwickelten Bindegewebszügen. In den
Hohlräumen der Bindegewebsmaschen finden sich zu Ballen oder
runden Säulen angeordnete epitheliale Zellhaufen mit bläschen¬
förmigen Kernen, deren Protoplasmaleib zumeist stark fettig in¬
filtriert oder in fettigem Zerfall begriffen ist. (Einsender:
Schlachthofverwalter Tierarzt Metz in Freiburg.)
X. Fall:
Adenosarcoma suprarenale der beiderseitigen Nebennieren
mit Metastasen in zwei Lendenlymphknoten bei einer Kuh.
Die linke Nebenniere ist in eine faustgroße, an der Ober¬
fläche glatte, auf dem Halbierschnitt schwarzbraun und rot
gefleckte, festweiche Geschwulst umgewandelt. Die rechte Neben¬
niere ist gänseeigroß, an der Oberfläche glatt, graurot, auf der
Schnittfläche stark vorspringend, grau und rot gefleckt und
durch gewuchertes Stützgerüst in bohnengroße Lappen geteilt.
Zwei mäßig vergrößerte Lendenlymphknoten enthalten je eine
linsen- und erbsengroße braunrötliche Geschwulstmetastase.
Histologisches: Das verbreiterte Stroma enthält unter zahl¬
reichen Spindelzellen auch glatte Muskelzellen und führt viele
spaltenförmig erweiterte Kapillaren; die Bindegewebszüge sind
stellenweise durch Infiltration von Rundzellenbaufen und Erythro¬
zyten stark verbreitert, wodurch die sarkomartige Beschaffenheit
besteht. In den Maschen des Stromas finden sich oft säulen-
oder ballenförmig angeordnete oder regellos gelagerte polygonale
oder rundliche, fetthaltige Drüsenepithelien. Die Metastasen
beider Lymphdrüsen sind ebenso gebaut: säulenartig oder regel¬
los gelagerte, rundliche oder polygonale, fettinflltrierte Drüsen¬
epithelien in kleineren oder größeren Hohlräumen, dazwischen
breite, aus Spindelzellen und zuweilen glatten Muskelfasern und
Rundzellen bestehende sarkomartige Gewebszüge (Adenosarkom,
Mischgeschwulst). (Einsender: Tierarzt Dr. Gersp ach-Rastatt.)
822
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46.
XI. Fall:
Adenokarzinom in der linken Nebenniere (mit Einbruch in
die Aorta und Durchbruch durch die Geschwulstkapsel), in vier
accessorischen Nebennieren, in drei regionären Lymphdrüsen
von einer Kuh.
Die kopfgroße Gesamtgeschwulst ist 18 cm lang, 12 cm
breit, 10 cm dick, wiegt l l / 2 kg und besteht aus einem kastanien-,
einem apfel- und einem kindskopfgroßen Teil. Die kindskopf¬
große Geschwulst der linken Nebenniere und die zwei kleineren
Geschwülste sind von einer dünnen fibrösen Kapsel umschlossen,
unter welcher sich bei der Hauptgeschwulst noch zirka die
Hälfte der normalen linken Nebenniere befindet. Die Farbe
der drei Geschwülste ist graurot mit dunkelblauen Flecken,
die Konsistenz weich bis fluktuierend; die Schnittflächen zeigen
ein mäßig gewuchertes Bindegewebsgerüst, in dessen Maschen-
w'erk sich zerfallene, braungraue bis graugelbe, stellenweise
auch schwärzliche, breiige Detritusmasse befindet. Dazwischen
sind linsengroße cystoide Hohlräume, welche teils mit getrübter
Flüssigkeit, teils mit dunkelbraunen oder gelbroten, homogenen,
transparenten, geronnenen Colloidherden gefüllt sind. Die
kindskopfgroße Hauptgeschwulst ist mit einem apfelgroßen Zapfen
in die Aorta eingebrochen, deren Lumen daselbst für eine Hand
passierbar ist und deren durch Druckatrophie papierdünn ge¬
wordene Ränder den Geschwulstzapfen lippenformig umfangen
halten. Die Hauptgeschwulst zeigt an der Oberfläche einen
erbsengroßen Durchbruch durch die Geschwulstkapsel.
Auf der Ventralfläche der Aorta und Hohlvene liegt vor
der Hauptgeschwulst die selbständige, apfelgroße, graublaue,
fluktuierende, buchtige Geschwulst, hervorgegangen aus einer
accessorischen Nebenniere; an deren vorderem Pol liegt nochmals
ein kastaniengroßer, gleichgearteter, aus einem weiteren ab¬
gesprengten Nebennierenkeim hervorgegangener Tumor. Ferner
finden sich am hinteren Rande der apfelgroßen Geschwulst noch
zwei bohnengroße, gleichgeartete, aus abgesprengten Neben¬
nierenkeimen entstandene Neoplasmen. Rechte Nebenniere intakt.
Drei regionäre Lymphdrüsen sind haselnuß- bis kastanien-
bis walnußgroß, blaurot; die Kapsel von Blutgefäßnetzen durch¬
zogen, die Schnittflächen graurot, mit dunkelbraunen, linsen¬
großen Geschwulstherden.
Histologisches: Schnittbilder aus der Hauptgeschwulst der
Nebennieren zeigen an der Peripherie eine fibröse Kapsel, unter
welcher zahlreich ausgebreitete Blutungen sich finden; von der¬
selben zieht ein durch Wucherung verbreitertes Stützgerüst in
das Geschwulstinnere. Die Septen bestehen aus fibrillärem,
stellenweise auch mit Muskelzellen untermischtem Stroma und
an vielen Stellen finden sich in letzterem auch lange spindel-
und sternförmige Zellen mit langen Protoplasmaausläufern.
Daselbst ist das Zwischengewebe stark myxomatös infiltriert
und verschleimt. In den Hohlräumen des Maschenwerkes liegen
säulenartig oder auch netzförmig angeordnete epitheliale, fett¬
körnchenreiche, polygonale oder rundliche Zellen, welche in Form
und Fettgehalt den Rindenzellen der Nebenniere gleichen; die
Epithelien nehmen auch auffällig große Gestalten an und sind
dann oft zahlreich mit melanotischen Körnern und Schollen be¬
laden. An manchen Stellen zeigen die Zellsäulen und -ballen
drüsenschlauchähnliche Lumina; sie sind innerhalb des zarten
oder gewucherten, gefäßreichen Stützgerüstes angeordnet, dessen
Blutgefäße vielfach sehr auffällige kavernöse Erweiterungen
und angiomähnliche Umwandlungen aufweisen.
Der histologische Aufbau der apfelgroßen accessorisch6ti
Nebennierengeschwulst, sowie der kastaniengroßen zweiten
accessorischen Nebennierengeschwulst gleicht demjenigen
Hauptgeschwulst. Innerhalb des gewucherten Stromas sind die
epithelialen fetthaltigen Zellen in Form von Haufen oder soliden
Zellsäulen formiert; auch hier finden sich viele mit braunem uüd
schwarzem Pigment besetzte Epithel- und BindegewebszeUett«
Auch hier ist das Bindegewebe reich an spaltenformig er¬
weiterten, kavernös umgewandelten Blutgefäßen. In allett
Geschwülsten treten vielfach ausgebreitete hämorrhagische)
myxomatöse und fettige regressive Metamorphosen hervor. (Ein¬
sender: Schlachthof Verwalter Tierarzt Metz in Freiburg.)
XII. Fall:
Angiosarkom (Rundzellensarkom) der rechten Nebenniere
und einer Beinebenniere von einer 10—12 Jahre alten Kali,
Simmentaler Kreuzung.
Der suprarenale Tumor wiegt 1670 g, ist kürbisgroß, an
der Oberfläche glatt; die gespannte Kapsel schließt einen
platten Rest normaler Rinde ein und ist reich an blauroten
Gefäßnetzen, Farbenton graublau mit blutigroten Flecken. Die
Geschwulst ist handtellergroß, mit der Aorta verwachsen, deren
Lumen infolge Geschwulstdruckes und konsekutiver Ektasie für
eine Hand passierbar ist, Aortenwand daselbst papierdünn und
pfenniggroß sarkomatös infiltriert.
Auf dem Halbierschnitt ziehen von der 3—4 mm dicken
Kapsel gewucherte Bindegewebszüge in das Geschwulstinnere.
Die Schnittfläche zeigt im peripheren Teil auf 1—3 Finger¬
breite ein blutig dunkelbraunes Kolorit, während die handteller¬
große Geschwulstmitte einen weißgelben Farbenton mit ein¬
gesprengten braunen Flecken trägt, so daß ein blutig-dunkel¬
braunes und weißgelb geschecktes Aussehen resultiert. Die
Konsistenz der Schnittfläche ist elastisch, nicht vorspringend,
sondern glatt, stark fettig glänzend, himmarkähnlich.
Das accessorische suprarenale Neoplasma, am vorderen
medialen Pol der Nebennierengeschwulst gelegen, ist taubenei¬
groß, blaugrau, mit 2 mm dicker Kapsel; Schnittfläche dunkel¬
graubraun, unter der Kapsel zahlreiche wickenkorngroße, blutig-
braune und gelbweiße Geschwulstherde.
Histologisches: Schnittbilder des Nebennieren- und Bei¬
nebennierentumors, in welchem normales Gewebe fehlt, zeigen
denselben Aufbau: An der Gesellwnlstoberfläche findet sich die
fibröse Kapsel, das Stroma besteht aus netzförmigen, gefä߬
reichen, verbreiterten Bindegewebszügen, welche stellenweise
schleimige und gallertige Degeneration aufweisen. In den
Hohlräumen des Maschenwerks liegen haufenweise markzellen¬
ähnliche Rundzellen, welche teilweise durch Fettdegeneration
zerfallen sind. Dies sind die hirnmarkähnlichen gelben Ge¬
schwulstherde. Die blutig schwarzbraunen Partien bestehen
lediglich aus rundlichen und netzförmigen Teleangiektasien ge¬
wucherter angiomatöser Kapillarnetze, welche oft fleckweise zu
größeren kavernösen und lakunären Räumen umgewandelt und
durch schmale Streifen von Rundzellen geschieden sind. (Ein¬
sender: Schlachthofverwalter Tierarzt Metz in Freiburg i. Br.)
Allen Herren Einsendern sei auch an dieser Stelle ver¬
bindlichster Dank ausgesprochen.
Von den 14 oben in chronologischer Reihenfolge aufgeführten
Nebennierengeschwülsten entstammen zwei dem Pferde und 12
dem Rind; darunter fanden sich 10 bösartige Tumoren beim
12. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
823
Rind und eine maligne Geschwulst beim Pferd. Die Neben¬
nierengeschwülste dringen mit Vorliebe destruierend in benach¬
barte Organe und in regionäre Lymphknoten ein, namentlich
brechen sie in beträchtlichen walnuß- bis apfelgroßen Geschwulst¬
zapfen in die Aorta, Vena cava und renalis ein; vorwiegend
metastasieren sie sich in den daneben Regenden Nieren, aber
auch ausgebreitete EmboHsierungen in der Leber, Milz, im
Darm, Pankreas, Ovarien, in den Lungen, Herzen usf. kommen
vor. Die gutartigen Nebennierengeschwülste sind zumeist
gänseei- bis faustgroß, während die bösartigen Neoplasmen oft
die Größe eines Mannskopfes und ein Gewicht von 1 / 2 —1—3 kg
erreichen. Sowohl die suprarenalen Tumoren als deren Metastasen,
welche das bedeutende Gewicht von 64 Pfund aufweisen können,
erleiden gelegentlich Durchbrüche und Entleerung von Geschwulst¬
massen durch die Kapsel in die Körperhöhlen; relativ oft wurden
Verwachsungen der Tumoren mit der Aorta, Vena cava und
renaUs und zweifinger- bis handweite Ektasien derselben infolge
Druckes der Geschwülste beobachtet; zufolge der dadurch
entstandenen Stauungen schloß sich in einem Fall beim Rind
Wassersucht an, so daß das wässerige Fleisch triefte und
ungenießbar war.
Die Nebennieren tumoren stellen gemeinhin graublaue,
graugelbe bis schwarzbraune, festweiche, fluktuierende oder
schwammige, gefäßreiche Geschwülste mit zumeist dünner,
charakteristisch sackähnlicher Kapsel vor, welche oft noch platte
Reste normaler Nebenniere einschließt. Der Halbierschnitt weist
entweder ein spärRch entwickeltes, fibriHäres Stroma (Kystome,
Adenome) auf, oder das von der Kapsel in das Geschwulstinnere
ziehende Maschenwerk kann bis zu zentimeterdicken, leisten¬
artigen, transparenten oder mattgrauweißen Bindegewebszügen
heranwuchern und groblappige Felderungen hersteilen (Sarkome,
Adenosarkome, Angiosarkome).
Ausgebreitete Verkalkungen und beträchtliche Verknöcherung
treten vorwiegend bei bösartigen Sarkomen und Mischgeschwülsten,
aber auch bei Karzinomen der Nebennieren zutage; die Ver¬
kalkungen bestehen in zahlreichen Einlagerungen von Kalksalzen
in Sandkorn- bis Wickenkorngröße. Die Verknöcherungen bilden
bald kompakte, erbsen- bis bohnen- bis walnußförmige Knochen¬
inseln, bald federkielstarke Knochenspangen, bald bis eßlöffel¬
große Knochenschalen. Verkalkung und Osteombildung kam
unter den zwölf Nierengeschwülsten des Rindes viermal vor,
während braune und melanotische Pigmentierung je einmal beim
Rind und Pferd konstatiert werden konnte.
Wechselseitig und destruierend treten die verschiedensten
Arten der regressiven Metamorphosen in den bösartigen Neben¬
nieren und Beinebennieren, namentRch umfangreiche, fettige,
schmierige Detritusmassen in größeren Erweichungscysten auf,
ferner hämorrhagische und myxomatöse Degeneration, Ver¬
nichtung des Gewebes durch gaRertige Verquellung. GelbRch
und braun gefärbte, halb erstarrte oder geronnene BaHen und
Klumpen koRoider Degeneration führen zu kleinsten und größeren
CystenbUdungen in Nebennierengeschwülsten. Der hyalinen
Degeneration verfaßen oft Gefäße und das Stroma, so daß die
suprarenalen Neubildungen den größten und kompRziertesten
Strukturwechsel aufweisen. Die Sarkome kamen als polymorph-
zeUige Sarkome, als RundzeUensarkome, als SpindelzeHen-
sarkome und als Mischgeschwülste vor; oft ist der Charakter
der Neubildung so verwischt, daß man sich zweckdienRch mit
der Bezeichnung Hypernephrom behilft.
In klinischer Hinsicht ist noch hervorzuhfeben, daß die
meisten Nebennierentumoren bei älteren und alten Tieren, be¬
sonders bei 9 bis 12 Jahre alten Kühen vorkamen; doch er¬
krankte schon ein fünf Monate altes Stierrind an einer tödlichen,
generalisierten Nebennierenkarzinose. Viele und zwar kleinere
wie sehr umfangreiche suprarenale Neoplasmen machen keine
klinische Erscheinung und werden bei der Sektion als zufäRiger
Befund erhoben.
Tagesgeschlchte.
Die Vertagung der Militärveterinärreform.
Von Professor Dr. Sch mal tz.
Was schon in der vorigen Nummer der B. T. W. als ernste
Vermutung mitgeteilt werden mußte, das kann heute Tatsache
genannt werden: die Militärveterinärreform ist mit Rücksicht
auf die Durchführung der Reichsfinanzreform um ein Jalir
vertagt worden.
Diese schlichte Mitteilung umschreibt eine sehr harte Sache,
hart für die betroffenen Veterinäre, hart aber auch für die
Vorgesetzte Behörde.
Für die Militärveterinäre ist es ein unbeschreiblich harter
Schlag, ihre allmählich fest gewordene Hoffnung wieder zer¬
schellen zu sehen. Seit der Allerhöchsten Kabinettsorder vom
27. August 1903 warten die Militärtierärzte, die deutschen
Tierärzte überhaupt, auf die Einführung einer Reform, die
bestimmt ist, einen Gipfel in der Entwicklung des tierärztlichen
Standes zu bilden. Sie haben geduldig gewartet, da einmal
jedermann sich sagen mußte, daß ein so wichtiger Schritt eine
Vorbereitungs- und Übergangszeit erfordere, andererseits von
vornherein dankenswerterweise die Dauer dieser Zeit bekannt
gegeben war, indem in einer Bemerkung zum Heeresetat für
1904 geschrieben steht, daß die durch die Allerhöchste
Kabinettsorder eingeleitete Organisation durch-
geführt sein muß, wenn am 1. April 1909 der erste
volle Jahrgang von Abiturienten nach bestandener
Fachprüfung zur Truppe tritt. Hiernach durfte das Ende
der Wartezeit als bestimmt gegeben angesehen werden. Wenn
nun dieses Ende noch weiter hinausgeschoben wird, so bedeutet
das nicht allein an sich einen schweren Nachteil, sondern es
muß auch die dadurch geschaffene Unsicherheit eine tiefgehende
Wirkung ausüben. Nicht am geringsten anzuschlagen ist es
dabei, daß gerade die Aussicht auf die Reform eine aUgemeine
Verzögerung sonst fäRiger Abschiedsgesuche herbeigeführt hat,
wie sie noch nicht dagewesen sein dürfte.*)
Hart ist das Ereignis aber auch für die Vorgesetzte Be¬
hörde, das Kriegsministerium. An der selbstverständlichen und
festen Absicht desselben, die Veterinärreform zu dem verheißenen
Zeitpunkt durchzuführen, zweifelt niemand. Sie ist ja auch
hinreichend bewiesen dadurch, daß man vor längerer Zeit einen
Oberstabsveterinär in das Ministerium einberufen hat mit der
offenkundigen Aufgabe, die technische Seite der Reform zu
bearbeiten. Muß es dem Ministerium schon an sich schwer-
faUen, von einer solchen Absicht, wenn auch nur für kurze Zeit,
*) Bei dieser Gelegenheit soll die bezeichnende Tatsache mit¬
geteilt werden, daß in der bayerischen Armee seit dem Juli 1906
bis Ende September 1908 im Beurlaubtenstande keine einzige
Beförderung von Veterinären vollzogen worden ist
824
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
abzustehen, so muß ihm das um so peinlicher sein, als durch
die oben zitierte Bemerkung zum Etat unzweifelhaft eine Zu¬
sicherung gegeben worden ist, die nun nicht inne ge¬
halten werden kann.
Der ruhig und billig Denkende wird jedoch in Erwägung
ziehen, daß überall einmal Umstände eintreten können, welche
die Innehaltung auch einer Zusicherung unmöglich machen.
Diese Umstände liegen hier im Reichsschatzamt. Niemand kann
verkennen, daß das Reichsschatzamt gegenwärtig vor einer
Riesenaufgabe steht. Man kann es auch begreifen, daß angesichts
der Schwierigkeiten dieser Aufgabe das Reichsschatzamt den
Wunsch hegt, alles, was einer neuen Anforderung gleichkommt,
so lange zurückzuschieben, bis jene großzügige Reform durch¬
geführt ist. Ob die mit der Bildung eines Veterinäroffizierkorps
verbundene Neuforderung so beträchtlich ist, daß sie die Ab¬
lehnung einer, wie gesagt, seit Jahren vorbereiteten Angelegen¬
heit zwingend bedingte, kann der Finanzlaie nicht beurteilen;
in dieser Hinsicht müssen wir uns daher bescheiden. Man darf
wohl annehmen, daß es auch dem Reichsschatzamt nicht leicht
gewesen sein mag, das Kriegsministerium in diese unangenehme
Lage zu bringen. I
Finden wir uns also mit der Vertagung in Ruhe ab, so
muß doch zweierlei in bestimmtester Weise hervorgehoben und
verlangt werden. Erstens muß, sobald das Schicksal der
Reichsfinanzreform erfüllt sein wird, die Militärveterinär¬
reform unverzüglich durchgeführt werden. Die Finanzreform
muß eben die Mittel auch für die Veterinärreform beschaffen.
An ein Aufgeben der letzteren oder an ein Verschieben auf
längere und unbestimmte Zeit kann im Ernste nicht gedacht
werden; dafür würde auch das Zurückgreifen auf bewährte
Sparsamkeit und der berechtigte Grundsatz der Unterscheidung
des Wünschenswerten von dem Notwendigen keine Berechtigung
bilden. Denn es handelt sich hier — ich wiederhole es — um
eine in bestimmtester Form früher abgegebene Erklärung, die
in Verbindung mit der Allerhöchsten Order allgemein als eine
Zusicherung aufgefaßt worden ist. Auf Grund dieser sind seit
1904 sämtliche Aspiranten in das Militärveterinärkorps einge¬
treten. Auch das Reichsschatzamt wird anerkennen,
daß die berechtigten Erwartungen dieser jungen
Männer erfüllt werden müssen, da es sich hier um Treu
und Glauben handelt.
Zum zweiten muß der Wunsch zum Ausdruck gelangen, daß
das Kriegsministerium die Tierärzte in die Lage setzen möchte,
authentische Kenntnis von der ganzen Sachlage zu erhalten;
eine offiziöse Mitteilung in der Zeitschrift für Veterinärkunde
würde diesem Zweck ja gewiß gerecht werden können. Es ist
dies um so erwünschter, als durch die Vertagung — darüber
wird man sich nicht beklagen dürfen — das Mißtrauen wieder
Nahrung erhält. Die Militärveterinäre werden und müssen das
vollste Vertrauen zu den, wie gesagt, bewiesenen Absichten des
Kriegsministeriums haben. Ebenso aber ist es ein öffentliches
Geheimnis, daß vielfach an anderen (auch an hohen) Stellen in
der Armee, sagen wir: entgegengesetzte Neigungen bestehen,
die nicht durch Zusicherungen gebunden sind. Es ist wohl er¬
klärlich, daß die Befürchtung, diese Neigungen würden irgendwie
die Oberhand gewinnen können, so lange nicht völlig beschwichtigt
ist, als das Schicksal und der Zeitpunkt der Reform nicht
feststeht. Eine baldige entsprechende Mitteilung, welche dieses
Mißtrauen im Keime erstickte, würde auch um so zweckmäßiger
sein, als es andrerseits ja doch nicht zu vermeiden sein würde,
daß im Reichstag Anfragen gestellt würden, auf die dann irgend¬
eine Antwort erfolgen müßte; es wäre gewiß besser, diese An¬
fragen nicht erst abzuwarten.
Die Geschichte des tierärztlichen Standes ist nicht arm an
solchen unvorhergesehenen Ereignissen, welche unsere Ent¬
wicklung wider alles Erwarten aufhielten oder, oft auf Jahre,
zurückwarfen — Ereignisse, für die man niemandem einen
Vorwurf machen konnte, die einfach durch das Zusammen¬
treffen widriger Umstände bedingt waren. Wir Tierärzte haben
eben ausgesprochenes „Pech“; um so ehrenvoller ist es freilich,
daß trotzdem sich die Entwicklung befriedigend vollzogen hat.
Wir haben solche Schicksalschläge noch immer überwunden und
werden auch diesen — denn ein solcher ist es — überwinden.
Wir wollen sogar an ihn eine Hoffnung knüpfen, die nämlich,
daß nach der Vollendung der Reichsfinanzreform der Herr
Reichsschatzsekretär sofort mit um so besserem Willen und um
so reichlicher Mittel gewähren wird. Möge die Militärveterinär-
reform, wenn sie noch ein volles Jahr (— aber nicht länger! —)
zum Ausreifen Zeit erhält, dadurch an Gehalt gewinnen.
Im Notfall würde der Deutsche Veterinärrat bei seiner
Tagung Frühjahr 1909 eine Immediateingabe an Seine Majestät
den Kaiser zu erwägen haben.
Militaria.
Es ist als eine erfreuliche Erscheinung zu begrüßen, daß
die Verfasser aller in letzter Zeit über „Militärveterinär-Reform“
veröffentlichten Artikel bezüglich der Rangverhältnisse einig
sind, welche wir für das kommende Veterinär-Offizierkorps
fordern müssen. - .
Der Schwerpunkt der Reform liegt demnach in der Schaffung
von Oberstabsveterinärstellen mit Majorsrang mit den ent¬
sprechenden Konsequenzen [Korpsstabsveterinäre in Oberst¬
leutnantsrang, Veterinärinspekteur in Oberstenrang]. Der
Veterinärinspekteur würde dann ranglich dem Generalarzt, dem
höchsten Sanitätsoffizier eines Armeekorps, gleichgestellt sein.
Dieser Vergleich zeigt, daß unsere Ansprüche nicht zu
weit gehen.
Nur schade, daß diese unsere Forderungen und Wünsche
bei der kommenden Reform nicht ins Gewicht fallen werden,
weil sie einmal zu spät kommen [Nein! Siehe Vertagung. D. Red.]
und sodann nicht von einer Vertretung des ganzen Standes
an maßgebender Stelle vorgebracht wurden!
Überhaupt kann den preußischen Veterinären meiner Ansicht
nach der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß sie aus ihrer
Passivität oder — wenn man will — Zurückhaltung gegenüber
der Reform gar nicht bzw. nur vereinzelt herausgetreten sind.
Die bayrischen Veterinäre haben rechtzeitig ihre einmütigen
Wünsche betreffs der Reform zur Kenntnis ihrer obersten Be¬
hörde gebracht. Ob mit Erfolg, werweiß es? Jedenfalls kann
man ihnen die Anerkennung nicht versagen, daß sie bei der
Gestaltung ihrer zukünftigen Lage mitzuwirken versucht und
die Hände nicht tatenlos in den Schoß gelegt haben. Darüber
dürfen wir uns keiner Täuschung hingeben, daß wir den
bayrischen Kollegen, wenn die Reform in ihrem Sinne, das heißt
auch zu unserer Zufriedenheit ausfUllt, großen Dank schulden.
Die Erfahrung aber, die ja die beste Lehrmeisterin sein
soll, hat uns wohl ausnahmslos einen durchaus berechtigten
12. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Pessimismus in allen Standesfragen [angesichts unserer Fort¬
schritte „berechtigt“? Die Red.] eingeimpft, so daß wir an
eine zufriedenstellende Lösung der Reformfrage nicht zu glauben
vermögen. Die bisherigen Erfahrungen sind eben zu bittere.
Und jetzt, wo jeder zwischen Furcht und der Hoffnung schwankt,
bald aus den drückenden Verhältnissen herauszukommen, tanchen
Gerüchte auf, wonach die Reform auf ein weiteres Jahr hinaus¬
geschoben wird [was inzwischen Tatsache geworden ist].
Das dadurch bedingte längere Verbleiben im Beamtenstande
würde die Mehrzahl von uns wohl nicht sehr berühren, wenn
nicht noch ein anderes Gerücht kursierte, daß für die Stabs¬
veterinäre im kommenden Jahre ein Gehalt von 3000 M. bis
4200 M. vorgesehen sei. Die zurzeit im Brennpunkt des
Interesses stehende Beamtenbesoldungsvorlage will die Gehälter
der Beamten nach ihrer Vor- und Ausbildung bemessen. Die
Subalternbeamten, welche bisher ein Höchstgehalt von 4200 Mark
bezogen, erhalten nach der Besoldungsvorlage in Zukunft ein
Maximalgehalt von 4500 bzw. 4800 bzw. 5400 Mark, zum
Teil mit freier Wohnung und Feuerung. Und die Stabsveteri¬
näre, die nach ihrer Vorbildung im Verein mit der akademischen
Fachausbildung doch vor diesen Beamten pekuniär stehen müßten,
sollen als Höchstgehalt das frühere Höchstgehalt der Subaltern¬
beamten im nächsten Jahre erhalten. Angesichts solcher Aus¬
sichten ist man einfach sprachlos [glücklicherweise stimmt es aber
nicht, siehe d. Folgende. D. Red.]. Die Folge davon wäre, daß
die Oberveterinäre um höchstens 300 M. im Endgehalt gesteigert
werden könnten, da sie andernfalls das Anfangsgehalt der
Stabsveterinäre erreichten. Wer einen Blick hinter die Kulissen
unseres Standes geworfen hat, der weiß, daß ein älterer Ober¬
veterinär [von 38 bis 42 Jahren] als Familienvater ohne Privat¬
praxis — und in dieser Lage befinden sich viele — sich im
Daseinskampf aufreibt und dabei alles entbehren muß, worauf
sozial viel tiefer stehende Berufsstände ein selbstverständliches
Anrecht besitzen. So kann es nicht weitergehen! Sonst raubt
man uns jede Existenzmöglichkeit.
Und weiter, was soll der Oberveterinär-Kursus für Leute
im Lebensalter von 38 bis 42 Jahren? Es steht wirklich einzig
da, daß man sie noch einer Prüfung unterzieht. Will man
durchaus an einem solchen Kursus mit nachfolgender Prüfung
festhalten, dann soll man dazu Veterinäre im Alter von etwa
30 Jahren einberufen [schon aus physiologischen Gründen]. Die
Sanitätsoffiziere mußten früher in Oberarztstellung eine schrift¬
liche Arbeit anfertigen, um ihre Qualifikation zum Oberstabsarzt
darzutun. Heute existiert so etwas nicht mehr, wie ich auf
Erkundigung hin erfahren habe. Viel nützlicher wäre es, die
Veterinäre zu Informationskursen einzuberufen, wie es auch im
Sanitätsoffizierkorps üblich ist. Ich selbst habe mir immer gewünscht,
einmal einen gründlichen bakteriologischen Kursus durchzu¬
machen. Aber Gelegenheit hierzu hat sich niemals geboten.
Und an Kenntnissen auf diesem Gebiet fehlt es, wie ich immer
wieder wahrzunehmen Gelegenheit hatte, dem Gros der Veterinäre.
Wie sollen letztere unter diesen Umständen mitwirken können
bei der Erforschung von Seuchen, welche unsere Pferdebestände
schädigen und den Dienstbetrieb der berittenen Truppen stören?
Doch dies nebenbei! Augenblicklich ist es wichtiger, den
genannten beunruhigenden Gerüchten auf den Grund zu gehen.
Und sollte eine derartige durch nichts zu rechtfertigende, geringe
pekuniäre Bewertung unserer Tätigkeit, wie oben angedeutet,
tatsächlich geplant sein, so müssen wir unbedingt unsere be-
825
gründeten Wünsche an maßgebender Stelle in irgendeiner Form
zu Gehör bringen, denn Hoffen und Harren — bringen uns
keinen Schritt weiter. Unus pro multis.
Künftige Besoldung der Militärveterinäre.
Soeben ist die Besoldungsvorlage für Reichsheer und
Reichsbeamte erschienen und es können daraus noch die uns
interessierenden Sätze mitgeteilt werden:
Unterveterinäre 1206 M.
Oberveterinäre (allein in Kl. 18) 2100—3200 M. (3 Zwischenstufen).
Oberstabs- u. Stabsveterinäre (Kl. 42 b) 3200—5000 M. (2 Zw.-St.).
Korpsstabsveterinäre (Kl. 48) 4500—6000 M. (2 Zw.-St.).
Zum Vergleich:
Korpsstabsapotheker 3000—7200 M. (7 Stufen ä 600 M.).
Assistenz- und Oberärzte: Zwei Jahre 1500, zwei Jahre 1800, vom
fünften ab 2100 M.
Stabsärzte 3400—5100 M. (vom neunten Jahre ab).
Oberstabsärzte 11. Klasse 6102 M.
Oberstabsärzte I. Klasse und Generaloberärzte 6552 M.
Zur Besoldung der Krelstlerftrzte.
In Nr. 45 desB. T. W. hat Herr Kreistierarzt Schaumkell
zwei Wünsche ausgesprochen: 1. daß den Kreistierärzten
Wohnungsgeldzuschuß gewährt werden möge; 2. daß sie nach
zeitlich bestimmt begrenzten Dienstaltersstufen im Gehalt auf¬
steigen möchten.
Der erste Wunsch wird kaum Aussicht auf Verwirklichung
haben. Gesetzlich gewährt der preußische Staat Wohnungs¬
geldzuschüsse nur den vollbesoldeten Beamten; daher können
zurzeit die Kreisärzte und Kreistierärzte Wobntmgsgeldzuschüsse
nicht erhalten. Eine Änderung dieses Gesetzes dürfte zurzeit
ausgeschlossen sein.. Um so mehr dagegen hat vielleicht der
zweite Wunsch Aussicht auf Erfolg. Wenn eine entsprechende
Anregung im Abgeordnetenhause Annahme findet, so dürfte viel¬
leicht auch die Staatsregierung zur Erfüllung desselben geneigt
sein. Es bedarf keiner weiteren Worte, daß das System der
fest begrenzten Dienstaltersstufen außerordentliche Vorzüge be¬
sitzt — wirtschaftliche, weil man in bestimmter Zeit mit der
Verbesserung rechnen kann, moralische, weil die Veranlassung
schwindet, auf den Abgang von Kollegen zu warten. Daher ist
die von Herrn Schaumkeil gegebene Anregung zur weiteren
Beachtung durchaus zu empfehlen. Nur in einem Punkte möchte
ich dabei eine abweichende Ansicht äußern. Herr Kollege
Schaumkell wünscht, daß nicht mehr als drei Gehaltsklassen
eingerichtet würden; vielleicht bezieht sich dieser Wunsch aller¬
dings nicht auf die Eventualität der Dienstaltersstufen. Aber
abgesehen davon möchte ich doch bemerken, daß auch jetzt
schon die Schaffung von etwa vier Klassen gerade für die in
mittleren Jahren befindlichen Kreistierärzte vorteilhaft sein
dürfte. Wenn z. B. statt der drei Klassen 1200, 2100, 3000 M.
vier Klassen eingerichtet würden mit 1200, 1800, 2400, 3000 M.
so würde das schon jetzt ein Vorteil sein. Der Sprung um
900 M. von 1200 auf 2100 ist unnötig hoch, und anderer¬
seits kommt man natürlich früher zu der Stufe von 1800 M.,
wenn vier Klassen eingerichtet werden. Bei der Einführung
von DienstaltersBtufen würde ja wahrscheinlich die Zahl der
Klassen sich noch etwas steigern. S.
t
Der Senior der deutschen Tierärzte.
Der älteste deutsche Tierarzt war wohl zurzeit Herr
Jann Dircks in Norder - Friedrichskoog in Schleswig, der im
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46.
826
Jahre 1842, also vor mehr als 65 Jahren die Approbation er¬
worben hatte. Am 5. November ist er gestorben, nachdem es
ihm vergönnt gewesen war, eben noch das 90. Lebensjahr zu
vollenden.
Zum Andenken.
Nachträglich soll auch in der B. T. YV. noch ein kurzes
Wort gewidmet sein dem Andenken eines der Braven, die von
Begeisterung erfüllt, nach Afrika gingen und ein Opfer dieses
männermordenden Erdteils geworden sind. Unter den Militär¬
veterinären, die seinerzeit hinauszogen, war auch Reinhard
Hein, geboren 1874 zu Hochkretscham in Schlesien. Er wurde
im Oktober 1902 approbiert und trat 1904 zur Schutztruppe
über. Nach beendigtem Feldzug kehrte er mit einem schweren
Herzleiden in die Heimat zurück und ist diesem Leiden am
18. August d. J. erlegen. Der Verstorbene war ein besonders
sympathischer Mensch, und sein Andenken wird bei allen, die
ihn gekannt haben, in Ehren bleiben.
Protokoll über die am 14. Juni 1908 im Bakterio¬
logischen Institut der Landwirtschaftskammer für die
Provinz Sachsen zu Halle a. S. abgehaltene
63. Generalversammlung des Tierärztlichen Zentral¬
vereins für die Provinz Sachsen, die anhaitischen und
thüringischen Staaten.
Die Präsenzliste wies folgende Herren Mitgl ieder auf: L e i s t i k o w,
0undclach und Ristow aus Magdeburg, Pirl-Dessau, Ktihn-
Zeitz, Liebener-Delitzseh, Dolle und Y T ollmer-OscherBleben,
Friedrichs-Barleben, Schilling-Osterwieck, Heck er-Leipzig,
Oppermann - Wanzleben, Wilhelm - Brehna, Meyer - Stendal,
Laders - Ermslcben, Ude - Wittenberg, Koepke - Liebenwerda,
Hbf herr-Herzberg, Witte-Quedlinburg, Siramatund Trautwein -
Eisleben, Naumann-Halberstadt, Rößler-Cöthen, Liebrecht-
Zörbig, Schlemmer -Gröbzig, Worch, Rautmann, Grosso und
Raebiger aus Halle a. S.
Ihr Ausbleiben entschuldigt haben die Herren: Ziegenbein-
Wolmirstedt, Sickert-Egeln, Jünger-Wcißenfels, Fleischerund
E. Reimers-Halle.
Als Gäste wohnten der Sitzung bei die Herren: Oberstabp-
veterinär Bose, Oberveterinär Seidl er, Repetitor Dr. Stadie,
Assistenz-Tierärzte Münchgesang und Dr. Skiba sämtlich aus
Halle a. S.
Um IVfq Uhr vormittags eröffnete der stellvertretende Vor¬
sitzende, Veterinärrat Leistikow - Magdeburg, die Versammlung
und begrüßte die erschienenen Gäste und Mitglieder. Der I. Vor¬
sitzende, Herr Professor Dr. Disselhorst, konnte wegen des
kürzlich erfolgten Dahinscheidens seiner Gattin die Leitung der
Versammlung dieses Mal nicht übernehmen. Der Zentralverein hat
Herrn Professor Disselhorst anläßlich des schweren Trauerfalles
sein Beileid ausgedrückt und durch den Schriftführer am Grabe der
Verstorbenen einen Kranz niederlegen lassen. Ferner gedachte der
stellv. Vorsitzende des Todes des Kollegen Nabel in Schöningen,
der ein Opfer seines Berufs geworden und in der Blüte der
Jahre seiner Tätigkeit entrissen ist. Da dem Verein eine Todes¬
anzeige nicht zugegangen war, ist es leider nicht möglich gewesen,
an der Beerdigungsfeierlichkeit teilzunehmen und dem Verblichenen
eine Blumenspende zu widmen^ Sein Andenken wurde durch
Erheben von den Plätzen geehrt
Veterinärrat Leistikow bedauert, daß der Beteiligung an
der Versammlung durch die Einweihungsfeierlichkeiten des
R.-S.-C.-Denkmals in Rudolstadt starker Abbruch getan sei, es
habe sich ein anderer Termin zur Abhaltung der Sitzung aber
leider nicht finden lassen. Er gibt sodann bekannt, daß auch Herr
Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Ostertag-Berlin sein Er¬
scheinen zugesagt hatte, aber durch vielerlei dringende Dienst¬
geschäfte schließlich verhindert war. Sodann verliest er den Brief des
geschäftsführenden Direktors der Landwirtschaftskammer für die
Provinz Sachsen, Herrn ökonomierat Dr. Rabe, welcher eine
Dienstreise antreten mußte und die Mitglieder des Zentralvereins
namens der Landwirtschaftskammer willkommen hieß. Herr
ökonomierat Rabe gibt in seinem Schreiben dem Wunsche Aus¬
druck, daß die Beziehungen zwischen dem Tierärztlichen Zentral¬
verein und der Landwirtschaftskammer auch fernerhin die besten
bleiben möchten.
Der Vorsitzende wird dem. Direktor der Landwirtschaftskammer
den Dank der Versammlung für die Bereitstellung der Räume des
bakteriologischen Instituts durch ein besonderes Schreiben über¬
mitteln. (Ist inzwischen geschehen.)
Nachdem der Austritt des Herrn Kollegen Meyer-Salzwedel
infolge Niederlassung in Schwiebus verkündet war, wurde zur Ab¬
stimmung über die Aufnahme der neu zum Eintritt angemeldeten
Kollegen Kais er-Seehausen, St an ge-Wittenberg und Münch-
gesang-Hötensleben geschritten. Die Herren wurden einstimmig
aufgenommen.
Hierauf erfolgt die Verlesung des Schreibens des Unter¬
stützungsvereins für Tierärzte (vom April d. J.), dem beizutreten
der Vorsitzende angelegentlichst empfiehlt.
Nunmehr heißt der Leiter des bakteriologischen Instituts,
Kollege Raebiger, die Versammlung im Aufträge der Landwirt¬
schaftskammer und namens seiner Institutskollegen herzlich will¬
kommen und gibt einen Überblick über die Tätigkeit des Instituts
unter besonderem Hinweis auf die Hauptaufgaben, die seit dem
Jahre 1903 in der Bekämpfung der Rindertuberkulose nach dem
Ostertagschen Y r erfahren, in den Arbeiten zur Bekämpfung der
infektiösen Kälberrubr durch die Serumimpfung und seit 1906 in
der Gesundheitskontrolle zur Ermittlung und Erhaltung schweinc-
seuchcfreier Bestände besteht. Zu diesen Arbeiten sind im ver¬
gangenen Jahre neben den Untersuchungen über den ansteckenden
Kaninchenschnupfen und die Bienenbrutpost neu hinzugekommen
Infektions versuche mit dem Schiitzschen Erreger der Brustseuche
der Pferde und vor allem die experimentellen Arbeiten über die
Schweinepest, deren Fortsetzung- der Herr Landwirtscbsftsminister
nach dem Übertritt des Herrn Geheimrat Ostertag in das
Reichsgesundheit8amt dem hiesigen Institut übertragen hat.
Außerdem beschäftigt sich das Institut fortlaufend mit der
Prüfung aller neueren in den Handel gebrachten Impfstoffe und
anderer für die Seuchebekämpfung wichtiger Präparate, um auf
Grund eigener Erfahrungen stets über den Wert oder den Unwert
solcher Mittel unterrichtet zu sein.
Es ist ein besonderes Laboratorium für die Untersuchung von
Einsendungen aus der Provinz Sachsen und den Nachbarstaaten
eingerichtet, ferner verschiedene Laboratoriumsräume für die Her¬
stellung von Impfstoffen und Bakterienpräparaten. Besonders
förderlich und anregend ist für uns der Umstand, daß der eigen-
artigeDienst derLandwirtschaftskammer Gelegenheit bietet, beständig
mit der Praxis in Fühlung zu bleiben, sei es durch die Vortrags¬
tätigkeit in landwirtschaftlichen Vereinen oder durch die praktische
Anwendung der im Laboratorium gewonneneu Ergebnisse und die
Durchführung bewährter Seuchenbekämpfungsverfahren in den
Genossenschaftsbeständen der Provinz.
Am Schlüsse seiner Ausführungen nimmt Dr. Raebiger
Veranlassung, seinen Dank den Herren Kollegen zum Ausdruck zu
bringen, die im Laufe des nunmehr achtjährigen Bestehens des
Bakteriologischen Instituts gemeinsam mit demselben gearbeitet
und Versuche angestellt haben, und bittet die in der Praxis stehenden
Herren auch weiterhin um freundliche Unterstützung. Besonderer
Dank sei den Herren Veterinärräten Leistikow und Pirl zu
zollen, durch deren liebenswürdige Fürsprache und Anregung und
stets bereitwilligst erteilten Rat die Arbeiten des Instituts in hohem
Maße gefördert worden seien.
Der Vorsitzende sprach für den freundlichen Empfang im
Institut den Dank der Versammlung aus und hob hervor, daß die
Beziehungen zwischen den Kollegen und dem Institut seit dem Be¬
stehen desselben unter dem jetzigen Leiter stets erfreuliche und
allerseits befriedigende gewesen wären.
Da Herr Veterinärrat Ziegenbein nicht anwesend war, erteilte
der Vorsitzende zu Punkt 3 der Tagesordnung das Wort.
12. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
827
Die derzeitige Regelung der Milchkontrolle im Vereinebezirk.
Vortrag von Schlachthofdirektor Dr. Meyer-Stendal.
Meine Herren! Es sollte meine Aufgabe sein, Ihnen über die
derzeitige Regelung der Milchkontrolle im Vereinsbezirk zu be¬
richten. Es wurden bei den Ermittlungen im allgemeinen nur die
Städte berücksichtigt, da in den kleinen Orten diese Frage nur
ganz vereinzelt geregelt ist.
Aus 26 Städten des Vereinsbezirks erhielt ich die erbetene
Auskunft nämlich aus Aschersleben, Bernburg, Burg, Cöthen, Dessau,
Eisleben, Erfurt, Gardelegen, Halberstadt, Halle, Magdeburg, Mühl¬
hausen i. Th., Nordhausen, Salzwedel, Staßfurt, Tangermünde, Torgau,
Weißenfels, Wernigerode, Wittenberg, Wolmirstedt, Zeitz und
Zerbst. Nur in neun dieser Städte sind bisher besondere, den Milch¬
verkehr regelnde Polizeiverordnungen erlassen, nämlich in Aschers¬
leben, Dessau, Erfurt, Halle, Magdeburg, Mühlhausen, Nordhausen,
Stendal und Werningerode, in mehreren anderen Städten, so in
Bernburg, Merseburg, Torgau und Zerbst ist der Erlaß einer solchen
Verordnung für die nächste Zeit beabsichtigt.
In einzelnen Städten wie Merseburg, Staßfurt, Tangermünde
und Wolmirstedt beschränkt sich die Milchkontrolle darauf, ebenso
wie von den anderen Nahrungsmitteln z. B. Wein, Mehl und Fleisch,
auch von der Milch jährlich einige Proben zu entnehmen und einem
Nabrungsmitteluntersuchungsamto zu übersenden.
Die Untersuchungen finden so selten statt, daß sie schon
deshalb bei einem Nahrungsmittel wie der Milch wenig nützen
können; vom sanitären Standpunkte aus sind diese Untersuchungen
der Milch fast wertlos, da sie sich darauf beschränken, den Fett¬
gehalt, das spezifische Gewicht und den Trockensubstanzgehalt der
Milch zu ermitteln. In Eisleben, Burg, Gardelegen, Naumburg,
Torgau, Weißenfcls und Wittenberg finden daneben noch häufiger
Untersuchungen der Milch durch Polizeibeamte statt. Es handelt
sieh hierbei fast nur um Versuche durch Aräometer resp. Laktoskope
das spezifische Gewicht bzw. den Fettgehalt der Milch festzustellen.
Die Bestimmung des spezifischen Gewichtes allein besagt wenig und
die angewandten Methoden zur Bestimmung des Fettgehaltes sind
unznverläBsig. Es soll duroh diese Untersuchungen auch im allge¬
meinen nur verdächtige Milch herausgefunden werden, um dann
eine weitere Untersuchung durch Sachverständige herbeiführen zu
können. Als Sachverständige werden hier bislang fast nur Chemiker,
in einem Falle auch ein Apotheker in Anspruch genommen. Eine
Untersuchung auf etwaige gesundheitsschädliche Eigenschaften der
Milch findet nicht statt. Vielen Stadt- resp. Polizeiverwaltungen
dürfte dies nicht genügend bekannt sein: denn sonst würden sie
jedenfalls auch tierärztliche Sachverständige zuziehen.
Die in den neun Städten erlassenen besonderen Polizei Verordnungen
stimmen in den meisten Paragraphen überein; als Vorlage hat offen¬
bar der Runderlaß des preußischen Ministers des Innern an die
Herren Oberpräsidenten vom 27. Mai 1899 und die Abänderung
dieses Erlasses vom 25. Mai 1900 gedient. Es wird bestimmt: 1. Der
Milchverkauf ist anzumelden; Vollmilch muß mindestens 2,7 Proz.
Fett und 1,028 spezifisches Gewicht haben; die Beschaffenheit der
Milchgefäße und* der Aufbewahrungsräume wird vorgeschrieben;
die Beschäftignng von Personen, die an ansteckenden Krankheiten
leiden, wird verboten, und endlich wird bestimmt, welche Milch
vom Verkehre ganz auszuschließen ist. Ausgeschlossen wird 1. Milch,
die einige Tage vor oder bis sechs Tage nach dem Abkalben ge¬
wonnen ist. 2. Milch von Kühen, die erkrankt sind an Milzbrand,
Rauschbrand, Lungenseuche, Tollwut, Pocken, Gelbsucht, Ruhr,
Eutertuberkulose oder mit starker Abmagerung oder Durchfall ver¬
bundener Tuberkulose, Euterentzündungen oder anderen fieberhaften
Erkrankungen. Ferner Milch von Kühen, bei denen die Nachgeburt
nicht abgegangen ist oder bei denen krankhafter übelriechender
Ausfluß aus den Geschlechtsteilen besteht. — 3. Milch von Kühen,
die mit giftigen, in die Milch übergehenden Arzneimitteln z. B.
Arsen, Brechweinstein, Nieswurz, Opium, Eserin, Pilocarpin und
anderen Alkaloiden behandelt werden. — 4. Milch, welche blau,
rot oder sonst abnorm gefärbt ist, mit Schimmelpilzen besetzt,
bitter, faulig, schleimig oder sonstwie verdorben ist, Blutreste oder
Blutgerinnsel enthält. — 5. Milch, welche fremdartige Stoffe, wie
Eis, insbesondere irgendwelche chemischen Konservierungsmittel
enthält und Milch, die einen zu großen Schmützgehalt besitzt.
Über die Höhe des zulässigen Schmutzgehaltes wird in den meisten
Verordnungen nichts gesagt, in Stendal besteht die Bestimmung,
daß die Milchprobe nach einstündigem Stehen im Glase keinen sicht¬
baren Bodensatz absetzen darf.
Milch von Kühen, welche an Maul- und Klauenseuche leiden,
darf nur abgekocht oder sterilisiert in den Verkehr gebracht werden;
das gleiche wird in Magdeburg auch verlangt ftlr Milch, die von
Kühen stammt, die mit Tuberkulose, aber nicht mit offener Tuber¬
kulose behaftet sind,
Scheinbar wird also in diesen Verordnungen großer Wert dar¬
auf gelegt, nur gesunde Milch in den Verkehr zu lassen. In
mancher Hinsicht gehen die Verordnungen sogar entschieden zu
w eit, z. B. wenn verlangt wird, daß die Milch sämtlicher tuber¬
lösen Kühe nur abgekocht in den Vorkehr gebracht werden darf,
oder daß die Milch keinerlei fremde Stoffe also auch keinerlei
Schmutz enthalten darf. In Wirklichkeit sind die ganzen Be¬
stimmungen fast wertlos, so lange nicht durch geeignete Sach¬
verständige eine Kontrolle darüber ausgeführt wird, ob die Be¬
stimmungen auch befolgt werden. Wenn das nicht geschieht,
dürften derartige Bestimmungen nur dazu führen, die Bevölkerung
zu täuschen. Denn wenn derartig anscheinend treffliche, scharfe
Bestimmungen in Kraft sind und es wird nachher auf Grund einer
amtlichen Untersuchung die Milch als einwandfrei bezeichnet, so
wird die große Mehrheit der Bevölkerung glauben, die Milch
sei auch gesundheitlich einwandfrei, sie entspräche tatsächlich
den gestellten Anforderungen. Dabei erstreckt sich heute die amt¬
liche Untersuchung fast nnr auf die Bestimmung des Fettgehaltes,
die gesundheitliche Seite bleibt ganz unberücksichtigt; oft werden
nicht einmal Bestimmungen des Schmutzgehaltes und der Reaktion
vorgenoinmen. — In einzelnen Städten hat man wenigstens ver¬
sucht, eine Kontrolle über die Beschaffung gesunder Milch dadurch
zu erreichen, daß tierärztliche Untersuchungen der Milchkühe vor¬
gesehen sind, so in Aschersleben, Halle, Magdeburg, Erfurt, Stendal,
Mühlhausen und Nordhausen. In den vier zuletzt genannten Städten
erstreckten sich die Untersuchungen nur auf die im Stadtbezirk
aufgestellten Kühe. Eine Untersuchung der Milch selbst durch
Tierärzte findet in unserm Vercinsbezirk, abgesehen von Stendal,
anscheinend noch nirgends statt, und doch dürfte der Tierarzt hier
ebenso wie bei der Fleischkontrolle, der in erster Linie in Frage
kommende Sachverständige Bein, wenigstens wenn es sich um die
Beschaffung gesunder Milch handeln soll.
Eine brauchbare Milchkontrolle kann nur erreicht werden, wenn
sie ähnlich wie die Fleischkontrolle geregelt wird. Die sanitäre
Beurteilung der Milch muß. Sache des Tierarztes, in einigen Einzel¬
fällen Sache des Menschenarztes, die chemische Untersuchung in
erster Linie Sache des Chemikers sein. Die Bestimmung des
spezifischen Gewichts, des Geruchs, Geschmacks, Aussehens, der
Reaktion und des Schmutzgehalts kann sowohl vom Tierarzt als
dem Chemiker, erledigt werden. Auch für die Ermittlung des Fett¬
gehalts dürfte der Tierarzt zuständig sein, besonders soweit die
einfache Gerb ersehe Methode ausreicht. Auf ein Hundertstel
kommt es bei der Ermittlung des Fettprozents in der Praxis gar
nicht an. Es kann diese Untersuchung nicht ausschließlich vom
Chemiker beansprucht werden, sonst könnte er mit mindestens
demselben Recht auch die Harnuntersuchungen beanspruchen. Zur
Vornahme dieser einfachen Methoden ist auch der Tierarzt genügend
chemisch vorgebildet, ganz abgesehen davon, daß sie heute in den
Vorlesungen und Kursen auf den tierärztlichen Hochschulen gelehrt
werden. Der Tierarzt ist auch am besten in der Lage, bei einem
etwa gefundenen zu geringen Fettgehalte festzustellen, ob dieser
durch eine Erkrankung der Kühe oder durch unzweckmäßiges
Melken verursacht worden ist. Ausdrücklich möchte ich betonen,
daß ich die segensreiche Tätigheit der in den Nahrungsmittel¬
untersuchungsämtern tätigen Chemiker durchaus anerkenne, nur ist
es nicht angängig, die chemische Untersuchung einiger Fleisch¬
oder Milchproben als genügende Fleisch- resp. Milchkontrolle zu
bezeichnen. Würde die Milchkontrolle in erster Linie den schon
mit der Fleischkontrolle betrauten Tierärzten übertragen, so würde
auf die Beschaffung gesunder Milch ein größeres Gewicht gelegt
werden und außerdem ließe sich die Kontrolle leichter durchführen, da
Tierärzte fast überall zur Verfügung stehen. Für die Untersuchung
828
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46.
der Milch werden im allgemeinen die Laboratorien der städtischen
Schlachthöfe die geeignetsten Stätten sein. Dort könnten die Proben
auf Geruch, Farbe, Geschmack, Reaktion, spezifisches Gewicht, Zu¬
satz von Colostralmilcb, Fettgehalt und besonders Schmutzgehalt
untersucht werden, es könnten bakteriologische Untersuchung
des beim Zentrifugieren gewonnenen Bodensatzes, Leukocyten-
proben nach Dr. Tromsdorff Gärproben und eventuell auch Impf¬
versuche vorgenommen werden. Ergibt sich hierbei der Verdacht
auf Zusatz von Konservierungsmitteln oder sonstiger Chemikalien,
könnte die Probe dem Chemiker zur weiteren Untersuchung über¬
wiesen werden. Ergibt die Untersuchung den Verdacht, daß die
Milch von Kühen stammt, deren Milch nach den Bestimmungen
vom Verkehr auszuschließen ist, so muß eine Untersuchung des
Milchviehbestandes erfolgen. Auch müßte der Milchviehhalter ver¬
pflichtet sein, derartigen Verdacht Zur Anzeige zu bringen. Tier¬
ärztliche Revisionen der Milchviehbestände (etwa vierteljährlich)
müßten auch sonst, wo irgend möglich, eingeführt werden; derartige
Revisionen würden vom sanitären Standpunkte unvergleichlich
wirksamer sein, ali die heute geübte Kontrolle. Sie würden auch
für den Landwirt nhtzlich sein, da er rechtzeitig auf vorhandene
Schäden aufmerksam gemacht würde. Die Kontrolle müßte für die
Milchviehbalter kostenlos oder doch nur mit geringen Kosten ver¬
knüpft sein. Da sie in erster Linie aus Rücksicht auf die All¬
gemeinheit nötig ist, müßte auch die Allgemeinheit die Kosten
tragen, allenfalls könnte eine geringe Abgabe nach der Anzahl der
Milchkühe erhoben werden. Tierärztliche Behandlung dürfte mit
der Kontrolle nicht verbunden werden. — Zuzugeben ist, daß die
sanitäre Milchkontrolle heute leider noch wenig ausgebaut ist, daß
ihr noch mancherlei Mängel anhaften, aber notwendig ist ihre
Durchführung im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung un¬
bedingt dringend. Auch die Fleischbeschau war anfangs nicht so
vollkommen wie heute, auch sie hat erst mühsam aufgebaut werden
müssen, das gleiche würde den Tierärzten auch bei der Milch¬
kontrolle gelingen, man muß ihnen nur die Möglichkeit dazu geben.
Wenn bislang die Tierärzte so wenig berücksichtigt worden sind,
so liegt das meines Erachtens besonders an dem Runderlaß von
1899, den fast alle Städte sich heute noch als Muster nehmen. In
diesem Runderlaß sind die Tierärzte auffallend schlecht weg¬
gekommen, denn abgesehen von der Kontrolle der Kindermilchkübe
werden sie mit keinem Worte erwähnt, sondern nur der Chemiker
und eventuell erprobte Marktpolizeibeamte. Selbst für die bak
teriologische Untersuchung zweifelhafter Milch wird ausschließlich
der Chemiker empfohlen. Es ist unsere Pflicht, auf die Mängel
dieses Erlasses hinzuweisen und zu betonen, daß mehr Gewicht
auf die Beschaffung gesunder Milch gelegt werden muß. Falls
nicht die wesentlichsten Bestimmungen auf dem Papier stehen
bleiben sollen, kann der tierärztliche Sachverständige nicht entbehrt
werden, ebensowenig wie bei der Durchführung der Fleischhygiene.
Natürlich wird sich eine einwandfreie Milchkontrolle nicht von
heute auf morgen schaffen lassen, sollen aber überhaupt Fort¬
schritte gemacht werden, so muß immer wieder auf das Ziel, die
Beschaffung gesunder Milch, hingewiesen werden; es darf nicht
die Meinung aufkommen, daß die heute ausgeübte chemische Unter¬
suchung einzelner Proben eine ausreichende Milchkontrolle darstellt.
(Aufklärende Tätigkeit durch Wort und Schrift, Beteiligung an den
städt. Gesundheitskommissionen etc.).
An der Diskussion beteiligen sich vor allem die Herren Gnnde-
lach, Pirl und Leistikow.
Veterinärrat Leistikow betonte, daß die Milchkontrolle so
lange im argen liegen würde, als wir kein Reichsgesetz darüber
haben. Er empfahl daher auf den Erlaß eines Reichsgesetzes hin¬
zu wirken und unterbreitete der Versammlung nachstehende Resolution.
Beschluß.
Der Tierärztliche Zentralverein für die Provinz Sachsen, die an-
haltischen und thüringischen Staaten beschließt:
1. Im Hinblick darauf, daß die Milch — neben dem Fleisch
eines der wuchtigsten menschlichen Nahrungsmittel — vielfache
Abweichungen votn ordnungsmäßigen Zustande aufweisen und da¬
durch selbst gesundheitsschädliche Eigenschaften annehmen kann,
erscheint es erforderlich, die Erzeugung, Gewinnung und den Handels¬
verkehr mit Milch einer dauernden Kontrolle zu unterwerfen. Zur
Grundlage dieser Kontrolle ist der Erlaß eines Reichsgesetzes an¬
zustreben. Bei der Milchgewinnung ist besondere tierärztliche
Überwachung des Gesundheitszustandes der betreffenden Tiere, bei
der Kontrolle der im Verkehr befindlichen Milch die Mitwirkung der
Tierärzte unerläßlich.
2. Der Vorstand wird beauftragt, den Beschluß zu 1 dem
Deutschen Veterinärrat mit dem Ersuchen zu unterbreiten, in ihm
geeignet erscheinender Weise auf den Erlaß eines solchen Reichs¬
gesetzes hinzuwirken.
8. Die Beschlüsse zu 1 und 2.werden den dem Deutschen V.-R.
angeschlossenen tierärztlichen Vereinen zur gefälligen Kenntnis¬
nahme zugefertigt.
Begründung,
a) Von Leistikow.
Die Produktion der Milch, sowie der Verkehr mit diesem so
überaus wichtigen Nahrungsmittel unterliegen zurzeit noch keiner
allgemeinen behördlichen Überwachung, wie eine solche durch das
Reichsgesetz vom 3. Juni 1900 für das Fleisch geschaffen ist
In dem Zirkularerlaß der Herren Minister des Innern und für
Landwirtschaft, Domänen und Forsten vom 28. Januar 1884 an die
Herren Oberpräsidenten, betreffend die Regelung des Verkehrs mit
Milch wird es als Notwendigkeit bezeichnet, von einem einheitlichen
Milchuntersuchungsverfahren für das Deutsche Reich Abstand zu
nehmen, weil sich die Unausführbarkeit eines für den praktischen
Gebrauch der Polizeibehörden geeigneten, einheitlichen Unter-
suchungsverfahtens ergeben habe.
Auch beständen erhebliche Bedenken für die Bestandteile der
Milch, Minimalwerte aufzustellen, deren Erhöhung den Einzel¬
regierungen überlassen bleiben sollte.
Auf dieselben Gründe wird in dem Zirkularerlaß vom 22. Juni
1899 Bezug genommen und daraus eine einheitliche Regelung der
Sache für das gesamte Staatsgebiet als zurzeit noch nicht zulässig
bezeichnet. Es werden in diesem Erlasse neue Grundsätze aufgestellt,
nach denen der Verkehr mit Milch „wo sich ein Bedürfnis dazu heraus¬
stellt, unterBerücksichtigung der örtlichenVerhältnisse“,durch Polizei¬
verordnung oder sonstige polizeiliche Maßnahmen geregelt werden
soll. Nach diesen Grundsätzen haben die Ortspolizeibehörden einzelner,
besonders größerer Städte Polizeiverordnungen erlassen. Diese
Verordnungen haben den ZuständigkeitenVerhältnissen entsprechend,
stets nur örtlich beschränkte Gültigkeit. Sie regeln den Verkehr
mit Milch und die Untersuchung der im Handel befindlichen Milch
und beschäftigen sich auch mit der Einrichtung der Stallungen, der
Überwachung des Gesundheitszustandes, der Fütterung und Haltung
der Kühe, von welchen Vorzugs-, Gesundheits- oder Kindermilch
gewonnen werden soll. Wird derartige Milch für Handelszwecke,
von außerhalb bezogen, so wird gefordert, daß sie in den Förder¬
gefäßen keine höhere Temperatur als 10° C und beim Abgeben an
die Verbraucher keinen höheren Säuregrad als 2—4° nach Soxleth
hat. Die übrigen strengen — durchaus sachgemäßen — Vorschriften
über die Einrichtung der Stallungen usw. können nur in den seltenen
Fällen zur Durchführung kommen, in denen zufällig auch für den
Erzeugungsort der Milch eine entsprechende Polizei Verordnung er¬
lassen ist
Nach den Grundsätzen wird die Frage ob solche Polizeiver¬
ordnungen erlassen werden sollen, nach dem „Bedürfnis“ entschieden.
Das Bedürfnis müßte aber für alle Gemeinden bejaht werden, in
welchen Handel mit Milch zum unmittelbaren Genüsse für Menschen
stattfindet Wenn im Gegensatz hierzu nur wenig Ortspolizeibehörden
Polizeiverordnungen der in der Rede stehenden Art erlassen haben,
so beweist dies, daß die Notwendigkeit der Überwachung des Milch¬
verkehrs und besonders auch die Gefahren, welche durch den Genuß
gesundheitsschädlicher Milch für Menschen entstehen können, noch
nicht genügend gewürdigt werden.
Herr Veterinärrat Dr. Foth hat in seinen vortrefflichen Vor¬
trägen auf der Generalversammlung des Tierärztlichen Vereins in
Schleswig-Holstein zu Kiel am 1. September v. J. und auf dem
Kongresse für Hygiene und Demographie die Überwachung der
Milchgewinnung und des Verkehrs mit Milch eingehend erörtert.
Am Schlüsse des letzteren Vortrages kommt er zu folgenden Leit¬
sätzen (B. T. W. 1907, S. 647 und 896):
12, November 1908,
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
829
I. Die Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreier Milch
ist eine unabweisbare Forderung der öffentlichen Gesundheitspflege.
II. Zur Erfüllung dieser Forderung ist die Klinke der Gesetz¬
gebung nicht zu entbehren.
Diesen Leitsätzen kann nur zugestimmt werden. Es erscheint
erforderlich durch Gesetz, am besten durch Reichsgesetz, die staat¬
liche Kontrolle der Milch, welche zum Genüsse für Menschen feil¬
gehalten oder verkauft werden soll, vorzuschreiben.
Den in den eingangs erwähnten Ministerialerlassen gegen die
Anordnung eines einheitlichen Milchuntersuchungsverfahrens für das
Deutsche Reich erhobenen, berechtigten Bedenken würde dadurch
Rechnung zu tragen sein, daß in das Gesetz nur allgemeine Grund¬
sätze aufgenommen, die speziellen Bestimmungen aber den Einzel¬
staaten überlassen werden. Vor allen Dingen würde in dem Reichs¬
gesetz von der Festsetzung eines Mindestfettgehaltes abzusehen sein.
Ebensowenig dürfte das Untersuchungsverfahren fllr die Milch ge¬
setzlich festzulegen sein. Die hierfür anzuwendenden Methoden
würden stets unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs vorzu¬
schreiben sein, so daß Verbesserungen des Untersuchungsverfahrens
alsbald zur Anwendung kommen können.
Dagegen würden in das Gesetz aufzunehmen sein: allgemeine
Bestimmungen über die Beschaffenheit der Stallungen, in welchen
Milchkühe, deren Milch zum Genüsse für Menschen feilgehalten oder
verkauft werden soll, über Wartung, Pflege, Überwachung des Ge¬
sundheitszustandes und Reinhaltung der Tiere, Reinlichkeit beim
Melken, Überwachung des Gesundheitszustandes der bei der Gewinnung
und dem Vertriebe der Milch beschäftigten Personen. Auch Hin¬
sichtlich dieser Forderungen muß den Leitsätzen III und IV Foths
(a. a. 0.) zugestimmt werden.
Bemerkt sei ausdrücklich, daß dem zu erlassenden Reichsgesetze
nur diejenigen Milchwirtschaften unterworfen werden sollen, welche
Milch zum unmittelbaren Genüsse für Menschen produzieren, nicht
aber diejenigen, welche die Milch an Molkereien zur Butter- und
Käsebereitung abgeben. Es bedarf keiner weiteren Ausführung, daß
die Überwachung des Gesundheitszustandes der Milchkühe aus¬
schließlich durch Tierärzte zu erfolgen hat. Auch zur Untersuchung
der im Verkehr befindlichen Handelsmilch erscheinen diese, vermöge
ihres Fachstudiums besonders geeignet.
Auch die Laboratorien der Schlachthöfe werden vorteilhaft mit
der Untersuchung der Milch zu betrauen sein.
b) Von Meyer-Stendal.
Die Milch ist eines unserer wichtigsten und unentbehrlichsten
Nahrungsmittel, da sie alle erforderlichen Nährstoffe in geeignetster
Form und in günstiger Mischung enthält Aus volkswirtschaftlichen
und hygienischen Gründen ist eine möglichste Hebung des Milch¬
verbrauchs wünschenswert Leider entspricht die Milch nicht immer
den berechtigten Anforderungen; häufig besitzt sie sogar Eigen¬
schaften, die die Gesundheit des Konsumenten in hohem Maße ge¬
fährden. Der Konsument ist in den weitaus meisten Fällen nicht
imstande, diese minderwertigen oder gesundheitsschädlichen Eigen¬
schaften der Milch zu erkennen, und der einzelne ist auch zumeist nicht
in der Lage, die Beschaffung gesunder Milch zu erreichen. Es ist Auf¬
gabe der Behörde, hier helfend einzugreifen, die Bevölkerung nach
Möglichkeit vor den durch den Milchgenuß drohenden Gefahren zu
schützen. Die heute zu diesem Zweck ergriffenen Maßnahmen sind
durchaus unzulänglich. In einer Reihe von Städten wird zwar bestimmt,
daß die als minderwertig oder gesundheitsschädlich angesehene Milch
vom Verkehr ausgeschlossen ist, doch wird dem Milchproduzenten
keine Möglichkeit gegeben, diese Bestimmungen innezuhalten. Es
geschieht zumeist nichts, diese Bestimmung auch wirklich durch¬
zuführen; sie bestehen nur auf dem Papier, und bewirken oft
nur eine Täuschung des Publikums. Die Milchkontrolle beschränkt
sich vielfach darauf, daß alljährlich einige Milchproben auf ihren
Fettgehalt untersucht werden. Eine derartige Milchkontrolle kann
nicht als eine auch nur den geringsten Anforderungen gerecht
werdende bezeichnet werden, ebensowenig wie es als eine genügende
Fleiscbkontrolle angesehen werden könnte, wenn lediglich einige
Fleischproben alljährlich auf ihren Eiweiß- und Fettgehalt untersucht
würden. Es muß sich die Kontrolle der Milch in erster Linie
darauf erstrecken, ob die Milch in gesundheitlicher Hinsicht ein¬
wandfrei ist; die Untersuchungen müssen häufiger erfolgen und
die Ursachen der Minderwertigkeit oder der Gesundheitsschädlichkeit
müssen ermittelt werden, damit der Milchproduzent bei gutem
Willen die Möglichkeit erhält, für Abhilfe zu sorgen, und damit der
Milchkonsument nicht nur für einen Tag sondern dauernd geschützt
wird. Eine diesen Ansprüchen gerecht werdende Milchkontrolle
kann nur erreicht werden, wenn in erster Linie Tierärzte an ihrer
Durchführung mitwirken. Es müssen die Milchviehbestände einer
regelmäßigen tierärztlichen Überwachung unterstehen, da nur dann
der Milchproduzent die Bestimmungen über die Beschaffung gesunder
Milch zu befolgen in der Lage ist. Da jedoch regelmäßige tier¬
ärztliche Überwachungen sämtlicher Milchkühe nur in größeren
Zwischenräumen durchführbar sind, müssen außerdem häufige Unter¬
suchungen der Milch selbst durch Tierärzte vorgenommen werden.
Hierzu dürften im allgemeinen zunächst die Laboratorien der
städtischen Schlachthöfe die geeignetsten Stätten sein. Dort
könnten die Milchproben auf Farbe, Geruch, Geschmack, Reaktion,
spezifisches Gewicht,Fettgehalt, Gehalt anTrockensubstanz, Schmutz¬
gehalt,*) Zusatz von Colostralmilch untersucht und bakteriologische
Untersuchungen des beim Zentrifugieren gewonnenen Bodensatzes,
Gärproben, Leukozytenproben nach Dr. Tromsdorff, sowie nötigenfalls
Impfversuche usw. vorgenommen werden. Ergebe sich ein Verdacht
auf Verfälschung, Zusatz von Konservierungsmitteln oder sonstigen
Chemikalien, könnte die Probe einem Chemiker zur diesbezüglichen
näheren Untersuchung überwiesen werden; in einzelnen Fällen
dürfte auch die Zuziehung eines Humanmediziners erforderlich
werden. Ergebe sich der Verdacht, daß die Milch von Kühen
stammt, deren Milch als minderwertig oder gesundheitsschädlich vom
Verkehr auszuschließen wäre, so müßten weitere Ermittlungen an¬
gestellt und eine besondere Untersuchung des in Frage kommenden
Milchbestandes vorgenommen werden.
Nur wenn in dieser Weise häufige Milchuntersuchungeu und
die Überwachung der Milchviehhaltungen miteinander verbunden
werden, dürfte eine brauchbare, dem Produzenten und Konsumenten
gerecht werdende Regelung dieser wichtigen hygienischen Frage
zu erreichen sein. Erforderlich ist, daß die grundlegenden Be¬
stimmungen über die Gewinnung und den Verkehr mit Milch für
das ganze Reich einheitlich und verbindlich festgelegt werden, eben¬
so wie dies für die Fleischkontrolle durch das Reichsfleischbeschau¬
gesetz bereits geschehen ist So lange dies nicht geschieht, werden
durchgreifende Erfolge schwer zu erzielen sein; es wird Flickwerk
bleiben, die Lokal-Bestimmungen werden vereinzelt, vielfach un¬
genügend, unzweckmäßig und widerspruchsvoll bleiben.
Der von Leistikow vorgeschlagenen und von ihm und Pirl
abgefaßten Resolution wurde einstimmig zugestimmt.
Veterinärrat Pirl empfahl die Resolution nicht nur dem
Deutschen Veterinärrat sondern auch dem Deutschen Landwirt¬
schaftsrat zu unterbreiten.
*
Im Hinblick auf die vorgerückte Zeit verzichtete Herr Veterinär-
rat Pirl auf das Wort zu seinem Vortrag über Faulbrutseuche der
Bienen und stellte das Referat in freundlichster Weise auf die
nächste Sitzung in Aussicht.
Auch Punkt 5 der Tagesordnung, die Besprechung praktischer
Fragen, wurde übergangen, um die von den Kollegen des bak¬
teriologischen Instituts gebotenen Referate zu hören und eine ein¬
gehende Besichtigung des Instituts vornehmen zu können.
*) Für diesen Teil der Untersuchung ist zwar nach der heute
noch herrschenden Ansicht in erster Linie nur der Chemiker zu¬
ständig, doch dürfte der Tierarzt hier dem Chemiker gleichberechtigt
sein, da er für die Praxis ausreichende Methoden beherrscht. Die
tierärztliche Untersuchung hat den wesentlichen Vorteil, daß die
Kontrolle in der Hand eines Sachverständigen bleibt, und daß der
Tierarzt infolge seiner physiologischen und pathologischen Fach¬
kenntnisse in der Lage ist, die Ursache der Abweichung zu er¬
mitteln und somit dauernde Abhilfe zu ermöglichen. Es kann
z. B. bei der Ermittlung eines Fettgehaltes unter 2,7 Proz. nicht
als ausreichend angesehen werden, den Milcbverkäufer zu bestrafen.
In vielen Fällen würde dies ungerecht und wirkungslos sein, da die
Ursache nicht immer auf eine Verfälschung zurückzuführon ist,
sondern oft darauf, daß einzelne Kühe aus physiologischen und
pathologischen Gründen fettarme Milch geben oder darauf, daß das
Melken oder die weitere Behandlung der Milch unzweckmäßig sind
830
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46.
Der Vorsitzende erteilte demnach Herrn Dr. Stadle, Repetitor
des Hygienischen Instituts der Berliner Tierärztlichen Hochschule,
das Wort Dr. Stad io wird seinen Vortrag:
„Versuche Ober die praktische Verwendbarkeit eines mit Hilfe des
filtrierbaren Virus hergestellten Schweinepestserums“ in dieser Wochen¬
schrift an besonderer Stelle ausführlich veröffentlichen.
Die Versammlung folgte den Ausführungen des Referenten
mit großem Interesse.
Der Vorsitzende dankte für die eingehende Schilderung der
für die Seuchenbekämpfung so wichtigen Untersuchungen und bat
die anwesenden Kollegen um Nutzanwendung der Versuchsergebnisse
in der Praxis und erteilte dann Herrn Dr. Rautmann das Wort.
„Neueres auf dem Gebiet der Tuberkulosebekämpfung.“
Vortrag von Dr. Rautmann.
Sehr geehrte Herren! Wie stark die Rindertuberkulose
verbreitet ist, war bis vor kurzem selbst den in der Praxis stehenden
Tierärzten nicht genau bekannt. Hier hat erst die Einführung des
Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesotzes den letzten Schleier der
Ungewißheit beseitigt; heute wissen wir, daß von sämtlichem in
Deutschland geschlachteten
Jungvieh . . 5,3 %
Bullen . . . 13,9%
Ochsen . . . 18,3%
Kühen . . . 25,3%
mit tuberkulösen Prozessen behaftet gefunden werden.
Diese Zahlen legen ein beredtes Zeugnis dafür ab, daß im
Kampfe mit der Tuberkulose dem praktischen Tierarzt ein reiches
Arbeitsfeld offen steht. Trotzdem hier alle Heilmittel versagt
haben, kann ich wohl behaupten, daß es auch ein segensreiches
Arbeitsfeld ist. Dafür sprechen wenigstens die Erfolge, die durch
unsere vierjährige praktische Tätigkeit erzielt sind.
Nach zwei Gesichtspunkten versucht man neuerdings
die Tuberkulose zu tilgen:
1. Durch Maßregeln zur Verhütung einer Neuinfektion (= Prä-
cautionsverfahren);
2. durch Erzielung einer Tuberkuloseimmunität mittelst Schutz¬
impfungen.
Demgemäß sind auch in der Provinz Sachsen durch unser
Institut seit dem Jahre 1903 Versuche angestellt worden, über
deren Ausfall schon interessante Ergebnisse vorliegen.
Zunächst wurde im genannten Jahre das von Herrn Geh.-Rat
Professor Dr. Oster tag modifizierte Bangsche Verfahren zur Ein¬
führung gebracht Wie Ihnen bekannt sein dürfte, besteht dasselbe
in der Ausmerzung der mit einer offenen Form der Tuber¬
kulose behafteten Tiere, bei denen also Tuberkelbazilion mit den
Ex- und Sekreten aasgeschieden werden, um so eine Quelle für die
Neuinfektion bei den übrigen, bisher gesunden Stallinsasscn zu ver¬
stopfen. Ferner in der tuberkulosefreien Aufzucht der
tuberkulosefrei geborenen Kälber. Diese wird erreicht durch
Verhütung der Tuberkelbazillenaufnahme sowohl mit der
Nahrung als der Luft; daher ist die konsequente Durchführung
zweier Forderungen notwendig:
1. Isolierung der Kälber;
2. Die Ernährung mit abgekochter Milch, bzw. mit roher Ammen¬
milch solcher Kühe, die Bich sowohl durch die klinische
Untersuchung, wie durch die Tuberkulinprobe als frei von
Tuberkulose bewiesen haben.
So einfach durchführbar diese Forderungen erscheinen, sind
sie in Wirklichkeit nicht und zwar, weil es in vielen Fällen an
dem nötigen Interesse des Landwirtes fehlt, und sich andererseits
die zur Wartung und Pflege des Kindes bestimmten Leute un¬
zuverlässig erweisen. Unter diesen Verhältnissen hat namentlich
die zweite Forderung des Verfahrens zu leiden.*)
Im Gegensatz hierzu gelingt es bedeutend leichter, dem ersten
Verlangen nachzukommen, da einerseits die Ermittlung der tuber-
*) 22 Besitzer verfüttern abgekochte Milch;
14 * „ Ammenmilch tuberkulinisierter Kühe.
Die hierbei beobachteten Tuberkulinreaktionen schwanken:
heim Großvieh von 26,27% bis 81,8%,
„ Jungvieh „ 0% „ 65%%.
kulösen Tiere durch die tierärztliche Untersuchung bei einiger
Übung ziemlich sicher möglich ist, andererseits der Besitzer sich
leicht selbst überzeugt, wie rationell er wirtschaftet, wenn er die
kranken Tiere so schnell wie angängig ausmerzt.
Vom 1. April 1907 bis 31. März 1908 wurden annähernd 5000 Stück
Großvieh, die bereits mehrfach geprüft sind, untersucht und nach
unseren Ermittlungen hiervon 86 Tiere = 1,76 Proz. mit einer
offenen Form der Tuberkulose behaftet gefunden, und zwar litten
80 Tiere an Lungentuberkulose = 1,64 Proz.
9 „ „ Eutertuberkulose = 0,18 „
In der gleichen Zeit sind 300 Tiere der erstmaligen Untersuchung
unterzogen, von denen 27 = 9 Proz. an offener Tuberkulose er¬
krankt waren.
Es war demnach bei der Durchführung der ersten Forderung
des Ostertagschen Verfahrens möglich, den Prozentsatz der
gefährlich tuberkulösen Tiere von 9 Proz. auf 1,76 Proz.
herabzudrücken.
Es ist dies ein sehr erfreulicher Erfolg, der bei näherer Be¬
trachtung noch dadurch wesentlich an Wert gewinnt, wenn man
bedenkt, daß es selbst in ganz verseuchten Beständen möglich ist,
sowohl alle Todesfälle als alle nennenswerten pekuniären Verluste, die
beim Verkauf von minderwertig gewordenen Tieren entstehen, zu
vermeiden, da letztere durch die klinische Prüfung früh genug er¬
kannt und noch vollwertig veräußert werden können. Zur Er¬
mittlung der tuberkulösen Tiero wird der klinische Befund und
daneben der Ausfall der bakteriologischen Prüfung zum
Teil auch das Tuberkulinimpfergebnis berücksichtigt.*)
Der Versuch, die Koch sehe Tuberkulinprüfung durch die von
Pirquetsche Probe, bei der konzentriertes Tuberkulin kutan in
eine oberflächliche Hautwunde eingerieben wird, zu ersetzen, ist
im letzten Jahre gleichfalls gemacht worden, doch hat sich das
Pirquetsche Verfahren als völlig unzulänglich erwiesen.
Von 91 Versucbsrindern reagierte auf die Pirquetsche Probe
kein einziges Tier, während die zur Kontrolle vorgenommene übliche
subkutane Tuberkuliniinpfung 63 positive, 24 negative und vier
zweifelhafte Reaktionen anzeigte.. • ..* " •* ’ " ’"
Den gleichen negativen Befund konnten wir bei unsern kleinen
Versuchstieren, die mit tuberkuloseverdächtigen Materiale geimpft
waren, bei der Anwendung des Pirquetschen Verfahrens feststellen.
Bei 44 geimpften Meerschweinchen trat in keinem Falle eine
typische Reaktion ein. Trotzdem bei 21 Tieren nach der Tötung
Tnberkulose ermittelt wurde,
reagierten überhaupt nicht . . = 14 Tiere,
braunrote Schorfbildung zeigten . = 4 „
Rötung und leichte Schwellung der
Wundränder.= 3 „
I Diesen gegenüber zeigten sich 23 Tiere nach der Tötung nicht
tuberkulös, auch hier keine Reaktion im Sinne Pirquets, doch
bei zwei Tieren eine Rötung und leichte Schwellung der Wundränder.
Zur Prüfung des Tuberkelbazillengehaltes der Ex- und Sekret¬
proben werden neben der mikroskopischen Prüfung Tierver¬
suche angestellt. Zur Beschleunigung des Krankheits-
Verlaufes bei diesen Versuchstieren versuchten wir im letzten
Jahre eine wiederholte Verimpfung von Tuberkulin zu verwenden.
Trotz Verabreichung von hohen Dosen dieses Tuberkelbazillen-
giftes, vermochten wir indes den Krankheitsverlauf nicht zu be¬
schleunigen; doch es zeigte sich, daß die nach der Verimpfung
von Tuberkulin auftretende positive Reaktion der
*) Hiernach zeigt sich die Tuberkulose am stärksten verbreitet in
a) größeren Beständen,
b) Abmelkewirtschaften,
c) Wirtschaften mit regem Zukauf sowie
d) bei unhygienischen Stallverhältnissen.
Beispiel:
Tiefstall mit 72 Tieren . . 17 Lungentuberkulose
13 Lungentuberkuloseverdacht
30 = 41% Proz.
Eine direkte Tuberkuloseeinschleppung durch Neukauf ist bei
vier Züchtern nachgewiesen, bei drei Züchtern konnte dieselbe durch
unsere Untersuchung vor dem Kauf verhindert werden.
12. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
831
Versuchstiere schon 8—10 Tage nach der Infektion den
Schluß zuließ, ob das Untersuchungsmaterial Tuberkel¬
bazillen enthalte oder nicht.
Bestätigt sich diese Erfahrung auch durch weiter festgesetzte
Versuche, so dürfte dem Tuberkulin ein besonders hoher Wert
als Schftelldiagnosticum zuzusprechen sein.
Durch die bakteriologischen Prüfungen, die an
a) 5 Schleimproben,
b) 173 Milchproben (96 Einzelproben — 77 Gesamtmilchproben)
ausgeführt sind, konnten in 10 Einzelmilchproben und in 5 Mischmilch¬
proben ganzer Bestände Tuberkelbazillen nacbgewiesen werden.
In drei Beständen, deren Mischmilch Tuberkelbazillen enthalten
hatte, wurde je eine mit Eutertuberkulose behaftete Kuh durch die
klinische Untersuchung ermittelt. Da die Gesamtmilchproben von
8,44 bzw. 88 Kühen entnommen waren, so hatte die Milch einer
euterkranken Kuh trotz der starken Verdünnung ausgereicht, das
Gesamtgemelk zu infizieren; daher 65 5 /? % positive Tuberkulin¬
reaktionen beim Jungvieh dieser Bestände.
In zwei Beständen konnte durch die klinische Prüfung die
Lieferantin der Tuberkelbazillen nicht ermittelt werden; da hier
aber inzwischen durch die Besitzer Tiere verkauft waren, ist an¬
zunehmen, daß die Kranken inzwischen beseitigt waren. Diese
Annahme erscheint um so mehr berechtigt, als durch eine Kontroll¬
prüfung der Mischmilch dieser Bestände nicht zum zweiten Male
der Tuberkelbazillennachweis gelang.
Eine Tuberkulosebekämpfung durch das Immunisierungs-
verfahren nach v. Behring bzw. Koch-Schütz ist im letzten
Jahre nicht mehr zur Durchführung gekommen.
Maßgebend hierfür war unsere Beobachtung, daß die Bovo-
vaccination nicht ohne jede Gefahr für die Impflinge durchführbar
ist, andrerseits aber das praktische Ergebnis, das bisher auf Grund
der Schlachtung erhoben werden konnte.
Genau lassen sich die Resultate unserer Schutzimpfungen nur
auf zwei größeren Wirtschaften verfolgen, wo die Versuche von
uns von März 1904 bis Januar * 1907 an 101 Impflingen vor*
genommen sind.
Trotzdem auf beiden Wirtschaften das Jungvieh auf die Weide
getrieben und auch sonst die Bedingungen für die Aufzucht in
hygienischer Beziehung sehr gute sind, konnten in beiden Be¬
ständen je viermal, in Summa also bei acht Tieren nach der
Schlachtung tuberkulöse Veränderungen in mehr oder weniger
starker Ausbreitung nachgewiesen werden. Ein Tier zeigte sich
so hochgradig erkrankt, daß es der Abdeckerei überwiesen werden
mußte. Da keine der Tiere volle drei Jahre alt geworden ist, die
Tuberkulose als chronisch verlaufende Krankheit sich aber erst im
höheren Lebensalter stärker verbreitet zeigt, ist dieses Ergebnis ein
Bebr ungünstiges und gibt zu den schwerwiegendsten Bedenken
für die Ausführung der Schutzimpfung Veranlassung.
Auch bei unseren Versuchen konnten wir demnach die Er¬
fahrungen namhafter Autoren bestätigen, wonach der auftretende
Schutz der Tuberkelbazillenverimpfung bald nachläßt, um am Ende
des zweiten Jahres nach der Schutzimpfung bereits vollständig ge¬
schwunden zu sein.
Der Vollständigkeit halber will ich noch über die Tuberkulose¬
schutz- und Heilimpfung nach Prof. Heym ans-Gent berichten,
die wir erst seit kurzem in den Bereich unserer Untersuchung ge¬
zogen haben. Dieses Verfahren, das in Belgien bereits allgemein
Anwendung gefunden hat, besteht in der jährlich zu wieder¬
holenden subkutanen Einführung lebender, in Schilf¬
säckchen eingeschlossener Tuberkelbazillen. Nur die
Stoffwechselprodnkte der Bazillen sollen durch die osmotische Haut
hindurchgehen und den Körper des Impftieres zur Bildung von
Schutz- und Heilstoffen der Tuberkulose anregen. Nach diesem
Verfahren wird die Impfung sowohl bei auf Tuberkulin positiv wie
nicht reagierenden Tieren ausgeführt.
Bei sechs unserer Versuchsrinder ist dieses Impf verfahren
praktisch zur Ausführung gelangt. Hiernach können wir nur be¬
stätigen, daß uns die Impfung für die Praxis durchführbar er¬
scheint und daß die Impflinge in keiner Weise auf die Einführung
der Bakteriensäckchen reagiert haben.
Zum Schluß möchte ich bemerken, daß gleichfalls noch in
diesem Jahre Versuche mit dem Dresdener Tuberkulose-Schutz¬
impfungsverfahren mit Hilfe nichtinfektiöser Impfstoffe eingeleitet
werden sollen. Die durch ein von Prof. Kl immer angegebenes
Verfahren abgeschwächten bzw. avirulent gemachten Tuberkel¬
bazillen werden alljährlich subkutan verimpft, um dadurch die im
Anschluß an die Injektion auftretende vorübergehende Immunität
ständig zu erneuern.
Hierauf sprach Herr Dr. Grosso über
Die Herstellung von polyvalentem Kfilberruhrserum.
Der Vortragende führt ungefähr folgendes aus:
Die Immunisierung von Tieren gegen Krankheiten, die durch
Erreger verursacht werden, welche verschiedene Eigenschaften
besitzen, obwohl zu verwandten Gruppen gehörend, ist bekanntlich
eine recht schwierige. Diese Tatsache ist nur auf die Weise zu
erklären, daß man nicht auf eine aktive Wirkung der Schutzimpfung
rechnen kann, weil eben eine Kulturinjektion ausbleiben muß.
Seitdem aber das Prinzip der Polyvalenz des Serums begründet
worden ist, wurde auch die Herstellung eines wirksamen Kälber¬
ruhrserums ermöglicht
Für die Erzeugung des Serums werden in unserem Institut
jetzt nur mit vielen Kälberruhrstämmen hochimmunisierte Rinder
und Ziegen verwandt. Diese Tiere erhalten jeden Monat große
Mengen von Kulturen, teilweise subkutan, teilweise intravenös
ein gespritzt. Die Blutentnahme erfolgt etwa 14 Tage darauf und
kann nach Bedarf noch nach 1—2 Tagen wiederholt werden, so daß
man von jedem Rinde durchschnittlich 6—12 Liter Blut gewinnen
kann. Die Serumausbeute findet sowohl durch Zentrifugieren wie
auch durch Stehenlassen statt und beträgt annähernd 50Proz. der
Blutmenge. Was die Konservierung des Serums anbelangt, so haben
wir uns bis Anfang dieses Frühjahres der Karbollösung bedient.
Da aber nach den Untersuchungen von Prettner das Diaph-
therin (Oxichinaseptol-Merck) auch die Konservierung unter geringer
Verdünnung des Serums ermöglicht, so wurde dieses Mittel versuchs¬
weise zur Anwendung gebracht und bis jetzt mit zufriedenstellendem
Resultat benutzt. Es wird in einer Menge von 2 ccm (die Lösung
ist so hergestellt, daß auf 100 ccm Serum 0,1 g Diaphtherin
kommt) auf 1 Liter Serum zugefügt, w r o sonst 100 ccm einer
öproz. Karbollösung nötig wären. Das so angefertigte Scnun
bleibt in 1 Liter- 3 Liter-Flaschen etwa einen Monat stehen, w r obei
die noch vorhandenen Blutkörperchen zu Boden sinken, um dann
in größeren Mengen zusammengemischt zu werden.
Die Prüfung des Serums erfolgt durch Agglutination und Tier¬
impfungen. Außerdem sind schon Versuche angestellt worden, um
das Serum durch die „biotellurische Reaktion“ auf. Keim¬
freiheit nach den Angaben von Prof. Gosio-Rom zu prüfen.
Zum Schluß möchte ich noch bemerken, daß die guten Re¬
sultate, die durch Verimpfung unseres Kälberruhrserums erzielt
worden sind, hauptsächlich auf die umfangreiche Polyvalenz desselben
zurückzufiühren sind. Um den Schutzwert des Serums noch weiter
erhöhen zu können, beabsichtigen wir neue Tiere der Immunisierung
zu unterziehen. Denselben werden dann die in letzter Zeit
isolierten Stämme einverlcibt. Dies ist unbedingt nötig, weil wir
den schon immunisierten Tieren nur eine beschränkte Menge Kälber¬
ruhrstämme verabfolgen können.
Endlich referierte Herr Dr. Raeblger über
„Die Opeoninmethode“
etwa folgendes:
Die Forschungen Über die Schutzstoffe des Blutserums haben
bekanntlich dazu geführt, zwei scharf getrennte Arten zu unter¬
scheiden, nämlich bakterizide und antitoxische Antikörper.
• Die Untersuchungen von Wright, Neufeld und Rimpau
haben indessen gezeigt, daß es noch eine dritte Art von spezifischer
Serumwirkung gibt.
Dieselbe steht zwar im Prinzip der bakteriziden nahe, bedarf
aber einer direkten zellulären Mitwirkung und gründet sich demnach
auf die Mets chnik off sehe Phagozytentheorie.
Die Phagozytose ist die wertvolle Eigenschaft der weißen Blut¬
zellen, schädliche Substanzen zu eliminieren. Sie beruht jedoch nach
Wright nicht auf einer diesen Blutzellen eigenen Lebenstätigkeit,
sondern wird durch im Blutplasma kreisende Substanzen erlangt,
832
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No: 46.
die er „Opsonine“ nennt; diese sollen lähmend auf die Bakterien
wirken und sie dadurch erst für die Phagozytose geeignet machen.
Ich erlaube mir, folgendes Beispiel anzufUhren:
Befreit man zwei gleiche Mengen weißer Blutzellen (durch
Auswaschen) absolut vom Plasma, und mischt man die eine Menge
mit normalem (gesundem) Serum und die andere mit normaler
Kochsalslösung, dann braucht man die beiden Gemische nur mit je
einer gleichen Menge von einer Tuberkelbazillenemulsion in Kontakt
zu bringen, um zu sehen, daß im ersteren Serumgemisch sich eiue
lebhafte Phagozytose einstellt, während im zweiten nichts dergleichen
zu konstatieren ist Phagozyten waren aber in beiden Gemischen
vorhanden! Wenn also nur in dem serumhaltigen Gemenge die
Phagozytose eintritt, so ist nach Wright der Beweis dafür
erbracht, daß im normalen Blutplasma eine diese Tätigkeit der
Leukozyten auslösende Substanz vorhanden sein muß, ein Opsonin,
das in dem speziellen Falle Tuberkelopsonin ist. Es wird nun an¬
genommen, daß für eine jede Art der pathogenen Mikroorganismen
ein besonderes Opsonin im Blutserum vorhanden sein muß. Der
Beweis für diese Hypothese soll in folgendem Versuch liegen:
Mischt man bestimmte Mengen von Blutserum und Tuberkel¬
bazillenemulsion, läßt das Gemisch eine Zeitlang bei Körper¬
temperatur stehen, scheidet dann durch Zentrifugierung die Bazillen
vom Serum vollständig ab und versetzt nun einen Teil dieses
klaren Serums mit „ausgewaschenen“ Leukozyten und einer frischen
Menge von Tuberkelbazillenemulsion, so erfolgt keine Phago¬
zytose.
Das Tuberkelopsonin ist im Serum vollständig verbraucht!
Wird aber ein anderer Teil desselben Serums mit aus¬
gewaschenen Leukozyten und irgend einer anderen Baktcrien-
emulsion, z. B. Staphylococcen, gemischt, dann beginnt eine Phago¬
zytose dieser Bakterien, d. h. das Staphylococcen-Opsonin entfaltet
seine Energie.
Das Wort „Opsonin“ ist vom griechischen Wort oyatv&w —
ich bereite die Nahrungsmittel zur Mahlzeit vor — abgeleitet.
Es soll besagen, daß durch diese Opsonine die Bakterien für
die Verzehrung durch die Freßzellen vorbereitet werden.
Durch Zählung der von den polynukleä* en Leukozyten auf¬
genommenen Bakterien in einer Anzahl von Zellen (es werden
Bakterienzählungen in etwa 25 Zellen vorgenommen) und durch
Division der Gesamtmenge der gefressenen Bakterien durch die
fressenden Phagozyten wird nach Wright der phagozytäre
Index bestimmt.
Um die opsonische Kraft eines gegebenen Serums zu be¬
stimmen, wird sein phagozytärer Index mit dem des Serums eines
beliebigen gesunden Individuums verglichen.
Der phagozytäre Index des gegebenen Serums, dividiert durch
den phagozytären Index des gesunden, gibt den „opsonischen
Index“ des gegebenen Serums an.
Beträgt der phagozytäre Index des gegebenen Serums beispiels¬
weise 30, derjenige des gesunden Serums 20, so ist der opsonische
Index 30:20 = 1,5. Wright scheidet die bakteriellen Infektionen
bzw. des opsonischen Index in zwei Kategorien:
1. streng lokale Infektionen und
2. Systeminfektionen.
Bei ersteren, z. B. chronischen Staphylococceninfektionen und
lokaler Tuberkulose, findet man stets eine geringe opsonische Kraft
des Blutes, weil hier keine bakteriellen Stoffe ins Blut gelangen
und daher auch keine vermehrte Opsoninbildung ausgelöst
werden kann.
Bei W.s Systeminfektionen, z. B. akuten, fieberhaften Allgemejn-
infektionen, schwankt der „ops. Ind.“, je nachdem die Schutzstoff¬
bildung stark oder schwach ist. Demnach ist der Verlauf einer
Infektion von der Phagozytose und diese wiederum von
dem Opsoningehalt der Körperflüssigkeit abhängig.
Im Hinblick darauf und in Anbetracht der Tatsache, daß die
Opsonine spezifisch sind (für jede Bakterienart wirkt eine be¬
sondere Art der Opsonine phagozytosefördernd), versuchte W. die
opsonischen Kräfte seiner Infektionskranken künstlich
zu vermehren.
Er erreichte das durch Injektionsdosen von spezifischen
Bazillenemulsionen, die in der Weise gewonnen werden, daß man
die betr. Erreger auf ihnen am meisten zusagenden Nährböden
züchtet, sodann mit physiologischer Kochsalzlösung abschwemmt
und abtötet.
Nun hat jede Inokulation einer solchen Vaccine regelmäßig
eine Reihe bestimmter Erscheinungen im Gefolge.
Zunächst bedingt sie einen Zustand, während dessen der
opsonische Index sinkt, „die negative Phase“, auf diese folgt
„die positive Phase“, mit welcher eine Erhöhung des opsonischen
Index einhergeht.
In dieser Phase ist die Resistenz des betreffenden Individuums
gesteigert.
Wiederholt man nun die Impfung während der negativen
Phase, so wird diese verstärkt bzw. verlängert.
Impft man dagegen zum zweiten Male während der posi¬
tiven Phase, so tritt der erwünschte Zustand, der Zweck der
Impfung, ein, nämlich eine Kumulation im positiven Sinne: die
Höhe des opsonischen Index wird verstärkt.
Es kommt also darauf an, den richtigen Zeitpunkt für jede
neue Vaccination zu treffen, was nur durch fortlaufende Be¬
stimmungen des „ops. Ind.“ ermöglicht wird.
Das W.sche Heilverfahren ist als eine aktive Immuni¬
sierung zu bezeichnen, und unterscheidet sich von anderen
aktiven Immunisierungen nur dadurch, daß die Injektionen streng
nach Maßgabe des opson. Ind. auszuführen sind.
Dieser letztere Punkt aber gestaltet das Verfahren zu einem
äußerst zeitraubenden.
Saathoff, der es auf seine Verwertbarkeit in der medizinischen
Klinik in München geprüft hat, gelangte zu folgenden Schlüssen:
1. Wegen der Kompliziertheit und äußerst schwierigen Technik
kommt die Methode nur für einzelne Institute in Betracht,
die womöglich in der Lage sind, einen eigenen Untersucher
dafür zu halten. Dadurch büßt sie schon viel von ihrem
Werte ein. ...
2. Wegen der großen und unberechenbaren Fehlerquellen, die
der Aufstellung des opsonischen Index anhaften, ist die
Methode nur in den seltenen Fällen von Wert, bei denen die
„Anschläge“ sehr groß sind.
3. Für die therapeutische Anwendung ist der opsonische Index
aus den eben genannten Gründen eine unzuverlässige Richt¬
schnur. Der Wert imd die weitere Ausbildung der aktiven
Immunisierung bleibt dadurch unberührt
Piorkowski ist auf Grund seiner Versuche an Meerschweinchen
und Kaninchen der Meinung, daß die Verhältnisse in der veterinär¬
medizinischen Praxis wesentlich günstiger liegen. Wie die neuesten
Erfahrungen gezeigt haben, genügen meist ein- bis zweimalige
Bazillenextraktemulsionen, um eine Heilung zu erzielen.
Nach ihm empfiehlt eich bei Schweineseuche im allgemeinen
eine Injektion von 5 ccm, die „nach Ablauf des opsonischen Index“,
also meist nach etwa 2—3 Tagen, wiederholt werden kann, bei
Kälberpneumonie eine solche von 10 ccm. Auch bei der Kälber¬
ruhr ist eine 2 malige Einspritzung von 5 resp. 10 ccm angebracht.
Für Immunisierungen genügen subkutane Injektionen der spezi¬
fischen Extrakte oder Emulsionen, die am besten simultan mit dem
spezifischen Serum eingespritzt werden. Für Heilzwecke ist die
alleinige Impfung mit den spezifischen Bakterienextrakten
resp. -Emulsionen ausreichend, namentlich, um zurückgebliebene
Tiere wieder vollwertig zu bekommen. Besonders erstrebenswert
ist die 1—2 malige Injektion bei den tragenden Muttertieren,
2—3 Wochen vor dem Werfen, um seuchenimmune Abkömmlinge
zu erzeugen, da sich die Immunität dann von der Mutter auf die
Nachkommen übertragen soll.
Ich habe mit einem vom Geh. Rat Wassermann hergestellten
Bakterienextrakt, einem von endotoxinenfreien, also für die Mutter¬
tiere ungefährlichen Impfstoff (Verkalben ausgeschlossen!) in ver¬
schiedenen Beständen Mutterimpfungen gegen die Jensensche
Kälberruhr ausgeführt.
Die Vorimmunisierung soll 2 bis 3 Wochen vor dem Kalben
ausgeführt werden. Es liegen zurzeit Berichte aus 2 Beständen
12. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
833
vor. In diesen konnten die Impfungen allerdings erst einige Tage
vor dein Kalben und nur bei einer Kuh 13 Tage vorher ausgefiihrt
werden.
Von den 5 geimpften Muttertieren sind 3 Kälber unter ruhr-
artigen Erscheinungen zugrunde gegangen, darunter auch das der
13 Tage vor dem Kalben geimpften Mutter. Vielleicht liefern die
zeitiger vorgenommenen Vaccinationen ein besseres Resultat.
Neuerdings habe ich in einem Bestände anstatt der von Wasser¬
mann angegebenen 1 maligen Impfung jede Kuh 2 Injektionen, 3
bzw. 2 Wochen vor dem Kalben je 20 ccm subkutan, unterzogen
und würde mir erlauben, Ihnen auf der nächsten Versammlung von
den weiteren Ergebnissen zu berichten.
Sollte einer der Herren Kollegen sich an den Versuchen zu
beteiligen wünschen, so bin ich in der Lage, den Impfstoff gegen
Mitteilung der erzielten Resultate kostenlos abzugeben. Unser
bakteriologisches Institut ist kürzlich damit beauftragt worden, den
Wert der Mutterimpfungen zu prüfen.
Besichtigung des Bakteriologischen Institutes der Landwirtschaftskammer.
Hieran schloß sich unter Führung des Institutsleiters, Kollegen
Raebiger, die Besichtigung des Neubaues des Bakteriologischen
Instituts, über den folgendes zu berichten ist:
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Der Bau der Anlage, welche eine Grundfläche von 4000 qm
einnimmt, hat nach ihrer Fertigstellung einen Kostenaufwand von
ca. 180 000 M. erfordert.
Das Institut ist nach der Straßenfront hin auf drei Seiten von
einer freundlichen Gartenanlage umgeben; an die hintere Seite des
Hauptgebäudes schließen sich die Laufplätze für die Versuchstiere
und an diese die allen Forderungen der Hygiene Rechnung
tragenden Stallungen an, aus deren Mitte sich eine große, mit Ober¬
licht ausgestattete Operationshalle erhebt.
Das Hauptgebäude besteht aus Erdgeschoß (mit Sektionssaal,
Maschinenräumen und Gelassen zur Aufbewahrung von Impfstoffen
und zur Unterbringung geimpfter kleiner Versuchstiere, einem Bade-
und Duschezimroer, sowie dem Kesselraum zur Zentralheizung),
Hochparterre (mit Bureauräumen, Dienstwohnung für einen Assistenten,
Nährbodenküche und Packraum), erster Etage (mit vier großen
Laboratoriumsräumen und einem Bibliothek- und Sammlungszimmcr),
einer zweiten Etage (mit den Dienstwohnungen für die Buchhalter,
sowie einem Laboratorium für photographische Zwecke) und einem
geräumigen Hausboden.
Das Nebengebäude enthält außer den Stallungen und der
Operationshalle noch eine Wärterwohnung und ist ebenfalls mit
Zentralheizung versehen. In beiden Gebäuden befindet sich Gas¬
leitung und elektrisches Licht Beistehende Skizze veranschaulicht
den Grundriß der Institutsanlagen.
In den einzelnen Laboratoriumsräumen wurden noch ver¬
schiedene Demonstrationen abgehalten. So zeigte Herr Kollege
Grosso den mikrophotographischen Apparat, Herr Kollege Münch¬
gesang führte die elektrisch betriebene Bakterienzentrifuge (zur
Untersuchung von Milch- und Schleimproben auf Tuberkelbazillen)
und die Blutzentrifuge in Tätigkeit vor. Ferner erklärte er den
neuen Lingnersehen Formaldehyd-Desinfektor.
In der Operationshalle demonstrierte Kollege Raebiger an einem
der Versuchsrinder
Das Heymajt88che Verfahren zur Tuberkuloee-Schutz- und Heilimpfung
der Rinder
und teilt darüber folgendes mit:
Angeregt durch die Verhandlungen, welche auf der Versammlung
deutscher Naturforscher und Ärzte im September 1907 zu Dresden
über die Bekämpfung der Rindertuberkulose durch die Schutz¬
impfung gepflogen wurden, habe ich mich mit Prof. Heymans-
Gent in Verbindung gesetzt und seinen Impfstoff und das für die
Impfung erforderliche Instrumentarium erhalten.
Das Heym ans sehe Impf verfahren dient der Tuberkulose-
Schutz- und Heilimpfung und kann bei Rindern jeden Alters, auch
ganz jungen Kälbern angewendet werden.
Der Impfstoff besteht aus getrockneten, virulenten Rinder-
Tuberkelbazillen.
Die Dosis beträgt 0,1—0,15 g diese Menge ist in ein Schilf¬
säckchen eingeschlossen, welches zum Schutze gegen eine Zer¬
trümmerung beim Impfakt von einer Gelatinekapsel umgeben ist.
Die für die Impfung erforderliche Ausrüstung besteht aus
einem starken Trokar mit Glasstab, einer Schere, einem Bisturi und
Metallagraffen.
Zur praktischen Ausübung der Impfung hat Heym ans einen
Blechkasten konstruiert,, der die Instrumente und den Impfstoff
aufnimmt, und nach Art einer Patronentasche um den Leib des
linpfarztes geschnallt werden kann.
Wir haben die Impfungen bisher an 6 Versuchsrindern in
folgender Weise ausgeführt:
Durch vorhergegangene dreitägige Temperaturaufnahmen wurde
zunächst Fieberlosigkeit bei den Versuchstieren festgestellt.
Nunmehr werden eine Hand breit hinter der linken Schulter die
Haare im Umfange eines Handtellers abgeschoren, und die Impf¬
stelle mit Alkohol desinfiziert. Sodann wird eine Hautfalte parallel
zur Körperacbse gebildet, und mit dem Bisturi senkrecht dazu ein
Einstich gemacht (durch Einschnitte werden bisweilen zu große
Wunden gesetzt). Hiernach wird der Trokar durch die Hautwunde
senkrecht nach unten gestoßen, das Stilett entfernt und die Gelatine¬
schilfsäckchen mit Hilfe des Glasstabes in die Unterhaut geschoben.
Nach Entfernung der Trokarhülse wird die Hautwunde mit einer
Metallagraffe geschlossen. Die Wundränder wurden mit Tannoform
bestreut oder man läßt die Wunde unbehandelt.
Die Tiere verhalten sich nach der Impfung vollkommen ruhig.
Sie reiben sich weder an der Stallwand; noch findet ein Belecken
der Impfstelle statt, so daß mit irgendwelchen Schmerzempfindungen
nicht zu rechnen sein dürfte. Die Wunden unserer Impflinge ver¬
heilten reaktionslos. Die Metallagraffen fielen nach etwa 8 Tagen
von selbst ab. Die im Anschluß an die Impfungen 37a Tage hin¬
durch aufgenommenen Körpertemperaturen ließen in keinem Falle
eine fieberhafte Temperaturerhöhung erkennen.
Der Impfakt wird auch in der Praxis, wenn die Impfstellen
durch Abscheren der Haare vorbereitet sind, kaum eine Minute
Zeit in Anspruch nehmen.
Da sich die Schilfsäckchen nach Resorption der Gelatineschutz¬
hüllen allmählich unter der Haut abkapseln, also ein Austritt der
Tubcrkelbazillen in doppelter Weise verhindert wird, so dürfte
dieses Verfahren im Gegensatz zu dem von Behring und Koch-
Schütz den Vorzug der Ungefährlichkeit haben. Ob die in den
Organismus des Impflings durch die Schilfsäckchenmembran aus-
geschiedenen Stoffwechselprodukte der Tuberkelbazillen selbst bei
alljährlich wiederholter Impfung dem Tiere die erforderliche Wider¬
standsfähigkeit gegen die natürliche Ansteckung verleihen, bzw.
auf bereits vorhandene tuberkulöse Prozesse heilend zu wirken
834
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46.
imstande sind, muß die Erfahrung lehren. Wir beabsichtigen, um¬
fangreichere Impfungen in der Praxis zur Ausführung zu bringen.
Am Schlüsse der Versammlung sprach der Vorsitzende den
Referenten nochmals seinen Dank aus und gab dem Wunsche Aus¬
druck, daß das Verhältnis zwischen den Tierärzten und dem Bak¬
teriologischen Institut der Landwirtschaftskammer auch ferner ein
so freundschaftliches bleiben möge wie bisher.
An die Versammlung schloß sich ein gemeinsames Mittagessen
im Hotel „Stadt Hamburg“.
Magdeburg und Halle a. S.
Leistikow. II. Raebiger.
Die 80. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Ärzte in Köln
vom 20.—26. September 1908.
Berichterstatter: Kreistierarzt Francke-Köln.
(Fortsetzung.)
4. Sitzung, Mittwoch, 23. September
Nachmittag 3 Uhr
Vorsitzender: Prof. Dr. Peter-Hamburg. Die Tagesordnung
bestritt Vet.-Rat. Dr. Fambaoh-Glauchau mit 2 Vorträgen. Unter
Vorzeigung von über 80 Projektionsbildern sprach er zuerst über:
Allgemeine Betrachtungen Ober die Cavicomiergehörne.
Der Vortrag bildete die Fortsetzung des auf der vorjährigen
Tagung gehaltenen Vortrags: Geweih und Gehörn.
Die Cavicornierknochenzapfen zeigen im Gegensatz zu den
Geweihstangen keine Neigung zu hyperplastischen Wachstums¬
formen, keine Teilungen, sondern stellen einfache Auswüchse dar.
Geweih und Gehörnknochen werden durch die Tätigkeit der sog.
osteoiden Substanz ohne Knorpelvorstadium gebildet, die Cavi-
cornierknochen meist ohne, aber auch mit einem besonderen
Knochenkern, dem os corau. Die Haut der Geweihe ist zart,
jugendlich, fast embryonal, und verfällt bis auf w enige Ausnahmen
einer regressiven Metamorphose bzw. Nekrose als Einleitung des
Geweihabwurfes.
Das die.Cervicornierknochenzapfen überziehende, ebenfalls wie
bei den Geweihen in den untersten Lagen das Periost bildende
Integument ist hoch differenziert und so ausgebildet, daß es dem
Knochen genügenden Schutz durch dicke Epidermislagen und dem
Horne auch noch durch besonderes Wachstum Schmuck verleiht
Eine große Anzahl gut ausgebildeter Papillen bedecken den
Knochenkegel, welche die Haut des Knochens meist wie eng an¬
einanderliegende gekämmte Haare bedecken. Während der
Knochen durch die Tätigkeit des osteoiden Gewebes wächst,
werden immer neue Papillen am Horngrunde gebildet. Die aus¬
gebildete hornbildende Haut sondert Horn als supra- und inter-
papilläre Hornschichten ab. Die Art der suprapapillären Horn¬
bildung ist vielfach nach Gattung und Art verschieden.
Die Richtungder Gehörne ist abhändig von dem Winkel, in welchem
die Hornanlagen aus dem Schädel wachsen und von der ihnen
innewohnenden, diese Richtung verfolgenden Wachstumskraft und
Größe — konstante Wachstumsgröße. Dazu kommt ungleiches
Hornwachstum — variable Wachstumsgrößen. Die Richtung der
Hörner wird durch die Resultanten beider Wachstumsgrößen nach
dem Parallelogramm der Kräfte bestimmt, wobei auch die Ver¬
legung des Schwerpunktes von Einfluß ist. Die Schwere der
Hörner kann die Gestalt der Schädelknochen beeinflussen und die
Schädelcharaktere verändern. Die Stange der Geweihe erfährt
nach Hoff mann-Dronnecken hauptsächlich eine Ablenkung nach
der den heraussprossenden Enden entgegengesetzten Richtung
durch eine dem Rttckstock ähnliche Kraft.
Seitliche Auswüchse des Hornes, aber nicht des Knochens,
hat nur Antilocapra americana.
In der Jugend ist das die Hornzapfen bedeckende Horn hyalin
und dünn — Jugendhom. Erst später greifen die einzelnen Papillen
in den Hornbildungsprozeß mit ein und bilden festeres Horn mit
Marksträngen, Zylindern oder Hornstreifen — Dauerhorn. Dieses
Dauerhom schiebt an der Spitze durchbrechend das hyaline Jugend¬
horn beiseite, letzteres bröckelt seitlich ab, eine dünne Schicht
bleibt aber dauernd über. Dieser Vorgang kann als Hornwechsel
nicht bezeichnet werden, wenn es auch der Abstoßung des
Eponychiums der Hufe etc. ähnlich ist. Auch hier bleibt ein Rest
des Jugendhornos (Saumband) übrig.
Einen echten unregelmäßigen Wechsel des Hornes zeigt nur
Antilocapra americana unter dem Einfluß des Haarwechsels. Es
ist aber beobachtet worden, daß auch Antilopen-, Rinder- und
Schafhörner gewechselt werden können. Es dürften hier aber
pathologische Zustände einen Einfluß ausgeübt haben. An Hörnern
von alten amerikanischen Bisonten ist das Erscheinen einer neuen
Hornspitze beobachtet und ebenfalls als Hornwechsel bezeichnet
worden. Auch hier handelt es sich um keinen eigentlichen Wechsel.
Die Ursache des Auftretens dieses stub-homs an der Spitze iBt zu
starke Abnutzung des ursprünglichen Hornes oder mangelhafte
Hornbildung an den Seitenteilen infolge atrophischer Verhältnisse
der Hornhaut. Solche Atrophien treten infolge starker Ausdehnung
des Knochens an der Homwurzel auf. Außer bei Bison americanus
auch bei der Kuhantilope, Haartebeest.
Die /Skulptur der Hörner, die an typischen Gehörnen einzelner
Gattungen erläutert wird, besteht in Streifung, Perlen-, Ring- und
Knotenbildung. Die Bildung von Streifen und Perlen hat zumeist
ihren Grund in streifenartiger oder gruppenweiser Anordnung der
Papillen. Die ringartigen Erhabenheiten und Einschnürungen,
sowie Knoten sind hauptsächlich auf die Tätigkeit des Papillar¬
körpers an der Horn- bzw. Haargrenze zurückzuführen. Es
erfolgen dort Hebungen und Senkungen der hornbildenden Haut
mit Verschiebungen der Papillen (Knickungen, Aufrechtstellun¬
gen, Zusammenlegungen mit und ohne Erweiterungen der inter-
papillaren Flächen), aber auch bedeutende Anschwellungen der
einzelnen Papillen. Die Ursachen dieser Gewebsdislokationen
sind venöse Stauungen in der Hornzapfenkranzvene, Ernährungs¬
reduktionen und hyperämische Gefäßfüllungen der Haut und ihres
Papillarkörpers (Haarwechsel), dauernde Faltenbildung der Haut
(Muskelwirkung am Horngrunde). Die regelrechten, den Haar¬
wechsel einleitenden Perioden der Ernährungsreduktion kenn¬
zeichnen sich an edlen, wildlebenden Cavicorniern durch scharfe
Einschnürungen, nach denen das Alter bestimmt .werden kann.
Alle Ringe und Knoten werden von dem unteren Ende des Hornes
nach der Kitze zu durch das Hornwachstum entfernt. Ringe,
Wülste und Einschnürungen worden nicht nach Jahren an¬
gesetzt. Es ist falsch, sie als Jahresringe zu bezeichnen. Die
hornbildende Haut unterliegt im Alter der Tiere bedeutender
Rückbildung. Es wird dann weniger Horn abgeschoben, die Ringe
liegen eng aneinander und sind niedriger. Bei starker Ring-,
Knoten- und Zapfenbildung an den Hörnern (Antilopen, Steinböcke),
erleidet die unter den stärksten Hornbildungen liegende Knochen¬
fläche infolge des starken Druckes eine Ernährungsatrophie, so
daß die korrespondierenden Knochenflächen den Hornbildungen
entsprechende Vertiefungen durch Knochenschwund zeigen. Auf
diese Weise entsteht auch der Knochenvorsprung am Knochenzapfen
von Antilocapra, der Veranlassung zu der falschen Auffassung
gegeben hat, daß hier nach der Art der Endensprossung der Geweihe
eine Teilung des Knochens bei weiterer Ausbildung der seltenen
Tierart zu erwarten stehe.
Zu dem Vortrage bemerkt Im misch Dresden: Auch bei den
fälschlich als Papillae filiformes von ihm richtiger als Papillae
operariae bezeichneten Papillen der Maulhöhle läßt sich nachweisen,
daß die Homsubstanz bis in das eigentliche Oberflächenepithel ein¬
dringt, wo es Fambach bei den von ihm behandelten Hornbildungen
gesehen habe. Der von Fambach erwähnte bogenförmige Verlauf
der Hornschichten an den Spitzen der Papillen lasse sich besonders
instruktiv an dem Epithelzahn von Felis domestica erkennen.
Die vom Redner ah gasförmige Degeneration signierte Ver¬
änderung des Epithels möchte Immisch lieber als einfache Vacu-
olenbildung bezeichnen. Er habe diese Erscheinung auch am Epithel
der Papillae operariae bis zum Zungenrückenwulst sowie am Zungen¬
epithel und zwar nur bei der Ziege gesehen. Eine befriedigende
Erklärung könne er nicht geben. Die Untersuchungen seien noch
nicht abgeschlossen. —
Nach einer kurzen Pause nahm wiederum Dr. Fambach-Glauchau
das Wort zu dem Vortrage: Die Autoohromplatte im Dienste der
praktischen und wissenschaftlichen Photographie.
12. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
835
Vor einer zahlreichen Zuhörerschaft, unter der sich auch einige
Damen befanden, zeigte der Redner 75 größtenteils von ihm selbst
hergestellte farbige Diapositive vor, die ihn als Meister der photo¬
graphischen Kunst erkennen „ließen und die der Versammlung lauten
Beifall entlockten.
Zunächst wurde Gelegenheit gegeben, an einer großen Anzahl
farbenprächtiger Aufnahmen blühender Pflanzen und Bäume, von
Gartenpartien mit Personen, ja an der wohlgelungenen Aufnahme
des Referenten selbst, wahrzunehmen, daß die Autochromplatte die
natürlichen Farben in der weitgehendsten Treue wiedergibt. Es
folgte dann eine Serie von pathologisch-anatomischen Objekten und
Präparaten aus der Fleischbeschau von überraschender Farben¬
echtheit. Man sah z. B. Lungenseuche- imd Tuberkulosepräparate,
die schlechthin als lebenswahr bezeichnet werden mußten. Aber
auch an Mikrophotogrammen erstand die ganze Farbenpracht moderner
Färbetechnik vor den Blicken der Zuschauer. Selbst spektrosko¬
pische Aufnahmen ließen sich auf die Lumiäreplatte bannen, wenn¬
gleich für diese Aufnahme die Platte noch verbesserungsfähig ist.
Über das Wesen der Verfahrens führte der Vortragende fol¬
gendes aus:
Die Idee, gefärbte organische Körperchen zur Erzeugung der
Farbenphotographie zu verwenden, hat schon 1858 Ducrois du
Hucron verwirklicht. Es ist aber das hervorragende Verdienst
der Firma Lumiöre, dieses Verfahren bedeutend verbessert und eine
fabrikmäßige Herstellung der Platten ermöglicht zu haben. Bereits
im Jahre 1904 zeigte die Firma Lumißre der Graphischen Kunst¬
anstalt zu Wien diese Fortschiitte an, aber erst Juli 1907 konnte
wegen der großen technischen Schwierigkeiten, die zu überwinden
waren, der volle Beweis für die Möglichkeit allgemeiner praktischer
Verwendung vor der Akademie der Wissenschaften in Paris erbracht
werden.
Bisher waren farbige Photogramme nur durch Anwendung
dreier Filter mit drei Aufnahmen möglich. Mittelst der Lumiöre-
platte ist nur eine einzige Aufnahme zu machen. Die drei er¬
forderlichen Lichtfllter hat Lumi^re auf der Platte in Form ge¬
färbter mikroskopisch kleiner Stärkekörnchen gewissermaßen auf
eine Ebene in drei Grundfarben grün, blau, rot gebracht. Sie
werden auf eine Klebeschicht aufgestäubt, gepreßt, ihre Zwischen¬
räume werden mit feinem Kohlestaub ausgefüllt, um die Durch¬
dringung ungefilterten Lichtes zu verhindern. Die Lichtstrahlen
durchdringen erst Glas, dann Stärkekörnchen, dann eine schützende
Lackschicht, zuletzt die eigentliche lichtempfindliche Emulsions¬
schicht. Alle Schichten müssen, wenn scharfe Bilder erscheinen
sollen, den gleichen Brechungsexponenten aufweisen wie das Glas und
die Farben der Körnchen müssen so gewählt sein, daß durch eine
Mischung der drei Grundfarben, die sie enthalten, alle uns umgebende
Körperfarben erscheinen. Diese sind alle Mischfarben und werden
durch die Platte tadellos und verblüffend getreu wiedergegeben.
Mit Hilfe der Lumiäreplatte sind daher die Farben aller Gegen¬
stände wiederzugeben, wonn Belichtung und Entwicklung richtig
sind. Zum Festhalten wirklicher Farbentöne wird sie auch dem
Künstler großen Nutzen schaffen. Die Farben entstehen durch
sogenanntes additives Farbverfahren, d. h. durch Mischung aus den
mikroskopisch kleinen, gefärbten Stärkekörnchen. Die Farben sind
echt und haltbar, da sie gut durch Lackschichten abgeschlossen
sind. Aufnahmen dürfen nur bei gutem, weißem Tageslicht mittelst
Gelbfilter gemacht werden. Bei künstlichen Lichtquellen muß ein
anderes geeignetes Filter vorgeschaltet werden. Wegen vorge¬
rückter Zeit brach Referent das Thema über die Berechnung der
Belichtungszeiten usw. ab.
In privater Unterhaltung erwähnte er jedoch noch, daß das
ganze Verfahren umständlich und vor allen Dingen nicht ganz
billig sei. Der Anfänger müsse viele Mißerfolge mit in Kauf nehmen.
Das Schlußwort nahm der Vorsitzende Prof. Dr. Peter-Ham¬
burg. Er dankte den Vortragenden und den Einführenden und
Schriftführern der Abteilung für ihre Mühewaltung und führte dann
weiter aus, es sei auffällig und stehe in scharfem Gegensatz zu den
übrigen medizinischen Abteilungen, an deren Verhandlungen sich
die Universitätsprofessoren lebhaft beteiligten, daß von den An¬
gehörigen der Lehrkörper unserer tierärztlichen Hoch¬
schulen kein einziger der Tagung beigewohnt habe. Es
scheine, als ob die Naturforschertage sich mehr und mehr zu einem
Tummelplatz für die jüngere tierärztliche Generation ausbilden wollten.
Das sei sehr erfreulich und zu begrüßen. (Fortsetzung folgt.)
Versammlung des tierärztlichen Vereins für die Provinz Brandenburg.
Der tierärztliche Verein für die Provinz Brandenburg hielt am
1. November 1908 seine Herbstversammlung ab, bei welcher zwischen
50 und 60 Mitglieder anwesend waren. Ein Teil der Tagesordnung
wurde durch Wahlen ausgefüllt. Der Vorsitzende Dr. Arndt er¬
klärte, den Vorsitz abgeben zu wollen, weil er bei seiner starken
überbttrdung ihn überhaupt nur für eine Wahlperiode übernommen
habe, und weil er zweitens der Meinung sei, daß nicht immer
Departementstierärzte Vorsitzende der Vereine sein sollten, es sich
vielmehr empfehle, die Vorsitzenden abwechselnd aus den ver¬
schiedenen Gruppen zu wählen; er schlage daher vor, diesmal den
Leiter der Gruppe der Schlachthoftierärzte zum Vorsitzenden zu
wählen. Die Versammlung sprach ihr aufrichtiges Bedauern über
den Rücktritt des Dr. Arndt aus, entsprach jedoch seinem Wunsche
uod auch seinem Vorschläge und wählte einstimmig den Schlacht¬
hofdirektor Sehr ad er-Brandenburg zum Vorsitzenden. Zu Vor¬
standsmitgliedern wurden außerdem gewählt die Departements¬
tierärzte Arndt und Klebba, die Kreistierärzte Klaus-Berlin und
Leb mann-Kalau (Regierungsbezirk Frankfurt) und die Tierärzte
Arnous-Berlin und Meier-Ketzin (Regierungsbezirk Potsdam).
Zu Delegierten für den Veterinärrat wurden gewählt Schmaltz,
Schräder, Klaus, Klebba und Lehmann. Für die preußische
Zentralvertretung stehen dem Verein nach seiner Mitgliederzahl
sieben Stimmen zu; dieselben wurden übertragen den Herren
Schmaltz, Schräder, Arndt, Arnous, Graffunder, Meier
und Töpper. Als Mitglieder wurden neu aufgenommen die
Regierungsräte Nevermann und Wehrle.
Es folgten Mitteilungen aus der Praxis und allgemeine Be¬
sprechungen.
Wulff regte an, daß die Tierärzte nunmehr, da ein Kur¬
pfuschergesetz in Kraft treten solle, sich endlich zur Vertretung
ihrer Wünsche in dieser Richtung aufraffen möchten. Der Verein
beschloß, dahingehende Anträge sowohl beim Deutschen Veterinär¬
rat als bei der preußischen Zentralvertretung zu stellen.
Schmaltz brachte den jüngsten Beschluß des tierärztlichen
Vereins für die Provinz Schleswig-Holstein, betreffend die Gründung
eines Pressebureaus, zur Sprache. Er erklärte, daß diese von
Krüger-Ohlau empfohlene Institution den modernen Verhältnissen
entspreche, daß sie aber sehr bedeutende Mittel erfordern werde,
wenn sie wirklich eine Wirksamkeit haben solle, und daß sie nur
der Deutsche Veterinärrat durchführen könne, wie dies auch
Krüger gewollt habe. Deshalb sei das Vorgehen eines einzelnen
Vereins der Sache nicht förderlich, und da eine Aufforderung zum
Anschluß an den Beschluß des schleswig-holsteinischen Vereins an
alle Vereine ergehen solle, so empfehle er, daß der Brandenburger
Verein sich dem nicht anschließe. Die Versammlung ermächtigte
ohne Widerspruch ihren Vorstand, gegebenenfalls in diesem Sinne
zu hatadeln.
Hiernach hielt der Abteilungsvorsteher an der Tierärztlichen
Hochschule zu Berlin, Borchmann, einen Vortrag über biolo¬
gischen Nachweis des Pferdefleisches.
Nach der Versammlung fand ein Festmahl statt.
Aus anderen Vereinen.
Auch der schlesische Provinzialverein und die Berliner tier¬
ärztliche Gesellschaft mußten einen Wechsel ihrer Vorsitzenden vor¬
nehmen, weil die bisherigen, Schlachthofdirektor Ri eck und Prof.
Dr. Eberlein, die Leitung nicht länger weiterführen zu wollen
erklärt hatten. Der schlesische Verein wählte zum Vorsitzenden
den Professor Casper-Breslau, die Berliner tierärztliche Gesellschaft
den Professor Regenbogen.
(Nach Schluß der Redaktion eingetroffen.)
Begründang eines tierärztlichen Fressebnreans.
Von Veterinärrat Dr. Foth in Schleswig.
Auf die temperamentvollen Ausführungen des Herrn Prof.
Dr. Schmaltz in der vorigen Nummer dieser Zeitschrift habe
ich folgendes zu erwidern:
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46.
^ 836
Herr Schmaltz scheint zunächst anzunehmen, ich hätte
den Krügerschen Gedanken der Begründung eines Zentral¬
pressebureaus für mich in Anspruch nehmen wollen. Die An¬
nahme weise ich entschieden zurück. Ihre Grundlosigkeit ist
weithin sichtbar. Jedermann weiß es, daß der Gedanke zuerst
von Herrn Kreistierarzt Krüger ausgesprochen ist. Aufsätze
von Herrn Krüger werden überall mit Interesse gelesen und
seine Idee erregte allgemein in der tierärztlichen Welt größte
Aufmerksamkeit und freudige Zustimmung. Solche Anregungen
geraten nicht in Vergessenheit. Es wäre lächerlich gewesen,
hätten der Vorstand oder ich jetzt den Versuch machen wollen,
die Idee als unsere eigene auszugeben.
Mir ist es wirklich vollkommen gleichgültig, von wem ein
dem Wohle des tierärztlichen Standes dienender Gedanke
kommt. Ich habe nur das lebhafte Interesse, daß ein solcher
Gedanke auch in die Tat umgesetzt werde. Und das war
das Motiv unseres Vorgehens. Deshalb war die unserem
Anträge beigegebene Begründung (siehe Nr. 44 dieser Zeit¬
schrift) auch so kurz, weil sie den Gedanken selbst als bekannt
voraussetzen konnte. Die Tierärzte im Lande sind es müde,
immer nur Worte zu hören. Sie wollen Taten sehen. Sie
wollen nicht immer warten, bis der Segen von oben kommt.
Sie haben gefunden, daß das manchmal etwas lange dauert und
daß sie über dem Warten ihre Zeit versäumen könnten. Das
war es! Soll überhaupt ein Pressebureau gebildet werden, das
das gebildete Publikum aller Stände mit den Fortschritten
unserer Wissenschaft vertraut macht und das allgemeine Ver¬
ständnis für die Aufgaben der Veterinärmedizin und für ihre
Bedeutung für das gesamte wirtschaftliche Leben des Volkes
weckt und fördert, so ists nachgerade die höchste Zeit!
Daher wollen wir den Anfang machen. Wir wollen in der
Sache keine Rolle spielen, ich nicht und meine Freunde im
Vorstande auch nicht. Dazu habe ich weder Zeit noch Neigung.
Nur den Anfang wollen wir machen. Aber den mit der
Tat. Und das ist geschehen!
Was will nun Herr Schmaltz? Zunächst gar nichts.
Warten, bis der Deutsche Veterinärrat im Jahre 1909 in Stutt¬
gart Zusammentritt und sich „vielleicht“ mit der Sache be¬
faßt. Vielleicht, bitte! Es ist nicht zutreffend, daß Herr
Schmaltz früher gesagt hat, die nächste Plenar-Versammlung
des Deutschen Veterinärrats werde sich darüber schlüssig
machen und die Weiterverfolgung des Krügerschen Gedankens
sei in baldige und sichere Aussicht gestellt. In seinem
früheren Artikel*) heißt es wörtlich: „Inzwischen könnte man
vielleicht schon einen bescheidenen Anfang machen, indem die
nächste Versammlung des Deutschen Veterinärrats zu Stuttgart,
die im nächsten Jahre stattfinden wird, ihrem Ausschuß oder
vielmehr ihrem Präsidenten ein Bureau oder wenigstens einen
gebildeten Sekretär, der zur Ausführung einer Anzahl von Auf¬
trägen im Sinne Krügers befähigt wäre, durch eine dauernde
Einrichtung zur Verfügung stellte“. Dieser Wechsel auf un¬
bestimmte Sicht genügte uns nicht. Deshalb beschlossen
wir, die Sache zunächst einmal selbst in die Hand zu
nehmen. Ich verstehe nicht, wie man uns bei dieser Sach¬
lage vorwerfen kann, wir wollten dem Deutschen Veterinär¬
rat vorgreifen. Ich bin mit meinem Verein und mit
sehr vielen anderen Herren der Ansicht, daß wir in einer so
*) Nr. 24 dieser Zeitschrift, 1908.
dringenden Frage gar keine Veranlassung haben, zu warten,
ob der Deutsche Veterinärrat damit befaßt werden wird und
welche Stellung er dazu einnehmen wird; ob er „vielleicht“
selbst einen Versuch wagen will oder ob er sie vielleicht uns
noch weiter vertagt, etwa bis nach Einführung der Tierärzte¬
kammern! Vielleicht gar eine Kommission einsetzt, die die
Sache „prüft“!
Und nun die Sache selbst: Herr Schmaltz denkt an eine
große Organisation, eine Zentralstelle im Sinne Krügers, mit
sehr weitschichtigen Aufgaben. Schön! Es soll uns alle freuen,
wenn es ihm gelingt, diese ins Leben zu rufen, und es wird
ihm gelingen, wenn er nur selbst ernstlich will. Alle Tierärzte
würden es ihm danken.
Was wollen dagegen wir? Nichts weiter, als einen Teil
dieser Fata morgana aus dem Bereich des Nebelhaften
schleunigst in die Wirklichkeit übertragen, den Teil, der natur¬
gemäß der erste, Herrn Schmaltz persönlich nicht der
sympathischste ist (vgl. Nr. 24 d. Zeitschr. 1908, S. 434, Abs. 2
von oben), das Pressebureau. Damit können wir die große
Organisation praktisch vorbereiten. Will dann der Deutsche
Veterinärrat sie schaffen, so findet er wenigstens schon etwas
vor, worauf sich weiter bauen läßt.
Diesen Versuch aber auf ein kleines Gebiet, auf die Provinz
Schleswig-Holstein, zu beschränken, wie Herr Schmaltz rät,
wäre ganz verfehlt. Ganz im Gegenteil muß unsere große
TagespreBse, die bekanntlich nicht in Schleswig-Holstein sitzt,
interessiert werden. Daß das nicht so leicht ist, weiß ich.
Dazu gehört natürlich ein Manu, der Fühlung mit dieser
Presse und Beziehungen zu einflußreichen Politikern und sonstigen
Persönlichkeiten hat.
Ebensowenig ist einzusehen, weshalb wir diesen Versuch
nur auf unsern Verein beschränken sollen. Im Gegenteil; je
größer die Beteiligung, desto besser. Desto mehr Erfahrungs¬
material liegt später dem D. V.-R. vor, wenn er an die Schaffung
jener großen Organisation einmal herangehen will.
Wollen wir aber die Sache praktisch anbahnen, so müssen
wir den anderen Vereinen zunächst einmal mit bestimmten Vor¬
schlägen kommen. Es kann gar keine Rede davon sein, ihnen
eine bestimmte Persönlichkeit oktroyieren zu wollen. Aber wir
müssen doch einen Herrn vorschlagen! Sonst kommen wir nicht
vorwärts. Natürlich muß dies eine Persönlichkeit sein, die den
Vereinen nicht unbekannt ist. Sie können dann urteilen, ob sie
das Vertrauen zu ihm haben und ob sie den Versuch mitmachen
oder weiter warten wollen. Gemacht wird der Versuch jeden¬
falls werden, ob sich nun viele oder wenig Vereine daran
beteiligen!
W T ir werden die den Vereinen zu unterbreitenden Vorschläge
in allernächster Zeit beraten. Ich kann die Vereine nur dringend
bitten, sie ruhig und sachlich zu prüfen. Auch an Herrn Prof.
Schmaltz richte ich die Bitte, das zu tun, und, wenn er auch
dann noch glaubt, den Versuch nicht unterstützen zu können,
ihn wenigstens nicht zu hindern. Ich wiederhole: wir woUen
nichts, als dem Wohle des Ganzen dienen. Auf praktische Art.
Ehrgeizige Sonderbestrebungen verfolgen wir nicht. Wir treten
bescheiden zurück, sobald eine lebens- und entwicklungsfähige
Organisation geschaffen ist.
(Ich komme in nächster Nummer auf diese Ausführungen zurück.
Schmalix.)
12. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
887
Hertatversanmlung de« Verein« der Tierärzte des Regierungsbezirk«
Düsseldorf
am Sonntag, den 15. November d. J., vormittags 11 1 / 3 Uhr, im
Hotel Heck zu Düsseldorf.
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten.
2. Kassenbericht.
3. Aufnahme neuer Mitglieder.
4. Besprechung eines Antrages der Versicherungs-Gesellschaft
Deutscher Anker.
5. Erfahrungen bei der Embryotomie (Berichterstatter Herr Kreis¬
tierarzt 0. van Straaten).
6. Mitteilungen aus der Praxis und nochmalige Verhandlung der
GebOhrenfrago.
Nach Schluß der Versammlung gemeinschaftliches Mittagessen
in gewohnter Weise.
Duisburg, im November 1908.
I. A.: Fr. Bettelhaeuser, Schriftführer.
Maul- und Klauenseuche.
Die Ein- und Durchfuhr von Rindern und Ziegen aus den
schweizerischen Kantonen Aargau, Basel, Bern, Freiburg, Neuen¬
burg, Schaffhausen und Solothurn nach und durch Bayern ist von
der bayerischen Regierung von besonderen Bedingungen abhängig
gemacht worden.
Maul- und Klauenseuche-Ausbrüche.
Neue Ausbrüche sind dem Kaiserlichen Gesundheits-Amt ge¬
meldet aus Dominium Grombowsee, Kreis Mogilno (Reg.-Bez.
Bromberg) vom 6. November 1908 und Domäne Schloß Meseritz
(Reg.-Bez. Posen) vom 4. November 1908.
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
Reichsgesetz, betr. Preisfeststellung beim Schlachtvieh.
Dem Reichstage ist der folgende Entwurf eines Gesetzes, be¬
treffend die Preisfeststellung beim Markthandel mit Schlachtvieh,
nebst Begründung zugegangen:
§ 1 .
Die Landeszentralbehörden sind befugt, für Schlachtviehmärkte
zum Zwecke der Feststellung von Preis und Gewicht der Tiere
Vorschriften zu erlassen und Einrichtungen anzuordnen.
Die hierdurch entstehenden Kosten fallen dem Unternehmer
des Marktes zur Last; der § 68 der Gewerbeordnung findet An¬
wendung.
Schriftstücke, deren Ausstellung auf Grund des Abs. 1 an- I
geordnet ist, sind stempelfrei.
§ 2 .
Die Landeszentralbehörden sind befugt, für Orte, «an denen eine
Regelung auf Grund des § 1 getroffen ist, und für deren Umgebung
marktähnliche Veranstaltungen für Vieh zu untersagen und den
Handel mit Vieh außerhalb des Marktplatzes während des Markt¬
tags sowie an dem voraufgehenden und dem nachfolgenden Tage
zu verbieten.
§ 3.
Wer den auf Grund der §§ 1 und 2 erlassenen Vorschriften
zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark
und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu vier Wochen bestraft
In der Begründung heißt es u. a.:
Das Bedürfnis zur Regelung der Viehpreisfeststellungen besteht
unstreitig nur für einzelne Schlachtviehmärkte, insbesondere für solche,
die einen maßgebenden Einfluß auf die Preisbildung in weiteren Ge¬
bieten ausüben, während namentlich für Märkte, die überwiegend lokale
Bedeutung haben und an denen die Landwirte in der Regel selbst teil-
nehmen, die bisherigen Verhältnisse bestehen bleiben können. Schon
die Grenze zwischen beiden Arten von Märkten entzieht sich der gesetz¬
lichen Feststellung. Aber selbst auf den Märkten, bei denen die Regelung
des Notierungswesens geboten erscheint, sind die Verhältnisse so ver¬
schiedenartig gestaltet, daß der Erlaß einheitlicher Vorschriften durch
den Gesetzgeber selbst nicht in Frage kommen kann. Eine Uniformierung
auf diesem Gebiete würde hier ihren Zweck verfehlen, dort über das
Ziel hinausschließen.
Der Gesetzentwurf ist bereits am 9. November im Reichstag
in erster Lesung beraten worden. Er findet offenbar eine starke
Mehrheit, da auch die Redner der Nationalliberalen Partei und des
Zentrums sich dafür, nur Freisinn und Sozialdemokraten sich da¬
gegen aus8prachen. Die Verweisung an eine Kommission wurde
abgelehnt, es folgt daher die zweite Lesung im Plenum.
Kleinhandelspreise von Fleisch In Preußen.
(Mittelpreis aus 23 Marktorten.)
Durchschnitt für Januar bis Juni in den Jahren 1901—1908.
Fleischgattung
Kleinhandelspreise für 1 kg in
Pfennigen
Januar bis Juni
1908 Zunahme
(4)
oder Abnahme
(-)
gegen 1907 in
1901
1902! 1903
1904
1
i
Rindfleisch,
1*
Keule
137
137
141
142
144
157 163
158
-3,1
„ Bauch
117
116
119
121
123
134 1138
135
-2,2
Schweinefleisch
136
148
142
130
144
169 149
148
—0,7
Kalbfleisch . . .
135
136
141
145
145
162.164
159
—3,0
Hammelfleisch .
150
130
188
141
141
156 162
! 1
160
—1,2
Ausgleich zwischen Vieh- und Fleischpreisen.
W T ie in Deutschland wird auch in Österreich darauf hin¬
gewiesen, daß die Spannung zwischen den Vieh- und Fleisch¬
preisen eine unangemessene große sei. Im Ackerbauministerium
beschäftigt man sich nach der „Wiener Approvisionierungs-
Zeitung“ mit der Frage, wie den ungerechtfertigten Preis¬
steigerungen für Fleisch entgegengetreten werden kann. Die
Differenz im Preise sucht man zugunsten der Produzenten zu
verringern.
Fleisch- und Wurstkontrolle.
Die häufig von den Gerichten nicht einheitlich gelöste Frage,
die für die animale Nahrungsmittelkontrolle stets sehr wichtig ist,
ob nämlich zur Wurstfabrikation vorbereitetes Fleisch bereits als
Fleischwaren anzusehen sind, die analog der Wurst begutachtet
werden müssen, hat das Reichsgericht in bejahendem Sinne ge¬
löst. Der Fleischermeister K. in Stettin war vom Landgericht
Stettin zu einer Woche Gefängnis verurteilt worden, weil das
Gewerbekommissariat in seinen Geschäftsräumen gelegentlich einer
Visitation zu beanstanden hatte, daß 15 Pfund in Würfel geschnittenes
Rind- und Schweinefleisch in dem Keller grünliches Aussehen hatte
und schlechten Geruch verbreitete. Das Fleisch sowie die Zunge
wurden beschlagnahmt. Vor der Strafkammer erklärte der Fleischer¬
meister K., daß das Fleisch von Stücken Btamme, die im Arbeits¬
raume aufbewahrt, äußerlich etwas schlecht geworden waren. Er
habe durch Wasser versuchen wollen, das Fleisch verwendbar zu
machen und es demnach in Würfel geschnitten. Wär es nicht ge¬
lungen, hätte er das Fleisch vernichtet. Das Gericht verurteilte den
Meister wie oben erwähnt In der Revision behauptet der Ange¬
klagte, die Absicht, Wurst herzustellen, sei nicht einwandfrei fest¬
gestellt; der Umstand, daß es üblich sei, das zur Wurstfabrikation
bestimmte Fleisch in Würfel zu schneiden, genüge für diese Fest¬
stellung nicht. Das Reichsgericht hielt jedoch das Delikt für aus¬
reichend festgestellt und verwarf die Revision. Dr. G.
Milzbrand in der Sohlachthalle.
Am Hamburger Schlachthofe wurde am 28. September d. J.
bei einem geschlachteten Schwein Milzbrand festgestellt Außer
dem betreffenden Tier mnßten noch eine Anzahl anderer gesunder
Schweine beschlagnahmt werden, da für das Ausschlachten der¬
selben von den Fleischern dieselben Schlachtutensilien gebraucht
worden waren, demnach eine Verunreinigung des Fleisches mit
Milzbrandbazillen in Frage kam. Diese Tiere wurden der Koch¬
anstalt zur Verwertung überwiesen.
Russischs Butter und Cholera.
Die Zentralstelle der preußischen Landwirtschaftskammern hat
auf Grund einer Anregung der Landwirtschaftskammer für die
Provinz Pommern den dringlichen Antrag an den Landwirtschafts¬
minister gerichtet, daß zur Vermeidung der Einschleppung der
Cholera unverzüglich ein Einfuhrverbot für russische und sibirische
Butter herbeigeführt werden möge und auch der Nachweis gefordert
werde, daß aus anderen Ländern eingeführte Butter nicht russischen
Ursprungs sei.
838
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46
Das Blut der Schlachttiere.
Von M. C. Pag6s.
(L’Hygtene de I» Viande et da Latt. 1908. II Jabrg 8.193.)
Verfasser bestimmte gemeinsam mit Galibert und Mich ault
die Blutmenge, welche man bei der Schlachtung gewinnen kann.
Für den Schlachthofbetrieb interessiert es nicht, die absolute Blut¬
menge festzustellen in der Weise, wie es seitens der Physiologen
geschieht, sondern nur die bei üblichem Schlachten tatsächlich zu
gewinnende.
Beim Pferde schwankt die Menge nach dem Gewicht, der Rasse
und dem Nährzustand. Bei mittleren Pferden von etwa 460 kg Ge¬
wicht beträgt die Menge 23 Liter, bei besseren 25 Liter, so daß das
Blut etwa Vjo des Körpergewichts beträgt. Vollblüter haben mehr
Blut (im Mittel 2 Liter) als Halbblüter, und diese mehr als gemeine
Pferde (etwa 3 Liter).
Beim Esel sind die individuellen Verschiedenheiten größer als
beim Pferd. Im Mittel wiegt das Blut v« des Körpergewichts.
Die Blutmenge des Rindes schwankt naturgemäß ebenfalls sehr.
Sie wird beeinflußt von Rasse, Geschlecht, Alter usw. Die
Schwankungen belaufen sich auf das doppelte bis dreifache der
Menge. Meist ergibt sich V 20 des Körpergewichts, wie beim Pferde.
Der Bulle besitzt mehr Blut als der Ochse, und die Milchkuh mehr
als der Bulle. Ein Ochse der normannischen Rasse hat z. B. bei
einem Gewicht von 600 kg 22 Liter Blut, ein Bulle 25 Liter und
eine Kuh während der Laktation 28 Liter.
Das Kalb hat verhältnismäßig mehr (2—5 Prozent) Blut als ein
Rind derselben Rasse, doch ist auch hier eine mittlere Zahl schwer
festzulegen, da besonders Rasse und Mastzustand von größtem Ein¬
fluß sind. Ein fettes Kalb besitzt 2—3 Liter Blut weniger al9 ein
Mastkalb derselben Rasse mit dem gleichen Körpergewicht.
Was das Schaf und die Ziege anbelangt, so wechselt die Menge
bis zum doppelten nach der Rasse. Man kann sagen, daß ein gut¬
genährter Hammel 2 Liter Blut besitzt, d. h. etwa 7w des Körper¬
gewichts.
Beim Schwein endlich kann die Blutmenge zwischen Vis bis Vio
des Gewichtes schwanken.
Blutmehl.
Die deutsche Blutverwertungsgesellschaft zu Leipzig errichtete
im vorigen Jahr eine Blutmehlfabrik in Budapest zwecks Ver¬
arbeitung des Blutes des Schlachthofs. Mit diesem Blutmehl hat
nun die Königlich ungarische tierphysiologische Versuchsstation in
Budapest Versuche auf den Nährwert hin angestellt, deren Resultate
von Zaitschek in den „Landw. Jahrbüchern“ veröffentlicht werden.
Das Blutmehl wurde an zwei junge Schweine mit Mais zusammen
verfüttert, die es gern nahmen. Die Ration bestand aus 1300 g
Mais (1114,5 g Trockensubstanz) und 250 g Blutmehl (209,3 g
Trockensubstanz). Nach den Versuchsergebnissen werden die Roh-
fasera und stickstofffreien Substanzen des Mais bei Beigabe von
Blutmehl weniger vollständig verwertet, als bei Verfütterung von
reinem Mais. Die Depression wird wahrscheinlich durch die große
Menge des leicht verdaulichen Blutmehl-Eiweiße9 hervorgerufen.
Abgesehen hiervon ist das Blutmehl bei der Mast wachsender
Schweine mit gutem Erfolge anwendbar, und zwar um so mehr, da
in diesem nach Stickstoffprozenten gehandelten Futtermittel der
Marktpreis von 1 kg verdaulichem Protein in der Regel geringer
ist als in den übrigen Futtermitteln.
Enthalten die Tlerkärpermehle Ptomalne und Toxine?
Von Dr. Haefcke-Berlin-Friedenau.
(Zeilachr. f. Fleisch- u. Milcbtayglone. XVIII. Jabrg. 1906, 8. 245)
Gegen die Verwendung des auf den Abdeckereien hergestellten
Tierkörpermehles als Futtermittel hat man unter anderem den Ein¬
wand erhoben, daß dasselbe giftig wirken könne, da das Roh¬
material vorwiegend faules oder mit Infektionsstoffen behaftetes
Fleisch sei und die Stoffwecbselprodukte durch Erhitzen vielfach
nicht zerstört würden. Solche Vergiftungen sind freilich in der
Literatur noch nicht notiert worden. Um aber auch den
theoretischen Einwänden zu begegnen, prüfte Verfasser fauliges
Material auf Giftstoffe vor der Verarbeitung, und in derselben
Weise das gewonnene Produkt. Aus dem Rohmaterial gelang es,
eine Anzahl bekannter und noch unbekannter Giftstoffe zu isolieren,
aus der Masse, die in dem Autoklaven vier Stunden auf vier
Atmosphären erhitzt war, dagegen nicht. Die vollkommene Zer¬
setzung der Ptomaine in der kurzen Zeit ist zweifellos auf
Rechnung der gleichzeitigen Einwirkung des Druckes von vier
Atmosphären und der entsprechenden Temperatur von etwa 150° C
zu setzen. Neben den Versuchen, die für die Unschädlichkeit
sprechen, beweist auch die Praxis, daß das Tierkörpermehl nicht
giftig ist. Nach einer in den letzten Monaten des Jahres 1907 von
Haefcke angestellten Umfrage sind bis dahin nicht weniger als
rund 2 560 000 Kilo verfüttert worden, eine Zunahme von 150 Proz.
gegenüber 1905. Wenn das Tierkörpermehl sich so Bahn ge¬
brochen hat und trotz seiner verbreiteten Verwendung keine Ver¬
giftungen sich ereigneten, Bind solche überhaupt nicht zu befürchten.
Knoohenverwertung.
Während in den großen Schlächtereien Nordamerikas zur
fabrikmäßigen Verarbeitung der anfallenden Knochen-Anlagen er¬
richtet sind, die sich gut rentieren, ist ein Versuch der Firma
Schaub, in derselben Weise die Knochenabfälle beim deutschen
Vieh zu verwerten, mißlungen. Als Ursache hierfür wird die
geringe, auf unnatürliche Haltung zurückzuführende und durch die
Zucht bedingte Entwicklung der Knochen des hiesigen Viehs an¬
gesehen. Es erwiesen sich unter 100 Pfund der für die Knochen¬
fabrik fertig gelieferten Beinknochen meistens 60 Pfund als un¬
brauchbar. Die Knochen sind zu weich und porös, während die¬
jenigen der amerikanischen und australischen Rinder stärker aus¬
gebildet sind, so daß sie in der Industrie mit Vorteil verwandt
werden können.
„Flelschsaft Puro.“
Das unter dem Namen Puro im Handel bekannte Präparat ist
als ein Gemisch von Hühnereiweiß und Fleischextrakt entlarvt
worden. Der Verfertiger des Präparates Dr. Sc ho 11-München ver¬
sendet eine Broschüre zur Abwehr der erfolgten Angriffe.
Häutefleisch!
Die sanitätspolizeiliche Behandlung des Häutefleisches. (Mini-
sterialerlaß la 3 b Nr. 2758 vom 27. April 1908.) Die auf den
Runderlaß vom 9. Mai 1906 eingegangenen Berichte haben ergeben,
daß an verschiedenen Orten sogenanntes Häutefleisch als Nahrungs¬
mittel für Menschen verwendet wird, sei es, daß es in den Haus¬
haltungen der Besitzer von Gerbereien oder Häutehandlungen oder
in den Haushaltungen ihrer Arbeiter verzehrt, sei es, daß es an
Dritte verkauft worden ist. Dabei ist vereinzelt der Verdacht aus¬
gesprochen worden, daß das zum Verkauf gebrachte Fleisch zur
Wurstfabrikation verwendet worden sei; auch soll bei als Hunde¬
futter oder Hühnerfutter abgegebenem Fleische Mißbrauch nicht
ausgeschlossen sein. Es erscheint daher geboten, die Ortspolizei¬
behörden anzuweisen, dort, wo eine mißbräuchliche Verwendung
von Häutefleisch zu vermuten ist, der Angelegenheit besondere
Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Euer Hochwoblgeboren ersuchen wir ergebenst, in dieser Be¬
ziehung das weitere zu veranlassen, indem wir gleichzeitig bemerken«
daß die bestehenden Vorschriften ausreichenden Schutz gegen die
bestehenden Mißstände gewährleisten, denn soweit es sich um
Fleisch handelt, das den Vorschriften des Fleischbeschaugesetzes
zuwider einer Untersuchung entzogen oder bei einer solchen Unter¬
suchung nicht für genußtauglich erklärt worden ist, stehen dem
Inverkehrbringen des Fleisches die Strafbestimmungen des erwähnten
Gesetzes entgegen. Soweit Häutefleisch als verdorben im Sinne
des § 10 des Nahrungsmittelgesetzes zu gelten hat, was nach den
Betriebsverhältnissen in den Gerbereien und Häutehandlungen viel¬
fach anzunehmen sein wird, sind die Polizeibehörden in der Lage,
auch auf Grund des Nahrungsmittelgesetzes einzuschreiten und eine
strafrechtliche Verfolgung herbeizuführen. Unter Umständen könnte,
da als Konsumenten des Häutefleisches zumeist die in den betreffen¬
den Betrieben beschäftigten Arbeiter in Betracht kommen, zur Ver¬
hinderung der Abgabe gesundheitsschädlicher Bestandteile an die
Arbeiter auch der Erlaß von Schutzvorschriften aus § 120 a. u. re.
der Reichsgewerbeordnung in Frage kommen.
12. November 1908. _ BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
839
Berlin: Auszug aus dem Fleischbeschaubericht für die Monate Juli bis September 1908.
A.
Schlachthof
B. Untersuchungsstationen
Rinder
Jung¬
rinder
Kälber
Schafe
(Ziegen)
Schweine
Rinder¬
viertel
Kälber
Schafe
(Ziegen)
Schweine
Geschlachtet und untersucht.
30032
7 458
41 760
126 825
267 087
6 756
6 684
649
9 784
Es wurden beschlagnahmt: ganz.
821
133
173
55
2 018
96
42
8
57
„ „ „ teilweise . . .
In der Zahl der beschlagnahmten ganzen Tiere
14 304
1289
600
12 074
63 737
■
sind nicht enthalten:
a) verendete Tiere.
2
1
5
11
58
—
—
—
—
b) ungeborene Tiere.
—
—
33
-
14
—
—
—
—
Wegen Tuberkulose teilweise beanstandet:
„ „ minderwertig . . .
198
12
15
—
926
12
1
2
„ „ bedingt tauglich . .
166
17
24
—
427
4
—
| —
4
„ „ untauglich ....
36
9
1
—
14
29
11
i> ; 3
16
Fleischviertel, verschieden beurteilt. . . .
98
6
15
—
101
—
—
jt —
—
Wegen Finnen minderwertig.
215
55
—
—
7
—
—
i _
1 _
„ „ bedingt tauglich.
40
6
2
—
15
—
—
1
1
„ „ untauglich.
1
—
1
—
15
—
—
“
Wegen Trichinen bedingt tauglich ....
—
—
—
—
5
—
—
1 _
1
1
„ „ untauglich.
—
—
—
11
—
—
i
1
Häutefleitch.
Da nach amtlichen Berichten Häutefleisch in verschiedenen
Orten als Nahrungsmittel in verschiedenen Gerbereien verwendet
werden soll, sind die Ortspolizeibehörden zu besonderer Wachsam¬
keit seitens der Regierungspräsidenten aufgefordert worden, um
das zu verhindern, da auf Grund des Fleischbeschaugesetzes das
Inverkehrbringen des Häutefleisches verboten ist.
Gewicht der Häute.
Als Höchstgewichte von Häuten wurden bei einer großen
Häuteverwertungs-Vereinigung nach einer Notiz in der „Amtlichen
Zeitung des Deutschen Fleischer-Verbandes“ ermittelt für eine
Bullenhaut 208 Pfund, für eine Ochsenhaut 196 und eine Kuhhaut
126 Pfund.
Schabefleisch mit Blutgerinnseln.
Wegen Verkaufs mit Blut durchsetzten Schabefleisches wurde
eine Fleisehermeistersfrau von dem Landgericht ni in Berlin zu
einer Geldstrafe verurteilt - Vor dem Schöffengericht hatte sie Frei¬
sprechung erzielt Da die Verwendung des Stichfleisches zu Hack¬
fleisch allgemein üblich ist, interessiert das Urteil. In Hamburg
sind wegen derselben Sache bislang stets Freisprechungen erfolgt.
Flelsohpreise der säohslschen Sohlaohtviehversicherung.
(Vgl. Nr. 27, S. 475.)
Gemäß § 14 des Gesetzes, die staatliche Schlachtvieh Versicherung
t ^ 2. Juni 1898 , , „ .
betreffend, vom %4 April '~ i9Ö6 ) 8 ' n< * vom ' erwaltungsausschusse der
Unterzeichneten Anstalt hinsichtlich der in der Zeit vom 1. Oktober bis
‘ 81. Dezember 1908 stattfindenden Schlachtungen die der Er-
> mittlung der Entschädigungen nach § 2 des angeführten Gesetzes zu¬
grunde zu legenden Durchschnittspreise für die einzelnen Fleiscb-
gattungen für je 50 kg Schlachtgewicht wie folgt festgesetzt
worden:
A. Ochsen:
1. vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlacht¬
wertes bis zu 6 Jahren.
2. junge fleischige — ältere ausgemästete....
8. mäßig genährte junge — gut genährte ältere
4. gering genährte jeden Alters.
6. a) magere.
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziff. lb
des Gesetzes' von der Versicherung aus¬
geschlossen sind ... ...
B. Kalben und Kühe:
1. vollfleischige, ausgemästete Kalben höchsten
Schlachtwertes.
2. vollfleischige, ausgemästete Kühe höchsten
Schlachtwertes bis zu 7 Jahren.
(1 kg demnach)
M.
M.
78,-
1,56
73,-
1,46
66,50
1,33
58,60
1,17
48—
—,96
35,—
—,70
76,-
1,50
72,-
1,44
(1 kg demnach)
M. M.
3. ältere ausgemästete Kühe und gut entwickelte
jüngere Kühe und Kalben.66,— 1,32
4. gut genährte Kühe und mäßig genährte Kalben 59,— 1,18
5. gering bzw. mäßig genährte Kühe und gering
genährte Kalben. 49,60 — ,99
6. a) magere dergl. ..41,— —,82
b) abgemagerte dergl., soweit sie nicht nach § 1
Ziff. lb des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.30,— —,60
G. Bullen:
1. vollfleischige höchsten Schlachtwertes .... 69,— 1,38
2. mäßig genährte jüngere und gut genährte ältere 66,50 1,31
3. gering genährte. 61,— 1,22
4. a) magere.45,— —,90
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziff. lb
des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.40,— —,80
D. Schweine:
1. vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlacht¬
wertes und zwar der feineren Rassen und deren
Kreuzungen im Alter bis zu l l /4 Jahren . . 66,— 1,30
2. fleischige. 62,60 1,25
3. gering entwickelte Mastschweine, sowie aus¬
gemästete Schnitteber (Altschneider) und aus¬
gemästete Sauen .68,— 1,16
4. nicht ausgemästete Sauen, Schnitteber (Alt¬
schneider), Zuchtsauen und Zuchteber .... 43,— —,86
5. a) magere bzw. im Ernährungszustände zurück¬
gebliebene Tiere.30,— —,60
b) abgemagerte, soweit sie nicht nach § 1 Ziff. lb
des Gesetzes von der Versicherung aus¬
geschlossen sind.28,— —,66
Dresden, den 24. September 1908.
Anstalt für staatliche Schlachtviehversicherung.
Bücheranzeigen und Kritiken.
Merkbuch für Ziegenhalter. Von G. Franke, K. Kreistierart in
Köln. Berlin 1908, Richard Schoetz. Preis 50 Pf. (bei Bezug von 100
Exemplaren 35 Pf.).
Dem Titel entsprechend behandelt der Verfasser in knapper, allgemein¬
verständlicher Form die wichtigsten Gebiete der Ziegenzucht- und
Haltung. Anlage der Stallungen, Fütterung und Pflege, Bockhaltung,
Auswahl der Zuchttiere, Ausführung der Zucht, Gewinnung und Be¬
handlung der Milch erfahren sachgemäße Besprechung. Für Ver¬
hältnisse, in denen die Bestrebungen zur Hebung der Ziegenzucht- und
Haltung erst im Beginne stehen, erscheint das 31 Seiten haltende
Schriftchen zur Belehrung der Züchter bestens geeignet
Kronacher.
Das Reichs-Fletschbeschaugesetz vom 3. Juni 1900, nebst den
Ausfnhrungsbestimmangen des Bnndesrates A, B, C, D b und E, sowie
den preußischen Ausführungsbestimmungen. Zusamraengestellt von
840
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No, 40.
Dr. Heine, Schlachthofdirektor in Duisburg a. Rh. Verlag von M. und H.
Schaper, Hannover 1908. Preis 1,25 M.
Daa^Bnch enthält die Reichsgesetze und die preußischen Ausfuhrungs-
gesetze, so weit sie für die nichttierärztlichen Fleischbeschauer in Frage
kommen. Glage.
Neue Eingänge (Besprechung Vorbehalten).
Prof. Eugen Fröhner, Lehrbuch der Arzneimittellehre für
Tierärzte. 8. umgearb. Auflage. Ferdinand Enke, Stuttgart 1909.
Prof.Emil Abderhalden, Lehrbuch der physiologischen Chemie
in zweiunddreißig Vorlesungen. Zweite, vollständig nmgearbeitete
und erweiterte Anflage. Mit 19 Figuren. Urban und Schwarzenberg,
Berlin und Wien 1909.
Prof. Alph.Degive, Precis de m£dicine operatoirc veterinaire.
Avec un Atlas comprenent 720 Fignres. Asselin & Houzeau, Paris 1908.
Dr. Wilhelm Baumeier, Zur vergleichenden Anatomie nnd
Morphologie des Musculus obliquus abdominis externns und
der Fascia flava. Mit 11 Abbildungen auf 9 Tafeln. E. Schweizer-
bartsche Verlagsbuchhandlung (E. Nägele), Stuttgart 1908.
O. Fuhrmann, Die Ccstoden der Vögel. Gustav Fischer, Jena 1908.
Preis 8 M.
Jahresbericht über die Leistungen aut dem Gebiete der
Veterinärmedizin. Herausgegeben von Medizinalrat Prof. Dr. Ellen-
herger und Geh. Reg-Rat Prof. Dr. Schütz. 27. Jahrg. (1907). August
Hirschwald, Berlin.
Statistischer Veterinär-Sanitäts-Bericht über die preußische Armee
und das XIII. (Königl. Württembergische) Armeekorps für das Rapport¬
jahr 1907. Ernst Siegfried Mittler nnd Sohn, Berlin 1908.
Bericht über die Königliche Tierärztliche Hochschule zu Dresden
für das Jahr 1907, erstattet vom Rektor uud Senat, v. Zahn und Jaensch,
Dresden 1908.
Bericht Aber das Veterinärwesen im Königreich Sachsen für das
Jahr 1907. Herausgegeben v. d. KgL Kommission f. d. Veterinärwesen.
25. Jahrgang, v. Zahu und Jaensch, Dresden 1908.
Jahresbericht der Landwirtschaftskammer für die Provinz
Schlesien für das Verwaltungsjahr 1907. Breslau 1908.
Bericht über die Tätigkeit des Bakteriologischen Instituts
für dio Landwirtschaftskammer der Provinz Sachsen zu
Halle a. S. während des Jahres 1907 08 Erstattet von Dr. H. Raebiger
(Sonderabdrock aus dem Jahresbericht der Landwirtschaftskammer tür
die Provinz Sachsen). Halle a. S. 1908.
Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungs¬
lehre. Herausgegeben von C. Coriens, V. Haecker, G. Steinmann,
R. v. Wettstein. Redigiert von E. Baur. Band I, Heft 1/2. September
1908. Verlag von Gebrüder Bornträger, Berlin 1908.
Desinfektion. Monatsschrift I. Jahrg., 2. Heft. Deutscher Verlag
für Volkswohlfahrt, Berlin 1908.
Dr. Otto Leers, Methoden und Technik der Gewinnung,
Prüfung und Konservierung des zur forensischen Blut-
bzw. Eiweißdifferenzierung dienenden Antiserums. Verlags¬
buchhandlung von Richard Schoetz, Berlin 1908. Preis 80 Pfg.
Paul Hummel, Vergleichende Untersuchungen über die
im Darm der Pferde vorkommenden Knoten und geschwürs¬
artigen Veränderungen mit besonderer Berücksichtigung
der Rotzkrankheit. (Inaug.-Diss. der med. Fakultät Gießen.) Mit
5 Abbildungen auf Tafel 1—3. Berlin 1908.
Franz Schwaebel, Über die knotige Muskeltuberkulose des
Rindes (Inveterierte Tuberkulose Dürbeck—Blastomykose Foulerton).
(Inaug.-Diss. der raed. Fakultät Gießen.) Stuttgart 1908.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und spezifischen Tuber¬
kulose-Forschung. Herausgegeben von Prof. Dr. Ludolph Brauer.
Bd. X, Heft 3. Francke, Der krankhafte Druckschmerz — ein
Erkennungsmittel der beginnenden Schwindsucht. Berliner,
Zur Behandlung der Tuberkulose mit Eukalyptolinjektionen
Weber, Neuere Gesichtspunkte bei der Behandlung der
Lungentuberkulose. Graetz, Der Einfluß des künstlichen
Pneumothorax auf die tuberkulöse Lunge. Mit 3 Tafeln.
Goldschmidt und Knobel, II. Bericht über intravenöse Behand¬
lung Tuberkulöser mit Hetol. Preis 4,50 M.
— Band X, Heft 4: Landmann, Tuberkulol und Tuberkulin.
Beraneek. Sahli, Erwiderung auf den vorstehenden Artikel
Btraneck, Reponse ä Monsieur le Dr. Landmann. Landmann,
Sahli und BSraneck, $chlußbcmcrkungen. Konzeimann, Über den
Einfluß pleuritischer Exsudate auf den Verlauf der Lungen¬
tuberkulose. Preis 4 M. Curt Kahitzsch (A. Stübers Verlag), Würz¬
burg 1908.
Prof. Dr. E. Joest, Medizinalrat, Bericht über das Phatholo-
gische Institut (Sonderabdruck a. d. Bericht der Königl. Tierärzt¬
lichen Hochschule zu Dresden auf das Jahr 1907.) Dresden 1908.
Prof. Dr. E. Joest und Dr. W. Felber, über lokale Eosinophilie
in der Leber der Haustiere. Zugleich ein Beitrag zur patholo¬
gischen Anatomie der zooparasitären Lebererkrankungen. (Sonderab¬
druck ans der Zeitschrift für Infektionskrankheiten, parasitäre Krank¬
heiten uud Hygiene der Haustiere. IV. Band, 5./6. Heft.) Verlags¬
buchhandlung von Richard Schoetz, Berlin.
Hermann Georg Lustmann, Untersuchungen über die Agglu¬
tination des Rotzbazillus. (Inaug.-Diss. der vcL-med. Fakultät
Zürich.) Mit 10 Tabellen, 4 Temperaturkurven und 2 schematischen Ab¬
bildungon. Zürich lpos.
E. Joest, Die Amyloiddegeneration bei Tieren. (Separat¬
abdruck aus Ergebnisse der Allgemeinen Pathologie und pathologischen
Anatomie des Menschen und der Tiere. XIV. Janrg.) J. F. Bergmann,
Wiesbaden 1907.
Otto Zietzschmann, Ein Beitrag zum Studium der Folgen
der Sehilddrü8enexstirpation. Thyreoidectomie bei Ziegen.
(Soparatabdrnck aus den Mitteilungen ans* den Grenzgebieten der Medizin
und Chirurgie. XIX. Band, 2. Heft.) Gustav Fischer, Jena 1908.
G. Zuegler, Max Dohrn und Anton Marxer, Neuere Unter¬
suchungen über den experimentellen Diabetes. (Sonderabdruck
aus den Deutschen medizinischen Wochenschrift.) Georg Thieme,-
Leipzig 1908.
Dr. W. Völtz, über die Bedeutung des Problems der Ver¬
erbung sog. erworbener Eigenschaften für die landwirtsch aft.
liehe Tierzucht. (Sonderabdruck aus „Deutsche Landw. Presse“ 1908.)
Bericht über die Verwaltung des städt. Schlacht- und V ieh-
hofes zu Breslau für die Zeit vom 1. April 1907 bis 31. März 1908.
(Sonderabdrock aus „Breslauer Statistik“Band XXVIII Heft 2) Breslau 1908.
Personalien.
Auszeichnung: Es wurde verliehen dem Großh. Bezirkstierarzt
Veterinärrat Georg Fentzlrng-Yreiburg das Ritterkreuz I. Klasse des
Ordens vom Zähringer Löwen; dem Oberveterinär a. D. Kimmermann
(Bez.-Kommando Wehlau) der Charakter Stabsveterinär.
Niederlassungen: Die Tierärzte Alois Uschi ans Trostberg in
Perlach bei München, L. Haller in München, L Loeb in Würzburg,
F. VoUcmann-Bruck in München. — Verzogen: Tierarzt Leopold
Höming von Perlach nach München, Schlachthoftierarzt Jakob
Brunner von Stuttgart in gleicher Eigenschaft nach Frankfurt a. M.
Examina: Promoviert: Die Tierärzte Wilh. Mugler z. Zt. in
München, Oscar IForeA-Halle a. S., Oberveterinär Gustav Dolitca im
Militär-Reitinstitut Hannover und Schlachthofdirektor Hugo Windisch-
Görlitz zum Doktor med. vet. in Bern. — Approbiert: Die Herren
Friedrich Bickele aus Rindelbach, Theodor Claus aus Stuttgart, Emst
Frommherx aus Stuttgart, Matthias Rungerbuhler aus Weigheim,
Julius Krug aus Rastatt, Georg Lichtenstern aus Niederlauterbach,
Alfons Maag aus Ebingen, Gabriel Schäfer aus Betra, Hans Sigwart
aus Süßen ha- Stuttgart»-..*----
In def Armee: In Preußen: Befördert: Oberveterinär Vogler
im Feldart.-Regt. Nr. 36 znm Stabsveterinär, die Unterveterinäre
Bock im Feldart.-Regt Nr. 51, Woggon im Feldart-Rcgt Nr. 3,
Grosche im Kür.-Regt. Nr. 1 zum Oberveterinär. — Überetatsmäßiger
Oberveterinär Krack in eine etatsmäßige Oberveterinärstclle ein¬
gerückt. — Versetzt: Mit Wirkung vom 1. Dezember 1908 die
Oberstabsvetcrinäre Gramm lieh , Inspizient der Militär-Veterinär-
Akademie, kommandiert zum Kriegsministerium, und Wilde , im
Regiment Königs-Jäger zu Pferde, kommandiert znr Militär-
Veterinär-Akademie, gegenseitig mit der Maßgabe, daß Oberstabs¬
veterinär Grammlich als veterinärtechnischer Hilfsreferent im
Kriegsministerium kommandiert bleibt; die Unterveterinäre Zoglotcek
im Ulan.-Regt Nr. 16 zum Ulan.-Regt. Nr. 15, Meyer im 3. Garde-
Ulan.-Regt. zum Ulan.-Regt. Nr. 9. — Verabschiedet: Unter-
veterinär SpiUner im Hus.-Regt. Nr. 12. — Im Beurlaubten¬
stande: Befördert: Die Unterveterinäre der Reserve Hinrichs
(Bez.-Kdo. Aurich), Wienholtx (Bez.-Kdo. Aurich [Garde]), Dr. Bussenius,
Haas und Dierick (Bez.-Kdo. Hannover), Werner (Bez -Kdo. I Braun¬
schweig), Wiethüchter (Bez.-Kdo. Hildesheim), Pante (Bez.-Kdo.
Osnabrück), Herxberg (Bez.-Kdo. Marienburg [Garde]), Goldmann
(Bez.-Kdo. Lingen), Krudeteig (Bez.-Kdo. 11 Oldenburg) zu Ober-
veterinären des Beurlaubtenstandes. — Abgang: Dem Oberveterinär
der Landwehr 2. Aufgebots Ehrhardt (Bez.-Kdo. I Essen) der er¬
betene Abschied bewilligt
Todesfälle: Königl. Bezirkstierarzt L. Widenmayr in Eschenbach,
Tierarzt Jann Dircks in Norder-Friedrichskoog.
Vakanzen. (v g i. Nr. 45.)
Schlaohthofetelle: Jarotschin: Schlachthof-Inspektor baldmög¬
lichst Gehalt 2100 M., freie Wohnung usw. Bewerb, bis 15. No¬
vember er. a. d. Magistrat.
Verantwortlich für dun Inhalt (ex kl. In»eratentcil): Prof. Dr. Schmält* in Berlin. — Vorlag und Eigentum der Vurlagabu« hhandlung von Richard Schoets in Berlin. —
Druck von W. Büxenstein, Berlin.
842
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47.
spürte. Die Bulbi beider Augen sind weder vergrößert noch
verkleinert; die Augen sind nicht eingefallen, auch vermögen
die Augenlider den Bulbus vollkommen zu bedecken. In der
Conjunktiva Bulbi beider Augen sind viele grauweiße, miliare
und submiliare Knötchen sichtbar. Die oberflächlich liegenden
größeren Knötchen ragen in geringem Grade über die Schleim¬
hautoberfläche hervor. Die tiefer liegenden Knötchen sind als
grauweiße Flecke sichtbar. Besonders schön zu sehen sind
einige größere Knötchen an der unteren Conjunktiva Bulbi des
rechten Auges (Abbildung II, Tb. 1). Beide Augen zeigen
Korneatrübungen.
Am linken Auge besteht eine totale diffuse grau mattblaue,
wolkenförmige Trübung der Kornea, die jedoch den Einblick in
die vordere Augenkammer nicht völlig verhindert. Bei seitlicher
Betrachtung läßt sich feststellen, daß die Trübung ihren Sitz
in den tieferen Schichten der Kornea hat. Der Humor aqueus
der vorderen Augenkammer läßt keine Beimischung exsudativer
Natur erkennen. Der untere Teil der Iris ist stark in die
vordere Augenkammer hervorgewölbt und verursacht so eine
derartige Verengerung der Pupille, daß ein Einblick in das
Innere des Auges nicht möglich ist. Eine vordere Synechie
besteht nicht. Die schwarzgraue Iris nimmt auf der Höhe der
Hervorwölbung einen graugelblichen Farbenton an.
Bei der später erfolgenden Präparation des Auges konnten
folgende Veränderungen des Auges festgestellt werden:
Der gallertartige Glaskörper ist klar und durchsichtig.
Die getrübte Unterhaut läßt sich leicht abheben. Die Linse ist
in ihrer Befestigung gelöst und hat eine Senkung nach unten
erfahren. Sie hat hier die Iris vorwärts gedrängt und so eine
tiefe Aussackung in derselben gebildet (Abbildung I). Am
Grunde dieser Aussenkung ist die Iris fest mit der Linsen¬
kapsel verwachsen. Beim Herausholen der Linse aus ihrer
Aussackung werden in dem neugebildeten Gewebe, das zum
Teil an der Linsenkapsel, zum Teil an der Iris haften geblieben
ist, submiliäre knötchenartige Gebilde von grauweißer Farbe
sichtbar. Die übrige Uvea, die sich von der Sklera ablösen
läßt, schillert bläulichgrün und läßt keine Veränderungen
tuberkulöser Natur erkennen.
In dem nach der Ziehl-Neelsenschen Methode gefärbten
Quetschpräparate (5 und 6) konnten Stäbchen nachgewiesen
werden, die in bezug auf Größe und Form mit Tuberkelbazillen
übereinstimmten. Die Stäbchen lagen frei im Gesichtsfelde, teils
in Rinsenzellen.
Es müssen Ernährungsstörungen der Linse vorausgegangen
sein, die eine vollständige Luxation der Linse und Verwachsung
derselben mit der Iris bewirkt haben. Tuberkelbazillen haben sich
in dem neugebildeten Gewebe zwischen Iris und Linse angesiedelt
und ihre proliferierende Wirkung ausgeübt.
Typisch sind die Veränderungen am rechten Auge. Die
unteren beiden Korneaquadranten zeigen unzählige trübe, grau¬
weiße Punkte oder Fleckchen, die in den tieferen Schichten
der Kornea ihren Sitz haben. Die meisten dieser Fleckchen
haben einen scharfen Rand. Verschiedene Punkte zeigen da¬
gegen einen schwach getrübten Hof. Nach den oberen beiden
Quadranten verliert sich die fleckige Trübung, so daß die
fleckige Komeahälfte nahezu klar und durchsichtig ist. Humor
aqueus enthält keine Beimischungen. Eine Verwachsung der Iris¬
vorderfläche mit der Kornea besteht nicht. Die schwarzgrau er¬
scheinende Iris zeigt verschiedene hirsekorngroße weißliche
Knötchen (Abb. HI Tb.). Die Pupille ist starr, die Linse
erscheint getrübt.
An den inneren Organen konnte folgender Befund festgestellt
werden:
Die getrübte Netzhaut läßt sich leicht abheben; nur dort,
wo sich Knötchen in der Uvea befinden, ist eine Verwachsung
der Netzhaut mit der Uvea eingetreten. Die Chorioidea mit ihrem
bläulich schillernden Tapetum der hinteren Hälfte des Augapfels,
der durch einen Äquatorialschnitt in eine vordere und hintere
Hälfte zerlegt ist, zeigt keine sichtbaren tuberkulösen Ver¬
änderungen. An der vorderen Hälfte des Augapfels fällt die
totale gleichmäßig getrübte, grauweiße Linse auf. Die Linsen¬
kapsel ist mit der hinteren Irisfläche total verwachsen, so daß
Pupillarabschluß besteht. Nach Entfernung der Linse zeigen
sich auf der hinteren Irisfläche viele submiliare, graue Knötchen.
Einzelne größere Knötchen von grauweißer Farbe treten deutlich
hervor (Abbildung HI Tb). Im oberen rechten Quadranten und
zwar im Strahlkörperrand der Uvea besteht eine erbsengroße
gelb-weißliche Neubildung (in. g.), welche sich als ein Konglo¬
merat kleinster Knötchen erweist. Vereinzelte grauweiße, sub¬
miliare Knötchen sind auf der vorderen Uveahälfte sichtbar.
Interessant sind die Veränderungen an der Kornea des
rechten Auges. In den anfangs erwähnten Fällen von Matthieu,
Heß über Augentuberkulose handelte es sich ausschließlich um
tuberkulöse Veränderungen der Iris und Chorioidea nebBt Retina.
In keinem Falle (mit Ausnahme des Falles von Moncet) waren
Veränderungen tuberkulöser Natur an der Kornea und Konjunktiva
festgestellt worden. Es sind zwar in verschiedenen Fällen
gleichzeitig Trübungen der Kornea beobachtet worden, ob dieselben
aber als endogene tuberkulöse Keratiten aufzufassen sind, er¬
scheint zweifelhaft.
Fröhner (2) beschrieb schon im Jahre 1884 eine eigen¬
tümliche Erkrankung der Cornea bei Pferden, die er mit Keratitis
punctata bezeichnete. Bayer hatte 1891 in fünf Fällen über
dieselbe Erkrankung berichten können. Bei dieser Keratitisform
wurden sehr zarte Punkte gesehen, die in gleichen Abständen
von einander entfernt standen. Ich erwähne diese Erkrankung
der Hornhaut kurz, weil die Veränderungen bei der Keratitis
punctata viel Ähnlichkeit mit der oben beschriebenen Keratitis¬
form haben.
Beim Loslösen der Kornea aus dem Korneafalz läßt sich
das Hornhautepithel leicht von der Bowmannschen Schicht
lösen. Desgleichen läßt sich die Eigenschicht der Kornea von
der deszemetischen Haut leicht trennen. Sowohl an dem Horn¬
hautepithel, sowie an der deszemetischen Haut sind keine
Trübungen zu erkennen. Die fleckigen Trübungen befinden sich
ausschließlich in der Parenchymschicht der Kornea.
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Parenchymschicht
erweisen sich die Fleckchen und Punkte als Anhäufungen von
zelligen Elementen. Im Zentrum liegen die Zellen sehr dicht.
Nach der Peripherie hin nimmt die Dichte der Zelllagen ab.
Regelmäßig finden sich im Zentrum dieser Zellanhäufungen
große, mehrkernige Zellen, Riesenzellen, Ich halte diese Zell¬
anhäufungen für junge Tuberkel.
Zum Schlüsse möchte ich den Befund an den übrigen
Organen kurz erwähnen. Die Pia-Arachnoidea des Kleinhirns
und beider Großhirnhemisphären ist mit grauweißen und gelb¬
lichen trüben Knötchen von Stecknadelkopf- bis Erbsengröße
besäet. An mehreren Stellen der rechten, alB auch der linken
19. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
843
Hemisphäre reichen Konglomerate von Tuberkel von Haselnuß-
größe in die graue Hirnsubstanz. In der Höhe des zweiten
Lendenwirbels befindet sich eine haselnußgroße Neubildung im
Lendenmark, deren Durchschnittsfläche viele gelbe, hirsekorn-
große Knötchen zeigt. Auffallend ist, daß das Tier trotz der
Größe der Neubildung, die eine bedeutende Druckatrophie der
Nervenbahnen nach sich ziehen mußte, keinerlei Schwäche- und
Lähmungserscheinungen der Hinterhand zeigte. Im übrigen
weisen sämtliche Organe der Brust- und Bauchhöhle, sowie die
FleischlymphdrÜ8en starke tuberkulöse Veränderungen auf. Be¬
merkenswert ist, daß die linke subparotideale Lymphdrüse starke
tuberkulöse Neubildungen zeigte, während die korrespondierende
rechte Drüse keine Veränderungen aufwies.
Herrn Schlachthofdirektor Z*ühl, welcher die Anregung zu
dieser Arbeit gab und mich mit Rat und Tat unterstützte,
möchte ich auch an dieser Stelle meinen Dank aussprechen.
Literatur:
1 . Friedberger und Fröhner, Spezielle Pathologie und
Therapie, 1904.
2. Bayer, Augenheilkunde, 1906.
3. Möller, Lehrbuch der Augenheilkunde, 1889.
4. Lubarsch und Ostertag, Ergebnisse der Allgemeinen Patho¬
logie und Pathologischen Anatomie des Auges, 1901.
5. Ostertag, Handbuch der Fleischbeschau, 1904.
6 . Bongert, Bakteriologische Diagnostik, 1904.
Mißbildung beim Kalbe.
Von Tierarzt Leeb- Wurzen.
Bei einem im lebenden Zustande frisch und munter aus¬
sehenden, sehr gut genährten, 16 Tage alten Kalbe fand ich
bei der Fleischbeschau folgende, offenbar kongenitale Mißbildung,
die sehr selten zu sein scheint. Zwischen dem Spiegel sehen
Lappen und dem unteren Rande des rechten Leberlappens hing
eine eigentümlich geformte Zyste. Dieselbe stellte sich als ein
vierteiliger, fluktuierender Sack dar, dessen mittelster Teil der
größte und am meisten herabhängende war. Abteilung 1 und 2
der Zyste standen durch eine 2—3 cm lange Öffnung der ge¬
meinschaftlichen Wand mit einander in Verbindung, so daß
beim Heben des einen Beutels mit der Hand der Inhalt teil¬
weise in den anderen floß. Dagegen waren Beutel 3 und 4
vollständig durch Zwischenwand von einander getrennt. An
der Ansatzstelle der Zyste an der Leber und wo sie auf dem
rechten Lappen auflag, war eine Vertiefung in der Leber
jedenfalls durch den Druck der Zyste, die das respektable
Gewicht von 3 V 2 Pfand hatte. Die Blase mit ihren einzelnen
Fächern war gefüllt mit einer dünnen, klaren, gelblichen
Flüssigkeit, ähnlich dem Ham des Menschen und mit ganz
schwachem, süßlichem Geruch. Am Boden der Blase war eine
wie ein Niederschlag aussehende, weißliche, fibrinähnliche Masse.
Die Wandung der Zyste war ganz dünn und durchsichtig, so
daß man den Inhalt ganz genau betrachten konnte. Durch ge¬
ringen Druck platzte die ganze Blase, wobei der auf das Pflaster
fallende Inhalt schäumte.
Antwort auf den Artikel des cand. med. vel Hiller¬
brand in Nr. 46 dieser Zeitschrift.
Von Dr. Burow-Halle a. S.
Der Herr Kandidat Hillerbrand, Sohn des Königlich-
Bayerischen Bezirkstierarztes Herrn Hillerbrand in Wasser¬
burg, hat sich bemüßigt gefühlt, im Aufträge seines Vaters in
dieser Zeitschrift einen Artikel zu veröffentlichen, betitelt
„Schlimme Erfahrungen mit Suptol-Burow“.
Als ich diese Überschrift las, fiel es mir schwer aufs Herz,
was mein armes Präparat Schweres verbrochen haben könnte.
Je mehr ich mich aber in den glücklicherweise nur kurzen
Artikel vertiefte, um so mehr atmete ich auf und fühlte mich
am Schluß desselben von einer großen Sorge erleichtert. Also
das war’s. Da ich das größte Interesse daran habe, daß dieses
literarische Produkt nur möglichst kurze Zeit unbeanwortet sich
in der Welt breit macht, will ich dem Herrn Kandidaten, der
im Aufträge seines Vaters schreibt, sofort antworten.
Hören wir, was er sagt! In einem Gehöft wären am
19. August der Vorsicht gemäß fünf Ferkel mit 5 ccm Suptol
geimpft. Von den geimpften Tieren wäre keines ein aus¬
gesprochener Kümmerer gewesen, sie hätten nur geringen Husten
gezeigt und wären nicht so munter gewesen, wie die übrigen
Ferkel des Bestandes und hätten nicht so gut gefressen. Am
26. August also nach sieben Tagen hätte der Besitzer
telephoniert, daß eines der geimpften Tiere schwer erkrankt
sei, es atme sehr heftig, und dränge unter Taumeln ständig
vorwärts, er wolle es töten lassen. Bei der am nächsten Tage
vorgenommenen Fleischbeschau konnte außer einigen grauroten
Entzündungsherden in der Lunge nichts Pathologisches fest-
gestellt werden. In dem Befinden der übrigen vier Ferkel wäre
weder eine Besserung noch eine Verschlimmerung eingetreten,
diese Tiere hätten an diesem Tage nochmals je 5 ccm Suptol
erhalten, außerdem noch ein weiteres Ferkel, das die letzten
Tage auffallend schlecht gefressen, aber sonst keinerlei
Krankheitssymptome gezeigt hätte. Bereits am nächsten Tage
habe der Besitzer telephoniert, daß das letzt genannte Ferkel
unter den gleichen Erscheinungen erkrankt sei, wie das
geschlachtete.
Bei seinem Eintreffen — wessen? des Kandidaten oder
des Bezirkstierarztes ? — habe er das Tier gelähmt vorgefunden,
nach längeren Versuchen sei es mit der Nachhand zum Stehen
gekommen und einige Meter taumelnd weiter geschritten. Das
Tier sei noch mit 5 ccm Suptol geimpft worden, der Zustand
hahe sich aber von da ab zusehends verschlimmert und während
der darauffolgenden Nacht sei der Tod eingetreten. Bei der
Sektion fand sich die Lunge, namentlich die Vorder¬
lappen, entzündlich graurot verändert, die Pleura
pulmonalis mit der Pleura costalis verlötet, namentlich
in der Gegend des Diaphragmas, ebenso war der Herz¬
beutel mit dem Herzen verlötet. Die übrigen Eingeweide
wären anatomisch nicht verändert gewesen.
Ans dieser Erzählung geht erstens hervor, daß von fünf
mit Suptol geimpften Ferkeln nach sieben Tagen eines so schwer
erkrankt ist, daß es hat getötet werden müssen. Die Deduktion,
daß das Suptol schuld an dem Tode dieses Tieres sei, dürfte
für jeden objektiv Urteilenden hinfällig sein. Abgesehen von dem
inzwischen verflossenen Zeitraum von sieben Tagen geht das
ja auch daraus hervor, daß bei den anderen vier geimpften
Tieren des Bestandes, selbst bei der Wiederholung
der Suptolimpfung keine unangenehmen Nebenerschei¬
nungen bemerkt worden sind. Über das weitere Schicksal
dieser vier Tiere habe ich aus dem Artikel nichts erfahren
können»
844
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47.
Was das zweite eingegangene Ferkel anbetrifft, so weiß
jeder sachverständige Leser, daß nach der ganzen Schilderung
des Krankheitsbildes und nach dem Sektionsbefund, diesem Tier
kein Tierarzt der Welt mehr helfen konnte. Das Tier ist an
den Folgen der akuten und chronischen Schweineseuche, den
weitverbreiteten Degenerationen unter Herzschwäche zugrunde
gegangen oder will der Herr Kandidat vielleicht für
die Verwachsungen und die chronischen Veränderungen
der Lunge, der Pleura, des Herzbeutels und des
Herzens das Suptol verantwortlich machen? Geradezu
unglaublich sind aber die Ausführungen des Herrn Kandidaten
über den Todesfall in dem anderen Gehöft, die gerade in der
Hauptsache auf den Erzählungen einer Stallmagd
basieren. Ein Besitzer habe 6 Ferkel am 31. August mit
Suptol impfen lassen, die zwar wenig husteten, sich aber doch
schlecht nährten, wenig Freßlust zeigten und vollständig mit
Ausschlag bedeckt waren. Nur eines der Tiere sei ein aus¬
gesprochener Kümmerer gewesen. In den nächsten Tagen wäre
an den Tieren eine Abnahme des Juckreizes der Ekzeme zu
beobachten gewesen, der übrige Befund der gleiche geblieben.
Am Abend des 3. September, also nach drei Tagen, habe der
erwähnte Kümmerer stark zu atmen angefangen und nach dem
Erzählen der Stallmagd genau die gleichen Symptome gezeigt,
wie die beiden auf dem ersten Gut eingegangenen Ferkel.
Noch im Laufe der Nacht sei das Tier verendet und bei seinem
Eintreffen am nächsten Morgen leider schon verbrannt ge¬
wesen. — Schade — wirklich schade! Was ist aus den anderen
5 Ferkeln geworden?
Auf Grund dieser drei nichtssagenden Fälle, von denen bei
einem der Tod durch Schweineseuche durch die Sektion fest¬
gestellt, bei den andern wahrscheinlich ist, fühlt sich der Herr
Kandidat berechtigt, noch dazu im Aufträge seines Vaters, einen
Artikel zu schreiben, betitelt „Schlimme Erfahrungen mit
Suptol-Burow“. Ich überlasse es getrost dem Leser, der sich
nicht damit begnügt, die Überschrift zu lesen, zur Beurteilung,
ob der Herr Kandidat, wenn auch im Aufträge seines Vaters,
auf Grund seines kläglichen Materials eine Berechtigung hatte,
zu einer solchen Abfassung resp. Betitelung seines Artikels.
Der Beweis für eine den Titel rechtfertigende Behauptung ist
durch nichts erbracht worden.
Dem Herrn Kandidaten aber möchte ich doch noch folgenden
Vorschlag machen: Wenn er sich berufen fühlt, auf den
schlüpfrigen Boden der literarischen Tätigkeit zu treten, so rate
ich ihm, zunächst erst noch zu lernen und zu versuchen, sich
praktische Erfahrungen zunutze zu machen und ich rate ihm
ganz besonders, in seiner späteren Tätigkeit sich nicht auf das
Urteil und die Meinung einer Stallmagd zu berufen, noch viel
weniger die Äußerung einer Stallmagd als maßgebend zu er¬
achten, daß er daraufhin in einer wissenschaftlichen Zeitschrift
einen Artikel veröffentlicht, der geeignet ist, noch dazu auf
Grund eines nicht stichhaltigen Materials, falsche Vorstellungen
zu erwecken. Wie kann überhaupt ein Kandidat sich über prak¬
tische Fragen der Schweineseuche, die in allen Phasen noch gar
nicht vollständig geklärt ist, öffentlich in einer wissenschaftlichen
Zeitschrift ein Urteil erlauben? Daß der Vater, der Königl.
Bezirkstierarzt, seinen Sohn dazu veranlaßt, auf so schwachen
Füßen stehende Behauptungen in seinem Namen in die Welt zu
setzen, darüber enthalte ich mich irgendwelcher Äußerung.
Was ist das überhaupt für ein neuer Weg? „Im Aufträge
meines Vaters veröffentlicht.“ Wenn ein Vater seinen Sohn in
der Welt glänzen lassen will, so möge er es auf andere Weise
tun. Die Leser dieser Zeitschrift sind so objektiv, daß sie der
Sache auf den Grund gehen und mir wird man unter diesen
Umstäuden eine Abwehr nicht verdenken können.
Bisher sind in der kurzen Zeit von 18 Monaten über
100 000 Impflingen mit Suptol ausgeführt worden und es ist
absolut ausgeschlossen, daß eine Verschlimmerung des
Zustandes geimpfter Tiere Infolge der Impfung eintreten
kann. Diese irrige Auffassung der Welt zu unterbreiten,
mußte Herrn Kandidat Hillerbrand Vorbehalten bleiben.
Vielleicht ist aber nun der Stein ins Rollen gekommen.
Ich habe naturgemäß ein großes Interesse daran, daß mit
weiteren Veröffentlichungen nicht zurückgehalten wird. Natürlich
sind hier und dort Mißerfolge zu verzeichnen gewesen. Bei
der Kompliziertheit der Erscheinungen ist das ganz natürlich.
Ideal ist kein Heilverfahren. So viel aber ist sicher, daß auf
Grund der mir in großer Zahl bisher zugegangenen schriftlichen
und mündlichen Mitteilungen die durchgehende günstigen Erfolge
bestätigt worden sind; das Präparat hat also die Erwartungen
in der Mehrzahl der Fälle erfüllt.
Zum Schluß will ich noch Gelegenheit nehmen, zu erklären,
daß ich auf den in derselben Nummer dieser Wochenschrift
erschienenen Artikel des Herrn Mag. Andrejew in nächster
Zeit zurückkommen werde.
ln Sachen Kälberruhrimpfung nach Raebiger-
H abelschwer dt.
Von Stabsveterinär Dr. Goldbeok.*)
Als ich in Nr. 35 und 36 der B. T. W. den Ansichten des
Herrn Kollegen, Kreistierarzt Raebiger-Habelscliwerdt ent¬
gegentrat, war ich mir von vornherein klar darüber, daß er
versuchen werde, seine Meinung zu verfechten. Eine Antwort
hatte ich erwartet — aber was ich nicht erwartet hatte, war,
daß sie gar so dürftig ausfallen würde, wie dies in Nr. 37
der B. T. W. geschah. Dieselbe enthält sachlich nichts, was
sich bei näherer Betrachtung nicht als unrichtig erweisen ließ,
in der Hauptsache aber an Stelle der fehlenden Widerlegung per¬
sönliche Angriffe.
Ich hoffe es dadurch zu vermeiden, einen ähnlichen Ton
anzuschlagen, wie die Replik in Nr. 37, dazu ist die Sache
zu wichtig, um in persönliche Reibereien auszulaufen. Wenn
Herr Kollege Raebiger sich in Nr. 37 „die genügende Einsicht
in landwirtschaftliche Betriebs- und Lebensfragen* 1 zu und mir
ab spricht, so wird er sicher auch nicht durch die Tatsache
überzeugt, daß ich bereits eine gesuchte tierärztliche Ver¬
trauensstellung bei den Landwirten im Elsaß genoß und viel
Kälberruhr dort sah, als er das Studium unserer schönen
Wissenschaft noch nicht begonnen hatte. Das hätte ein Blick
in den Veterinär-Kalender gezeigt. Im übrigen kennen die Land¬
wirte mich und mein Interesse für die Tierzucht recht gut und
wie ich leicht beweisen kann, wie auch Herr Kollege Raebiger
leicht hätte feststellen können, genieße ich bei denselben
einiges Vertrauen, sie wissen, daß nach meiner Auffassung
der Tierarzt ein Förderer der Landwirtschft sein muß —
*) Der Artikel ist vor längerer Zeit eingelaufen, die Veröffent¬
lichung ist durch meine Abwesenheit verzögert. Schmaltz.
19. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
andererseits dürfte ihnen auch Herr Kreistierarzt Raebiger
als Entdecker des Lumbagin nicht unbekannt sein.
Daß die Sache selbst noch nicht erledigt ist, dafür spricht
das reiche Material, was ich znm Punkte „Impfungen “ 1 noch
besitze; vielleicht auch die mir gewordenen znstimmenden Briefe
auB Kollegenkreisen von Nord und Süd.
Wenn Herr Kreistierarzt Raebiger den auch von mir
hochgeschätzten Herrn Veterinär- und Regierungsrat Never-
mann für sich mobil macht, so muß ich erwidern, daß diese
Ansicht aus dem Jahre 1906 stammt. Ob derselbe auch im
Jahre 1908 dieser Meinung ist, besonders wenn ihm bekannt
wird, wie heut (1908) im Gegensatz zu damals (1906) die
Serum-Propaganda betrieben wird — das möchte ich beweifeln.
Herr Kreistierarzt Raebiger stützt sich in seiner Ent¬
gegnung vor allem darauf, daß Impfungen bei Kälberzucht nur
von Erfolg sind, wenn sie in den ersten Lebensstunden aus¬
geführt werden.*) Schade, daß er nicht auch die Zahl der
Stunden angibt. Vielleicht stellt er auch fest, wie viel Kälber
am Tage und wie viel bei Nacht geboren werden und versucht
unter Zugrundelegung dieser Statistik, ob sich mein in der Praxis
erzielter Vorschlag — auf den ich mir gar nichts einbilde, da
zahlreiche Tierärzte diese Lösung ebenfalls gefunden haben —
nicht doch etwas anderes verdient als „homerisches Gelächter“.
Mir scheint, daß man in tierärztlichen Kreisen, für die ich hier
schreibe, ein so wichtiges Standesinteresse doch ernster nimmt,
als dies Kollege Raebiger tut. Daß aber auch der Landwirt
von der tierärztlich vorgenommenen Impfung bessere Erfolge
verspürt, als von der Laienimpfung, hat z. B. die Rotlaufimpfung
klar ergeben.
In einer ganzen Reihe, viel gelegener landwirtschaftlicher
Zeitungen (mir liegt vor Nr. 36 der landwirtschaftlichen Zeitung
für Pommern Stettin, 4. September 1908; Nr. 36 Deutsche land¬
wirtschaftliche Tierzucht, Hannover, 4. September 1908; Nr. 36
Landwirtschaftliche Centralblatt für die Provinz Posen 1908;
Nr. 72 Deutsche landwirtschaftliche Presse, Berlin, 5. September
1908, empfiehlt die Firma L. W. Gans Sera außer für Kälberruhr
auch für Schweineseuche, Schweinepest und septische Pneumonie
der Kälber, Lämmer und Fohlen. Druse der Pferde, Rotlauf.
Es ist vielleicht in Erwägung zu ziehen, ob letztere Sera gleich¬
falls in den ersten Stunden nach der Geburt einzuspritzen sind?
— In diesen, wie auch in einer ganzen Reihe anderer landwirt¬
schaftlicher Zeitungen, erschien das Referat des Artikels des
Kollegen Herrn Tierarzt Mucha in Kranowitz im Annoncenteil
als „Separatabdruck aus der Berliner tierärztlichen Wochen¬
schrift 1908, Nr. 22“, in welchem gesagt ist, daß er das neue
G an 8 sehe Serum nicht nur bei saugenden, sondern auch bei
bereits abgesetzten Ferkeln angewandt habe. Hier ist doch klar
ausgesprochen, daß Landwirte, die sich in gleicher oder ähn¬
licher Lage befinden, Zeit genug haben, ihren Tierarzt zuzuziehen,
ohne selbst zur Spritze zu greifen. Und doch erfolgt die
Reklame an den Landwirt direkt in der „Deutschen“ land¬
wirtschaftlichen Tierzucht, Hannover vom 11. September 1908, Nr. 37
erschienen drei Inserate, welche den Landwirten Sera für ver¬
schiedene Tierkrankheiten anboten. Darunter dürfte namentlich
das des Bakteriologischen Laboratoriums Dr. Kirstein-Berlin
*) L. W. Gans empfiehlt in Nr. 34,1908 der landwirtschaftlichen
Zeitung für die Rheinprovinz einen polyvalenten keimfreien Kälber-
ruhr-Bazillen-Extrakt zur Verhütung der Kälberruhr, an Muttertieren
zu verimpfen. Da hat es doch gar keine Eile!
81“)
interessant sein, da dieser den Landwirten u. a. Schweineseuche-
Bazillen-Extrakt, zum Impfen tragender Sauen (Ferkel
geschützt gegen Seuche. Sehr gute Erfolge. Sau 80 Pf.)
empfiehlt.
Andere Gesellschaften versenden Prospekte über alle nur
denkbaren Impfstoffe an jeden Landwirt, der es wünscht, weitere
Annoncen liest man in vielen landwirtschaftlichen Zeitungen.
Meine Ansicht, daß die Landwirte, welche einmal selbständig
mit Serum gearbeitet haben, den Tierarzt für diesen Zweck
nicht mehr hinzuziehen werden, obgleich dies auf jeden
Fall in ihrem eigensten Interesse läge, werden die
meisten meiner Kollegen teilen.
Wie recht ich hatte, als ich in Nr. 36 B. T. W. äußerte,
daß Schäfer, Stallschweizer, Tierheilkundige, wenn sie einmal
mit 'dem Gebrauche der Serumspritze vertraut sind, sie auch
bei anderen Krankheiten als bei Kälberruhr benutzen würden,
geht aus Nr. 9 1908 der Mitteilungen der Landwirtschafts¬
kammer für das Herzogtum Sachsen-Altenburg hervor. In
dieser bringt die Firma L. W. Gans einen Separatabdruck aus
Nummer 11 der Deutschen Güterbeamten-Zeitung, Eberswalde
(einem mit Recht sehr geschätzten Blatte) 1907 zur Wieder¬
gabe. Es tut dabei nichts zur Sache, daß es sich in diesem
Falle nicht um einen Schweizer, sondern um einen Inspektor
handelte. Aus den Erfahrungen des Herrn Inspekteur Ernst
Brill in Gr. Labrost geht hervor, daß er auch bei Lämmerruhr
Serum und zwar ohne Zuziehen eines Tierarztes anwendet.
Und nun zur Hauptsache. Dem aufmerksamen Leser
landwirtschaftlicher Zeitungen (um das zu sein, muß man aller¬
dings viel Interesse und sogar einige Kenntnis von landwirt¬
schaftlichen Dingen besitzen) ist es nicht entgangen, daß in
letzter Zeit nicht weniger als vier Firmen sich mit „Serum“
direkt an die Landwirte wenden. Aber man kann nicht von
jedem in der Praxis stehenden Tierarzt erwarten, daß er diese
Lesefreudigkeit besitze. Diesen Kollegen unterbreite ich das
Material und glaube damit im Standesinteresse ohne jeden
selbstsüchtigen Gedanken gearbeitet zu haben. Den betreffenden
Firmen selbst kann man es nicht einmal so übel nehmen, wenn
sie ihr Geschäftsinteresse wahren — ich werde mich hüten, sie
noch einzeln aufzuführen. Zweckmäßiger wäre es meines Er¬
achtens, eine Liste derjenigen Firmen herzustellen, welche nur
an Tierärzte liefern — wie B engen & C o.-Hannover, die chemische
Fabrik Trommsdorf-Aachen, Schreibers Serum-Institut
Landsberg a. W. — oder welche, die ja auch rein landwirtschaft¬
liche Artikel hersteilen, den Tierärzten besondere Vorzugspreise
einräumen, wie Hauptner. Diese Liste ist natürlich bei
weitem nicht vollständig, dürfte aber leicht mit Hilfe der
Kollegen und speziell der Tierärztlichen Wirtschaftsgenossenschaft,
die sich die Wahrung der tierärztlichen Interessen zur beson¬
deren Aufgabe gemacht hat, vervollständigt werden können.
Das ist aber nicht mein Ziel; mir lag daran, auf eine Ent¬
wicklung im Serumvertrieb hinzuweisen, der das Interesse aller
Kollegen verdient. Die Anregung dazu aber verdanke
ich dem Kollegen Herrn Kreistierarzt Raebiger-Habel-
schwerdt.
Ich bin dabei überzeugt, daß sich über kurz oder lang
doch ein für das Standesinteresse wachsamer und mit der Ent¬
wicklung der Dinge vertrauter, genügend belesener Kollege ge¬
funden hätte, der auf diese Dinge hingewiesen hätte. Im Stande
der Ärzte oder Apotheker wäre das sicher schon längst ge-
No. 47.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCH RIFT .
_846
schehen. Zum mindesten dürfte es an der Zeit sein, dagegen
Front zu machen, daß ein Tierarzt selbst diese wichtige tier¬
ärztliche Operation an die Landwirte überträgt.
Anmerkung.
Es ist gewiß für die Tierärzte ungünstig, wenn auch hier
wieder eine heilsame Methode schließlich der Ausübung durch
andere verfällt. Aber in diesem Falle fragt es sich doch, ob
die Erreichung des Heilzwecks, der ja zweifellos für uns ma߬
gebend ist, sich auf andere Weise sichern läßt. Jedenfalls
steht Herr Kreistierarzt Raebiger mit seiner Ansicht keines¬
wegs aUein. Ich erinnere mich, daß vor einiger Zeit im
Brandenburger Verein ein Kollege in bevorzugter Stellung sich
in ähnlichem Sinne äußerte. Schmaltz.
Hundestaupe-Serum (Or. Piorkowski).
Von Hoftierarzt Dr. med. vet. Richter.
Zu meinem Bedauern sehe ich mich infolge des in Nr. 43
dieser Wochenschrift veröffentlichten Artikels genötigt, nochmals
das Wort betreffs des Hundestaupe-Serums (Schutzmarke:
Dr. Piorkowski) zu ergreifen. Da ich auf dem Standpunkt
stehe, daß Auseinandersetzungen persönlicher Angelegenheiten
in wissenschaftlichen Zeitungen unzweckmäßig und unangebracht
sind, gestatte ich mir nur rein sachlich folgendes zu be¬
merken :
Herr Dr. Piorkowski ist zweifellos im argen Irrtum,
wenn er annimmt, daß sich die ungünstigen Ergebnisse mit dem
Hundestaupe-Serum (Dr. Piorkowski) zu den günstigen wie
1:60 stellen. Weder das zuerst von ihm konstruierte Serum,
bei dessen Anwendung in prophylaktischer Hinsicht ich früher
Erfolge zu verzeichnen geglaubt hatte, noch sein polyvalentes
(verstärktes) Serum, welches von Dr. Puttkammer in der
Hundeklinik der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin und von
mir durch Zwingerversuche geprüft wurde, zeigte irgendwelche
Schutz- oder Heilwirkung. Dieselbe Ansicht ist seinerzeit
bereits öffentlich von Meis, Paszotta und Casper vertreten
worden, und viele andere Kollegen schließen sich, wie ich durch
Briefwechsel und persönliche, mündliche Mitteilungen erfahren
habe, jenem Standpunkte an. Den anderen Herren Kollegen
(Lange, Creutz), welche sich in den Fachblättern für die
Wirksamkeit des Serums ausgesprochen haben, und den Herren,
die mit oder ohne erteilte Erlaubnis von der Deutschen Schutz-
und Heilserum-Gesellschaft als Gutachten für die günstigen Er¬
folge des Impfstoffes angeführt worden sind, mag es vieUeicht
ebenso ergangen sein, wie seinerzeit mir, das heißt man ist gar
zu gern auf Kosten der Helferin „Natur“ geneigt, an eine
günstige Beeinflussung der Staupe durch die Impfung zu glauben,
wenn eine Besserung im Befinden des Patienten kurz nach der
Injektion des Serums eingetreten ist, oder wenn mehrere prophy¬
laktisch geimpfte Hunde ein Jahr und älter werden, ohne an
Staupe zu erkranken. Hierbei darf aber vor aUem nicht ver¬
gessen werden, daß, wie ich schon anderorts angeführt habe,
die prophylaktisch geimpften Hunde zum großen Teil aus dem
Gesichtskreis derjenigen, welche die Impfungen auBgeführt haben,
entschwinden, und das meist wenig zuverlässige und häufig auf
Selbsttäuschungen beruhende Nachrichten über die Wirksamkeit
des betreffenden Serums einlaufen. Ganz besonders gilt dies
für Zeitabschnitte, in welchen die Seuchengänge zufällig milder
Art sind. Es greifen deshalb leicht falsche Anschauungen bei
derartigen Schutzimpfungen Platz. Ebenso verhält es sich mit
den Heilimpfungen. Hier kommt außerdem noch die neben der
Serumtherapie häufig angewendete medikamentöse Behandlung
hinzu, von welcher der behandelnde Tierarzt in manchen Fällen
gar nichts erfahren mag. Wohl nur auf diese Weise lassen
sich die den Zwingerversuchen gerade entgegengesetzten
Resultate erklären. Es ist jedoch allein durch derartige Ver¬
suche möglich, die Hundestaupe-Sera einwandfrei zu prüfen.
Und auf diese Weise habe ich nun leider die Erfahrung ge¬
wonnen, daß das Hundestaupe-Serum Dr. Piorkowskis für die
Schutz- und Heilimpfung wertlos ist.
Von den zu meinen Versuchen benutzten und mit ver¬
schiedenen Impfstoffen behandelten 140 Impf- und Kontrollhunden
impfte ich 29 Stück mit dem Serum Piorkowski; 13 Kontroll-
hunde standen ihnen gegenüber. Der Schutzimpfung waren
25 Stück unterzogen worden, zugleich nahm ich bei fünf von
diesen Tieren, nachdem sie trotz der Impfung an Staupe
erkrankt waren, teilweise wiederholte Heilimpfungen mit ver¬
hältnismäßig großen Quantitäten des Serums vor. Außerdem
benutzte ich noch vier an Staupe erkrankte und vorher nicht
immunisierte Hunde zur Erprobung des Heilwertes, so daß
demnach im ganzen neun Heilimpfungen und 25 Schutzimpfungen
stattgefunden haben.
Die Resultate der Schutzimpfungen waren vollkommen
erfolglos, denn es blieb kein Hund von der Ansteckung ver¬
schont. Weder der tödliche Verlauf der Krankheit erfuhr
gegenüber den Kontrollhunden durch die Schutzimpfung eine
Beeinträchtigung, noch war dies für die Krankheitsdauer,
Krankheitssymptome und für das Inkubationsstadium der Fall.
Auch bei den Heilimpfüngen konnten nach keiner Richtung
hin bei den geimpften Hunden günstige Resultate gegenüber
den Kontrollhunden erzielt werden.
Jene Versuche habe ich bis auf einige Impfungen mit dem
verstärkten, polyvalenten Serum vorgenommen. Gemäß des
neuerdings erschienenen Prospektes der Deutschen Schutz- und
Heilserum-Gesellschaft ist das Serum durch Verbindung mit
polyvalenten Staupe-Bakterien-Emulsionen abermals verstärkt
worden. Ich bin jedoch auch trotz dieser versuchten Vervoll¬
kommnung des Serums der Ansicht, daß es ebenso wenig Wirkung
entfalten wird wie das frühere, da doch zweifellos mit demselben
angeblichen Staupeerreger gearbeitet worden ist, welchen man
für das frühere polyvalente Serum benutzte. Das zu meinen
Versuchen gebrauchte Hundestaupe-Serum hat aber weder den
Krankheitsverlauf, noch die Empfänglichkeit der Hunde für die
Staupe nach der einen oder anderen Richtung auch nur im
geringsten beeinflussen können.
Über die Spezifizität des von Herrn Dr. Piorkowski
isolierten und gezüchteten Staupeerregers mir ein bestimmtes
Urteil anmaßen zu wollen, steht mir nicht zu. Ich gestatte
mir aber darauf aufmerksam zu machen, daß erst in jüngster
Zeit bedeutende Forscher und hervorragende Pathologen erklärt
haben, der Infektionsstoff der Staupe sei zur Zeit nicht mit
einwandfreier Sicherheit nachgewiesen.
Neuerdings hat sich der französische Forscher Car re auf
Grund seiner ergiebigen Untersuchungen und Versuche veranlaßt
gesehen, die von zahlreichen Bakteriologen isolierten Staupe¬
erreger, welche die verschiedenartigsten und mannigfaltigsten
morphologischen und biologischen Eigenschaften besitzen sollen,
10. November 100S.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
847
zu negieren und als spezifischen pathogenen Erreger der Hunde¬
staupe ein ultravisibles, filtrierbares und mit Erfolg überimpf-
bares Virus hinzustellen.
Referate.
Beiträge zum Studium der Pathogenität der Arthritis
nnd der Hydarthrose der Fohlen.
Von Marq.
(Aonales de Bruxelles. August/September 1908.)
Die bei mehreren Fällen von Polyarthriten und Hydarthrosen
bei Fohlen gewonnene Gelenkflüssigkeit hat der Verfasser direkt
untersucht und außerdem mit ihr Kulturen auf verschiedenen
Nährböden angelegt und diese kleinen Laboratoriumstieren ein¬
geimpft. Hinsichtlich des Vorhandenseins von Keimen im
Exsudat fiel die direkte Untersuchung meist negativ aus, es
fanden sich aber stets weiße Blutkörperchen in mehr oder
weniger reichlicher Anzahl darin vor. In den gewonnenen
Kulturen hatten sich in allen Fällen neben anderen Keimen
Kolonien aus Staphylococcus pyogenes aureus gebildet. Bei den
mit dem Inhalt der Hydarthrosen angelegten Kulturen ging
das Wachstum der Kolonien nur sehr langsam und nicht so
üppig vor sich als bei den mit Material des Polyarthriten be¬
schickten Nährböden. In vier Fällen von Hydarthrose erzielte
er Reinkulturen von Staphylococcus aureus.
Obschon nicht gut anzunehmen ist, daß ein so vulgäres
Bakterium wie der Staphylococcus die Ursache einer bestimmten
Läsion sein kann, so muß er doch bei der Entstehung der
Polyarthritis und besonders der Hydarthrose der Fohlen eine
Hauptrolle spielen. In einem Falle von eitriger Polyarthritis
hat der Ausstrich von Milzpulpa einzig und allein Staphylococcen
ergeben. Ein Kaninchen, dem von einer auf Agar gezüchteten
Kultur, die einer Polyartliritis mit sero-fibrinösem Exsudat
entstammte, in die Ohrvene eingeimpft worden war, zeigte nach
vier Tagen eine Lahmheit des linken Vorderfußes, die ihren
Grund in einer Arthritis und Synovitis des Karpalgelenks hatte.
Das Tier war nach 16 Tagen eingegangen. Kulturen, welche
mit dem käsigen Eiter der Sehnenscheiden des Karpalgelenks
angelegt worden waren, wiesen den Staphylococcus aureus auf,
während aus dem Herz entnommenes Blut und das ganze trübe
Gelenkexsudat Kulturen überhaupt nicht ergaben. In mehreren
Fällen von Arthritis des Hüftgelenks des Rindes und in einem
Falle von Arthritis des Sprunggelenks des Pferdes hat der
Verfasser weder Kulturen von Staphylococcus albus noch solche
von Staphylococcus aureus züchten können.
Von verschiedenen Forschem ist die Vorliebe der Staphylo¬
coccen für die Gelenke nachgewiesen worden, die sich besonders
bei abgeschwächten Infektionen auf den Synovialhäuten zu
lokalisieren suchen. Wenn wir beim Fohlen die gewöhnlichen
Bedingungen, unter welchen sich die Arthritis bei ihm einstellt,
untersuchen, so sehen wir, daß die Infektion meistens auf
venösem Wege einsetzt und von weniger virulenten Keimen hervor¬
gerufen wird. Der Gefäßreichtum der im Wachstum begriffenen
Gelenke kann bis zu einem gewissen Punkte die Lokalisation
der Bakterien an diesen Stellen erklären. Als interessante
Tatsache ist dabei auch zu verzeichnen, daß der Staphylococcus
gerade wie andere Keime den natürlichen Gang hat, sich auf
solchen Gewebsarten anzusiedeln, die die gleichen sind wie
jene, aus deren Läsionen er stammt. Ein aus eineri Arthritis
stammender Staphylococcus wird daher auch mit Vorliebe
wieder eine Arthritis erzeugen.
Die anderen Keime, welche der Verfasser in den Fällen
von Arthritis mit den Staphylococcen vergesellschaftet gefunden
hat, waren gewöhnlich die Streptococcen und die Kolibazillen.
Bis jetzt ist es dem Verfasser nicht gelungen, jeder Bakterienart
eine für den Verlauf der Krankheit bestimmte Rolle zuzuschreiben
aber es steht fest, daß die aus der schweren Form der Ar¬
thritis gewonnenen Kulturen reicher an Kolibazillen und Strepto¬
coccen sind, was nicht überraschen darf, weil die letzteren viel
häufiger eine allgemeine eitrige Blutvergiftung hervorrufen und
viel stärkere Eitererreger sind als die Staphylococcen.
Die gewöhnliche Eintrittspforte für die Keime bildet der
Nabel. Dieser gilt als solcher nicht allein, sondern auch von
Hautwunden und vielleicht auch vom Darm aus können die
Bakterien einwandern. Der Einfluß der Heredität scheint auch
in denjenigen Fällen, in welchen die Infektion nicht durch den
Nabel geschieht, unter der Einwirkung einer angeborenen
ererbten Familiendisposition, die unter dem Namen autoinfektiöse
Diatliese bekannt ist, zu erfolgen.
Der Umstand, daß der Verfasser bei seinen bakterio¬
logischen Untersuchungen sowohl der Arthriten als auch der
Hydarthrosen der jungen Tiere immer die gleichen Erreger, und
in den mit dem kranken Gewebe angelegten Kulturen den
Stophylococcus gefunden hat, spricht für die Identität dieser
beiden Krankheiten. Wenn die Veränderungen in den Gelenken
dabei auch verschieden sind, so ist dies der jeder Bakterienart
eigentümlichen Virulenz, dem Infektionsmodus und der Wider¬
standsfähigkeit der befallenen Tiere zuzuschreiben.
Zum Schluß führt der Verfasser noch an, daß ihm die
anaeroben Kulturen bis jetzt noch kein Resultat von Belang
gegeben haben. Helfer.
Mitteilangen aas den Berichten der sächsischen Bezirks¬
tierärzte auf das Jahr 1906.
Von Medizinalrat Professor Dr. Edelmann.
(Her. über d. Veterinärw. i. Königr. Sucbaen f. d. Jahr 1906, S. 69.)
Bemerkenswerte Einzelfälle. — Enteritis catar-
rhalis chronica bei einer Kuh. Das Tier litt seit acht
| Wochen an Durchfällen; Appetitsverminderung, unterdrücktes
Wiederkauen, Fieber zeigten sich später. Tannin und Creolin
in Leinschleim brachten einen vorübergehenden Erfolg; eine
plötzliche Verschlechterung (starke Durchfälle) führte zur
Schlachtung. Der gesamte Dünndarm war in ein starrwandiges
Rohr verwandelt; die Schleimhaut war wulstig verdickt und
gerötet, die Submukosa außerordentlich verdickt, ähnlich wie
bei Lymphadenie. (Zietzschmann-Kamenz).
Diffuse Lymphadenie des Labmagens und des
Herzens fand Zietzschmann-Kamenz bei einem Ochsen, der
seit einem Vierteljahre Verdauungsbeschwerden-gezeigt hatte und
dann plötzlich unter Erscheinungen erkrankt war, die das Vor¬
handensein eines nach dem Herzen vorgedrungenen Fremd¬
körpers vermuten ließen. Außerdem war der gesamte Herz¬
beutel stark verdickt; zwischen Peri- und Epikard fand sich
massenhaft junges Bindegewebe mit zahlreichen Blutgefäßen,
die in großer Ausdehnung zystisch erweitert waren. Vielleicht
handelte es sich um ein in Organisation befindliches Häniato-
perikardium. Ein Fremdkörper war nicht nachzuweisen.
Eutergeschwüre sah Otto-Dresden in einer Milchkur¬
anstalt in kurzer Folge bei zehn Kühen auftreten, nachdem sich
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47.
H4*
vorher an den betroffenen Stellen schmerzhafte Knoten in der
Haut des Euters gebildet gehabt hatten. Milchertrag und
Allgemeinbefinden waren wenig beeinflußt. Separiertes Auf¬
stellen und Melken brachte das Leiden zum Stillstand. Reinigung
der Geschwüre mit Seifenwasser und Desinfektion mit essig¬
saurer Tonerdelösung täglich mehrmals, führte bald zur Heilung.
Thrombose der Pfortader führte bei einer Kuh zu Er
scheinungen schwerster akuter Dyspepsie. G Öhre-Großenhain
fand den Thrombus, etwa 10 cm lang, in der Pfortader in
nächster Nähe der Leber, das Gefäßlumen zu etwa % ausfüllend.
Blutige Beschaffenheit der Milch sah Zietzschmann
auf allen vier Vierteln bei einer Kuh auftreten, die nach Zurück¬
halten der Nachgeburt an einem hochgradigen Euterödem er¬
krankt war. Öfteres vorsichtiges Ausmelken, knappe Fütterung,
Verabreichung von salinischen Mitteln reichten aus; nach acht
Tagen war die Milch wieder normal.
Ein Aktinomykom an der Vulva einer fünfjährigen
Oldenburger Kuh beobachtete Sch all er-Zwickau. Die Ge¬
schwulstmassen saßen zu beiden Seiten der Schamlippen, waren
kopfgroß und wogen ausgeschält 2 kg. Alle anderen Organe
waren frei von Erkrankungen. Richter.
Vorkommen der Trichinen in Schweden.
(M&anedafkrift for Dyrlaeger 1908, Heft 11.)
Einem Berichte des Stadttierarztes Ny st edt über die Fleisch¬
beschau in Stockholm ist zu entnehmen, daß in Stockholm im
Jahre 1906 89 831 ganze und 2350 halbe Schweine, sowie 3576
kleinere Stücke schwedischen und 5463 kleinere Stücke amerika¬
nischen Fleisches auf Trichinen untersucht worden sind. Von
den ganzen Schweinen wurden 50 Stück = 0,0557 Proz.
trichinös befunden. Von dem amerikanischen Fleisch waren
0,567 Proz. trichinös. Dr. St.
(Aus dem pathologischen Institut der Tierärztl. Hochschule Berlin.)
Die Knti- and Ophthalmoreaktion bei Rotz.
Von Stabsveterinär Dietrich.
(Archiv für wissenach. u. prakt Tierheük., Bd. 84, H. 5.)
Um den Wert der beiden neuesten Methoden zur Sicherung
der Rotzdiagnose zu erproben, nahm Dietrich eine Reihe von
Untersuchungen an Pferden vor, welche durch Tötung eine
genaue Sektion zuließen. Das für die Reaktionen benötigte
Mallein stellte er sich selbst als M. siccum her und verdünnte
es im Verhältnis 1: 5 oder 1 : 10 oder 1:100. Zur Ophthal¬
moreaktion wurde stets das linke Auge benützt, während das
rechte zum Vergleich diente. Eingebracht wurde die Mallein¬
lösung mit steriler Pipette in den unteren Teil des Konjunktival-
sackes und danach leicht das untere Augenlid massiert zur
möglichst schnellen Verteilung, um so recht ausgedehnte
Schleimhautgebiete mit dem Reaktionsmittel in Berührung zu
bringen, ehe durch etwa reichliche Tränenabsonderung eine
allzustarke Verdünnung einträte.
Für die Kutireaktion wählte Dietrich die von Märtel
angegebene Stelle zwischen Jochbogen und Oberlippe seitlich
des Nasenrückens. Vor Anbringung der Schnitte wurde die
Haut stets rasiert und desinfiziert, worauf die Malleinisation
in der oben geschilderten Weise mit zwei Schnitten von ver¬
schiedener Tiefe und einem Kontrollschnitt vorgenommen wurde.
Länge der Schnitte betrug ungefähr 3 cm, die Entfernung von¬
einander ca. 2 cm.
Außer den Pferden wurden auch infizierte Meerschweinchen
mit zu den Untersuchungen herangezogen. Bei keinem
konnte eine sichere Reaktion festgestellt werden.
Hinsichtlich der bei den Pferden erzielten Resultate äußert
sich Dietrich dahin, daß sowohl die Kuti- als auch die
Ophthalmoreaktion mit Mallein ein unzuverlässiges
Diagnostikum darstellt. Beiden muß jeder praktische
Wert zur Sicherung der Diagnose abgesprochen werden.
J. Schmidt.
Ein weiterer Beitrag zur Ophthalmo-Reaktion bei
Rindertuberkulose. Ophthalmo-Reaktion. —
Tuberkulin-Reaktion.
Von Dr. Garth, Dr. Kranich und Grünert, Darmstadt.
(Dcutscbo Tierärztliche Wochenschrift 1908, Nr. S9.)
Die Verfasser haben bei 15 Rindern die Ophthalmo-Reaktion
geprüft. Als Impfstoff wurde Bovo-Tuberkulol D. Solutio I
(50 Proz.) und zwar Va ccm für das Auge verwendet. Von
15 Impflingen zeigten 13 die Ophthalmo-Reaktion. 12 davon
waren nachweislich tuberkulös. Dieselben Rinder wurden kurze
Zeit vor der Schlachtung auch der Tuberkulinprobe unterzogen.
Jedes Rind erhielt subkutan 5 ccm einer 10 proz. Lösung von
Tuberkulin-Kochii. Von den 15 Impflingen reagierten nur 6,
aber 12 wurden tuberkulös befunden. Die Verfasser ziehen
folgende Schlüsse:
„Die Ophthalmo-Reaktion, hervorgerufen durch Bovo-
Tuberkulol D. Sol. I, ist ein zuverlässigeres Mittel zur Er¬
kennung der Tuberkulose am lebenden Rind als der Ausfall der
Tuberkulinprobe (subkutane Injektion von Tuberkulin-Kochii).
Die Herbeiführung der O.-R. (= Ophthalmo-Reaktion) ist ein¬
facher, weniger zeitraubend als die Tuberkulinprobe.
Durch die Instillation leiden die Impflinge in keiner Weise,
während sie infolge der Tuberkulininjektion bei vorhandener
Tuberkulose oft recht schwer krank werden, das Futter ver¬
sagen und in der Milchproduktion nachlassen.
Die tuberkulösen Prozesse im Körper werden durch die
Instillation nachweislich nicht irritiert, was bei der Tuberkulin¬
injektion im hohen Grade der Fall ist.
Die O.-R. kann nach 3 Tagen mit gleichem Erfolge durch
wiederholte Instillation nochmals hervorgerufen werden. Die
kurz nach der ersten wiederholte subkutane Injektion von
Tuberkulin ergibt keine Reaktion bei tuberkulösen Tieren,
wodurch dem Betrüge Vorschub geleistet werden kann. Es
gibt auch andere Mittel, welche das Eintreten der Reaktion bei
tuberkulösen Tieren verhindern.
Nach Lignit res verhindert die vorausgegangene Tuberkulin¬
probe nicht das Zustandekommen der O.-R.
Durch subkutane Einspritzung von Tuberkulin nach Eintritt
der O.-R. wird in vielen Fällen die Eiterabsonderung am Auge
verstärkt.“ Rdr.
Die kutane und koqjunktivale Tuberkulinprobe in der
tierärztlichen Praxis.
Von 8tädt. Tierarzt R. Sekyra im Schlachthaus Hernals in Wien.
(Tierztärztlicbei ZentrzlbUtt 1908, Nr. 16.)
Mit Unterstützung des Dr. CI. v. Pirquet hat Sekyra eine
große Reihe von Versuchen mit der kutanen und konjunktiv&len
Tuberkulinprobe bei Schlachtrindern vorgenommen. Zur Ver¬
wendung kam Tuberkulin ans Höchst a. M. Bei den ersten
Versuchen mit der kutanen Probe wurde entweder ein Strich
19. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
849
des Euters skarifiziert oder Tuberkulin in die Haut eingerieben.
Dann aber bediente sich Sekyra des von v. Pirquet emp¬
fohlenen Hautbohrers. Mit dem Bohrinstrument (erhältlich bei
Dohnal & Co., Wien IX, Spitalgasse 21) wird in folgender
Weise verfahren: Der Strich wird mit Daumen und Zeigefinger
der linken Hand ergriffen und etwas angespannt. Mit dem
zwischen Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten
Hand gehaltenen Bohrer wird mit leichtem Druck eine drehende
Bewegung ausgeführt, nachdem der Bohrer mit einem Tropfen
Tuberkulin benetzt worden war. Mit diesem einzigen Tropfen
Tuberkulin reicht man für die 2—3 Bohrungen am Striche aus.
Durch das Bohren wird nur die Epidermis weggenommen und
man sieht nach einigen Minuten an der gebohrten Stelle ein
rotes Pünktchen.
Die angestellten Versuche, auf die hier nicht näher ein¬
gegangen werden kann, sprachen sehr zugunsten der Ver¬
wertbarkeit der Probe. Bemerkt sei, daß die Nachprüfung
zweifelhafter Fälle Prof. Dr. Schnürer von der Wiener tier¬
ärztlichen Hochschule vornahm. Sekyra stellte fest, was so¬
wohl Dr. v. Pirquet, als auch Prof. Dr. Schnürer bestätigten,
daß bei besonders starken Reaktionen die tuberkulösen Ver¬
änderungen oft nur sehr gering, bei schwachen Reaktionen aber
meist hochgradige akute Veränderungen vorhanden waren.
Sekyra zieht aus seinen Versuchen folgende Schlüsse:
1. Das tuberkulöse Rind zeigt ähnlich wie der Mensch lokale
Entzündungserscheinungen bei Einbringung von Tuberlin
auf Haut und Schleimhaut.
2. Die neuen Tuberkulinproben ergeben mit dem Schlachtbefonde
eine gute, wenn auch nicht vollständige Übereinstimmung.
Es ist zu hoffen, daß mit Verbesserung der Technik der
Proben und der Nachschau die Übereinstimmung noch voll¬
ständiger werden wird.
3. Als Methode der Ausführung der Proben empfiehlt sich die
gleichzeitige Anwendung der Einträufelung von Tuberkulin
ins Auge und der kutanen Impfung am Striche mit einem
Impfbohrer. Die Revision hat nach 24 und 48 Stunden zu
geschehen. Bei Tieren mit entzündeten Augen ist nur die
kutane Probe auszuführen. Rdr.
Beitrag zum diagnostischen Wert der Ophthalmo- and
Kutireaktion bei Tuberkulose.
Von Tierarzt Otto Gratz, Adjunkt der Landwirtschaftlichen
Akademie in Debreczen.
(Allatorvo.i Lapok. 1908, Nr. 25.)
Gegenüber der subkutanen Injektion des Tuberkulins besitzt
die Pirquet sehe Kntireaktion und die Ophthalmoreaktion nach
Wolf-Eisner jenen Vorteil, daß diese bequemer ausführbar
sind. Beide wurden bei Menschen, aber auch bei Tieren bereits
vielfach angewandt, aber die erreichten Resultate widersprechen
derart einander, daß man über den Wert dieser Reaktionen
noch kaum ein endgültiges Urteil sagen kann. Im allgemeinen
stimmen die meisten Autoren in dem überein, daß die positive
Kuti- und Ophthalmoreaktion für das Vorhandensein der Tuber¬
kulose spricht, der negative Ausfall hingegen für das Gegenteil
keine beweisende Kraft hat. Bei Tieren, hauptsächlich beim
Rind, haben Vallee, Moussu, Guerin, Lignieres, Arloing,
Vanderheyden u. a. Versuche mit der Kuti- und Ophthalmo¬
reaktion angestellt; ihre Resultate entsprechen den voran an¬
geführten. Gratz wandte bei 21 Tieren: 20 Kühen und einem
Bullen die Kutireaktion, bei 19 Kühen die Ophthalmoreaktion an
und nahm nach einer Woche später die gewöhnliche, subkutane
Tuberkulinprobe zur Kontrolle der beiden anderen Reaktionen
vor. Von den untersuchten Rindern zeigte keines klinische Er¬
scheinungen der Tuberkulose.
Zur Kutireaktion wurde die weiche, möglicherweise farblose
Haut des Widerristes oder, in einigen Fällen, die des Halses
gewählt; an dieser Stelle hat man die Haare 7—8 cm breit ab¬
rasiert und die Haut in einem talerbreiten Umfange mit einer
Impflanzette skarifiziert, so tief, daß an den Einschnittstellen
Blutserum heraussickerte. Die skarifizierte Stelle wurde mit
dem Gemisch von Tuberkulin von (dem königl. ung. staatlichen
Bakteriologischen Institut bezogen) und sterilisiertem Wasser
(ää partes) eingepinselt und die Tiere während drei Tage jeden
Vor-und Nachmittag beobachtet. Die von Vallüe beschriebenen
Erscheinungen der Kutireaktion (Anschwellung, Röte, papulöser
Ausschlag, später Krustenbildung) konnte man bei 8 Tieren (von
21 Stück) beobachten, auf das subkutan angewandte Tuberkulin
reagierten aber nur 5, und zwar 4 solche, welche auf die Kuti¬
reaktion keine positiven Erscheinungen zeigten; nur bei einer
Kuh stimmten die Resultate der subkutanen und der Kutireaktion
überein, während die anderen 7 Kühe mit positiver Kutireaktion
auf subkutanes Tuberkulin keine positive Reaktion gaben.
Bei der Ophthalmoreaktion ließ man mittelst Tropfglas 2 bis
3 Tropfen einer lOprozentigen Tuberkulinlösung in den rechten
Augenlidsack kommen. Die auf diese Art behandelten 19 Kühe
wurden dann nach 8, 24, 36, 48 und 60 Stunden genau be¬
obachtet. Bei 4 Kühen trat eine positive Reaktion (Tränenfluß,
Hyperämie und Ödem des Augenlides, in der 24. Stunde
schleimig-eitriges Sekret) auf, von diesen 4 reagierten aber nur
2 Kühe positiv auf subkutanes Tuberkulin, während wieder zwei
andere Kühe derselben Gruppe, welche keine positive Ophthalmo¬
reaktion zeigten, auf subkutanes Tuberkulin positiv reagierten.
Nach Gratz’ Versuchen können also sowohl tuberkulöse als
auch gesunde Tiere die Kuti- und Ophthalmoreaktion zeigen,
während beide Reaktionen bei gesunden, aber auch bei tuber¬
kulösen Tieren ausbleiben können; eben deshalb ist keines ge¬
eignet, die bisher angewandte Tuberkulinprobe zu ersetzen.
Dr. Z.
Aus der medizinischen Literatur.
Deutsche Medixxnische Wochenschrift , 34. JahrgNr. 40 , S. 1707.
Neue Methoden zur Frühdiagnose der Tuberkulose. Von A. Cal-
mette. — Für die Heilung der Tuberkulose ist die möglichst
frühe Diagnose von größter Bedeutung. Die Vermehrung der
Zahl der diagnostischen Hilfsmittel und die Steigerung ihrer
Zuverlässigkeit ist daher eine wichtige Aufgabe der experimen¬
tellen Forschung. Die Methoden der klinischen Untersuchung
sind hauptsächlich für die Lokaldiagnose von hohem Wert und
deshalb stets mit Sorgfalt anzuwenden. Labilität der Körper¬
temperatur und Asymmetrie der Inspiration (Granchersches
Phänomen) reichen, so wertvolle Hinweise sie auch für die
Diagnose geben können, doch zur Erkennung des Anfangsstadiums
der Krankheit nicht aus. Dasselbe gilt in noch höherem Maße
von der Probe der prätuberkulösen Albuminurie (Teissier),
der Albumosurie (Ott), der Vesikatorenprobe) von Rogü und
Josuü, sowie von der von Robin und Binet angegebenen
Methode der Bestimmung des Gaswechsels (Atmungschemismus).
Die Ehrlich sehe Diazoreaktion ist weder konstant noch spe¬
zifisch. Die Methoden zur Untersuchung des Thorax (Pneumo-
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47.
850
graphie nach Hirtz und Brouardel), Radioskopie und Radio¬
graphie sind zum Nachweise beginnender Prozesse ungeeignet.
Die bakteriologische Forschung über die Biologie der Tuberkel¬
bazillen und das Studium der Reaktion der Körperzellen auf
diese Bazillen haben in neuerer Zeit mehrere Methoden von
außergewöhnlicher Schärfe und Empfindlichkeit hervorgebracht.
Unter diesen sind als Laboratoriumsmethoden zu nennen: die
Bakterioskopie, der Tierversuch, die Sero- und Cytodiagnostik,
die Bordet-Gengousche Reaktion sowie die Aktivierung des
Cobragiftes. Klinische Methoden sind: Die Komplementablenkung,
die Opsonin- und Tuberkulinprobe.
Der Nachweis von Tuberkelbazillen in den Körper¬
flüssigkeiten und im Blut ist unzuverlässig; denn im Anfangs¬
stadium der Tuberkulose sind die Bazillen in diesen Flüssig¬
keiten nicht oder nur sehr spärlich vorhanden. Auch die
verfeinerten Methoden der Bakterioskopie, wie Inoskopie und
andere, lassen Fehlerquellen nicht mit genügender Sicherheit
vermeiden. Der Tierversuch ist ein verläßliches Mittel, um
den tuberkulösen Ursprung von Eiter, Sekreten und Exsudaten
sicherzustellen. Um die sechs- bis achtwöchige Frist, vor der
eine Entscheidung bei dieser Methode bisher nicht möglich war,
abzukürzen, hat Nattan-Larrier empfohlen, das zu unter¬
suchende Material einem säugenden Meerschweinchen an der
Basis der Milchdrüse einzuimpfen. Virulente Bazillen ver¬
mehren sich in der Mamma mit großer Schnelligkeit und sind
bereits vom fünften bis spätestens vom zehnten Tage ab in
einem ausgedrückten Milchtropfen massenhaft zu finden. Zur
Frühdiagnose der Drüsen- und Lungentuberkulose ist diese
Methode nicht anwendbar, eignet sich dagegen vorzüglich
zur Feststellung der Natur von serösen Exsudaten oder
Abszeßeiter.
Das Widalsche Phänomen der Agglutination von Typhus¬
bazillen durch das Serum Typhuskranker ist von S. Arloing
und Courmont auch bezüglich der Tuberkulose auf seine dia¬
gnostische Anwendbarkeit geprüft worden. Die von den ge¬
nannten Forschern ausgearbeitete Methode ist technisch kom¬
pliziert und kann leicht zu Irrtümern führen. Sie hat daher
bei der Tuberkulose keine Verbreitung gefunden.
Die Cytodiagnostik (Widal und Ravaut) beruht auf
der Bestimmung der in den Exsudaten enthaltenen Zellformen.
Bei tuberkulösem Exsudat überwiegen die Lymphocyten gegen¬
über den spärlich vorhandenen Polynukleären. Auch diese
Methode kommt als Hilfsmittel zur Frühdiagnose bei Tuber¬
kulose nicht in Betracht.
Der Bordet-Gengouschen-Reaktion liegt das Phänomen
der Komplement ab lenkung zugrunde. Man verschafft sich
ein auf Kaninchen-Erythrocyten hämolytisch wirkendes Ziegen¬
oder Hammelserum, ferner gewaschene und durch mehrfaches
Zentrifugieren mit physiologischer NaCl-Lösung völlig vom
Serum gereinigte Kaninchenblutkörperchen. Dann beschickt
man einen Satz enger Reagenzröhrchen mit dem Serum des
Tuberkuloseverdächtigen in verschiedenen Mengen und fügt
dazu eine bestimmte Quantität einer möglichst homogenen
Emulsion von Tuberkelbazillen aus einer frischen Kartoffel¬
kultur. Weiter bringt man in jedes Röhrchen dasselbe, stets
sehr geringe Quantum (höchstens 0,2 ccm) frischen Meer-
scliweinchenserums, welches das Alexin oder Komplement ent¬
hält, und läßt nun das Gemisch unter zeitweiligem Umschütteln
zwei Stunden im Brutofen stehen. Zuletzt kommt in jedes
Röhrchen ein Tropfen einer 5 proz. Aufschwemmung gewaschener
Kaninchenblutkörperchen und 0,2 ccm des für Kaninchenblut¬
körperchen hämolytischen, vorher durch halbstündiges Erhitzen
auf 58 Grad inaktivierten Ziegen- oder Hammelserums. Enthält
das Serum des Tuberkuloseverdächtigen Antikörper, so binden
diese das Alexin (Komplement) des frischen Meerschweinchen¬
serums an die Tuberkelbazillen; durch diese Komplement¬
ablenkung verliert das inaktivierte hämolytische Serum seine
Fähigkeit, die Kaninchenblutkörperchen zu lösen. Sind dagegen
keine Antikörper im Serum des Patienten, so bewirkt es auch
keine Ablenkung des im Meerschweinchenserum enthaltenen
Komplements auf die Tuberkelbazillen; das freibleibende
Komplement aktiviert das für Kaninchenblutkörperchen hämo¬
lytische Serum, und in wenigen Augenblicken tritt die
Hämolyse ein. Für die Praxis ist die vorstehend beschriebene
Methode zu kompliziert, außerdem gibt sie bei besonders
schwerer oder rasch fortschreitender Infektion negative
Resultate.
Die Reaktion der Cobragiftaktivierung ist erst seit
kurzer Zeit von dem Verfasser angegeben worden. Sie beruht
auf der Aktivierung des Cobragiftes durch das Serum Tuber¬
kulöser und auf der in vitro erfolgenden Bindung einer lipoiden
Substanz durch das Tuberkulin bzw. den Tuberkelbazillus.
Manche Sera haben die Eigenschaft, auch nach ihrer durch
halbstündiges Erhitzen auf 58° erfolgten Inaktivierung dem
Cobragift die Fähigkeit der Hämolyse gegenüber den Blut¬
körperchen verschiedener Tierarten zu verleihen, während diese
Blutkörperchen durch das Gift allein nicht aufgelöst werden.
Die giftaktivierende Wirkung der Sera ist nach Ehrlich an
das Lecithin oder eine ihm ähnliche lipoide Substanz gebunden.
Calmette und seine Schüler fanden, daß Serum von Spezies,
die leicht an Tuberkulose erkranken (Mensch, Rind, Schwein),
nur dann dem Cobragift hämolytische Eigenschaft zu verleihen
vermag, wenn es von tuberkulösen Individuen stammt. Dagegen
wirken Pferde-, Hunde-, Ratten-, Ziegen-, Hammel- und
Kaninchenserum, also Serum von Tieren, die für natürliche und
künstliche Ansteckung wenig empfindlich sind, stets aktivierend.
Mehr Bedeutung für die Praxis als die bisher genannten
Methoden hat der vor vier Jahren von Wright gemachte Vor¬
schlag der Bestimmung des opsonischen Index. Wright
hat nachgewiesen, daß bei Tuberkulösen die polynukleären
Leukocyten viel weniger Bazillen in sich aufnehmen, als die
Leukocyten gesunder Menschen. Um die phagocytäre Fähigkeit
der Leukocyten in vitro zu messen, bedient man sich folgender
Technik: Man nimmt von der gesunden Kontrollperson und von
dem Tuberkuloseverdächtigen gleichzeitig etwa 1 ccm Blut und
trennt alsbald das Serum ab, entweder durch Zentrifugieren oder
indem man den Blutkuchen sich langsam absetzen läßt. Anderer¬
seits fängt man einige Tropfen Blut vom Gesunden in 2 ccm
physiologischer NaCl-Lösung auf, welche 0,5 Proz. Natrium
citricum enthält. Nach mehrmaligem Waschen und Zentrifugieren
isoliert man die vom Serum sorgfältig befreiten Leukocyten
mittelst Abpipetierens der Flüssigkeit und bringt erstere sogleich
mit einer sehr verdünnten Emulsion von Tuberkelbazillen aus
einer frischen Kultur und mit der gleichen Menge Serum des
Tuberkuloseverdächtigen zusammen. Das Gemisch kommt auf
20 Minuten in einen Brutschrank von 37° und wird dann so
gleichmäßig als möglich auf dem Objektträger ausgestrichen.
Die Präparate werden der üblichen Ziehlschen Doppelfärbung
19. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
851
mit Karbolfuchsin und Methylenblau unterworfen. Dann stellt
man identische Kontrollpräparate her, bei welchen demLeukozyten-
Bazillengemisch das Serum des Gesunden statt desjenigen vom
Tuberkuloseverdächtigen zugesetzt wird, und bestimmt nun in
den beiden Serien von Präparaten die mittlere Zahl der Bazillen,
welche sich in 100 Leukocyten eingeschlossen finden. Die
Relation zwischen der Zahl der phagocytierten Bazillen und
derjenigen der Leukocyten in den beiden Gruppen ist der
opsonische Index. Bei Tuberkulösen ist der Index gewöhnlich
niedriger als 0,9, beim Gesunden dagegen schwankt er zwischen
0,8 und 1.2. Auch diese bei vielen Klinikern sehr beliebte
Methode ist zu kompliziert und die Deutung ihrer Befünde ist
oft zu schwierig, als daß sie mit Vorteil zur Stellung der
Frühdiagnose bei Tuberkulose verwendet werden könnte.
Ein weit zuverlässigeres Mittel ist das von R. Koch vor 18
Jahren eingeführte Tuberkulin nebst den seither von Koch
und anderen Forschern aus Tuberkelbazillenkulturen hergestellten
ähnlichen Substanzen. Schon Koch hat als die charakteristischen
Symptome der Tuberkulinwirkung die fieberhafte Allgemein¬
reaktion und die Lokalreaktion tuberkulöser Herde bezeichnet.
Als Diagnostikum ist das Tuberkulin erstmals durch von
Bergmann (1890) verwendet worden. Die Tatsache, daß in
einigen seltenen Fällen auch nichttuberkulöse Individuen auf
Tuberkulin reagieren, tut dem Werte dieses Mittels nur geringen
Eintrag. Die oft übertriebene Besorgnis, daß durch die Tuberkulin¬
injektion unvollständig geheilte Herde wieder zum Aufflackern
gebracht werden, ist durch die lokalen, ohne Fieber verlaufenden
Methoden der kutanen Impfung und der konjunktivalen
Instillation gegenstandslos geworden. Von Pirquet hat im
Mai 1907 beobachtet, daß ein Tropfen Tuberkulin auf die leicht
skarifizierte Haut eines tuberkulösen Menschen, namentlich eines
Kindes gebracht, genügt, um nach einigen Tagen an der be¬
treffenden Stelle eine Papel hervorzurufen. Bei Gesunden bleibt
die Reaktion aus. Im gleichen Jahre (Mai-Juni) haben Wolff-
Eisner und Calmette die konjunktivale Instillation in die
klinische Praxis eingeführt. Die Ophthalmodiagnostik ist
ein einfaches und ungefährliches Verfahren, mit dem man in
weniger als 48 Stunden erkennen kann, ob eine tuberkulöse Aflfek-
tion vorliegt oder nicht. Man träufelt einen Tropfen 1 proz.
oder V 2 proz. Tuberkulinlösung in die Lidspalte eines Auges und
sieht dann bei Tuberkulösen schon nach sechs Stunden Rötung und
später leichte C’onjunktivitis auftreten. Die Rötung verschwindet
nach 24 bis 48 Stunden, bisweilen erst nach einigen Tagen
wieder. Temperatursteigerung findet nicht statt. Sehvermögen
und Allgemeinbefinden werden nicht beeinträchtigt. Jeder Mensch,
bei dem die Reaktion deutlich positiv ausfällt, ist tuberkulös.
Der negative Ausfall schließt dagegen Tuberkulose nicht aus.
Bei älteren tuberkulösen und kachektischen Erkrankungen
tritt die Reaktion schwach ein oder bleibt ganz aus. Die
Ophthalmoreaktion ist im allgemeinen ungefährlich. Vereinzelte
Beobachtungen über Augenaffektionen wollen gegenüber der
großen Zahl der ohne Schädigung vorgenommenen Instillationen
nicht viel besagen. Jedenfalls haben die fieberlosen Lokalreak¬
tionen, besonders wenn sie gleichzeitig als Kutan- und Ophthalmo¬
reaktion bei ein und demselben Patienten angewendet werden,
erhebliche diagnostische Bedeutung, die diejenige der früher ge¬
nannten Laboratoriumsmethoden weit übertriflft. Wenn daher
auch das Tuberkulin als Heilmittel gegen die Tuberkulose nicht
angesehen werden kann, so ist es doch zurzeit das sicherste
Mittel zur frühzeitigen Erkennung der Krankheit und bildet
daher indirekt eine starke Waffe im Kampfe gegen die ver¬
heerende Seuche. W.
Berichtigung.
In dem Originalartikel von Dr. Bernhardt über "die Zahl der
Spermien beim Hengst sind leider einige Druckfehler stehen ge¬
blieben. In einem Falle ist Beschäler in Beschläger verdruckt;
ferner ist die Hagemsche Lösung in Zagemsche verkehrt worden.
Tagesgeschichte.
Zur Begründung eines tierärztlichen Pressebureaus.
Erwiderung auf den Artikel des Herrn Dr. Foth in Nr. 46, S. 835.
Von Professor Dr. Schmaltz.
Auf die Ausführungen des Herrn Veterinärrats Dr. Foth
muß ich nochmals eingehen im Interesse der Sache. Eben
deshalb möchte ich zuvor von meiner Erwiderung alles Persönliche
abstreifen und folgendes bemerken.
Herr Dr. Foth nennt meine Ausführungen in Nr.,45, S. 799
„temperamentvoll“. Wenn das heißen soll, daß sie ihm zu scharf
erschienen sind, so kann ich darin einen solchen Charakter nicht
erkennen. Ich habe gesagt: „ich kann das Vorgehen nicht recht
verstehen und ihm nicht zustimmen; — ich muß mich ganz ent¬
schieden gegen ein gesondertes Vorgehen aussprechen“. Das
ist alles; eine persönliche Schärfe kann darin wohl nicht
gefunden werden. In keinem Falle aber habe ich — das möchte
ich ausdrücklich konstatieren —, wie Herr Foth zu glauben
scheint, zum Ausdruck bringen wollen, daß er etwa den Ge¬
danken Krügers hätte okkupieren wollen. Da dieser Gedanke
öffentlich ausgesprochen ist, so wäre ein solcher Versuch absurd
und die Annahme des Versuchs daher ebenfalls. Ich habe nur
meine Voraussetzung festgestellt, daß Herrn Foth der Artikel
nicht entgangen sei, was er auch selbst zugibt, und habe auf
Grund dieser Voraussetzung bemängelt, daß er die Ausführung
eines fremden Gedankens okkupiere, die der Urheber (Krüger)
sich in anderer Weise, nämlich durch den Deutschen Veterinär¬
rat denkt.
Zweitens muß ich mit der Möglichkeit rechnen, daß man
mir selbst ein persönliches Interesse zuschieben könnte. Denn
das ist nicht zu verkennen, daß die Einrichtung einer Zentral¬
geschäftsstelle (im Sinne Krügers) bei dem Deutschen Veterinär¬
rat die Tätigkeit des Schriftführers, wie ich sie bisher ge-
handhabt habe, sehr erheblich beeinflussen, bis zu einem
gewissen Grade ersetzen kann; der Schriftführer könnte
andererseits sehr wohl ein großes Interesse daran haben, daß
ihm jene Zentralgeschäftsstelle möglichst zur Verfügung steht,
und es würde ihm dann keineswegs gleichgültig sein können,
wer diese Stelle repräsentiert und wo sie sich befindet.
Deshalb will ich nicht versäumen, auszusprechen, daß bei
mir ein solches Interesse nicht besteht, und zwar aus einem
sehr einfachen Grunde. Ich habe schon vor Jahren dem Herrn
Präsidenten des Deutschen Veterinärrates mitgeteilt, daß die
jetzt ablaufende Wahlperiode, mit der für mich eine 15 jährige
Tätigkeit abschließt, meine letzte sein werde. Ich würde also
höchstens, wenn dies etwa besonders gewünscht würde, noch bei
der Einrichtung jener Zentralgeschäftsstelle mitwirken, keines¬
falls aber mehr mit derselben zu arbeiten haben. Damit halte
ich die Möglichkeit eines solchen persönlichen Einwandes gegen
meine Ausführungen für beseitigt. Betonen will ich auch noch,
daß die Behauptung des Herrn Dr. Foth, das Pressebureau sei
85 2
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47.
der mir unsympathische Teil, nur auf einem Irrtum beruhen
kann. Ich habe, dächte ich, in Nr. 24 (S. 434 oben links) die
Notwendigkeit eines Pressebureaus ausführlich und rückhaltlos
genug befürwortet, gerade weil, wie ich zum Schluß erklärte,
ich persönlich eine ähnliche Tätigkeit nicht ausüben könne.
Wenn ich nun, um mich zu der Sache selbst zu wenden,
dem Plane des Herrn Dr. Foth widerspreche, so tue ich das
nicht so sehr, weil ich noch dem Ausschuß des Deutschen
Veterinärrats angehöre; ich tue es vielmehr als Publizist. Als
solcher habe ich seit gerade 20 Jahren*) die Ereignisse im
tierärztlichen Stande beobachtet und besprochen, bin keiner
auch noch so heiklen Frage aus dem Wege gegangen und
glaube, die Standesinteressen in der Richtung auf eine Förderung
des Gesamtwohles vertreten zu haben. — Daher kann ich
nicht Stillschweigen, wenn ich sehe, wie der Ast angesägt wird,
auf dem unsere besten Früchte gereift sind und auch in Zu¬
kunft reifen werden; das ist unsere im Veterinärrat verkörperte
Organisation. Das Vorgehen des Herrn Dr. Foth (an ihn als
den intellektuellen Urheber darf ich mich halten) enthält meiner
Ansicht nach mindestens die Gefahr eines solchen Eingriffs, und
zwar nach dem Artikel in doppelter Hinsicht, sowohl in der Art
der Schilderung der Tätigkeit des Deutschen Veterinärrats als
auch in seinem Plane an sich.
Überblickt man die Entwicklung des tierärztlichen Standes
etwa seit 1S85, so erscheint mir das Ergebnis als ein vor¬
zügliches. Soweit an diesem Ergebnis tierärztliche Kräfte
überhaupt beteiligt sind, hat meiner Ansicht nach der Deutsche
Veterinärrat, als Gesamtheit betrachtet, das größte Verdienst.
Er dient überdies dem Interesse des deutschen Vaterlandes,
weil er eine Gruppe seiner Bürger, die Tierärzte, im ganzen
Reich zusammenfaßt; der tierärztliche Stand ist ja einer der
ersten gewesen, der in dieser Beziehung ein gutes Beispiel
geboten hat. Der Deutsche Veterinärrat ist in dieser Stellung
und mit diesen Verdiensten der Kern unserer Standes¬
organisation und muß es bleiben. Andere organisatorische Ein¬
richtungen mögen sich verändern, mögen auch schwinden, um
neuen Platz zu machen; den Deutschen Veterinärrat müssen
wir, so wie er ist, erhalten.
Was aber sagt Herr Dr. Foth? Ich zitiere wörtlich B. T.W.
S. 836: „Die Tierärzte im Lande sind es müde, immer nur Worte zu
hören. Sie wollen Taten sehen. Sie wollen nicht immer warten,
bis der Segen von oben kommt. Sie haben gefunden, daß das
manchmal etwas lange dauert, und daß sie über dem Warten
ihre Zeit versäumen könnten.“ Gegenüber dieser Kritik, die
sich nach der ganzen Lage der Sache nur auf den Deutschen
Veterinärrat beziehen kann, frage ich angesichts der Ereignisse
der letzten 20 Jahre: Hat vielleicht der Deutsche Veterinärrat
für die Tierärzte nur schöne Worte gehabt? Haben die Tierärzte
vielleicht keine Taten gesehen? Hat der Veterinärrat irgendwo
gezaudert oder etwas versäumt? Gewiß hat manches Werk
(ich erinnere an das Abiturientenexamen) lange Zeit erfordert,
bis es durchgesetzt war; aber wenn irgendwer beim Warten müde
geworden ist, der Veterinärrat ist unermüdlich geblieben,
er hat immer und immer wieder attackiert, bis der Widerstand
gebrochen war. Und was soll das Wort bedeuten: „warten bis
der Segen von oben kommt“? Der Veterinärrat steht zum
tierärztlichen Stande weder oben noch außerhalb; alle Tier-
*) Die erste Nummer der B. T. W. erschien am 6. IX. 1888.
ärzte bilden ihn gemeinsam; er ist nicht oben, sondern er
ist mitten unter uns, unser Zentrum. Ich glaube, daß der Vor¬
wurf ermüdender Tatenlosigkeit oder Schwerfälligkeit von dieser
Körperschaft abprallt.
Aber ist vielleicht speziell die vorliegende Sache, dieGründung
einer Zentralgeschäftsstelle oder eines Pressebureaus lau be¬
handelt worden, oder liegt vielleicht hier besondere Gefahr im
Verzüge? Keineswegs. Der Gedanke ist zum erstenmal aus¬
gesprochen worden von Krüger in diesem Jahre. Krüger
sagte dabei wörtlich (B. T. W. Nr. 7, Seite 125): Deshalb
möchte ich die Gründung eines dem Deutschen Veterinär¬
rat bzw. dessen Ausschuß unterstellten Zentralbureaus
vorschlagen. Der Urheber des Planes, dem man doch wohl
billigerweise die Direktive lassen muß, hat die Ausführung also
von vornherein dem Deutschen Veterinärrat zugewiesen. Die
nächste Sitzung des Veterinärrats findet nach Breslauer Beschluß
1909, vermutlich im Frühjahr statt. Wenn es Herrn Dr. Foth
nicht sicher schien, daß dort die Angelegenheit behandelt wurde, so
hätte eine vorherige Anfrage gewiß den Zweifel zerstreut, oder es
bedurfte ja nur eines Antrages seinerseits, um die Verhandlung
sicherzustellen. Aber hat vielleicht die Ausführung des Planes
wirklich bis zum nächsten Jahre nicht Zeit? Davon kann
meiner Ansicht nach keine Rede sein. Eine Umschau in
den Verhältnissen des tierärztlichen Standes zeigt uns gegen¬
wärtig nichts, was einer dringenden Behandlung gerade durch
die allgemeine Presse bedürfte; die wichtigen Fragen
sind entschieden. Die Hauptaufgabe jenes Pressebureaus
würde vorläufig seih, das große Publikum mit den
Verhältnissen des tierärztlichen Standes, mit der Bedeutung
der tierärztlichen Wissenschaft vertrauter zu machen, den
inneren Ausbau des Standes zu fördern. Ihrer ganzen Natur
nach kann eine solche Aufgabe nur allmählich erfüllt werden,
und deshalb braucht auch die Vorbereitung derselben nichts
Plötzliches an sich zu haben. Im Gegenteil; die Tierärzte
selbst, die Vereine in ihren Versammlungen müssen Zeit haben,
sich mit diesem Gedanken wirklich gründlich vertraut zu machen.
Die Ausführung ist an Schwierigkeiten so reich, sie erfordert
die Prüfung so vieler Fragen, daß oberflächliche Geschäftigkeit
hier nur zu Fehlschlägen und Unzulänglichkeiten führen könnte.
Bereiten wir diese Angelegenheit sorgfältig vor im Schoße der
Vereine, die doch den Deutschen Veterinärrat ausmachen, damit
wir dann auf der nächsten Plenarversammlung alle wissen, was
wir wirklich wollen und können! Herr Foth glaubt, daß kein
Grund bestehe, auf den Deutschen Veterinärrat zu warten. Ein
solcher Grund besteht denn doch. Die tierärztliche Gesamt¬
heit kann verlangen, daß ihrer Gesamtvertretung in solchen
organisatorischen Fragen nicht vorgegriffen wird; selbst in
eiligsten Fällen würde man an dem Veterinärrat nicht Vorbei¬
gehen dürfen, denn für solche eiligen Fälle ist der ständige
Ausschuß in Permanenz. Daß Herr Foth in bester Absicht
handelt, bezweifle ich keinen Augenblick; daß er sich der
Krüger sehen Idee warm annimmt, verdient sogar alle An¬
erkennung; sein Vorgehen läßt schon hoffen, daß auf der
nächsten Plenarversammlung des Deutschen Veterinärrats diese
Frage von allen Seiten energisch aufgenommen wird. Aber
wenn er glaubt, mit seinem jetzigen Plan der späteren Ver¬
wirklichung der Angelegenheit durch den Deutschen Veterinär¬
rat vorzuarbeiten, so halte ich das für einen Irrtum.
Wenn sich dem Vorschläge, den Herr Dr. Foth in Aussicht
19. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
853
stellt, eine Anzahl von Vereinen anschlösse nnd der Vorschlag dann
die Billignng der Gesamtheit nicht findet, so ist das Wahr¬
scheinliche nicht, daß man ans dem Vorläufer Nutzen zieht,
sondern vielmehr, daß aus der schon getroffenen Sondereinrichtung
eine Gegenströmung entspringt und neue Reibungsflächen geschaffen
werden; würde z. B. die von einzelnen Vereinen mit der Leitung
eines Pressebureaus beauftragte Persönlichkeit dann nicht vom
Veterinärrat angenommen, so würde schon in dieser Persönlich¬
keit uns ein Gegner erwachsen. Wenn eine Zentralgeschäfts¬
stelle des Deutschen Veterinärrats entstehen soll, so muß man
doch biUigerweise dem Ausschuß, der damit arbeiten soll, zuerst
Gelegenheit geben, einen Plan zu entwickeln. Wenn sich ferner
nur einige Vereine beteiligen würden und der erste Versuch
dann notwendigerweise mit unzulänglichen Mitteln erfolgen
müßte, so würde das Ergebnis keine Vorbereitung bedeuten,
sondern im Gegenteil vielleicht von der Weiterverfolgung des
großen Planes abschrecken. Werden kann aus dieser Einrichtung
nur dann etwas, wenn sie geschlossen von allen Seiten, vor
allen Dingen mit reichen Geldmitteln unternommen wird und
wenn ihre Leitung absolut einheitlich, also von der berufenen
Zentralinstanz aus erfolgt (vergleiche B. T. W. Nr. 24, S. 434,
links oben).
Deshalb kann ich bei aller Anerkennung des guten Willens
des Herrn Dr. Foth nur bei meinem Standpunkt verharren und
die tierärztlichen Vereine bitten, diese Angelegenheit in ihren
Versammlungen sorgfältig zu erwägen, an der vorgeschlagenen
provisorischen Ausführung sich jedoch nicht zu beteiligen, ihre
Entschließungen vielmehr von dem Votum abhängig zu machen,
das ihre Vertreter bei der nächsten Plenarversammlung des
Deutschen Veterinärrats auf Grund gemeinsamer münd¬
licher Verhandlung abgeben werden.
Wohnungsgeldzuschuß und Steuerprivileg der Beamten in Preußen.
Wie die politische Presse bereits mitgeteilt hat, ist der
Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Heranziehung der Beamten
zur Eommunalsteuer, dem preußischen Abgeordnetenhause zu¬
gegangen. Bisher durften die preußischen Beamten zu den
Kommunalsteuern nur mit höchstens 50 Proz. der Staatsein¬
kommensteuer herangezogen werden. Dieses Privilegium soll
insofern verändert werden, als die Beamten künftig bis zum
vollen Betrage der Staatseinkommensteuer auch Kommunal¬
steuern zahlen sollen. Eine tatsächliche Beseitigung des Steuer¬
privilegs liegt also (erfreulicherweise) in dieser Absicht auch
noch nicht, sondern nur eine Verschiebung von 50 auf 100 Proz.
Da es Städte gibt, in denen 200 und mehr Prozent Kommunal-
Bteuerü erhoben werden, so wird in jenen Orten der Beamte
auch künftig noch wirksam vor übergroßer Belastung durch
die unverschuldete Wahl seines Wohnsitzes geschützt. Überdies
bezieht sich, was mit besonderer Freude zu begrüßen ist, die
Veränderung überhaupt nicht auf diejenigen Beamten, die zur¬
zeit schon anggstellt sind, sondern nur auf die, welche von
jetzt ab zur Anstellung gelangen.
Ebenso ist das Gesetz, betreffend den Wohnungsgeld¬
zuschuß, fertig gestellt und ergibt eine Steigerung der bisherigen
Sätze um 50 Proz. Die IV. und V. Klasse der Beamten
bezieht z. B. in der Ortsklasse A 1350 M. gegen bisher 900 M.
Zur Pauschalvergütung für die Krelatierfirzte.
Kreistierarzt Krüger-Ohlau hat zu der Bemessung und Ver¬
teilung der Pauschalvergütungen Zusammenstellungen und Erläute¬
rungen eingesandt, die wahrscheinlich für die demnächstige Tagung
des Vereins beamteter Tierärzte Interesse haben. Es war leider
nicht möglich, den Artikel noch in diese Nummer zu nehmen, er
erscheint in der nächsten, also noch vor der Versammlung; es wird
dafür gesorgt sein, daß dort Exemplare zur Verfügung sind.
Zur Stellung der Sohlachthoftlerfirite.
Dom Schlachthofdirektor Witte zu Quedlinburg wurde vom
1. April ab sein Gehalt, das bisher 2400 bis 3600 M. betrug, auf
4200 bis 5100 M. mit zwei Zwischenstufen neben freier Wohnung
und sonstigen Naturalbezügen erhöht.
Die 80. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Arzte in Köln
vom 20.—26. September 1908.
Berichterstatter: Kreistierarzt Francke-Köln.
(Fortsetzung.)
Sonstige Veranstaltungen der Abteilung 31.
Der Dienstagnachmittag war dem Besuch der neuen Ticr-
körpervernicbtungsanstalt der Stadt Köln, sowie des städti¬
schen Schlacht- und Viehhofes und der städtischen Kinder¬
milchanstalt gewidmet.
Die Besichtigung der Tierkörperverwertungsanstalt wurde
durch einen Vortrag des Schlachthofdirektors Kühn au, dessen Leitung
die Anstalt unterstellt sein wird, eingeleitet, in welchem derselbe aus¬
führte, daß zunächst ein Privatunternehmer sich mit der technischen
Verarbeitung der in der Stadt Köln anfallenden Tierkörper und Kon-
fiskate beschäftigte. Da dessen Betrieb zu berechtigten Klagen An¬
laß gab, mußte derselbe seinen Betrieb einstellen, und es ging die
Stadt dazu über, die Kadaver und Abfälle zu verscharren. Für die
Verscharrung wurde ein eingezäunter Platz in der Gemeinde
Merheim zur Verfügung gestellt und dort für die Verscharrung der
zugeführten Transporte ein Abdecker beschäftigt. Da dieser Zustand
für die Dauer unhaltbar war, so wurde von der Stadt die Errichtung
einer Tierkörperverwertungsanstalt ins Auge gefaßt, und nachdem
eine Kommission, bestehend aus einem Magistratsmitglied, Baumeister,
Schlachthofdirektor und Ingenieur mehrere Abdeckereien besichtigt
hatte, ein Projekt aufgestellt. Die Grundidee desselben war, daß
die sogenannte „unreine“ Seite d. h. der Seite, wo die Kadaver
und Abfälle zur Verarbeitung angeliefert werden, vollkommen von
der „reinen“ Seite, d. h., wo die fertigen Produkte zum Versand
gelangen, getrennt werde. Die Räume, in denen das Rohmaterial
angeliefert wird, sind demnach abseits von den Verkehrswegen
belegen. Die angefahrenen Kadaver und Abfälle werden auf einer
Rampe direkt in den Schlachtraum gefahren und sofort in die
Trommeln der Apparate entleert. Es sind zwei Apparatsystome vor¬
handen und zwar das System Podewils und das System Hartmann.
Das erstere ist gewählt worden, weil sich als Ergebnis der
Besichtigungsreise ergeben hatte, daß das Material im Hartmannschen-
Apparat besser entfettet w’ird, während der Podewiissche Apparat
das knochenhaltige Material besser verarbeitet. Andererseits wollte
man auch die Wertigkeit der beiden Apparate erproben. Jeder
Apparat hat ein Fassungsvermögen von 1000 kg, so daß 2000 kg
gleichzeitig verarbeitet werden können. Die gewonnenen Produkte
Fett, Leim und Fleischmehl werden in folgender Weise weiter
behandelt: das Fett wird geklärt und zur technischen Verwertung
abgegeben, der Leim der nächsten Charge zugesetzt und mit dem
Fleischmehl zusammen eingetroknet. Das Fleischmehl wird mittelst
einem Elevator nach dem Speicher befördert und dort in einer
Seetschen Mühle vermahlen, in Säcke verpackt und als Kraftfutter
abgegeben. Die Häute werden gesalzen oder getrocknet und ebenso,
wie die Haare, Klauen, Hufe und Eisen verkauft. Die Nebenräume der
Anstalt enthalten einen Obduktionsraum, in welchem sich ein fahrbarer,
verstellbarer Sektionstisch und ein bakteriologisches Laboratorium
befindet, ein Häutelager, ein Verwalterzimmer, Desinfektionsgelegen¬
heiten für den Tierarzt und die Arbeiter, ein Kesselhaus mit zwei
Kesseln, einen Maschinenraum, Ställe, Eß- und Schlafräume für die
Kutscher und Arheitsleute und Wohnräume für die Angestellten.
Die Gesamtanlagekosten inkl. Bodenerwerb belaufen sich auf
360 000 M. Nach dem Etat für das laufende Jahr beziffern sich
die Einnahmen auf 35 000 M. und die Ausgaben auf 42000 M. Am
1. Oktober soll die Anstalt dem Betriebe übergeben werden.
Um 4 Uhr versammelten sich zahlreiche Kollegen im tierärzt¬
lichen Kasino des Schlachthofes. Hier erläuterte zunächst Schlacht-
854
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT,
No. 47.
hofdirektor Kühnau an der Hand eines Planes in ausführlicher Weise
Einrichtungen und Betrieb des Kölner Schlacht- und Vieh¬
hofes, der in allen Teilen als mustergültig bezeichnet werden
muß. Dann erfolgte ein Rundgang durch die ausgedehnte Anlage.
In der Kindermilchanstalt gab Dr. Clevisch die nötigen Er¬
klärungen. Die Sammlungen des Schlachthoflaboratoriums demon¬
strierte Dr. Tiede. In den veterinärpolizeilichen Nebenanlagen
führte Vet.-Rat Dr. Lothes. Hier zeigte im Anschlüsse an seinen
Vortrag in der Vormittagsitzung Dr. Krautstrunk-Bonn die
Methode der klinischen Untersuchung der Kühe auf Tuber¬
kulose.
Im Laboratorium der Veterinärpolizei war Gelegenheit zur Be¬
sichtigung einer reichhaltigen Sammlung von Rotzpräparaten ge¬
geben, worunter si<jh seltene und interessante (Hodenrotz, Nieren-
und Darmrotz) befanden.
Am Freitag Morgen vereinigte sich eine Anzahl von Kollegen
zu einem Ausflug nach dem früher Bleichröderschen, jetzt in
Staatsbesitz übergegangenen Gestüt Roemerhof bei Liblar.
Für den Freitag Nachmittag war die Abteilung 31 zu dem Vortrage
von Prof. Hagemann-Bonn über das Respirationskalorimeter
und zur Besichtigung des letzteren im tierphysiologischen Institut
der landwirtschaftlichen Akademie in Bonn-Poppelsdorf eingeladen.
Das nach Atwater-Rosa von Hage mann konstruierte Kalori¬
meter ist in einem besonderen Gebäude untergebracht. Seine Aus¬
messungen sind derart, daß kalorimetrische Untersuchung auch an
großen Haustieren vorgenommen werden können. Der Apparat
besteht auB drei ineinander geschachtelten Kästen aus — von innen
nach außen gerechnet — Kupfer, Zink und Holz, in die in sinn¬
reicher Weise Vorrichtungen zur Fütterung der Versuchstiere und
zur getrennten Entfernung der flüssigen und festen Exkremente
eingebaut sind. Eine im innern angebrachte Tretbahn, die sich
nach Art einer endlosen Kette abrollen kann, ermöglicht auch die
Untersuchung während der Arbeitsleistung der Versuchstiere.
(Fortsetzung folgt.)
l>ie 65. ordentliche Mitgliederversammlung des
Tierärztlichen Landesvereins in Württemberg.
Die Versammlung fand am Samstag, den 10. Oktober d. J., im
Rathauskeller (Ratsherrnstube) zu Stuttgart unter dem Vorsitz des
Stadtdirektions- und ersten Stadttierarztes Veterinärrat Kösler-
Stuttgart statt Das Kgl. Ministerium des Innern und das Kgl.
Medizinalkollegium war durch Herrn Oberregierungsrat von Beiß-
wänger vertreten, welchem der Vorsitzende zugleich mit dem
Danke für sein Erscheinen die herzlichsten Glückwünsche des
Vereins zu der ihm zuteil gewordenen hohen Ordensauszeichnung
aussprach. Von den Ehrenmitgliedern waren die Ehren Vorstände
des Vereins Herr Direktor Professor Dr. von Sußdorf und Herr
Veterinärrat Ostertag-Gmünd, und von den Mitgliedern etwa
80 Tierärzte anwesend, welchen der Vorsitzende in seinen Be¬
grüßungsworten für ihr Erscheinen dankte.
Entschuldigungsschreiben waren eingelaufen von den Ehren¬
mitgliedern: Herren Geheimen Regierungs- und Medizinalrat Prof.
Dr. Dam mann-Hannover, Geheimen Medizinalrat Prof. Dr. Ellen¬
berger-Dresden und Tierarzt Schmid -Kolding, und von den
Mitgliedern: Oberamtstierarzt Speidel-Oberndorf, Oberamtstierarzt
Hezel- Cannstatt und Tierarzt Umgelt er-Wadersloh.
Vor Eintritt in die Tagesordnung bat Herr Professor Lüpke-
Stuttgart um Zusendung von Material bezüglich der Muskeltuber¬
kulose des Rindes.
I. Erläuterungen zur neuen tierärztlichen Taxe.
Der Referent, Herr Oberregierungsrat von Reiß wänger, führte
etw'a aus, was er geben wolle, sei keine autentische Interpretation
der betreffenden Ministerialverfügung, sondern seine persönliche
Ansicht. Die Absicht bei Erlassung der neuen Taxe sei gewesen,
bis zur Neuregelung der Gehaltsverhältnisse der Oberamtstierärzte
einen billigen Ausgleich in den Einkommensverhältnissen der
württembergischen beamteten Tierärzte zu schaffen. Der Referent
besprach sodann ausführlich die einzelnen Paragraphen der Ministerial¬
verfügung, um nach einer regen Erörterung noch auf eine Anzahl
aus der Mitte der Versammlung gestellte Fragen eingehend zu
antworten. So hob er hervor, daß die Ergänzungsbeschau als eine
amtliche Verrichtung nicht anznsehen sei. Der in § 25 der Min.-
Verf. vom 1. Februar 1903 enthaltene Satz für Schlachtvieh- und
Fleischbeschaugebühren will nur Anhaltspunkte geben für die Fest¬
setzung der Gebühren, aber keine bindende Norm.
Was die Gebühren für Gesundheitszeugnisse betrifft, so ist der
amtliche Satz anzuwenden in den Fällen, in welchen eine amtliche
Verpflichtung zur Ausstellung der Zeugnisse gegeben ist, also z. B.
in den Fällen, in welchen Vieh ausgeführt werden will in Bundes¬
staaten, welche ein Gesundheitszeugnis verlangen. Wo aber die
Ausstellung von Gesundheitszeugnissen lediglich auf privaten Wunsch
hin erfolgt, beruht auch die Vergütung hierfür auf privater Ver¬
einbarung wie sonst in der Privatpraxis.
Die Gebühren für Marktkontrolle in anderen Oberämtern als
dem eigenen sind auf Grund einer Vereinbarung mit den betreffenden
Gemeinden festzusetzen, am besten unter Zugrundelegung der
Medizinaltaxe von 1875.
II. Tätigkeit des Tierarztes in der Milchhygiene.
Nach einer Frühstückspause wurden von dem Vorsitzenden,
Veterinärrat Kös 1 er - Stuttgart, Stadttierarzt Schenzle -Gmünd,
Stadttierarzt Diener-Ravensburg und Stadttierarzt Haug-Leutkirch
über diesen Gegenstand Referate erstattet, welche die diesbezüg¬
lichen Verhältnisse in den angegebenen Städten eingehend schil¬
derten.
III. Errichtung besonderer Professuren für animalische
Nahrungsmittelkontrolle an den Tierärztlichen Hoch¬
schulen.
Auch hierüber referierte der Vorsitzende, welcher die Resolution
der Tierärztlichen Gesellschaft zu Berlin vom 20. Januar 1908 in
dieser Sache (vgl. Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene,
XVIII. Jahrg. 1908, Heft 5) zur Kenntnis der Versammlung brachte,
der die Vertreter der hiesigen Tierärztlichen Hochschule, ins¬
besondere deren Direktor, Herr Professor Dr. von Sußdorf, bei¬
wohnten.
IV. Erweiterung der Befugnisse der Schlachthoftierärzte.
Der Vorsitzende referierte über vorstehende Frage und den
Antrag des Zweigvereins, der Landesgruppe Württemberg des
Vereins süddeutscher städtischer und Schlachthoftierärzte, welcher
bezweckte, den Schlachthoftierärzten die Ermächtigung zu ver¬
schaffen, auch in den Fällen, in welchen Fleisch für bedingt tauglich
oder für minderwertig erklärt wurde, die Brauchbarmachung und
Verwertung des Fleisches auf der Freibank dann ohne besonderen
Beschluß der Polizeibehörde veranlassen zu dürfen, wenn der Be¬
sitzer mit der Art der Behandlung einverstanden ist.
Herr Oberregierungsrat von Beißwänger machte demgegen¬
über geltend, daß nach dem württembergischen Gesetz ein Eingriff
in das Privateigentum, wie die Verwertung von Fleisch auf der
Freibank und dessen vorherige Brauchbarmachung es sei, nur den
Polizeibehörden zustehe, daß also ohne Gesetzesänderung dieser
Wunsch nicht erfüllbar sei.
Der Antrag wird hierauf vorläufig zurückgezogen, um ihn
nochmals im Verein der Schlachthoftierärzte zur Beratung zu
bringen.
V. Einführung der obligatorischen Trichinenschau in
Württemberg.
Auch hierüber referierte der Vorsitzeede im Auftrag desselben
Zweigvereins und stellte den Antrag, das Königl. Ministerium dos
Innern zu bitten, „es wolle die Einführung de? obligatorischen
Trichinenschau für alle gewerblichen Schlachtungen in Württemberg
in geeignete Erwägung ziehen und falls eine solche allgemeine
Beschau zurzeit großen Schwierigkeiten begegnen sollte, die
obligatorische und gleichmäßige Durchführung wenigstens für alle
Gemeinden mit öffentlichem Schlachthof und für diejenigen Plätze,
an denen ein reger Fremdenverkehr stattfindet, oder die als be¬
suchte Bade-, Kur- oder Sommerfrischorte in Württemberg gelten,
veranlassen.“
Herr Oberregierungsrat v. Beißwänger erklärte, daß seitens
des Königl. Medizinalkollegiums seit einiger Zeit grundlegende
Arbeiten zur Beurteilung der Trichinengefahr in Württemberg in
Behandlung genommen worden seien. Unter Ablehnung eines An-
19. November 1908.
B ERLIN ER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
träges auf Streichung des zweiten Teils wird der Antrag des Vor¬
sitzenden hierauf vollständig und einstimmig angenommen.
VI. Standesangelegenheiten.
Der Vorsitzende berichtet über den gegenwärtigen Stand der
Gehalts-, Pensions- und Rangfrage der württembergischen Ober¬
amtstierärzte* Die Wünsche der Oberamtstierärzte wurden neuer¬
dings wieder in einer Eingabe an das Königl. Ministerium des
Innern vom 9. September 1908 begründet und in einer Audienz bei
Sr. Exzellenz dem Herrn Staatsminister des Innern persönlich ver¬
treten, wobei Se. Exzellenz eine wohlwollende Behandlung der
fraglichen Angelegenheit zusagte. Die Eingabe wurde auch auf
Grund eines Beschlusses des Ausschusses gedruckt und sämtlichen
Oberamtstierärzten zwecks Weitergabe an die Landtagsabgeordneten
ihrer Bezirke zugestellt.
VII. Mitteilungen aus der Praxis.
Oberaintstierarzt Häberle-Blaubeuren regte im Verein der
oberschwäbischen Tierärzte an, praktische Fälle von Kurpfuscherei
zu sammeln und das Material den Vorständen der Zweigvereine
resp. dem Vorstand des Landesvereins zur Weiterbehandlung zu
überweisen. Es findet diese Anregung allseitige Zustimmung.
Oberamtstierarzt Dr. Mai er-Geislingen tritt für Bildung von
Tierärztekammern ein, zieht aber seinen Antrag auf Grund von
weiter cingezogenen Erkundigungen wieder zurück. Weiterhin regt
Oberamtstierarzt Dr. Maier an, Material darüber zu sammeln, welchen
Zeitaufwand die einzelnen amtlichen Arbeiten verursachen.
Mit dem Danke an die Versammelten für die lebhafte Anteil¬
nahme an den Verhandlungen schloß der Vorsitzende um 5 Uhr
abends die Versammlung, nachdem Veterinärrat Ostertag noch
dem Vorsitzenden den Dank des Vereins für sein eifriges und
energisches Arbeiten zur Förderung des Vereins und des Standes
ausgesprochen hatte.
25jfthrlge8 Beniftjubiläum.
Die im Jahre 1883 in Berlin approbierten Tierärzte begingen
— leider nicht mehr vollzählig — am 15., 16. und 17. Oktober d. J.
die Feier ihres 25 jährigen Berufsjubiläums.
Am Abend des 15. Oktobers fanden sich die aus allen Gegenden
unseres lieben deutschen Vaterlandes in Berlin eingetroffenen, größten¬
teils mit Familie, im Restaurant zum „Alten Askanier“ zu erster
Begrüßung zusammen. — Wenn auch viele von ihnen eich auf ihrem
Lebenswege seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr gesehen hatten
und in ihrer Eigenschaft als Militär- oder Kreistierärzte, Schlacht¬
hof- und Privattierärzte alle Spezialitäten des tierärztlichen Berufes
repräsentierten, so zeigte doch die in aller Augen glänzende Freude
des Wiedersehens, daß alle noch eines Sinnes waren, und daß die
alte kameradschaftliche und kollegiale Zuneigung im Laufe der
Jahre eher zu- als abgenommen hatte.
Mit herzlichen Worten begrüßte Kollege Nehrhanpt-Köln
die Erschienenen, insbesondere den als Gast geladenen, ehemaligen
Inspizienten der Militärstudierenden des Semesters 1883, Herrn
Oberstabsveterinär Naumann-Berlin und dessen Frau Gemahlin.
In seiner Erwiderung verband Herr Naumann mit seinem Danke
den Ausdruck lebhafter Freude, wieder einmal mit seinem alten
Semester zusammen zu sein und sich von den beruflichen Erfolgen
und dem Wohlergehen jedes einzelnen überzeugen zu können.
Allgemeine Lieder, deren echt rheinischer Humor ihre Herkunft leicht
erkennen ließen, trugen dazu bei, die allseitig herrschende Fröhlich¬
keit noch besonders zu heben.
Am 16. Oktober, mittags 2 Uhr, fand das Festessen in den ebenso
gemütlichen, als prächtigen Sälen der „Gesellschaft der Freunde“
Potsdamerstr. 9, statt. An der herrlich dekorierten Tafel nahmen
54 Teilnehmer Platz. Nach einigen herzlichen Begrtißungsworten
des Kollegen Nehrhaupt wurde als erster Toast das Kaiserhoch
von Kollegen Bächstaedt-Deutz ausgebracht und mit Begeisterung
aufgenommen. Sodann gedachte Kollege Volmer-Hattingen mit
humorvollen Worten der Damen und weiterhin dankte Kollege
Fränzel-Thorn in gleicherweise noch einmal dem alten Semester-
Inspizienten Oberstabsveterinär Naumann für sein Erscheinen, dabei
durch mancherlei Erinnerungen an die Studienzeit allgemeine Heiter¬
keit hervorrufend. Herr Naumann sprach hierauf für die ihm
bewiesene Anhänglichkeit seinen Dank aus.
855
Wiederholte gesangliche Darbietungen aus der Reihe der Damen,
allgemein bewunderte Kunstleistungen auf der Violine von seiten
eines Gastes und fröhliche Chorgesänge haben im Verein mit dem
wirklich vorzüglichen materiellen Genüssen die Stimmung außer¬
ordentlich gehoben.
Nach aufgehobener Tafel wurde mit bestem Erfolge ein Gruppen¬
bild der Festteilnehmer aufgenommen und nach einer gemütlichen
Kaffeepause bis Mitternacht flott getanzt
Am 17. Oktober fand in Kistenmachers Etablissement in den
Zelten gemeinschaftliches feudales Frühstück mit Musik statt, bei
welcher Gelegenheit Kollege Fränzel der ungeteilten Befriedigung
aller Teilnehmer über das wohlgelungene Fest Ausdruck gab und
den Veranstaltern desselben herzlichen Dank für die bewiesene
Opferwilligkeit und die große Mühewaltung sagte.
Eine gemeinschaftliche, trotz der Herbstfrische herrliche Dampfer¬
fahrt nach Potsdam beschloß die Feier, die allen Teilnehmern gewiß
dauernd eine liebe Erinnerung bleiben und dazu beitragen wird,
daß die nach fünf Jahren am Rhein geplante Zusammenkunft tat¬
sächlich stattfindet. tz.
Versammlung der beamteten Tierärzte Hohenzollems.
Am 7. d. M. fand in dem Sitzungszimmer der Königlichen
Regierung in Sigmaringen die Versammlung der beamteten Tier¬
ärzte Hohenzollerns statt, zu der auch die Privattierärzte des Be¬
zirkes geladen waren. Der Königl. Regierungspräsident Herr Graf
von Brühl übernahm den Vorsitz und leitete die Versammlung.
Bezirkstierarzt Deubel-Hechingen referierte nach der Tagesordnung
über die neu eingegangenen Fleischbeschaubestimmungen in ein¬
gehender, gründlicher Weise; ferner zog er in den Kreis seiner Er¬
örterungen die Regelung des Fleischverkehrs in den Grenzdörfern,
über Aufstellung der Konfiskatgefäße, Errichtung von Freibänken,
über Milchkontrolle und über Ziegenzucht. Veterinärrat Deigen-
desch hatte als Thema: Influenza der Pferde und deren Bekämpfung,
ferner sprach er über Fremdkörper und deren Folgeerscheinungen
beim Rind.
Nach Schluß der Versammlung folgten alle Teilnehmer der
liebenswürdigen Einladung des Herrn Vorsitzenden, Grafen von
Brühl zu einem Mittagessen in Hotel „Deutsches Haus <( , wobei in
anregender und gemütlicher Unterhaltung die Stunden allzuschnell
vergingen. D.
IX. Internationaler Tierärztlicher Kongreß Im Haag.
13—19. September 1909.
Mitteilungen an die Presse I.
Das Exekutiv-Komitee bittet ergebenst die nachstehende Be¬
kanntmachung in Ihrer Zeitschrift zu erwähnen:
Der Kongreß verspricht sehr besucht zu werden; in dieser
Hinsicht sind Mitteilungen aus fast allen Ländern bei dem Komitee
eingegangen; außerdem ist solches aus der Bildung der verschiedenen
nationalen Komitees zu folgern.
In höchst erfreulicher und zu schätzender Weise werden die
Interessen des Kongresses auch von dem Ständigen Ausschuß der
internationalen tierärztlichen Kongresse und von den verschiedenen
Tierärztlichen Zeitschriften gefördert
Vom Exekutiv-Komitee im Haag wurden bereits zwei Rund¬
schreiben über den Kongreß veröffentlicht und in zahlreichen
Exemplaren den verschiedenen Interessenten übermittelt Ein drittes
ist in Vorbereitung, welches in diesem Fall nur denjenigen zuge¬
schickt werden kann, welche sich bei dem Allgemeinen Kassen-
führer, Herrn D. F. van Esveld, Dozent an der Staats-Tierarznei-
schule in Utrecht als Mitglied haben einschreibcn lassen.
Letzteres Rundschreiben wird außer den Namen der Mitglieder
des ständigen internationalen Ausschußes, und ergänzenden Angaben
bezüglich der nationalen Komittees eine Angabe über die Bericht¬
erstatter der verschiedenen zu behandelnden Gegenstände, sowie
andere vom Exekutiv-Komitee notwendig zu erachtenden Mitteilungen
enthalten.
Demjenigen also, der über die Vorbreitungen des Kongresses
orientiert zu bleiben wünscht, wird empfohlen, sich als Mitglied bei
dem Kassenführer anzumelden, unter Hinzufügung des Beitrages
ad 17 Mark, worauf er seine Mitgliedskarte, einen Statuten-Entwurf
856
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47.
und weiterhin alle vom Exekutiv-Komitee zu veröffentlichenden
Drucksachen bekommen wird.
Im Namen des Exekutiv-Komitees:
D. A. dcJong, General-Sekretär. Leyden (Holland). 20, MareBingel.
Verein badischer Tierärzte, E. V.
42. ordentliche Mitgliederversammlung am 21. November 1908,
vormittags 10 Uhr, in Karlsruhe, Hotel „Friedrichshof“.
Tagesordnung:
1. Berichterstattung über die Tätigkeit des Vereins im laufenden
Vereinsjabr.
2. Verkündung, Prüfung und Verbescheidung der Rechnung des
Vereins.
3. Aufstellung des Voranschlages für das Jahr 1909.
4. Rechenschaftsbericht über die Unterstützungskasse, Prüfung
und Vorbescheidung der Rechnung.
5. Vortrag des Herrn Professor Dr. Heß von Bern über: „Die
Sterilität des Rindes“.
G. Verhandlungen über zwei Anträge des unterbadischen Kreis-
vereins:
a) über Festsetzung einer Taxe für die Tierärzte Badens.
(Referenten: Herr Tierarzt Kling-Ladenburg und Herr
großh. Bezirkstierarzt Vaeth-Heidelberg.)
b) Über die Verleihung des Dispensierrechtes an die Tier¬
ärzte Badens. (Referenten: Die Herren großh. Bezirks¬
tierärzte Ulm-Mannheim und Schncider-Schwelzingen.)
7. Vorschlag zur Ernennung von Ehrenmitgliedern.
8. Bestimmung des Ortes der nächsten ordentlichen Mitglieder¬
versammlung.
9. Neuwahl des Gesamtvorstandes.
Nach den Verhandlungen findet im Hotel „Friedrichshof“ ein
gemeinsames Mittagessen statt. Der Vereins Vorstand: Braun.
49. Generalversammlung des Vereins der Tierärzte des Regierungsbezirks
Wiesbaden
am Samstag, den 28. November 1908,
im Hotel Drexel zu Frankfurt a. M. (Große Friedbergstraße 20).
Beginn der Versammlung 12 Uhr mittags.
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten.
2. „Wesen, Bedeutung und Behandlung der Acarusräude“.
Klinischer Vortrag mit Demonstrationen (Herr Prof. Dr. med.
et med. vet. Gm ein er-Gießen).
3. Mitteilungen aus der Praxis.
4. Wünsche und Anträge.
Um 2 Uhr: Gemeinsames Mittagsmahl. Gäste sind willkommen.
Anmeldung der Gedecke (Preis 3 M.) bis spätestens 26. November
an den Unterzeichneten erbeten.
Langenschwalbacb, November 1908.
1. A.: Simmermacher, Schriftführer.
Riesenschmuggelprozeß.
Vor der Strafkammer zu M -Gladbach hat am 26. Oktober ein
Schmuggelprozeß seinen Anfang genommen, wie er in diesem Um¬
fange kaum jemals dagewesen ist. Es sind 19 Personen, meist
Viehhändler und Schlächter, angeklagt, die seit 1901 auf der ganzen
Grenzstrecke von Kaldenkirchen bis Herzogenrath einen auf das
vollkommenste eingerichteten Schmuggel mit holländischem Rind¬
vieh betrieben haben. Es sind 200 Zeugen geladen.
Ledumin.
Über das Ledumin erschien in Nr. 29 der B. T. W. eine Mit¬
teilung. Zu dieser ist* jetzt ergänzend zu bemerken, daß, wie
nachträglich zur Kenntnis gekommen ist, das Vichwaschmittel von
dem Fabrikanten einschließlich der Verpackung fracht- oder porto¬
frei nach allen Stationen Deutschlands zu folgenden Preisen ver¬
kauft wird:
in 5 Liter-Kannen zu 1,20 M. pro Liter,
» I2*/ 3 „ „ * UOO „ „ „
» 2“ „ „ „ 0,80 „ „ „
,, 100 ,, ,, ,, 0,55 „ ,, ,,
NeuusbrUohe der Maul- und Klauenseuche.
Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche ist gemeldet aus
Brzosken, Kreis Johannisburg (Regierungsbezirk Allenstein) am
12. November 1908.
Bücheranzeigen und Kritiken.
Neue Eingänge. (Besprechung Vorbehalten.)
Möller’s Lehrbuch der Chirurgie für Tierärzte. Bcarb. von
Prof. Dr. II. Möller und Prof. H. Frick. 2 Bände. Band II. Spezielle
Chirurgie. Vierte, vermehrte und teilweise umgearbeitete Auflage.
Mit 8t Textabbildungen. Ferdinand Enke, Stuttgart 1908. Preis 22 M.
Prof. Dr. Reinhold Schmaltz, Anweisung zur Exenteration der
Bauchhöhle des Rindes. Mit 7 Tafeln nach Zeichnungen von Bruno
Heroux in Leipzig und einer Gefrierschnitt-Skizze. Verlagsbuchhandlung
von Richard Schoctz, Berlin 1908. Preis 4,50 M.
Jno. T. Share-Jones, F. R. C. V. S., The Surgical Anatoray of
the Horse. Part III. Williams and Norgate, London 1908. Price 15 s. net.
Prof. Dr. Karl Camillo Schneider, Histologisches Praktikum
der Tiere für Studenten und Forscher. Mit 434 Abbildungen im Text.
Gustav Fischer, Jena 1908. Preis 15 M.
Prof. Dr. Wilhelm Schlampp, Therapeutische Technik mit be¬
sonderer Berücksichtigung der speziellen Therapie für Tierärzte. 2 Bde.
Bd. II. 2. Hälfte. 1. Lieferung, Geschlechts-Apparat. Mit 124
in den Text gedruckten Abbildungen. Ferdinand Enke, Stuttgart 1908.
Preis 5 M.
Prof. Dr. Robert Müller, Das Problem der sekundären
Geschlechtsmerkmale und die Tierzucht Eine wissenschaft¬
liche Untersuchung. Ferdinand Enke, Stuttgart 1908. Preis 2,80 M.
Sven Wall, Die Euterentzündungen der Kuh. Mit 29 Ab¬
bildungen im Text. Ferdinand Enke, Stuttgart 1908. Preis 3 M.
Prof. Dr. Kitt, Was muß jeder Hundebesitzer wissen?
Die Gesetzt; und polizeiliehen Vorschriften über das Halten von Hunden
(Hundesteuer. Haftpflicht, Tollwutparagraphen etc.). Die auf den Menschen
und auf Tiere übertragbaren Krankheiten des Hundes. Die Pflege und
Erziehung des Hundes. Mit 1 Tafel und 21 Textabbildungen. Ferdinand
Enke, Stuttgart 1908. Preis 2 M.
Dr. Franz Heinemann, Albrccht von Haller als Vlvisektor
Ein Beitrag zn seinem 200. Geburtstag. A. Francke, Bern. Preis 70 Pf.
A. Zieger, Die Diagnose der Trächtigkeit des Rindes.
(Inaug.-Diss. der vet-med. Fakultät, Bern.) Mit 9 Abbildungen. Ver¬
lagsbuchhandlung von Zahn und Jaensch, Dresden. Preis 2,50 M.
Dr. W. Franz, Die Druse der Pferde und ihre Behandlung
mit Serum nach DDr. Jeß-Piorkowski (Deutsche Schutz- und
Heilserumgesellschaft). Verlagsanstalt Merkur (Aug. Haufe). Leipzig-
Gautzsch 1908.
Panisset et Alilaire, Influence de la Coagulation et de la
Dccoagulation des Antigones Heinatics sur la prodnetion
des Anticorps. (Extrait des Comptes rendus des seances de la
Soeiete de Biologie. T. LXV, p. 74.)
Willy Lehmann, Über Bau und Entwicklung der Wand der
hinteren Hohlvene des Rindes und Vcnenklappen bei Pferd
und Rind. (Inang.-Diss. der vet.-med. Fakultät Bern.) Mit 22 nach
der Natur selbst verfertigten Zeichnungen. Verlagsbuchhandlung von
Richard Schoetz, Berlin 1908.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen: Dem Stabsveterinär a. D.
Slottsmeister zu Weißenhöhe, bisher beim Remontedepot Wirsitz,
der Rote Adlerorden IV. Klasse.
Verabschiedet: Die Bezirkstierärzte Veterinärrat Georg Fentxling-
Freiburg und Peter Diisfac/r-NeckargemUnd.
Niederlassungen : Dr. A. Rosendahl in Schwelm, Dr. Giorg Schumacher,
bisher Assistent des Großherzogi. Kreisveterinärarztes, in Groß-
Gerau (Hessen). — Verzogen: Die Tierärzte Plans Sigicart aus
Süßen als Assistent des Großherzogi. Bezirkstierarztes nach
Sinsheim, Arthur Friedmann von Schwarzaoh als Assistent des
Großherzogi. Bezirkstierarztes nach Bühl.
Examina: Promoviert: Die städtischen Tierärzte Max Seher
und Kurt Wölfel in Dresden zum Dr. med. vet. in Zürich. —
Approbiert: Die Herren Albert Balxer aus Mtthlau und Felix
Hertel ans Wiesbaden in Gießen.
Todesfall: Kreistierarzt Veterinärrat Baldeicein in Bielefeld.
Vakanzen.
(Vgl. Nr. 45.)
Krelstierarzt8telle: Reg.-Bez. Minden (Westf.): Bielefeld:
Bewerb, bis 20. Dezember er. an den Regierungs-Präsidenten.
Tlerhygienisehe* Institut in Freiburg 1. Br.: Hilfsarbeiter zur Her¬
stellung von Rotlaufserum und des zum Nachweis von Pferdefleisch
nötigen Serums. Bewerb, bis 23. November er. an den Vorstand.
Schlachthofstellen : Rügenwalde: Schlachthofinspektor zum
1. April 1909. Gehalt 2100 M. bis 2700 M. Bewerb, bis 5. Dezember er.
an den Magistrat.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltx in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schocts in Borlin. _
Druck von W. BOxenstcin, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochen«chrift“ erzehelnt
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 Pf. für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (österreichische Poat-Zeitunga-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Orlglnalbelträge werden mit 50 Hut In Petitsatz mit
00 Hk* für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Luisenstrafie 66. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Professor Glage Veterinärrat Dr. Loth68
Hamburg. Departoments-T. in Cöln.
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Prof, ssor in Dresden. Professor in Freiburg.
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Redaktion:
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Verantwortlicher Redakteur.
Professor Dr. Peter Veterinärrat Peters Veterinärrat Preuße Dr. Richter
8taautierarzt für Hamburg. Departements-T. in Bromberg. Departements-T. ln Danzig. Professor in Dresden.
Dr. J. Schmidt Ober-Reg.-Rat Dr. Vogel Wehrte Zünde!
Professor ln Dresden. Landestierarzt in München. Kais. Regierungsrat in Berlin. Kreistierarzt ln Mülbaasen 1. E.
Dr. H. Sieber Dr. Städter Dr. Zimmermann
E. am Tropeninsiitut in Hamb irg. 8tadt-Tlerarzt in Hamburg. Dozent in Budapest
Jahrgang 1908. Jtg 48. Ausgegeben am 26. November.
Inhalt: Horneck: Die Behandlung des Icterus catarrhalis bei Hunden mit physiologischer Kochsalzlösung. —
Wiegand: Vergiftung durch Mückenstiche. — Train: Eklampsie bei einer kalbenden Kuh. — Michael: Rückfall
von Gebärparese beim Rind. — Haupt: Ein Hypernephrom beim Rind. — Referate: Holth: Untersuchungen überden
Bacillus pyogenes und die durch ihn hervorgerufenen Gewebsveränderungen. — Dammann und Frese: Über das Vorkommen
des „Bacillus pyogenes“ bei der Ziege und den Nachweis seiner Identität mit dem Bacillns pyogenes bovis et suis. —
Fölger: Angeborener Kropf der Ziege. — Preisz: Virulenz und Therapie. — Holsteinische Euterseuche. — Dörrwächter:
Über einen Fall von Morbus maculosus beim Rind. — Jakob: Gastroenteritis catarrhalis acuta bei einem Löwen. — Marcone:
Sporozoen-Dermatosen des Hundes. — Aus der medizinischen Literatur. — Tageegeaehlchte: Preußische Tierärztekammer. — Tier¬
ärztekammer in Braunschweig. — Schmaltz: Zur Begründung eines tierärztlichen Pressebureaus. — Krueger: Die Jabres-
pauschalien der Kreistierärzte. — Die Militärveterinäre in der Besoldungsvorlage für die Reichsbeamten. — Francke: Die 80. Ver¬
sammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln. (Fortsetzung.) — Protokoll über die XXVIII. Sitzung des Vereins
Ostpreußischer Tierärzte zu Königsberg i. Pr. — Versammlung der beamteten Tierärzte des Regierungsbezirks PoBen. —
Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen._
Die Behandlung des Icterus catarrhalis bei Hunden
mit physiologischer Kochsalzlösung.
Eine Anregung zu weiteren Versuchen.
Vorläufige Mitteilung.
Von Tierarzt Horneck - Frankfurt a. M.
Das verhältnismäßig seltene Vollkommen des Icterus
catharrhalis bei Händen — nach den Aufzeichnungen Fröhners
zu 0,15 Proz. — und die wenigen Erfolge des Therapeuten sind
zwei Faktoren, die es nach zwei außergewöhnlich rasch mit
Heilung verlaufenen Fällen nicht angezeigt erscheinen lassen,
mit der Veröffentlichung der angewandten Behandlung bis zur
Erlangung eines größeren Krankenmaterials länger zurück¬
zuhalten, zumal sich für die Art der Behandlung eine plausible
Erklärung in bezug auf ihre Wirkung erbringen läßt.
Der erste Fall betraf einen 14 Jahre alten Spitz, der ohne
nachweisbare Ursache abends plötzlich zu erbrechen anfing und
kurz darauf Durchfall zeigte. Die Besitzerin, die einen ver¬
dorbenen Magen vermutete, hoffte auf eine Selbstheilung, die
jedoch nicht eintrat, so daß ich am vierten Tage der Erkrankung
hinzugezogen wurde. Zu diesem Zeitpunkte konnte ich bereits
schweren Icterus mit der Prognose schlecht bei dem Alter des
Tieres feststellen. Als die zweitägige Behandlung mit Tinct.
Rhei aquos. und Kaltwasserklißtieren ein Intensiverwerden der
Gelbfärbung und damit eine Verschlechterung des Allgemein¬
befindens des Patienten nicht aufzuhalten vermochte, injizierte
ich, in der Annahme, die noch nicht darniederliegende Diurese
zu erhöhen, an drei aufeinander folgenden Tagen je 30,0
physiologischer NaCl-LÖsung mit einem Gehalt von 0,935 NaCl,
wie sie Pore her*) als mit Blutserum isotonisch bezeichnete.
Bereits nach der zweiten Injektion war eine bedeutende
Besserung des Allgemeinbefindens des Patienten zu verzeichnen,
auch die Gelbfärbung an der Sklera war bereits merklich zurück¬
gegangen. Am zweiten Tag nach der dritten Injektion, also
am 5. Tage nach der ersten, war das Tier bereits derart leb¬
haft, daß ich von einer weiteren Behandlung bis anf die
täglich dreimal angewandten Kaltwasserklistiere, die 8 Tage
hindurch fortgesetzt wurden, glaubte Abstand nehmen zu können.
Vier Wochen später besuchte ich den Patienten wieder und
fand ihn in denkbar bester Verfassung. Von einer Gelbfärbung
der Sklera war nicht die geringste Spur mehr zu sehen.
Der zweite Patient war ein 3Va Jahre alter schottischer
Schäferhund, der als Begleiter auf einer Radtour in stark er¬
hitztem Zustand Pfützenwasser getrunken hatte. Die ersten
Erscheinungen seiner Krankheit waren die eines Magenkatarrhs
mit gleichzeitigerAffektion der oberen Luftwege. Bei meinem zweiten
Besuch am dritten Tage stellte ich die Erscheinung des Icterus
fest mit einer für diese zwei Tage bereits erheblich voran¬
geschrittenen Gelbfärbung. Er erhielt sofort 30,0 der
NaCl-Lösung subkutan und täglich je eine weitere Injektion,
insgesamt deren vier. Nach der dritten Injektion war bereits
anch bei ihm eine Lebhaftigkeit vorhanden, die einen Ausgang
in Heilung erwarten ließ, die anch eintrat.
Nach 14 Tagen, vom ersten Tag der Erkrankung an ge¬
rechnet, waren die Skleren nur noch so schwach gelblich
gefärbt, so daß es ohne einen besonderen Hinweis einem Unter¬
suchenden nicht mehr aufgefallen wäre.
Was nun die Wirkung der physiologischen NaCl-Lösung
angeht, so bedingt sie zunächst eine vermehrte Diurese und
dabei gleichzeitig eine, für diese günstige Verdünnung der im
Körper kreisenden und aufgespeicherten Gallenbestandteile.
Fernerhin wird der Diffusionsstrom zwischen Blut- und Gewebs¬
zellen beschleunigt, der Körper wird gewissermaßen wie sich
Sahli*) ausdrückt, ausgewaschen. Dabei bleibt die Wirkung
das NaCl auf die Sekretion der Magen- und Darmdrüsen sicher
*) Sahli, H. Über Auswaschung des menschlichen Organismus
und über die Bedeutung der Wasserzufuhr in Krankheiten. Sammlung
klinischer Vorträge von R. v. Volkmann.
*) Journal de Lyon 1906.
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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 48.
nicht ohne Einfluß auf den Appetit, und die Gesamtverdauung.
Gleichzeitig wird aber auch hier die durch die Anwesenheit
der Gallensäure wesentlich herabgesetzte Alkaleszenz des Blutes
erhöht.
Die von mir angewandten Mengen der NaCl- Lösung wird
man in geeigneten Fällen vielleicht auch noch erhöhen können,
haben doch bereits die französischen Forscher Dastre und Loye*)
Hunden mehr als das vierfache Blutvolumen physiologischer
Kochsalzlösung von Körpertemperatur allmählich in die Blut¬
hahn einfließen lassen, ohne daß die Tiere Schaden litten.
Wie ich schon eingangs dieser Veröffentlichung erwähnte,
verfolgt sie hauptsächlich den Zweck, die Tierärzte sowohl wie
die Ärzte zu weiteren Versuchen anzuregen, weil auch beim
Menschen die Beschwerden der Gelbsucht ganz erhebliche sind,
wie wohl jeder, der einmal damit behaftet war, zur Genüge
hat erfahren müssen.
Vergiftung durch Mückenstiche.
Von Dr. phil. Paul Wigand, Tierarzt in Schwarmstedt.
Seit etwa einem Jahrzehnt lenken zwei Mücken, Simulia
reptans und Simulia ornata, die Aufmerksamkeit der Viehzüchter
wie nicht minder der Tierärzte auf sich. Der deutsche Name
der Insekten ist „Kriebelmücken“, vulgär werden sie in Nord¬
west-Deutschland allgemein „Gnitten“, an der Havel „Kanker“
genannt.
Als ständige Bewohner der Flußniederungen bekannt und
wegen ihrer empfindlichen Stiche verhaßt, sind sie erst in den
letzten Jahren berüchtigt geworden, nachdem sie, in ungeheuren
Massen auftretend, zahlreiche Erkrankungen und Todesfälle unter
dem Weidevieh bedingten. — Massenauftreten der Simulien und
dementsprechend häufige Vergiftung von Weidetieren wurde in
den letzten Jahren besonders in Ostpreußen, in Hannover und
in Schweden beobachtet, im Mai 1908 auch in Ost- und West-
Havelland. An der Havel hat vor 30 Jahren bereits einmal ein
Massensterben des Weideviehs infolge der Mücken stattgefunden.
Dies ist von besonderem Interesse, da zur selben Zeit auch in
den Leinemarschweiden der Provinz Hannover am ersten Tage
des Hinaustreibens sechs Rinder durch Gnittenstiche fielen.
Winzig klein, nur 2—4 mm messend, weicht die Simulia in
ihrer Körperform erheblich ab von dem, was wir uns unter dem
landläufigen Begriff „Mücke“ vorstellen. Der gedrungene,
bucklige Körper mit kurzem Stechapparat und kurzen Beinen
gleicht in seinen Proportionen viel eher einer Fliege. Die
Grundfarbe unserer Simulien ist ein mattes Schwarz, von dem
die weißen oder weißlich-gelben Vorderschienen auffallend ab¬
stechen. Die glashellen Flügel schillern in hellem Lichte in
allen Farben des Regenbogens. Der Flügelgrund ist übrigens
bei Simulia ornata gelblich gefärbt zum Unterschiede von
Simulia reptans.
Puppenstadium machen die Simulien im Wasser ab, und
zwar im Gegensatz zu anderen Stechmücken in fließendem
Wasser. Daher erscheint das Insekt in ungewöhnlichen Massen
nur in nächster Nähe von Flüssen. Ende April bis Mitte Mai
— je nach Temperatur — in Schweden erst Anfang Juni, ver¬
lassen die ersten Simulien die Puppenhülle und damit das Wasser.
Bei kühlem, windigem oder Regenwetter würde man vergeblich
*§ Arch. de Physiologie 1888, p. 93.
**) Ibidem 1889, p. 253.
nach ihnen suchen; sobald aber bei Windstille upd Trockenheit
die Lufttemperatur genügend hoch ist, begeben sie sich auf die
Nahrungssuche. Sie fallen einzeln oder zu mehreren Exemplaren
oder selbst in unschätzbaren Legionen über Säugetiere, ganz
gleich welcher Art, her, um sich am Blute der Überfallenen zu
sättigen! Während des Blutsaugens entleert die Mücke in die
feine Stichwunde eine winzige Menge Gift, welches, ähnlich dem
Gift der Schlangen, den Speicheldrüsen entstammt und wahr¬
scheinlich ein Eiweißkörper ist. Ob es sich aus zwei ver¬
schiedenen giftigen Elementen zusammensetzt, von denen eins
direkt vom Lymph- und Blutstrom aufgenommen, das andere
dagegen in nächster Nähe des Stiches infolge Gerinnens fest-
gehalten wird, bleibt eine offene Frage. Es spricht jedoch für
diese Annahme folgendes. Jeder Stich erzeugt eine derbe,
heiße und schmerzhafte Quaddel, die noch nach mehr als einer
Woche beim Reiben brennt und juckt, ein Beweis, daß ein Teil
des Giftes noch immer in nächster Nähe des Stichkanals lagert.
Dagegen treten die schweren Allgemeinerscheinungen bei Tieren,
die von großen Massen der Insekten gestochen wurden, fast
momentan auf. Der Organismus reagiert auf das aufgenommene
! Gift ebenso schnell, wie auf die subkutane Einverleibung eines
in Lösung befindlichen stark wirkenden Medikaments.
Die Erscheinungen der Vergiftung durch Simulienstiche
sind höchst eigentümlich, eine Verwechslung mit anderen Krank¬
heiten ist nahezu ausgeschlossen. Die überfallenen Rinder
zeigen große Unruhe, laufen umher, schlagen mit den Beinen
nach dem Leibe, legen sich nieder, um im nächsten Augenblick
wieder aufzustehen. Selbst schwerkranke Stücke, die sich nur
mühsam und schwankend aufrecht erhalten können, liegen nicht
lange still, sondern springen von Zeit zu Zeit auf, um bald
wieder niederzusinken. Bald nach dem Stich schwellen Kopf,
Kehle, Unterhals und Unterbrust meistens auffällig an. Nur
bei wenigen Kranken vermißte ich diese Schwellung, die heiß,
empfindlich und von deutlich teigiger Beschaffenheit ist. Der
Blick des Tieres wird ängstlich und stier. In den Muskel¬
gruppen der Anconäen und des Quadriceps femoris tritt heftiges,
von kurzen Ruhepausen unterbrochenes oder selbst ununter¬
brochenes Zittern auf. Die Atmung ist in leichteren Fällen
etwas beschleunigt, sonst nicht verändert, in schweren Fällen
dagegen geschieht sie unter sichtbarer Anstrengung der
Zwischenrippenmuskeln.
Die beiden auffälligsten Symptome jedoch, die, in gleicher
Weise vereinigt, bei keiner anderen Krankheit beobachtet
wurden, sind Störungen im Zirkulationsapparat und das
Sinken der Innentemperatur. Die Zahl der Herz¬
kontraktionen steigt rapide. Selbst bei mäßiger Erkrankung
zählte ich 120 bis 150 derselben. Beide Herztöne sind rein,
außerordentlich deutlich und scharf abgesetzt, dabei von solch
ungewöhnlicher Stärke, daß man sie in voller Deutlichkeit
mehrere Schritte bis 10 m und noch mehr von dem Tier ent¬
fernt wahrnimmt. In einiger Entfernung klingen die Herztöne,
wie wenn man mit der Hand leicht gegen eine leere Tonne
Bchlägt. — Ein höchst auffallendes Bild bilden die Jugular-
venen. Als gewaltige, strotzend bis zum Maximum gefüllte
Schläuche liegen sie zu beiden Seiten des Halses. Jede Herz¬
kontraktion jagt eine kräftige, deutlich begrenzte Pulswelle in
ihnen empor bis zum Unterkiefer. Die enorme Füllung und
den auffallenden Puls zeigen die Jugularen in allen
Fällen, auch dann, wenn die Schwellung an Kehle, Hals und
26. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
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Unterbrust fehlt, und wenn die Stärke der Herztöne nicht er¬
heblich über die Norm hinausgeht.
Bei diesen stürmisch auftretenden schweren Allgemein¬
erscheinungen ist es bemerkenswert, daß keine Steigerung
der Innentemperatur auftritt, sondern, daß diese im Gegen¬
teil fast stets unter die Norm sinkt. Die höchste Temperatur,
39,3, zeigte eine mäßig kranke Kuh nach ca. 36 ständiger
Krankheitsdauer. Die niedrigste maß ich bei einem sehr schwer
leidenden einjährigen Rinde zwei Stunden nach der Erkrankung;
dieses Tier zeigte eine Innenwärme von 36,7°. In den meisten
Fällen bewegte sich die Temperatur um 38° herum, ohne die
untere physiologische Grenze 38,5° zu überschreiten. Mit fort¬
schreitender Genesung steigt die Körperwärme ganz allmählich
wieder zur normalen Höhe, die gewöhnlich erst nach 36 bis
48 Stunden erreicht wird. Ob die Temperatur in tödlich ver¬
laufenden Fällen bis zum Exitus fortgesetzt sinkt, vermag ich
nicht anzugeben, da alle von mir untersuchten Tiere genasen.
Bei denjenigen Rindern, die durch zahllose Massen von
Simulien überfallen wurden, tritt der Tod unter rascher Zunahme
der Schwäche innerhalb 24 bis 36 Stunden, frühestens nach
einer halben Stunde, ein. Einige Beobachter glauben den tödlichen
Ausgang auf Ersticken infolge Verschwellung der Luftwege
zurückführen zu dürfen. Meiner Überzeugung nach erfolgt der
Tod durch Herzlähmung. Ich habe bei Sektionen niemals eine
derartig starke Verlegung der Luftwege durch Schwellung ge¬
sehen, und außerdem beobachtete ich mehrere schwerkranke
Tiere ohne jede nennenswerte Schwellung, deren Herzschwäche
geradezu beängstigend war.
Hochträchtige Tiere verkalben, selbst wenn sie nur
leicht erkrankt waren, regelmäßig nach zwei bis drei Tagen.
Die Geburt ist schwer, da die Eröffnung des Scheidenschlusses
nur ungenügend erfolgt. Nach der Geburt bleiben die Eihäute
zurück.
Über die Sektionserscheinungen ist in den letzten Jahren
wiederholt so ausführlich berichtet worden, daß ich darüber
hinweggehen darf.
Differentialdiagnostisch kommen Milzbrand, Rausch¬
brand, malignes Ödem, Wild- und Rinderseuche und
Tod durch Blitzschlag in Betracht, mit denen hie und da
die Vergiftung durch Siraulienstiche verwechselt sein mag. Um
jeden Irrtum oder Zweifel in der Diagnose zu vermeiden, ist
folgendes zu beachten: Am Kadaver eines durch Simulien ge¬
töteten Rindes finden sich auffallende sulzige Schwellungen nur
an der Unterseite. Die über den Schwellungen gelegene
Haut ist an den nicht pigmentierten Stellen stets mit den sehr
charakteristischen, rot bis blau gefärbten, flohstich¬
ähnlichen kleinen runden Flecken dicht bedeckt. Jeder
dieser Flecke rührt von dem Stich einer Mücke her und läßt
bei genauem Hinsehen im Zentrum den sehr feinen, dunkler
als die Umgebung gefärbten, Stichkanal erkennen. Nochmals
erwähnt sei an dieser Stelle, daß Simulien in verheerenden
Massen nur in der Nähe von Flüssen auftreten. Niemals wurde
in mehr als 5 km Entfernung vom Flußufer ein Todesfall unter
den weidenden Rindern beobachtet. In Deutschland erscheinen
die Hauptschwärme nur Ende April bis Anfang Mai, selten noch
einmal Ende Juli bis Anfang August.
Intra vitam ist eine Verwechslung mit einer der vier oben
genannten Infektionskrankheiten unmöglich.
Um die Rinder vor Erkrankung durch Simulien zu schützen,
gibt es ein sehr einfaches und dabei durchaus zuverlässiges
Mittel. Die Mücken befallen in dichten Mengen nur die Unter¬
seite der Tiere. Bestreicht man Kehle, Unterhals, Unterbrust,
Bauch und die Innenfläche der Schenkel mit zähem Öl, so wird
es den Mücken unmöglich gemacht, einen Stich anzubringen.
Das Einölen hat selbstverständlich vor dem Hinaustreiben
der Tiere in die gefährdeten Weiden und, falls nötig, wiederholt
zu geschehen, sobald die Ölschicht zu verschwinden droht. Sehr
gut eignet sich zum Einschmieren Tran oder altes Leinöl mit
geringem Petroleum-Zusatz. Die sorgfältig auf diese Weise
behandelten Tiere sind selbst inmitten der stärksten Simulien¬
schwärme mit voller Sicherheit gegen Erkrankungen geschützt.
Ganz besondere Aufmerksamkeit ist denjenigen Tieren zu¬
zuwenden, die nachträglich, wenn das übrige Vieh bereits tage¬
lang draußen geht, in die Weide getrieben werden.
Merkwürdigerweise werden diese frisch aus dem Stall
kommenden Tiere mit ganz besonderer Vorliebe von den Mücken
aufgesucht.
Der diesen Tieren anhaftende intensive Stallgeruch scheint
die Mücken zu veranlassen, sich in Massen auf die Neuankömmlinge
zu stürzen. Die übrigen schon tagelang in der Weide befind¬
lichen Tiere werden jetzt kaum noch beachtet. So ist es mehr¬
fach beobachtet worden, daß ein einzelnes nachträglich zu einer
Herde in die Weide getriebenes Tier an demselben oder dem
nächsten Tage inmitten der übrigen gesundbleibenden tot auf¬
gefunden wurde.
Bereits erkrankte Rinder sind baldmöglichst in den Stall
zu bringen. Sie erhalten innerlich sofort je nach Konstitution
>/ 2 bis Vf? Liter Branntwein mit der doppelten Menge Wasser.
Bei hochgradiger Erkrankung gibt man weiter in Pausen von
1 bis 2 Stunden l / 4 bis Va Liter Branntwein bis zur Besserung.
Das Allgemeinbefinden hebt sich nach den Alkoholgaben in den
meisten Fällen sichtlich. — Als Gegenmittel bei Schlangenbiß
spielt der Alkohol seit altersher eine große Rolle. Erst in
jüngster Zeit jedoch ist man zu der Überzeugung gelangt,
daß diese Behandlung nicht nur rein symptomatischer Art ist,
sondern daß der Alkohol dem Schlangengift gegenüber ein
direktes Gegengift darstellt. Ganz ähnlich scheint der Alkohol
sich zu dem Simulien-Gifte zu verhalten. — Bei bedenklicher
Herzschwäche habe ich Folia Digitalis in Dosen von 5,0 bis
10,0 mit gutem Erfolge gegeben. Falls nötig erscheinend, kann
diese Gabe nach einigen Stunden wiederholt werden.
Literatur.
1. Veröffentlichungen aus den Jahres-Veterinär-Berichten der beamteten
Tierärzte Preußens. 1901. Pag. 31.
2. Ibidem. 1903. Pag. 27.
3. Bergmann, Die Columbaczer- und die Kriebelmücken als Krankheits¬
erreger. Fortschritte der Veterinär-Hygiene. 1. Jahrgang. Heft 3.
4. Löns, Das Viehsterben im Leinetale. Berliner Tierärztliche Wochen¬
schrift 1906 Nr. 44 und (mit Ergänzungen) HannoverschesTageblatt
1907 Nr. 30, Unterhaltungsblatt
6. Illustrierte Landwirtschaftliche Zeitung. Berlin 1908, Nr. 42,
Pag. 371. Auftreten der Kolumbatschermiicken in West- und Ost¬
havelland.
Eklampsie bei einer kalbenden Kuh.
Von pr. Tierarzt Train-Baruth M.
Am 21. April wurde ich von dem Halbbauer S. zu L. zu
einer Kuh gerufen, bei der sich heftige Wehen gezeigt haben
sollen, ohne daß die Geburt vonstatten ginge. Die Kuh war
nach Angabe des Besitzers 284 Tage tragend.
860
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 48.
Die Kuh liegt ruhig flach auf der Seite. Die Körper¬
temperatur beträgt 38,7° C. Während der Untersuchung streckt
die Kuh plötzlich die Gliedmaßen steif von sich; an den Vorder¬
gliedmaßen treten leise Zitterkrämpfe auf, die allmählich stärker
werden und schließlich so heftig sind, daß die Klauen laut
klappernd aufeinanderschlagen; die Krämpfe erstrecken sich
dann über den ganzen Körper; das Tier fliegt geradezu, wenn
ich mich so ausdrücken darf. Der Hals mit dem Kopf biegt
sich nach dem Rücken zu, die Augen verdrehen sich; ein¬
wirkendes Licht wird nicht wahrgenommen, das Bewußtsein
ist aufgehoben; es stellen sich Kaukrämpfe und Zähne¬
knirschen ein. Plötzlich brüllt die Kuh auf in derartig mitleid¬
erregender Weise, wie ich sie bei Rindern noch nie gehört
habe und so, daß der Besitzer der Kuh laut aufweint. Der
ganze Anfall währte etwa eine Minute. Das Bewußtsein kehrt
langsam wieder, und die Kuh ist anscheinend ganz gesund.
Nach Aussage des Besitzers, der diesen Anfall mit einer Wehe
verwechselt hatte, soll die Kuh derartige Anfälle schon seit
etwa sechs Stunden zeigen; sie sollen anfänglich bedeutend
kürzer gewesen sein und sich erst nach längeren Pausen wieder¬
holt haben. Während meiner Anwesenheit kehrten die Anfälle
nach etwa 3—4 Minuten langen Pausen wieder. Die Unter¬
suchung der Geburtswege ergab, daß der Gebärmuttermund nur
für zwei Finger durchgängig war. Die Kuh erhielt zweimal
je 25,0 Chloralhydrat als Klistier. Die Anfälle blieben darauf
aus. Nach etwa fünf Stunden sollen sich nur schwache Wehen
eingestellt haben. Der Besitzer entwickelte mit Leichtigkeit
ein schwaches Kalb, das nur schwache Lebenszeichen gegeben
haben soll und erst nach etwa 3 / 4 ständigem, fortwährendem
Frottieren lebhafter geatmet haben soll. Sofort nach der Ent¬
wicklung des Kalbes traten die Anfälle wieder auf, und ich
wurde wieder hinzugerufen. Die Anfälle waren jedoch jetzt
langanhaltender, die Pausen kürzer; letztere dauerten nur zwei
Minuten. Ein heftiger Anfall konnte sofort ausgelöst werden,
wenn der Gebärmuttermund (der keine Verletzung aufwieB)
berührt wurde; auch bei den Versuchen eine Ausspülung zu
machen, stellten sich sofort heftige Anfälle ein. Die Dauer der
Krämpfe wurde mit der Zeit immer länger, die der Pausen
immer kürzer; schließlich löste ein Anfall den andern ab, so
daß von einer Pause nichts zu merken war. Das Bewußtsein
war völlig verschwunden. Ein Klysma von 50,0 Chloralhydrat
hatte keine Wirkung. Etwa neun Stunden nach dem Kalben
verendete die Kuh plötzlich während eines Anfalls. Die Sektion
ergab ein völlig negatives Resultat.
Ich habe geglaubt, diesen Fall genauer beschreiben zu
müssen, da er eine so große Ähnlichkeit mit der Eklampsia
puerperalis des Weibes hat, daß ich ihn als einen Fall von
Eklampsia puerperalis der Kuh bezeichnen möchte. Professor
Schröder (Lehrbuch der Geburtshilfe, 5. Aufl. § 1022) definiert
die Eklampsie folgendermaßen: „Am häufigsten tritt während
der Geburt eine Art der Krämpfe auf, die dadurch charakteri¬
siert ist, daß, während der einzelne Anfall vollständig einem
epileptischen ähnelt, die Krämpfe in kürzeren oder längeren
Pausen sich wiederholen, und daß, während nach den ersten
Anfällen das Bewußtsein noch wiederkehrt, in der Folge auch
in den Zwischenpausen Sopor eintritt. Man bezeichnet diese
Krampfform als Eklampsie.“ Auf den beschriebenen Fall paßt
nach meiner Meinung in allen Punkten diese Definition. Der
Umstand ferner, daß Berührungen des Muttermundes oder Ver¬
suche, zu irrigieren, sofort neue Anfälle auslösten, berechtigt
die Diagnose Eklampsia puerperalis, denn L. Blumreich
schreibt in der „Deutschen Klinik“ Band IX (1904), S. 592:
„Ist die Eklampsie erst einmal ausgebrochen, so genügen oft
geringe Reizungen der Genitalien, wie Desinfektion, Urin¬
entleerung usw. oder auch andersartige unbedeutende Ein¬
wirkungen, wie Türschließen usw., um bei der enorm gesteigerten
Reflexerregbarkeit erneute Anfälle hervorzurufen.“
Über Eklampsie bei erwachsenen Tieren besitzen wir nur
eine sehr spärliche Literatur, und ich möchte außerdem einige
unter der Diagnose Eklampsie veröffentlichte Fälle nicht als
Eklampsie ansprechen, so z. B. den vom Bezirkstierarzt Reuter
in Nr. 44 der W. f. T. u. V. 1907 veröffentlichten. Nach dem
mir zur Verfügung stehenden Referat soll die betreffende Kuh
auf den Barren gesprungen sein und sich dort eingebissen haben;
derartige, tobsuchtsähnliche Anfälle gehören, so viel wie ich
weiß, nicht zu den Symptomen der Eklampsie.
Die Ätiologie der Eklampsie ist noch nicht aufgeklärt. Die
wichtigsten Theorien sind folgende: 1. Urämie erzeugt durch
primäre Nephritis; 2. Erkrankung durch Bakterien; 3. Auto¬
intoxikation; 4. Vergiftung der Mutter durch die Frucht; 5. Folge
der Verschleppung von Plazeutarteilchen in die mütterliche
Blutbahn.
In der Menschenheilkunde wird als Therapie bei der
Eklampsia puerperalis empfohlen: schleunigste Entbindung,
narkotische Mittel, Anregung der Nierentätigkeit, Aderlaß,
Kochsalzinfusionen, Abführmittel, Hautreize zum Schwitzen.
Rückfall von Gebärparese beim Rind.
Von Tierarzt B. Michael-Stollberg i. Erzg.
Bezugnehmend auf den Artikel, Seite 733, der diesjärigen
B. T. W. bemerke ich, daß ich bisher in zwei Fällen Rückfall
bei Kalbefieber oder Gebärparese nach leichter Geburt beob¬
achtet habe.
In dem ersten Falle handelte es sich um eine kleine, gut¬
genährte Zugkuh, die schon 3 Jahre nacheinander am zweiten
bzw. dritten Tage nach der Geburt an Gebärparese erkrankte.
Das Tier genas regelmäßig nach 4—5 Stunden infolge der ein¬
geleiteten Behandlung, die in starken Hautreizen, Klistieren,
der bekannten Luftinfusion und subkutaner Injektion von Koffein
natrio-salicyl. 4,0 mit Arecol. hydrobr. 0,02—0,03 (größere
Dosen Arecolin sind auf Grund meiner Erfahrungen bei Gebär¬
parese bedenklich) bestand. Die Zitzen lasse ich stets mit den
Händen zweier Gehilfen ca. 10 Minuten lang schließen, mit
den empfohlenen Gummiringen habe ich schlechte Erfahrungen ge¬
macht. Trotzdem ich an dem Euter vor Ablauf von ca. 12 Stunden
niemals etwas tun lasse und Patient als Nahrung nur Stroh und
Wasser erhielt, trat nach ca. 32 Stunden Gebärparese in der¬
selben heftigen Form wie zuvor auf und wurde auch in der¬
selben Weise abermals erfolgreich behandelt.
Im anderen Falle trat bei einer ebenfalls gut genährten
Stallkuh die Krankheit ca. 30 Stunden nach dem Kalben auf,
das Tier erhob sich bereits zwei Stunden nach der eingeleiteten
Behandlung und in ca. 40 Stunden wurden Rezidive beobachtet.
Das Tier erholte sich auch dieses Mal sehr bald.
Es handelte sich auch in diesem Falle durchaus nicht etwa
um Festliegen anschließend an die GebärpareBe, wie ich es oft
zu beobachten Gelegenheit hatte, sondern um dieselbe Krankheit
26. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
861
mit genau denselben Erscheinungen, und meiner Meinung ist
dies zu vermeiden, wenn man das Euter nicht zu zeitig von
der eingepumpten Luft befreit.
Ein Hypernephrom beim Rind.
Von Tierarzt Haupt-Gelsenkirchen.
Bei einer ungefähr vierjährigen Kuh, die lebend keinerlei
Störungen des Allgemeinbefindens zeigte, findet sich nahe der
rechten Niere eine fast kindskopfgroße fluktuierende Geschwulst.
Nach dem Lospräparieren der umgebenden Fettschichten zeigt
sie sich von einer elastischen, gefäßhaltigen Kapsel umgeben.
Die Schnittfläche ist hervorspringend, die Peripherie ist
bis 4 cm breit, fest und hart elastisch, dunkelbraunrot verfärbt,
stark bluthaltig. In der Mitte der Schnittfläche befindet sich
ein Hohlraum, der angeföllt ist mit einem breiigen, blutig
durchtränkten, geronnenen Sekret.
Ein weiterer Querschnitt durch die eine Hälfte der Geschwulst
zeigt von der Peripherie ausgehende, sich strahlenförmig nach
der Mitte zu ziehende gelblichweiße, bis 1,3 cm breite Zuge,
die an der Peripherie sehnige Durchsetzung von der umgebenden
Kapsel aus zeigen, nach der Mitte zu jedoch weich und auf
Fingerdruck zerstörbar werden. Zwischen diesen stützbalken-
ähnlichen Gebilden, die an das Trabekelsystem der normalen
Niere erinnern, sieht man das diffus-blutig durchtränkte Parenchym
von dunkelgelber bis braun- bis dunkelbraunroter Eärbung ohne
jede Kon8truktur.
Das Gewicht beträgt annähernd 1 kg. Die linke Neben¬
niere, sowie beide Nieren zeigen keine Veränderungen.
Trotz einzelner Abweichungen in vorstehendem Befunde
von denen Hornes (Revue generale d. möd. vütös 1905, Nr. 62)
spreche ich die Geschwulst ebenfalls als Hypernephrom an.
Die mikroskopische Untersuchung und Veröffentlichung
behalte ich mir vor.
Referate.
Untersuchungen über den Bacillus pyogenes und die
durch ihn hervorgerufenen Gewebsveränderungen.
Von Halfdan Holth.
(ZeiUchr. f. Infektlonskr, paras. Krankh. u. liyg. d. Haust. Bd. III, S. 155.)
In seiner umfangreicheren Arbeit bespricht H. in einzelnen
Abschnitten die Morphologie, Biologie, die Anlage von Rein¬
kulturen, die Resistenz des Bac. pyogenes und hierauf seine
Eigentümlichkeiten als Entzündungserreger. In dieser Beziehung
ist u. a. zu sagen, daß der Bac. pyogenes im tierischen Gewebe
Entzündungen hervorruft, die in vieler Hinsicht von denjenigen
durch andere pyogene Bakterien erzeugten abweichen. Diese
Entzündungen sind besonders durch ihren chronischen und
schleichenden Verlauf charakterisiert, der nur selten Pyämie
zur Folge hat. Sie unterscheiden sich von den anderen afc-
szedierenden Entzündungen dadurch, daß vor dem Zerfall des
Gewebes eine bedeutende Proliferation desselben stattfindet, die
zur Bildung einer geschwulstartigen Wucherung führt.
Die zahlreichen bis jetzt in der Literatur niedergelegten
Infektionsversuche zeigen, daß der Bac. pyogenes, abgesehen
vom Schwein und Rind, auch für eine Reihe kleiner Versuchs¬
tiere pathogen ist, so für Mäuse, Meerschweinchen, Kaninchen,
Hund, Schaf und Ziege, während Ratten und Tauben völlig
jmmun zu sein scheinen. Gewöhplich sind ziemlich bedeutende
Mengen Bakterienkultur zur Erzeugung einer Entzündung
erforderlich.
Aus dem Vorkommen des Bac. pyogenes beim Schwein ist
zu entnehmen, daß durch ihn bedingte, mit Abszeßbildung ver¬
laufende Entzündungen in fast allen Organen entstehen können,
in Milchdrüse, Gelenken, Verdauungskanal, Lunge jedoch be¬
sonders; vielfach findet man dann den Bac. pyogenes in Gemein¬
schaft mit anderen Bakterien.
Beim Rind ist der Bac. pyogenes gleichfalls bei Ent¬
zündungen der verschiedensten Organe anzutreffen, aber auch
bei dieser Tierspezies scheinen gewisse Teile des Körpers be¬
sonders prädisponiert zu sein. So findet man bei den durch
das Eindringen fremder Körper durch die Haut veranlaßten
suppurativen Entzündungen in der Regel den Bac. pyogenes,
gewöhnlich aber vergesellschaftet mit anderen Bakterien, ferner
oft bei Pyelonephritis, Metritis, Bronchopneumonie, Gelenk- und
Sehnenscheidenentzündungen und bei Mastitis. Bei diesen
Mastitiden kann das Eutersekret ein in hohem Grade ver¬
schiedenes Aussehen haben. Unter den verschiedenen Sekret¬
typen gibt es namentlich zwei, die für den Bac. pyogenes
charakteristisch zu sein scheinen, nämlich: 1. dünnes milch¬
ähnliches Sekret mit festen, gelben eckig en Flocken und
2. purulentes übelriechendes Sekret. Übelriechendes
Sekret läßt überhaupt in hohem Grade das Vorhandensein des
Bac. pyogenes vermuten. — Genaue Befundaufnahmen und Ver¬
suche dienen zur Stütze seiner Darlegungen. — Diese Versuche
haben zwar die Frage nach der Bedeutung des Bac. pyogenes
für die Entstehung der Mastitiden nicht völlig geklärt, sie
machen es aber im höchsten Grade wahrscheinlich, daß der
Bacillus pyogenes für sich allein keine Mastitis zu
erzeugen vermag, daß er in dieser Beziehung vielmehr
nur alB Begleiter anderer Mikroben eine — dann
allerdings äußerst große und verhängnisvolle —
Rolle spielt. Richter.
Über das Vorkommen des „Bacillos pyogenes“ bei der
Ziege und den Nachweis seiner Identität mit dem
Bacillus pyogenes bovis et suis.
Von Dr. Dammann, Dirigent, und Dr. Freese, Repetitor
des Hygienischen Instituts der Tierärztl. Hochschule in Hannover.
(Deutache Tier&rxtl. Wochenschrift 1908, Nr, 28.)
Die Verfasser fanden bei einer zur Sektion eingelieferten
Ziege ähnliche Erscheinungen, wie sie bei der Schweineseuche
angetroffen werden. In den Eiterherden fanden sich in großer
Menge Bazillen, . die dem von Grips bzw. von Künnemann
entdeckten Bac. pyogenes suis bzw. Bac. pyogenes bovis gUchen.
Dieselben Bazillen fanden die Autoren auch bei einer an Euter¬
entzündung leidenden Ziege. Hier waren diese Bazillen die
Erreger der Euterentzündung. Durch Übertragungs-, Züchtungs¬
und Färbungsversuche gelangten Dammann und Freese zu
folgenden Schlußfolgerungen:
Der Bacillus pyogenes ist außer beim Rind und Schwein
auch ein spezifischer Eitererreger bei der Ziege.
Bezüglich seiner morphologischen, kulturellen und pathogenen
Eigenschaften verhält sich der bei der Ziege vorkommende
Bacillus pyogenes im großen und ganzen so wie der des Rindes
bzw. Schweines.
Es ist demnach der Bacillus pyogenes caprae identisch mit
dem Bacillus pyogenes bovis (Künnemann) bzw. suis (Grips)
Rdr.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 48.
8(v2
Angeborener Kropf der Ziege.
Von A. F. Folger.
(Mauncdaskrift for Dyrlaeger, 1908, Heft 10.)
Es handelte sich im vorliegenden Fall um angeborenen
Kropf bei drei zu einem Wurf gehörigen, völlig ausgetragenen
weiblichen Ziegenlämmern, die im allgemeinen einen normalen
Eindruck machten, nur der Kopf erschien etwas unregelmäßig.
Namentlich bei einem der Tierchen fand sich ein stark hervor¬
tretender Unterkiefer (Fig. 1). Dieser Zustand gab Ver¬
anlassung zu einer Schwergeburt, welche tierärztliche Hilfe
erforderte.
Sektionsbefund: Die Lungen waren bei allen drei Tierchen
lufthaltig und hellrosarot, auch die übrigen Organe waren ganz
normal. An der Vorderfläche und an den Seitenflächen des
Halses zeigte sich eine große, querliegende, vor der Trachea
etwas schmäler erscheinende Geschwulst. Es sah fast so aus,
als ob die Tierchen mit einer Halskrause versehen wären. Man
fühlte durch die Haut hindurch zwei rundliche, wohlabgegrenzte
der Thymusdrüse, der Nebennieren und der Hypophysis förderte
nichts Abnormes zutage.
In ätiologischer Hinsicht interessant ist der Umstand, daß
der Vater der drei Tierchen nach Ansicht des Besitzers eben¬
falls mit Struma behaftet w r ar. Dr. Stödter.
Yirulenz und Therapie.
Von Prof. Dr. Hugo Preisz-Budapest.
(Gyögyksz&t. 1907. Nr. 42.)
Wenn wir auch nicht mit Bestimmtheit wissen, welche
Grundlage die Virulenz hat, wenn wir auch annehmen müssen,
daß die Ursache derselben bei den verschiedenen Bakterien eine
verschiedene sei, so gibt es doch ein Symptom, welches
konsequent auftritt und den Unterschied zwischen virulenten
und nichtvirulenten Bakterien bezeichnet. Dieses Symptom
ist die reichliche Ansammlung von Leukozyten um die nicht
virulenten Bakterien herum an der Stelle der Infektion. Die
lebhaftere Tätigkeit der Leukozyten im immunisierten Organis¬
mus ist eine so auffallende Tatsache, daß sogar diejenigen,
Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3 a. Fig. 3b.
Die Figuren zeigen die drei Ziegenlämmer von verschiedenen Seiten. Fig. 3 ist teils von der Seite (a), teils
von der unteren Hals fache (b) gesehen. Ca. 3 / 10 natürlicher Größe.
verschiebbare Knoten. Nach Entfernung der Haut fand man, daß |
die Knoten der Schilddrüse entsprachen; letztere war vergrößert, |
etwa gänseeigroß, der sog. Isthmus war ungefähr fingerdick.
Die Farbe der Schilddrüse war hellgelbgrau bis rötlich. Unter¬
halb der vergrößerten Schilddrüse lag (besonders bei einem der
Tierchen deutlich sichtbar) ein länglichrundes Organ von völlig
gleichem Aussehen — eine überzählige Schilddrüse. Das Hals¬
bindegewebe war sehr ödematös. Die Thymusdrüse und die
Nebennieren sowie das Gehirn ließen makroskopisch nichts
Abnormes erkennen.
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Schilddrüsen
zeigte sich in allen drei Fällen, daß das Drüsengewebe durch
schmale Bindegewebszüge in Lappen geteilt war, von denen
jeder drei bis zwölf verschieden weite Alveolen enthielt, ln
allen Alveolen befand sich ein kolloider, von kubischem bzw.
Zylinderepithel begrenzter Inhalt. In einigen Alveolen waren
alle Zellen kubisch oder alle Zellen zylindrisch, in anderen
Alveolen dagegen zeigten die Epithelzellen teils eine kubische,
teils eine zylindrische Form. Im Bindegewebsstroma waren
viele stark gefüllte Blutgefäße zu konstatieren. Alles in allem
mußte der krankhafte Zustand als diffuse Hypertrophie des
Organs bezeichnet werden. Die mikroskopische Untersuchung
welche die Wirkung des Immunserums gelösten bakteriziden
Mitteln zuschreiben, annehmen, daß in dem Immunserum nebst
den spezifischen bakteriziden Stoffen auch noch solche Stoffe
eine Rolle spielen, welche eine spezifische Phagozytose erzeugen.
Verfasser berichtet über seine Untersuchungen, mit Hilfe deren
er das Wesen der Virulenz des Milzbrand-Bazillus erkannte.
Seit 10 Jahren studiert der Verfasser die Veränderungen, welche
der Anthraxbazillus während des Verlustes oder während der
Abschwächung seiner Virulenz durchmacht. Als wichtigstes
Ergebnis seiner Untersuchungen bezeichnet der Verfasser die
Erfahrung, daß die Virulenz des Bazillus innig mit der Zähigkeit
der Kapselbildung zusammenhängt. Der virulente Bazillus bildet
nur in dem dazu geeigneten tierischen Organismus Kapseln,
welche sich langsam lösen. Die einigermaßen gezähmten Bazillen
bilden schon in den gebräuchlichen Nährböden reichliche und
zerfließende Kapseln. Der nichtvirulente Anthrax-Bazillus bildet
weder im tierischen Organismus noch auf Nährböden Kapseln.
Dr. Z.
Holsteinische Euterseuche.
In der Tagespresse las ich kürzlich eine Notiz, daß in
Schleswig-Holstein im Kreise Tonderu wiederum in größerem
26. Novem ber 1908.
bezirke und unter Benutzung des Verzeichnisses der Kreis¬
tierarztstellen im deutschen Veterinärkalender habe ich vor¬
stehende Tabelle angefertigt, aus der sich folgendes ergibt:
Das nach dem Durchschnitt der Jahre 1906 und 1907 be¬
rechnete, an die Kreistierärzte abzuführende Jahrespauschale
für 1908,09 beträgt 1521000 M. Pauschaliert sind 487 Stellen.
Auf jede Stelle entfallen durchschnittlich 3123 M. Mehr
als den Durchschnitt erhalten 199 Stellen (41 Proz.) und zwar
22 Stellen (4 l /2 Proz.) — Allenstein, Bromberg — mehr als
6000 M.; 148 Stellen (30 Proz.) — Königsberg, Oppeln, Gum¬
binnen, Posen, Marienwerder, Breslau, Liegnitz, Schleswig —
zwischen 4000 und 5000 M.
Diese 170 Stellen liegen in Grenzprovinzen im Osten und
Norden des Staates.
Die letzten 29 Stellen (6 Proz.) — Potsdam, Koblenz —,
für die der Durchschnitt höher als 3123 M. liegt, erhalten 3300
bis 3600 M.
Weniger als den Durchschnittsbetrag beziehen 288 Stellen
(59 Proz.) und zwar 160 Stellen (33 Proz.) — Kassel, Arns¬
berg, Münster, Frankfurt, Lüneburg, Stralsund, Aachen, Stettin,
Düsseldorf, Magdeburg, Minden — zwischen 2000 und
3000 M.; 103 Stellen (21 Proz.) — Köslin, Trier, Merseburg,
Wiesbaden, Stade, Hannover, Sigmaringen, Hildesheim —
zwischen 1500 und 2000 M. und schließlich 25 Stellen
(5 Proz.) — Aurich, Köln, Erfurt — Beträge unter 1500 M.
Unter 1033 M. gehen die Durchschnittspauschalien nicht herunter.
Dieser Überblick gibt noch kein klares Bild über die wirk¬
liche Situation, da innerhalb der Regierungsbezirke die Zahlen
noch recht erheblich schwanken können und auch tatsächlich
schwanken. Größe d$s Bezirkes, Viehzahl, Seuchen begünsti¬
gende Verhältnisse usw. sind die Ursachen dieser Schwankungen.
In dem an der Spitze stehenden Regierungsbezirk Allenstein
mit dem Durchschnittspauschale von 6744 M. können die Ver¬
hältnisse tatsächlich so liegen, daß für die eine Stelle das
Pauschale auf 3400 M. fällt, während es für die andere Stelle
auf 10 000 M. hinaufschnellt. Von diesen beiden Summen bildet
eben die Zahl 6744 den Durchschnitt.
In ähnlicher Weise kann in dem an letzter Stelle stehenden
Bezirk Erfurt das Jahrespauschale in maximo und minimo
1550 bzw. 520 betragen.
So werden das Maximum im höchst dotiertesten, das
Minimum im niedrigst ausgestatteten Bezirk ungefähr die Grenzen
der Pauschalien angeben. Der Wahrscheinlichkeit nach werden
sie in keinem Kreise unter 500 M. und in keinem über 10 000 M.
betragen.
Schon dieser Überblick gibt reichlichen Anlaß zum Nach¬
denken. Interessanter würde er sich gestalten, wenn man das
Pauschale einer jeden Stelle kennen würde.
Wir haben bei der Pauschalierung etwas besser abge¬
schnitten als die Kreisärzte; nicht etwa jedoch im Sinne von
Herrn Veterinärrat Preuße (B.T.W. 1908, S. 520), der lediglich
die für Kreisärzte und Kreistierärzte bewilligten absoluten
Zahlen verglich, und aus dem Umstande, daß für die Kreisärzte
865 000 M. p. a. in den Etat gestellt, während für uns 760 500 M.
für das halbe Jahr bewilligt waren, den Schluß zog, daß die
Kreistierärzte viel besser gefahren sind.
Bei den Kreisärzten sind 90 Proz. der im Jahre 1905 ent¬
standenen Gesamtkosten in den Fonds hineingegeben worden;
davon wurden 80 Proz. verteilt und 10 Proz. in Reserve be¬
867
halten, um solchen Beamten, die zu einer besonders gesteigerten
Reisetätigkeit genötigt werden, nachträglich Zuschüsse zu geben
(Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 28. Februar 1908).
In fast gleicher Weise sind bei den Kreistierärzten die
ganzen im Jahre 1906 entstandenen Kosten in den Fonds ge¬
schüttet; es kommen aber nicht 80, sondern 90 Proz. zur Ver¬
teilung. In Zahlen umgesetzt ergibt sich folgendes Verhältnis:
Für die Kreisärzte stehen im Etat 865 000 M. Da diese
90 Proz. der entstandenen Gesamtkosten ausmachen, so betrugen
diese 961111 M. Hiervon gehen 96111 M. in den Reserve¬
fonds und 865 000 — 96 111 = 768 889 M. werden verteilt.
9
Bei uns beträgt die verteilte Summe 1521000 M. = ^
der entstandenen Gesamtkosten im Betrage von 1 690 000 M.
1690 000.1
Der Ausfall bei den Kreistierärzten beträgt--=
961 111.2
169 000 M., bei den Kreisärzten -^— = 192 222 M. Ab¬
gesehen davon, daß er bei diesen um 23 222 M. höher ist als
bei jenen, kommen den Kreistierärzten jene 169 000 M. indirekt
wieder zugute, während bei den Kreisärzten nur 86111 M.
nachträglich wieder zur Verteilung kommen können. 86 111 M.
hat der Stand durch die Pauschalierung total verloren, so daß
er sich um 23 222 -f 86 111 = 109 333 M. uns gegenüber ver¬
schlechtert hat oder bei 472 Stellen um 231 M. pro Stelle.
Unberücksichtigt darf unsererseits aber nicht bleiben, daß die
Kreisärzte um 50 Proz. höhere Tagegelder und Reisekosten
haben, die ja dem Pauschale zugrunde liegen. Insbesondere
aber sind die Kreisärzte den Kreistierärzten gegenüber dadurch
im Vorteil, daß bei ihnen nicht die gesamten Reisen in Seuchen¬
angelegenheiten pauschaliert sind. Die Kosten der ersten
Seuchenfeststellungen in einem Orte fallen nicht der Staatskasse
zur Last, sondern den Gemeinden und Verbänden, und die Kreis¬
ärzte liquidieren für derartige Reisen nach wie vor 12 bzw.
15 M. Tage und 60 bzw. 9 Pf. Kilometergelder.
Hieraus erklärt sich auch der Umstand mit, daß die
Pauschalsumme der Kreisärzte nur 865 000 M. gegen 1 690 000
bei den Kreistierärzten beträgt. Die geringere Summe kann
nicht zum Beweise dafür dienen, daß die Kreistierärzte besser
abgeschnitten haben, sondern sie ist ein Ausdruck dafür, daß
die Pauschalierung bei den Kreisärzten nicht in dem Umfange
durchgeführt ist, wie bei uns und auch nicht durchgeführt
werden konnte, wenn der Staat nicht die den Gemeinden ob¬
liegende Kostenlast übernehmen wollte.
Die Militärveterinare in der Besoldung»Vorlage für
die Beichsbeamten.
Die Vertagung der Militärveterinärreform hat, wie voraus¬
zusehen war, eine weitgehende Erschütterung in den beteiligten
Kreisen herbeigeführt. Im allgemeinen überwiegt jedoch die
Auffassung, der ich in Nr. 46 der B. T. W. Ausdruck gegeben
habe. Wenn auch angesichts der vielen bitteren Erfahrungen
Besorgnisse über das endgültige Schicksal der Reform keines¬
wegs ganz zu unterdrücken sind, so ist man doch allgemein
der Überzeugung, daß den besonderen Umständen Rechnung zu
tragen sei und daß das Kriegsministerium den vollen Willen
habe, nach der Durchführung der Reichsfinanzreform auch die
Militärveterinärreform durchzubringen. Viele können es aller¬
dings schwer begreifen, warum die Finanzlage zu dieser Ver¬
tagung, die ja angesichts der gegebenen Zusicherung immer
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
868
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 48.
einen besonderen Charakter hat, geführt habe, da doch gegen¬
über den vorgeschlagenen Besoldnngsverbessemngen die Über¬
führung der Veterinäre unter die Offiziere einen so großen
Aufwand gar nicht bedingen werde.
Zahlreiche Zuschriften befassen sich mit der Besoldungs¬
vorlage selbst. Es werden deren Mängel hervorgehoben und
Wünsche ausgesprochen, daß die einzelnen Positionen ent¬
sprechende Abänderungen erfahren möchten, daß z. B. namentlich
ein Teil der Unterveterinäre unter die Beamten übergeführt
werde usw. Gegenüber den mehrfachen Anregungen möchte ich
folgende Meinung offen aussprechen: Die Aufbesserungen, welche
durch die Besoldungsvorlage wie alle Beamten natürlich auch
die Veterinäre erfahren, können und dürfen für diese nichts
anderes bedeuten als ein Provisorium, sagen wir kurz und gut:
ein Flickwerk, das nur ein Jahr zu halten bestimmt ist;
an diesem verlohnt es sich daher nicht noch herumzubessern. Daß
man z. B. in der Chargenverteilung bezüglich der Unterveterinäre
ein Jahr vor der Durchführung einer großen Reform keine
Änderungen vornehmen wird, liegt auf der Hand. Ein Punkt
allerdings wird überall mit einer großen Bitterkeit hervor¬
gehoben und verdient eine besondere Beurteilung. Das ist die
Bemessung des Wohnungsgeldzuschusses. Hier stehen
nämlich, abgesehen von den Korpsstabsveterinären (Klasse III)
sämtliche Veterinäre mit den Snbalternbeamten zusammen in
Klasse V; die Stabsapotheker dagegen befinden sich in der
Klasse III. Durch diese Rangierung scheint denn doch der tier¬
ärztliche Beruf als solcher so betroffen, daß das nicht still¬
schweigend hingenommen werden kann. Dieser Punkt wird eine
weitere Besprechung und Behandlung erfahren. Schmaltz.
Die 80. Yersammlang Deutscher Naturforscher und
Ärzte In Köln
vom 20.—26. September 1908.
Berichterstatter: Kreistierarzt Francke-Köln.
(Fortsetzung.)
Verträge in den allgemeinen Sitzungen, den Geeamteitzungen beider
Hauptgruppen und ln den Einzelsitzungen.
Aus der großen Fülle auch für tierärztliche Leser interessanter
Vorträge können, um eine ungebührliche Inanspruchnahme des
Raumes zu vermeiden, nur einige wenige kurz skizziert, oder
lediglich erwähnt werden.
Im Anschluß an die Eröffnungsfeier fanden zwei Vorträge statt.
Prof. Dr. Stadler-München sprach über: Albertus Magnus von
Köln und das Kölner Autogramm seiner Tiergeschichte. Albertus
Magnus — Albert von Bollstädt wurde 1193 in Rauingen ge¬
boren, trat später in den Dominikanerorden, und war von 1260 ab
Bischof in Regensburg. Seit 1262 bis zu seinem 1280 erfolgten
Tode lebte er in Köln, wo er in der Andreaskirche begraben liegt.
Wegen seiner umfassenden Gelehrsamkeit, die sich nicht allein
auf Philosophie und Theologie sondern auf alle Gebiete der
Naturwissenschaften erstreckte, nannte ihn das Mittelalter „Doctor
universaliB“. Er war ein sehr fruchtbarer Schriftsteller. Später
sind ihm viele Schriften abergläubischen Inhalts untergeschoben
und seine Schriften arg entstellt und verstümmelt Dadurch ist
Albertus Magnus zu Unrecht stark'in Mißachtung gekommen. Denn,
wenn er auch in erster Linie als Scholastiker die Schriften des
Aristoteles und der Araber kommentierte, was er schreibt, zeugt von
Verstand und kritischer Beobachtungsgabe. Vor allem gilt das von
seiner Tiergeschichte, die Schilderungen aus dem Tierleben da¬
maliger Zeit in Deutschland enthält Unsere meisten Ausgaben
dieser Tiergeschichte sind sehr mangelhaft und besonders die Tier¬
namen zur Unkenntlichkeit verändert. Diese für die Geschichte
der Zoologie und die Tiergeographie sehr wichtige Abhandlung
konnte daher noch nicht genügend ausgenutzt werden. Einen
brauchbaren Text enthält das Kölner Stadtarchiv. Es spricht alles
dafür, daß diese Schrift das Autogramm der Tiergeschichte darstellt.
Der Vortragende will unter Benutzung des Autogrammes eine neue
Ausgabe der Tiergeschichte vorbereiten.
Als zweiter Redner sprach, beim Betreten des Rednerplatzes
lebhaft begrüßt, Major von Parseval-Berlin Uber Motorballoii und
Flugmaschinen.
An der Hand einer großen Reihe von Lichtbildern verbreitete
sich der Vortragende über die verschiedenen Typen der Luftfahr¬
zeuge, den Ballon des Grafen Zeppelin, sowie des näheren über
das von ihm konstruierte Luftschiff, und schilderte eingehend den
Unfall desselben und den Untergang des Zeppelinschiffes. Endlich
kam er auch auf die Flugmaschinen von Farm an, Delagrange
und der Brüder Wright zu sprechen. Seine Ausführungen gaben im
wesentlichen die den Lesern dieser Zeitschrift hinlänglich ausderTages-
presBO bekannten Tatsachen wieder, erweckten aber dadurch, daß sie
der kühne und erfolgreiche Besieger der Lüfte vortrug, ein neues
und erhöhtes Interesse.
In der zweiten allgemeinen Sitzung sprachen zunächst Professor
Rubncr-Berlin über Kraft und Stoff im Haushalt des Lebens,
Prof. Heim-Zürich über den Deckenbau der Alpen und an
dritter Stelle Professor Klaat sch -Breslau über: Der primitive
Mensch in Vergangenheit und Gegenwart. Aus diesem Vortrage
sei folgendes wiedergegeben: Die Entwicklung der Lehre von
den fossilen Menschenrassen ist in Deutschland jahrzehntelang
durch den Einfluß R. Virchows gehemmt worden. Virchow
verkannte die wahre Bedeutung des 1857 im Düsseltale gemachten
Aufsehen erregenden Neandertalskelettfundes vollständig. Er hielt
die abweichende Schädeldecke für pathologisch, obwohl Bpäter (1887)
gleichartige Funde in der Grotte von Spy in Belgien gemacht
wurden. Erst die Untersuchungen des Skelettes der Neandertal-
rasse durch den Vortragenden und die Studien über das Schädel¬
dach von Schwalbe konnten 1901 eine Wandlung herbeiführen.
Neue Funde von Menschenresten aus der Diluvialzeit in Krapina
bei Agram, die den typischen Neandertalcharakter trugen, bestätigten,
daß zu dieser Zeit oder noch früher eine primitive Menschenrasse
in Mitteleuropa gelebt hat. In allerletzter Zeit ist von K]aat*$h
ein weiterer Fund eines Neanderskelcttes, und zwar von einem
jugendlichen männlichen Individuum herrührend, in dem als Fund¬
grube für altsteinzeitliche Überreste bekannten V6z6retal und zwar
in der Grotte Le Moustier gehoben worden. Diese fossile Menschen¬
rasse vereinigt charakteristische Merkmale heute lebendender sehr
von einander verschiedener Menschenrassen. Der kurze gedrungene
Bau der Extremitätenknochen erinnert an die heutige arktische
Rasse (Eskimo), die Knochenstärke und das kolossale Gebiß an
den Afrikaneger. Sehr vieles gemeinsam hat die Neandertalrasse mit
dem heutigen Eingeborenen Australiens, die noch vielfach unter den
altdiluvialen Europäern stehen. Sie sind vermutliche Nachkommen
eines zu Beginn der Menschenausbreitung abgesprengten Teiles der
Urhorde, daher ihre, wie Klaatsch es nennt, „praeneandertaloiden*
Charaktere. Die gemeinsamen niederen Zustände der fossilen
Europäer und der jetzigen Australier weisen auf keine gemeinsame
Wurzel der Menschheit hin, und gelten daher für alle Zweige
derselben, somit auch für unsere Vorfahrenreihe, wenn diese auch
keineswegs über den Neandertaltypus führen dürfte und die
Australier heute nur unsere armen, infolge ihrer langen Isolierung
rückständigen Vettern darstellen.
Unsern eignen Zustand können wir nur durch Studium des
Primitivmenschen verstehen, denn wie mit eisernen Klammern ist
die Gegenwart an unsere niedere Vergangenheit gebunden. Mitten
in unsere scheinbar hohe Kulturwelt ragen die alten Zustände noch
hinein und offenbaren sich als Bestialitäten und Borniertheiten, die
zu dem Homo sapiens schlecht passen.
Die Konsequenzen einer paläontologischen Betrachtungsweise
beschränken sich nicht auf das Körperliche, sie betreffen auch das
Kulturelle, das Geistige und das Psychische. Der jetzige Australier
kann das Bild, das wir uns in dieser Hinsicht vom paläolithischen
Europäer zu machen haben, ergänzen. Der primitive Mensch war
weder dumm noch schlecht, wie es scheinen könnte. Die Australier
sind sehr entwicklungsfähig, es wird ihnen nur nicht die Hilfe zu¬
teil, um den ungeheuren Sprung aus altsteinzeitlicher Naivität in
die moderne Kultur ungefährdet ausführen zu köpnen. Die Europäer-
26. November 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
809
kinder wiederholen den primitiven Menschen in vielen ihrer Be¬
schäftigungen, Neigungen, Fehler und Tugenden. Der Begriff des
Unrechts und der Sünde muß beim primitiven Menschen vorsichtig
angewandt werden; manches, was so scheint, ist nur Unfähigkeit.
So ist die Scheidung des Wirklichen von dem Eingebildeten anfangs
sehr schwer, so lange, wie bei den Australiern, die Träume für
Wahrheit gehalten werden. Hang zum Lügen darf weder bei
Australiern noch bei Europäerkindern zu tragisch genommen
werden. Anders der Diebstahl, dieser ist dem Urmenschen fremd.
Treue im Halten von Versprechen, gegenseitige Liebe innerhalb
der Gemeinschaft und Horde, Pietät vor dem Alter und den Toten
sind Fundamentaltugenden der Menschheit. Aus dem Traumleben
ist der Glaube an die Unabhängigkeit der Seele vom Körper und
daher die Idee der Unsterblichkeit als ein uralter Besitz der Mensch¬
heit zu erklären.
In der Gesamtsitzung beider Hauptgruppen sprach Professor
Wien er-Leipzig über: Die Entwicklung der Farbenphotographie.
Redner schilderte unter Vorführung von Experimenten und
Projektionsbildern die Entstehung der physikalisch einfachen
farbigen Strahlen, die verschiedenen Strahlenmischungen und die
Entstehungsweise der Körperfarben. Er ging dann in eingehenderer
Weise, als dies Fambach getan, auf das Dreifarbenverfahren ein
und verbreitete sich auch über die verschiedenen Arten der Farben¬
photographie, immer unter Vorzeigung entsprechender Aufnahmen,
das Sanger-Shepharsche Verfahren, das Lippmannsche Inter¬
ferenz- oder Strukturverfahren und endlich das Körperfarben- oder
Ausbleichverfahren. Schließlich wurde die Bedeutung der Farben¬
photographie für die Theorie unserer Farbenwahrnehmung behandelt.
Danach verbreitete sich Prof. Doflein-München über: Die
krankheitserregenden Trypanosomen, ihre Bedeutung für Zoologie, Medizin
und Kolonialpolitik.
Nach Ansicht des Vortragenden stehen die Trypanosomen nicht
in einem ähnlichen Verhältnis zu den Stechfliegen wie die Malaria¬
parasiten. Auf Grund der Erfahrung, daß es leicht gelingt, die
Trypanosomen umzuzüchten, durch künstliche Kultur und Ver¬
impfungen in Organismen zu verwandeln, die vollkommen zur
Gruppe Herpetomonas gehörigen harmlosen Darmparasiten der
Insekten gleichen, und umgekehrt durch Kultur Herpetomonaden den
in Trypanosomen umzuwandeln, vertritt er den Standpunkt, daß die
Trypanosomen durch allmähliche Anpassung an das ihnen beim
Sangakt dargebotene Wirbeltierblut zu Blutschmarotzern geworden
sind und noch jederzeit werden können. Daher erkläre sich auch,
daß nicht nur die Tsetsefliege sondern auch andere Blutsauger die
Trypanosomen übertragen könnten. Diese Verhältnisse seien be¬
sonders wichtig, da sie die Entstehung neuer pathogener Trypano¬
somenstämme gewissermaßen unter unsem Augen möglich erscheinen
lassen. Sie zeigen auch, wie eng auf dem Gebiete der Forschung
Zoologie und Medizin verknüpft sind.
In der medizinischen Hauptgruppe sprachProf.Einthoven-Leyden
Uber: das Elektrokardiogramm. Bei jeder Herzkontraktion bildet sich
ein elektrischer Strom, der nach allen Teilen des Körpers hin¬
geleitet wird und mittelst elektrischer Meßinstrumente, die man mit
dem Körper verbindet, gemessen und registriert werden kann. Der
Aktionsstrom des Herzens läßt sich so als Kurve darstellen —
Elektrokardiogramm. Diese Kurve zeigt eine Vorkammer- und vier
Kammerspitzen. Form, Größe und zeitliche Aufeinanderfolge geben
ein genaues Bild der Herzaktion. Es ist so möglich, mit größter
Sicherheit, Genauigkeit und Leichtigkeit die Art der Herzarbeit
unter physiologischen und pathologischen Verhältnissen zu studieren
und graphisch darzustellen und umgekehrt aus der Form der
Kurven diagnostische Schlüsse zu ziehen.
Die elektrischen Kontraktionsströme sind auch auf weite Ent¬
fernungen hin fortzuleiten. In Leyden konnten im physiologischen
Laboratorium von den im 1,5 km entfernten Krankenhause befind¬
lichen Personen Elektrokardiogramme aufgenommen werden —
Telekardiogramme. Das Elektrokardiogramm kann mit Vorteil zur
Ergänzung der mechanischen Untersuchungsmethoden des Herzens
herangezogen werden.
In der Abteilung 15behandelte Prof.Orth-Berlin die experimentelle
enterogene Tuberkulose. Zu diesem Vortrag war auch die Ab¬
teilung 71 geladen.
Orth bat durch seine Versuche die Tatsache bestätigt ge¬
funden, daß eine tuberkulöse Infektion vom Darm her stattfinden
kann, ohne daß dieser selbst erkrankt Wenn, wie der Referent
hervorhebt, die Ergebnisse von Tierexperimenten auch nicht ohne
weiteres auf den Menschen übertragen werden können, so hält er
doch dafür, daß seine Experimente zu einer Änderung der An¬
schauungen über die Entstehung der menschlichen Lungentuber¬
kulose führen müssen.
Aus der Abteilung 16 sei erwähnt der Vortrag von Kienböck-
Wien: Über Röntgentherapie.
Die Röntgenstrahlen üben eine zerstörende Wirkung besonders
auf pathologische Zellen, demnach auch auf Geschwulstgewebe
aus. Die Behandlung der Geschwülste mit Röntgenlicht ist
schonender als chirurgische Eingriffe, auch in kosmetischer Hin¬
sicht von besserem Erfolg. Zur therapeutischen Verwendung wird
hartes Röntgenlicht oder ein Strahlenfilter (Aluminiumplatte,
Sohlleder) verwandt.
Der Röntgentherapie zugänglich sind: anormaler Haarwuchs,
Favus, Lupus (in Verbindung mit der Finsenmethode). Bei
Tumoren ist die Röntgentherapie in 50 bis 80 Proz. der Fälle er¬
folgreich, am wenigsten bei Karzinomen, wo die Tiefenwirkung
gering ist. Manchmal wird jedoch Magen- und Speiseröhrenkarzinom
gebessert, ebenso Brustkrebs. Die Schmerzen werden fast stets
beseitigt.
Für die Röntgentherapie eignen sich ferner akute Anämie
(70—80 Proz. Besserung der leichteren Fälle), Gelenkrheumatismus,
Neuralgie. Bei Epilepsie und Lungentuberkulose hat das Ver¬
fahren im Stich gelassen.
In Abteilung 18 berichtet Professor Friedrich-Marburg über
„Lungen-Chirurgie“. Bei dem Stande der heutigen Operationstechnik
sind Kavernen und Bronchiektasien der chirurgischen Behandlung
zugänglich. Es läßt sich eine operative Einengung der erkrankten
Lungenpartien herbeiführen. Vereinzelt sind auch Amputationen
erkrankter Lungenteile gemacht. Auch das Emphysem kann chirur¬
gisch behandelt werden. Bei beginnender Lungentuberkulose ist
dagegen äußerste Zurückhaltung geboten. Fortgeschrittene Fälle
mit Kavernenbildung können erfolgreich durch Kompression (Luft-
cinblasung in den Brustraum) der Lunge (Funktionsausschaltung)
zum Stillstand gebracht werden. (Fortsetzung folgt.)
Protokoll über die XXYIII. Sitzung des Vereins
Ostpreußischer Tierärzte zu Königsberg i. Pr.
am 19. Januar 1908 im Sitzungssaale der Landwirtschaftskammcr
für die Provinz Ostpreußen.
Der Vorsitzende, Veterinärrat Dr. M-ehrdorf, eröffnet um
ll 1 /* Uhr die Sitzung mit dem Hinweis darauf, daß infolge des im
Dezember vorigen Jahres erfolgten Eindringens und des schnellen
Umsichgreifens der Maul- und Klauenseuche in Ostpreußen und der
hierdurch bedingten Unabkömmlichkeit der beamteten Kollegen die
schon für den 15. Dezember 1907 anberaumte Sitzung habe ver¬
schoben werden müssen, bis die Hauptgefahr der gefährlichen
Seuche gebrochen war, was erfreulicherweise für den gegenwärtigen
Zeitpunkt zu konstatieren sei.
Alsdann begrüßt der Vorsitzende die 57 an der Zahl erschienenen
Mitglieder und Gäste, darunter den Hauptgeschäftsführer der Land¬
wirtschaftskammer Dr. Tolkichn und eine Anzahl von Militär¬
veterinären der Königsberger Garnison, und bittet den ersteren, dem
Vorsitzenden der Kammer, Herrn Majoratsbesitzer, Landrat a. D.
von Batocki-Blcdau den Dank des Vereins für die Überlassung
des Saales zur Abhaltung der Sitzung übermitteln zu wollen, wobei
er daran erinnert, daß Landwirtschaft und Tierärzte miteinander in
Verfolgung derselben Wirtschaftsziele im engsten Zusammenhänge
bleiben müssen. Die daraus erwachsenden Vorteile liegen auf beiden
Seiten. Dort Sanierung der Tierbestände, hier Hebung des Standes
in sozialer und materieller Hinsicht.
Hierauf weist der Vorsitzende auf die im Landwirtschafts¬
ministerium an maßgebenden Stellen vorgekommenen Personal¬
veränderungen hin, die auch für die Tierärzte von hoher Bedeutung
Beien und nur eine günstige Deutung zuließen.
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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 48.
Die Einführung der amtlichen Zusammenkünfte der beamteten
Tierärzte wäre als ein bedeutender Fortschritt zu bezeichnen. Mit
besonderem Nachdruck hob der Vorsitzende hervor, daß der orsten
Zusammenkunft der beamteten Tierärzte des Regierungsbezirks
Königsberg Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Wilhelm
von Preußen beigewohnt und auch an dem darauffolgenden gemein¬
samen Mittagsmahle teilgenommen hat Einige Tage darauf hätte
auch der Vorsitzende die Ehre gehabt, zusammen mit verschiedenen
Nötabilitäten der Provinz alB Gast Seiner Königlichen Hoheit im
hiesigen Königlichen Schlosse weilen zu dürfen. Die vom
patriotischen Geiste getragene Ansprache des Vorsitzenden schließt
mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf Seine Majestät den
Kaiser und das Kaiserliche Haus.
Hauptgeschäftsfithrer Dr. Tolkiehn übermittelt die Grüße des
Präsidenten der Landwirtschaftskammer, Majoratsbesitzer und
Lnndrat a. D. v. Batocki an die Versammlung und betont, daß
die Kammer den Bestrebungen der Tierärzte stets ihr ungeteiltes
Interesse entgegenbringe, ohne sie dabei in ihrer Selbständigkeit
und beruflichen Tätigkeit irgendwie beeinflussen zu wollen.
Der Vorsitzende bringt alsdann die Beschlüsse der letzten
Versammlung des tierärztlichen Provinzialvereins für Schleswig-
Holstein über die Überwachung der Milchgewinnung und des Ver¬
kehrs mit Milch zur Verlesung und bringt in Anregung, diese
wichtige Materie der allgemeinen Hygiene im Schoße des Vereins
demnächst einer eingehenden Erörterung zu unterwerfen.
Dr. Tolkiehn führt hierzu etwa folgendes aus:
Die Anforderungen der Städte hinsichtlich des Verkehrs mit
Konsummilch an die Hygiene seien zu hoch gespannt. Wollte man
diese in die Praxis umsetzen, so müßten die Milchproduzenten
auch dementsprechend höher bezahlt werden. Gewiß gelinge es in
Musteranstalten, die er besichtigt hätte, den Keimgehalt der Milch
bedeutend herabzusetzen, aber in den landwirtschaftlichen Betrieben
wäre ein solches System geradezu unmöglich und würde auf die¬
selben ruinös wirken.
Da man nun nach entsprechenden Vorgängen im Auslande
auch in Deutschland geneigt sei, ähnliche strenge Vorschriften zu
erlassen, so bitte er die Tierärzte dringend, Bich gleichfalls mit der
brennenden Frage zu beschäftigen und der ganzen Bewegung durch
Beratungen innerhalb des Vereins zu folgen.
Um so mehr sei solches erwünscht, weil die Tierärzte durch
ihre Praxis in die landwirtschaftlichen Betriebe Einsicht erhielten *
und daher auf Grund ihrer täglichen Erfahrungen als kompetente
Gutachter in der Frage anzusehen seien. Nachdem zu derselben
noch der Vorsitzende und einige andere Vereinsmitglieder das
Wort genommen hatten, beschließt die Versammlung, diesen Gegen¬
stand auf die nächste Tagesordnung zu setzen. Als Referenten
werden bestimmt die 'Kreistierärzte Dr. Fischöder-Königsbcrg
und E icke-Rastenburg.
Der Vorsitzende erinnert alsdann an das obsiegende Vorteil,
welches der Zuchtdirektor Marks-Posen gegen die dortige Land¬
wirtschaftskammer in allen Instanzen erlangt hätte und teilt mit,
daß er im Namen des Vereins ihm drahtlich die Glückwünsche des
Vereins übermittelt und umgehend auch drahtlich von Herrn Marks
eine Dankantwort erhalten habe. Hierauf gedenkt der Vorsitzende
der verstorbenen Kollegen Bösenroth-Allenstein und Nothnagel-
Königsberg. Das Andenken der Verstorbenen ehrt die Versammlung
durch Erheben von den Sitzen.
Ihr Fernbleiben von der Sitzung entschuldigt, bzw. Begrüßungs¬
schreiben und Telegramme eingesandt haben:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin, die Veterinärräte: Dr. Felis ch-
Mcrseburg, Dr, Augst ein-Wiesbaden und Bern dt-Gumbinnen;
ferner Ogilvie-Schippenbeil, Lorenz-Lyck, Kegel-Gcrdauen,
Korpsstabsveterinär König und Oberstabsvetcrinär Pankritius
von hier.
Ihren Austritt aus dem Verein haben angemeldet die Kollegen
Bolz und Lin den au, welche nach anderen Provinzen verzogen
sind.
Aufgenommen in den Verein wurden die Tierärzte: Stolla-
Mcmel, Wittstock-Memel, Schmidteben-Wormditt, Lockau-
Postnieken, Ogilvi-Schippenbeil, Kubbich-Friedland u. Herhudt-
Bladiau.
Der Vorsitzende teilt ferner mit, daß sich im letzten Jahre ein
„Verein der Privattierärzte Ostpreußens“ konstituiert habe, dessen
Vorsitzender Tierarzt von Lojewski-Lyck wäre, und bringt den
zwischen dem jungen Verein und ihm stattgehabten Schriftwechsel
zur Verlesung.
Der Vorsitzende spricht den Wunsch aus, daß der neue Verein
keine Kampfesorganisation werden, sondern sich in irgendeiner
Form dem Provinzialverein als Gruppe oder Sektion anschließen
möchte, um so die doch allen Tierärzten gemeinsamen Standes¬
interessen auch gemeinsam und auf diese Weise mit um so
größerem Nachdruck zu vertreten. Dies sei auch zur Hebung des
gegenseitigen Vertrauens der Standesglieder zu einander in hohem
Maße erwünscht; er könne aber nur bedauern, daß der junge Verein
zwecks Durchsetzung von Sonderwünschen bereits vollständig auf
eigene Hand etwas einseitig ins Leben getreten und schon für sich
mit einer Eingabe an den Herrn Minister herangetreten sei. Bei
dieser Sachlage könne die Versammlung in eine Diskussion über
diesen Gegenstand heute nicht eintreten.
Tierarzt Kalcher erklärt als Vertreter des neuen Vereins, daß
dieser in keiner Weise daran denke, sich von dem Provinzialverein
zu trennen, daß er vielmehr seinen Mitgliedern dringend empfehle,
dem Proviuzialverein beizutreten, so weit dies noch nicht geschehen
sei. Diese Erklärung wird von der Versammlung mit besonderer
Genugtuung entgegengenommen, und gibt der Vorsitzende diesen
Empfindungen entsprechend Ausdruck.
Der Vorsitzende teilt ferner mit, daß die in der letzten Sitzung
beschlossene Drucklegung der ohnehin als veraltet und den jetzigen
Verhältnissen nicht mehr angepaßten Satzungen nicht erfolgt sei,
weil inzwischen der oben genannte Verein der Privattierärzte ge¬
gründet und hierdurch auch eine Neuredigierung der Satzungen
bedingt sei und weil mit der baldigen Einrichtung der Tierärzte¬
kammern gerechnet werden müsse, die denselben Effekt haben
würde. Beide Umstände würden daher in absehbarer Zeit eine
wesentliche Abänderung der Satzungen notwendig machen, deshalb
halte er ein Abwarten für kurze Zeit noch als erwünscht.
Veterinärrat Dr* Marks-AJlenstein empfiehlt, die Änderung
der Satzungen nicht hinauszuschicben, sondern diese Frage schon
in der nächsten Sitzung zum Abschlüsse zu bringen. Die Satzungen
müssen so abgefaßt sein, daß sie dem Verein der Privattierärzte in
irgendeiner Form ein Verbleiben im Provinzial verein ermöglichen.
Dr. Marks schlägt vor, eine Kommission zu wählen, welche der
nächsten Versammlung einen Satzungsentwurf vorlegen soll.
Dieser Vorschlag wird einstimmig angenommen und in die
Kommission mit dem Rechte der Kooptation werden gewählt:
Veterinärrat Dr. Mehrdorf-Königsberg, Veterinärrat Dr. Marks-
Allenstcin, Tierarzt Loewenthal-Tapiau als Vertreter der Privat¬
tierärzte und Schlachthofdirektor Maske-Königsberg als Vertreter
der Schlachthoftierärzte.
Zu Punkt 2 der Tagesordnung erstattet der Kassenführer,
Kreistierarzt Völkel-Wehlau, den Kassenbericht. Darnach betrugen
die Einnahmen des letzten Jahres 460,90 M. Die Ausgaben 372,83 M.;
der Gesamtkassenbestand beläuft sich auf 818,20 M.
Nach Prüfung der Rechnungen durch die Veterinärräte Eisen-
blätter-Memel und Stern-Braunsberg wird dem Kassenführer
Entlastung erteilt.
Zu Punkt3 der Tagesordnung hält Kreistierarzt Lü bk e einen
Vortrag über: „Bemerkenswerte Fehlschläge bei der Simultan-
Rotlauf-Schutzimpfung und die Nachprüfung der Rotlaufdiagnosen
durch die zur Entschädigungsleistung verpflichteten Serum-Institute.
Der Redner schildert eingehend das von ihm beobachtete Auf¬
treten der akuten Schweinepest im Anschlüsse an die in zahlreichen
ganz unverdächtigen Schweinebeständen in zwei Ortschaften seines
Amtsbezirkes von einem Tierarzte gegen Rotlauf ausgeführtc
kombinierte Impfung und berücksichtigt hierbei besonders den Zeit¬
punkt des Eintritts der Erkrankung nach der Impfung, die Ursachen,
die klinischen und anatomischen Erscheinungen und den Verlauf
der Impfkrankheit.
Die zur Verwendung gelangten Impfstoffe seien am Tage vor¬
her von dem betreffenden Impfinstitute frisch bezogen. Da an dem¬
selben Tage in andern Orten mit Serum derselben Sendung Schweine
geimpft und gesund geblieben und andere Ursachen des Pest-
26. November 1908. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
ausbruche8 nach allen in Betracht kommenden Verhältnissen aus¬
geschlossen seien, so müsse das Pestvirus der Kulturflüssigkeit an¬
gehaftet haben. Die Richtigkeit dieser Annahme sei dadurch
erwiesen, daß bei den aus ganz ungefährdeter Gegend bezogenen
Schweinen durch Verimpfung der Restkultur in der Untersuchungs¬
stelle der Landwirtschaftskammer die typische Schweinepest hervor¬
gerufen werden konnte.
Indem Redner sich demnächst über die seitherigen Nach¬
prüfungen der tierärztlichen Rotlaufdiagnosen in Hinsicht auf die
an die Impfinstitute gestellten Ersatzansprüche eingehend äußert
und sie als einseitig bemängelt, fordert derselbe eine Vornahme
der Nachuntersuchung durch unparteiische Organe, als welche die
Scrum Lieferungsinstitute nicht angesehen werden könnten.
Wo die Träger der Entschädigung sich nicht bereit fänden, der
letzteren die Gutachten des behandelnden und des beamteten Tier¬
arztes ihre Entschließungen zugrunde zu legen, da dürften nur die
Gutachten der Untersuchungsstellen au den Tierärztlichen Hoch¬
schulen in Berlin und Hannover, das Kaiser Wilhelm-Institut in
Bromberg und die Institute an den Landwirtschaftskammern als
maßgebend erachtet werden.
Dieser Vortrag führt zu einer lebhaften Diskussion.
An Stelle des behinderten Korreferenten, Kreistierarztes Kegel-
Gerdauen, referiert Tierarzt Steiner-Nordenburg über die nach
der Simultanimpfung im Kreise Gerdauen unter den geimpften
Schweinen zahlreicher Bestände an verschiedenen Orten unmittelbar
aufgetretenen Massenerkrankungen an Schweinepest, welche nicht
nur die höheren Verwaltungsbehörden beschäftigt haben, sondern
gegenwärtig noch Gegenstand einer Klage bei den Zivilgerichten
bilde. Er selbst hätte diese Impfungen vorgenommen unter Schweine¬
beständen, in denen niemals vorher die Schweinepest oder eine
dieser ähnliche Erkrankung vorgekommen ist. 5 bis 6 Tage nach
der Impfung wäre unter den Impflingen wie mit einem Schlage die
Schweinepest bei allen Impflingen in der bösartigsten Form auf¬
getreten, und zwar nur unter denjenigen Beständen, die aus ganz
bestimmten Gläsern die Kultureinspritzungen erhalten haben. Wenn
auch bedauerlicherweise die betreffenden Kultären hier bakterio¬
logisch nicht geprüft worden sind, weil die betreffenden Gläser
mit dem restlichen Inhalte ahnungslos unmittelbar nach der Impfung
verbrannt wurden, so Bei doch aus der ganzen Sachlage zweifellos
zu entnehmen, daß sich in einigen zur Verimpfung gelangten Rot¬
laufkulturen Erreger der Schweinepest befunden haben, die den
Ausbruch der Schweinepest nach der Impfung zur Folge gehabt haben.
Dr. Müller, Direktor des bakteriologischen Instituts der Land¬
wirtschaftskammer Königsberg hat die in Galtyerben und Postnicken,
Kreis Königsberg, benutzte Rotlaufkulturflüssigkeit, nach welcher
Schweinepest zur Entstehung gekommen ist, im Laboratorium ge¬
prüft und erstattet auf Grund seiner Untersuchungsergebnisse einen
längeren Bericht, aus dem zweifellos hervorgeht, daß in den Resten
der verimpften Kulturflüssigkeit die Keime der Schweinepest ent¬
halten waren.
Veterinärrat Dr. Mehrdorf-Königsberg hat sich mit den zur
Sprache gebrachten Schweinepestausbrüchen in den Kreisen Gerdauen
und Königsberg amtlich befaßt. In beiden Fällen wäre von den
betreffenden Tierärzten vor und während der Impfung sachgemäß
verfahren und die größte Vorsicht zur Anwendung gekommen.
Nicht nur wären die betroffenen Schweinebestände vor der Impfung
frei von Schweinepest gewesen, sondern die Schweinepest hätte
auch in den betreffenden Gegenden seit Menschengedenken nicht
geherrscht. Ankäufe von Schweinen aus anderen Gegenden hätten
nicht stattgefunden. Nach seinen Ermittlungen sei das Serum an
den Ausbrüchen der Schweinepest unbeteiligt gewesen, denn andere
damit geimpften Schweine seien völlig gesund geblieben. Schuld
daran wäre bestimmt die Rotlaufkulturflüssigkeit gewesen, welche
das Pestgift enthalten hätte. Das gehe nicht nur aus den ganzen
genau festgestellten Umständen hervor, sondern auch aus dem Er¬
gebnisse der Untersuchung der im Kreise Königsberg zur Ein¬
spritzung benutzten Kulturen, welche im Institute der Landwirtschafts¬
kammer zur Ausführung gekommen ist.
Hier wäre die Beweiskette für die Schuld der Kulturen am
Mißerfolge der Impfung vollständig geschlossen.
Kreistierarzt Michalik-Lötzen erwähnt einen Fall, in welchem
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ganz frisch bezogene Rotlaufkulturen vollständig verdorben waren
und beim Öffnen des Glases stanken, so daß sie als unbrauchbar
vernichtet werden mußten.
* Kreistierarzt Dr. Fischöd er-Königsberg hat auch bei der
Prüfung ganz frischer Milzbrandkulturen, die er zur Schutzimpfung
eines Rinderbestandes bezogen hatte, fremde Keime festgestellt
Es waren kleine Coccen, die zu zweien, zu vieren und auch in
Traubenform an einander gelagert waren und sehr lebhafte Eigen¬
bewegung zeigten. Auf Platten wuchsen sie als zahlreiche ganz
kleine, dem bloßen Auge kaum auffallende kreisrunde bzw. spindel¬
förmige schwach grau durchscheinende Rasen. Die Rinder, die mit
den diese Coccen enthaltenden Milzbrandkulturen geimpft worden
sind, zeigten indes nach der Tmpfung keinerlei Störungen der Ge¬
sundheit. Er sieht hierin einen Beweis dafür, daß Reinkultur-
flüssigkeiten sehr wohl durch Keime anderer Art und auch durch
pathogene verunreinigt werden können. Aber das Verhalten der
Coccen kleinen Versuchstieren gegenüber sind die Untersuchungen
noch nicht abgeschlossen.
Kreistierarzt P au lat -Bartenstein hat die Erfahrung gemacht,
daß die Mißerfolge der Rotlaufimpfungen um so größer sind, je
größer der Umsatz in den Serum-Instituten ist. Die Fehlschläge
wären daher wohl nur mit der zeitweiligen Überlastung der Serum-
Institute in Zusammenhang zu bringen. Gar keine Mißerfolge hatte
er bisher nur mit den Mohrunger Impfstoffen gehabt, obwohl er mit
diesen schon über 2000 Schweine geimpft hätte. Hoffentlich bleibt
es so auch bei größerem Umsatz.
Veterinärrat Kleinpaul-Johannisburg, hat in seinem Kreise
große Verluste an Schweineseuche ohne vorhergehende Rotlauf¬
impfung gesehen. Im übrigen hätten die Seruminstitute die Rotlauf¬
fälle in seinem Kreise nach der Impfung sehr prompt bezahlt,
obwohl die Entschädigungen etwa 2000 M. betragen haben.
Kreistierarzt Lübke-Königsberg hat in seinem Kreise dieselben
Erfahrungen bezüglich der Entschädigung gemacht. Er spricht
sich aber dagegen aus, daß den Kreistierärzten die endgültige Ent¬
scheidung in der Entschädigungsfrage übertragen wird. Den Ver¬
sicherungen, die das Geld bezahlen sollen, muß das Recht zu¬
gestanden werden, noch weitere Beweise für die Zahlungspflicht
zu verlangen.
Veterinärrat Eisenblätter-Memel hält die Zuziehung des
Privattierarztes zur amtlichen Feststellung des Rotlaufs durch den
Kreistierarzt für notwendig. Diese beiden Sachverständigen würden
sich denn schon bezüglich der Diagnose einigen. Sollte eine
Einigung nicht zustande kommen, so soll das Gutachten des be¬
amteten Tierarztes für die Entschädigung maßgebend sein, auch in
solchen Fällen, in denen auch die bakteriologische Untersuchung
ein negatives Resultat ergibt.
Kalcher-Lasdehnen hält die bakteriologische Untersuchung
für notwendig, weil man auf Grund des klinischen Bildes und der
Sektion nicht immer eine sichere Diagnose stellen könne.
Kreistierarzt Eike-Rastenburg teilt einen Fall mit, in dem die
Entschädigung nicht gezahlt worden ist, weil es sich um ein Schwein
handelte, welches zur Verlängerung des Schutzes das zweite Mal
nicht mit Serum vorbehandelt, sondern genau nach den Bedingungen
des Impfinstitutes nur mit Kulturen naebgeimpft worden ist.
Veterinärrat Dr. Mehrdorf-Königsberg tritt ebenfalls für die
bakteriologische Nachprüfung der zu entschädigenden Fälle ein.
Die Nachprüfungsstellen dürfen aber nicht zugleich Lieferanten der
Impfstoffe sein und nicht in irgendeinem Abhängigkeitsverhältnis
zu den Serum-Gesellschaften stehen.
Das Ergebnis des Vortrages und der Diskussion faßt der Vor¬
sitzende in folgende Sätze zusammen:
1. Die Schweinepest kann bei der Impfung durch Impfstoffe
insbesondere auch durch Rotlaufkulturen auf gesunde Schweine
übertragen werden, wenn in diesen Stoffen infektionstüchtige Er¬
reger der Schweinepest enthalten sind.
2. Für die Entschädigungsfrage sollen nicht nur die Gutachten
der Zentral-Institute in Berlin, Hannover und Bromberg, sondern
auch die der bakteriologischen Institute der Landwirtschaftskammer
entscheidend sein.
Der zu Punkt 4 der Tagesordnung angesetzte Vortrag des Dr.
Müller über „Die biologisohe Diagnostik der Infektionskrankheiten'‘
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BERLINER TI ERÄ RZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 48.
wird wegen vorgerückter Zeit auf die nächste Versammlung ver¬
schoben. Es findet nur eine Demonstration der für diesen Vortrag
aufgestellten Präparate statt, an welche sich eine Besichtigung des
Institutes unter Führung des Direktors Dr. Müller anschließt
Die nächste Sitzung soll wieder in Königsberg stattfinden.
Wegen der zur Verhandlung stehenden internen Angelegenheiten
des Vereins und wegen der umfangreichen Tagesordnung sollen an
dieser Sitzung nur Tierärzte teilnehmen und das gemeinsame Essen
nach der Sitzung ohne Damen stattfinden.
Der Vorsitzende dankt den Referenten und Rednern des Tages
für ihre Mühewaltung und schließt um 3 Uhr die Sitzung.
Nach der Sitzung vereinigten sich die Mitglieder und Gäste
unter zahlreicher Beteiligung der Damen in den oberen Räumen
des Theaterrestaurants zu einem durch zahlreiche Toaste gewürzten
Mittagsmahle. Hieran schloß sich ein w f ohlgelungenes Tanzkränzchen,
welches die Festteilnehmer bis spät in die Nacht hinein in fröhlicher
Stimmung zusammenhielt
Der Vorsitzende: Der Schriftführer:
gez. Dr. Mehrdorf. gez. Dr. Fischoeder.
Versammlung der beamteten Tierärzte des Begierungs-
bezirks Posen.
Die diesjährige Versammlung der beamteten Tierärzte des
Regierungsbezirks Posen fand am 14. November 1908 im Plenar¬
sitzungssaale der Königl. Regierung zu Posen um 11 Uhr vormittags
statt. Außer den beamteten Tierärzten des Bezirkes nahmen daran
der Herr Regierungspräsident Kr ahm er, sowie die Herren Ober¬
regierungsrat von Mi kusch-Buchberg und Regierungsassessor
Dr. Zorn teil.
Nachdem Herr Regierungspräsident Krahmer die Versammlung
begrüßt und den Vorsitz dem Herrn Departementstierarzt Veterinär¬
rat Heyne übertragen hatte, wurde in die Tagesordnung einge¬
treten, in welcher folgende Punkte zur Verhandlung standen:
1. Die Influenza der Pferde und die zu ihrer veterinärpolizeilichen
Bekämpfung notwendigen Maßnahmen. Referent: Kreistierarzt
Jaco bi-Pieschen. Korreferent: Kreistierarzt. Huth-Same-
2. Die Revisionen der Fleischverkaufsstellen. Referent: Kreis¬
tierarzt Dr. Bartels-Posen.
3. Anderweitige Besprechungen: Veterinärberichte, Viehseuchen¬
statistik, Fleischbeschau usw.
Die Verhandlungen, welche von den Vertretern der Königl.
Regierung mit großem Interesse, auch durch persönliche Teilnahme
in den Diskussionen verfolgt wurden, waren um V*8 Uhr beendet.
Im Anschluß an die Versammlung fand um 3 Uhr im Hotel
Mylius ein gemeinsames Essen der beamteten Tierärzte statt,
welches ebenfalls der Herr Regierungspräsident Krahm er und der
Oberregierungsrat von Mi kusch-Buchberg durch ihre Teilnahme
beehrten. Dr. Bartels-Posen.
Verband der Privattierärzte in Preußen.
Am 6. Dezember hält der Verband eine allgemeine Versammlung
in Berlin ab, die Tagesordnung dürfte in der nächsten Nummer
veröffentlicht werden können. Zahlreicher Besuch ist sehr erwünscht.
Verein der Sehlaohtheftierftrzte Westfalens.
Versammlung am Sonntag, den 13. Dezember 1908, vormittags
lD/a Uhr, zu Hagen i. W. im Logenhause, Elberfelderstraße 46.
Tagesordnung:
1. Geschäftliches und Rechnungslage.
2. Aufnahme neuer Mitglieder.
3. Allgemeine Grundsätze bei Aufstellung einer Wiegeordnung.
Referent: Schlachthofdirektor Clausnitzer-Dortmund.
4. Bakteriologische Fleischuntersuchung. Referent: Tierarzt
Dr. Rüther-Altena.
5. Mitteilungen aus der Praxis.
6. Verschiedenes.
Nach der Versammlung gemeinsames Mittagessen. Gäste sind
willkommen.
Haspe, den 17. November 1908.
Der Vorstand. I. A.: Dr. Kirsten, Schriftführer.
Genossenschaftliches.
Der Umsatz der Wirtschaftsgenossenschaft Deutscher Tierärzte
(E. G. m. b. H.) zu Posen betrug im Oktober 1908 bei 587 Waren¬
ausgängen 15148,19 M. gegenüber 430 Ausgängen im Werte von
11 509,15 M. im Oktober 1907.
Den Reingewinn für 1907/08 beschloß der Vorstand und Auf¬
sichtsrat gemäß Bestimmung der Generalversammlung vom 24. Mai
1908 wie folgt zu verwenden:
a) Verzinsung der Geschäftsanteile der Mitglieder mit 4,8 Proz.
= 1064,40 M.
b) Zum Reservefonds 1600 M. (Bestand 3974,52 M.)
c) Unterstützungsverein für Tierärzte 1000 M.
d) Unterstützungsverein bayrischer Tierärzte 299,10 M.
e) Zur Verfügung der nächsten Generalversammlung 1960,74 M.
Marks-Posen.
Neue Maul- und Klauenseuche-Ausbrüche.
Neue Ausbrüche sind gemeldet aus Groß-Ottlau, Kreis Marien¬
werder, vom 19. November, aus Genschmar, Kreis Lebus (Reg.-
Bez. Frankfurt) vom 21. November, aus Böckum, Kreis Düsseldorf
vom 23. November und aus Weinmüllcrhof, Bezirk Aichach (Ober¬
bayern) vom 18. November.
Personalien.
Auszeichnung: Dem Tierarzt Oelkers zu Wittingen, Kreis Isen¬
hagen, ist der Rote Adler-Orden IV. Kl. verliehen worden.
Ernennungen: Duvinage, Oberveterinär beim Kgl. Marstall in
Berlin, zum Marstall-Stabsveterinär; Veterinärassessor Otto Hock-
Karlsruhe zum Zuchtinspektor für Unterbaden in Heidelberg; die
Tierärzte E. Schüler zum Assistenten am Bakteriologischen Institut
der Landwirtschaftskammer in Bonn, Max Gressd zum Assistenten
am Tierphysiologischen Institut der Kgl. Landwirtschaftl. Akademie
Bonn-Poppelsdorf, Georg Schnotx aus Ansbach zum Schlachthof¬
tierarzt in Ludwigshafen a. Rh. — Versetzt: Kgl. Bezirksti erarxt
Adolf A/lei^r-Homburg auf Ansuchen nach Frankenthal.
Niederlassungen: Die Tierärzte Dr. med. vet. Fri'x Kay »er in
Anlowönen (Ostpr.), Hans Ebert aus Bruckberg in Hof (Saale),
Gottlieb Sauter aus Stuttgart in Sulzfeld (Baden), Jakob Schafliixd
aus Mittelstetten in Hof (Saale), Joseph Zimmermann-Bi^koieVi in
Oberschneiding (Niederbayern), Distriktstierarzt Ottmar Schmidt-
Sünching in Reisbach (Niederbayern). — Verzogen: Die Tierärzte
Dr. Adolf Bittcrich aus Eppingen als bezirkstierärztlicher Assistent
nach Buchen (Baden), Theodor Hügel von Apenrade nach Eilenburg
(Prov. Sachs.), Joseph Maier von Reisbach nach Sünching (Oberpf.).
Promotionen: Die Tierärzte Fritx Bartel und Bernhard May aus
Berlin, JYiedrich Ebhardt , Assistent an der Tierärztlichen Hochschule
Hannover, F. R. i?Afers-Braunschweig, Joseph Aferx-Oberlahnstein
zum Dr. med. vet. in Bern; Erich E. F. Alexander aus Wangerin,
Herbert Turoicski aus Schwentainen, Paul F. E. Knauer aus Tilsit
zum Dr. med. vet. in Gießen; Walter G. Rand , Assistent an der
Tierärztlichen Hochschule Dresden, Gerhard O. L. Hünsd in Dresden,
Gustav E. Mades zum Dr. med. vet. in Leipzig; Bernhard Kobler,
Assistent am Tierspital Zürich zum Dr. med. vet in Zürich.
In der Armee: Abgang: Dem Stabsveterinär Friedrich Reutiter,
Landwehr II. Aufg. (Weilheim) der Abschied bewilligt
Vakanzen.
(Vgl. Nr. 45.)
Schlachthofetelle: Stettin: Bakteriolog. durchgebildeter Tierarzt
mit längerer Schlachthofpraxis. Gehalt 2700 M. Meldungen bis
I, Dezember an den Magistrat.
Besetzt: Stelle am Bakteriolog. Institut der Landwirtschafts¬
kammer in Bonn und die Stelle am Tierphysiolog. Institut der
Königl. Landwirtschaft!. Akademie Bonn-Poppelsdorf.
Verantwortlich fftr den Inhalt («xkl. Inseratenteil): Prot. Dr. 8ebmaHz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard SehoeU ln Berlin. —
Druck roa W. Bttxeustein, Berlin.
Dte „Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ enehetnt
wöchentlich im Verlage ton Richard Schoetz ln
Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 18 Pt für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (Österreichische Post-Zeitungs-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Hk«, fn Petitsats mit
00 Uk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man
an senden an Prof. Dr. 8chmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule* NW., Luisenstrafie 66. Korrektoren,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departements-T. In Cöln.
Dr. Richter
Professor in Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder
Proftssor in Dresden.
Dr. Schlegel
Professor in Frei bürg.
Professor Dr. Peter Veterinärrat Peters Veterinärrat Preuße
Staatstierarzt für Hamburg. Departements-T. in Bromberg. Departements-T. in Danzig.
Dr. J. Schmidt Ober-Reg.-Rat Dr. Vogel Wehrle Zßndel
Professor in Dresden. Landestieraret in München. Kais. Regierangsrat in Berlin. Krelstierarxt in Mülhausen L E.
Helfer
,Schlachtb .-Direktor in Mülhanfen L E.
Dr. H. Sieber
i Tropeninstitut in Hamburg.
Dr. Stödter
Stadt-Tierarzt in Hamburg.
Dr. Zimmermann
Dozent in Budapest
Jahrgang 1908. JW. 49 . Ausgegeben am 3. Dezember.
Inhalt: Loewenthal: Über Atoxyl, mit besonderer Berücksichtigung der damit angestellten experimentellen Tier¬
versuche und dessen bisheriger Anwendung in der Veterinärmedizin. — Holterbach: Aus der Praxis. — Sommer:
Dealin, ein neues Antiseptikum! — Scheffer: Rückfall von Gebärparese bei Kühen. — Leeb: Eigenartige
Milzteilung. — Hillerbrand: Schlimme Erfahrungen mit Suptol Burow. — Piorkowski: Hundestaupeserum Pior-
kowski. — Tagesgeachiohte: Das Aufblühen der österreichischen tierärztlichen Hochschulen. — Krueger: Gehaltsklasscn und
Dienstaltersstufen. — Die Gehälter der Kreistierärzte und die Beamtenbesoldungskommission. — Sitzung der General¬
versammlung des Verbandes der Privattierärzte in Preußen. — Francke: Die 80. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Ärzte in Köln. (Fortsetzung.) — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen: Nevermann: Zur Beschälseuche in Ostpreußen. —
Nahrungsmittelkunde, .Fleischbeschau und Viehhandel: Denkschrift über die Fleischbeschau. — Personalien. — Vakanzen.
Über Atoxyl, mit besonderer Berücksichtigung der
damit angestellten experimentellen Tierversuche und
dessen bisheriger Anwendung in derVeterinärmedizin.
Von Tierarzt Loewenthal-Breslau.
Atoxyl, ein neues Arsenpräparat, ist nach den ersten Ver¬
öffentlichungen Schilds 1 ) einMetaarsensäureanilid(C«H 5 NHA80 2 ).
Es enthält demnach 37,69 Proz. Arsen, also etwa halb so viel,
als die arsenige Säure. Es ist ein weißes geruchloses Pulver von
schwach salzigem Geschmack, das sich in warmem Wasser bis
zu 20 Proz. löst, wovon heim Erkalten etwa 2 Proz. in Gestalt
von wasserhellen Kristallen wieder ausfallen. Die Lösung hat
eine neutrale bis schwachsaure Reaktion und nimmt bei län¬
gerem Stehen eine leicht gelbliche Färbung an. Nach W. L.
Jakimoff 2 ) muß die Lösung bei den geringsten Anzeichen
einer Gelbfärbung durch eine neue ersetzt werden, da die Zer¬
setzung der Atoxyllösung beim Auftreten von Intoxikations¬
erscheinungen eine große Rolle spielt. In Alkohol ist Atoxyl
sehr schwer löslich.
Nach neueren Untersuchungen von Ehrlich 3 ) und Bertheim
ist das Atoxyl das Natronsalz der p. Amidophenylarsinsäore
(NH.jC 6 H 4 A803HNa) mit einem As-Gehalt von 24,1 Proz.
Zernik 4 ) fand bei seinen Untersuchungen, daß der Kristall¬
wassergehalt des Atoxyls Schwankungen unterworfen ist. Das
Handelspräparat enthält ^annähernd 4 Moleküle Krystallwasser
= 23,05 Proz., doch neigt es sehr zum Verwittern und muß
infolgedessen sehr gut verschlossen aufbewahrt werden. Nach
Zerniks Meinung beeinflussen die Schwankungen im Kristall¬
wassergehalt auch den relativen As-Gehalt.
Die toxikologischen Untersuchungen Blumenthals 5 ) über
Atoxyl ergaben, daß dieses Präparat 40—50 mal weniger giftig
wirkt als ’ arsenige Säure, und daß man dem Körper 10 mal
mehr As zuführen kann, als mit arseniger Säure. Nach
Blumeuthal liegt die Hauptwirkung des Atoxyls im Blut, wo
es entweder direkt durch Abspaltung arseniger Säure wirkt
oder auch katalytisch in Funktion treten kann, indem es auf
die, für die Heiluog wichtigen Vorgänge einwirkt. Bei seinen
ersten Versuchen an Kaninchen war bei für die Tiere ungiftigen
Dosen der As des Atoxyls erst nach 30 Stunden nachweisbar,
nur bei giftigen Dosen war er schon erheblich früher zu er¬
kennen. Bei seinen späteren Versuchen fand Blnmenthal noch
nach 16—18 Stunden sehr große Mengen von As im Blut
zirkulieren, während die As-Ausscheidung manchmal schon nach
einer Stunde begann und nach einer einmaligen Dosis von 0,3
bei einem 1V* kg schweren Kaninchen 6 Tage dauerte. Nach
Salkonski zeigte sich nach einer Einspritzung von 0,2 Atoxyl
bei einem Kaninchen erst am zweiten Tage As, während Spuren
noch sieben Tage nachzuweisen waren.
Croner 8 ) und Seligmann erzielten bei ihren Untersuchungen
über das Verhalten des Atoxyls im Körper und die Ansscheidung
von As an Hunden und Menschen ganz andere Resultate als
Blumenthal. Allerdings muß hierbei die von Uhlenhuth 7 ),
Hoffmann, Weidanz, Gonder 8 ) und Yakimoff 2 ) beobachtete
verschiedene Wirkung des Präparates auf die verschiedenen
Tiergattungen berücksichtigt werden. Die Versuche Croners
und Seligmanns ergaben, daß die Hanptmenge des As bei
einmaligen Atoxylinjektionen in den ersten 4—8 Stunden durch
den Urin ausgeschieden war, Spuren von As waren noch nach
22 Stunden vorhanden. Bei wiederholten Injektionen erstreckt
Bich die As-Ausscheidung auf einen längeren Zeitraum. So
schied ein Versuchshand nach drei Atoxylinjektionen noch nach
80 Standen As aus; auch trat hierbei As im Kot auf. Quantitativ
wurde stets eine As-Menge ansgeschieden, die kleiner war, als
die durch Atoxyl eingeführte; gleichviel ob man dasselbe als
Metaarsensänreanilid mit 37,65 Proz. As oder als das Natron¬
salz der p. Amidaphenylarsinsäure mit 24,1 Proz. As-Gehalt
ansprach. Es wurden nur 30—50 Proz. resp. 50—75 Proz. der
eingeführten As-Menge ausgeschieden.
874
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 49.
Die Ursachen der bei Anwendung des Atoxyls in der
Humanmedizin so häufig beobachteten Vergiftungserscheinungen,
die sich in Erblindung, Krämpfen, Magenschmerzen, Durchfällen,
Appetit- und Schlaflosigkeit, Albuminurie, Blasenreizung, Haut-
5demen und Hyperkeratosen äußerten, sind verschiedene:
1. Die Idiosynkrasie gegen Atoxyl;
2. die Inkonstanz dieses Mittels (Zernik 4 ), Rosenthal 5 ’);
3. die Verwendung von zersetzten Lösungen (Helopeau 10 ),
Yakimoff 3 );
4. die unrichtige Dosierung;
5. die kumulative Wirkung ((Lassar 11 ), Hallopeau 10 ),
Dobrowolsky 12 );
6. die unbestimmte Permanenz des Mittels im Organismus und
die Einwirkung von As in unbekannter und unkontrollier¬
barer Menge (Rosenthal 9 );
7. soll nach Hallopeau 10 ) das deutsche Präparat in 80Proz.,
das französische in 17 Proz. der behandelten Fälle In¬
toleranzerscheinungen hervorrufen;
8. sollen kleine und ältere Personen und solche mit Organ¬
fehlern (Hallopeau, Spiethoff 13 ), Schild) und
9. Personen mit starkem Paniculus adiposus empfindlicher
gegen dieses Mittel sein (Rosenthal);
10. Schild, Lassar, Felir 14 ) glaubten, daß durch Abspaltung
des Anilins eine Vergiftung hervorgerufen wurde, was
jedoch Blumenthal durch Versuche mit sehr toxischen
Atoxyldosen widerlegte. Sowohl der klinische wie patho-
logisch-anatomische Befund zeigten nach Blumenthal
eine typische Arsenvergiftung.
Gleich dem As der bereits seit Jahrhunderten in derHuman-
wie in der Veterinärmedizin gegen die verschiedensten Krank¬
heiten, wie Anämie, Leukämie, Hautkrankheiten, parasitäre Er¬
krankungen usw. verwendet wurde, versuchte man jetzt das
Atoxyl bei denselben Krankheiten 15 ). Von den durch tierische
Mikroorganismen erzeugten Krankheiten, war es zuerst die
Malaria, zu deren Bekämpfung der As herangezogen wurde,
nachdem er schon vorher als Volksheilmittel gegen das Wechsel¬
fieber Verwendung gefunden hatte. Erst im Jahre 1904 wurde
dieser Verwendung wieder erneute Beobachtung entgegen gebracht,
indem damals das erste Mal von den Erfolgen der As-Anwendung,
bei den in den Tropen heimischen Trypanosomenerkrankungen
berichtet wurde.
Die günstigen Erfolge englischer und belgischer Forscher
mit Atoxyl bei den durch Protozoen hervorgerufenen Tropen¬
krankheiten, wie auch die erfolgreichen Resultate Kochs mit
diesem Mittel bei Bekämpfung der Schlafkrankheit, veranlaßten,
nach der Entdeckung des Erregers der Syphilis durch Schaudinn,
viele Ärzte des Atoxyl gegen diese Krankheit zu versuchen.
Wenn auch im allgemeinen durch die Atoxylbehandlung
ein günstiger Einfluß auf die Erscheinungen des Syphilis wahr¬
genommen werden konnte, so traten doch, abgesehen von den be¬
obachteten Vergiftungen, fast ausnahmslos Intoleranzerscheinungen
und schädliche Nebenwirkungen bei den Patienten auf, die ein
AusBetzen der Behandlung mit diesem Mittel bedingten.
Nach den bisherigen Erfahrungen mit Atoxyl bei Syphilis
dürfte dieses Mittel seiner starken Giftigkeit wegen, die bisher
erprobten Medikamente gegen diese Krankheit, kaum verdrängen.
In der Veterinärmedizin sind bisher nur verhältnismäßig
wenig praktische Versuche mit Atoxyl gemacht und veröffentlicht
worden, während experimentelle Tierversuche mit Atoxyl, bei
den durch Trypanosomen und Spirochäten hervorgerufenen
Krankheiten der Tiere, schon häufiger angestellt worden sind.
Uhlenhuth 16 ), Groß und Bickel untersuchten die Wirkung
des Atoxyls auf die Trypanosomen der Dourinekrankheit der
Pferde. Diese Parasiten, welche bei Pferden eine chronische
Krankheit erzeugen, töten Mäuse und Ratten in Form einer
ausgesprochenen Blutinfektion, die in zwei bis sechs Tagen
auftritt. Durch gleichzeitige Einspritzung von Atoxyl und des
infizierenden Stoffes, ließ sich der Ausbruch der Krankheit bei
Ratten und Mäusen verhüten. Ebenso gelang es Uhlenhuth,
Groß und Bickel schon erkrankte Tiere durch mehrmalige
Atoxylinjektionen zu heilen. Die Heilung war jedoch nicht
immer eine dauernde. Die nach den ersten Einspritzungen aus
dem Blute verschwundenen Trypanosomen traten zuweilen nach
8 bis 10 Tagen wieder auf, so daß erneute Einspritzungen
gemacht werden mußten. Auch konnten mit dem Blute von
Tieren, die bis zu vier Wochen gesund geblieben waren und bei
denen bei mikroskopischer Untersuchung Parasiten im Blut nicht
mehr nachgewiesen wurden, andere Tiere infiziert werden.
Die Einzeldosis deB Atoxyls betrug bei Ratten 0,02—0,03 g,
bei Mäusen 0,005 g. Bei der Spirillose der Hühner, einer durch
Spirochäten hervorgerufenen Seuche, konnten Uhlenhuth 17 )
und Groß durch Atoxyl den Ausbruch der Krankheit coupieren,
doch die Tiere gegen die Infektion nicht vollkommen schützen.
Das Präparat hemmt die Vermehrung des Parasiten und die
Hühner machen eine latente Krankheit durch, wodurch sie eine
hohe Immunität erwerben. Bei Heilversuchen genügte eine ein¬
malige Dosis von 0,05 Atoxyl, um die Spirochäten in 20 bis
30 Stunden zum Verschwinden zu bringen und schwerkranke
Tiere zu heilen. Nach Uhlenhuth und Groß wird durch
Atoxyl die Bildung von parasitischen Schutzstoffen gesteigert
und beschleunigt, wodurch die Spirochäten geschädigt werden.
Schließlich soll auch noch durch das Mittel eine die Parasiten
vernichtende Phagozytose unterstützt und begünstigt werden.
Die Verfasser fordern eine systematische Atoxylbehandlung
der unter den Pferden Algiers und Nord-Amerikas vorkommenden
Dourinekrankheit und der in Brasilien heimischen Hühnerseuche.
Pli mm er 18 ) und Thomson fanden, daß die Trypanosomen
bei den mit Atoxyl behandelten Ratten unfehlbar wiederkommen.
Der Tod wurde nur eine Zeitlang hinausgeschoben, je nach der
Höhe der gegebenen Dosis. Bei genügender Dosis, 1,0—1,5 ccm
einer 5 proz. Lösung (3—5 Dosen jeden oder jeden zweiten Tag),
wurde selbst bei viermaligem Rückfall die Milz bei der Obduktion
im allgemeinen sehr klein oder nur mäßig vergrößert gefunden.
Eine zu große Dosis hat scheinbar, außer Haarausfall und
schlechter Beschaffenheit der Haare, ein frühes Wiederauftreten
der Trypanosomen zur Folge. Gibt man Atoxyl fortgesetzt und
reichlicher als nötig bei Fällen, bei denen es zu zahlreichen
Rückfällen gekommen ist, so bildet sich bei einigen wenigen
Exemplaren von so behandelten Ratten ein Trypanosomenstamm
aus, der gegen Atoxyl vollkommen unempfindlich ist und sich
ungeachtet fortgesetzter Gaben des Arzneimittels weiter ent¬
wickelt und vermehrt. Impft man diesen Stamm auf frische
Ratten, so behält er seine Unempfindlichkeit dem Atoxyl
gegenüber.
Ehrlich 19 ) konnte einen solchen Stamm bei Mäusen züchten
und nennt ihn „atoxylfest“.
Auch Pli mm er und Thomson kannten eine solche atoxyl-
unempfindliche Trypanosamenspielart bei Ratten in Nagana- und
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
875
_ _3. Dezember 1908.
Surrafällen bekommen. Pli mm er und Thomson räumen zwar
dem Atoxyl einen günstigen Einfluß auf die Trypanosomiasis
ein, doch bestreiten sie einen Dauererfolg durch dieses Mittel;
es traten Rückfälle bis siebenmal auf.
Die hauptsächlichsten Veränderungen bei der Obduktion, der
mit Atoxyl behandelten Ratten, bestanden in Nieren- und Leber¬
degeneration und eiweißhaltigem [Irin.
Weitere experimentelle Tierversuche über die Wirkung
des Atoxyls bei der Dourine-Krankheit der Pferde machten
Uhlenhuth 30 ), Groß und Woithe an Pferden, Hunden,
Kaninchen, Ratten und Mäusen. Durch die Atoxylbehandlung
konnte ein Pferd bedeutend länger am Leben erhalten werden,
als ein Kontrollpferd; eine Dauerheilung ist nach Ansicht der
Verfasser zweifelhaft. Bei Hunden und Ratten ist wegen ihrer
Intoleranz gegen Atoxyl eine Dauerheilung ausgeschlossen. Ein
therapeutischer Erfolg kann nur bei frühzeitiger Behandlung
genügend große Dosen erzielt werden.
Nach Gonder 21 ) ist Atoxyl als Heil- und Schutzmittel
bei Piroplasmose der Hunde nicht brauchbar. Bei einer Reihe
von Hunden wurde dadurch der Verlauf der Krankheit in keiner
Weise beeinflußt, es schien sogar, als ob die Krankheit eher
gefördert wurde.
Uhlenhuth 27 ), der bei der experimentellen Dourine- und
der Spirillose der Hühner eine ausgesprochene Präventiv- und
Heilwirkung durch Atoxyl festgestellt hatte, berichtet gemein¬
schaftlich mit Hoffmann und Weidanz über die Präventiv¬
wirkung des Atoxyls bei experimenteller Affen- und Kaninchen-
syphilis. Bei keinem vom Tage der Infektion ab behandelten
Tiere, zeigten sich Primareffekte. Bei 40—50 mit syphilistischem
Material intraokulär geimpften Kaninchen, traten bei gleich¬
zeitiger intravenöser Atoxylbehandlung, bei keinem Tier eine
spezifische Keratitis oder Knötchenbildung der Iris auf. Es
wurden bei der ersten Injektion 0,5 einer lOproz. Lösung, bei
der zweiten 0,08 bei der dritten und den folgenden Injektionen
0,1 jeden vierten Tag eingespritzt.
von Eisler-Wien 32 ) ebenso Hey mann 23 ) stellten fest,
daß sich das Atoxyl, wenn es den Tieren gleich nach der
subduralen Injektion mit Virus fixe der Tollwut injiziert wurde,
als vollkommen unfähig erweist, den Ausbruch der Lissa zu
verhindern oder auch nur zu verzögern.
Praktisch wurde das Atoxyl in der Veterinärmedizin bisher
verhältnismäßig selten angewendet.
Korpsstabsveterinär Walthers-Leipzig berichtet über fünf
Fälle von Brustseuche, bei denen Atoxyl subkutan verwendet
wurde. Abgesehen von einem geringen Rückgang der Körper¬
temperatur in der 2. bis 5. Stunde nach der Injektion (0,6—1,1° C)
konnte ein besonderer Einfluß des Medikaments auf den Verlauf
der Krankheit nicht beobachtet werden. Allerdings waren die
dazu benutzten Dosen kaum höher, als die tägliche Maximal¬
dosis beim Menschen. Walther erwähnt noch einen weiteren,
vom Stabsveterinär Rudolph mit täglich steigenden Dosen einer
2 prozentigen Atoxyllösung behandelten Fall von Hämoglobinurie.
Trotz 8 tägiger Behandlung trat am 9. Tage der Exitus letalis
ein, den Rudolph dem Umstand zuschrieb, daß das Atoxyl in
einem ganz hoffnungslosen Zustande zur Anwendung kam.
Distriktstierarzt Dorn 25 )-Markterbach, der das Atoxyl, aller¬
dings in Verbindung mit Sublimat, bei der infektiösen Gehirn-
Rückenmarksentzündung der Pferde in mehreren Fällen angewendet
hatte, konnte einige ermutigende Erfolge bei dieser Krankheit
mit der kombinierten Sublimat-Atoxyltherapie feststellen, die
unbedingt zu weiteren Versuchen bei der infektiösen Gehirn-
Rückenmarksentzündung Veranlassung gaben.
Nach persönlichen Mitteilungen von Veterinärrat Dr.
Fambach-Glauchau und Tierarzt Zeeh-Lichtenstein, welche
das Atoxyl auch bei der Meningitis cerebrospinalis in vielen
Fällen anwendeten, konnte in keinem einzigen Falle auch
nur der geringste Einfluß auf den ^ Krankheitsverlauf beob¬
achtet werden. Zeeh, der bis 3 g Atoxyl täglich intravenös
injizierte, konnte dadurch weder das Fieber herabdrücken, noch
den Appetit beleben, noch auf das Gehirn irgendwelche Ein*
Wirkungen ausüben. Obgleich manche Pferde bis 3 g Atoxyl
täglich erhielten und in 14 Tagen bis zu 20 g sind irgend¬
welche Vergiftungssymptome nie aufgetreten. Ebenso zeigten
sich nach Dr. Fambach trotz großer Dosen Atoxyl bei Sektionen,
außer Darmkatarrhen, keine Erscheinungen, die auf Arsen¬
einverleibung schließen ließen.
Ostertag 26 ) konnte bei zwei Pferden mit infektiöser Anämie
durch subkutane Einspritzungen von 5, 10 und 15 ccm einer
10 prozentigen Atoxyllösung eine auffallende Besserung des
Allgemeinbefindens herbeiführen.
Wenn auch die Atoxyltherapie in der Veterinärmedizin
bisher noch keine großen Erfolge gezeitigt hat, so liegt dies
wohl hauptsächlich an der noch unbekannten Dosierung des
Atoxyls.
Jedenfalls steht fest, daß selbst bei großen Dosen (3 g
pro die intravenös) keinerlei Vergiftungserscheinungen wahr¬
genommen wurden, welche gerade die Anwendung dieses Mittels
in der Humanmedizin illusorisch machen.
Literatur.
1. Schild, Berl. klin. Wochenschr. 1902, Nr. 13.
2. Jakimoff, Deutsche med. Wochenschr/1908, Nr. 15.
3. Ehrlich, Berl. klin. Wochenschr. 1907, Nr. 10.
4. Zernik, Deutsche med. Wochenschr. 1908, Nr. 7.
5. Blumenthal, Medizinische Woche 1902, Nr. 15.
Blumenthal, Medizinische Klinik 1907, Nr. 12.
Blumenthal, Deutsche med. Wochenschr. 1907, Nr. 26.
6. Croner u. Seligmann, Deutsche med. Wochenschr. 1907, Nr.25.
7. Uhlenhuth, Hoffmann, Weidanz, ^Deutsche med. Wochen¬
schrift 1907, Nr. 39.
8. Gonder, Arb. a. d. kaiserl. Gesundheitsamt 1907, Bd. 27, Heft 2.
9. Rosenthal, Berl. klin. Wochenschr. 1908, Nr. 3.
10. Hallopeau, Bullet, de l’acadämie de m6d. 1907, Nr. 23.
Hallopeau, Gazette m£d. de Paris 1907, 15. Juni.
11. Lassar, Berl. klin. Wochenschr. 1907, Nr. 22.
12. Dobrowolski, Praktischeski Wratsch 1907, Nr. 41.
13. Spiethoff, Deutsche med. Wochenschr. 1908, Nr. 6.
14. Fehr, Deutsche med. Wochenschr. 1907, Nr. 42.
15. Maas, Berl. klin. Wochenschr. 1907, Nr. 17.
16. Uhlenhuth, Groß, Bickel, Deutsche med. Wochenschr. 1907,
Nr. 4.
17. Uhlenhuth, Groß, Arb. a. d. kaiserl. Gesundheitsamt 1907,
Bd. 27, Heft 2.
18. PI i mm er u. Thomson, Royal society London, 1907.
29. Ehrlich, Münch, med. Wochenschr. 1907, Nr. 8.
20. Uhlenhuth, Groß, Woithe, Arb. a. d. kaiserl. Gesundheits¬
amt 1907, 27. Bd., 2. Heft.
21. Gonder, Arb. a. d. kaiserl. Gesundheitsamt, ebenda.
22. v. Eisler, Centralbl. f. Bakt. I. Abt., Bd. XLV, Heft 1, S. 71.
23. Hey mann, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. 59.
24. Walther, Berl. tierärztl. Wochenschr. 1908, Nr. 15.
25. Dorn, Tierärztl. Rundschau 1908, Nr. 26 u. 27.
26. Ostertag, Zeitschr. f. Infektionskrankheiten, Bd. III, Heft 1 u. 2.
876
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 49
Aus der Praxis.
Von Tierarzt H. Holterbach-Offenburg.
I. Fremdkörper in der Harnröhre eines Hundes.
Es kamen hier und in der Umgebung in kurzer Zeit
einige Roheitsdelikte an Tieren vor, von denen das nachstehend
verzeichnete vielleicht kasuistisch beachtenswert ist, nicht als
seltenes Beispiel einer Erkrankung, sondern weil sich bei dem
überraschenden Befund die Frage aufdrängte: Ist hier ein
merkwürdiger Zufall im Spiel gewesen, oder hat
menschliche Rohheit wieder einmal an der wehrlosen
Kreatur gesündigt? Ich gebe hier ganz objektiv die Species
facti.
Herr Metzgermeister Bock in Offenburg besitzt einen
8 Jahre alten gelben Rattler von kleinem Schlag und kernfester
Gesundheit; er war, von einigen im Geraufe erhaltenen Bi߬
wunden abgesehen, noch nicht krank; dabei rühmte der Besitzer
die Anhänglichkeit an das Haus und das Mißtrauen gegen
Fremde. Er streunte nicht und hielt sich gewöhnlich im
Pferdestall auf, der in einer kleinen Seitengasse, abseits vom
Geschäft liegt. Am 19. Juni wurde ich gerufen: der Hund
müsse krank sein, da er nicht mehr fresse, keine Ruhe habe I
und sich verkrieche. Der nach vielem Suchen gefundene Hund
ist fieberlos, Athmung klar und ruhig, Bewegung frei, Aus¬
scheidungen angeblich normal. Es wird nichts gefunden als der
anamnetisch als gänzlich mangelnd bezeichnete Appetit und eine
dem Naturell des Patienten sonst fremde Unaufmerksamkeit und
Neigung zum Liegen. Da zurzeit hier die Hundepiroplasmose all¬
gemein verbreitet ist, so lag der Gedanke an diese Seuche sehr
nahe, deren Anfangsstadium ja auch durch Unaufmerksamkeit und
Müdigkeit gekennzeichnet ist und fieberlos verläuft (wenigstens
in unseren Breitegraden!) Ich beschloß also, den weiteren
Verlauf abzuwarten. Bei meiner Untersuchung am nächsten
Tage hatte sich in dem Krankheitsbild nur ein Zug ganz
wesentlich geändert: Der Patient, den es auch jetzt noch in
auffälliger Unruhe treibt, alle Augenblicke einen anderen,
möglichst versteckten Aufenthaltsort zu suchen, fährt, wenn er
zum Gehen gezwungen wird, nach wenigen Schritten mit blitz¬
schneller Bewegung und unter Annahme einer hockenden
Stellung nach dem Penis und beginnt ihn eifrig zu lecken.
Wenn er ruhig in seinem Versteck liegt, leckt er diesen Teil
ebenfalls. Hier muß also der Sitz des Leidens sein.
Das Präputium ist etwas geschwollen, Ausfluß irgend¬
welcher Art fehlt, und Druck, auf diesen Teil ausgeübt, löst
keinen Schmerz aus. Dieser beginnt erst etwa in der Mitte
des Schlauches und erreicht an dessen Grund die höchste Inten¬
sität. Nun konnte auch durch Befragen festgestellt werden,
daß der Hund sich wohl häufig zum Urinieren anstellte, aber
unter lebhaftem Gewinsel trotz aller Anstrengung nur einige
Tropfen lassen konnte. Die Diagnose konnte jetzt nicht mehr
zweifelhaft sein: es handelte sich um einen Verschluß der
Harnröhre durch einen Fremdkörper. Die Operation war un¬
abweisbar. Der Besitzer aber willigte nicht ein, sondern ließ
den Patienten durch Chloroform töten. Die Operation, die intra
vitam versagt wurde, machte ich nun post mortem, unmittelbar
nach dem Chloroformtod. Ich fand in der Urethra eine
Kornähre von ö l / 2 cm Länge!
Daß diese nicht „spontan“ durch die enge Öffnung der
Glans penis eingedrungen sein kann, ist schon durch die Dicke
der Ähre klar bewiesen, abgesehen davon, daß der Hund wohl
selbst das Eindringen, das nicht ohne Schmerz vor sich gehen
kann, unmöglich gemacht hätte. Es kann sich nur um eins der
vielen Roheitsdelikte handeln, die immer zahlreicher werden.
Dealin, ein neues Antiseptikum!
Von W. Sommer, prakt. Tierarzt, Jeßnitz (Anhalt).
Bei der großen Anzahl von antiseptischen Wundmitteln
neueren und älteren Ursprunges wird es dem Praktiker heute
oft schwer, das eine dem anderen hintanzusetzen und anderer¬
seits Versuche mit neuen Präparaten anzustellen!
So wurden mir vor mehreren Monaten von den Dealin-
Werken, Berlin W., Klosterstraße, Proben ihres neuen Desin-
ficiens und Antiseptikums zu Versuchszwecken übermittelt.
Die guten Erfolge mit dem Präparat veranlassen mich zur
Veröffentlichung meines Urteils über Dealin!
Dealin ist ein fast geruchloses, weiß-graues Pulver. Es stellt
einen an trockenen Fettsubstanzen gebundenen hochwertigen
Sauerstoff dar und besiegt infolge dieses hohen Sauerstoffgehaltes
eine stark desinfizierende, adstringierende und intensive Tiefen-
| Wirkung!
Nach den Untersuchungen des Herrn Dr. Piorkowski-
Berlin ist das Dealin dem Jodoform an desinfizierender, Bak¬
terien tötender Kraft bedeutend überlegen!
Bei den verschiedenen Tiergattungen habe ich es mit geradezu
glänzendem Erfolg angewandt!
Bei Pferden mit großen Flächenwunden, Nageltritt, operierter
Brustbeule und vor allem bei alten, schweren Dermatiten der
Fesselbeuge!
Bei Hunden mit Otorhoe, nässendem Ekzem und Panaritium.
Bei einem Ochsen mit einer Stichwunde in das Fesselgelenk.
Zugleich möchte ich noch auf die guten Eigenschaften der
von derselben Firma in Vertrieb gebrachten Dealin-Hufsalbe
und des Dealin-Huffettes hinweisen!
Jedenfalls ist Dealin allen übrigen Wundpulvern höchst
ebenbürtig und für die Praxis sehr zu empfehlen!
Rückfall von Gebärparese bei Kühen.
Von Kreistierarzt A. Scheffer in Grevenbroich.
Die von Herrn Kollegen Wieland in Nr. 41 der B. T. W.
veröffentlichte Beobachtung eines Rückfalls von Gebärparese
bei einer Kuh habe auch ich einige Male machen können. Zwei
derartige Fälle sind mir in Erinnerung geblieben, ich will sie
daher, dem Wunsche des Herrn Kollegen Wieland entsprechend,
hier mitteilen. Der erste Fall betraf eine Kuh des Gutes B.,
zu der ich am 5. November 1900 gerufen wurde. Bei meiner
Ankunft lag das gut genährte Tier, welches frisch melk war,
bewußtlos platt auf der Seite im Stall. Da es sich nur um
sog. Milohfieber handeln konnte, wurde sofort die damals übliche
Kal. jodat.-Infusion in das Euter von mir gemacht. Wie mir
der Besitzer des Tieres später mitteilte, hat sich die Kuh bald
nach der Infusion aufgerichtet und mit erhobenem Kopf und
klarem Blick, wie eine gesunde Kuh dagelegen. Aufgestanden
ist sie allerdings nicht. Diese Besserung hat einige Stunden
gedauert, dann ist das Tier plötzlich wieder umgefallen, worauf
die ängstliche Haushälterin es schnell hat schlachten lassen.
Der zweite Fall betiaf eine Kuh des Müllers K. in H.
Zu diesem Tier wurde ich am 6. Oktober 1903 gerufen und
3. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
877
fand die Kuh, welche am Tage vorher gekalbt hatte, unter den
typischen Symptomen des Milchfiebers bewußtlos im Stall liegend
vor. Die sofort eingeleitete übliche Behandlung hatte den
Erfolg, daß die Kuh am andern Tage wieder vollständig her¬
gestellt war. Am 27. Oktober 1903, also genau drei Wochen
später, wurde ich abermals zu derselben Kuh gerufen und fand
das Tier zu meinem Erstaunen wiederum schwer an Milchfieber
erkrankt vor. Nach der üblichen Behandlung war die Kuh
auch jetzt wieder am andern Tage hergestellt.
Im Anschluß an vorstehende Mitteilung möchte ich bemerken,
daß ich mehrfach Gelegenheit hatte, die typischen Erscheinungen
des Milchfiebers bei hochtragenden Kühen einige Tage bzw.
einige Wochen vor dem Kalben zu beobachten. Auch bei einer
größeren Anzahl von Kühen, welche bereits sechs bis zwölf
Monate melk und nicht trächtig waren, konnte ich dieselben
Erscheinungen feststellen.
Alle diese Tiere wurden durch die übliche Euterbehandlung
innerhalb weniger Stunden hergestellt.
Eigenartige Milzteilung.
• Von Tierarzt Leeb -Wurzen.
An einem Ende Oktober d. J. hier geschlachteten Schweine,
das frisch und munter, zirka % Jahr alt war und 1,80 Ztr.
Schlachtgewicht aufwies, fand ich bei der Fleischbeschau eine
eigenartige Veränderung, Anomalie, der Milz. Wiederholt habe
ich im Laufe der Jahre bei Schlachtschweinen sogenannte
Doppelmilzen, die am Hilus miteinander verwachsen waren, ge¬
sehen; ebenso einmal eine gespaltene Milz; aber eine quer voll¬
ständig in zwei Teile getrennte Milz beobachtete ich zum
ersten Male bei oben bezeichnetem Tiere. Die Milz dieses
Schweines lag, ohne verdreht zu sein, ganz normal und zeigte
keine Zeichen einer Abschnürung und dadurch hervorgerufene
Trennung in zwei Teile. Die beiden Teile waren ungleich lang
und geformt. Der eine Teil war zirka 12 cm lang, zeigte ab¬
gestumpfte Ränder, der andre 8 cm lang, spitz und scharfrandig.
Der Zwischenraum zwischen beiden Milzen betrug 3 cm und
war durch einen Strang des Netzes mit Blutgefäßen überbrückt.
Schlimme Erfahrungen mit Suptol Burow.
Vom Köngl. Bezirkstierarzt N. Hillerbrand-Wasserburg a. Inn.
Unter diesem Titel hat mein Sohn, der Kandidat der Veterinär¬
medizin N. Hillerbrand, einige praktische Erfahrungen in Nr. 46
der B. T. W. veröffentlicht und zwar in meinem Einvernehmen, da
mir zu publizistisch-literarischer Tätigkeit Zeit und Lust mangelt.
Hierauf glaubte Herr Dr. Burow in Nr. 47 des genannten
Blattes Antwort geben zu müssen.
Da ich selbstverständlich für das, was in meinem Auftrag ver¬
öffentlicht wird, die Verantwortung übernehme, bin ich genötigt,
in Kürze auf die rubrizierte Materie zurückzukommen.
Obwohl die Veröffentlichung in Nr. 46 rein objektiv gehalten
war und lediglich Mitteilung von faktischen Vorkommnissen bot,
konnte Herr Dr. Burow in Nr. 47 nicht unterlassen, persönlich
aggressiv vorzugehen und namentlich den Umstand einem scharfen
Tadel zu unterziehen, daß den Mitteilungen von Stallpersonal über
Krankheitserscheinungen ihrer Pfleglinge Glauben beigemessen
wurde. Diesen Umstand als Anlaß zu benutzen, Lehren daran zu
knüpfen, wie sich der Tierarzt bei Verwertung der Anamnese zu
verhalten habe, erscheint nicht gerechtfertigt und müssen darum
diese Lehren auch zurückgewiesen werden.
Was Herrn Dr. Burow veranlaßt hat, aus den schlichten Aus¬
führungen des Artikels in Nr. 46 herauszulesen, daß ich meinen
Sohn glänzen lassen wollte, erscheint schleierhaft, wenn man nicht
annehmen will, daß die gleichzeitige Veröffentlichung von drei
Aufsätzen, die ungünstiges über Suptol berichten, genannten Herrn
in erklärlicher Aufregung veranlaßten, zunächst die ganze Schale
seines Unmutes über den am wenigsten wehrhaften, armen Kandidaten
zu entleeren.
Von einer irrigen Auffassung zu sprechen, daß infolge Ver¬
wendung des Suptol Verschlimmerung und der Tod der geimpften
Tiere eintraten, wäre angesichts der gegebenen nackten Tatsachen
besser unterblieben, denn ohne dem Satze post hoc, ergo propter
hoc zu huldigen, ist die Annahme gerechtfertigt, daß die Ver¬
schlimmerung bei den fraglichen Tieren dem Suptol zuzuschreiben
war, da die gefundenen Sektionsdaten in gleicher Weise an
Hunderten von Tieren wahrgenommen werden, die trotz chronischer
Schweineseuche als relativ fette Schlachtobjekte der Fleischbeschau
unterstehen und wenn unter 12 Tieren, von denen sich keines
krank zeigte, auf Impfung drei verenden, so muß dieser Prozentsatz
(25 Proz.) vom Eigentümer wie Tierarzt immerhin sehr unangenehm
empfunden werden; jedenfalls kann man nicht mehr von „nichts¬
sagenden“ Fällen sprechen. Nachdem ich nunmehr 33 Jahre lang
Praxis ausübe, bin ich auch in der Lage, nichtssagende Fälle von
bedeutungsvollen zu unterscheiden und erlaube mir hiermit derartige
Belehrung dankend abzulehnen.
Übrigens ist durch die Arbeit von Paul Andrejew-Berlin
auch wissenschaftlich der Stab über Suptol gebrochen.
Zum Schluß möchte ich noch auf einen Druckfehler des
Artikels in Nr. 46 hinweisen.
Der Satz: „Die Tiere erhielten der Vorsicht gemäß je 5 ccm
subcut“ muß selbstverständlich heißen: Die Tiere erhielten „der
Vorschrift“ gemäß usw.
Die Spalten vorliegender Zeitschrift werden schon zur Genüge
von Fehde-Artikeln verschiedener Kollegen untereinander ausgefüllt,
so daß Mehrung derselben kaum mehr erwflnschenswert sein dürfte,
und erkläre ich hiermit, auch mich auf weitere Kontroversen nicht
einzulassen, da die objektive Seite der Angelegenheit wohl genügend
behandelt erscheint.
Hundestaupeserum Piorkowski.
Von Dr. Piorkowski.
Zu dem Artikel Hundestaupeserum (Dr. Piorkowski) sehe
ich mich leider veranlaßt, noch einmal das Wort zu ergreifen. Ich
hoffe, in dieser Art zum letzten Male, denn auch mir ist jede Aus¬
einandersetzung persönlicher Art in wissenschaftlichen Zeitungen
unangenehm. Ich tue es auch nur, weil ich einige Ausführungen
des Herrn Dr. Richter rektifizieren muß. Ein Artikel, der sach¬
liche Ausführungen bringen soll, wird, wie ich denke, demnächst
erscheinen.
Zn den Bemerkungen des Herrn Dr. Richter versichere ich
zunächst, daß mir eine sehr große Zahl freiwilliger Zuschriften zu¬
gegangen ist, die sich durchaus belobigend über den Wert des
Serums aussprechen, so daß ich das Verhältnis von 1:60 eher noch
zu niedrig gegriffen habe. Dann meine ich, ist es wohl doch nicht
angebracht, ein Serum* mit dem so scharfen Ausdruck wertlos zu
belegen, noch dazu, wenn man ihm selbst erst kurz vorher vorzüg¬
liche Wirkungen zugeschrieben hat
Einer weiteren, eingehenderen Kritik will ich mich enthalten,
nur möchte ich zu erwägen geben, daß die Abhandlung über
140 Versuche, bei denen nicht einmal die Größe der Injektionsdosen
angegeben worden ist, welche zur Verwendung gelangte, Tempe¬
raturen usw., weder als zweckdienlich noch als exakt bezeichnet
werden kann. Relative Zahlen besagen nichts.
Was die Spezifität des Staupeerregers anlangt, so behalte ich
mir weitere Publikationen vor. Weder Herr Carr6 noch sonst ein
bedeutender Forscher hat meine Kulturen bisher untersucht und
kann also unmöglich die Identität dieses Erregers negieren.
**
878
Tagesgeschichte.
Das Aufblühen der österreichischen tierärztlichen
Hochschulen.
In Österreich haben die Ereignisse an den tierärztlichen
Hochschulen zn einem Fortschritt auf der ganzen Linie geführt,
der allem Anschein nach die österreichischen Hochschulen, von
denen namentlich die Wiener bisher mit so vielen Nöten zu
kämpfen hatte, auf den Gipfel ihrer Entwicklung tragen wird.
Die Einführung des Abiturientenexamens am 31. Dezember 1896
brachte zunächst eine jähe Abnahme der Studentenzahl und
führte auch sonst trotz der Verleihung des Hochschulnamens
nicht zu einer akademischen Entwicklung, nicht einmal zu einer
Sanierung der schwersten Übelstände, weil namentlich in Wien
das Verbleiben unter militärischer Verwaltung und der Fort¬
bestand der veralteten militärischen Organisation die akademische
Entfaltung völlig hinderten. Mit einem Schlage ist das anders
geworden. Die Verleihung des Promotionsrechtes durch Order
vom 5. September 1908 stellt nur einen Teil, wenn auch den
äußerlich wirkungsvollsten, der vollzogenen oder in Vollzug be¬
griffenen Verbesserung dar. Die Verleihung des Rechtes der
Wahl des Rektors,, womit die akademische Verfassung ab¬
geschlossen wird, ist in sichere Aussicht gestellt. In Wien ist
bereits insofern ein Anfang damit gemacht, als die provisorische
Wahl eines Prorektors, des Professors Dr. v. Tschermak,
stattgefunden hat. Vor der definitiven Einführung des
Rektorates wünscht man eine Gleichheit zwischen Wien und
Lemberg herbeizuführen, das einen auf Lebenszeit ernannten
Direktor besitzt. In Preußen sind bekanntlich seinerzeit die
Versuche, eine Gleichheit beider Hochschulen herbeizuführen,
daran gescheitert, daß der auf Lebenszeit ernannte Direktor
der Tierärztlichen Hochschule zu Hannover auf seine Ernennung
nicht verzichtete. In Osteneich scheint man auf einen anderen
Verlauf dieser Angelegenheit zu hoffen.
Von größter Wichtigkeit ist drittens eine Kundgebung des
Reichskriegsministers, Feldzeugmeisters v. Schönaich. Ge¬
legentlich einer Sitzung der Delegation vom 30. Oktober er¬
klärte derselbe nach einer Mitteilung des Tierärztlichen Zentral¬
blattes: Er müsse sich nunmehr entschieden dagegen verwahren,
daß weiter gegen das Reichskriegsministerium in der Veterinär¬
angelegenheit Stimmung gemacht werde; er habe dem Unter¬
richtsministerium jedes Entgegenkommen bewiesen durch den
Vorschlag, das jetzige Grundstück der Hochschule und des
k. k. Militärtierarzneiinstitutes zu verkaufen und mit dem Erlös
eine neue tierärztliche Hochschule zu errichten, die mit der
Armee gar nichts zu tun haben würde. Das ist in der Tat ein
Vorschlag, wie er gar nicht besser gedacht werden kann, und
man kann es verstehen, wenn das Tierärztliche Zentralblatt,
das offenbar die Meinung der österreichischen Tierärzte wieder¬
gibt, und das sich in der Entwicklung der Angelegenheit durch
seine Haltung mannigfache Verdienste erworben hat, dem
Kriegsminister einen fast begeisterten Dank widmet. Man kann
nur hoffen, daß der Vorschlag recht bald ausgeführt werde.
Daß aber auch schon gegenwärtig das Kriegsministerium alten
tierärztlichen Wünschen durchaus entgegenkommt, zeigt sich
aus der Einschränkung des bisherigen militärischen Kommandos
der Tierärztlichen Hochschule, dessen Funktionen sich nur noch
auf die Militärabteilung erstrecken, zeigt sich namentlich in
dem bereits feststehenden Beschluß, daß der älteste Stein des
Anstoßes endlich beseitigt werde, nämlich die Kurschmiede¬
No. 49.
kurse abgeschafft werden sollen, daß der Kurschmied endlich
verschwindet und künftig lediglich Beschlagmeister existieren
werden, die ihre Ausbildung fern von der Hochschule erhalten.
Mit der Durchführung dieser Reform hat das österreichische
Veterinärwesen einen glänzenden, in seiner Wirkung noch gar
nicht zu ermessenden Erfolg errungen. Wie sich aus den ver¬
schiedenen Mitteilungen des Tierärztlichen Zentralblattes ent¬
nehmen läßt, hat sich auch das Professorenkollegiom den
Wünschen der Tierärzte völlig angeschlossen und die Vertretung
der tierärztlichen Interessen in die Hand genommen. Ein im
Vergleich mit früheren Verhältnissen ungemein bezeichnender
Beschluß des Professorenkollegiums soll dahin gehen, künftig
an der Tierärztlichen Hochschule nur solche Privatdozenten zu¬
zulassen, welche als Tierärzte approbiert sind. Dieser Beschluß
ist hinsichtlich seiner Gesinnung sehr anerkennenswert bei
einem Kollegium, das aus Medizinern besteht.
Dem neuerwählten Prorektor Professor v. Tschermak, dem
Physiologen der Wiener Hochschule, spendet das Tierärztliche
Zentralblatt ein hohes Lob. Es bekennt freimütig, daß derselbe
nach Antritt seiner Professur einen ziemlich schweren Stand
gehabt habe, daß es ihm aber gelungen sei, sich allgemeine
Sympathien zu erwerben, namentlich auch dadurch, daß. er die
Interessen der jungen Tiermediziner mit warmem Herzen ver¬
treten habe. Wie weiter mitgeteilt wird, beabsichtigt der Pro¬
rektor die gleichmäßige Zulassung aller an der Hochschule
zugelassenen Korporationen zum Rechte des Tragens von Ab¬
zeichen und Farben. Um die Zulassung sind eingekommen:
sechs deutschnationale Korporationen, drei deutsche Landsmann¬
schaften, vier katholisch-deutsche, eine evangelisch - deutsche,
zwei slavische und eine italienische Korporation. Unter den
430 Studierenden der Hochschule sind 48 Proz. deutscher,
44 Proz. slawischer und 8 Proz. italienischer Nationalität.
Bisher haben die verschiedenen Stämme untereinander erfreulicher¬
weise eine durchaus einträchtige Haltung bewahrt. Nach einer
Mitteilung der Deutschen tierärztlichen Wochenschrift ist die
erste Immatrikulation nach der neuen Hochschulordnung in
besonders feierlicher Weise in Anwesenheit des ganzen Pro¬
fessorenkollegiums vollzogen worden, wobei der Prorektor eine
mit großem Beifall aufgenommene Rede hielt. Die Studenten¬
schaft sang nach der Feier das Gaudeamus.
Die neue Promotionsordnung gibt nach dem Tierärztlichen
Zentralblatt den österreichischen Tierärzten Grund zu allge¬
meiner Befriedigung. Aus dieser Promotionsordnung seien
folgende Bestimmungen mitgeteilt:
Zur Erlangung des Doktorates der Tierheilkunde (Doktor
medicinae veterinariae) ist neben dem tierärztlichen Diplom die
Vorlegung einer wissenschaftlichen Abhandlung sowie die Ablegung
einer strengen Prüfung (eines Rigorosums) erforderlich. Es
soll dadurch der Beweis erbracht werden, daß der Kandidat
auch zu selbständiger wissenschaftlicher Forschung befähigt ist.
Kasuistische Mitteilungen oder kompilatorische Arbeiten sind von
der Annahme als Dissertation ausgeschlossen (§ 1). Für die
Zulassung wird unter anderen Nachweisen das Maturitäszeugnis
verlangt (§ 2, unter Einschränkung dieser Bestimmung durch
§ 11). In dem Gesuch um Zulassung sind ferner zwei veterinär¬
medizinische Fächer zu bezeichnen, in denen der Kandidat außer
dem die Dissertation betreffenden Fache beim Rigorosum geprüft
sein will. Die veterinärmedizinischen Fächer sind in zwei
Gruppen geteilt, und jeder Gruppe muß je ein Fach angehören.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
3._[><>zoinl>or 1908.
Allgemeine naturwissenschaftliche Fächer (Chemie, Physik,
Botanik, Zoologie) sind nicht Prüfungsgegenstand (§ 3). Die
wiederholte Einreichung einer neuen Dissertation im Falle
ungenügenden Ergebnisses ist sogar zweimal zulässig, die Wieder¬
holung des Rigorosums nur einmal.
Der wichtigste Paragraph ist der § 11. Danach können
solche Tierärzte, welche vor Einführung der Universitätsreife für
das tierärztliche Studium das Diplom erlangt haben, auf Antrag des
ProfeBsorenkollegiums vom Unterrichtsminister im Einvernehmen
mit dem Ackerbauminister ausnahmsweise unter Erfüllung aller
sonstigen Bedingungen zur Promotion zugelassen werden.
Die Anerkennung ausländischer Doktorprädikate erfolgt
nach § 14 gemäß derselben Grundsätze, wie sie nach einer
Ministerialverordnung vom 6. Juni 1850 auf alle übrigen Doktor¬
prädikate Anwendung finden; das heißt, der die Anerkennung
Nachsuchende hat sich an das betreffende Professorenkollegium
zu wenden, und nach dessen Beurteilung wird entweder das
Prädikat unbedingt anerkannt oder es wird zur Anerkennung
die Erfüllung bestimmter Leistungen, namentlich die Ablegung
des Rigorosums verlangt.
Der § 11 wird von den österreichischen Tierärzten mit be- j
sonderer Freude begrüßt, weil er auch den nicht im Besitz der
Universitätsreife befindlichen Kollegen die Erwerbung des
Doktorats gestatte und so „ein Zweiklassensystem“ verhindere.
Obwohl man nicht wird zugeben können, daß ein Zweiklassen¬
system dadurch entstehe, daß der eine promoviert und der
andere nicht, kann man doch in die Freude der österreichischen
Kollegen durchaus einstimmen. Auf der einen Seite ist in be¬
gründeten Fällen die Möglichkeit gegeben, von der Universitäts¬
reife abzusehen; auf der andern Seite aber ist auch die ebenso
berechtigte Forderung erfüllt, daß eine solche Befreiung nur
als Ausnahme unter bestimmten Kautelen zugelassen wird.
Wenn in Deutschland das Promotionsrecht der tierärztlichen
Hochschulen endlich zur Einführung gelangt, so wird es ein
berechtigtes Ziel sein, eine solche Ausnahme ebenfalls zu er¬
möglichen. Gewiß werden sich ^die Nächstbeteiligten alle Mühe
geben, eine der österreichischen ähnliche Bestimmung durch¬
zusetzen. Abzuweisen ist nur das hier und da geäußerte Ver¬
langen, daß man auf das Reifezeugnis allgemein verzichten solle
und sogar auf das Promotionsrecht, wenn diese Konzession nicht
gleichzeitig zu erlangen wäre. Schmaltz.
Das Promotionsrecbt der Tierärztlichen Hochschulen.
Von Zeit zu Zeit erscheinen jetzt in den politischen
Blättern kurze Mitteilungen darüber, daß man beabsichtige, den
Tierärztlichen Hochschulen das Promotionsrecht zu verleihen.
Nach der ganzen Fassung stammen diese Mitteilungen nicht aus
tierärztlichen Kreisen, sondern scheinen eher auf Beziehungen
zum Kultusministerium zurückzuführen zu sein. Die Hochschul¬
nachrichten teilen in Nr. 19 mit, daß das Promotionsrecht den
Gegenstand von Beratungen in verschiedenen Bundesstaaten
bilde, daß man aber mehr zur Verleihung dieses Rechtes an
die Tierärztlichen Hochschulen als zum sächsischen System
neige, „was in Hinsicht auf das durchgeführte Maturitätsprinzip
nur zu begrüßen ist“. (Für diese Ansicht sind wir den Hoch¬
schulnachrichten, die überhaupt in dieser Frage den tierärztlichen
Interessen durchaus gerecht geworden sind, sehr dankbar.) Es
gewinnt fast den Anschein, als ob durch diese Mitteilungen die
den Universitäten nahe stehenden Kreise allmählich auf die
879
bevorstehende Einführung des Promotionsrechts der Tierärztlichen
Hochschulen vorbereitet werden sollten. Unseres Wissens haben
in Preußen entscheidende Schritte noch*nicht stattgefunden;
doch darf man die von den Hochschulnachrichten ausgesprochene
Hoffnung teilen.
Mit der Absicht, in naher Zeit diese Frage zu entscheiden,
dürfte es Zusammenhängen, wenn einzelnen Tierärzten, die die
Genehmigung zur Führung eines in der Schweiz erworbenen
Doctor philosophiae nachgesucht haben, seit Monaten keine
Antwort zuteil geworden ist. Man beabsichtigt vielleicht, auch
die Frage der Anerkennung ausländischer Doktortitel bei Tier¬
ärzten allgemein mit der Einführung des Promotionsrechtes zu
lösen. Freilich hat man doch kein Recht, die einzelnen Gesuchs¬
steller allzu lange warten zu lassen, und eben dies mag vielleicht
ein Zeichen dafür sein, daß man sich bald zu einem entscheiden¬
den Schritt entschließt. Schmaltz.
Gekaltsklassen und Dleiistaltersstufen.
Von Kreistierarzt Krucger-Ohlau.
Im Gegensatz zu Herrn Kreistierarzt Schaum keil (B. T.
W. 1908, S. 800) ist in der B. T. W. 1908, S. 825 ausgeführt
worden, daß die Umwandlung der jetzigen drei Gehaltsstufen in
vier gerade für die in mittleren Jahren stehenden Kreistierärzte
vorteilhaft wäre. Das trifft nicht zu.
Ich bin kein hervorragender Rechenkünstler, aber folgende
Aufstellung dürfte Fehler nicht enthalten.
Bei einer Zahl von 472 Kreistierärzten und drei Gehalts¬
klassen sind in jeder 157, bei vier Gehaltsklassen 118 Kreis¬
tierärzte. Bei 1200 M. Mindest-, 3000 M. Höchstgehalt und bei
gleichmäßigem Aufrücken würden die Gehaltssätze bei drei
Klassen 1200, 2100 und 3000 M. betragen, bei vier Klassen
1200, 1800, 2400 und 3000 M.
Bei drei Klassen würden die Kreistierärzte
Nr. 1—157 je 3000 M.
„ 158-314 „ 2100 „
„ 315—472 „ 1200 „ Gehalt beziehen.
Dagegen würden bei vier Klassen die Kreistierärzte
Nr. 1—118 je 3000 M.
„ 119—236 „ 2400 „
„ 237—354 „ 1800 „
„ 355—472 „ 1200 „ p. a. erhalten.
Bei drei Gehaltsklassen hätten die Kreistierärzte
Nr. 119—157 je 3000 M.
„ 158-236 „ 2100 „
„ 237—314 „ 2100 „
„ 315—354 „ 1200 „ p. a. Gehalt.
Bei Einrichtung von vier Klassen würden sich
39 Kreistierärzte (Nr. 119 — 157) um 600 M. verschlechtern,
78
„
( „
158 - 236) „
300 „
verbessern,
78
„
c „
237-314) „
300 „
verschlechtern.
39
11
(..
315-354) „
600 „
verbessern.
Der Kreistierarzt Nr. 236 bildet die Mitte. 78 Nummern
nach oben und nach unten verbessern bzw. verschlechtern sich
um den gleichen Betrag. Daher ist die Annahme, daß sich
gerade die in mittleren Jahren befindlichen Kreistierärzte ver¬
bessern, keine zutreffende. Im Gegenteil verbessern sich 39
junge Kreistierärzte um je 600 M., während sich 39 alte Kreis¬
tierärzte um denselben Betrag verschlechtern.
Will man daher die Gehaltserhöhung hauptsächlich den
älteren Kreistierärzten zuwenden, so muß man so wenig wie
möglich Klassen einrichten und umgekehrt.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
880
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 49.
Jedenfalls sind für die älteren Kreistierärzte drei Gehalts -
klassen annehmbarer, als vier.
In den Kreisen €er Kreistierärzte besteht der Wunsch, daß
vornehmlich die Stellen der älteren Kreistierärzte aufgebessert
werden. Diesem Wunsch ist, wenn ich recht unterrichtet bin,
auch an entscheidender Stelle Ausdruck gegeben worden.
Der Wunsch ist vom Standpunkt der Mehrheit wohl ver¬
ständlich. Der neu in das Amt tretende Kreistierarzt würde
sowohl den Vorteil als auch den Nachteil der Neuregelung er¬
fahren; er würde sowohl die anfängliche Verbesserung um
600 M. als auch die nachträgliche Verschlechterung voraus¬
sichtlich mitmachen. Die Kreistierärzte der Stellen über 315
verspüren aber nur die Verschlechterung um 600 M.
Alle Kreistierärzte sind einig in dem Wunsche, in Zu¬
kunft das Gehalt nach Dienstaltersstufen zu erhalten. Dadurch
würden alle Kreistierärzte die Aussicht erhalten, in das Höchst¬
gehalt auch wirklich eintreten zu können, was jetzt für viele
recht zweifelhaft ist.
Bei Dienstaltersstufen sind die Aufsteigefristen bis zur
Erreichung des Höchstgehaltes ungefähr derart bemessen, daß
Beamte von Erststellen das Höchstgehalt im Alter von etwa
50 Jahren beziehen. Die Lehrer erhalten es schon mit etwa
47 Jahren. Inhaber vorgerückter Stellen erreichen das Höchst¬
gehalt nach 12 Jahren, wie z. B. die Departementstierärzte.
Die Kreistierärzte kommen heute nicht vor 35 Jahren zur
Anstellung, und müßten sie daher bereits nach 15 Dienstjahren
in das Höchstgehalt einrücken. Das wird vielleicht nicht zu
erreichen sein, vielmehr besteht die Wahrscheinlichkeit, daß man
den Kreistierärzten, falls überhaupt Dienstaltersstufen eingerichtet
werden, in Gleichstellung mit ähnlichen Beamtenkategorien die
Aufrückungsfrist auf 18 Jahre festsetzt, so daß sie das Höchst¬
gehalt in einem Alter von etwa 53 Jahren erreichen.
Bei 1200 M. Mindest-, 3000 M. Höchstgehalt, bei 7 Klassen
und 6 Stufen mit gleich hohem Aufstieg würden die Besoldungen
1200, 1500, 1800, 2100, 2400, 2700 und 3000 M. betragen.
Nehmen wir den 1. April 1908 als Anfang der Besoldungs¬
verbesserung an, so würden die am 1. April 1905 angestellten
Kreistierärzte 1500, die am 1. April 1902 angestellten 1800,
die am 1. April 1899 angestellten 2100, die am 1. April 1896
angestellten 2400, die am 1. April 1893 angestellten 2700 und
die am 1. April 1890 angestellten 3000 M. Gehalt beziehen.
Nach unserer Besoldungsliste (Deutscher Vet.-Kal. 1908,
Teil IH, S. 205) würden am 1. April 1908 beziehen:
64 Kreistierärzte
(Nr. 1— 64) je 3000,
zusammen 192 000 M.
40
( „ 65—104) „ 2700,
„ 108 000 „
57
( „ 105 -161) „ 2400,
„ 136 800 „
78
( „ 162—239) „ 2100,
„ 163 800 „
74
( „ 240—333) „ 1800,
„ 133 200 „
57 „
( „ 334—390) „ 1500,
„ 85 500 „
82
( „ 391—472) „ 1200,
„ 98 400 „
472 Kreistierärzte
zusammen 917 700 M.
am 1. April 1911:
104 Kreistierärzte
(Nr. 1—104) je 3000,
zusammen 312 000 M.
57
( „ 105—161) „ 2700,
„ 153 900 „
78
( „ 162—239) ,, 2400,
„ 187 200 „
74
( „ 240-333) „ 2100,
„ 155 400 „
57
( „ 334-390) „ 1800,
„ 102 600 „
82
( „ 391—472) „ 1500,
„ 123 000 „
472 Kreistierärzte
. zusammen 1 034 100 M.
am 1. April 1914:
161 Kreistierärzte (Nr. 1—161) je 3000, zusammen 483 000 M.
78
u
162—239)
„ 2700,
tt
210 600
74
„
240—333)
„ 2400,
„
177 600
57
>>
u
334-390)
„ 2100,
tt
119 700
82
>»
391—472)
„ 1800,
ft
147 600
472 Kreistierärzte zusammen 1138 500 M.
am 1. April 1917:
239 Kreistierärzte (Nr. 1—239) je 3000, zusammen 817 000 M.
74
?>
(„
240-333)
„ 2700,
tt
199 800 „
57
tt
334—390)
„ 2400,
tt
136 800 „
82
tt
u
391—472)
„ 2100,
172 200 „
472 Kreistierärzte zusammen 1 325 800 M.
Wegen des erst vor kurzem erfolgten Revirements des
kreistierärztlichen Personals wird in den 9 Jahren vom 1. April
1908 bis 1. April 1917 der Abgang ein minimaler sein, ab¬
gesehen von den Kollegen, die schon lange auf die Gehalts¬
verbesserung und die damit verknüpfte Pensionierung warten.
Im Durchschnitt dieser 9 Jahre hätten die jetzigen Inhaber
917 700 -f 1 034 100 -f 1138 500 -f 1 325 800 = 4 416 100 : 4 =
1 104 025 M. p. a. bezogen.
Bei Dnrchschnittsgehältem von 2 100 per Stelle würde der
Gesamtbetrag p. a. sich auf 991 200 M. stellen.
Wir bezögen daher bei Dienstalterszulagen mehr 1 104 025—
991 200 = 112 825 M. durchschnittlich p. a. und in den 9 Jahren
1 015 425 M.
Wie aus obigem erhellt, geben Dienstaltersstufen nicht nur
ein größeres Gefühl der Sicherheit, daß man die Höchststufe
erreicht, sondern sie sind pekuniär auch äußerst vorteilhaft, für
die Staatskasse allerdings kostspielig. Jedenfalls verlohnt es
sich, ein derartiges Ziel mit Kraftanstrengung zu verfolgen.
Die Zeit ist sehr günstig, daß kaum eine bessere Gelegenheit
in Zukunft sich finden dürfte. Ist die Besoldungsordnung ge¬
setzlich einmal festgelegt, so wird es schwer fallen, eine Änderung
der Art der Gehaltszahlung zu erzielen, in den nächsten 9 Jahren
wohl überhaupt nicht. Deshalb videant consules.
Übersehen darf indes nicht werden, daß im Jahre UK)8 die
Gesamtheit bei DienstalterBzulagen sich um 991 200—917 700 =
73 300 M. schlechter stehen würde. Dieser Verlust verringert
sich indes derart schnell, daß bereits am 1. April 1911 ein Plus
von 1034 100—991 200 = 42 900 M. vorhanden wäre.
Der Wunsch, Dienstaltersstufen wie fast alle andern
Beamten zu erhalten, ist um so gerechtfertigter, als wir den
WohnungBgeldzu8chuß entbehren müssen, der nach dem neuen
Gesetzentwurf für die Beamten der 4—5 Rangklasse 720—1350M.,
bei den Subalternen 450—810 M. beträgt, von denen sogar 900
bzw. 556 M. pensionsfähig sind.
Ob die Möglichkeit besteht, den neuen Gesetzentwurf, durch
den die bestehenden Bestimmungen über den Wohnungsgeld¬
zuschuß abgeändert werden sollen, auch nach der Seite zu er¬
weitern, daß auch nicht vollbesoldete Beamte den Wohnungs¬
geldzuschuß erhalten können, entzieht sich meiner Beurteilung,
da mir der Text des Gesetzentwurfs nicht zur Verfügung steht.
Jedenfalls sollte der Versuch gewagt werden, vielleicht in Ver¬
bindung mit dem Medizinalbeamtenverein, der bei den Dienst¬
alterszulagen und dem Wohnungsgeldzuschuß ebenso interessiert
ist wie der V. d. B. T.
3: Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
881
Die Gehälter der Kreistierärzte and die
Beamtenbesoldangskommission.
Die Kommission für die preußische Beamtenbesoldungs¬
vorlage bat in einer ihrer letzten Sitzungen beschlossen, das
Durchscbuittsgehalt der Kreisärzte um 600 M. zu erhöhen,
so daß dasselbe 2400 bis 4200 M. betragen soll. Das Wohl¬
wollen ging sogar so weit, daß beantragt wurde, sämtliche
Kreisärzte voll zu besolden mit bis 7200 M., ein erstaunlicher
Antrag, der allerdings abgelebnt wurde. Diese Erhöhung ist
den Kreisärzten an sich wohl zu gönnen; sie hat hat aber eine
höchst ungünstige Nebenwirkung auf die Kreistierärzte. Während
in Bayern die beamteten Ärzte und Tierärzte gleichgestellt
sind, während in Baden der Unterschied sehr erheblich verringert
werden ist, ist in Preußen schon durch die Regierungsvorlage
eine Differenz von 600 M. geblieben, die nunmehr verdoppelt
werden soll. Das ist nicht allein eine gänzlich ungerechtfertigte
Zurücksetzung der Kreistierärzte, sondern es muß auch einen
ungünstigen Einfluß auf die Stellung und die Entwicklung des
tierärztlichen Berufes üben, wenn die Kreistierärzte, statt an
die Kreisärzte heranzurücken, immer weiter hinter ihnen Zurück¬
bleiben. Der Verein beamteter Tierärzte, welcher glücklicher¬
weise gerade seine Jahresversammlung abhielt, hat sofort die
folgende Eingabe an die Kommission gerichtet und überreichen
lassen. Hoffentlich gelingt es, einflußreiche Persönlichkeiten
noch in der Kommission selbst davon zu überzeugen, daß die
Kommission einen Akt der Gerechtigkeit vornehmen muß, indem
sie bei der zweiten Lesung auch die Gehälter der Kreistierärzte
ebenmäßig erhöht. Das ist sicher, daß der ganze tierärztliche
Stand die Erbitterung der Kreistierärzte über diese Behandlung
teilt. Schmaltz.
Berlin, den 29. November 1908.
Eingabe des Vereins beamteter Tierärzte Preußens um Abänderung des
auf sie bezüglichen Teiles der Besoldungsvorlage.
Die Kommission zur Vorberatung der Beamtenbesoldungs¬
vorlage hat eine Erhöhung der Gehälter der nicht vollbesoldeten
Kreisärzte um 600 M. beschlossen. Eine gleiche Erhöhung für
die Kreistierärzte ist nicht beantragt oder beschlossen worden.
Nach dem Regierungsvorschlag blieben die Kreistierärzte um
600 M. im Gehalt hinter den Kreisärzten zurück; wenn die von
der Kommission beschlossene Erhöhung auf die Kreisärzte be¬
schränkt bliebe, so würde der Unterschied sich auf 1200 M.
steigern und bei der Pensionsberechnung infolge Verschiedenheit
der Anrechnung der Nebenbezüge auf 1500 M. anwachsen. Diese
Vergrößerung der Unterscheidung führt für die Kreistierärzte
schwere Nachteile sowohl in pekuniärer, ganz besonders aber
in ideeller Hinsicht herbei.
Wir erlauben uns, die Hauptgründe hierfür in Kürze an¬
zuführen.
Die Stellung des Kreisarztes und des Kreistierarztes ist
immer in Vergleich gestellt worden, was sich aus der engen
Verwandtschaft der beiden Wissenschaften und aus Ähnlichkeit
der dienstlichen Obliegenheiten erklärt. Die bestimmten Be¬
ziehungen beider Beamtenklassen sind historisch erwachsen, und
beide haben z. B. gemeinsam unter dem Gebührengesetz
für Medizinalbeamte gestanden. Die Neufestsetzung der
Gehälter hat in Bayern zu einer völligen Gleichstellung
der Bezirkstierärzte und Bezirksärzte (mit 6000 M. Endgehalt)
geführt und in Baden nur einen geringfügigen Unterschied
^wischen beiden Beamtenklassen bestehen lassen. In Preußen
ist nach der Regierungsvorlage die Unterscheidung eine erheb¬
lichere geblieben. Wenn diese aber nun durch eine einseitige
Erhöhung der Gehälter der Kreisärzte noch vergrößert
werden soll, so kommen dadurch die preußischen Kreistierärzte
in eine ungünstige Lage sowohl gegenüber den Medizinalbeamten
als gegenüber den süddeutschen Kollegen.
Eine Vergrößerung des Abstandes im Gehalt steht im
direkten Widerspruch mit den Fortschritten der Ausbildung wie
der Leistungen der Veterinärbeamten. Für das tierärztliche
Studium wird die Universitätsreife verlangt, die Studiendauer
steht der des Mediziners wenig nach. Die Diensttätigkeit der
Kreistierärzte ist namentlich in den Kreisen des Ostens außer¬
ordentlich groß und wird durch die Novelle zum Viehseuchen¬
gesetz noch bedeutend gesteigert werden; es darf behauptet
werden, daß sie diejenige der Kreisärzte in ihrem Umfang
zum Teil erheblich übertrifft, und daß sie auch an Bedeutung
nicht zurücksteht infolge der Wichtigkeit, welche die
Veterinärpolizei für die Landwirtschaft und die ganze Volks¬
wirtschaft gewonnen hat.
Wenn trotzdem die Kreistierärzte so erheblich hinter den
Kreisärzten zurückgesetzt werden, so ist das nicht nur eine
nicht begründete Benachteiligung der Kreistierärzte, sondern es
drückt den ganzen Beruf und gefährdet den Zugang zu dem¬
selben. Für diesen ist die kreistierärztliche Stellung ent¬
scheidend, weil sie das allgemeine Ziel darstellt. Erscheint da¬
her diese Stellung gegenüber der des Kreistierarztes äußerlich
geringwertiger, so werden sich die Studierenden natürlich lieber
der Medizin zuwenden. Eine Verringerung der Zahl der Tier¬
ärzte würde aber bei der gesteigerten Wichtigkeit der tierärzt¬
lichen Tätigkeit auch in sanitärer Hinsicht, ein allgemeiner
Nachteil namentlich auch für die Landwirtschaft sein.
Für die Gleichstellung der Kreistierärzte mit den Kreis¬
ärzten spricht ferner auch die Gleichartigkeit der Er¬
werbsverhältnisse beider Beamtenklassen. Denn die Kreis¬
tierärzte müssen infolge ihrer dienstlichen Tätigkeit die Privat¬
praxis in vielen Kreisen vollständig, in anderen immer mehr
einschränken oder aufgeben; im Osten können sie dieselben fast
nur noch mit Hilfe von Assistenten aufrecht erhalten, wodurch
natürlich der Ertrag erheblich vermindert wird.
Der vielfach verbreitete Glaube, daß die Kreistierärzte bei
der Ausübung der Privatpraxis irgendwie erhebliche Beträge
erübrigen, ist in das Gebiet der Fabel zurückzuweisen, nachdem
durch statistische Erhebungen feststeht, daß über die Hälfte der
Kreistierärzte gar keine oder nur bis zur Höhe von 1500 M.
reichende Reineinnahmen aus privater Tätigkeit erzielt. Eben¬
so werden die Überschüsse aus den Reisekosten bei der gegen¬
wärtigen Teuerung (Verkehrsmittel) stark überschätzt. Da die
rein dienstliche Tätigkeit der Kreistierärzte umfangreicher ist
als die der Kreisärzte, so ist auch die Beeinträchtigung
in ihrer Praxis größer. Hiernach muß billigerweise auch
ihre Entschädigung bemessen werden.
Endlich zeigen die Erfahrungen die Schwere des kreistier¬
ärztlichen Dienstes nur zu deutlich. Es ist geradezu auffällig,
wieviele Kreistierärzte in verhältnismäßig jungen Jahren sterben.
Infolge der Handhabung der Veterinärpolizei ist der Beruf
des Kreistierarztes zu einem der aufreibensten geworden.
Daß er an den Körper viel größere Anforderungen stellt, als
der des Kreisarztes, ergibt sich aus der Art der Tätigkeit.
Unter diesen Umständen würde es als besonders hart empfunden
***
882
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40.
werden, wenn der Kreistierarzt in seinem pensionsfähigen
Gehalt nm nicht weniger als 1500 M. hinter dem Kreis¬
arzt zurückbliebe, zumal der Kreistierarzt derzeit
erst im Alter von ca. 45 Jahren Pensionsberechtigung
erlangt. Wir wissen, daß der ganze tierärztliche Stand diese
Empfindung der Kreistierärzte teilt. Die Kreistierärzte bitten
daher, sie entweder den Kreisärzten völlig gleichzustellen oder
sofern dies für die Gegenwart nicht erreichbar sein sollte, den in
der Regierungsvorlage vorgesehenen Abstand in Gehalt und Pension
der Kreisärzte und Kreistierärzte keinesfalls zu vergrößern.
Im Aufträge des Vereins beamteter Tierärzte:
Rust, Vorsitzender. Bischoff, Schriftführer.
Versammlung des Vereins beamteter Tierärzte in Preußen.
Der Verein hielt am Sonnabend, den 28. November seine
Jahresversammlung in Berlin ab. Dem ersten Teil der Verhand¬
lungen wohnte Geheimer Oberregierungsrat Schröter bei, der
auch selbst das Wort ergriff. Die Stimmung über den Beschluß
der Beamtenbesoldungs-Kommission kam in einem energischen
Protest zum Ausdruck (s, oben). Von einer Neuwahl des Vor¬
sitzenden wurde abgesehen, der nach dem Ausscheiden des früheren
ersten Vorsitzenden Prof. Peter an dessen Stelle getretene
zweite Vorsitzende Rust vielmehr bis zum Ablauf der Wahl¬
periode als Vorsitzender bestätigt.
Die Tagesordnung war folgende:
1. Jahresbericht.
2. Bericht über Kasse und Unterstützungswesen.
3. Das erneute Erscheinen der Lungenseuche in Preußen und
ihre Bekämpfung. Regierungs- und Veterinärrat Never-
m an n-Berlin.
4. Die Pauschalierung. Huth-Sarne.
5. Neuwahl des Vorsitzenden.
6. Anträge der Mitglieder des Regierungsbezirks Kassel über
Satzungsänderungen (Änderung des Abstimmungsmodus nur
durch Bezirksdelegierte, deren Wahl, Verlegung der Haupt¬
versammlung an andere Provinzialhauptstädte) und Erhöhung
der Gebühren der Kreistierärzte. — Referent wird noch
bestimmt.
7. Besprechung der Resolutionen über Überwachung der Milch¬
gewinnung und des Milchverkehrs. (Bericht der VII. Haupt¬
versammlung Seite 16.) Eingeloitet von Simon-Otterndorf.
8. Beteiligung der Tierärzte an der Landestierzucht. Bartels-
Salzwedel.
Am Sonntag fand ein Vortrag des Geheimrats Dr. Schütz
über Rotzdiagnose statt; auch demonstrierte Veterinärrat
Lorenz-Lyck an einer der medizinischen Klinik der tierärzt¬
lichen Hochschule übersandten kranken Stute die Symptome der
Beschälseuche.
Sitzung der Generalversammlung des Verbandes der
Privattierärzte in Preußen
Sonntag, den 6. Dezember a. c., vormittags 11 Uhr, im
Ratssaale des Kaiserkellers, Berlin W., Friedrichstr. 176—178.
Tagesordnung:
I. Geschäftliches.
1. Jahresbericht.
2. Kassenbericht.
3. Statutenänderung.
a) Soll der Vorstand jährlich oder für die Dauer von
3 Jahren gewählt werden. (Referenten: Dr. Flatten-
Köln, Kalcher-Lasdehnen.)
b) Im § 16 Absatz 4 der Satzungen soll im letzten Satze
auf das Wort „jedoch“ folgen: „falls sie nicht rein
lokaler Natur sind“. § 36 soll auf das Wort „Maßnahmen“
folgen: „ausgenommen in Fällen § 16 Absatz 4.
(Referent: Höxter-Treysa).
Die alte Fassung lautet:
§ 16.
Die Verbandsgruppen haben:
1. Über Aufnahmegesuche von Tierärzten ihres Bezirks nach Ma߬
gabe der §§ 6—7 zu beraten bzw. zu beschließen.
2. Die notwendige Tätigkeit im Interesse des Verbandes innerhalb
ihres Bezirkes nach den Intentionen des Ausschusses auszuüben
(insbesondere auch Führung der Mitgliederliste, Aushändigung der
Mitgliedskarten, Einziehung von Eintrittsgeldern und Umlagen,
Einreichung der Listen und Beiträge nach der vom Ausschuß
beschlossenen Geschäftsordnung, Werbung neuer Mitglieder, Ver¬
teilung von Drucksachen).
3. Über die Angelegenheiten der Privattierärzte in ihrem Bezirk
zu beraten.
4. Bezüglich solcher Angelegenheiten die ihnen erforderlich
erscheinenden Schritte zu tun, entweder durch Anträge an den
Verbandsausschuß oder durch selbständige Maßnahmen. Von
letzteren ist jedoch dem Ausschuß so rechtzeitig Kenntnis zu
geben, daß derselbe sein im § 36 vorgesehenes Recht ausüben kann.
5. Die vom Ausschuß überwiesenen Themata zu beraten.
6. Beratungsgegenstände aufzustellen und dem Ausschuß zur Be¬
schlußfassung oder für die Tagesordnung der nächsten General¬
versammlung zu überweisen.
7. Zur Deckung ihrer Auslagen Umlagen nach § 52 zu erheben.
8. Für ihre Tätigkeit eine Geschäftsordnung zu beschließen.
9. Für ihre Vertretung bei den Generalversammlungen nach Maßgabe
des § 17 Sorge zu tragen.
§ 36.
Der Ausschuß hat ein Vetorecht gegenüber allen Maßnahmen,
mit welchen eine Verbandsgruppe sich an Regierungen und
Provinzial-Verwaltungsorgane wenden will, sowie gegenüber
solchen Kundgebungen einer Gruppe, welche geeignet sind, den
Zusammenhalt und das Einvernehmen im tierärztlichen Stande zu
gefährden (vgl. § 16, 4). Das Veto hat aufschiebende Wirkung
bis zur Entscheidung der nächsten Generalversammlung,
c) Die „Provinzialgruppen* 4 sind selbständige Vereine und
sollen sich als solche bezeichnen. (Referent: Althof-
Betzdorf.)
4. Streichung eines Mitgliedes der Gruppe Rheinprovinz in
der Mitgliederliste. (Referent: Althof-Betzdorf.)
5. Die einzelnen Gruppen sollen unter Angabe der Ziele des
Verbandes (§ 1 der Satzungen:
§ 1 .
Der „Verband der Privattierärzte in Preußen“ bezweckt die
Förderung der besonderen Interessen der Privattierärzte, die
Wahrung des Ansehens der tierärztlichen Kunst, die Verteidigung
und Erweiterung ihres Gebietes und die Aufrechterhaltung der
tierärztlichen Standesehre in der privaten Berufstätigkeit)
den Königlichen Regierungen Kenntnis von dem Bestehen
des Verbandes geben. Ebenso soll der Verband auch dem
Königlicheu Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und
Forsten sein Bestehen anzeigen. (Referenten: Höxter-
Treysa, Meßler-Borken.)
6. Vorstandswahl,
n. Fleischbeschau.
1. Jedem Tierarzt ist die Ergänzungsfleischbeschau nach
§ 7 der Preußischen Ausführungsbestimmungen zu über¬
weisen, sobald derselbe darum einkommt und gegen seine
Person keine Bedenken vorliegen. (Referenten: Dr. Flatten-
Köln, Schulte-Dortmund, Baumhöfener-Minden.)
2.. Die Gebührenzahlung für Ausübung der Ergänzungsfleisch¬
beschau ist einheitlich zu handhaben und ihre Änderung bei
Eisenbahnfahrten anzustreben. (Referenten: Beckedorf-
Krefeld, Kindl er-Canth, Maak-Boxhagen-Rummelsburg.)
3. In Zuschriften darf den tierärztlichen Fleischbeschauem
der Titel „Tierarzt“ nicht vorenthalten werden. Es ist
nicht zulässig, ihnen ohne Angabe von Gründen zu
kündigen oder ihre Absetzung ohne gerichtliches Ver¬
fahren zu verfügen.
Es ist den Privattierärzten mehr als bisher die
Ergänzungsfleischbeschau zu übertragen, sie sind in allen
Fällen der Fleischbeschau bei Anstellungen mehr zu berück¬
sichtigen als die Laien. (Referenten: Höxter-Treysa,
Meßler-Borken.)
3. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
883
4. Bei Einsprüchen gegen Entscheidungen der tierärztlichen
Fleisch- bzw. Ergänzungsfleischbeschauer darf nicht der
dem Privattierarzte konkurrierende Kreistierarzt, sondern
nur der zuständige Departementstierarzt zugezogen werden.
Es ist außerdem eine amtliche Zentralstelle zu bilden,
die bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem tierärzt¬
lichen Fleischbeschauer und dem von der Regierung be¬
stellten Kontrollbeamten endgültig gutachtet. (Referenten:
Baumhöfener-Minden, Höxter-Treysa, Meßler-Borken,
Schulte- Dortmund.)
III. Veterinärpolizei.
1. Es müßte angeordnet werden, daß die Privattierärzte in
von ihnen angezeigten Seuchefällen von der amtstierärzt¬
lichen Untersuchung und Obduktion so zeitig unterrichtet
werden, daß sie diesen Feststellungen beiwohnen können,
wenn es in ihrem und in ihrer Kunden Interesse liegt.
(Referenten: Baumhöfener-Minden, Schulte-Dortmund.)
2. Bei dem Ausbruch von Maul- und Klauenseuche sowie von
Tollwut ist verschiedentlich angeordnet worden, daß die
Untersuchung der zur Ausführung aus dem Sperrgebiete
bestimmten Tiere dem Kreistierarzt Vorbehalten sei. Ent¬
spricht das dem § 59,7 der Bundesratsbestimmungen?
(Referent: Dr. Flatten-Köln.)
Diversa:
1. Die Überwachung der Milchgewinnung und des Verkehrs
mit Milch seitens der Tierärzte. (Referent: Masch-Wilster.)
2. Aussprache über die gegenwärtige Lage und Aussichten
der Tierärzte (Tierärztekammern!) (Referent: Meier-
Ketzin.)
3. Abänderung der Taxe, eventuell unter Zugrundelegung der
Gebührenordnung für Sachsen vom 2 8. 92. (Referent:
Kolbe- Königshütte)
4. In der Kommission zur Beratung über den „Gesetz¬
entwurf betr. die Ausübung der Heilkunde durch nicht
approbierte Personen und den Geheimmittelverkehr“ muß
auch ein Privattierarzt Sitz und Stimme erhalten. (Referent:
K a 1 c h e r - Lasdehnen.)
5. Besprechung der Eingabe des Vereins der Privattierärzte
Ostpreußens vom 7. 12. 07 an den Herrn Landwirtschafts¬
minister. Erklärt sich der Verband mit dieser Eingabe
solidarisch? (Referent: Kal eher-Lasdehnen.)
6. Verlesung eines Schreibens des tierärztlichen Provinzial¬
vereins für Schleswig-Holstein betr. die Gründung eines
Pressebureaus.
Um 5 Uhr: Diner mit Damen im Kaiserkeller, Friedrich¬
straße 176-78. (Um möglichst zahlreiche Beteiligung und tun¬
lichste Voranmeldung bei dem Vorsitzenden wird gebeten.)
Die 80. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Ärzte in Köln
vom 20.—26. September 1908.
Berichterstatter: Kreistierarzt Francke-Köln.
(Fortsetzung.)
Immunisierung gegen Sterbe der Einhufer.
Vortrag von Veterinärrat Rickmann-Höchst in der Abteilung für
Tropenhygiene.
Rickmann berichtet zunächst über die geographische Ver¬
breitung der Sterbe in Südafrika und ist der Ansicht, daß dieselbe
auch weiter äquatorwärts, wohl auch im Norden vorkomme. Exakte,
differential-diagnostische Arbeiten fehlen darüber, speziell Try-
panosomiasen und Piroplasmosen erschweren die Diagnose.
An der Ausarbeitung eines brauchbaren Impfverfahrens haben
Edshington, Theiler, Kuhn, Koch und Rick mann gearbeitet
Heutigen Tags sind Theiler und Rickmann so weit, daß Maul¬
tiere erfolgreich und ohne nennenswerte Verluste immunisiert werden
können, während bei Pferden noch gewisse Schwierigkeiten be¬
stehen, deren Beseitigung jedoch nur eine Frage der Zeit und der
zur Verfügung stehenden Mittel sein kann.
Die Reihenfolge der Empfänglichkeit und besonders der Sterb¬
lichkeit für Sterbe ist Zebra, Esel, Maultier, Pferd. Während z. B.
Esel nur sehr leichtgradig erkranken, aber nicht eingehen nach
künstlicher oder natürlicher Infektion, sterben ca 95—100 Proz.
aller erkrankten Pferde. Zwischen beiden, doch bedeutend näher
dem Pferde, steht das Maultier. Diese Tiere erkranken ausnahmslos
schwer, die Sterblichkeit ist fast die gleiche wie bei Pferden,
jedoch gelingt es bei rechtzeitigem Einsetzen der Therapie (Koffein,
Serum), einen höheren Prozentsatz zu retten. Von anderen Tieren
sind Hunde für das Sterbevirus empfänglich. Dies wurde durch
RUckimpfung von Hunden (Hundepassagen) «auf Einhufer bewiesen.
Rick mann hat verschiedene Wege zur Immunisierung ein¬
geschlagen. Durch Abschwächung des Virus mit chemischen Mitteln
konnte bei Pferden kein Erfolg erzielt werden. Sodann gelang es,
durch Eselpassage eine Abschwächung des Virus für Pferde zu
erzielen, jedoch waren auch hierbei die Impfverluste zu bedeutend.
Allen diesen Anfangsarbeiten lag die Idee der Gewinnung immuner
Pferde zwecks Präparation derselben zu Serumtieren zugrunde.
Als Rickmann durch den Hereroaufstand seine mühevoll ge¬
wonnenen Serumtiere verloren hatte, versuchte er solche Tiere mit
Hilfe eines von Koch vorgeschlagenen Verfahrens zu erhalten.
Pferde wurde mit kleinsten Anfangsdosen Gift behandelt und die
nächst höhem Dosen folgten in Zwischenräumen von 14 Tagen.
Als damit keine Resultate erzielt wurden, gelangte diese von Rick-
mann mit dem Namen der Progressionsimpfung belegte Methode
bei Maultieren zur Anwendung, allerdings in der Modifikation, daß
die Virusverdünnungen mit 1 % wäßriger Karbollösung bereits
einige Zeit vor der subkutanen Injektion hergestellt würden. Auf
diese Weise gelang es ca. 50—60 Proz. der geimpften Maultiere
gegen Sterbe zu immunisieren. Der hohen Impfverluste wiegen
konnte auch diese Methode als für die Praxis verwendbar nicht
angesehen werden.
Immerhin war nun in diesen immunisierten Maultieren die
Grundlage für die Serumtherapie gegeben, indem dieselben durch
allmähliche Steigerung der intravenös gegebenen Virusmengen zu
Serumlieferanten präpariert wurden. Das auf diese Weise erhaltene
mmnn86rum war jedoch nicht bei allen Tieren gleichartig. Be¬
sonders die hämolytischen Eigenschaften w'aren unangenehm. Des¬
halb mußte jedes Serum in vitro und bei einigen Maultieren auf
Freisein von Hämolysinen geprüft werden. Aus Mangel an kleinen,
für die Sterbe empfänglichen Versuchstieren wurde die Wertigkeit
des Immunserums ebenfalls an Maultieren geprüft, indem gleiche
Serum- und Virusmengen verschieden großen Tieren oder in den
gleich großen Tieren verschiedene Impfdosen gegeben wurden. Bei
der Impfung selbst kann Serum und Virus gleichzeitig an örtlich
getrennten Körperstellen (Simultanimpfung) oder zeitlich und eben¬
falls örtlich getrennt (Inkubationsimpfung) verimpft werden. Bei
der Inkubationsimpfung erfolgt die Virusimpfung drei bis vier Tage
der Serumimpfung. Ungefähr 14 Tage nach der ersten, subkutan
ausgeführten Virusimpfung erfolgt eine intravenöse Nachimpfung
mit erhöhter Virusmonge zwecks Festigung und Erhöhung der
Immunität. Rickmann gibt der Inkubationsimpfung vor der
Simultanimpfung den Vorzug, da mit ersterer bessere Reaktionen
ausgelöst w erden und der Grad der Immunität proportional der Impf¬
reaktion zu sein scheint. Außerdem ist zu beachten, daß mit ein¬
wandfreiem, vor allen Dingen nicht hämolytischem Immunserum
bei Erkrankungen von Maultieren infolge natürlicher Infektion und
rechtzeitigem Erkennen der Erkrankung prompt Heilerfolge erzielt
werden konnten.
So erscheint wissenschaftlich und praktisch der Erfolg der
Immunisierungsimpfungen bei Maultieren gesichert Erschwerend
kommen dafür unter anderen Momenten vor allen Dingen Herz¬
schwäche und die latente Piroplasmose in Betracht. Für Pferde
dagegen ist z. Z. noch keine allgemein verwendbare Impfmethode
gefunden. Während bei 100 Maultieren auch ca. 100 gleichartige
Impfreaktionen zu beobachten sind, können bei ebensoviel Pferden
ebensoviel verschiedene Impfreaktionen eintreten und einen letalen
Ausgang bedingen.
Die Ursachen dafür zu erkennen muß weiteren Experimental¬
studien Vorbehalten bleiben.
Im Laufe des Vortrags berichtete Rickmann noch über einige
Beobachtungen und daraus für die praktische Durchführung der
Sterbeimpfungen zu folgernde Verhaltungsmaßnahmen.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 49.
884
Die Immunität nach der natürlich überstandenen Sterbe
schwindet nach einiger Zeit, wenn nicht in jeder Sterbesaison
Gelegenheit zur natürlichen Infektion und Festigung der Immunität
gegeben wird. Die natürlichen Infektionsmöglichkeiten sind ab¬
hängig von dem Aufenthaltsort des Tieres zur Zeit der Sterbe und
von der Schwere der Sterbesaison im allgemeinen. Um Verlusten
durch das allmähliche Ausklingen der Immunität vorzubeugen, ist
speziell bei Impflingen eine alljährliche, künstliche Infektion an¬
geraten. Tiere, welche in sehr sterbereicher Gegend gehalten und
alljährlich den natürlichen Infektionen ausgesetzt sind, erkranken
nach einmaligem Überstehen der Sterbe nicht mehr offensichtlich
daran.
Tiere, welche nach natürlicher Infektion nur an der sog. Dick-
kopfziekte erkrankt waren, können bei späterer Gelegenheit an der
schwereren Form, der sog. Dünnpaardziekte schwer erkranken und
eingehen. Bei den künstlichen Immunisierangsmethoden ist zwischen
subkutaner und intravenöser Infektion ein analoger Unterschied zu
beobachten. Deshalb erscheint als Schluß einer Immunisierung das
Vertragen intravenös verabfolgter Virusmengen erforderlich.
Von Süden nach Norden zu scheinen Theilers Beobachtungen
zufolge Schwankungen oder vielmehr Steigerungen in der Virulenz
des Sterbekontagiums vorzukommen. Deshalb ist bei den Immuni-
sierungBarbeiten das virulenteste Sterbekontagium zu verwenden.
Das Sterbovirus geht in utero von der Mutter auf das Kind
über, wie experimentell erwiesen ist; Fehlgeburt ist allerdings die
Regel, sowie die Mutter bei vorgeschrittener Trächtigkeit an Sterbe
erkrankt. Nach dem Überstehen der Sterbe ist das Blut der
immunen Tiere nicht mehr virulent. Hoch immune, dauernd in
sterbereicher Gegend lebende Eltern bringen immune Kinder zur
Welt. Die Immunität der letzteren schwindet allmählich nach Auf¬
hören des Säugens. Deshalb wird die hochgradige Festigung
gegen Sterbe mit Vorteil während der Laktationsperiode einzusetzen
haben. Dieser Fingerzeig ist besonders für Pferdezucht in sterbe-
armen Gebieten, welche ihren Absatz in sterbereichen Gebieten
suchen, wertvoll. In letzteren selbst erfolgt die weitere Festigung
der vererbten resp. durch die Milch verliehenen passiven Immunität
auf dem Wege der dauernd gegebenen natürlichen Infektionen.
(Schluß folgt.)
Tierärztlicher Zentralverein für die Provinz Sachsen, die Anhaitischen
und Thüringischen Staaten.
Der Vorstand bittet uns, folgende Richtigstellung mitzuteilen:
In Nr. 319 des Magdeburger Generalanzeigers findet sich ein
Referat von unberufener Hand über die am 15. November d. J. in
Magdeburg abgehaltene Generalversammlung des Vereins, welches
in einigen Punkten auf bewußter Unwahrheit beruht, in andern
ungenau ist. Insbesondere ist von einer Besprechung der äußeren
Lage der Tierärzte in jener Sitzung nicht die Rede gewesen, und
die hierüber gemachten Angaben sind frei zu einem bisher nicht
erkennbaren Zweck erfunden. Ebensowenig ist zutreffend,. daß ein
Privatdozent Freytag, welcher weder dem Verein als Mitglied
angehört, noch auch dem Vorsitzenden irgendwie näher bekannt
ist, in eine Diskussion über den Wert der Burow sehen Tuber-
kuloseimmunisation eingetreten sei; derselbe war dem Vernehmen
naeh als Gast anwesend, hat jedoch zu einer sachlichen Diskussion
weder das Wort erbeten noch erhalten. Dies zur Richtigstellung.
Das authentische Protokoll über die Verhandlungen wird, wie
immer, in der Berliner Tierärztlichen Wochenschrift veröffentlicht
werden.
Verband der praktischen Tierärzte im GroBherzogtum Hessen.
1. Generalversammlung
am Sonntag, den 6. Dezember 1908, nachmittags 1 Uhr,
im Hotel „Prinz Heinrich“ zu Frankfurt a. M., Scharnhorststr. 50.
Tagesordnung:
1. Aufnahme neuer Mitglieder.
2. Regelung der Kassengeschäfte.
3. Vorträge mit nachfolgender Diskussion und Beschlußfassung,
a) Referat über das Ergebnis der Fragebogen:
1. Bezüglich der Fleischbeschau (Referent Dr. Lehmann-
Ingelheim).
2. Bezüglich der Rotlaufimpfungen im Anschluß an den Vor¬
trag: „Über die Handhabung des hessischen Rotlauf¬
gesetzes“ (Referent Seigel-Viernheim).
4. Wünsche und Anträge.
5. Mitteilungen aus der Praxis.
Nach Schluß der Verhandlungen gemütliches Beisammensein.
Nachdem nunmehr ein Zusammenschluß der praktischen Tier¬
ärzte im Großherzogtum Hessen, ebenso w r ie es in anderen Staaten
bereits längst geschehen ist, stattgefunden hat, muß es jeder Kollege
als Ehrenpflicht betrachten, nicht allein dem Verbände als Mitglied
anzugehören, sondern auch durch sein Erscheinen und Mitarbeiten
die gedeihliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung unseres
Verbandes fördern zu helfen.
Die Geschäfte in Frankfurt sind am Versammlungstage den
ganzen Tag hindurch geöffnet.
Dr. Lehmann, Vorsitzender. Zipp, Schriftführer.
Zum Kurpfuschergesetz.
Dieser Tage ist im Kultusministerium die wissenschaft¬
liche Deputation für das Medizinalwesen zusammengetreten,
um über den Entwurf des Kurpfuschereigesetzes zu beraten.
Zu diesem Zwecke ist die Deputation um je ein Mitglied der
12 Ärztekammern verstärkt worden. Das Gutachten wird sodann
dem Reichsamt des Innern zur Unterlage für die Vorberatung
des Reichsgesetzes zugehen. Es ist nunmehr, wie auch aus dieser
Mitteilung erhellt, an der Zeit, daß sich auch die tierärztlichen
Kreise mit dieser Materie befassen und, soweit sie hierzu nicht
amtlich Gelegenheit haben, durch den Deutschen Veterinärrat und
eventuell auch durch die Landeszentralvertretungen entsprechende
Eingaben ausarbeiten lassen. (Vgl. Wulff, Brandenburger Ver¬
ein, B. T. W. Nr. 46, S. 835.)
Kommunale Tätigkeit.
In Pleß wurde der Kreistierarzt Veterinärrat Gabbey zum
Stadtverordneten gewählt. (Die Wählbarkeit der Kreistierärzte
ist bekanntlich früher vergeblich angefochten worden.)
Staatsveterinärwesen.
Zur Beschälseuche in Ostpreußen.
Von Nevermann, Reg. und Vet.-Rat im Ministerium für Land¬
wirtschaft, Domänen und Forsten.
Neuerdings ist die Beschälseuche in Ostpreußen aufgetreten.
Damit hat diese seit längerer Zeit in Deutschland erloschene
Seuche für die deutschen Tierärzte ein erhöhtes Interesse verlangt.
Mit Genehmigung des Herrn Ministers veröffentliche ich nach¬
stehend den von mir über den Stand der Krankheit erstatteten
Bericht.
Reisebericht.
In der Zeit vom 26. bis 30. Oktober d. J. habe ich in
Gemeinschaft mit dem Geheimen Regierungsrat Professor
| Dr. Schütz, dem Departementstierarzt Veterinärrat Dr. Marks
' aus Allenstein und den Kreistierärzten Veterinärrat Kleinpaul in
! Johannisburg und Veterinärrat Lorenz in Lyck eine Besichtigung
: der in den Kreisen Lyck und Johannisburg ermittelten beschäl-
■ seuchekranken Pferde, soweit das in dieser Zeit möglich war,
ausgeführt.
Durch unsere Besichtigung ist bestätigt worden, daß in
Ostpreußen die Beschälseuche herrscht. Bis jetzt sind
seuchekranke oder seucheverdächtige Tiere nur in den Kreisen
Lyck und Johannisburg und in dem Landgestüt Rastenburg er¬
mittelt worden. Von diesem Gestüt sind im Anfang Februar d. J.
die vier Hengste Lichtstrahl, Trepow, Ali und Marbod der Station
B. (Kreis Lyck) als Landbeschäler überwiesen worden. Nach
3. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
885
dem Stande der heutigen Ermittelungen kann als feststehend
gelten, daß die Hengste in der ersten Zeit frei von der Seuche
waren. Die von ihnen bis etwa Mitte März gedeckten Stuten
sind bisher sämtlich frei von der Seuche geblieben. Von den
später gedeckten Stuten ist eine größere Zahl erkrankt. Bis
jetzt sind in dem Kreise Lyck 27 Stuten krank und 12 Stuten
seucheverdächtig befunden worden. Von den ansteckungsver¬
dächtigen, d. h. mit den Hengsten der Station B. in Berührung
gekommenen Stuten, sind bis jetzt 95 untersucht worden. 52
ansteckungsverdächtige Stuten sind noch nicht untersucht; drei
Stuten sind verendet, ehe sie untersucht wurden; zwei Stuten
sind vor der Untersuchung verkauft worden. Bei 18 Stuten
ist die Beobachtungszeit von sechs Monaten bereits abgelaufen.
Im Kreise Johannisburg sind bis jetzt von insgesamt 59
ansteckungsverdächtigen Stuten 9 Stuten krank und 6 Stuten
seucheverdächtig befunden. Bei 22 Stuten ist die Beobachtungs¬
zeit schon abgelaufen; eine Stute ist verendet.
Der Hengst Ali ist in der Tierärztlichen Hochschule in Berlin
am 25. Oktober obduziert worden. Die Obduktion ergab Schwund
der Muskulatur der linken Kruppe, Schwund des linken Nervus-
ischiadicus, Knorpeldefekt im linken Hüftgelenk, Vergrößerung
mehrerer Lymphdriisen, Ansammlung von Flüssigkeit in den
Rückenmarkshäuten. Im Leben bestand Lahmheit auf dem linken
Hinterschenkel. Der Hengst Marbod ist am 29. v. M. in B.
untersucht, getötet und obduziert worden. Er war nach Ablauf
der Deckzeit dem Herrn von K. auf B. freihändig verkauft
worden. Der Hengst zeigte mäßig guten Nährzustand, Schwanken
im Kreuz, Stolpern und Knickein in den Fesselgelenken.
Die beiden Hengste Lichtstrahl und Trepow wurden am
27. Oktober 1908 durch Geheimrat Schütz und mich im Land¬
gestüt in Rastenburg untersucht. Lichtstrahl zeigte eine flache
Schwellung der Haut am Bauche vor dem Schlauche und eine
Vergrößerung der Lymphknoten über dem Schlauche. Trepow
wies auf jeder Seite der Brustwand etwa in der Mitte zwischen
Wirbelsäule und Brustbein zwei kreisrunde Anschwellungen der
Haut auf. Die Anschwellung links war am Rande stärker, als
in der Mitte, die Haare auf dem angeschwollenen Ringe waren
aufgerichtet, besonders am Rande; ferner zeigte der Hengst an
der rechten Seite des Schweifansatzes eine flache, eiförmige
Quaddel, auf der die Haare aufgerichtet waren. Hiernach ist
dieser Hengst mit Erscheinungen behaftet, wie sie bei der
Beschälseuche vorzukommen pflegen. Das genauere Ergebnis
der Untersuchung der Hengste bitte ich aus den Anlagen I
und II zu ersehen.
Durch die Untersuchung der Stuten, durch Einsichtnahme
in das Deckregister und durch die Verhandlungen mit den
Stutenbesitzern ist erwiesen, daß die kranken Stuten sämtlich
von Hengsten, vielfach von mehreren Hengsten der Station B.
gedeckt sind. Unter diesen kranken Stuten befinden sich aber
Tiere, die nur von je einem dieser Hengste gedeckt sind;
folglich muß jeder der Hengste die Seuche übertragen haben.
Ferner ist ermittelt, daß die von den königlichen
Hengsten gedeckten Stuten zum Teil auch durch Hengste von
Privatpersonen gedeckt worden sind. Bis jetzt ist das fest¬
gestellt bei Tieren des Gutes R., Kreis Johannisburg, und bei
einer Stute des Hengsthalters E. in M. Da in den Kreisen
Johannisburg und Lyck eine Körung für Hengste nicht besteht
nud somit die Zahl der hier stehenden Hengbte den Behörden
nicht bekannt ist, so ist durch die Landräte schleunigst die
Ermittlung aller Deckhengste veranlaßt worden. Die Privat¬
hengsthalter führen in der Regel keine Decklisten; infolge¬
dessen können die von Privathengsten gedeckten Stuten nicht
mit Sicherheit ermittelt werden. Es erscheint daher notwendig,
in den gefährdeten Bezirken der beiden Kreise sämtliche
über drei Jahre alten Stuten alsbald zu untersuchen.
An den kranken Stuten wurden im wesentlichen Abmagerung,
Schwanken im Kreuz, Lähmungen an den Hinterschenkeln und
der Unterlippe, beetförmige, ringförmige und strahlige Taler¬
flecke in der Haut und weiße pigmentlose Flecke in der Um¬
gebung der Scham und des Afters (Krötenflecke) festgestellt.
Daneben bestanden bei einem Teil der Tiere leichte Schwellungen
der Scham, entzündliche Veränderungen der Scheiden- und Uterus¬
schleimhaut, der Schleimhaut der Nasenhöhle, der Oberkiefer¬
höhle, der Stirnhöhle und Schwellung der Lymphdriisen (Kehl-
gangs-, Leisten-, Kniefalten-, Euter- und Schlauchlymphdrüsen).
Übereinstimmend gaben die Besitzer der Stuten an, daß
einige Zeit nach dem Deckakte sich Krankheitserscheinungen an
den Geschlechtsteilen der Stuten gezeigt hätten, nämlich
Schwellung der Scham, „Blasen“, „Geschwüre“, „wunde Stellen“
und Ausfluß aus den Geschlechtsteilen.
Nach einiger Zeit seien diese Erscheinungen verschwunden.
Die Tiere hätten dann einen gesunden Eindruck gemacht.
Mehrere Monate später hätten die Tiere wiederum sich krank
gezeigt; sie seien magerer geworden, hätten Schwanken im
Kreuz, Quaddeln in der Haut und weiße Flecke an den Ge¬
schlechtsteilen gezeigt.
Einzelne Tiere haben schließlich nicht mehr stehen können,
sind niedergefallen, haben nicht mehr aufstehen können und
sind verendet oder getötet worden.
Nach dem gesamten Befunde kann es nicht zweifelhaft
sein, daß die Kreistierärzte in Lyck und Johannisburg die
Seuche richtig als Beschälseuche erkannt haben. Das Ergebnis
der Obduktionen hat gezeigt, daß keine andere Erkrankung
vorliegt.
Zugleich ist aber auch ermittelt worden, daß durch die
Obduktion allein sich die Beschälseuche in der Regel nicht
feststellen läßt.
Das Ergebnis der Untersuchung der einzelnen Tiere bitte
ich aus den Anlagen I und H ersehen zu wollen.
Die Art der Einschleppung der Seuche hat mit Sicherheit
bisher nicht ermittelt werden können. Da die Hengste in der
ersten Zeit des Deekens Stuten nicht infiziert haben, so muß
angenommen werden, daß sie während der Deckzeit durch eine
ihnen zugeführte Stute angesteckt worden sind. Ob den Hengsten
russische Stuten zugeführt sind, wird noch festgestellt. Ob die
Einschleppung der Seuche durch Vermittlung eines Privat¬
hengstes erfolgt ist, wird sich erst beurteilen lassen, wenn die
in den Kreisen Lyck und Johannisburg stehenden Deckhengste
ermittelt und sie sowie die etwa von ihnen gedeckten Stuten
untersucht worden sind. Da Deutschland seit vielen Jahren
frei von Beschälseuche ist, da in den verseuchten Kreisen nur
eine Einfuhr von Pferden aus Rußland besteht und da die Ver¬
schleppung der Beschälseuche anders als durch Pferde ganz un¬
wahrscheinlich ist, so ist die Einschleppung der Seuche aus
Rußland sehr wahrscheinlich.
(Es folgen Vorschläge für die Bekämpfung der Seuche.)
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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 49.
Untersuchungsbefunde.
Anlage I.
I. Landgestüt Rastenburg.
Hengst Lichtstrahl.
Dankelbraun, Stichelhaare, 8 Jahre alt.
An der unteren Seite des Bauches vor dem Schlauche
mehrere flachangeschwollene Stellen in der Haut von der Größe
eines Handtellers. Die Schwellung ist hart, schmerzlos und
setzt sieh in die Unterhaut fort. Die Vorhaut etwas derb, aber
nicht geschwollen. Die Lymphknoten über dem Schlauche
ziemlich groß, nicht empfindlich und derb. Die einzelnen
Lappen haselnußgroß und nicht miteinander verwachsen. Die
Lymphknoten in der Leistengegend und in der Kniefalte von
gewöhnlichem Umfange und weich.
Ernährungszustand gut. Keine erhöhte Empfindlichkeit in
der Haut, namentlich kein Juckgefühl. Haare glatt. Keine
Muskelzuckungen, auch keine Lähmungen. Unter dem Reiter
wird das Hinterteil normal bewegt. Nirgends Muskelschwund.
Der hintere Teil des erigierten Penis schwarz pigmentiert,
der vordere Teil desselben blaßrot und mit schwarzen Flecken
besetzt, die letzteren namentlich reichlich in der Nähe des
schwarzen Abschnittes. In den blaßroten Teilen einige grau¬
weiße Stellen von geringem Umfange. Die Oberfläche des
Penis stellenweise mit schmierigen Massen bedeckt.
Hengst Trepow.
Fuchs, Blässe, drei Füße weiß, 5 Jahre alt.
Auf jeder Seite der Brustwand etwa in der Mitte zwischen
Wirbelsäule und Brustbein zwei kreisrunde Anschwellungen in
der Haut, deren Durchmesser 10 bzw. 12 cm beträgt. Die
Anschwellung ist am Rande stärker als in der Mitte. Die
Haare auf dem angeschwollenen Teile aufgerichtet, besonders
am Rande. An der rechten Seite des Schweifansatzes eine
flache, gleichfalls scharf begrenzte, eiförmige Anschwellung der
Haut, auf der die Haare aufgerichtet sind. Sonst keine Ver¬
änderungen in der Haut. Die fühlbaren Lymphknoten weich,
schmerzlos und von gewöhnlicher Größe. Nur in dem rechten
Unterkieferlymphknoten zwei haselnußgroße weiche Stellen.
Kein Ausfluß aus der Nase.
Eine Veränderung in der Empfindlichkeit der Haut ist
nicht nachzuweisen. Beim Reiten werden die Muskeln regel¬
mäßig bewegt, namentlich auch diejenigen des Hinterteiles.
Alle Muskeln zeigen den natürlichen Umfang; nirgends besteht
Verkleinerung. Der vordere Teil des erigierten Penis ist ganz
gleichmäßig rosarot gefärbt und die Oberfläche desselben
stelllenwei8e mit einer schmierigen Masse bedeckt.
2. Kreis Lyok.
Gemeinde Sa., Besitzer: Gutsbesitzer D.
Von den Bieben Zuchtstuten sind vier in S. von einem
Privatbeschäler und drei von königlichen Hengsten in B. gedeckt
worden. Die von den Privatbeschälern gedeckten Stuten sind
zur Zeit frei von allen verdächtigen Erscheinungen; von den
durch königliche Hengste gedeckten Stuten ist eine 21 Jahre
alte Fuchsstute schwerkrank, eine zweite Fuchsstute zeigt
weiße, pigmentlose Flecke in der Umgebung der Scham und ist
somit seucheverdächtig. Die schwerkranke Fuchsstute zeigt
Abmagerung, Schwanken im Kreuz, eigentümlich tappenden Gang
der Hinterfüße, weiße Flecke an der Scham und geringen Ausfluß
aus der Scham. Dieses Tier wird alsbald getötet. Das Ergebnis
der Obduktion ist unter Nr. 2 der Anlage 2 wiedergegeben.
Gemeinde S., Besitzer: K.
Zwei von den königlichen Hengsten gedeckte Stuten, eine
Fuchsstute und eine braune Stute, fressen angeblich sc ile cht, sind
mäßig gut genährt. Die Fuchsstute soll im Juni d. Js. Quaddeln
in der Haut gezeigt haben und weist jetzt runde weiße, pigment¬
lose Flecke neben der Scham auf. Die Stuten sind im Mai
gedeckt. In der Bewegung bestehen keine Unregelmäßigkeiten.
Gemeinde M., Besitzer: Hengsthalter E.
E. besitzt zwei Hengste; einen Fuchshengst, Belgier, der
am 7. Juni 1908 sich krank gezeigt hat. Der Tierarzt von
Lojewski in Lyck hat damals Bläschenausschlag feBtgestellt.
Am 14. Juni hat der Kreistierarzt Lorenz bei diesem Hengst
in der Abheilung begriffene Erosionen und leichte Schwellung
am Schlauch und am Penis festgestellt. Am 6. Oktober hat,
veranlaßt durch die Beschälseuche-Ermittlungen, der Kreistier¬
arzt Lorenz den Hengst nochmals untersucht und nunmehr
eine unvollkommene Lähmung des Penis ermittelt. Am 14. Oktober
haben Departementstierarzt und Kreistierarzt den Hengst noch¬
mals gemeinschaftlich untersucht und dabei neben der teilweisen
Penislähmung eine Schwellung des linken Nebenhodens fest¬
gestellt. Bei der Untersuchung am 28. Oktober zeigte der
Hengst schlechten Nährzustand, rauhes Haar, unvollkommene
Penislähmung und Schwellung des linken Nebenhodens.
Am 28. Oktober war der zweite Hengst dieses Besitzers
noch frei von verdächtigen Erscheinungen. Am 29. Oktober
zeigte der Besitzer die Erkrankung auch dieses Hengstes an.
Bei unserer Untersuchung am 30. Oktober zeigte der sieben¬
jährige braune Hengst ringförmige Quaddeln auf der Kruppe,
eine strahlenförmige Quaddel an der linken Halsseite, eine
Schwellung des rechten Hodens und Nebenhodens und eine
Mastdarmtemperatur von 38,4° C. Bei der Vorführung einer
Stute zeigte der Hengst keine Lust zum Decken.
Die Stuten des Besitzers E. zeigen zur Zeit keinerlei
Krankheitserscheinungen.
Gut B., Besitzer: v. K.
Hengst Marbod, Fuchshengst, Stern, rechte Hinterkrone
innen weiß, 22 Jahre alt.
Das Tier soll 14 Tage nach Ankunft in B. (Mitte August)
Quaddeln in der Haut gezeigt haben, die etwa 8 Tage
bestehen blieben. An der Innenseite der Hinterschenkel be¬
stehen mehrere Hautabschürfungen, aus der linken Augenlid¬
spalte etwas schleimiger Ausfluß, ebenso geringer schleimig-
wässeriger Ausfluß aus den beiden Nasenlöchern. Die linke
Unterkieferlymphdrüse ist etwas geschwollen, einzelne Lappen
nicht ganz haselnußgroß.
Bei der Bewegung im Schritt bemerkte man leichtes
Schwanken im Hinterteil, besonders deutlich beim Wenden und
einen etwas tappenden Gang, besonders vorn. Die Hinter¬
extremitäten werden nicht ganz regelmäßig hoch gehoben. Das
Tier stolperte mehrfach und zeigte Knickein in den Fessel¬
gelenken. Der Ernährungszustand ist mäßig gut, aber schlechter
als der Nährzustand der übrigen Hengste des Gestüts Rasten-
bnrg. Das Haarkleid ist glatt und glänzend. Die Futter¬
aufnahme soll schlecht sein.
Das Tier wurde an demselben Tage getötet, das Ob¬
duktionsergebnis bitte ich aus der Anlage 2 Nr. 3 zu entnehmen.
Gut B., Besitzer; Gutsbesitzer v. K.
Scheckstute, schwarzgestreift, gedeckt am 5. Mai von Ali,
soll im Juni d. J. Schwellung am Euter gehabt haben, die
3. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
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langsam an Größe zunahm. Die Stute zeigt jetzt ein sehr
großes, derbes Euter und ein vom Euter sich über die untere
Seite des Bauches bis über das Brustbein hin ausdehnende
Schwellung der Haut und Unterhaut, die weich, warm und
empfindlich ist und Fingereindrücke anniramt. Das Tier wird
getötet. Das Ergebnis der Obduktion ist in der Anlage II,
Nr. 4 niedergelegt. Die übrigen Stuten desselben Besitzers
zeigen zur Zeit keine verdächtigen Erscheinungen.
Gemeinde N., Besitzer: Sb.
Braune Stute, ca. 7 Jahre alt, von Trepow am 7., 24. und
31. März und am 7. April gedeckt. Die Schamspalte ist etwas
geöffnet, die sichtbaren Teile der Scheide sind stark gerötet
und geschwollen. Aus der Scheide fließt schleimig-eitrige
Flüssigkeit. Unter dem äußeren linken Darmbeinwinkel besteht
eine Anschwellung der Haut in Größe eines Talers. In der
Sattellage rechts eine ebensolche in der Größe eines Fünfmark¬
stückes, ebenso eine markstückgroße Quaddel an der linken Seite
des Halses. Auf beiden Seiten der Kruppe etwa bleistiftstarke
Stränge in der Haut, die sich verzweigen. Alle Hautstellen sind
schmerzlos. Aus den Nasenöffnungen fließt etwas wäßrig¬
schleimiger Ausfluß, der am Rande der Nasenlöcher zu Krusten
angetrocknet ist. Nasenschleimhaut am Eingang stark gerötet,
die Oberfläche mit einer bräunlichen trockenen Masse bedeckt.
Die Lymphknoten im Kehlgang etwas vergrößert. Es besteht
allgemeine Abmagerung, schwankender Gang im Hinterteil und
eine Mastdarmtemperatur von 39° C. Der Ausfluß aus der
Scheide soll seit der Deckzeit bestehen. Die Stute wurde am
30. Oktober getötet. Das Obduktionsergebnis ist in der Anlage 2
unter Nr. 5 angegeben.
Sb. besitzt außerdem eine schwarzbraune Stute, 4 Jahre,
gedeckt von Ali am 14., 22. und 29. März und 5. April, und von
Marbod am 14. Mai ohne Krankheitserscheinungen, sowie eine
am 9. Juni gedeckte Stute, gleichfalls ohne Krankheitser¬
scheinungen.
Gemeinde B., Gutsbesitzer: H.
Eine Stute ist im Laufe des Sommers angeblich an Hitz-
schlag verendet.
RappBtute mit Stern, 12 bis 13 Jahre alt, gedeckt von
Trepow am 11., 18. und 30. März und von Marbod am 18. und
25. Mai. Das Tier soll Quaddeln gezeigt haben. Die Scheiden¬
schleimhaut ist gerötet, die Schamspalte etwas geöffnet. Bei
der manuellen Eröffnung der Scheide entleert sieb in großer
Menge trübe gelbliche Flüssigkeit. Aus beiden Nasenlöchern
ein geringer wässriger Ausfluß. In der rechten Kehlgangslymph-
drüse ein etwa haselnußgroßer Knoten. Im Augenwinkel etwas
eingetrocknete Absonderungsmasse. Die Konjunktiven etwas
gerötet; die Unterlippe hängt etwas herab. Fibrilläre Zuckungen
in der Unterlippe. Temperatur 38,8° C. Die Stute wurde am
30. Oktober getötet. Das Obduktionsergebnis enthält die
Anlage 2 unter Nr. 6.
FucliBstute mit Stern, linker Hinterfuß hoch weiß, 8 Jahre
alt, gedeckt von Trepow am 8. und 30. März. Ausfluß aus
beiden Nasenlöchern in geringem Grade, der an den Rändern
zu dicken Krusten eingetrocknet ist. Keine Schwellung der
Kehlganglymphdrüsen. Keine Conjunctivitis. An der rechten
Seite der Kruppe eine flache ringförmige Anschwellung von
über Fünfmarkstückgröße, auf dem angeschwollenen Ringe sind
die Haare etwas gesträubt.
Außerdem besitzt H. noch drei Stuten, von denen je eine
von Lichtstrahl, Ali und Marbod gedeckt ist. Diese Tiere sind
bisher ohne Krankheitserscheinungen geblieben.
Gemeinde B., Besitzer: N.
Braune Stute mit Stern, rechter Hinterfuß weißer Ballen,
8 Jahre alt, gedeckt von Trepow am 21. und 28. April d. J.
Es besteht etwas Nasenausfluß, leichte Anschwellung beider
Unterkieferdrüsen, die Schamspalte etwas geöffnet, Scheiden¬
schleimhaut gerötet, die Haut in der Umgebung der Scham
weiß, ohne Pigment.
Gemeinde B., Besitzer: D.
Die Stute ist von Ali am 25. März und von Trepow am
2. und 10. April gedeckt worden. Einige Monate nach dem
letzten Decken (August) soll die Stute mager und schwach
geworden sein, eine geschwollene Scheide, Ausfluß aus der Scham
und Weißfärbung der Scham gezeigt haben. Schließlich hat sie
nicht mehr aufstehen können; der Besitzer hat sie töten lassen.
Gemeinde B., Besitzer: M.
Schimmelstute, 8 Jahre, gedeckt von Ali am 24. Juni und
von Marbod am 30. Juni. Schamspalte wenig geöffnet, Scheiden¬
schleimhaut nicht gerötet, neben der Scheide mehrere weiße,
pigmentlose Flecke, allgemeine Abmagerung.
3. Kreis Johannisburg.
Gemeinde K., Besitzer: Johann M.
Fuchsstute, Blässe, 10 Jahre alt, gedeckt von Ali am
13. und 26. Mai und am 10. Juni.
Kein Nasenausfluß, keine Veränderungen der Unterkiefer-
lymphdrüsen, Scliamspalte etwas gerötet, geringer Ausfluß.
Schleimhaut der Scheide stark gerötet, die Oberfläche mit
schleimiger Masse bedeckt. Das Euter groß und schmerzhaft.
Die Lymphdrüsen an beiden Kniefalten und in der Leistengegend
nicht vergrößert. In der Haut zu beiden Seiten der Scham
weiße Flecke, besonders in der Tiefe der Falten, am unteren
Winkel der Scham ist die äußere Haut in Markstückgröße ganz
weiß. An der linken Halsseite eine halbmondförmige, quaddel¬
artige Anschwellung von Handgroße, auf der die Haare gesträubt
sind. Das Tier geht steif und gespannt im Hinterteil, der
Ernährungszustand mangelhaft.
Gemeinde N., Besitzer: K.
Braune Stute mit Stern, 4 Jahre alt, gedeckt am 17. Mai
von Ali.
Kein Nasenausfluß, Unterkieferlymphdrüsen unverändert,
Schamspalte etwas geöffnet, Schamlippen etwas geschwollen, in
der Haut der Scham mehrere weiße, pigmentlose Flecke,
Schleimhaut der Scheide gerötet und geschwollen, die Oberfläche
mit etwas Schleim bedeckt. Nährzustand mittelmäßig; in der
Haut keine Veränderungen. Das Pferd soll im August Krank¬
heitserscheinungen an den Geschlechtsteilen gezeigt haben.
Gemeinde 0., Besitzer: J.
Dunkelfuchsstute mit Stern und strichförmiger Blässe,
8 Jahre alt, gedeckt am 25. April von Ali.
Acht Tage später soll das Tier nochmal gedeckt worden
sein. Dieser Sprung ist im Deckregister nicht eingetragen.
Die Stute ist mager und schwankt im Hinterteil, sie zieht den
linken Hinterfuß leicht schleppend über den Boden und hat seit
zwei Jahren am linken Hinterhufeisen eine große Zehenkappe.
Gemeinde M., Besitzer: J.
Hellbraune Stute, 7 Jahre alt, gedeckt von Lichtstrahl am
25. März, 1., 8., 15., 22. und 29. April, am 4. und 15. Mai. Die
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No. 49.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Stute soll Schwellungen an den Geschlechtsteilen und vor
14 Tagen talergroße Flecke in der Haut gezeigt haben. Am
25. Oktober ist durch den Kreistierarzt taumelnder Gang, weiße
Flecke an der Scheide, Schwanken im Kreuz, Rötung der Nasen¬
schleimhaut und dicker gelber Ausfluß aus der Nase festgestellt
worden. Befund am 29. Oktober: Kein Nasenausfluß, keine
Schwellung der Kehlgangslymphdrlisen, Schwellung des Euters
und Schwellung der Haut vor dem Euter, Schamspalte geöffnet,
schleimigeitriger Ausfluß aus der Scheide, Scheidenschleimhaut
stark gerötet, mehrere kleine weiße, pigmentlose Flecke am
oberen Winkel der Scham. Temperatur 39,4° C.
Schwere Störung in der Bewegung des Hinterteils; die
Stute geht breitbeinig und kann die Extremitäten nur schwer
hoch heben; besonders betroffen ist die rechte Hinterextremität.
Das Tier knickt mehrmals zusammen. Der rechte Hinterfuß
wird in der Ruhe nach außen gestellt und wenig belastet.
Das Obduktionsergebnis enthält die Anlage II unter Nr. 7.
Gemeinde S., Besitzer: Sk.
Dunkelbraune Stute ohne Abzeichen, 8 Jahre alt, gedeckt
von Ali und Marbod am 3., 12. und 19. Juni. Nach der An¬
gabe des Besitzers soll das Tier auch von Lichtstrahl gedeckt
worden sein, was im Deckscheine nicht notiert ist.
Schampalte geschlossen, Scham nicht geschwollen, kein
Ausfluß, Scheidenschleimhaut nicht gerötet. Euter normal,
ebenso Kniefalten- und Leistendrüsen. Allgemeine Abmagerung.
Im Schritt werden die Hinterschenkel nur mangelhaft gehoben,
die Hufzehen schleifen etwas über dem Erdboden. Beide Hufe
zeigen am Zehenteil deutliche Abschleifungen.
Gemeinde Groß-R., Besitzer: K.
Rappstute, 13 Jahre alt, ohne Abzeichen, gedeckt von Trepow
am 4., 11., 18. und 25. April.
Aus den Nasenöffnungen kein Ausfluß, Kehlganglymphdrüsen
unverändert. Deutliche Lähmung der Unterlippe. An der
rechten Seite der Brust sechs talerförmige Anschwellungen der
Haut, links zwei ähnliche Anschwellungen, ebenso zwei an der
rechten Halsseite. Die Stute kann nur mit Mühe aus dem
Stalle gebracht werden, sie geht mit gespreizten Hinterbeinen
und knickt während des Gehens im Hinterteil mehrfach ein.
Besonders schwer wird dem Tiere das Wenden. In der Rahe
stellt das Pferd den rechten Hinterschenkel nach außen und
belastet die Extremität sehr wenig. Zeitweise hebt es den
rechten Hinterschenkel unter Beugung in allen Gelenken hoch
und macht, ohne den Fuß aufzusetzen, mehrere Beugungen und
Streckungen. An den Bauchmuskeln und Kniescheibenstreckern
bestehen Muskelzuckungen.
Das Tier wurde alsbald getötet. Der Obduktionsbefund ist
in der Anlage 2 unter Nr. 8 enthalten.
Gut R., Gutsbesitzer: W.
1. Fuchsstute ohne Abzeichen, 12 Jahre alt, Jucker, gedeckt,
von Ali und Lichtstrahl.
Keine Flecke an der Scham, geringer schleimiger Ausfluß
aus der Scheide, Scheidenschleimhaut etwas gerötet. Nähr¬
zustand gut. Keine Bewegungsstörungen.
2. Fuchsstute, 10 Jahre alt, gedeckt von Ali und Marbod.
Mehrere weiße, pigmentlose Flecke an der Scham, etwas
schleimiger Scheidenausfluß, Scheidenschleimhaut gerötet, je ein
talergroßer Fleck am Halse rechts und in der linken Flanken¬
gegend. Das Tier soll das Fohlen verworfen haben.
Beide Stuten sind von einem neuerdings gekauften Schimmel¬
hengst des Besitzers nachgedeckt worden. An dem Hengste
bestehen zur Zeit keinerlei Krankheitserscheinungen.
Obduktionsbefunde.
Anlage II.*)
I. Obduktionsbericht
über den am 25. Oktober 1908 getöteten Hengst „Ali“
des Landgestütes Rastenburg.
Kadaver eines gut genährten Pferdes. Die Untersuchung
der äußeren Haut ergibt nichts Krankhaftes. Die Glutaeal-
muskulatur der linken Seite ist deutlich atrophisch. Auch der
bis unter das Sprunggelenk herauspräparierte Nervus ischiadicus
ist dünner als der entsprechende Nerv der rechten Seite.
Die Lage des Darmes und der übrigen Baucheingeweide
ist normal. Das Bauchfell spiegelt überall. Alle Eingeweide
sind blaß (Verblutung); ungehöriger Inhalt ist in der Bauch¬
höhle nicht vorhanden. Auffallend ist eine starke Vergrößerung
der inguinalen, lumbalen und mesenterialen Lymphknoten. Die
inguinalen besonders bilden faustgroße Pakete. Ihre Durch-
schnittsflächen sind saftig, das Parenchym gleichmäßig rötlich¬
grau gefärbt, die Kapseln überall erhalten. Verwachsungen
zwischen den Einzelknoten fehlen. Die Urogenitalorgane
wurden im Zusammenhänge herausgenommen. An der Harnblase
war keine krankhafte Veränderung wahrzunehmen. Die beiden
Hoden erschienen etwas klein. Ihre Albuginea wies nirgends
Verdickungen auf, die Durchschnittsflächen sind gleichmäßig
fein gekörnt, mattbraun gefärbt und frei von Narben oder
sonstigen Abweichungen. Die Schleimhaut der Harnröhre ist
in ihrer ganzen Ausdehnung intakt, insbesondere fehlen Geschwüre
und abnorme Pigmentationen völlig. Auch die Außenfläche des
Penis und das äußere Präputium sind unverändert. An der
ventralen Übergangsstelle des parietalen Blattes vom inneren
Präputium zum visceralen Blatte ist eine 10 cm lange und 5 cm
breite, ganz unpigmentierte Stelle vorhanden, deren Begrenzungs¬
linien nicht überall glatt sind, sondern mehrfach bogenförmig
nach außen abweichen. Von einer Sektion des Gehirnes und
Rückenmarkes mußte abgesehen werden. Doch fiel beim Ab¬
trennen des Kopfes vom Halse auf, daß Cerebrospinalflüssigkeit
in erheblicher Menge aus dem Wirbelkanal abfloß (80—100 ccm).
Nach der Eröffnung des linken Hüftgelenkes zeigte sich
am äußeren oberen Pfannenrand ein Knorpeldefekt von etwa
3 cm Länge und 1 cm Breite. Der Grund des Defektes war mit
dickem Granulationsgewebe erfüllt. Die Ränder waren unregel¬
mäßig, in der Umgebung fehlten Entzündungserscheinungen.
An der korrespondierenden Stelle des Femurkopfes ist eine
ähnliche aber kleinere Knorpelusur vorhanden.
Die Organe der Bauch- und Brusthöhle waren im übrigen
unverändert, ebenso auch die Halsorgane. In der Arteria ilco-
coeco-colica fand sich ein walnußgroßes Aneurysma.
Die histiologische Untersuchnng von Stücken aus dem linken
N. ischiadicus ergab, daß es sich um Degeneration zahlreicher
Nervenfasern, besonders in der Peripherie der Nervenbündel
handelte. Teilweise nahm junges Granulationsgewebe die ent¬
stehenden Lücken ein. Die hyperplastischen Lymphknoten
zeigten auch histologisch das reine Bild der Hyperplasie mit
sehr starkem Hervortreten der Keimzentren.
*) Die Obduktionsbefunde sind nach den Angaben des Herrn
Geheimrat Prof. Dr. Schütz wiedergegeben.
Dezember 1908.
Pathologisch-anatomische Diagnose:
Schwund der Muskulatur der linken Kruppe. Entartung
und Schwund des linken N. ischiadicus. Schwellung der Lymph¬
knoten der Leisten- und Lendengegend, sowie der Gekröslymph-
knoten. Knorpeldefekte im linken Hüftgelenk. Starke ■ An¬
sammlung von Flüssigkeit in den Rückenmarkshäuten. Pigment¬
mangel an der inneren Vorhaut. Aussackung der Hüftblind-
grimmdarmarterie.
2. Obduktionsbericht
über eine am 28. Oktober 1908 in S. getötete Fuchsstute,
21 Jahre alt, des Gutsbesitzers D.
Sehr schlecht genährter Kadaver. In der Umgebung der
Scham weiße, pigmentlose Flecke von Erbsen- bis Pfennigstück¬
größe. In der Unterhaut über der Milchdrüse, hinter den
Ellenbogenmuskeln, in den Kniefalten und unter dem Bauchfelle
sind nur Spuren eines rötlich-gelben schleimigenGewebes vorhanden.
DieLeichenstarre ist an den Körpermuskeln noch nicht eingetreten;
letztere sind auf dem Durchschnitte graurot, trocken und schlaff.
Im freien Raume der Bauchhöhle kein fremder Inhalt. An
Darm, Magen, Leber und Nieren keine besonderen Abweichungen.
Die Milz ist etwas größer als gewöhnlich, graublau gefärbt;
auf dem Durchschnitte sind die Malpighischen Körperchen mit
dem bloßen Auge leicht zu erkennen; einige Körperchen sind
fast hirsekorngroß.
Die Lungen bieten nichts Erwähnenswertes. Im Herzbeutel
befinden sich einige Kubikzentmeter einer klaren gelblichenFlüssig-
keit. An Stelle des Fettes befindet sich in den Kranz- und Längs¬
furchen des Herzens ein gallertiges gelbliches Gewebe. Beide
Herzkammern sind leer. Klappen und Innenhaut unverändert.
Herzfleisch auf dem Durchschnitt graurot, trocken und mürbe.
Die Schleimhaut des Kehlkopfes, der Rachenhöhle und der
Luftröhre sind blaß, an der Oberfläche glatt ; nirgends Geschwüre
oder Narben. Die Venen der Nasenhöhlenschleimhaut sind
schwach mit Blut gefüllt. Die Schleimhautoberfläche ist glatt
und glänzend.
Die Hüftblindgrimmdarmarterie ist Sitz einer hühnereigroßen
Erweiterung, deren Wand 4 mm dick und die durch ein Gerinnsel
verstopft ist.
Letzteres reicht bis in die Aorta, ist graurot, bröckelig und.
wandständig. Von dem fortgesetzten Gerinnsel sind Stücke ab¬
gelöst, wie die zerklüftete Endstelle zeigt. An der Teilungs¬
stelle der hinteren Aorta sitzt ein Pfropf, der aus zwei Teilen
besteht. Der größere Teil füllt die beiden Becken- und Schen¬
kelarterien. Der kleinere Teil liegt in der Aorta und ist
hühnereigroß. Der größere Teil reicht mit fingerförmigen Fort¬
sätzen in alle Äste der Schenkelarterie hinein und verstopft
diese völlig.
In der Haut der Schamlippen dicht am oberen Scham Winkel
befindet sich eine sehr flache und ausgebuchtete Narbe. Ober¬
fläche glatt und graurötlich. Schleimhaut des Scheideneinganges
dick, zeigt an der rechten Wand eine linsengroße warzige Neu¬
bildung, die rötlich gefärbt und derb ist. Scheide weit; Oberfläche der
Scheideschleimhaut mit grauweißer schleimig-eitriger Masse be¬
deckt, die sich leicht abspülen läßt. Gebärmutterhals derb,
fest verschlossen und schwer zu schneiden. Gebärmutter weit
und mit trüber Flüssigkeit etwas gefüllt, ihre Schleimhaut sehr
dick. Die einzelnen Falten derselben zeigen die Form glatter
Wülste. Viele Uterindrüsen sind weit, erheben sich in Form
von Bläschen über die Oberfläche und enthalten eine gelbliche
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klare Flüssigkeit; an manehen Stellen sind die Bläschen zu
Polypen zusammengetreten. In beiden Eierstöcken mehrere
walnußgroße und viele kleinere Blasen, die mit klarer ungefärbter
Flüssigkeit angefüllt sind. Das Gewebe der Eierstöcke derb
und ganz weiß.
Das Euter schlaff; auf dem Durchschnitt kleine Läppchen,
die sich schwer trennen lassen. Zitzen klein. Die Haut über dem
Euter ist schwarz, nur an einer erbsengroßen Stelle fehlt das
Pigment.
Die Leisten und Lenden, sowie die über dem Euter gelegenen
Lymphknoten sind sehr groß, auf dem Durchschnitte derb,
rötlichgrau, fast markig. Die einzelnen Knoten nicht mit¬
einander verwachsen.
Pathologisch-anatomische Diagnose:
Chronische wuchernde Zysten bildende Entzündung der
Gebärmutterschleimhaut. Follikelwassersucht und chronische
Entzündung der Eierstöcke. Wurmaneurysma und Thrombose
der Hüftblindgrimmdarmarterie. Embolie der Becken- und
Schenkelarterien.
3. Obduktionsbericht
über den am 28. Oktober 1908 getöteten Hengst Marbod des
Gutsbesitzers v. K. auf B.
Gut genährter Kadaver. In der Unterhaut hinter den
Ellenbogenmuskeln, in den Kniefalten, über dem Schlauche und
hinter dem Bauchfell in reichlicher Menge graurötliches Fett
von deutlich lappigem Bau. Die Fettschicht hinter dem Bauch¬
fell ist 2 cm dick.
In der Bauchhöhle kein fremder Inhalt. Magen, Darm,
Leber, Milz und Nieren zeigen nichts Abnormes.
Die Brustfellsäcke enthalten keine Flüssigkeit. Im Herz¬
beutel etwa ein Eßlöffel einer klaren gelblichen Flüssigkeit.
In den Herzfurchen zusammenhängende Fettmassen. Die Ränder
der zweizipfligen Klappen sind etwas verdickt, sonst nichts
besonderes am Herzen. An der Innenhaut des Anfangsteils der
Aorta mehrere dicke Stellen von Zehnpfennigstückgröße, die
sehr fest sind und sich schwer schneiden lassen.
In der Hüftblindgrimmdarmarterie eine sackförmige walnu߬
große Erweiterung mit dicken Wänden, in der ein wandständiges,
graurotes, festes Gerinnsel liegt.
An den Halsorganen und den Kopfhöhlen keine Ver¬
änderungen.
Nach der Herausnahme des Gehirns zeigt sich keine Flüssig¬
keit an der Grundfläche der Schädelhöhle. Die weiche Hirn¬
haut ist überall zart, die venösen Gefäße mit Blut gefüllt.
Beim Einschneiden findet sich in den seitlichen Himhöhlen eine
geringe, nicht meßbare Menge klarer Flüssigkeit. Höhlen
nicht erweitert. Hinterhörner fast ganz verwachsen. Ader¬
geflechte dunkelrot durch starke Füllung der Gefäße. Auf dem
Durchschnitt zeigt sich das Großhirngewebe durchweg feucht¬
glänzend. Konsistenz des Kleinhirns gut, Feuchtigkeit mäßig.
Keine Veränderung am Gewebe. Brücke und verlängertes Mark
blaß. Die weiße Substanz mit zahlreichen gefüllten Venen
durchzogen.
Im Vorhautsack viel fettige, grauschwärzliche Masse, die
auch das Penisblatt des Präputiums bedeckt. Das innere Blatt
der inneren Vorhaut und die Fortsetzung desselben auf den
Penis ist weiß gefleckt. Die Harnröhre und die Harnblase,
die zusammengezogen ist, zeigen keine Abnormitäten. Auch
Hoden und Nebenhoden ohne Veränderung. Dasselbe gilt von
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
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No. 49.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
der Vorsteherdrüse. Die Eichelgrube ist mit fester, schmieriger
Masse ausgefüllt. An der Eichel nichts Krankhaftes.
Die Leisten-, Scham-, Kniefalten- und Lendenlymphknoten
bilden große Pakete und sehen ziemlich gleichmäßig rötlich weiß
und durchscheinend aus. Die einzelnen Knoten lassen sich
leicht verschieben. Das Gewebe ist ziemlich derb und glänzt
auf dem Schnitt.
Pathologisch-anatomische Diagnose.
Hyperplasie der Leisten-, Lenden-, Kniefalten- und Scham¬
lymphknoten. Chronische Entzündung der Aorteninnenhaut und
der zweizipfligen Herzklappen. Erweiterung und Blutgerinnung
in der Htiftblindgrimmdarmarterie. Guter Ernährungszustand.
4. Obduktionsbericht
über eine am 28. Oktober 1908 zu B. getötete Scheckstute
des Gutsbesitzers v. K.
Mäßig gut genährter Kadaver. In der Unterbaut über dem
Euter, hinter den Ellenbogenmuskeln, in den Kniefalten und
unter dem Bauchfell in mäßiger Menge graurötliches Fett¬
gewebe von lappigem Bau. Totenstarre noch nicht eingetreten.
Im freien Raum der Bauchhöhle kein fremder Inhalt. An
den Organen der Bauchhöhle lassen sich keine besonderen Ver¬
änderungen nachweisen.
Die Brustfellsäcke frei von fremdem Inhalt. Die Lungen
haben sich gut zurückgezogen, sind rosarot gefärbt. In der
rechten Lunge befinden sich zwei Knötchen; das eine von
Hirsekorngröße liegt am oberen stumpfen Rande unter dem
Lungenfell, schneidet sich schwer und zeigt auf dem Durch¬
schnitt einen kleinen Bronchus mit dicken Wänden. Das andere
Knötchen liegt im vorderen Lappen und besteht auf dem Durch¬
schnitt aus zwei Teilen, die von einer bindegewebigen Hülle
umschlossen sind. In jedem Teil eine kleine gelbliche Stelle,
die sich leicht herausheben läßt und scharf abgesetzt ist. Die
Stelle ist trocken. In der linken Lunge ein Kalkknoten von
Stecknadelkopfgröße und ein etwas kleinerer glasiger Knoten,
der auf dem Durchschnitt durchscheinend ist. Die an der
Teilungsstelle der Luftröhre gelegenen Lymphknoten sind groß,
weich und steUenweise grau gefärbt.
Die Schleimhaut der Luftröhre, des Kehl- und Schlund¬
kopfes blaß, glatt und spiegelnd, nirgends Knoten, Geschwüre
oder Narben. Auch an der Nasenschleimhaut keine Ver¬
änderungen. Die Unterkieferlymphknoten sind etwas groß, auf
dem Durchschnitt grauweiß, durchscheinend, gleichmäßig derb.
Die Lymphknoten um den Kehl- und Schlundkopf nicht ver¬
ändert.
Das Euter ist groß und hart. Die linke Zitze ist etwas
kleiner als die rechte und liegt in einer seichten Grube des
Euters. Beide Euterhälften schneiden sich schwer und sind auf
dem Durchschnitt fast weiß. Zwischen den weißen Gewebs-
massen liegen kleine Reste des alten rötlichen Gewebes. Die
Euterlymphknoten sehr groß, einzelne Knoten erreichen die
Größe einer Haselnuß und sind grau gefärbt. Das Gewebe um
das Euter ist derb und dick; auf dem Durchschnitt sieht man
breite weiße Züge, zwischen denen gelbliche Flüssigkeit an¬
gesammelt ist. Die Verdickung des bezeichneten Gewebes reicht
bis an den Schaufelknorpel. Die Haut über dem verdickten
Unterhautgewebe nicht verändert.
An den Geschlechtsorganen keine Abweichungen;
auch die in der Leistengegend und am Kreuzbein ge¬
legenen Lymphknoten sind nicht verändert.
Pathologisch-anatomische Diagnose:
Chronische Euterentzündung mit Retraktion der linken Zitze.
Chronische Entzündung des um das Euter gelegenen Gewebes
und der Euterlymphknoten. 3 bronchitische und 2 parasitäre
Knötchen in den Lungen. Entzündliche Vergrößerung der im
Kelilgange gelegenen Lymphknoten.
5. Obduktionsbericht
über ein am 30. Oktober 1908 getötetes Pferd des Herrn Sb. zu N.
Kennzeichen: braune Stute, 7 Jahre alt.
Schlecht genährter Kadaver. Über der Milchdrüse und in
der Unterhaut, hinter dem Bauchfelle, in den Gekrösen und im
Netz befinden sich nur Spuren von schmutziggelbem Fettgewebe.
Die Körpermuskeln sind schlaff, blaß und trocken.
In der Bauchhöhle kein fremder Inhalt. Magen und Darm
ohne besondere Veränderungen. Die Milz ist 49 cm lang, 24 cm
breit und 2,5 cm dick, fühlt sich derb an. Die Malpighischen
Körperchen sind auf dem Durchschnitt mit bloßem Auge deut¬
lich zu erkennen. Leber klein, derb, graubraun; Läppchen klein.
Nieren klein und derb.
Brustfellsäcke ohne fremden Inhalt. Lungen groß, rosarot
gefärbt. Die Luftröhrenäste im vorderen Lappen der linken
Lunge sind sehr weit und die Wände derselben dick. In den
erweiterten Luftröhrenästen eine ganz weiße, schleimig-eitrige
Flüssigkeit, die sich schwer fortspülen läßt und die Äste ver¬
stopft. Um die letzteren derbe Gewebsziige, die sich bis in die
Lungensubstanz verfolgeu lassen. Die bronchialen und Mittel¬
felllymphknoten sehr groß und von gelblichen durchscheinenden
Gewebsmassen umgeben. Auf dem Durchschnitt sind die Knoten
rötlichweiß, leicht durchscheinend. Herz nicht verändert. Das
Fettgewebe in den Herzfurchen weich, fluktuierend, gallert¬
artig und leicht gelb gefärbt.
Die Oberfläche der Schleimhaut des Kehlkopfes und der
Luftröhre ist mit einer zähen, schleimig-eitrigen Masse bedeckt.
Darunter ist die Schleimhaut glatt; nirgends Geschwüre oder
Narben. Die Schleimhaut in beiden Oberkiefer- und Stirnhöhlen
dick, gelb gefärbt und an der Oberfläche hügelig. In den
Höhlen etwas schleimiges Absonderungsprodukt. Ferner ist
verdickt die Schleimhaut am oberen Ende der linken Nasen¬
muschel. Die Schleimhaut ist hier gleiclifalls gelblich gefärbt
und mit kleinen strichförmigen Flecken besetzt, die sich bei der
weiteren Untersuchung als Blutgefäße erweisen. In den Nasen¬
gängen eine geringe Menge gelblichgrauer Masse. Die im Kehl¬
gange gelegenen Lymphknoten sehr groß; einige Knoten
erreichen die Größe einer Walnuß. Auf dem Durchschnitt sind
sie gang homogen, leicht fleischig. Auch die liinter dem
Schlundknopfe gelegenen Lymphknoten zeigen rundliche oder
längliche bohnengroße Körper, die auf dem Durchschnitt gleich¬
mäßig grauw r eiß und feucht sind.
Das Euter ist derb, die Zitzen platt gedrückt und etwa
6—8 cm lang; Drüsensubstanz weiß-rötlich. Zwischen den
Drüsenläppchen größere Mengen weißlichen Bindegewebes. In
den Milchzisternen und den großen Milchgängen eine etwas
trübe seröse Flüssigkeit.
Die Gebärmutter etwas weit und die Wandungen derselben
dick; sie enthält wenig klare Flüssigkeit, in der größere weiße
Fetzen schwimmen. Die Schleimhautfalten bilden dicke Wülste,
auf denen kleine Vertiefungen in Form unregelmäßiger Züge
nachznweisen sind. Diese Vertiefungen erweisen sich auf dem
Durchschnitt als oberflächliche Substanzverluste, deren Wände
3. Dezember 1908.
BERLINER TI ERÄRZTLIC HE WOCHENSCHRIFT.
keine Reizungserscheinungen erkennen lassen. Im rechten Eier¬
stocke zwei haselnußgroße Corpora lutea, deren Höhlen mit Blut
angefüllt sind, das eine bräunliche Farbe hat. Am Rande der
corpora lutea liegt eine breite Schicht neugebildeter Zellen, die
den dicken Inhalt halskrausenartig umschließen. Ferner sind
im rechten Eierstocke einige, im linken aber viele himsekorn-
bis erbsengroße Blasen nachzuweisen, die von festem Eierstock¬
gewebe umschlossen sind. Im Gebärmutterhalse, der versclilossen
ist, ein schleimig-epitheliales Sekret. Oberfläche der Schleim¬
haut der Scheide und des Scheidenvorhofs glatt. Auf der
Scheidenklappe mehrere kleine zottige Auswüchse.
Die Lenden-, Darmbein-, Kniefalten-, Leisten- und Scham¬
lymphknoten groß und ziemlich derb. Die einzelnen Knoten
sind auf dem Durchschnitt gleichmäßig, weißlich oder rötlich,
leicht durchscheinend, zuweilen markig, an einzelnen Stellen grau.
Die beiden Nervi ischiadici lassen bei der Untersuchung
mit bloßem Auge keine Veränderungen erkennen.
Pathologisch-anatomische Diagnose:
Allgemeine Abmagerung. Schwund der Muskeln. Chronischer
Katarrh der linken Nasenhöhle und der Stirn- und Oberkiefer¬
höhle. Chronische Entzündung der Unterkieferlymphknoten.
Schleimig-eitrige Bronchiektasie und gemischte Entzündung der
bronchialen und Mittelfelllymphknoten. Chronischer Katarrh der
Gebärmutterschleimhaut. Zwei ältere corpora lutea und Follikel¬
wassersucht der Eierstöcke. Hyperplasie der Leisten-, Lenden-,
Kniekehlen- und Schamlymphknoten.
6. Obduktionsbericht
über ein am .‘10. Oktober 1908 getötetes Pferd des Guts¬
besitzers H. zu B.
Kennzeichen: Rappstute, 12—13 Jahre alt, mit Stern.
Schlecht genährter Kadaver. In der Unterhaut über dem
Euter, hinter dem Bauchfell nur Spuren eines gelblichen Fett¬
gewebes. Die Körpermuskeln sind schlaff, sehr blaß und auf
dem Durchschnitt trocken.
Im freien Raum der Bauchhöhle ein Liter klarer, gelb¬
rötlicher Flüssigkeit. Magen und Darm außen blaß, sonst
unverändert. Die dem Darm zugehörigen Lymphknoten liegen
zerstreut als rundliche oder längliche Körper in dem gallertigen
Gewebe, das an Stelle des Fettgewebes in den Gekrösen nach¬
zuweisen ist. Auch das Netz ist fettarm. Milz klein; Kapsel
gerunzelt. Menge der Pulpe gering; dagegen tritt des Trabe-
kulargewebe stärker hervor. Leber klein, auffallend braun.
Nieren klein, ohne Veränderung der Oberfläche. Harnblase
leer und zusammengezogen. Schleimhaut der Harnblase mit
dicken Falten besetzt, die sich leicht ausziehen lassen.
In den. BrustfeUsäcken und im Herzbeutel etwas klare
gelbrötiiche Flüssigkeit. Die Lungen haben sich gut zurück¬
gezogen, sind rosarot gefärbt. Im Lungengewebe einige Kalk¬
knoten von Stecknadelkopfgröße.
Die Schleimhaut der linken Oberkieferhöhle dick gelb und
etwas glasig. In der genannten Höhle etwas • getrübter Schleim.
Die Oberfläche der Schleimhaut der Nasenhöhlen, des Kehlkopfes
und der Luftröhre glatt und mit gaUertartiger Schleimmasse
bedeckt. Im Gaumensegel eine haselnußgroße Zyste, die mit
zähem Schleim gefüllt und deren Innenwand glatt ist. Die im
Kehlgange gelegenen Lymphknoten groß; einige Knoten kirschen¬
groß, auf dem Durchschnitt wenig feucht, gleichmäßig grau¬
weiß und durchscheinend.
Euter etwas derb, Drüsengewebe rötlich; zwischen den
891
Läppchen desselben schmale weiße Züge. Milchgänge und
Zisternen leer.
Gebärmutterwand im ganzen etwas dick. In der Gebär¬
mutterhöhle eine geringe Menge Flüssigkeit. Die Schleim¬
hautfalten treten stark hervor. Der äußere Muttermund ist
trichterförmig erweitert und in demselben befinden sich kleine
pilzförmige Wucherungen. Die Schleimhaut Oberfläche in der
Scheide und im Scheidenvorhof ist glatt und nur am Rande
der Scheidenklappe einige papilläre Auswüchse. Schamlippen
wulstig. Schleimhaut an der inneren Fläche derselben mit
trockenen, kleienartigen Schüppchen besetzt.
Die Leisten-, Lenden- und Schamlymphknoten sehr groß.
Die einzelnen Knoten sind leicht voneinander zu trennen. Auf
dem Durchschnitt haben sie ein fast homogenes, leicht fleischiges,
stellenweise graues Aussehen; Gewebe mäßig derb.
An den Nervi ischiadici, die bis zur Teilung heraus¬
geschnitten sind, zeigt sich bei der Untersuchung nichts Ab¬
normes. In den hinteren Teilen des Rückenmarkes ist die
weiche Rückenmarkshaut reichlich mit Flüssigkeit gefüUt.
Pathologisch-anatomische Diagnose:
Allgemeine Abmagerung, besonders des Fettes und der
Muskeln. Chronischer Katarrh der Gebärmutter und Scheide,
Hyperplasie der Leisten-, Lenden- und Schamlymphknoten.
Wassersüchtiger Zustand in der Bauchhöhle, den Brustfellsäcken
und dem Herzbeutel. Chronischer Katarrh der linken Ober¬
kieferhöhle. Chronische Entzündung der Unterkieferlymphknoten.
Zyste im Gaumensegel. Reichliche Ansammlung von Flüssigkeit
in der weichen Rückenmarkshaut.
7. Obduktionsberioht
über eine am 29. Oktober 1908 in M. getötete Stute des
Besitzers K.
Stute, 7 Jahre alt.
Schlecht genährter Kadaver. Unterhaut fettarm. Die
Körpermuskeln sind noch nicht totenstarr, auf dem Durchschnitt
graurot, trocken schlaff. Zwischen ihnen keine Spur von Fett.
Sehr stark abgemagert sind die Muskeln des Hinterteiles. Am
oberen Winkel der Scham mehrere weiße, pigmentlose Flecke
von der Größe einer Erbse.
Magen und Darm bieten nichts Erwähnenswertes. Auf dem
Durchschnitt der Milz sind die Malpighischen Körperchen deut¬
lich sichtbar. Die vordere Fläche der Leber ist mit rötlichen
Zotten besetzt; die Leber ist derb, außen bläulichbraun, Gewebe
durchscheinend. An den Nieren nichts verändert. Die Leisten-,
Kniefalten- und Lendenlymphknoten bilden große Pakete. Die
Leistenlymphknoten haben die Größe einer- Kinderfaust. Die
einzelnen Knoten zeigen auf dem Durchschnitt ein gleichmäßiges,
rötliches, fast markiges und durchscheinendes Aussehen. Ähn¬
liche Veränderungen zeigen die Gekröslymphknoten, von denen
einzelne Walnußgröße erreichen, und die über dem'Euter ge¬
legenen Lymphknoten. Das Euter ist klein, aber derb. Zwischen
den Drüsenläppchen sieht man zarte, weiße Züge. Die Milch¬
zisterne enthält eine gelbliche trübe Flüssigkeit.
An den Lungen keine Abweichungen. Die Bronchiallymph¬
knoten sind etwas groß, weich und stellenweise grau gefärbt.
Das Fettgewebe um das Herz ist gallertartig und gelblich. An
den Halsorganen nichts Besonderes. Die Unterkieferlymphknoten
klein, die einzelnen Knoten bohnengroß, mäßig derb und auf
dem Durchschnitt grauweiß und wenig feucht. Nasenschleim¬
haut glatt; nirgends Narben.
892
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 49.
An der äußeren Haut der Schamlippen weiße Flecke. Der
untere Teil der Schamspalte etwas geöffnet und die um den
geöffneten Teil gelegenen Ränder der Schamspalte mit kleinen
trockenen Krusten besetzt, die sich leicht abheben lassen. Die
Oberfläche der Schleimhaut des Scheidenvorhofs und der Scheide
ist mit einer schleimigen trüben Masse bedeckt, die sich ab¬
spülen läßt. An der Scheidenklappe mehrere kleine warzen¬
artige Fortsätze. Der Gebärmutterhals ist eng und mit Schleim
gefüllt. An den Schleimhautfalten des äußeren Muttermundes
einige zottige Vegetationen. Die Gebärmutter etwas groß,
ihre Wände ziemlich dick. Sie enthält eine geringe Menge
trüber schleimiger Flüssigkeit. Die Falten der Gebärmutter¬
schleimhaut sind dick und ihre feineren Gefäße mit Blut gefüllt.
Eierstöcke klein und hart, lassen sich schwer schneiden. Auf
dem Durchschnitt kirschkerngroße Säcke, die mit klarer Flüssig¬
keit gefüllt sind.
Beide Hüftnerven mit den nn. peronei und tibiales zeigen
keine Veränderungen. In den Maschen der weichen Rücken¬
markshaut befindet sich eine große Menge klarer Flüssigkeit.
Ihre Gefäße enthalten wenig Blut. Der Lendenteil und der
Endteil des Rückenmarks zeigen auf dem Durchschnitt keine
Veränderungen; sie sind blaß. Nirgends finden sich Blutungen.
Namentlich lassen sich an den Dorsalsträngen keine Abweichungen
erkennen.
Die mikroskopische Untersuchung von Teilen der Hüft¬
nerven und des Rückenmarks ist noch nicht abgeschlossen.
Pathologisch-anatomische Diagnose:
Chronische Entzündung der Scheide und der Gebärmutter.
Leichte chronische Entzündung des Euters. Hyperplasie der
Leisten-, Lenden-, Kniefalten-, Gekrös- und Euterlymphknoten.
Allgemeine Abmagerung, namentlich der Körpermuskeln.
8. Obduktionsbericht
über eine am 29. Oktober 1908 in Gr.-R. getötete Stute
des Besitzers K.
Stute, 13 Jahre alt, ohne Abzeichen.
Abgemagerter Kadaver. In der Unterhaut, unter dem
Bauchfell, zwischen den Gekrösblättern und den Blättern des
großen Netzes befinden sich noch Spuren eines rötlichgelben
Fettgewebes. Die Muskelbäuche sind »schlaff, auf dem Durch¬
schnitt bräunlich.
In der Bauchhöhle befindet sich etwa ein ; halbes Liter
gelblicher wässeriger Flüssigkeit. Magen und Darm zeigen
nichts Ungewöhnliches. Die Milz ist derb und außen graublau;
auf dem Durchschnitt große Malpighische Körperchen. Nieren
klein, sonst ohne Veränderungen. Leber graubraun, derb und
klein. In der Hüftblindgrimmdarmarterie ein apfelgroßes
Aneurysma, an dessen Wand ein haselnußgroßer Thrombus liegt.
In den Brustfellsäcken 100 ccm gelblicher klarer Flüssig¬
keit. Im Herzbeutel 200 ccm derselben Flüssigkeit. Das Herz
ist klein, rötlichbraun. In den Herzfurchen hat das Fettgewebe
eine gallertige Beschaffenheit. Lungen unverändert, Brustfell
glatt, glänzend.
An der Schleimhaut des Kehl- und Schlundkopfes, der Luft¬
röhre und der Nasenhöhlen keine Veränderungen; nirgends
Geschwüre, Knoten oder Narben. Die Oberfläche der Haut am
Naseneingange ist mit einer weichen klebrigen, grauweißen
Masse bedeckt. Die im Kehlgange und um den Kehl- und
Sclilnndkopf gelegenen Lymphknoten zeigen nichts Bemerkens¬
wertes.
Der untere W 7 inkel der Scham etwas offen, so daß der
Kitzler sichtbar ist; letzterer blaß. In der Kitzlergrnbe und in
der Falte um die Eichel des Kitzlers eine weiße schleimige
Masse, die sich leicht abwischen läßt. An der Schleimhaut
des Scheidenvorhofes und der Scheide keine Abweichungen.
Gebärmutter zusammengezogen. Die Schleimhautfalten und
-vorsprünge nicht verdickt und nur die Oberfläche derselben
mit einer wässerigen Flüssigkeit bedeckt. Die Harnblase ist
leer und zusammengezogen; die Schleimhaut derselben ist dünn
und zart und läßt die unter ihr gelegenen Muskelzüge deutlich
erkennen. Beide Eierstöcke von Zysten ganz durchsetzt. Die
Wände der Graafschen Follikel verdickt und verdichtet. Das
Euter stellt ein derbes Gebilde dar. Auf dem Durchschnitt
ist die eigentliche Drüsensubstanz noch vollständig erhalten;
zwischen den Läppchen liegt etwas weißes, dichtes Gewebe.
Die größeren Milchgänge und Milchzisternen enthalten etwas
trübe, gelbliche Flüssigkeit.
Leistenlymphknoten sehr groß, außen rötlichweiß, die
einzelnen Knoten nicht miteinander verwachsen. Das Gewebe
ist ziemlich derb, dicht und glänzt auf dem Durchschnitt
Letzterer hat ein ziemlich gleichmäßiges, durchscheinendes,
markiges Aussehen. Lenden- und Schamlymphknoten sind in
ähnlicher Weise verändert. Von den Gekröslymphdrüsen treten
einzelne scharf begrenzt hervor und lassen auf dem Durchschnitt
ein ziemlich. gleichmäßiges, wenig feuchtes, rötlichweißes Ge¬
webe erkennen.
In den Maschen der weichen Rückenmarkshaut am Lenden¬
teile und am Endteile des Rückenmarkes eine große Menge
klarer Flüssigkeit.
Die beiden n. n. ischiadici, die vom Ursprung aus dem
Rückenmark bis zur Teilung herausgeschnitten wurden, zeigten
nichts Abnormes. Das im hinteren Teile des Wirbelkanals
gelegene Lendenmark und der kegelförmige Endteil lassen auf
Querschnitten keine Veränderungen erkennen. Das Resultat der
mikroskopischen Untersuchung der genannten Nerven und des
Rückenmarks steht noch aus.
Pathologisch-anatomische Diagnose:
Allgemeine Vergrößerung der Leisten-, Lenden- und Scham¬
lymphknoten. Follikelwassersucht der Eierstöcke. Allgemeine
Abmagerung und leichte wassersüchtige Zustände der Bauch¬
höhle, der Brustfellsäcke und des Herzbeutels. Braune Atrophie
des Herzens und der Muskeln. Starke Ansammlung von Flüssig¬
keit in den Rückenmarkshäuten.
Nahrungsmittelkunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Denkschrift über die Fleischbeschatt,
eingereicht
dem Ministerium für Landwirtschaft
vom Verbände der Privattierärzte in Preußen.
Die Einführung der allgemeinen Schlachtvieh- und Fleisch¬
beschau hat zur Folge gehabt, daß gegenwärtig fast alle Tier¬
ärzte mehr oder weniger in der Fleischbeschau beschäf¬
tigt sind. Nur die in den Großstädten praktizierenden dürften
hiervon eine Ausnahme machen. Während früher die Tätigkeit der
Privattierärzte fast ausschließlich in der Ausübung der Heilkunde
bestand, ist das heute nicht mehr zutreffend, denn auch die
Fleischbeschau stellt ein tierärztliches Arbeitsfeld dar. , Für
viele Tierärzte ist die Fleischbeschau zur Haupt-
beschäftigung geworden und die kurative Praxis bildet
3. De zember 1908.
nur einen Nebenerwerb. Somit hat das Fleischbeschaugesetz
auf den tierärztlichen Stand einen wesentlichen Einfluß ausgeübt,
der sich vorzugsweise bei den Privattierärzten bemerk¬
bar macht. Die beamteten Tierärzte, die in der Regel die
ordentliche Beschau nicht ausüben, nehmen nach dem Gesetz in
der Fleischbeschau eine ganz andere Stellung ein als die
übrigen Tierärzte. Sie sind aufsichtführende und diese aus¬
führende Organe. Nach fünfjährigem Bestehen des Ge¬
setzes dürfte man wohl in der Lage sein, beurteilen zu
können, in welcher Weise die Verhältnisse der Tier¬
ärzte durch die Fleischbeschau beeinflußt worden sind.
Es steht fest, daß sich die Hoffnungen, die ein
großer Teil der Tierärzte auf die Fleischbeschau ge¬
setzt hatte, nicht erfüllt haben. Der Freudenstimmung ist
die Enttäuschung gefolgt. Immer häufiger werden Klagen von
Tierärzten laut über Ärger und Verdruß und über geringe Be¬
friedigung in der Ausübung der Beschau. Daß dies so kommen
mußte, war vorauszusehen. Die Verstimmung ist die unaus¬
bleibliche Folge davon, daß die Tierärzte gezwungen
sind, auf ihrem Gebiet mit Laien zusammen arbeiten
zu müssen.
Zugegeben muß werden, daß durch die Beschau
eine nicht unbedeutende Summe Geldes den Tierärzten,
besonders den Privattierärzten zufließt. Gar manchem
hat sie eine gesicherte Stellung verschafft und viele neue
Stellen sind durch sie bedingt worden. Das letztere aber
hatte zur Folge, daß die Konkurrenz, namentlich in der Nähe
der Großstädte, vergrößert und der Bezirk der Praxis verkleinert
worden ist. Oft hat ein Gebiet, das früher ein Tierarzt be¬
herrschte, jezt drei, vier oder noch mehr Tierärzte aufzuweiseif.
Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Untersuchungen
viel Zeit erfordern, und so eine große Behinderung in
der Ausübung der Praxis darstellen. Erst die Fleisch¬
beschau, dann die Praxis, dürfte die Regel sein. Die meisten
durch die Beschau geschaffenen Stellen gewähren nur
ein recht bescheidenes Einkommen und können als be¬
friedigende nur gelten, so lange sie als Durchgangsstellen
benützt werden. Und doch wird mancher, sei es in der Hoffnung
auf Besserung, sei es, daß er sich nach einigen Jahren in die
Praxis nicht mehr hinauswagt, in dieser Stellung verbleiben.
Ersparnisse sind ausgeschlossen, Pensionsberech¬
tigung besteht nicht und somit gewähren diese
Existenzen keine einigermaßen gesicherte Zukunft
und keine dem Studium angemessene Lebensstellung.
Dem tierärztlichen Stande aber können solche
Stellen nicht zum Vorteil gereichen, denn sie
bedingen ein tierärztliches Proletariat.
Die Ergänzungsbeschau hat für die Tierärzte
keine Bedeutung gehabt. Als neue Einnahmequelle kann
sie nicht gelten, da sie in der Regel Notschlachtungen betrifft,
zu deren Begutachtung die Tierärzte schon früher zugezogen
wurden. Steht dem Tierarzt im Bezirk seiner Praxis nicht
überall das Recht zur Vornahme der Ergänzungsbeschau zu, so
erleidet er sogar einen Verlust. Es hat den Anschein, als
ob die Fälle von Ergänzungbeschau von Jahr zu Jahr
seltener würden. Fast alle Tierärzte sprechen sich
dahin aus, daß sie gegenwärtig von den Laienbeschauern nicht mehr
annähernd so häufig zugezogen würden als früher. Der Grund hierfür
liegt hauptsächlich in der Außerachtlassung der gesetzlichen Be-
893__
Stimmungen über die Zuständigkeit der nichttierärztlichen Beschauer.
So viel steht fest, daß diejenigen Beschauer, denen
man das Zeugnis der Brauchbarkeit und Zuverlässig¬
keit ausstellen muß, den Ergänzungsbeschautierarzt
am häufigsten zuziehen, daß andere dagegen eine Er¬
gänzungsbeschau überhaupt nicht zu kennen scheinen.
Die wirtschaftliche Wirkung der Fleischbeschau ist
also die gewesen, daß zwar der tierärztlichen Gesamtheit eine
bedeutende Einnahme erwächst, diese aber überwiegend von
entstandenen neuen Stellen aufgesogen wird, so daß von den
vordem vorhandenen tierärztlichen Niederlassungen nur wenige
aufgebessert sind, die meisten jedoch eine Einbuße durch Ver¬
kleinerung ihrer Praxis erlitten haben.
Somit hat der tierärztliche Beruf trotz der ihm
erwachsenen Einnahme eine wirtschaftliche Kräfti¬
gung in der Lage seiner einzelnen Mitglieder nicht
erfahren, es ist vielmehr die Zahl der unzulänglichen
Existenzen gestiegen.
Noch viel bedenklicher aber ist der Einfluß, den
die Fleischbeschau auf das Ansehen des Standes aus¬
geübt hat. Vor allem ist das Ansehen der Privattierärzte
durch dieselbe nicht gebessert, sondern — hierüber dürfte kein
Zweifel mehr bestehen — vielfach verschlechtert worden.
Den schlimmsten Einfluß auf das Ansehen und die Stellung der
Tierärzte hat die Anstellung von Laien in der Fleischbeschau gehabt,
und dieser wird bei der Unentbehrlichkeit der Laien nie ganz
verschwinden.
Eb kann unmöglich zur Förderung des tierärztlichen An¬
sehens beitragen, wenn Leute in einfacher Lebensstellung auf
Grund eines mehrwöchentlichen Kursus im wesentlichen dasselbe
au8führßn dürfen und die gleiche Bezahlung für ihre Leistungen
erhalten, wie die Tierärzte. Die Ergänzungsbeschau, welche
man gern zugunsten der Tierärzte anführt, kommt kaum in
Betracht, denn ein großer Teil des Publikums ist hierüber nicht
unterrichtet. Nicht nach einer gelegentlichen Verrichtung, son¬
dern nach ihrer täglichen Beschäftigung werden die Tierärzte
beurteilt werden. Preisgeben können sie jedoch deshalb
die Fleischbeschau nicht, weil sie ein tierärztliches
Gebiet zu erhalten verpflichtet sind. Aber das müssen die
Tierärzte erstreben, daß ihre Stellung in der Fleischbeschau
verbessert und derartig gestaltet wird, daß sie den Laien gegen¬
über eine andere Stellung einnehmen als bisher. Wie hier
Wandel zu schaffen ist, erlauben wir uns im nachstehenden
auseinanderzusetzen.
Der oberste Grundsatz in der Fleischbeschau muß
lauten: Die Fleischbeschau ist durch Tierärzte oder
unter Aufsicht von Tierärzten auszuführen. Laien sind
nur dort als Beschauer anzustellen, wo Tierärzte nicht zur Ver¬
fügung stehen. Hieraus folgt für jeden Tierarzt die Verpflich¬
tung, sich so viel als möglich für die Beschau zur Verfügung
zu stellen, was bei einer derartigen Gestaltung jeder Tierarzt
gern tun wird. Die Behörden sollten mehr als bisher
darauf Bedacht nehmen, ansässigen Tierärzten allein
die Beschau zu übertragen und nicht neben diesen Laien
anzustellen. In vielen Orten mit mehreren Beschauern könnte
sehr wohl ein Tierarzt allein die Beschau ausüben. Gerade
das Nebeneinanderarbeiten schädigt das tierärztliche
Ansehen. Ist der Tierarzt nicht imstande, die gesamte Beschau
auszuführen und will er sich dieserhalb keinen Assistenten
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
894 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. _ N o. 49 .
halten, so daß man zum Laien greifen muß, dann richte man
ein unter Leitung des Tierarztes stehendes Beschau¬
amt ein. Die etwaigen Kosten würden durch einen Gebühren¬
abzug wie bei der Ergänzungsbeschau, die ja hier fortfällt, zu
decken sein. Ist am Wohnort des Tierarztes ein Laie als
Beschauer nicht tätig, oder geschieht die Beschau der Laien
unter Aufsicht des Tierarztes, dann dürfte die tierärztliche
Stellung nach Möglichkeit gewahrt sein.
Ein zweiter Punkt, der dringend der Abhilfe be¬
darf, ist die Stellvertretung der Tierärzte durch Laien.
Soweit als irgend möglich sollten als tierärztliche Vertreter die
benachbarten Kollegen bestellt werden (cf. Kreistierärzte). Da
die Vertretung nur selten notwendig wird, so werden diese im
Interesse ihres Standes zur 'gegenseitigen Unterstützung für
eine kurze Zeit gewiß bereit sein, bis seitens des Behinderten
für entsprechenden Ersatz gesorgt ist. An einzelnen Orten
muß wohl mangels eines Tierarztes ein Laie zum Vertreter er¬
nannt werden. Das wird sich leider nicht ändern lassen. Aber
das muß in Wahrung tierärztlicher Interessen gefordert werden,
daß der Laie als Vertreter nicht fungiert, wenn ein anderer Tierarzt
sich zur Übernahme der Stellvertretung bereit erklärt Von einer
unrechtmäßigen Benachteiligung des Laien kann wohl keine Rede
sein, da ihm die Vertretung doch nicht zur Erhöhung seiner Ein¬
nahmen, sondern zur ordnungsmäßigen Durchführung der gesetz¬
lichen Bestimmungen übertragen ist. Die Tierärzte sind ja
auch Stellvertreter in der Ergänzungsbeschau, betrachten jedoch
diese Vertretung nicht als eine besondere Einnahmequelle, sondern
als eine Notwendigkeit, der sie sich nicht entziehen dürfen.
Nichts hat auf das Ansehen der Tierärzte so ungünstig eingewirkt als die
Laienvertretung. Schon die von Zeit zu Zeit in den Kreisblättern
erfolgende Bekanntmachung der Ernennung von Laien zu
Stellvertretern der Tierärzte kann den tierärztlichen Stand nicht
angenehm berühren. Gar’zu gern, oft in nicht zu'verkennender
Absicht, wird vom Publikum auf diese Vertreter hingewiesen.
Recht unerfreulich jedoch gestalten sich die Verhältnisse, wenn
bei längerer Behinderung des tierärztlichen Beschauers sein
Vertreter in der Praxis die Beschau nicht ausüben darf, sondern
der Laie eintreten muß. Das Publikum 'hält den Tierarzt für
den Sachverständigen, den Laien für einen Notbehelf und hat
keine Erklärung dafür, daß der Tierarzt hinter dem Laien zu¬
rückstehen muß.
Im Regierungsbezirk Potsdam ist jetzt eine Verfügung
erlassen, nach welcher, falls der Stellvertreter nicht am Orte
wohnt, oder falls er infolge der Vertretung in der Beschau über¬
lastet wird, oder falls die Ausfuhr von Fleisch eine tierärztliche
Untersuchung wünschenswert erscheinen läßt, von den ernannten
Laien Vertretern abgesehen werden und der tierärztliche Vertreter
für die Praxis mit der Ausübung der Fleischbeschau beauftragt
werden kann. In allen anderen Fällen jedoch darf in Behinderungs¬
fällen grundsätzlich nur der ordentliche Stellvertreter d. h. der
Laie herangezogen werden, es sei denn, daß derselbe aus¬
drücklich auf diese Vertretung verzichtet. Die Tierärzte
haben sich bei Stellung von Anträgen betreffs Vertretung stets
vorher dieser Zustimmung zu vergewissern und dies in dem An¬
träge zum Ausdruck zu bringen. Dieser Erlaß kommt den
Wünschen der Tierärzte teilweise entgegen. In vielen Fällen
wird es nun möglich sein, dem tierärztlichen Vertreter die Be¬
schau zu übertragen. Befriedigen jedoch kann diese Verfügung
die Tierärzte nicht, denn sie müssen in derselben ‘eine schwere
Schädigung ihrer Steilung erblicken. Die Tierärzte können
und dürfen nicht auf die freiwillige Verzichtleistung
der Laien auf die Stellvertretung angewiesen werden,
denn dadurch müssen sie ja in ein direktes Abhängig¬
keitsverhältnis zu diesen geraten. Nicht jeder Tierarzt
ist gewillt, auf die Beschaugebühren während längerer Zeit zu
verzichten, mancher ist gar nicht in der Lage, dieselben ent¬
behrenzukönnen, und somit sind sie darauf angewiesen, sich
um jeden Preis mit den Laien gut zu stellen. Verderben
sie es mit ihm, dann folgt die Strafe nach. Also die Laien
sind nicht von den Tierärzten, sondern diese von den Laien ab¬
hängig. Ein solches Verhältnis liegt wohl nicht im Interesse
der Fleischbeschau.
Daß sanitäre Maßregeln dem finanziellen Interesse
eines Laien untergeordnet werden müssen, hat wohl mit
Recht in manchen Gemeinden Verstimmung und Widerspruch
hervorgerufen. So hat z. B. die Stadt Ketzin, die bereits seit
1890 eine tierärztliche Fleischbeschau besitzt, gegen die Aus¬
übung der Beschau durch einen Laien als Stellvertreter des
Tierarztes Einspruch erhoben. Viele kleineStädte, die nicht
in der Lage sind, ein Schlachthaus zu erbauen, hatten sich
längst vor dem Inkrafttreten des Fleischbeschaugesetzes durch
Erlaß einer Polizeiverordnung eine Fleischbeschau ge¬
schaffen und hierdurch eine wesentliche Besserung in der
Fleischversorgung erreicht. Nicht bloß das am Orte geschlachtete
Vieh, sondern auch das eingeführte Fleisch unterlag einer Unter¬
suchung durch Sachverständige. Als solche fungierten aus¬
schließlich Tierärzte. Diese waren verpflichtet im Behinderungs¬
falle tieräztlichen Ersatz zu stellen. Mit diesen Einrichtungen,
die namentlich in der Provinz Brandenburg in zahlreichen Orten
bestanden, ist man wohl allenthalben ganz zufrieden gewesen.
Das Fleischbeschaugesetz hob dieselben auf und nun erkannte
man mit Bedauern, daß in der Fleischversorgunng nicht
eine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung ein¬
getreten ist. Vor allem machte sich der Fortfall der tier¬
ärztlichen Untersuchung des eingeführten Fleisches geltend.
Da in den Städten mit Schlachthäusern alles eingeführte und
nicht von Tierärzten untersuchte Fleisch einer nochmaligen Unter¬
suchung unterliegt, so kann hier schlechtes Fleisch nicht passieren.
Dieses wandert nun in die Städte, die eine solche
Kontrolle nicht einführen dürfen. Während früher die
Großstädte die Hauptabsatzgebiete für mangelhaftes
Fleisch waren, sind es jetzt vielfach die Kleinstädte.
Jeder in der Praxis stehende Tierarzt kann dies aus eigener
Erfahrung bestätigen. Eine weitere Verschlechterung in
der Beschau erfolgt in diesen Orten dadurch, daß dieselbe —
was früher niemals der Fall war — bei Behinderung des Tier¬
arztes nicht bloß vorübergehend, sondern selbst wochenlang
durch den zum Stellvertreter ernannten Laien ausgeübt werden
muß. Da als Beschauer Tierärzte und Laien nicht auf gleich¬
wertiger Stufe stehen, so erscheint das Verlangen nach tier¬
ärztlicher Untersuchung durchaus berechtigt. Auch die reellen
Gewerbetreibenden haben unter der zunehmenden, un¬
gehinderten Einfuhr von Fleisch zweifelhafter Güte
schwer zu leiden und fordern Schutz für ihre gefährdete
Existenz. Das Recht der Nachuntersuchung des eingeführten
Fleisches kann ohne Änderung des bestehenden Gesetzes den
Städten ohne Schlachthaus nicht eingeräumt werden, um so mehr
aber sollte man ihrem Wunsche, die Beschau im Behindemngs-
3. Dezember 1908. ^ __ BERLINER TIERARZTI
falle des tierärztlichen Beschauers nicht durch einen Laien,
sondern durch einen anderen Tierarzt ausführen zu lassen, nach-
kommen. Wo Tierärzte als Beschauer angestellt sind, wird es
sich immer um zahlreiche Schlachtungen in einer ganzen Anzahl
von Schlächtereien handeln, und ist die Beaufsichtigung und
ordnungsmäßige Durchführung der Schlachtvieh- und Fleisch¬
beschau meist mit erheblich größeren Schwierigkeiten verbunden
als in den kleinen Schlachthäusern, wo der Betrieb leicht zu
übersehen ist. Vergehen gegen das Fleischbeschaugesetz
können dort ungleich leichter begangen werden als
hier. Daher ist es ein großer Fehler, die Beschau
vertretungsweise Laien zu übertragen.
In der Regel werden diese auf die Vertretung nicht ver¬
zichten, was ihnen auch niemand verdenken kann, denn jetzt
wollen sie als tierärztliche Vertreter ihre Stellung zur Geltung
bringen. Nicht ihnen kann man einen Vorwurf machen, aber
die gesetzlichen Bestimmungen müssen eine Aender ung
dahin erfahren, dafi es Tierärzten gestattet ist, im Behinderungs-
faiie die Fleischbeschau durch einen tierärztlichen Vertreter ausüben zu
lassen. Das liegt nicht nur im Interesse der Fleischbeschau
treibenden Tierärzte, sondern des ganzen Standes. Diese Stell¬
vertretung setzt aber voraus, daß die Bestallueg des Ver¬
treters möglichst schnell bewirkt werden kann.
Vielleicht in der Weise, daß die Ortspolizeibehörde nach
Prüfung der vorgeschriebenen Papiere die Genehmigung tele¬
graphisch einholt.
Ferner dürfte es sowohl für die Stellung der Tierärzte als
auch für die Ausübung der Beschau von größter Bedeutung
sein, wenn von dem den Landespolizeibehörden eingeräumten
Recht, die Laienfleischbeschauer den Ergänzungs¬
beschauern zu unterstellen, allgemein Gebrauch gemacht
würde. Die gegenwärtige Stellung der Tierärzte den Laien gegenüber
ist ungenügend. Die Ergänzungsbeschau allein vermag diese
nicht zu heben.
Dieses kann nur dadurch geschehen, daß die Tierärzte die
Beschauer ihres Ergänzungsbeschaubezirks zu überwachen
haben. Hierdurch würde die Fleischbeschau eine
ganz wesentliche Verbesserung erfahren. Alle Tier¬
ärzte sind darüber einig, daß die gegenwärtige, alle 2 Jahre
stattfindende Kontrolle der Laien durch den Kreistierarzt eine
völlig unzureichende Beaufsichtigung ist.
In einer unter dem Vorsitz des Herrn Regierungs¬
präsidenten stattgefundenen Versammlung der beamteten Tier¬
ärzte des Regierungsbezirks Königsberg wurde über das
Thema verhandelt: „Haben nach den bisherigen Er¬
fahrungen die Laienbeschauer bei Durchführung des
FleischbeschaugesetzeB ihre Aufgaben erfüllt?“ Die
Berichterstatter, zwei Kreistierärzte und ein Schlachthofdirektor,
erklärten übereinstimmend, daß der eine Teil sich als brauchbar
und zuverlässig erwiesen habe, während der andere Teil sich
Verfehlungen gegen die bestehenden Bestimmungen habe
zuschulden kommen lassen. Namentlich wurde hervorgehoben,
daß häufig Verstöße gegen § 11 und § 30 der Ausfährungs¬
bestimmungen, welche die Zuständigkeit der Laienbeschauer bei
der Schlachtvieh- und Fleischbeschau genau vorschreiben, vor¬
kämen. So seien auf dem städtischen Schauamt zu Königsberg
im Jahre 1906/07 als genußuntauglich vernichtet 4 Rinder,
24 Kälber, 1 Schaf, für bedingt tauglich erklärt l*/ 4 Rind,
1 Kalb, 16 Schweine, für minderwertig 25 17 /4 Rinder, 110 Kälber,
jC HE WOCHENSCHRIFT^_ ^ 895
3 Schweine, 6 Schafe. Alle diese Tiere waren von den
Laienbeschauern als tauglich ohne Einschränkung ab¬
gestempelt, obwohl fast alle Fälle außerhalb der Zuständig¬
keit der Laien lagen. Solche Verfehlungen kommen aber nicht
bloß um Königsberg, sondern auch anderwärts vor, und jeder
praktizierende Tierarzt wird hier aus eigener Erfahrung ge¬
nügend Material Vorbringen können. Zur Beseitigung dieser
Mißstände ist in erster Linie eine schärfere Kon¬
trolle der Geschäftsführung erforderlich, besonders,
wie in der Versammlung von dem Herrn Regierungs¬
präsidenten sehr zutreffend gesagt wurde, in der Aus¬
übung ihrer Tätigkeit, nicht nach den geführten
Büchern. Bei der großen, sich über den ganzen Kreis er¬
streckenden Anzahl von Beschauern ist eine solche Beauf¬
sichtigung durch den Kreistierarzt allein gar nicht
denkbar. Die in letzter Zeit vielfach empfohlenen halb¬
jährlichen Revisionen würden an den bisherigen Verhältnissen
wenig ändern. Eine wirksame Kontrolle läßt sich nur dadurch
erreichen, daß die in der Fleischbeschau als Ergänzungs¬
beschauer angestellten Tierärzte in ihrem Bezirk die
| Aufsicht über die Laien zu führen haben. Da immer
nur wenige Beschauer in dem Ergänzungsbeschaubezirk tätig
sind, bo ist der Tierarzt in der Lage, die Brauchbarkeit jedes
einzelnen Beschauers beurteilen zu können. Vor allem aber
wird er bestrebt sein, sich ein möglichst brauchbares und zu¬
verlässiges Beschaupersonal zu verschaffen. Hierzu bietet sich
ihm die beste Gelegenheit dadurch, daß er häufig am Schlacht¬
tier mit den Beschauern zusammentrifft und hier durch praktische
Tätigkeit deren Kenntnisse auf bessern kann. Es unterliegt
keinem Zweifel, daß hierdurch die Weiterbildung und Tüchtig¬
keit viel mehr gefördert wird als durch Vorträge in den Ver¬
einen. Auf die praktische und nicht auf die theoretische
Schulung muß das Hauptgewicht gelegt werden. Man
versuche es nur einmal in der angegebenen Weise, und man
wird zu besseren Resultaten als bisher gelangen. Die Klagen
über Verfehlungen würden nachlassen, und ein zuverlässiges
Beschaupersonal würde herangezogen werden.
Nach den jetzigen Bestimmungen über die Beaufsichtigung
der Fleischbeschau haben die amtlichen Revisionen bei Tier¬
ärzten und Laien in gleicher Weise stattzufinden; sie werden
somit auf gleiche Stufe gestellt. Liegt wirklich nicht das Be¬
dürfnis vor, die Laien einer anderen Kontrolle zu unterstellen
als die Tierärzte? So viel Vertrauen sollte man den Privattier¬
ärzten entgegen bringen, daß man ihnen ein Aufsichtsrecht über
die Laienbeschauer einräumt. Hierdurch soll an der bisherigen
Stellung der beamteten Tierärzte bezüglich Beaufsichtigung der
Laien nichts geändert werden. Jeder Laienbeschauer soll
dem Ergänzungsbeschauer und die Gesamtheit der
Laienbeschauer eines Kreises soll dem Kreistierarzt
unterstellt sein. Die völlig unzulängliche^ Stellung der
Privattierärzte zwischen beamteten Tierärzten und Laien wird
ein jeder anerkennen müssen, und daher den Wunsch nach
Verbesserung der jetzigen Verhältnisse für durchaus berechtigt
halten. Die Weiterentwicklung des tierärztlichen Standes ge¬
bietet die Erfüllung dieses Wunsches.
Ein weiteres Erfordernis zur Beseitigung von Mi߬
ständen in der Fleischbeschau ist ein Verbot für Laien¬
beschauer, bei Notschlachtungen jeder Art, sowie bei
Schlachtungen ohne Lebendbeschau die Fleischbeschau
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 49.
8t k;
auszuüben. Hier dürfen nur Tierärzte zuständig sein. Es
muß in der Fleischbeschau Grundsatz sein, daß die Laien¬
beschauer nur dann zuständig sind, wenn sich bei der Lebend¬
beschau keine wesentlichen Störungen im Gesundheitszustände
finden, und wenn nach der Schlachtung nur geringgradige Ab- i
weichungen vom Normalen und Gesunden vorliegen. Daß die
Laienbeschauer den Fleischern gegenüber keinen leichten Stand
haben, und daß sie von diesen zum Überschreiten ihrer Be¬
fugnisse häufig gedrängt werden, steht außer Zweifel. Hier
ist es Sache der Ergänzungsbeschauer den Beschauern beizu¬
stehen und ihre Rechte und Pflichten dem Viehbesitzer klar
zu machen. Wenn gar die Ergänzungsbeschau für den Besitzer
noch mit hohen Kosten verbunden ist, und häufig notwendig
wird, dann werden tatsächlich hohe Anforderungen an die
Charakterfestigkeit des Beschauers gestellt und sind Streitig¬
keiten kaum zu umgehen. Die Gebühren der Ergänzungs¬
beschau sollten daher niemals die Viehbesitzer zu
tragen haben, wie das gegenwärtig noch häufig der Fall ist.
Die gewissenhafte Ausführung der Fleischbeschau darf nicht zu
einer besonderen Belastung führen.
Endlich sei noch auf eine ministerielle Verfügung
vom 17. August 1907 hingewiesen. Hiernach sollen die
Fleischverkaufs- und Aufbewahrungsräume einer regelmäßigen
polizeilichen Beaufsichtigung unterliegen. Zu dieser Kontrolle
sollen die beamteten Tierärzte und nötigenfalls auch die als
Beschauer angestellten Tierärzte zugezogen werden. Im Inte¬
resse des Ansehens des Standes der Privattierärzte liegt es wohl,
daß sie bei diesen Revisionen nicht zurückstehen müssen, sondern
in gleicher Weise wie die beamteten Tierärzte daran
teilnehmen, damit nicht immer mehr die Ansicht Platz greift,
daß den Kreistierärzten in der Fleischbeschau ein Aufsichtsrecht
über die Privattierärzte zusteht. Jedem tierärztlichen Beschauer
muß daran gelegen sein, sich von Zeit zu Zeit durch Revisionen
zu überzeugen, ob in seinem Beschaubezirk bei den Gewerbe¬
treibenden keine Hintergehungen Vorkommen.
Eine Besserung der Stellung der Privattierärzte in der
Fleischbeschau würde sich demnach in folgender Weise erreichen
lassen.
1. Übertragung der Fleischbeschau ausschließlich
an Tierärzte, wenn solche in ausreichendem
Maße zur Verfügung stehen.
2. Errichtung eines unter tierärztlicher Leitung
stehenden Beschauamtes, wenn in einem Orte
neben dem Tierarzt noch Laien als Beschauer
angestellt sind.
3. Berechtigung der Tierärzte, in Behinderungs¬
fällen die Beschau durch einen anderen Tierarzt
als Stellvertreter ausführen zu lassen.
4. Ausschließliche Zuständigkeit der Tierärzte bei
Not Schlachtungen.
5. Beaufsichtigung der Laienbeschauer durch die
zuständigen Ergänzungsbeschauer.
6. Vornahme der polizeilichen Revisionen unter
Zuziehung der in dem betreffenden Bezirke als
Beschauer angestellten Tierärzte.
Die vorstehenden Vorschläge bezwecken, eine Verbesserung
der Fleischbeschau ebenso sehr als eine Verbesserung der
Stellung der Tierärzte. Diese Verbesserung sollte die Königliche
Staatsregierung sowohl im Interesse der Tierärzte wie der Land¬
wirte herbeiführen, denn die Stellung und das Gedeihen des
tierärztlichen Standes sind heut von dem Fleischbeschauwesen
nicht mehr zu trennen, und bisher durch dieses höchst ungünstig
beeinflußt worden. Man muß von einem Rückgang in der tier¬
ärztlichen Konjunktur sprechen.
Es beginnt sich ein unverkennbarer Widerspruch zu ent¬
wickeln zwischen der hohen Steigerung der tierärztlichen Vor¬
bildung und den Zukunftsaussichten der tierärztlichen Stellung.
Tritt dieser Widerspruch erst in die Öffentlichkeit, so
wird er den Zuzug von Studierenden hindern, die in anderen
Berufen ihre sozialen Ansprüche besser sichergestellt sehen.
Da nur die kleinere Zahl der Tierärzte in die als gut
bekannten Beamtenstellen einzurücken, Aussicht hat, so ist für
die Zukunftsaussichten des Berufes die Stellung der Privat¬
tierärzte entscheidend. Für diese aber ist gegenwärtig eine
Krisis eingetreten, zu deren Behebung die erbetene Verbesserung
im Fleischbeschauwesen besonders wirksam beitragen würde.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Stabsveterinär Seiffert
im Hus. Regt. Nr. 6 der Kronenorden vierter Klasse.
Versetzungen: Die Königl. Bezirkstierärzte Benedikt Kögl in Rehau
und Max S>hmutterer in Landshut in gleicher Eigenschaft nach
Aichach bzw. Erding.
Verzogen: Die Tierärzte Gabriel Boyer-Gräfenberg nach Schnaitach
(Bez.-Amt Lauf), Waller JEt/Z-Köstritz nach Ortenburg (Niederbayern).
Promotionen: Die Tierärzte Friedrich Bartel in Berlin, Bans
Biclefeldt in Tiglcff (Schlesw.-Holst.), Berthold Knabe in Lehrte,
Bernhard Mey in Berlin, Dr. Maximilian Meyer in Wiesbaden und
Frant Sokolotcski in Berlin zum Dr. med. vet. in Bern.
Die krel8tierärztllche Prüfung haben in Berlin bestanden: Tierarzt
Wilhrhn Konps , Polizeitierarzt Dr. Erich VahJkampf ‘ Polizeitierarzt
Dr. Friedrich Otto, Tierarzt Fritx Wittstock , Tierarzt Dr. Conrad
Rühmehrrf, Oberveterinär Franz Poddig, Tierarzt Gustav Koenig ,
Tierarzt Willy Meyerhoff.
Todesfälle: Die Tierärzte Siegmund Jacobsohn in Friedrichshagen
bei Berlin, J. Will/. Efflandt in Schönberg (Schlesw.-Holst.), Eduard
Siemela in Ratibor.
Vakanzen.
Kreistierarztstellen: a) Neu ausgeschrieben: Reg.-Bez.
Minden (Westf. : Bielefeld: Bewerb, bis 20. Dezember er. an den
Regierungspräsidenten. Reg.-Bez. Kassel: Ziegenhain. Bewerb,
innerhalb 3 Wochen an den Regierungspräsidenten. — b) Nach
Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Reg.-Bez. Düssel¬
dorf: Mettmann. — Reg-Bez. Koblenz: Mayen. — Reg.-Bez.
Köln: Rheinbach. — Reg.-Bez. Osnabrück: Lingen. — Reg.-
Bez. Posen: Koschmin.
Sohlachthofstelleii: a) Neu ausgeschrieben: Lippstadt:
Verwalter, baldigst. Gehalt 2500 bis 4000 M., freie Wohnung usw.
Privatpraxis nicht gestattet. Meldungen bis 18. November an den
Magistrat. — Rügenwalde: Schlachthofinspektor zum 1. April
1909. Gehalt 2100 M. bis 2700 M. Bewerb, bis 5. Dezember er. an
i den Magistrat. — b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbe-
| setzt: Bitburg: Tierarzt, 1600 M. — Hannover: Tierarzt, 2400 M.
I bis 4100 M. — Jarotschin: Inspektor 2100 M. — Stargard (Pom.):
I Assistenztierarzt, 1800 M. — Wittstock (Dosse): Assistenztierarzt,
I 150 M. monatlich.
j In den letzten Wochen hat zu meinem Bedauern eine Anzahl von
! Kollegen auf Erledigung ihrer Anfragen bei mir warten müssen. Zn
! meiner Entschuldigung möchte ich hier die kleine Notiz bringen, daß
| die Korrespondenz eine außerordentlich rege war und ich innerhalb
; 10 Tagen nicht weniger als 160 Briefe habe diktieren und expedieren
müssen. Ich bin überzeugt, daß dies die einzelnen Empfänger zur
1 Nachsicht stimmen wird. Schmal tz.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inacratenteil): Prof. Dr. Sclitnalti ln Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagabuchhandlung von Riehnrd Schoets ln Berlin. —
Druck von W. Bttxenstein, Berlin.
Die ,3«r1tner Tler&ntllcbe Wochenschrift“ er« eheint
wöchentlich lm Verlage von Richard Scboets ln
Berlin BW. 48, Wilhelmstr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe tun Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 fQr die Wochenschrift, 12 PC für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (österreichische Post-Zeitung»-
Preisliste Nr. 674. Ungarische Nr. 86.)
Berliner
Orlgtnalbeltrige werden mit 60 Mk., fn Petltsate mit
00 Uk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
su senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., LuisenstraOe 66. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departements-T. in Cöln.
Med.-Hat Dr. Boeder Dr. Schlegel
Professor in Dresden. Professor ln Frei barg.
Helfer
Schlachtb.-Direktor in Malbauten L
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Dr. Peter
8taatstierarzt für Hamburg.
Dr. J. Schmidt
Professor in Dresden.
Veterinärrat Peters
Departements-T. in Bromberg.
Ober-Reg.-Rat Dr. Vogel
Landestierarzt ln Manchen.
Veterinärrat PreuQe
Departements-T. ln Danzig.
Wehrte
Kais. Regierangsrat in Berlin.
Dr. Richter
Professor in Dresden.
Zündel
Kreistierarzt in Mttlh&usen L E.
Dr. H. Sieber
i Tropeninstitnt in Hamburg.
Dr. Stödter
Stadt-Tierarzt in Hamborg.
Dr. Zimmermann
Dozent ln Budapest
Jahrgang 1908. JV°. 50 . Ausgegeben am 10. Dezember.
Inhalt: Mayer: Untersuchungen bei der Brustseuche der Pferde. — Zu dem Artikel: „In Sachen Käjberruhrimpfung
nach Raebiger-Habelschwerdt“ von Stabsveterinär Dr Goldbeck. — Referate: Zieger: Die Diagnose der Trächtigkeit
des Pferdes. — Rühm: Untersuchungen über das Vorkommen und die Häufigkeit der Streptococcenmastitis bei Kühen. —
Krüger: Über das Vorkommen von Mikroorganismen im Bindehautsack des Pferdes und ihre Beziehungen zu den Augen¬
krankheiten. — Die abschüssige Kruppe. — Ans der medizinischen Literatur. — Tageageschichte: Neueste Nachrichten. —
Das Deutsche Veterinär-Offizierkorps. — Krueger: Die Gehälter der Kreisärzte und Kreistierärzte. — Verband der Privat¬
tierärzte in Preußen. — Francke: Die 80. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln. (Schluß.) — Bericht
über die Versammlung des Vereins der Scblachthoftierärzte Westfalens. — Tagesordnungen. — Kleine Mitteilungen. — Staats*
voterInärwesen: Erste Kommissions-Lesung der Novelle zum Viehseuchengesetz. — Dienstliche Versammlung der beamteten
Tierärzte des Regierungsbezirks Allenstein. — Gemeinfaßliche Belehrung über die als Influenza der Pferde bezeichneten
Krankheiten. — Personalien. — Vakanzen.
(Aus der bakteriologischen Untersuchungsstation II. Bayr. Armee¬
korps beim Garnisonlazarett Würzburg.)
Untersuchungen bei der Brustseuche der Pferde.
Von Stabsarzt Dr. Georg Mayer.
Bei der Brustseuche der Pferde wurde von Schütz 1887
ein Gram negativer Diplococcus beschrieben von länglich ovaler
Gestalt, ähnlich dem Pneumococcus; es wird Kapselbildung an¬
gegeben im Blute von Tieren, Wachstum auf Agar und Gelatine
bei Zimmertemperatur. Der Coccus wurde im Blute, in den
Langen, in der BrnsthÖhlenflüssigkeit gefunden. Er fand keine
allgemeine Anerkennung, man schrieb ihm Verwandtschaft mit
den Eiterbakterien zu. Es wurde eine Wirkung auf die Kom¬
plikationen and Nachkrankheiten angenommen. — Ligniäre
und andere Antoren fanden in den Lungen einen Streptococcus.
— Neuerlich sind von Lorenz auf der Haut kranker Pferde
Streptococcen gefunden worden, welche Erkrankungen mit
typischem Fieber machen können. .— Nach Lud ewig (Zeitr
schrift für Veterinärknnde 1907, Heft 2) sollen Versuche unter
der Leitung von Koch einen Coccus ergeben haben, der mit
dem von Schütz entdeckten völlig übereinstimme. Es soll die
Vermutung bestehen, daß die Krankheit durch Zwischenträger,
Mücken, Mäuse nsw., verbreitet werde. — In letzter Zeit hat
Willerding (Berliner Tierärztliche Wochenschrift Nr. 34, 1908)
mitgeteilt, daß er bei mikroskopischer Untersuchung des Blutes
und intraperitonealer Verimpfung desselben anf Mäuse und
Kaninchen, sowie bei subkutaner Verimpfung anf 18 gesunde
Pferde verseuchter Bestände negative Ergebnisse hatte. Das
Blnt kranker Tiere komme als Infektionsträger kaum in Frage.
Er züchtete ans den krankhaften Ausscheidungen der Schleim¬
haut von Nase und Auge Bakterien von Diplococcenform, aus¬
nahmsweise von Coccenform, welche sich in Bonilion und
flüssigem Blutserum an den Polen in nicht sehr stabilen kurzen
Ketten aneinander lagern. Es wird noch erfolgreiche Be¬
handlung erkrankter und Schatz gesunder Pferde durch ein
Serum angegeben, welches unter Vorbehandlung mit jenem
Coccus aus Pferden und Rindern gewonnen wurde.
Die Mitteilung Willerding8 veranlaßt mich, Untersuchungen
bekannt zn geben, welche ich im Mai und Juni d. J. im 2. und
11. bayerischen Feld-Artillerie-Regiment zu Würzburg anzustellen
Gelegenheit hatte. Die Herren Stabsveterinäre Müller und
Mo r har dt haben mich bei Ausführung dieser Untersuchungen
in liebenswürdigster Weise unterstützt.
Bei genannten Regimentern, deren Ställe bis jetzt zusammen¬
lagen, entstand dnrch Einschleppung eine ziemlich ausgedehnte
BruBtsencheepidemie. Bei der Vornahme der Untersuchungen
ging ich von der ja überhaupt bekannten Beobachtnng aus, daß
bei menschlichen Infektionskrankheiten: Typhus, Paratyphus,
Genickstarre, krnpöse Lungenentzündung, beim ersten Beginn
der Erkrankung die Erreger im Blute, gefunden werden können,
demnach bei solchen Krankheiten zunächst sich eine Bakteriämie
findet, welcher spezifische Lokalisierongen im Körper folgen.
Eine ähnliche Annahme schien nach dem klinischen and patho¬
logischen Bild für die Brustseuche der Pferde naheliegend.
Die Blutentnahme wurde nach peinlicher Sänberung,
Rasiernng und Desinfizierung der Hant mit der Fliete ans der
Halsvene gemacht in der Weise, daß das im Strahl hervor¬
spritzende Blnt anfgefangen wurde; es dürften daher von der
Haut stammende Verunreinigungen ausznschließen sein. Von
dem Blute wurden 10 ccm in großen Reagierröhren aufgefangen,
welche mit 10 ccm einer Nährlösung beschickt war; die ähnlich
dem Vorgang von Conradi für die Züchtung von Typhusbazillen
aus Blut, zur Hälfte ans sterilisierter Galle nnd zur Hälfte aus
neutraler Bouillon bestand; zur Verhütung der Gerinnong wird
die Mischung sofort leicht geschüttelt. Sie blieb 24 Stunden
bei 37,5° C, alsdann wurden Ausstriche auf Serumagar bzw.
Kutsch ersehen Agar (Plazentabouillon-Rinderserum-Peptone de
Chapoteaut-Mischung) gemacht. Die Resultate finden sich in
Beilage I. Es ergibt sieh, daß bei 16 Blutproben nnd einer
898
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 50.
Sektion ein positives Ergebnis erschien, daran nehmen teil
3 Pferde mit Blutentnahme am 1. Tag der Erkrankung, 2 Pferde
am 2. Erkrankungstag, eins am 3. Erkrankungstag; bei dem
gefallenen Tiere ergab nur die Herzbeutelflüssigkeit einen
einwandlosen Befund; bei einem Pferd verlief die Untersuchung
am 1., 5. und 10. Krankheitstage negativ, bei einem weiteren
am 2. Tag, bei 3 am 3. Das Blut eines unter den verseuchten
Tieren stehenden gesunden Pferdes war steril, bei einem Pferde
(Frage), welches am 1. Tage positiven Befund ergab, fand sich
nach 4 und 9 Tagen nichts mehr.
Die Blutausstrich-Präparate ergaben unter 26 Entnahmen
sechsmal die lange bekannte, traubenförmige Degeneration des
Plasmas der Lymphzellen des Blutes, sonst war kein Befund
zu erheben.
Bei den 7 Pferden mit positivem Blutbefund fanden sich
bei zwei Pferden (Nr. 1 und 4) im Blut Coccen, welche nach
ihrem biologischen Verhalten bzw. dem Resultat der Verimpfung
auf Mäuse als Staphylococcus pyogenes albus zu bezeichnen
sind, bei einem dritten Pferde (Nr. 5) wurde Staphylococcus
pyogenes aureus identifiziert; diese albus und aureus wichen
nur insofern etwas ab, als sie sehr langsam, erst nach fünf bis
sechs Tagen Gelatine verflüssigten, die Gram-Färbung nach
Löffler nur teilweise annahmen und dabei eigentümliche
Teilungsflguren zeigten, so daß die Coccen in der Mitte mit
einem feinen Bande versehen zu sein schienen.
Im Blut von sechs kranken Pferden und in der Herzbeutel¬
flüssigkeit des gefallenen fand sich ein Bakterium, welches
nähere Besprechung verdienen dürfte; dasselbe war ein sehr
kleiner Doppelcoccus, welcher im Klatschpräparat dort, wo er
in größeren Verbänden zusammenliegt, leicht länglich runde
Individuen zeigt, während die Doppelcoccen. dort, wo sie einzeln
liegen ausgesprochene Lanzettform haben, wobei die beiden
Coccen mit den spitzen Enden sich berühren und ferner in einem
spitzen Winkel zu einander stehen, so daß die Form einer
gekrümmten Hantel erscheint. Eine Kapselbildung konnte ich
weder in Kulturen noch in Ausstrichpräparaten aus Mansblut
beobachten.
In Beilage II finden sich die Eigenschaften des Coccns
zusammengestellt, soweit die Untersuchung bis jetzt abgeschlossen
ist. Es wäre speziell darauf hinzu weisen, daß der Coccns nur
auf solchen Nährböden ein einigermaßen gutes Fortkommen
bildet, welchen Serum zugesetzt wurde, das nicht über 60° C
erhitzt ist. Wesentlich scheint mir auch der Umstand, daß die
Serumkulturen, im Gegensatz zu sonstigen Diplococcen, nicht
sehr empfindlich sind, da sie bis zu 14 Tagen übertragbar
bleiben, auch Austrocknung wird verhältnismäßig gut, bis zu
drei Tagen, vertragen. Ein Stamm blieb bei starker Aus¬
trocknung des Nährbodens vom 23. Juli bis zum 7. November
übertragbar.
Was die Tierversuche betrifft (siehe Beilage III), so
stimmen dieselben mit denen Willerdings insofern überein,
als es mir nicht gelang, mit dem Blute kranker Tiere, selbst
solcher, bei welchen sich der Diplococcus fand, Kaninchen bei
intraperitonealer Verimpfung zu infizieren. Die Coccen sind
für die gebräuchlichen Versuchstiere entschieden nicht sehr
pathogen; dies geht auch aus den Versuchen an Mäusen hervor
(siehe Beilage III), bei welchen verhältnismäßig große Dosen
von Impfmaterial ziemlich lange Zeit gebrauchten, um den Tod
der Tiere herbeizufuhren; erst die wiederholte Passage des
Stammes Frieda gab diesem größere Virulenz, doch mußte
immer noch V 2 ccm Kutsch er-Bouillonkultur verwandt werden,
um in 48 Stunden zu töten. Der Sektionsbefund war nur bei
vier Mäusen einigermaßen charakteristisch, indem sich eine
doppelseitige, disseminierte, katarrhalische Pneumonie, je nach
der Dauer der Erkrankung stärker vorgeschritten, eingestellt
hatte. Der Versuch an Meerschweinchen, welchen gleichzeitig
Beilage I.
Lfd.
Nr.
Datum der
Blut¬
entnahme
Name
des Pferdes
Er¬
krankungs¬
tag
Wachstum aus Blut auf
Serumagar-Platten nach
Vorkultur in Galle-Bouillon
Blutausstrich-Präparat
Gruber-Widalsche Reaktion
des Blutes gegen den
Diplococcus lanceolatus
(Stamm Frieda)
1.
21. 5.
Diocletian.
1.
Diploc. lanceol. Staphylo¬
coccus albus.
Traubenförmige Degene¬
ration der Lymphocyten.
1:10 + ; 1:20 +; 1:30-.
2.
23. 5.
Ziska.
1.
[Steril.
Normal.
1:10 —.
3.
22. 5.
Frieda.
2.
Diploc. lanceol.
n
1 : 50 +; 1:100 —.
4.
23. 5.
Gisela.
1.
Diploc. lanceol. Staphyloc.
albus.
Wie Nr. 1.
1:25 4-J 1:50 —.
5.
27. 5.
Frage.
1.
Diploc. lanceol. Staphyloc.
aureus.
Wie Nr. 1.
1:10+; 1:20 ±; 1:30—.
6.
»
Weihe.
Gesund.
Steril.
Normal.
1:10 —.
7.
„
Ziska.
5.
1:10 +.
8.
Derwisch.
3.
„
1:25+; 1:50 -.
9.
„
Eulalia.
3.
„
v
1:25+; 1:50-.
10.
„ i
Frage.
4. j
Wie Nr. 1.
1:20+; 1:40-.
11.
1. 6.
Zenobia.
Verendet
(17. Tag)
IIerzbeutelflü8sigkeit:
Diploc. lanceol.
—
1:25—; 1:50-.
12.
n
Grethe.
2. .
Steril.
Normal.
1:10 —.
13
r>
Herold.
3.
Diploc. lanceol.
„
1:10+; 1:20—.
14.
„
Bertha.
3.
Steril.
r>
1:10-.
15.
Ziska.
10.
„ ,
1:25+; 1:50-.
16.
„
Frage.
9.
*
1:30+; 1:40+; 1:50-.
17.
9. 6.
General.
1 i
2.
Diploc. lanceol.
1:10 ±.
Die Untersuchung des Blutausstriches von 9 anderen kranken Pferden ergab bei 2 Pferden wieder die Degeneration der Lynipho-
cytcn, der sonstige Befund war negativ.
10. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
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Butter eingespritzt war, ergibt, daß bei dieser Methode der 25. Oktober Abszeß am Hals: albus und die Dippcoccen. Seit
Diplococcus in ähnlicher Weise, wie eine Reihe anderer weniger 24. Oktober Husten, tot 1. November: Katarrhalische Herde in
pathogener Bakterien, infektiöse Eigenschaften zu entfalten den Lungen. Tier 3 seit 31. Oktober Husten, 6. November
vermag. Am 16. Oktober wurden drei Meerschweinchen, das Lähmung der Hinterbeine und tot. Darm- und Mageninhalt
erste subkutan, das zweite intraperitoneal, das dritte ebenso blutig verfärbt, Lungen mit tief blauroten, katarrhalischen
mit Butter geimpft, jeweils 1 ccm 4 Wochen alte Kutscher- Herden, Uterus an der Hörnervereinigung blaurot, Niere mit
Bouillon-Kultur. Tier 1 erkrankt 24. Oktober mit Husten, punktförmigen Blutungen.
verendet 31. Oktober. Herzbeutel verdickt, Lungen mit Brust- Die Gruber-Widalsche Reaktion des Blutes der unter¬
korb verwachsen, kontrahieren sich nicht, haben diffuse, tiefrote suchten Pferde (siehe Beilage I) wurde makroskopisch mit
kleine Herde; Schwellung von Penis uud After. Histologisch mikroskopischer Kontrolle mit dem aus Pferd Frieda gezüchteten
katarrhalische Pneumonie mit den Diplococcen. Tier 2 seit Stamm angestellt, 12 Stunden Einwirkung bei 37,5° C. Sie war
Beilage II. I einzelstehenden, graulichen, gewöhnlich nur punktgroßen, manch.
Biologlsohe Eigenschaften des Diplocoocus lanceolatus. I mal fein tautröpfchenartigen Kolonien; unter der Lupe grau und
Der Coccus ist gegenüber dem Löfflerschen Verfahren i undurchsichtig, Ränder leicht unregelmäßig. Kutscher-Bouillon:
absolut Gramnegativ. ! nach zwei Tagen dick gelblich-milchig getrübt. — Die Kulturen
Gelatine: kein Wachstum. Traubenzuckeragar: kein Wachs- I bleiben auf Serumnährböden bis zu 14 Tagen noch übertragbar,
tum. Bouillon: geringer Bodensatz. Glyzerinagar: aus dicken ^ Zehn Minuten langer Aufenthalt im Wasserbad von 56° C tötet
Aussaaten nur einzelne, feinste Kolonien wachsend, die nach sie sicher ab. Aus Seidenfäden, die in Kutscher-Bouillon¬
drei Tagen abgestorben sind. Nutroseager: kein Wachstum. | Kultur getaucht und dann im Brutschrank von 37.5° C
Milch: nicht gerinnend. Lackmusmolke: Spur rotviolett nach getrocknet waren, ließ sich nach drei Tagen kein Wachstum
zwei Tagen. Neutralrotagar: feiner Schleier um den Einstich, | mehr erzielen. Solche Seidenfäden, ein Tag alt, bzw. Granaten,
im Stich kein Wachstum. Serum: feinster Rasen aus einzel- in Kutsch er-Bouillon-Kultur getaucht und getrocknet, ließen
stehenden, durchsichtigen, pünktchenartigen Kolonien. Ascites- i mit Vioproz. Sublimatlösung fünf Minuten zusammengebracht
agar: feiner Rasen aus einzelstehenden, gräulichen, pünktchen- und sofort mit sterilem Wasser gespült, keine Kolonien mehr
förmigen, etwas erhabenen Kolonien. Kutscher-Agar: Rasen aus auskeimen.
Beilage III. Tler-Versuohe.
A. Kaninchen.
C. Meerschweinchen.
14. Juli |Diploc. lanceol. aus Mausblut Frieda 2 ccm 2 Tage alte Kutscher-| Tier bleibt gesund.
I 11. Juli Bouillon-Kultur,
! intraperitoneal
„ „ „ }, „ Frieda 2 ccm Kutscher-Bouillon- + Nacht vom 15. zum 16. Juli, fibrinös-schwartige Peritonitis;
i 11. Juli Kultur und 6 ccm Butter katarrhalische Pneumonie der linken Lunge, Milztumor.
| | intraperitoneal Herzblut: Diploc. lanceol.
900
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No. 50.
bei dem geBonden Tier (Nr. 6), sowie den kranken Nr. 12 und
14 negativ, 13 und 17 gaben nur den Grenzwert 1:10. Wesent¬
licher scheint folgendes: Diokletian hat Grenze 1: 20, 4 Pferde
(Nr. 4, 8, 9, 11) haben positive Reaktion noch bei 1:25, der
eigene Stamm wird von Nr. 3 bis 1: 50, agglutiniert. Bei Ziska
und Frage findet sich eine richtige Steigerung der Agglutination
während der Erkrankung und Genesung, wie ich sie bei Typhus, Para¬
typhus, Ruhr, Genickstarre beobachten konnte. Diese Steigerungder
Agglutination, während des Verlaufes der Krankheit und in der
Genesung ist dort so typisch, daß ich wiederholt in ärztlichen
Veremssitzungen, Konferenzen usw. darauf hinwies, daß die
Steigerung, selbst in niedrigen Werten z. B. von 1:10 auf
1:20, wie dies gerade bei schweren Erkrankungen oft nur der
Fall ist, wesentlich für die Diagnose sei. Wollte man den Satz
umkehren, so würde die Steigerung der Widalschen Reaktion
gegenüber einem bestimmten Bakterium diesem für die be¬
treffende Krankheit eine gewisse Spezifität zusprechen. Jedenfalls
ist das Verhalten der Reaktion, auch bei solchen Pferden, in
deren Blut der Diplococcus sich nicht fand, gegenüber dem
Stamm Frieda nicht ohne Interesse, wenn auch die Reaktion,
wie oft bei Coccen, nur in niedrigen Verdünnungen positiv war.
Gleichwohl ist dem Umstand Rechnung zu tragen, das durch
Mit-Agglutination eine spezifische Reaktion vorgetäuscht sein kann.
Es wäre noch zu erwähnen, daß ein Zusammenhang zwischen
der Schwere der Erkrankung und dem Befund der Coccen nicht
zu bestehen scheint, auch nicht hinsichtlich von Komplikationen.
Das Pferd Frage, bei welchem aureus und lanceolatus sich im
Blut fanden, litt nur 2 Tage an Fieber und bronchitischen Er¬
scheinungen. *
Irgendwelche weitgehende Schlüsse können natürlich aus
den wenigen Untersuchungen nicht gezogen werden; es dürfte
wohl gar nicht so unmöglich sein, daß ähnlich wie bei der
Pneumonie oder Genickstarre des Menschen, so auch bei der
Brustseuche der Pferde verschiedene Erreger bei den spora¬
dischen wie bei den gehäuften Erkrankungen in Betracht kommen,
womit dann die Unwirksamkeit mancher Schutzimpfungsversuche
eine Erklärung fände; es dürfte sich aber vielleicht doch
empfehlen, die von mir angewandte Methode der Untersuchung
des Blutes gleich bei Krankheitsbeginn mit Anreicherung in
Galle-Bouillon und Aussaat auf Seruraagar einer Nachprüfung,
speziell auch hinsichtlich des dabei gefundenen Diplococcus
lanceolatus, zu unterziehen.
Zu dem Artikel: „In Sachen Kälberruhrimpfung
nach Raebiger-Habel8Chwerdt“ von Stabsveterinär
Dr. Goldbeck.
In der B. T. W. hat Herr Stabsveterinär Dr. Goldbeck wieder¬
holt seiner Entrüstung darüber Ausdruck verliehen, daß Herr Kreis¬
tierarzt Raebiger-Habelschwerdt, die Impfungen gegen Kälber¬
seuchen den Landwirten überlassen und damit den tierärztlichen
Interessen schwer geschadet habe. In seinen Ausführungen geht
Herr Dr. Goldbeck noch weiter und moniert scharf die Abgabe
der Impfstoffe direkt an Landwirte durch verschiedene Serum-
Institute und deren Annoncieren in den landwirtschaftlichen Zeit¬
schriften. Insbesondere werden nun diese Anschuldigungen gegen
unser Institut erhoben, weshalb wir uns veranlaßt sehen, die Streit¬
frage von unserem Standpunkte aus zu beleuchten und gleichzeitig
Unrichtigkeiten des Ilerrn Dr. Goldbeck richtig zu stellen.
Herr Dr. Goldbeck kennt die landwirtschaftlichen Verhältnisse
sehr genau, wir hatten daher geglaubt, aus seiner Feder eine beiden
Teilen gerecht werdende Beurteilung zu vernehmen. Seine Kollegen
werden seine Vorschläge zur Abstellung sehr vermißt haben, denn
der vom tierärztlichen StandeBinteresse sehr verständliche Schlacht¬
ruf: „Beziehet Eure Impfstoffe nur von solchen Instituten, die nur
an Tierärzte liefern“, wird dem Impfen der Landwirte den Boden
nicht entziehen. Die Ausführungen des Herrn Dr. Goldbeck haben
uns den Beweis erbracht, daß er von unseren Geschäftsprinzipien
und unserem Verkehr mit Tierärzten und Landwirten sehr wenig
unterrichtet ist.
Seit Bestehen unseres Institutes haben wir stets die tierärzt¬
lichen Interessen wahrgenommen, den Wünschen der Herren Tier¬
ärzte nach jeder Richtung hin Rechnung getragen, weil wir bo
vernünftig sind, einzusehen, daß die Entwicklung unserer Serum¬
abteilung in erster Linie von dem Wohlwollen der Tierärzte ab¬
hängig ist. Nachdem nun die Serumtherapie auch zur Behämpfung
der Kälberseuchen festen Fuß faßte und infolge der Wirksamkeit
unserer Impfstoffe immer größere Verbreitung fand, insbesondere —
und das ist der springende Punkt — es zur Erzielung durch¬
schlagender Erfolge erforderlich wurde, daß die Kälber in den
ersten Lebensstunden, die Ferkel am zweiten oder dritten Lebens¬
tage, geimpft werden mußten und jeder Impfling einer Nachimpfung
zu unterziehen war, änderte sich das Bild ohne unser besonderes
Zutun. Daß die Postulate der frühzeitigen Impfungen zu Recht
bestehen, wird und muß jeder Tierarzt, der mit genannten Infektions¬
krankheiten tagtäglich zu tun hat, bestätigen. Es muß nun doch wohl
vielen Tierärzten ganz unmöglich sein, jede geforderte Impfung selbst
vorzunehmen, die bei großen Viehbeständen fast täglich auszufahren
ist. Jedesmal aber die geborenen Tiere dem Tierärzte vor die Wohnung
zwecks Impfung zu fahren, dürfte nur da möglich sein, wo besonders
günstige Verhältnisse bezüglich Lage der Güter und Anzahl der
Tiere in Frage kommen. Für den größten Prozentsatz der Tier¬
besitzer ist aber der Vorschlag des Herrn Dr. Goldbeck undurch¬
führbar! Wie denkt sich Herr Dr. Goldbeck die Ausführung
im östlichen Deutschland, wo z. B. zur Winterszeit bei 20 km
Entfernung, bei starker Kälte und Schneewehen der Bauer endlich
vor der Wohnung anlangt, um zu erfahren, daß der Tierarzt seit
7 Uhr fort und vor abends spät nicht zurückerwartet wird. Wenn
wir unsere Akten sprechen ließen! Wir können nur so viel mit-
teilen, daß in richtiger Erkenntnis dieser Tatsachen viele Tierärzte
dem Landwirte die Impfung überlassen mußten, wenn nicht Mi߬
erfolge über Mißerfolge auftreten sollten. Unseres Wissens
steht Herr Kreistierarzt Raebiger durchaus nicht allein.
Eine sehr große Anzahl seiner Kollegen hat mit der ersten Impfung
die Kontrolle über den Tierbestand behalten und die weiteren
Impfungen dem Besitzer überlassen. Erklärlicherweise werden
diese Herren sich schwer auf den Kampfplatz der öffentlichen Aus¬
sprache begeben, so wünschenswert dies auch sei. Aus leicht
begreiflichen Gründen heißt es für uns in diesem Kampfe non nomina.
In den erwähnten Fällen erfolgt mit Wissen der Tierärzte und
auf deren Wunsch die weitere Zusendung der notwendigen Impf¬
stoffe direkt an die fraglichen Güter. Bei unserem ausgedehnten
Geschäftsbetriebe würde eine jedesmalige Rückfrage zu erheblichen
Verzögerungen in der Zusendung der meist dringend benötigten
Sera führen. Wie kann man dafür uns verantwortlich machen?
Außerdem bestellen viele Landwirte nach Rücksprache mit ihrem
Tierarzte die Sera, um nach Eintreffen derselben den Tierarzt zur
Vornahme der Impfung zu bitten. Diese Art der Zusendung
geschieht, um die Nachnahme gleich durch den Besitzer einlösen
zu lassen, anstatt oft erhebliche Beträge monatelang und noch
länger unter Zins Verlust vorzulegen. Ist das unsere Schuld? Daß
es vorkommt, daß Landwirte ohne irgendwie tierärztlichen Rat
eingeholt zu haben, die Impfstoffe direkt beziehen, ist nicht ab¬
zustreiten, kann aber kaum verhindert werden. In allen unseren
Zuschriften an Landwirte betonen wir ausdrücklich, daß im eigensten
Interesse zur Vermeidung von Verlusten es notwendig ist, daß die
Impfung durch den Tierarzt ausgeführt wird und es keinen Zweck
hat, zu impfen, wenn nicht erst durch diesen die Natur des Leidens
erkannt und Ratschläge erteilt wurden. Zudem könne in der Hand
des Laien die Impfung wegen der Anwesenheit latenter Seuchen
gefährlich werden. Bei Mißerfolg erstatten wir nur dann die Kosten
zurück, wenn die Impfung durch den Tierarzt resp. durch eine von
10. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
901
ihm dafür angelernte Persönlichkeit ausgeführt wurde. Mehr kann
man doch nicht tun?
Es gibt eine große Anzahl von Tierärzten, die gar nicht daran
denken, Impfungen gegen Schweineseuche, -Pest oder Kälber¬
seuchen auszuführen! Im östlichen Deutschland kommen infolge
Überhäufung durch Amtsgeschäfte die beamteten Tierärzte überhaupt
nicht zu Impfungen! Wie soll sich da der Landwirt helfen? Im
anderen Falle kennen wir eine Anzahl von Tierärzten, deren Zeit
es zuläßt, jede Impfung vorzunehmen, in solchen Fällen denken
die Besitzer gar nicht daran, diese unter Umgehung des Tierarztes
zu machen*). Viele Landwirte klagen, daß der Tierarzt für die
Impfungen überhaupt nicht zu -haben ist! Bei ruhiger Betrachtung
dieser Tatsachen drängt sich doch die Frage auf, ob nicht die
klagenden Tierärzte viel selbst daran schuld sind, daß ihnen die
Impfungen verloren gehen!
Was das Druse- und Rotlaufs$rum anbetrifft, so weisen wir
ausdrücklich darauf hin, daß diese in unseren Annoncen nicht auf¬
geführt sind; von einer Anpreisung derselben an Landwirte kann
daher auch keine Rede sein. Keinem Landwirte sind jemals
von uns Rotlaufkulturen oder Druseserum in die Hände
gegeben worden. Diesen Irrtum des Herrn Dr. Goldbeck
stellen wir hiermit richtig.
Was den erwähnten Kälberruhrbazillenextrakt anbelangt, so ist
dieser überhaupt noch nicht in Verkehr gegeben, wurde vielmehr
probeweise zum Versuch abgegeben. Diese Immunisierungsart
wird erst jetzt spruchreif.
Wie nun Herr Dr. Goldbeck sich darüber beklagen kann, daß
unsere Annoncen in landwirtschaftlichen Zeitungen erscheinen, ist
uns ganz unverständlich. Wenn Impfstoffe, die sich als sehr gut
bewährt haben, im Interesse der Seuchenbekämpfung eine mög¬
lichste Verbreitung finden sollen, so ist es notwendig, daß die
Tierzüchter hierauf aufmerksam gemacht werden. Es handelt sich
doch nicht immer um Heilimpfungen bereits verseuchter Bestände,
sondern um Schutzimpfungen gesunder Tiere gegen teilweise nicht
anzeigepflichtige Seuchen. Durch die Annoncen erhält aber der
Besitzer Kenntnis davon, welche Impfstoffe zur Gesunderhaltung
seines Tierbestandes in Frage kommen. Dadurch trägen wir viel
zur weiteren Verbreitung der Impfungen bei, und schließlich hat
der Landwirt, so lange kein gesetzlicher Impfzwang besteht, selbst
zu bestimmen, ob er seine Tiere impfen lassen will oder nicht,
er wird sich früher oder später mit den Impfstoffen so wie so
bekannt machen müssen. Wird nicht in der großen landwirtschaft¬
lichen Woche von berufenen Fachleuten den Landwirten fast in
jedem Jahre die Herstellung, Wirkung und Anwendungsweise der
Impfstoffe, besonders neuer, vorgetragen? Werden nicht in vielen
landwirtschaftlichen Versammlungen von Tierärzten die Tierseuchen
behandelt und die Bekämpfung unter Heranziehung der Impfung
betont? Warum sollen unsere Annoncen, die sehr ruhig gehalten
sind, an allem schuld sein? Interessant wäre es uns, einmal
hierüber die Ansicht der Landwirtschaftskammer zu hören, die doch
als die berufensten Vertreter der Landwirte in der Streitsache eine
große Erfahrung haben.
Aus unseren Ausführungen dürfte hervorgehen, daß die gegen
uns erhobenen Anschuldigungen des Herrn Dr. Goldbeck nicht zu
Recht bestehen, daß vielmehr bei dem Bedürfnis der Landwirte für
die Schutzimpfungen von seiteu der Herren Tierärzte eine größere
Impffreudigkeit Platz greifen muß und damit ein nach unserer An¬
sicht etwas zu wenig beachtetes Feld der tierärztlichen Praxis auch
dem Interesse der Tierärzte näher gerückt wird. So weit wir unsere
Unterstützung hierzu geben können, sind wir jederzeit bereit.
Pharmazeutisches Institut Ludwig Wilhelm Gans,
Abteilung für Bakteriologie und Serumgewinnung.
Berlchtioung.
In dem Artikel von Bezirkstierarzt Hillerbrand Nr. 49, S. 877,
ist im Absatz 2 ein Wort ausgefallen. Es mußte heißen: „und
wenn unter 12 Tieren, von denen sich keines schwer krank zeigte“.
*) Daran erlaube ich mir denn doch zu zweifeln?
Schmaltz.
Referate.
(Aus der medizinischen Klinik der Tierärztl. Hochschule Dresden.)
Die Diagnose der Trächtigkeit des Rindes.
Von Dr. med. vet. Zieger, Tierarzt in Strehla a. Elbe.
(Inaugural-DUsertttion, Bern 1908.)
{Buchhandlung von Zahn St J&enscb, Dresden, Waisenhauastr., Preis 2,50 M.)
Verfasser hat sich in vorliegender Arbeit der Aufgabe
unterzogen, alles wissenschaftliche und praktische Material
zusammenzustellen, welches die Diagnose der Trächtigkeit beim
Rinde ermöglicht. Zunächst wird die Anatomie und Physiologie
der weiblichen Geschlechtsorgane des Rindes abgehandelt.
Bezüglich der ersteren sind der Aufgabe der Arbeit ent¬
sprechend das Gekröse für den Genitalapparat — die Ligamenta
lata uteri und die Ligg. suspensoria ovariorum —, die Lage
und Form des Bchlaflfen ingraviden, des in Erektion befindlichen
ingraviden und die Lage des graviden Uterus, sowie das Ver¬
halten der Genitalgefäße bei jungfräulichen, gravid gewesenen
und graviden Uteri besonders hervorgehoben, während bezüglich
der letzteren die für die innere Palpation zum Zwecke der
Trächtigkeitsbestimmung im Vordergrund stehende, mit Form-
und Konsistenzveränderungen verbundene Reizempfindlichkeit
und Kontraktionen des ingraviden und des noch vor dem End¬
stadium der Gestation sich befindenden graviden Uterus an der
Hand von eigenen Versuchen in fünf Abschnitten eingehend
beschrieben werden. Was nun das Kapitel der Diagnose der
Trächtigkeit betrifft, so hat Verfasser zuerst die verschiedenen
Methoden und Ergebnisse der äußeren Untersuchung besprochen.
Wenngleich diese auch häufig einen sicheren Schluß zuläßt, so
muß doch, um etwaigen Irrungen zu entgehen, der inneren
Untersuchung der Vorzug gegeben werden. Dieselbe umfaßt
die vaginale und die rektale Exploration. Am schnellsten wird
die Diagnose gesichert durch die kombinierte Methode, mit
welcher bei eventueller Nichtträchtigkeit der unbefruchtete
Uterus bei einiger Übung ohne weiteres aufzufinden ist und bei
eventueller Trächtigkeit durch Feststellung der Veränderungen des¬
selben unter Berücksichtigung der Ovarien in Form, Größe, Kon¬
sistenz und Lage schon eine 4—6 Wochen dauernde Trächtigkeit
bestimmt werden kann. Chronische Endometritis, Tuberkulose
und ähnliche Leiden des Uterus, sowie Pyometra, Hydrometra,
die namentlich leicht mit den Veränderungen der Gebärmutter
im ersten Stadium der Gestation zu Verwechselungen Anlaß
geben können, haben ihr pathognomisches Kriterium gefunden.
Es wird dann des weiteren auf die Untersuchungsbefunde in
den einzelnen Trächtigkeitsstadien eingegangen und dabei auch
der Diagnose der Zwillingsträchtigkeit, Eihautwassersucht, Speck¬
kälber und abnorm stark entwickelten Jungen bei erstkalbenden
Rindern, sowie der Bestimmung des Geburtseintrittes gedacht.
In der zweiten Gestationshälfte, insbesondere im letzten Drittel
der Trächtigkeit wurde die Beobachtung gemacht, daß die
rektale Exploration bisweilen im Stiche lassen kann. Dieses
Umstandes und der Einfachheit halber sah sich Verfasser nach
einem anderen diagnostischen Hilfsmittel um, und dieses ist
gegeben in den charakteristischen Veränderungen der zuführenden
Genitalgefäße (A. uterina candalis und A. uterina media). Da
das Dickerwerden und die mit demselben einhergehende Schlingen-
bildung der zuführenden Gefäße auf der Seite stärker in die
Erscheinung treten, die dem graviden Horn entspricht, so kann
auch einwandfrei die Trächtigkeit des rechten oder linken
Hornes bestimmt werden. Dieser Umstand ist besonders be-
902
achtenswert, weil bei Gravidität des linken Hornes nicht selten
eine Abnormität vorliegt.
Schließlich wird auch des Gesäßschwirrens als eines
sicheren diagnostischen Hilfsmittels gedacht, welches mittelst
modifizierten Endophonoskopes* gegen Ende der Gravidität als
ein dem Uteringeräusch des menschlichen Weibes identisches
Phänomen auskultiert werden kann. Die Arbeit findet ihren
Abschluß in der Schilderung des vom Verfasser geübten Unter¬
suchungsganges, wobei noch das Aufsuchen der Ovarien be¬
schrieben und eine kurze Schlußbetrachtung angeknüpft wird.
Im übrigen muß auf das Original verwiesen werden, dessen
Studium für den Geburtshelfer nicht unwichtig sein dürfte. Eine
bunte und acht einfarbige Abbildungen veranschaulichen den Text
und tragen wesentlich zur leichten Orientierung bei. Z.
Untersuchungen über das Vorkommen und die Häufig¬
keit der Streptococcenmastitis bei Kühen.
Von Tierarzt G. Kühm-Perlach.
(Woclien*chrIft für Tierheük. u. Viehzucht, 62. J*hrg., Nr. 7.)
Von pathogenen Milchkeimen kommen außer den Tuberkel¬
bazillen besonders Streptococcen in Betracht. Dieselben finden
sich ziemlich häufig und werden von manchen Ärzten als
Ursache der Kindersterblichkeit bezeichnet. Mit dem Genuß
einer derartigen verunreinigten Milch ist daher auch eine große
Gefahr für die Gesundheit des Säuglinges verbunden. Bergey
bat zuerst auf den Zusammenhang zwischen Streptococcen und
Leukozyten hingewiesen und die Behauptung aufgestellt, daß
Milch mit einer größeren Menge von Leukozyten verdächtig ist,
streptococcenhaltig zu sein. Trommsdorff-München hat nun
ein Verfahren (die sog. Milchleukozytenprobe) ersonnen, mit
welchem es möglich ist, den Leukozytengehalt zu untersuchen.
Der Untersuchungsgang hierbei ist folgender: Der zu unter¬
suchenden Misch-Milch einer Kuh entnimmt man mit einer Pipette
10 ccm Milch und füllt dieselbe in ein Zentrifugiergläschen, das
unten in eine Kapillare ausgezogen ist (zu beziehen von der
Firma Hugershoff-Leipzig). In einer Zentrifuge — mit etwa
1200 Umdrehungen in der Minute — wird das Gläschen etwa
3 Minuten lang geschleudert. In der Kapillare sammeln sich
dann die etwa vorhandenen Leukozyten als gelblicher Bodensatz
an. Ueber der Kapillare steht die bläuliche Magermilch und
darauf die Rahmschicht des Fettes. Um dem Kapillarröhrchen
sind die Marken 1 und 2 angebracht, welche auf 1000 Teile
Milch 1 bzw. 2 Teile Leukozyten anzeigen (0,01 :10).
Die Milch gesunder Tiere darf im Höchstfall etwa 0,5 Teile
auf 100 Teile erreichen, der Bodensatz darf also noch nicht die
Marke 1 berühren. Ist letzteres aber der Fall, so wird die
Milch verdächtig; steigt der Bodensatz bis zur Marke 2, so ist
sicherlich das betreffende Euter erkrankt. Kann man mit der
Zentrifuge gleichzeitig eine größere Anzahl Röhrchen ver¬
arbeiten, so ist im Zeitranm von einer Stunde die Untersuchung
von 100—200 Rindern ohne besondere Schwierigkeiten möglich.
Um nun die Brauchbarkeit der Trommsdorffschen Methode
für die Praxis zu prüfen, hat Rühm in einem gewöhnlichen
bäuerlichen Betriebe während dreier Monate Untersuchungen
angestellt. Zur Kontrolle benutzte er die klinischen Unter-
suchungsniaßnahmen und das Züchtungsverfahren mit Agar platten.
Aus fünf beigefügten Tabellen sind die näheren Ergebnisse er¬
sichtlich. Mit Hilfe der „Milchleukozytenprobe“ gelang es dem
Verfasser bei 5 unter IG Kühen eines Stalles Streptococcen¬
No. 50. _
mastitis nachzuweisen, die bei drei von ihnen je ein Euter¬
viertel zum Versiegen der Milch brachte. Als praktisch
wichtig ist hervorzuheben, daß es gelang, frühzeitig
— noch bevor durch Milchinspektion und Palpation
des Euters Entzündung festgestellt werden konnte —
auf einfache Weise eiterige Mastitis zu erkennen.
Gegen die Trommsdorffsche Probe scheint der Umstand zu
sprechen, daß die Milch an einigen Tagen trotz des hohen Ge¬
haltes an Streptococcen nur Spuren von Leukozyten enthielt,
daß also das Vorhandensein einer Mastitis der Untersuchung
entgehen könnte. Dieser Einwand wird aber sofort hinfällig,
wenn die Stallprobe periodisch — vielleicht wöchentlich —
ausgeführt wird, dann ist das Nichtbemerken einer Mastitis
so gut wie ausgeschlossen.
Die Entstehung der Mastitis ist in den meisten Fällen
auf Unreinlichkeit beim Melken zurückzuführen. Mit Rücksicht
auf den durch eine Euterentzündung bedingten Milch-Ausfall
erschienen die Forderungen: das Euter vor dem Melken zu
reinigen, die Hände nach dem Melken einer jeden Kuh sauber
zu waschen, euterkranke Kühe zuletzt vorzunehmen — nicht
unerfüllbar. Der Produzent von Kindermilch, der sich doch
höhere Preise als für die Marktmilch zahlen läßt, hat aber die
Verpflichtung, auf peinlichste Reinlichkeit zu achten.
Die näheren Vorgänge bei der Bildung einer Mastitis faßt
Rühm so auf, daß zunächst während der Inkubationszeit sich
die Streptococcen vermehren, ohne eine Schädigung der Euter¬
substanz zu veranlassen. Infolge Anhäufung der Bakterienstoff¬
wechselprodukte kommt es zur entzündlichen Reizung und ver¬
mehrtem Auftreten von Leukozyten. Letztere sind
also, sobald sich ihre Zahl in der Milch vergrößert,
ein untrüglicher Beweis für die beginnende Entzündung.
Durch das Ausmelken der Streptococcen und ihrer Toxine, sowie
der Leukozyten mit den Antitoxinen wird der Verlauf verzögert,
die klinischen Symptome werden unklarer und das betreffende
Euterviertel verödet allmählich. J. Schmidt.
Über das Vorkommen von Mikroorganismen im Binde¬
hautsack des Pferdes und ihre Beziehungen zu den
Augenkrankheiten.
Von Stabsveterinär Ernst Krüger.
l,Zeit8<-hr. f. VeterinÄrk. 1908, S. 193.)
Im gesunden Bindehautsack des Menschen und der Haus¬
tiere finden sich Mikroorganismen. Krüger hat den Inhalt
des Bindehautsackes zahlreicher gesunder Bowie auch augen¬
kranker Pferde untersucht und konnte feststellen, daß der
BindehautBack des gesunden Pferdes in ähnlicher Weise wie
der der übrigen Haustiere und des Menschen zahlreiche Mikro¬
organismen enthält; es fanden sich hauptsächlich Staphylococcus,
daneben Streptococcus pyogenes und aureus, auch Stäbchen,
die au das Bacterium coli erinnerten, und eine dem Nekrose-
bazillus ähnliche Mikrobe, außerdem Diplococcen, deren Aus¬
sehen und Wachstum große Ähnlichkeit mit dem Fränkelschen
Pneumococcus aufwies. — Diese Mikroorganismen gelangen aus
der umgebenden Atmosphäre, von den Tränenwegen oder durch
direkte Berührung in den Bindehautsack. Der geringste Epithel*
Verlust des vorderen Augenabsclmittes öffnet daher der Infektion
Tür und Tor. Zu den auf diese Weise entstandenen Augen¬
krankheiten gehören verschiedene Katarrhe der Bindehaut, Ent¬
zündungen und besonders Geschwüre der Hornhaut usw. Be
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
10. boznilbor 1908.
letzteren handelt es sich nicht nur um Staphylococcengeschwüre,
sondern auch um das Ulcus corneae serpens, jenes beim Menschen
so häufig vorkommende, sehr gefürchtete Pneumococcengeschwür,
welches beim Pferd allerdings viel seltener zu sehen ist.
Die früher oft angewandte Behandlung größerer oder
kleinerer Verletzungen des vorderen Abschnittes des Auges mit
Kaltwasser- oder mild antiseptischen Umschlägen dürfte in
vielen Fällen nicht nur nutzlos sondern oft sogar schädlich
sein. Die gründliche, wiederholte Desinfektion des Bindehaut¬
sackes und des Krankheitsherdes ist von großer Wichtigkeit,
wozu sich 2 V 2 —5proz. Borsäurelösung eignet. Nach der ört¬
lichen Behandlung des Bindehautsackes und der Verletzungen
ist das Einstreichen einer 3—lOproz. Borvaselinsalbe (Acid.
boric. 0,3, Vasel. americ. alb. 10.0) zu empfehlen, der bei er¬
heblicher Schmerzhaftigkeit noch Cocain zugesetzt werden kann
(Ac. boric. 0,3, Cocain, muriat. 0,2, Aqu. dest. q. 8., Vasel.
americ. alb. 10,0). Die Salbe wird mit einem abgerundeten
Glasstäbchen in den Bindehautsack und auf den Augapfel auf¬
gestrichen. Richter.
Die abschüssige Krappe.
In Nummer 44 dieses Blattes macht Herr J. Schmidt die
Leser auf die Arbeit des Herrn Zuchtinspektor Hink in Freiburg
aufmerksam, die in Heft 4 der „Zeitschrift für Gestütkunde“
erschienen sei. Ich gestatte mir den Hinweis, daß jener Artikel
des Herrn Hink über die abschüssige Kruppe der Zugpferde,
sowie noch eine zweite Einsendung desselben Verfassers in
Heft 7, zwei Erwiderungen von meiner Seite im 6. und 8. Hefte
der „Zeitschrift für Gestütkunde“ gefunden haben. Dieselben
siqd.für. Interessent^n vpn .d®? 1 ,.Verlagsbuchhandlung Schaper
in Hannover, Marienstr. 8, zu beziehen.
Prof. Dr. H. Kraemer.
Aas der medizinischen Literatur.
CV ntralblatt f. Bakteriologie usir., I. Abt., Originale. Bd. 48, S. 162.
Ein Trypanosoma des Wisent von Bielowesch. Von K. i. Wrublewskf.
— Zu den bisher bekannten für Säugetiere pathogenen Trypa¬
nosomen Rougeti undTheileri hat Verfasser ein neues Trypa¬
nosoma und zwar bei dem in Litauen im Walde von Bielowesch
wild lebenden Wisent entdeckt. Er glaubt, daß die von ihm
gefundene Flagellate eine selbständige Art ist, will ihre Patho¬
genität für das Wisent aber noch dahingestellt sein lassen.
Wladimir off und Yak im off halten das Trypanosoma auf Grund
seiner morphologischen Eigentümlichkeiten zweifellos für eine
neue Spezies und schlagen vor, es Tr. Wrublewskii zu nennen.
Dieselbe Zeitschrift, S. 249.
Die Schnellagglutination und ihre Verwendung bei der Serodiagnose
des Rotzes. Von Dr. MieBner. — Bei dem gewöhnlichen Agglu¬
tinationsverfahren vergehen mindestens zwei Tage bis ein
Resultat gewonnen werden kann. Um den Vorgang zu be¬
schleunigen, hat Mießner die von Gaehtgens bei Typhus und
Paratyphus angewandte Zentrifugiermethode mit Erfolg benutzt.
Bringt man die in Zentrifugierröhrchen gefüllte Testflüssigkeit,
die mit den entsprechenden Serumverdünnungen nur 10 Minuten
lang bei 37° aufbewahrt wurde, in eine Zentrifuge und belaßt
sie hier weitere 10 Minuten, so wird das Agglutinationsphänomen
erkennbar. Die Niederschläge sind für die Beurteilung des
Agglutinationswertes nicht immer ausschlaggebend. Dagegen
ist der durch Schütteln des Röhrchens aufgewirbelte Bodensatz
903
charakteristisch und reicht zur Diagnose völlig aus. Dabei ist
zu beachten, daß die Körnung und Flockung ein Zeichen für
den positiven Ausfall der Agglutination sind, während ein zopf-
förmiger Schleier das Ausbleiben der Agglutination anzeigt.
Bei Anwendung der Wasserzentrifuge mit 1000 Umdrehungen
in der Minute reichen 10 Minuten aus und bei der elektrischen
Zentrifuge mit 4000 Umdrehungen genügen 3 Minuten, um den
Niederschlag hervorzurufen. Die Schnell-Agglutinationsmethode
verbindet Sicherheit mit Schnelligkeit und ist deshalb zur Rotz¬
diagnose besonders geeignet.
Deutsche Medixinalxeitung. 29. Jahrg. IDOS, S. 9S3.
Curare bei Tetanus. Von G. A. Lubenetzki und N. A.
Sinakewitsch-Kasan. — Bei einem seit vier Tagen be¬
stehenden sehr schweren Tetanusfall, bei dem Morphium selbst
in großen Dosen auf die tagsüber alle 15—30 Minuten sich
wiederholenden Krämpfe wirkungslos blieb, wurde durch In¬
jektionen von 4p.roz. Curarelösung zunächst Erleichterung des
Zustandes herbeigeführt. Die Injektionen von 0,5 ccm der
genannten Lösung wurden Tag und Nacht stündlich wiederholt.
Außerdem erhielt der Kranke dreimal täglich 0,01 Morphium
und vier Nährklistiere. Vollkommene Heilung nach acht
Wochen. Die Eingangspforte der Starrkrampfinfektion blieb
unaufgeklärt. Antitetanusserum stand nicht zur Verfügung.
(Praktitscheski Wratsch 29/08.)
Dieselbe Zeitschrift , S. 1046.
Experimentelle Beiträge und Demonstration zur Pathogenese des
Tetanus. Von H. Pochhammer. Verfasser hat bei Menschen
und Tieren lokale Tetanuserscheinungen beobachten können.
Entgegen der Annahme, daß das Tetanusgift in den Nerven
fortgeleitet wird, glaubte Zupnyk, daß auch nach Resektion
der Nerven des infizierten Gebietes Starrkrampf sich entwickeln
könne. Verfasser prüfte die Versuche nach und fand sie nicht
bestätigt. Kaninchen, die nach Exstirpierung des Nerv, cruralis,
ischiadicus und obturatorius an der so entnervten Extremität
geimpft wurden, erkrankten nicht an Tetanus. Das Tetanus¬
toxin wird offenbar von den peripherischen Nerven gebunden
und zwar von Substanzen, die chemische Affinität zum Toxin
haben. Solche sind die lipoiden Stoffe der Markscheide. Anti¬
toxin wird nicht von kranken sondern von anderen Zellen
produziert. Einspritzungen von Tetanus-Antitoxin haben nur
so lange eine paralysierende Wirkung auf das Toxin, als solches
im Blut kreist und noch nicht an die Nervenzellen gebunden
ist. Nach Bockenheimer kann man statt des Antitoxins
andere sehr viel billigere lipoide Substanzen, z. B. eine Chole-
stearinsalbe, in die verdächtige Wunde bringen. (Freie Ver¬
einigung der Chirurgen Berlins. Sitzung vom 9. November 1908.)
Dieselbe Zeitschrift, S. 1028.
Über das Wesen der Alkohottoleranz. Von Pringsheim. —
Aus Untersuchungen über das Schicksal des Alkohols im
Organismus der an Alkohol nicht gewöhnten und der an ihn
gewöhnten Tiere hat sich ergeben, daß beide die gleichen
Mengen Alkohol durch die Nieren, die Lungen und die Haut
ausscheiden. Der Kot ist immer alkoholfrei. An Alkohol ge¬
wöhnte Tiere verbrennen ihn in etwa 2 /3 der Zeit wie die nicht
daran gewöhnten. Bei der akuten Alkoholvergiftung beträgt
der Alkoholprozentsatz des Körpers bei nicht gewöhnten Tieren
etwa 66 Proz. mehr als bei den gewöhnten. Die Verbrennung
des Alkohols erfolgt bei den nicht daran gewöhnten Tieren wohl
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 50.
hauptsächlich in der Leber. Dasselbe ist bei den an Alkohol
gewöhnten Tieren der Fall. Daneben aber findet bei diesen noch
eine fast ebenso starke Verbrennung im Herzmuskel statt und eine
wenn auch geringere im Gehirn. (Biochem. Zeitschr. 12, 1 und 2.)
Dieselbe Zeitschrift S. 1027.
Atropin bei akuter Morphium- und Opiumvergiftung. Von Dr.
Maurice Roch-Genf. — Das Atropin ist bei Morphium Vergiftung
von unbestreitbarem Nutzen. Es wirkt antagonistisch auf das
Atmungszentrum, verbessert die'Zirkulation und fördert dadurch
die Ausscheidung des Giftes; ferner regt es das Brechzentrum
an und lähmt die Bronchialdrüsen, deren Produkte zuweilen die
Luftwege verstopfen. Mißerfolge oder schädliche Wirkung bei
Atropinbehandlung erklären sich aus zu starken oder zu
schwachen Atropindosen, zu intensiver Morphiumvergiftung oder
aus Idiosynkrasien. Außer Atropin kommen bei Morphium¬
vergiftungen noch in Betracht: hautreizende Mittel und Ex-
zitantien, wie Kaffee, Kampferöl, Strychnin und Kokain. Am
meisten empfiehlt sich die subkutane Injektion von Atropinum
sulfnricum in einer Menge von 0,002 g, die nach 2 bis 3 Stunden
wiederholt werden kann. Die Wirkung des Mittels, läßt sich in
der Pupille kontrollieren, außerdem ist die Pulsfrequenz zu be¬
achten. Nach erreichter Mydriasis und bei beunruhigender
Tachykardie ist von weiteren Atropingaben abzusehen. (Revue
med. de la Suisse Romande 4—6/07.)
Tagesgeschichte.
Neueste Nachrichten.
Zentralvertretung der tierärztlichen Vereine Preußens.
Vorläufige Mitteilung.
Es ist beabsichtigt, die Zentralvertretung der tierärztlichen
Vereine Preußens zu einer Plenarversammlung in der Zeit der
landwirtschaftlichen Woche, etwa am 20. Februar, nach Berlin
einzuberufen. Der endgültige Termin und die Tagesordnung
werden baldigst bekannt gemacht werden. Den Vorständen der
zugehörigen Vereine stelle ich ergebenst anheim, Wünsche oder
Anträge für die Tagesordnung mir bald zukommen zu lassen.
Der Vorsitzende: Dr. Esser.
Preußische Tierärztekammer.
Die Berliner Neuesten Nachrichten bringen (Dienstag Abend-
Nummer) folgende, anscheinend nicht aus tierärztlichen
Kreisen stammende Nachricht:
Zur Frage der Errichtung von Tierärxtekammem hören wir, daß
gegenwärtig in dem xustehenden Ressort, dem Ministerium für Land¬
wirtschaft, Erwägungen über die Gestaltung solcher Kammern schweben.
Es dürften zunächst die Oberpräsidenten Erhebungen über die geeignetste
Organisation und die Wünsche der beteiligten Kreise anstellen, von
deren Ergebnis die definitice Regelung der Frage abhängen wird. Als
feststehend kann man aber schon heute annehmen, daß es sich nicht
um Kammern auf Grund gesetzlicher Einführung handeln wird nach
Art der Ärztekammern mit Beitragspflicht und Disxiplinarbefugnissen,
sondern um Kammern auf Grund königlicher Verordnung ähnlich wie
die Apothekerkammern , welche lediglich die Regelung von Standes¬
interessen zur Aufgabe haben. Diese Form der Tierärxtekammem
würde auch den Wünschen der beteiligten Kreise am meisten ent¬
sprechen (für eine Übergangseinrichtung trifft dies zu. S.).
I)as Deutsche Veterinär-Offizierkorps.
Es ist das Wort, das die deutschen Tierärzte seit sechs
Jahren in Atem hält, jenes Wort, an dessen Fersen sie ihr Glück
geheftet denken: das „Deutsche Veterinär-Offizierkorps“. Das
soll mit der Maturität die beiden Grundpfeiler des Triumphbogens
bilden, durch den die tierärztliche Wissenschaft, wie einst
Prof. Dr. Schmaltz verkündete, in eine neue Ära eintritt.
Mit aufregender Spannung sah die Tierärzteschaft Deutschlands
der Eröffnung des Deutschen Reichstages im November 1908
entgegen, dem die Vorlage eingebracht werden sollte, nach
folgender Erläuterung zu Kapitel 35, Titel 53 des Reichsmilitär¬
etats für das Rechnungsjahr 1904: „Infolge Erhöhung des
wissenschaftlichen Vorbildungsgrades für das Studium der Tier¬
heilkunde ist zur Sicherung des Nachwuchses eine Hebung der
militärtierärztlichen Laufbahn geboten. Die Umgestaltung muß
durchgeführt sein, wenn am 1. April 1909 der erste volle Jahr¬
gang von Abiturienten nach bestandener Fachprüfung zur Truppe
tritt. — Zu den vorbereitenden Maßnahmen, die zunächst ohne
Belastung des Etats durchgeführt sind, gehört die Änderung
der Dienstgradbezeichnungen. u
Mögen auf Grund dieses Nachsatzes einige oder viele gehofft
haben, daß die kommenden Etats vorbereitende Maßnahmen
brächten, die mit Belastung des Etats durchzuführen sind, etwa
in der Art, daß 1905 der Wohnungsgeldzuschuß der Korps¬
stabsveterinäre und OberstabBveterinäre, 1906 jener der Stabs¬
veterinäre erhöht und 1907 die Umänderung der. Unterveterinäre
in Assistenzveterinäre erfolgen würde, so daß 1908 der Etat
nur noch mit der Regelung einzelner Stellen und der sämtlicher
Gehälter belastet worden wäre, — so viel wußte jeder bestimmt,
daß die ganze Organisation zum 1. April 1909 durchgeführt
sein mußte.
Da trat plötzlich etwas ganz Unerwartetes ein — die Um¬
gestaltung wurde verschoben!
Wie hart dieser Schicksalsschlag traf und welchen Schmerz
er den deutschen Tierärzten und ihren Familien bereitete, das
hat in trefflicher, würdiger Weise der Rektor der tierärztlichen
Hochschule in Berlin, Herr Prof. Dr. Schmaltz, der Schrift¬
führer des Deutschen Veterinärrates, in Nr. 46 der Berliner
Tierärztlichen Wochenschrift zum Ausdruck gebracht; er hat
den Emst der Lage geschildert für die Tierärzte und ein ge¬
treues Bild entworfen von der Lage, in welcher sich das
preußische Kriegsministerium befunden hat. Die Verlängerung
nur um ein Jahr wird zur Folge haben, daß die frohe Kunde
so manchen nicht mehr erreicht, daß so mancher in den Genuß
der neuen Epoche nicht mehr tritt.
Prof. Schmaltz hat zugleich eine offizielle Kundgebung
von zuständiger Stelle gewünscht, damit Klarheit geschaffen
werde, hat mit bestimmten Worten die Wege gezeigt, welche
von den deutschen Tierärzten beschritten werden müssen, um
sicher an das gesteckte und verheißene Ziel zu gelangen und
hat schließlich die Hoffnung daran geknüpft, daß in diesem
einen Jahre die Vorlage so ausreifen möge, daß sie als ganze
Arbeit mit Freude und Dankbarkeit von den deutschen Tier¬
ärzten in Empfang genommen werden könne.
Die Stimmung und die Stimmen der deutschen Tierärzte
sind in diesem Artikel enthalten. Die deutschen Tierärzte er¬
tragen ihr Geschick mit Ruhe und Würde und erkennen als
allezeit gute Patrioten den elementaren Druck an, demzufolge
die obersten Reichsbehörden zu ihrem Vorgehen gezwungen
waren; es ist nicht das erstemal, daß sie dem Vaterlande ein
Opfer bringen. Gleichzeitig bekunden sie hiermit aufs neue
10. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
905
ihr unerschütterliches Vertrauen zu Sr. Exzellenz dem
preußischen Herrn Kriegsminister, General der Kavallerie
von Einem, dem als Schöpfer des deutschen Veterinär-Offizier¬
korps der Deutsche Veterinärrat zu Breslau 1906 eine offizielle
Dankeskundgebung einstimmig dargebracht hat.
Seit der Vertagung der Veterinärreform ist eines geschehen;
die zuständigen höchsten Stellen sind dem von Herrn Prof.
Dr. Schmaltz ausgesprochenen Wunsche bereits zuvor¬
gekommen gewesen. Die Bekanntgabe des Königl. Bayrischen
Kriegsministeriums durch Erlaß vom 7. November 1908 lautet:
„Nach Mitteilung des Königl. Preußischen Kriegsministeriums
hat es sich mit Rücksicht auf die Durchführung der Reichs¬
finanzreform nicht umgehen lassen, die für 1809 beabsichtigte
Etatforderung für Bildung eines Veterinär-Offizierkorps um
ein Jahr zurückzustellen. gez. Frhr. von Horn.“
Die durch die Vertagung der Reform im ersten Momente
geschaffene Unklarheit und Unsicherheit ist dadurch endgültig
beseitigt: Die Mittel für Bildung des Veterinär-Offizier¬
korps werden im Reichsmilitäretat für das Rechnungs¬
jahr 1910 gefordert.
Wie steht es aber mit dem anderen, am Schlüsse seiner
Ausführungen von Herrn Prof. Dr. Schmaltz verlautbarten
Wunsche? Ist die Hoffnung berechtigt, daß in diesem einen
Jahre die Vorlage zur „ganzen Arbeit“ ausreifen wird? Wird
im Jahre 1910 das deutsche Veterinär-Offizierkorps dem deutschen
Sanitäts-Offizierkorps zum mindesten ähnlich (nicht gleich)
sein? Wird im nächsten Jahre etwas Besseres herauskommen,
namentlich auch hinsichtlich der Dienstgradfestsetzung, als unter
dem schweren Drucke der gegenwärtigen Zeit?
Wenn die deutschen Tierärzte diese Frage mit einem ^festen
„Ja“ beantworten könnten, dann wäre jedes weitere Wort über¬
flüssig; es würde schaden statt nützen. Leider ist die Frage:
„Wie wird das deutsche Veterinär-Offizierkorps?“ noch nicht
zur Beruhigung der deutschen Tierärzte gelöst.
In der Deutschen tierärztlichen Presse hat es bezüglich
dieser Frage seit dem Tage, an welchem der kaiserliche Befehl
zur Bildung eines Veterinär-Offlzierkorps ergangen ist, an
gründlichen Erörterungen nicht gefehlt. Die Wünsche haben
sich verdichtet und geklärt und sind auch durch eingehend
begründete Denkschriften zur Kenntnis der beteiligten Kriegs¬
ministerien gelangt. Nord und Süd sind einig! Die Gesamt¬
vertretung der deutschen Tierärzte — der Deutsche Veterinär¬
rat — hat im Juni 1906 zu Breslau durch wiederholten
lebhaften Beifall zu dem Korreferate des Herrn Obertierarztes
Moelter-München seine vollste Zustimmung kund getan.
Die Ausführungen Moelters gipfelten in nachstehender
Gestaltung des Deutschen Veterinär-Offizierkorps:
GeneralveteTinär (Generalarzt; Referent im Kriegs¬
ministerium) ;
Generaloherveterinäre (Generaloberarzt; Armeekorps);
Oberstabsveterinäre (Oberstabsarzt; Kavallerieregimenter,
Lehrschmiede);
Stabsveterinäre (Stabsarzt; jedes Kavallerieregiment einen
neben dem Oberstabsveterinär, jedes Artillerie-Regiment,
jedes Train-Bataillon, jedes Remontedepot, die Equitations-
Anstalt);
Oberveterinäre (Oberarzt)
Veterinäre (Assistenzarzt)
\ (jedes Kavallerie-und Artillerie¬
regiment einen Oberveterinät
' oder Veterinär),
Darnach wären z. B. bei einem Kavallerieregiment ein¬
geteilt: 1 Oberstabsveterinär, 1 Stabsveterinär und 1 Ober¬
veterinär (oder statt des letzteren ein Veterinär); bei einem
Artillerieregiment: 1 Stabsveterinär und 1 Oberveterinär (oder
statt des letzteren ein Veterinär). Die Angabe des ent¬
sprechenden Dienstgrades des Sanitätsoffiziers hat den Zweck,
daß dadurch in aller Kürze Dienstgrad, Dienstgradabzeichen,
Gehaltssatz, pensionsfähige Zulage, Wohnungsgeldzuschuß,
Tagegeld, Reisegebühren und Umzugskosten des betreffenden
Veterinärs zum Ausdruck gebracht werden sollen.
Der springende Punkt in der Gestaltung des Veteri¬
näroffizierskorps ist sonach der Oberstabsveterinär. Die
deutschen Tierärzte haben einmütig zum Ausdruck
gebracht, daß derselbe mit den Kompetenzen des Ober¬
stabsarztes ausgestattet werden möge, und daß sich
die übrigen Dienstgrade nach oben und nach unten an
ihn anreihen sollen; der „Oberstabsveterinär“ soll
nicht nur einen leeren Titel darstellen. Zum mindesten
das ältere Drittel der Gesamtheit aller OberstabB-
veterinäre und Stabsveterinäre soll zum Oberstabs¬
veterinär = Oberstabsarzt aufrücken und gleichzeitig
bei den Regimentern mit höherem Pferdestande (das
sind die Kavallerie-Regimenter) sowie auf besonders
wichtigen Stellen (das sindMilitär-Veterinär-Akademie,
Militärlehrschmieden, Militär - Reitinstitute) ver¬
wendet werden.
Wenn im großen deutschen Reiche der ganze tierärztliche
Stand diese Forderung einstimmig erhoben hat und sie für
berechtigt hält, so kann ihr der Makel der Unbescheidenheit
nicht anhaften und es werden sich ihr aus Billigkeitsgründen
auch die maßgebenden Stellen nicht verschließen können; am
wenigsten in dem Momente, in welchem man z. B. in Bayern
durch die vom 1. Januar 1909 an gültige Gehaltsordnung für
die etatsmäßigen Staatsbeamten Ärzte und Tierärzte gleich¬
gestellt hat. Die Begründung dieser Art der Ausgestaltung des
Veterinär-Offizierkorps ist in den letzten Jahren so vielfach
und so eingehend geschehen, daß hier Umgang davon genommen
werden kann; die deutschen Tierärzte würden eine neue Ent¬
täuschung erleben, wenn dem „Oberstabsveterinär“ die sämtlichen
Kompetenzen des „Oberstabsarztes“ nicht zuerkannt würden.
Der Kostenpunkt kann hierfür kaum ein Hindernis bilden;
der Referent auf dem Deutschen Veterinärrate zu Breslau 1906,
Herr Professor Dr. Eberlein-Berlin, schätzte die Kosten der
Militär-Veterinär-Reform für Preußen, Sachsen und Württemberg
auf ungefähr 340 000 M. und wies dabei eigens darauf hin, daß
im Etat desselben Jahres allein für die Zahlmeister eine Auf¬
besserung von 370 000 M. eingestellt sei.
Professor Dr. Eberlein hat sich in der Summe nicht ver¬
griffen, sondern gezeigt, daß er den Mehraufwand für die
spezielle Aufbesserung der Militärveterinäre sehr genau be¬
rechnet hat. Wenn von der gegenwärtig dem Reichstage vor¬
liegenden Erhöhung der Gehälter und des Wohnungsgeld¬
zuschusses der Reichsbeamten usw. — die ja eine allgemeine
Aufbesserung darstellt — abgesehen wird, so stellt sich tat¬
sächlich heraus, daß alsdann für die Durchführung der Militär-
Veterinär-Reform in angegebenem Sinne die Summe von rund
340 000 M. benötigt ist. Der Hauptteil hiervon trifft auf die
Überführung der Unterveterinäre in den Grad der Assistenz¬
veterinäre (= Assistenzärzte) und auf die Erhöhung des
***
906
BERLINER TIERÄRZTL ICHE WOCH E NSCHR IFT.
No. 50.
Wohnungsgeldzuschusses für die Oberstabsveterinäre und Stabs¬
veterinäre mit rund 169 000 M.; in Bayern sind diese Ma߬
nahmen längst durchgeführt. Einen kleinen Teil nimmt die
Umwandlung von mindestens 18 Oberveterinärstellen in solche
von Stabsveterinären (bei den Train-Bataillons) in Anspruch,
ungefähr 13 000 M.
Für die Gehaltsregelung der Oberstabsveterinäre (== den
Oberstabsärzten) und der Korpsstabsveterinäre (= den paten¬
tierten Generaloberärzten), sowie für die Etatisierung des General¬
veterinärs im Kriegsministerium (= Generalarzt), also für
jene Grade, welche dem deutschen Veterinär-Offizierskorps sein
eigentliches Gepräge verleihen sollen, welche es herausheben
sollen aus denjenigen Offizierkorps, deren Ergänzung aus
früheren Unteroffizieren erfolgt, welche ihm die Ähnlichkeit mit
dem Sanitäts-Offizierskorps vermitteln sollen, sind 156 000 M.
erforderlich.
Würde der Reichsmilitäretat im Jahre 1910 nur mit diesen
156 000 M. belastet werden — wie es leicht der Fall sein
könnte —, so würde wohl niemand, der bei der seinerzeitigen
Bewilligung mitzureden hat, ein Wort darüber verlieren; gerade
diese Position stellt aber den integrierenden Bestandteil des
künftigen deutschen Veterinäroffizierkorps dar, diese Summe
macht den Wert und das Ansehen desselben in der Armee aus.
Es ist der Wunsch und die Bitte der deutschen Tierärzte, daß
auch diese Summe noch bewilligt werden möge und sei es nur
gewissermaßen als Ersatz für die Vertagung der Reform; diese
Liberalität des Reiches wird dem dienstlichen Interesse zugute
kommen.
Es fehlt noch Bayern; für Bayern trifft gemeinhin der
etwa siebente Teil der Summe, welche fürs Reich benötigt ist,
was etwa 49 000 M. betragen würde; doch darf nicht übersehen
werden, daß Bayern keine Unterveterinäre im Sinne Preußens
kennt und daß die bayrischen Oberstabsveterinäre und Stabs¬
veterinäre schon im Besitze des Wohnungsgeldzuschusses nach
Tarifklasse III (wie die preußischen Korpsstabsveterinäre) sich
befinden. In Bayern zählen jedoch die auf der tierärztlichen
Hochschule verbrachten Studienjahre später bei der Pensionierung
nicht als Dienst jahre; es ist natürlich wünschenswert, daß
dieser Nachteil gegenüber den sämtlichen Veterinären im Reiche
bei der generellen Regelung des deutschen Militärveterinär¬
wesens beseitigt wird; es wird daher nötig sein, daß in dieser
Richtung der Deutsche Veterinärrat, ähnlich wie zu Breslau in
der Frage der Beförderung zum Stabsveterinär des Beurlaubten¬
standes, die erforderlichen Schritte einleitet.
Legt man der künftigen Reform im nächsten Jahre die
Mehrforderung von rund 340 000 M. zugrunde und berechnet
hieraus bei einem Personalstande von 649 Veterinären im
Deutschen Reiche (ausschließlich Bayern mit 74 Veterinären)
den einzelnen Kopfteil, so trifft durchschnittlich pro Kopf ein
Mehr von etwa 530 M.
Prof. Dr. Eberlein sagte als Referent auf dem deutschen
Veterinärrate zu Breslau im Juni 1906 wörtlich bei Beginn
seiner Ausführungen: „Meine Herren, es erübrigt sich, an dieser
Stelle auf das große, vielfache und berechtigte Interesse hin¬
zuweisen, welches der tierärztliche Stand an der Entwicklung
des deutschen Militärveterinärwesens hat und haben muß. Das
weitgehende Interesse erhellt auch daraus, daß fast auf allen
Versammlungen des deutschen Veterinärrates das Militärveterinär¬
wesen Gegenstand der Besprechung lind eventuell der Beschlu߬
fassung gewesen ist. Besonders eingehend haben sich 416
Tagungen in Kassel und München mit dieser Frage beschäftigt“»
Es geht daraus unzweifelhaft die Tatsache hervor, daß der
ganze tierärztliche Stand Deutschlands dieser Frage die größte
Bedeutung zumißt und daß jeder einzelne deutsche Tierarzt, oh
er nun dem aktiven Dienststande und dem Beurlaubtenstande
angehört oder nicht, ein hervorragendes Interesse für die
Militärveterinärreform hat — ein lebhafter Beweis für den
soldatischen Geist, der im Deutschen steckt. Ist es da zu ver¬
wundern, wenn im gegenwärtigen Zeitpunkte die Herzen der
deutschen Tierärzte von der Sorge um die Zukunft des deutschen
Veterinär-Offizierkorps erfüllt sind und ihr Sinnen und Trachten
darauf gerichtet ist, die gedeihliche Entwicklung desselben mit
all ? ihren Kräften zu fördern? Wer wäre berufener, ein ent¬
scheidendes Wort an maßgebender Stelle zur Geltung zu bringen,
als die Gesamtvertretung der deutschen Tierärzte, der deutsche
Veterinärrat? Wo die Entscheidung so nahe bevorsteht, ist
es da nicht Pflicht, die Zeit zu nützen? Oder ist etwa die
Frage des Veterinär-Offizierkorps im Sinne des einstimmigen
Wunsches des deutschen Veterinärrates zu Breslau bereits
glücklich gelöst? Es ist undenkbar, daß sich der letzt*
deutsche Veterinärrat vor der großen Entscheidung — der iü
Stuttgart im Frühjahre 1909 — nicht mit dieser Frage be¬
fassen sollte! Mehr noch! Es wird der Ausschuß des deutschen
Veterinärrates sicher schon zuvor die geeigneten Schritte *ttr
rechten Zeit unternehmen, um die Durchführung obigen Veterinär-
Offizierkorps für die deutschen Tierärzte zu sichern. Dafür
bieten jene ausgezeichneten Männer Gewähr, unter deren auf¬
opfernder selbstloser Führung schon manches, das unerreichbar
schien, errungen wurde. Es ist nicht ausgeschlossen;;• daß dieser
Ausschuß schon in der allernächsten Zeit beschließen wird,
eine Audienz bei Seiner Exzellenz dem preußischen Herrn
Kriegsminister nachzusuchen und daß dann Gelegenheit gegeben
ist, die ganze künftige Reform in eben beregtem Sinne zur
Sprache zu bringen; denn wer die Stimmung in den beteiligten
Kreisen kennt, dem kann nicht entgehen, daß eine große Be¬
nachteiligung darin empfunden wird, daß in der neuen Besoldungs¬
vorlage bei Bemessung des Wohnungsgeldzuschusses die Ober¬
stabs veterinäre und Stabsveterinäre in Klasse V, die Stabs¬
apotheker aber in Klasse III eingereiht sind; um hierin Abhilfe
zu schaffen, ist wohl kein Zeitpunkt geeigneter als der gegen¬
wärtige, in welchem ohnedies über das Kapitel des Wohnungs¬
geldzuschusses im Reichstage verhandelt wird; es dreht sich
*für die Oberstabsveterinäre und Stabsveterinäre um eine Summe
von rund 73 000 M., die ihnen nach billigem Ermessen zuzu¬
wenden wäre. .n.
Die Gehälter der Kreisärzte und Kr^istierärzte.
Von Kreistierarzt Krueger-Ohlau.
In bezug auf die beabsichtigte Erhöhung des Gehalts der
Kreisärzte auf 2400—4200 M. gegenüber 1200—3000 M. kreis¬
tierärztlichen Gehalts ist von Mitgliedern der Besoldungs¬
kommission zum Ausdruck gebracht worden, daß die verhältnis¬
mäßig höhere Steigerung des Gehalts der Kreisärzte deshalb
berechtigt wäre, weil die nebenamtlichen Gebühren der Kreis¬
tierärzte höhere wären.
Diese Anschauung ist falsch.
Die Kreisärzte haben nicht allein aus Krankenkassen, als
Bahn-, Impf-, Gefängnisärzte usw. ein hohes, zwar aus kurativer
10. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT;
907
Tätigkeit entspringendes, aber mit der Stelle verbnndenes Ein
kommen, wie es bei Kreistierärzten überhaupt nicht vorkommt,
sondern es sind die rein amtlichen Nebengebühren (Atteste für
die Unfall- und Invaliditätsversicherung, für anzustellende,
kranke, abgehende Beamte usw.) höher als bei den Kreis¬
tierärzten. Dieses ergibt sich klar und einwandfrei daraus,
daß den Kreistierärzten 1500 M. Gebühren bei der Pensionierung
in Anrechnung gebracht werden (S. 108 der Besoldungsordnung),
den Kreisärzten dagegen 1800 M. (Besoldungsordnung S. 57).
Diese ZahleD stellen nach genauen Berechnungen des Staates
die vollen Einnahmen ans nebenamtlichen Gebühren dar.
Hieraus wäre der Schluß zu ziehen, daß die Kreisärzte
am Wohnorte ungefähr um y 6 stärker beschäftigt sind als die
Kreistierärzte.
Diese stärkere Beschäftigung der Kreisärzte am Wohnort
wird aber um ein Vielfaches wettgemacht durch die Tätigkeit
der Kreistierärzte außerhalb des Wohnortes.
In welcher Weise wir hier amtlich mehr in Anspruch
genommen werden als die Kreisärzte, erhellt daraus, daß diese
für ihre Reisen auf Staatskosten p. a. mit 865 000 M. pauschaliert
sind, wir dagegen mit 1 690 000 M., trotzdem unsere Tagegelder
und Reisekosten, auf die die Pauschalien sich gründen, nur y 3 von
denen der Kreisärzte ausmachen, und trotzdem die Zahl der
Kreisärzte eine größere ist, als die der Kreistierärzte (527 gegen
487, einschließlich der Kreistierarztgeschäfte wahrnehmende
Departementstierärzte).
Wären für die Kreistierärzte die Reisekosten und Tage¬
gelder der Kreisärzte der Berechnung der Pauschalgebühren zu¬
grunde gelegt, so würden wir ein Pauschale von etwa 27s Millionen
Markerbaltenhaben. .- -. ..
Danach reisen wir auf Staatskosten etwa 3 mal so viel wie
die Kreisärzte.
Wir sind aber nicht allein stärker beschäftigt, als die Kreis¬
ärzte, sondern wir tragen diese Geschäftslast, die bei den Kreis¬
ärzten in der Besoldungskommission als Grund für die Voll¬
besoldung und mindestens als Grund für eine erhebliche
Steigerung des Gehalts bezeichnet ist, nicht wie die Kreisärzte
erst seit einigen Jahren, seit dem Erlaß des Menschenseuchen¬
gesetzes, sondern seit 1880, seit Erlaß des Reichsviehseuchen¬
gesetzes. Trotzdem hat bei uns die Reform der Gehälter vier
volle Jahre später eingesetzt, als bei den Kreisärzten, und sollen
wir jetzt wiederum Zurückbleiben.
Die Besoldungskommission darf aber. nicht aus dem Um¬
stande, daß wir höhere Pauschalien beziehen, schließen, daß
wir mehr Einnahmen haben. Im finanztechnischen Sinne sind
Tagegelder und Reisekosten, auf denen die Pauschalien beruhen,
keine Einnahmen, sondern stellen Aufwandskosten dar.
Indessen kann uns in bezug auf die Höhe der Pauschalien
und der darin sichtbaren Arbeitslast entgegenhalten werden, daß
„Gehalt“ im staatsrechtlichen Sinne keine dem Werte der ge¬
leisteten Arbeit entsprechende Bezahlung darstellt. Die Arbeit
der Kreistierärzte an sich sei zwar gleichwertig der der Kreis¬
ärzte, da zu ihrer Verrichtung die gleiche Vorbildung er¬
forderlich ist.
Jedenfalls kann nicht bestritten werden, daß „Gehalt“ nach
der staatsrechtlichen Definition „Alimentation“ ist, d. h. die
Gewährung desjenigen Unterhaltes, dessen der Beamte bedarf,
um sich und eine Familie bei bescheidenen Ansprüchen seiner
Stellung entsprechend zu unterhalten.
Ist das jetzt für Kreisärzte in Vorschlag gebrachte
Gehalt von 2400—4200 M. erforderlich — wer will es be¬
streiten? —, so steht den Kreistierärzten dasselbe Gehalt zu,
um den Anforderungen ihrer dienstlichen Stellung gerecht zu
werden.
Auf dem Gemälde von Defregger „der kranke Dackel beim
Tierarzt“ sind Patient, Krankenwagen, die sorgenden Kinder
hübsch und mit viel Humor gegeben; das Häuschen des Tier¬
arztes paßt auch in die Stimmung hinein, der Wirklichkeit aber
entspricht es nicht.
Nach der Seite des gesellschaftlichen Auftretens und des
Unterhalts für die Familie kann man Unterschiede zwischen
beiden Beamtengruppen nicht mehr wahrnehmen und nicht mehr
aufstellen.
Wenn ein Unterschied zwischen den Haushaltungen von
Kreistierärzten und Kreisärzten hier und da bestehen sollte, so
ist er geringer, als zwischen den einzelnen Beamtengruppen der
Besoldungsklasse 41 oder denen der Klasse 39. In dieser be¬
finden sich Ökonomiekommissare, aus dem Stande der Volks¬
schullehrer hervorgegangene Kreisschulinspektoren, Gewerbe¬
inspektoren, Staatsanwälte, kurz Beamtengruppen, die keines¬
wegs eine gleiche Vorbildung haben. Dennoch wird nicht die
Person, sondern das Amt bewertet.
Stichhaltige Gründe, Kreisärzte und Kreistierärzte ver¬
schiedenartig zu besolden, gibt es nicht.
Daß wir bisher irgendwie besser gestellt waren, entspricht
nicht den Tatsachen. Das Gegenteil ist der Fall. Bei den
Kreisärzten gibt es 50 vollbesoldete Stellen mit 3000—7200 M.
Gehalt und 900 M. pensionsfähigem Wohnungsgeldzuschuß, bei
uns keinen.
Die Kreisärzte werden sofort angestellt, wir frühestens
nach sechs Monaten. Dazu soll jenen auch noch die
Vorbereitungszeit angerechnet werden, wovon man bei uns
nichts hört.
Wir sind zu unserm Schaden völlig pauschaliert, jene nicht.
Die Kreisärzte erhalten in gerichtlichen Angelegenheiten
Reisekosten und Tagegelder nach den Sätzen für die Richter
(15; 12; 0,6; 0,09; 3 M.), wir weniger, als selbst unsere rang¬
mäßigen betragen (7,50 bzw. 0,35 bzw. 0,07 bzw. 2 M.).
Wenn die Mitglieder der Besoldungskommission vielleicht
meinen sollten, daß uns mehr Orden und Titel zu teil geworden,
so irren sie auch hierin: 200 Kreisärzte gegen 64 Kreistierärzte
haben den Ratstitel, 80 Kreisärzte gegen 22 Kreistierärzte be¬
sitzen den Roten Adlerorden oder Kronenorden IV. Klasse.
Wir haben immer unsere Stimmen dafür erhoben, daß beide
Beamtengruppen gleich bewertet werden und sich in ihren Be¬
zügen immer mehr nähern. Wir hatten bisher noch nicht das,
was uns zukam, und nun will man uns noch mehr gegenüber
den Kreisärzten verschlechtern, will die Unterschiede noch mehr
vergrößern. Ein Kreistierarzt, der heute mit 35—40 Jahren
Zur Anstellung kommt, soll 1200 M. beziehen, der früher in das
Amt kommende Kreisarzt das Doppelte.
Sollte das Tatsache werden, dann hätte nicht allein die
landwirtschaftliche Verwaltung allen Anlaß, für den Ersatz in
Sorge zu sein, sondern es würde auch ein großes Unrecht be¬
gangen werden.
Daß das die Staatsregierung zulassen sollte, daß uns die
hohe Staatsregierung wiederum auf die Zukunft vertrösten sollte,
das können wir Kreistierärzte vorläufig nicht glauben.
908
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Yerband der Privattierärzte in Preußen.
Am Sonntag, den 6. Dezember, fand im Kaiserkeller in
Berlin die diesjährige, von etwa 60 Mitgliedern besuchte
Generalversammlung des Verbandes der Privattierärzte in
Preußen statt. An derselben nahmen teil: vom Ministerium für
Landwirtschaft Herr Regierungsrat Nevermann, und vom
Verein der beamteten Tierärzte in Preußen Herr Veterinärrat
Dr. Arndt-Berlin. Beide Herren nahmen lebhaften Anteil an
den Verhandlungen und griffen wiederholt unter großem Beifall
der Versammlung in die Debatte ein. Ihr Bedauern, an der
Tagung nicht teilnehmen zu können, hatten die Herren
Professoren Schmaltz, Eberlein und Frick, sowie Herr
Kreistierarzt Rust-Breslau ausgesprochen. Einen telegraphischen
Gruß übersandte Herr Kollege Borchmann-Berlin.
Aus dem Jahresbericht des Vorsitzenden ist besonders
die erfreuliche Tatsache hervorzuheben, daß sich die Gruppe
Ostpreußen dem Verbände angeschlossen hat, und daß auch die
westpreußischen Tierärzte die Absicht bekundet haben, dem
Verbände beizutreten. Der Vorstand wird nun noch mit den
Kollegen in Posen Fühlung nehmen, dann wäre endlich das
Ziel erreicht, daß sich die Organisation der Privattierärzte über
ganz Preußen erstreckt. Von dem erfolgreichen Vorgehen des
Verbandes in Sachen des Reichsseuchengesetzes ist seinerzeit
durch die Fachpresse Mitteilung gemacht worden. Auch be¬
züglich des Kurpfuschergesetzes hat der Verband insofern
einen Erfolg zu verzeichnen, als auf Ersuchen des Landwirt¬
schaftsministeriums der Vorsitzende in einem Gutachten die
Wünsche der Privattierärzte zum Ausdruck bringen konnte.
Auf Antrag der rheinischen Gruppe wird beschlossen, den
Vorstand künftighin für die Dauer von drei Jahren zu wählen.
Von weiteren Statutenänderungen wird Abstand genommen
und beschlossen, eine Kommission durch den Vorstand einsetzen
zu lassen, welche die Statuten einer Durcharbeitung unterzieht.
Betreffs der Überwachung der Milchgewinnung und des
Milchverkehrs wird nach eingehender Debatte beschlossen,
den Deutschen Veterinärrat und die Preußische Zentralvertretung
zu ersuchen, an maßgebender Stelle dahin vorstellig zu werden,
daß eine geregelte Milchkontrolle eingeführt wird, bei der wie
bei der Fleischkontrolle in erster Linie die Tierärzte heran¬
zuziehen sind; hierbei sollen die beamteten und die Privattier¬
ärzte in gleicher Weise berücksichtigt werden.
Den Höhepunkt der Verhandlungen bildete das Referat des
Kollegen Meier-Ketzin über die gegenwärtige Lage und
die Aussichten der Privattierärzte; der Vortrag wird dem¬
nächst im Wortlaut in der B. T. W. erscheinen. Die Ver¬
sammlung nahm die Ausführungen des Redners mit lebhaftem
Beifall auf und sprach ihm ihren Dank und ihre Zustimmung
durch Erheben von den Sitzen aus. Der Vortrag gipfelte in einer ein¬
stimmig angenommenen Resolution, welche die Preußische Zentral¬
vertretung und den Deutschen Veterinärrat auffordert, die
Bestrebungen der Privattierärzte um Verbesserung ihrer Lage
unterstützen zu wollen. Im Anschluß daran kommt all¬
seitig der Wunsch zum Ausdruck, daß die Privattierärzte
für eine möglichst zahlreiche Vertretung bei den
Tagungen dieser beiden Körperschaften im nächsten
Frühjahr sorgen möchten. Es wird weiter einstimmig
eine Resolution angenommen, welche den Herrn Minister für
Landwirtschaft bittet, baldmöglichst die Gründung von Tier¬
ärztekammern in die Wege zu leiten. Die Versammelten
N o. 6 0._
sind sich ferner dann einig, daß zur Hebung des Ansehens der
Tierärzte eine Vervollkommnung der praktischen Ausbildung
unerläßlich ist, und es wird daher beschlossen, beim Ministerium
für Landwirtschaft dahin vorstellig zu werden, daß das tier¬
ärztliche Studium um ein Semester verlängert werde, und
daß dieses achte Semester lediglich der praktischen
Ausbildung zugute kommen solle. Schließlich erklärt sich
der Verband mit der Eingabe solidarisch, die der Verein der ost¬
preußischen Privattierärzte am 7. Dezember 1907 dem Herrn
Minister für Landwirtschaft eingereicht hat, und in der die
Wünsche der Privattierärzte niedergelegt sind.
Es wird Abstand davon genommen, auf eine Abänderung
der tierärztlichen Taxe hinzu wirken, da es Sache der Tierärzte-
kammem sein würde, auf diesem Gebiete Verbesserungen zu
erstreben. Auch in den die Fleischbeschau betreffenden
Angelegenheiten soll von einer erneuten Eingabe an das Ministerium
Abstand genommen werden, da Herr Veterinärrat Nevermann
erklärt, daß die in der B. T. W. Nr. 49 abgedruckte Eingabe
des Verbandes dem Ministerium für Landwirtschaft Veranlassung
geben werde, in eine wohlwollende Prüfung darüber einzutreten,
inwieweit unter Berücksichtigung der Wünsche der Privattierärzte
eine Neuregelung der die Fleischbeschau betreffenden Be¬
stimmungen erfolgen kann. Die westfälische Gruppe zieht ihren
Antrag zurück, daß auf den Erlaß einer Anordnung hingewirkt
werden möge, wonach die Privattierärzte in den von ihnen an¬
gezeigten Seuchen fällen von dem Zeitpunkt der amtstier¬
ärztlichen Untersuchung und Obduktion rechtzeitig unterrichtet
werden sollen; die weitere Verfolgung dieser Angelegenheit er¬
übrigte sich durch die Erklärung des Herrn Regierungsrats
Nevermann, daß er diese Benachrichtigung. Tür eine
ganz selbstverständliche Pflicht der Kollegialität der
beamteten Tierärzte halte, und daß er auch bereit sei,
darauf hinzuwirken, daß den Kreistierärzten nahe gelegt wird,
den behandelnden Tierarzt, wenn irgend möglich, zu benach¬
richtigen.
Der tierärztliche Provinzial verein für Schleswig-Holstein
hat dem Verbände nahe gelegt, einen Beitrag zu der Gründung
eines tierärztlichen Pressebureaus zu bewilligen. Die
Versammelten sind sich darüber einig, daß der Krüger sehe
Gedanke alle Förderung verdient, und daß auch der Verband
der Privattierärzte nach besten Kräften an der Verwirklichung
seiner Idee mitzuwirken habe. Die Versammlung lehnt es
jedoch ab, sich an dem Sondervorgehen der schleswig¬
holsteinischen Kollegen zu beteiligen, danur dann etwas
Ersprießliches für die Tierärzte erreicht werden könne,
wenn die Gesamtvertretungen des Standes für Preußen
beziehungsweise für Deutschland die Einrichtung und
Leitung des Pressebureaus in die Hand nehmen.
Der Witwe und den Kindern des verstorbenen Kollegen
Jacobsohn in Friedrichshagen wird eine Unterstützung von
300 M. bewilligt.
Die Neuwahl des Vorstandes hatte daB Ergebnis, daß
die bisherigen Mitglieder wiedergewählt wurden; nur wurde
statt des Kollegen Pauly-Teltow, der sich zum Bedauern des
Verbandes durch Krankheit zur Niederlegung seines Amtes
genötigt sieht, der Kollege Kal eher gewählt. Der Vorstand
besteht somit für die nächsten drei Jahre aus den Kollegen
Arnous-Berlin als Vorsitzendem, Wigge-Düsseldorf als stell¬
vertretendem Vorsitzenden, Naumann-Halberstadt als Kassierer
10. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
909
und Loewner-Schöneberg, Meier-Ketzin, Kalcher-Lasdehnen
als Generalsekretären.
Der Verband beschließt, dem Vereine beamteter Tierärzte
in Preußen seinen Dank dafür auszusprechen, daß er energisch
für eine Verbesserung der Gehaltsbezüge der beamteten Tier¬
ärzte eingetreten ist, denn auch das Ansehen des ganzen tier¬
ärztlichen Standes und die Entwicklung des Berufes muß dar¬
unter leiden, wenn eine derartige Zurücksetzung der Kreis¬
tierärzte eintreten sollte.
Die Verhandlungen, die ein erfreuliches Bild von der Ein¬
mütigkeit und dem Vorwärtsstreben des Verbandes gaben, zogen
sich von 11 bis gegen 6 Uhr hin. Dann vereinte ein fröhliches
Mahl die Teilnehmer der Versammlung und ihre Damen.
Amons.
Die 80. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Ärzte in Köln
yom 20.—26. September 1908.
Berichterstatter: Kreistierarzt Francke-Köln.
(Schluß.)
Die Ausstellung.
Die auch mit dem diesjährigen Naturforschertag verbundene
Ausstellung von Neuheiten auf dem Gebiete der Naturwissenschaften
und der Medizin hatte, wie schon erwähnt, in den Sälen und im
Treppenhause der Kgl. Maschinenbauschule ihren Platz gefunden.
Diese Räume waren für eine übersichtliche Anordnung der Aus¬
stellungsgegenstände nicht gerade günstig und der stellenweise
sehr starke Besuch beeinträchtigte — wie auf den meisten Aus¬
stellungen — das für viele der Objekte nötige ruhige Studium.
Immerhin wird der Besucher reichlich auf seine Kosten gekommen sein.
Die Ausstellung umfaßte in 5 Gruppen physikalische und natur¬
wissenschaftlichen Zwecken dienende Apparate einschießlich medi¬
zinische Elektrotechnik und. Photographie, medizinisch-chirurgische
Instrumente und Apparate, Erzeugnisse der chemisch-pharmazeu¬
tischen Industrie, naturwissenschaftliche Lehrmittel und Gegenstände
aus dem Bereiche der Hygiene und Bakteriologie.
Die erstgenannten Gruppen standen unter dem Zeichen der
Röntgenphotographie und Therapie. Zahlreiche Photogramme zeigten
die großen Fortschritte, die die Röntgenphotographie gemacht hat
und die hohe diagnostische Bedeutung der Röntgenstrahlen für die
Humanmedizin. Interessant waren die Apparate zur Kranken¬
behandlung mit Hochfrequenzströmen(Fulguration-Blitzbestrahlung)
wie sie unter andern von Czerny-Heidelberg beim Krebs versucht
worden ist. Deneben war auffallend die große Zahl der Hilfsmittel
für den wissenschaftlichen Anschauungsunterricht: Projektionsappa¬
rate, Handstereoskope und die dazu gehörigen Diapositive und
Bilder in zum Teil prachtvoller Ausführung. Man kann wirklich
die heute studierende Generation um die ihr gebotenen Anschauungs¬
mittel beneidet).
Einen ganzen'Hörsaal nahm die bekannte Firma Leitz-Wetzlar
mit ihren Fabrikaten, Mikroskopen und Zubehör, ein. In einem
Sonderraum war von dieser Firma ein großer Projektionsapparat
aufgestellt, der die optische Ausrüstung für Diaskopie, Episkopie
und Mikroprojektion in sich vereinigte und Bilder von tadelloser
Schärfe liefert, wie man sich überzeugen konnte.
Erwähnenswert ist auch ein mikrophotograpischer Apparat, den
die Frankfurter physikalischen Werkstätten-Frankfurt a. M. ausgestellt
hatten, und der sehr handlich und sinnreich gebaut für den billigen Preis
von 40 M. zu haben war. Der kleine Apparat für die Bildgröße 6:9
bestimmt, wird auf den Tubus des Mikroskopes gesetzt, und ermög¬
licht es in jedem Augenblick und ohne besondere Vorkehrungen
Aufnahmen des gerade beobachteten Präparates zu machen.
In der außerordentlich reich beschickten chemisch-pharma¬
zeutischen Abteilung hatten sich fast sämtliche Firmen Deutsch¬
lands von Ruf und Namen ein Stelldichein gegeben; auch Frank¬
reich und die Schweiz waren vertreten. Die Ausstellung bot ein
interessantes Bild von dem Stande und den heutigen Zielen dieser
Industrie. Es sind nicht mehr allein die komplizierten chemischen
Präparate, deren volltönende, zum Teil zungenbrecherische Be¬
zeichnungen nicht immer im geraden Verhältnis zu ihrem thera¬
peutischen Werte stehen, die ausschließlich die Produktion be¬
herrschen, mehr und mehr erscheinen, den Spuren der medizinischen
Wissenschaft nachgehend, organotherapeutische und für die Serum¬
therapie und Schutzimpfpungen bestimmte Stoffe auf der Bildfläche.
So zeigte z. B. die chemische Fabrik auf Aktien (vorm. E. Scbering)-
Berlin: Antistreptococcen-, Diphtherie- und Typhusserum) ein
Tuberkelbazillenpräparat Tebean (Tb!) und ein Rotzheilmittel Farase.
Die Höchster Farbwerke waren mit zahlreichen organotherapeutischen
Präparaten aüf dem Plan erschienen und führten daneben Diphtherie-,
Dysenterie-, Antistreptococcen-, Meningococcenserum, Tetanusanti¬
toxin, Druseserum (Drüsonserum sagt der Katalog) Suisepsin,
Tauruman und Tuberkelinpräparate vor.
Nicht vergessen soll die Ausstellung der Bremer Kaffehandels-
Aktiengesellschaft (HAG) werden, die in einen Ausschank Proben
ihres koffeinfreien — alkoholfreien kam einem unwillkürlich über
die Lippen — Kaffees darbot, die namentlich vor und nach den
Sitzungen sehr begehrt und in der Tat vorzüglich waren.
Aus der Gruppe der naturwissenschaftlichen Lehrmittel soll
die prächtige Sammlung im Insektenhause des Zoologischen Gartens
zu Köln gezüchteter Insekten und aus der Gruppe Hygiene und
Bakteriologie die Ausstellung der städtischen Desinfektions¬
anstalt und des Bakteriologischen Laboratoriums in Köln hier noch
erwähnt sein.
Die Festwoche.
Reichhaltig wie die Tagesordnung der wissenschaftlichen Ver¬
handlungen war auch das Programm der Festlichkeiten und Ver¬
gnügungen der Woche, und wer alles mitgemacht hat, darf mit
Recht auf seine Leistungsfähigkeit stolz sein.
Vom Sonntag, der den rheinischen Tierärztetag brachte, ist
schon genügend gesprochen. Es bleibt nur noch nachzuholen, daß
am Sonntag Abend für die Teilnehmer an der Tagung in den Sälen
der Bürgergesellschaft eine Begrüßungsfeier stattfand, die bei sehr
großer Beteiligung einen animierten Verlauf genommen haben soll.
Am Montag Abend boten die wissenschaftlichen Vereine Kölns
den Kongreßteilnehmern ein abendliches Gartenfest im Zoo¬
logischen Garten, das sich dank der günstigen Witterung auch
wirklich — der Chronist muß das in diesem Jahre unterstreichen — zu
einem Fest im Freien entwickelte. Der prächtig beleuchtete Garten,
namentlich die breite Terrasse von Hunderten bunter Lampions
erhellt, boten einen überraschend schönen Anblick. Die Weisen
zweier Militärkapellen, Liedervorträge des Kölner Lehrer- und
Lehrerinnen-Gesangvereins und nicht zuletzt Küche und Keller des
in dieser Hinsicht mit Recht berühmten Zoologischen Gartens
wirkten zusammen, um jene Stimmung zu erzeugen, die man mit
den Worten „echt rheinisch“ am besten kennzeichnet.
Am Dienstag Abend fand das übliche große Festmahl im großen
Saale des Gürzenich statt — gewissermaßen der offizielle Teil des
Vergnügungsprogramms, und am Mittwoch Abend erschlossen sich
die Pforten des Opern- und Schauspielhauses den Kongreßteilnehmern.
Im Opernhaus wurde die vielumstrittene „Salome“ und die Fest¬
wiesenszene aus unserer deutschesten Oper „Die Meistersinger von
Nürnberg“ gegeben. Im Schauspielhaus ging die Tragödie der
Vasallentreue im japanischen Gewände „Terakoya“ und Kleists
unvergängliches Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ über die Bretter.
Beide Theater waren vollständig besetzt und die Aufführungen
einer Stadt wie Köln, die alle zwei Jahre Festspiele veranstaltet
und eines der schönsten Theater Deutschlands besitzt, würdig. Am
gleichen Abend um 8 Uhr — die Theaterbesucher kamen später —
versammelte der Verein rheinpreußischer Tierärzte seine Gäste und
Mitglieder zu einem „Bierabend“ wiederum im Restaurant des
Zoologischen Gartens. Mit unermüdlicher Festfreudigkeit widmeten
sich die sehr zahlreich erschienenen Damen und Herren der guten
Sache und den guten Sachen, die auf einem reich besetzten Buffet
appetitlich angerichtet standen. Das fröhliche Toasten und Prosten,
Singen und Tanzen dehnte sich bis in die ersten Stunden des
folgenden Tages aus und schließlich mußte ein Extrawagen der
„Elektrischen“ Gäste und Gastgeber nach Hause bringen.
Aber es gab noch eine Steigerung der Genüsse: den Be¬
grüßungsabend der Stadt Köln am Donnerstag beim Vater
910
No. 50.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT,
Gürzenich, der nicht nur bei ernsten Gelegenheiten ein würdiges
Gesicht machen, sondern auch heiter und lustig dreinschauen kann,
wenn die Menschen zu fröhlichem Tun bei ihm eingekehrt sind. Im
blumengeschmückten Saale entbot Oberbürgermeister Wallraf den
Willkomm der Stadt, Prof. Dr. Wettete in-Wien, der erste Vor¬
sitzende der Gesellschaft, dankte. Aber Gruß und Dank gingen
unter in dem brausenden Gewoge, in dem die feuchtfröhliche
Stimmung von über 3000 Festteilnehmern beredten Ausdruck fand.
Nur dem Kölner Männergesangverein mit seinen herrlichen Lieder¬
spenden gelang es, sich Gehör zu erzwingen.
Im Isabellensaale hatte sich eine tierärztliche Ecke gebildet,
die auch hier beim „1904er Erbacher“, den die Stadt ihren Gästen
vorsetzte, den übrigen 30 Abteilungen würdig sich anreihte.
Den Schluß der Woche bildeten in hergebrachter Weise Ausflüge.
Größere Gesellschaften besuchten die Bäder Ems und Neuenahr.
Wer ein schönes Stück Eifel kennen lernen wollte, konnte sich
einem Ausflug nach der großartigen Urfttalsperre bei Gmünd an¬
schließen.
Schlußbetrachtungen.
Wenn man rückschauend die Eindrücke der verflossenen Tagung
zusammenfaßt, so wird man nicht umhin können, dieselbe als eine
in allen Teilen wohlgelungene zu bezeichnen.
Namentlich darf auch die Abteilung 31 auf den Verlauf ihres
Anteils an der Tagung mit vollem Recht befriedigt zurückblicken.
Die Kölner dürfen wohl, ohne sich der Überhebung schuldig zu
machen, annebmen, daß die Tagung den Teilnehmern Gewinn und
Genuß gebracht hat und daß sie bei ihnen angenehme Erinnerungen
hinterlassen wird.
Wenn alles, wie man zu sagen pflegt, „geklappt“ hat, so ist
das nicht zum wenigsten der umsichtigen Tätigkeit des ersten Ein¬
führenden der Abteilung und seinem Einfluß zuzuschreiben, der der
Abteilung 31 üherall die gebührende Berücksichtigung sicherte.
Einige Dinge müssen hier noch kurz zur Sprache gebracht
werden.
Zuerst eine Frage: Warum führt die Abteilung 31 dio Be¬
zeichnung' „Praktische Veterinärmedizin?“ Ein Blick auf die
Verhandlungsgegenstände der abgelaufenen Tagung wird diese
Frage berechtigt erscheinen lassen. Es wurden hier doch nicht
Sachen abgchandelt, die lediglich oder vorwiegend praktischer
Natur sind. Das Beiwort „praktische“ kann Fernerstehende aul
Vermutungen bringen, die man besser erst gar nicht auftauchen zu
lassen braucht. Man nenne doch die Abteilung einfach „Veterinär¬
medizin“, wie es auch einfach Augen-Ohren-Zahnheilkunde etc.
heißt, damit wird man das Verhandlungsgebiet bündig und umfassend
bezeichnen. Der Zusatz scheint auf alter Überlieferung zu beruhen,
gegen die man nicht allzu pietätvoll sein sollte. Hoffentlich ver¬
schwindet er in der Versenkung.
Ein anderes. Wenn man sieht, welch regen Besuches sich die
Vorträge in den allgemeinen Sitzungen erfreuen, so muß man es
bedauern, daß hier nicht auch einmal ein tierärztlicher Redner über
eine Frage aus dem weiten Gebiete der Veterinärwissenschaft
spricht. Man braucht doch wahrlich nicht lange nach einem Thema zu
suchen, das bei einer Versammlung von der Zusammensetzung der
allgemeinen Versammlungen der Naturforschertage auf Interesse und
Beifall rechnen kann. Und an gewandten Beherrschern der Rede
fehlt es doch unter den Vertretern des tierärztlichen Berufes auch
nicht. Hier wäre eine höchst passende Gelegenheit, unsern Stand
in eindrucksvoller und nachhaltiger Weise vor der Öffentlichkeit
zu repräsentieren.
Im Jahre 1909 w ird die Naturforscherversammlung auf öster¬
reichischem Boden tagen. Als Versammlungsort ist Salzburg aus¬
ersehen. An den Kollegen des treubefreundeten Nachbarreiches ist
es nun in erster Linie, der Veterinärmedizin zu einer würdigen
Vertretung zu verhelfen. Wir zweifeln keinen Augenblick daran,
daß ihnen das in Salzburg durchaus gelingen wird. Sie werden
dort zeigen, daß die für unseren Stand so unrühmliche Verlauf
einer Tagung im schönen Land Tirol nur in mißlichen lokalen Ver¬
hältnissen ihren Grund hatte. Die reichsdeutschen Kollegen werden
ihnen gewiß durch recht stattliche Beteiligung helfen, die Scharte
von Meran auszuwetzen.
Bericht über die Versammlung
des Vereins der Schlachthoftierärzte Westfalens
am 12. Juli 1908 «u Unna-Königsborn.
(Verspätet.)
Die Mitglieder des Vereins der Schlachthoftierärzte Westfalens
versammelten sich am Sonntag, den 12. Juli d. J., ll 1 /* Uhr vor¬
mittags, im schattigen Kurgarten des Bades Unna-Königsborn zu
ihrer diesjährigen Sommertagung. Von Mitgliedern waren er¬
schienen: Clausnitzer-Dortmund, Clausen-Hagen, Dr. Kirsten,
Haspe, Re tzg en-Hohenlimburg, Westhoff-Menden, Lange-
Neheim-Hüsten, Eil ert-Iserlohn, Joch im-Wanne, Meyer-Kamen,
Dr. Doenecke-Bochum, Volmer-Hattingen, Thurmann-Altona,
Dr. Henze-Linden (Ruhr), Dr. Hetkamp-Sprockhövel, Frick-
inger Bochum, Seiberth-Langendreer,Voß-Gladbeck,Krekeler-
Recklinghausen; entschuldigt hatten sich Veterinärrat Blome-
Arnsberg, Dreymann - Castrop, Rosenplenter - Gelsenkirchen.
Als Mitglieder neu aufgenommen in den Verein wurden Albrecht-
Minden und Dr. Maaß-Hagen.
Nachdem noch der Vorsitzende des verstorbenen langjährigen
Mitgliedes und Mitbegründers des Vereins, des Kollegen Neubaus-
Schwerte, in ehrenden Worten gedacht und die Versammelten sich
von ihren Plätzen erhoben hatten, wurde in die eigentlichen Ver¬
handlungen eingetreten.
Zu Punkt 1 der Tagesordnung: Bericht über die Versammlung
preußischer Schlachthoftierärzte, erstattete Clausen-Hagen ein
kurzes Referat. Er erwähnte dabei lobend die außerordentlich
zweckmäßig angelegte Fleischvernichtungs- und Verwertungsanstalt
zu Rüdnitz bei Berlin, deren Kosten V/ 4 Million Mark betragen
und zu deren Besichtigüng die Teilnehmer an der Versammlung des
Vereins Preußischer Schlachthoftierärzte unter Führung von Goltz-
Berlin am 20. Juni d. J. erschienen waren. Über den weiteren
Verlauf der Berliner Versammlung näher einzugehen, dürfte sich
erübrigen, da in Heft 10 der Zeitschrift für Fleisch- und Milch¬
hygiene über diesen Punkt eingehend referiert wurde.
Kreistierarzt Vo 1 ra er-H^ttipgeu, kieJtsQdann einen . .Vortrag
über die lokalen Sohlachttlervereleherungen, insbesondere über den
Interessentenverein im Kreise Hattingen.
Redner führte folgendes aus: lm Laufe der beiden letzten
Dezennien ist über das Thema „Schlachttierversicherung“ von
verschiedenen Autoren geschrieben worden. Ich erinnere nur an
die Broschüre von Strauch „die Schlachttierversicherung“ 1895,
an den in Nr. 19 der B. T. W. vom Jahre 1901 veröffentlichten
Aufsatz über „Aufgaben der Schlachtviehversicherung“ von Kühnau,
an die vorzügliche Abhandlung über „Schlachtviehversicherung“ in
dem Werke „der Preußische Kreistierarzt“ 1905 von Kopp, ferner
an den vom Schlachthofdirektor Hengst in Leipzig auf der zehnten
Plenarversammlung des deutschen Veterinärrats 1906 in Breslau
gehaltenen Vortrag über Schlachtviehversicherung, sowie endlich
an den in der „Deutschen Schlacht- und Viehhofzeitung“ vor kurzem
bekannt gegebenen Vortrag des Schlacht- und Viehhofdirektors
Opel in München.
Da ich nun Bekanntes nicht ausführlich wiederholen will, so
werde ich die allgemeinen Erläuterungen nur auf das Notwendigste
beschränken und mich eingehender über die Erfahrungen äußern,
welche ich im Kreise Hattingen auf dem Gebiete der Schlachttier¬
versicherungen bisher gemacht habe.
Als primitivste Art der Schlachttierversicherung ist der Jahr¬
hunderte hindurch geübte Brauch in manchen landwirtschaftlichen
Gegenden anzusehen, bei Notschlachtungen durch Abnahme des
Fleisches aus der Nachbarschaft den Verlust zu erleichtern. Das
Gefühl der Mildtätigkeit veranlaßte jedoch bald hier und da den
Zusammenschluß einer größeren Anzahl von Tierbesitzem zu einer
Vereinigung mit bestimmten Satzungen. So entwickelten sich bei
den „Kuhgilden“, jetzt hier noch im Westen als „Kuhladen“ all¬
gemein bekannt, welche ursprünglich nur Lebend-Tierversicberungen
darstclltcn, Sonderbestimmungen, nach denen die Mitglieder anch
gegen Verloste an Schlachttieren versichert sind.
Seit der Regelung der Fleischbeschau durch das Schlachthaus¬
gesetz und später durch das Reichs-Fleischbeschaugesetz tragen
dem allgemeinen Versicherungsbedürfnis eine große Zahl von sehr
10. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
911
verschiedenartig gestalteten Schlachttierversicherungsvereinen Rech¬
nung. Bekannt sind im allgemeinen folgende Gruppen von
Vereinen:
1. Die lokalen Schlachttierversicherungen und zwar: a) die
Interessentenvereine, welche von Landwirten, Metzgern oder Vieh¬
händlern gegründet worden sind; b) die kommunalen Schlachttier¬
versicherungen, in Deutschland am wenigsten verbreitet.
2. Die (über weite Landesteile sich erstreckenden) privaten
Schlachttierversicherungsgesellschaften, meist angegliedert den
Lebend-Tierversicherungen.
3. Die staatlichen Versicherungsanstalten, wie sie z. B. in Süd¬
deutschland, im Königreich Sachsen, im Fürstentum Schwarzburg-
Sondershausen, in den beiden Fürstentümern Reuß und im Gro߬
herzogtum Hessen bestehen, sowie in Preußen und sogar für das
ganze Reich geplant sind.
Aus der großen Zahl der so verschiedenartig eingerichteten
Arten von Schlachttierversicherungen geht hervor, daß die Ein¬
führung einer zweckmäßigen Versicherung allenthalben als ein
dringendes Bedürfnis empfunden wird. Als zweckmäßigste Schlacht¬
tierversicherung kann meines Erachtens nur eine solche gelten,
welche keine Sonderinteressen verfolgt, sondern ausschließlich dem
Allgemeinwohl dient und sich auf folgenden Grandsätzen aufbaut.
1. Die Mitglieder des Schlachttierversicherungsvereins sind ver¬
pflichtet, ihre sämtlichen zur Schlachtung kommenden, versicherungs¬
fähigen Rinder, Schweine und Kleinvieh, auch die Hausschlachtungen,
innerhalb einer kurzen bestimmten Frist vor der Schlachtung zu
versichern.
2. Notschlachtungen jeder Art müssen von der Versicherung
ausgeschlossen sein..
3. Das Versicherungsverfahren muß ein möglichst einfaches sein.
4. Der Ersatz muß sich auf die ganze Höhe des Schadens er¬
strecken.
5. Die Versicherung muß für alle Fehler eintreten, welche den
Ausschluß des Fleisches anscheinend gesunder Tiere vom freien
Verkehr bedingen.
6. Die Versicherung darf für die Schlachtung keine bestimmten
Orte vorschreiben.
7. Die Verwaltung muß eine sparsame sein, so daß die Prämien¬
sätze möglichst niedrig bemessen werden können.
8. Die Versicherung darf sich über keinen zu großen Geschäfts¬
kreis erstrecken, damit die Übersicht nicht verloren geht (Kreis).
9. Die Gutachter, welche die Aufnahme der Schlachttiere be¬
wirken, müssen durchaus zuverlässig sein, so daß die Aufnahme
kranker und krankheitsverdächtiger Tiere ausgeschlossen ist.
10. Dem Vereinsvorstande muß ein Tierarzt angeboren.
11. Die Tätigkeit sämtlicher Vorstandsmitglieder muß eine
ehrenamtliehe sein. Hierzu gestatte ich mir folgenden Kommentar:
Eine Schlachttierversicherung darf, um ihren Zweck, der All¬
gemeinheit zu dienen, ganz zu erfüllen, keinesfalls die Erzielung
hoher Überschüsse im Auge haben, die Berechnung muß dahin
gerichtet sein, daß Einnahme und Ausgabe sich das Gleichgewicht
halten, und lediglich für schlechtere Zeiten allmählich ein an¬
gemessener Reservefonds gesammelt wird. Die Mitgliedschaft muß
den Besitzer zur Versicherung aller Schlachttiere verpflichten, um
ihm die Möglichkeit abzuschneiden, die Versicherung nur auf die
ihm nicht ganz zuverlässig erscheinenden Tiere zu beschränken.
Die Festsetzung bestimmter, kurzer Fristen, innerhalb deren vom
Tage der Aufnahme ab die Schlachtung stattfinden muß, erscheint
deshalb angezeigt, weil bei längeren Fristen naturgemäß häufiger
Erkrankungen der als anscheinend gesund versicherten Tiere Vor¬
kommen würden. Die Ausschließung aller Notschlachtungen, deren
genaue Feststellung oft Schwierigkeiten macht, trägt zur Ver¬
einfachung des Versicherungsverfahrens bei. In derselben Richtung
wirkt die allgemeine Beteiligung der Fleischbeschauer im Kreise
Hattingen, welche die Aufnahme der Tiere bei Gelegenheit der
Lebendbeschau vornehmen. Aus ebendemselben Grunde findet im
Schlachtversicherungsverein des Kreises Hattingen eine Entschädi¬
gung für beanstandete Eingeweideteile nicht statt.
Die vielfachen Klagen, welche die Beschränkung des Schaden¬
ersatzes auf 80 Proz. des Schadens in Sachsen veranlaßt hat, und
der Umstand, daß beim Schlachttier im Gegensatz zum Nutztier
sich der Wert genau ermitteln läßt, lassen die Forderung auf Ersatz
des Schadens in voller Höhe als durchaus berechtigt erscheinen.
Da ferner die Entschädigungspflicht sich nicht nur auf die Gewähr¬
mängel, sondern auf sämtliche, die Beanstandung herbeiführenden
Fehler erstreckt, sind Verkäufer und Käufer gegen jeden unvorher¬
gesehenen Schaden geschützt, weshalb der Kaufabschluß von beiden
Seiten bestimmt und ohne besondere Bedingungen erfolgen kann.
Das Vorschreiben bestimmter Schlachtorte oder eines engen Bezirks
würde dem Tierbesitzer unter Umständen die Freiheit im Handel
erheblich einschränken. Eine möglichst niedrige Prämienbemessung,
das Ziel aller Versichernden, kann nur durch größte Gewissen¬
haftigkeit und Sparsamkeit in der Verwaltung ermöglicht werden.
Die Notwendigkeit, die genaue Befolgung der Satzungen zu über¬
wachen, schließt zunächst eine allzugroße Ausdehnung des Geschäfts¬
kreises aus. Die Gewissenhaftigkeit bei der Aufnahme der Tiere,
eins der wichtigsten Erfordernisse für die Lebensfähigkeit des
Vereins, glaube ich bei unseren Fleischbeschauern unbedingt voraus-
setzen zu können. Diese sind, da sie die Aufnahme bei der Lebend¬
beschau oder sonst gelegentlich ohne großen Zeitaufwand bewirken,
auch in der Lage, ihre Tätigkeit gegen ein geringes Entgelt aus¬
zuüben. Sie in zweckentsprechender Weise auf die zu beobachtenden
Vorsichtsmaßregeln aufmerksam zu machen und fortdauernd zu in¬
formieren, ist nur ein Tierarzt imstande, weshalb ein solcher dem
Vereinsvorstande angehören muß. Die Tätigkeit aller Vorstands¬
mitglieder, die bei anderen Versicherungen neben dem Aufsichtsrat
hohe Tantiemen beziehen, kann in Rücksicht auf die Allgemeinheit
bzw. auf das Bestreben, jede Verteuerung zu vermeiden, nur eine
ehrenamtliche sein, was, nebenbei bemerkt, auch dem Tierärzte
Gelegenheit gibt, sich ohne materiellen Schaden zum Nutzen des
Standes in der Öffentlichkeit zu betätigen.
Indem ich mich von vorstehenden Gesichtspunkten leiten ließ,
habe ich vor nunmehr fast einem Jahre unter dem Namen „Schlacht¬
tier-Versicherungsverein für den Kreis Hattingen und Umgegend“
einen Verein ins Leben gerufen, welcher Landwirte und Metzger
gegen alle Verluste infolge amtlicher Beanstandung der geschlachteten
Tiere (Rinder; Kälber, Schweine) schützt und bisher alle Vereins¬
mitglieder vollauf befriedigt hat. Die Anregung zur Gründung des
Vereins gab mir mein Material über die Ergebnisse der Fleisch¬
beschau; hiernach wurden im Kreise Hattingen, der 140,71 qkm
groß ist und 92312 Einwohner zählt, im Jahre 1907 113 Kühe,
87 Schweine und 10 Kälber der Freibank überwiesen und 14 Kühe,
12 Schweine und 6 Kälber als genußuntauglich vernichtet. Ich be¬
rechnete den pekuniären Verlust hieraus auf rund 21000 Mark;
nahm ich von diesen 11000 Mark als durch Versicherung gedeckt
an, so blieben immer noch 10 000 Mark übrig, welche einige wenige
Schlachttierbesitzer zu tragen hatten. Nach reiflicher Überlegung
der Prämiensätze, der zu entschädigenden Prozente von versicherten
Tieren und des Anteils der Verwaltungskosten entschloß ich mich
als Prämiensatz für Rinder 4 Mark, Jungrinder, welche noch nicht
gekalbt haben, bis zu einem Schlachtgewicht von 150 kg 3 Mark
für das Stück, für Schweine 1 Mark und für Kälber 0,20 Mark vor¬
zuschlagen. Mein Vorschlag fand bei den 25 Mitgliedern, mit denen
der Verein ins Leben trat, Annahme. (Jetzt zählt der Verein
105 Mitglieder.)
Nach den bisherigen Schlachtungen ist zu berechnen, daß jedes
Mitglied pro Jahr 6 Stück Großvieh, 6 Schweine und 3 Kälber
durchschnittlich schlachtet bzw. schlachten läßt, so daß sich als
Summe der Prämieneinnahme 3213 Mark ergeben. Die Unkosten
stellen sich wie folgt:
Die Gutachter (Fleischbeschauer) erhalten für ihre Bemühungen eine
Entschädigung von 10 % der vereinnahmten Prämie . . 321,30 M.
der Geschäftsführer (ein Verwaltungsbeamter) .... 200,00 M.
die Ausgaben für Plomben, Schriftsachen, Porto usw.
betragen ca. . 378,70 M.
Zusammen 900,00 M.
Rechne ich für voraussichtlich zu zahlende Entschädigungen
rund 2000,00 M. so bleiben noch
3213 M.
— 2900 M.
= 313 M.
übrig, welche dem Reservefonds zufließen könnten.
912
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 50.
Die sehr mäßigen Prämien, meine Herren, erregen von vorn¬
herein einiges Bedenken; dennoch hat die bisherige Geschäftsführung
ergeben, daß alle Verluste und Kosten der Verwaltung gedeckt
werden können. Die letzte Abrechnung wies ein Vereinsvermögen
von 1950 M. auf; hiervon entfallen allerdings 1050 M. auf das Ein¬
trittsgeld, da die Mitgliedschaft durch eine einmalige Zahlung von 10M.
erworben wird. Tatsächlich haben die Unkosten im ersten Jahre
des Bestehens des Vereins die Höhe im obengenannten Voranschlag
nicht erreicht. Es wurden bis heute nicht 313 M., sondern 900 M.
von den erhobenen Prämien erspart. Der Reservefonds beträgt
zurzeit 1500 M. Entschädigt wurden 4 Rinder, 7 Schweine und
1 Kalb, deren Fleisch zugunsten der Vereinskasse minderwertig
verkauft werden konnte.
Daß der Hattinger Verein als ein idealer zu bezeichnen ist,
möchte ich nicht behaupten; ich erinnere hierbei nur an die gänz¬
liche Ausschließung der Notschlachtungen und der Entschädigung
der Eingeweide (auch zu bestimmten Sätzen), sowie daran, daß die
im allgemeinen gesundheitlichen Interesse platzgreifenden Verluste
am idealsten nicht nur von den Vereinsmitgliedern, sondern von
allen Kreiseingesessenen (wenn auch nur zum Teil) getragen würden.
Gleichwohl hat ein lokaler Schlachttierversicherungsverein, welcher
auf den von mir besprochenen Grundsätzen basiert, zweifelsohne in
volkswirtschaftlicher, landwirtschaftlicher und sanitäts- bzw. veteri¬
närpolizeilicher Hinsicht eine große Bedeutung. Volkswirtschaft¬
lich insofern, als die im Interesse der öffentlichen Gesundheit den
Schlachttierbesitzern auferlegten Verluste auf die Schultern einer
größeren Zahl von Interessenten verteilt und die Härten des Fleisch¬
beschaugesetzes somit wesentlich gemildert werden. Da das be¬
anstandete Tier dem Verein gehört, wird auch mit Nachdruck auf
eine möglichst vorteilhafte Verwendung des minderwertigen Fleisches
hingewirkt, wodurch der Verlust an Nationalvermögen auf ein
Mindestmaß eingeschränkt wird. Die landwirtschaftlichen
Interessen fördert das Unternehmen, indem durch die Versicherung
der Handelsverkehr wesentlich erleichtert wird; denn weder der
Landwirt als Produzent, noch der Metzger als Käufer haben etwas
zu befürchten, so daß spitzfindige Verkaufebedingungen fortfälleh.
Auch wird der Einfluß, den das Fehlen der Versicherung beim
Zwischenhandel auf die Preisfestsetzung hat, beseitigt. Da ferner
der Landwirt mit Rücksicht auf die Gefahr einer Beanstandung
seiner zur Schlachtung bestimmten Tiere nicht mehr gezwungen ist,
letztere nach Orten zu verkaufen, an denen Schlachttierversiche¬
rungen bestehen und sich geschützt weiß gegen alle unvorher¬
gesehenen Ereignisse, welche ihm bei der Fleischbeschau einen
pekuniären Verlust verschaffen können, besitzt der Produzent mehr
Ellbogenfreiheit im Handel. Es ist daher außer Zweifel, daß eine
Versicherung wie die beschriebene, den Handel mit Schlachttieren
in gesundere Bahnen lenkt und geeignet ist, den Zwischenhandel
zu beseitigen. Schließlich werden auch viele Zwistigkeiten zwischen
Käufer und Verkäufer und die so lästigen Prozesse gänzlich ver¬
mieden. Für die Sanitäts- und Veterinärpolizei ist ein
solcher Verein deshalb von Bedeutung; weil er die Durchführung
der Fleischbeschau und Veterinärpolizei wesentlich unterstützt;
denn Käufer wie Verkäufer haben an einer Entstellung des Tat¬
bestandes nach der Schlachtung kein Interesse; da auch Haus¬
schlachtungen der Versicherung unterliegen, werden Seuchenherde
entdeckt, die an nicht versicherten Tieren leichter „übersehen“
werden.
Der Vorsitzende dankte dem Redner im Namen des Vereins
für die in dem Vortrag gegebenen Anregungen. Im Anschluß hier¬
an entwickelte sich eine ziemlich lebhafte Diskussion, an der sich
Thurmann, Albrecht und Clausen beteiligten. Letzterer führte
aus, daß es wohl am vorteilhaftesten wäre, wenn auch die be¬
anstandeten Organe entschädigt würden, dies geschehe in Hagen,
wo sämtliche Organe, ausgenommen Lungen, zum vollen Wert bei
Beanstandungen in Anrechnung gebracht werden; die Einnahmen
an Prämien des Hagener Schlachtvieh- Versicherungsvereins betrugen
im vergangenen Jahre 24 000 M., die Ausgaben 2*2000 M.
Alsdann ergriff Dr. Maaß-Hagen das Wort zu seinem Vortrag:
Die Stellungnahme zum Anträge der Tierärztlichen Gesellschaft zu
Berlin betr. außerordentliche Fleischbeschau bzw. Markt- und
Ladenkontrolle. Er berief sich dabei auf den in Heft 5 der Zeit¬
schrift für Fleisch- und Milchhygiene enthaltenen Separatabdruck
von Polizeitierarzt Borchmann-Berlin, betr. die außerordentliche
Fleischbeschau als besonderer Lehrgegenstand an den tierärztlichen
Hochschulen. Diesen Ausführungen von Kollegen Borcbmann
fügte er noch etwa folgendes hinzu:
Den Anregungen von Borchmann-Berlin zufolge faßte die
Tierärztliche Gesellschaft zu Berlin folgende Beschlüsse:
1. Die Tierärztliche Gesellschaft erblickt in der Überwachung
des Marktverkehrs mit animalischen Nahrungsmitteln ein¬
schließlich der außerordentlichen Fleischbeschau eine dringende
Aufgabe der öffentlichen Gesundheitspflege.
2. Zu ihrer technischen Ausführung sind mit Rücksicht auf den
Ursprung dieser Nahrungsmittel an erster Stelle Tierärzte
berufen.
3. Zwecks einheitlicher und wirksamer Durchführung hält die
Gesellschaft die Einführung der gesamten animalischen
Nahrungsmittelkunde einschließlich der außerordentlichen
Fleischbeschau als besonderen Lehrgegenstand der Tierärzt¬
lichen Hochschulen für ein zeitgemäßes und dringendes
Bedürfnis.
4. Die Gesellschaft beschließt, diese Anregung sämtlichen tier¬
ärztlichen Vereinen zu unterbreiten.
Wie notwendig die außerordentliche Fleischbeschau ist, unter
welcher ich die Untersuchung sämtlicher animalischer Lebensmittel
auf den Märkten und in den Fleischerläden sowie in den Wild-,
Geflügel- und Fischhandlungen verstehen möchte, das werden nicht
nur die Kollegen, welche im Haupt- oder Nebenamte mit der Aus¬
führung solcher Untersuchungen beauftragt sind, erkannt haben,
sondern das muß jedem in der Fleischbeschau beschäftigten Tier¬
ärzte zur Erkenntnis gekommen sein. Die ordentliche Fleisch¬
beschau, welche die auf den Schlachthöfen und auf dem Lande
angeführten Untersuchungen der frisch geschlachteten Tiere um¬
faßt, bietet uns, so weit dieselbe von Tierärzten vorgenommen wird,
im großen und ganzen wohl die Gewähr, daß kein krankhaftes oder
die Gesundheit schädigendes Fleisch in die Hände der Schlächter
kommt; sie kann aber nicht verhindern, daß von auswärts einge¬
führtes minderwertiges Fleisch, ferner mit verbotenen Zutaten ver¬
sehenes Fleisch, sei es als Hackfleisch, sei es als Wurst, in den
freien Verkehr gelangt. Die ordentliche Fleischbeschau schließt
weiter die Untersuchung von Wild, Geflügel und Fischen aus, ein
Mangel, der zu beseitigen wohl an der Zeit wäre.
Daß wir als Tierärzte in erster Linie dazu berufen sind, diese
außerordentliche Fleischbeschau auszuüben, ist wohl jedem ersichtlich,
daß wir aber nach dem bisherigen Studiengang auf den tierärztlichen
Hochschulen für dieses neue und schwierige Gebiet nicht genügend
ausgebildet sind, können wir wohl kaum in Abrede stellen. Dies
müssen wir daraus folgern, daß unsere Dozenten bei einer Studien¬
zeit von nur sieben Semestern den umfangreichen Lehrstoff nicht
mit der ihm eigentlich gebührenden Ausführlichkeit behandeln
können. Und doch ist es unbedingt erforderlich, daß der Polizei¬
tierarzt, der ja wegen der Revisionen beim Fleischer und Händler
nicht gern gesehen ist, sich durch unbedingte Sicherheit bei
der Vornahme seiner Untersuchungen dem Gewerbetreibenden
gegenüber Ansehen zu verschaffen weiß. Es wäre deshalb auch
zu wünschen, daß der Polizeitierarzt imstande ist, wenigstens die
einleitenden chemischen Untersuchungen des zubereiteten Fleisches
vorzunehmen.
Begrüßen können wir vorläufig wohl alle die neue Einrichtung,
welche die Berliner tierärztliche Hochschule inzwischen getroffen
hat, indem sie die Stelle eines Abteilungsvorstehers für Nahrungs¬
mittelkunde geschaffen hat Dadurch ist bereits den Studierenden
der Berliner tierärztlichen Hochschule Gelegenheit gegeben, sich
mit diesem neuen und wichtigen Gebiet der außerordentlichen
Fleischbeschau vertraut zu machen.
Denjenigen Kollegen aber, die bereits auf diesem Gebiete tätig
sind, müßte die Möglichkeit geboten werden, an jährlich auf der
Berliner Tierärztlichen Hochschule abzuhaltenden Kursen, welche
dieses Gebiet der außerordentlichen Fleischbeschau behandeln,
teilzunehmen, um dort sich weiter fortbilden zu können. Die
städtischen Verwaltungsbehörden wären auf Grund geeigneter
10. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
913
Broschüren zn veranlassen, die von ihnen mit der Überwachung
der animalischen Lebensmittel beauftragten Tierärzte zu diesen
Fortbildungskursen zu beurlauben resp. zu entsenden. Die bis
dahin zum größten Teil nur kümmerlich eingerichteten Laboratorien
auf den Schlachthöfen müßten für die bei der Ausführung der
außerordentlichen Fleischbeschau in Frage kommenden tierärzt¬
lichen Untersuchungen weiter ausgebaut werden. Dann wären die
in der Fleischbeschau tätigen Tierärzte auch eher in der Lage,
durch bakteriologische Untersuchungen die Beurteilung des Fleisches
von notgeschlachteten Tieren sicherzustellen und die Zweifel zu
beseitigen, die sich dem Beschauer oft nach dem makroskopischen
Befunde solchen Fleisches aufdrängen.
Ich glaube deshalb, im Sinne aller hier anwesenden Kollegen
zu sprechen, wenn ich vorschlage, den Beschlüssen der Tierärztlichen
Gesellschaft zu Berlin betreffs Neuregelung der Fleischbeschau voll
und ganz zuzustimmen. Die Art und Weise, in welcher dies der
Berliner Tierärztlichen Gesellschaft mitzuteilen wäre, möchte ich
den Mitgliedern des hiesigen Vereins resp. dem Vorstande selbst
überlassen.
*
Der beifällig aufgenommene Vortrag gab dem Verein Ver¬
anlassung, hierzu Stellung zu nehmen. Clausnitzer erwähnte,
daß in Dortmund bereits ein nahrungsmitteltechnisches Unter¬
suchungsamt eingerichtet ist, das bei Beanstandungen dem
Chemiker stets Proben zur Untersuchung überweist Schließlich
ermächtigt die Versammlung den Schriftwart, im Aufträge des
Vereins der Berliner Tierärztlichen Gesellschaft mitzuteilen, daß
die von dieser gegebenen Anregungen die Billigung auch der west¬
fälischen Schlachthoftierärzte gefunden haben.
Bei Punkt 4 der Tagesordnung, Besprechung der Vorschriften
für die Wiegeordnung, waren verschiedene Redner der Ansicht, daß
die Metzger bei Verfehlungen gegen dieselbe nicht zur Verant¬
wortung gezogen werden können, während wieder andere vom
Gegenteil überzeugt schienen. Man einigte sich endlich dahin, bei
der nächsten Versammlung den Entwurf einer Wiegeordnung
näher* zu beraten«. .
Auch beim letzten Punkt der Tagesordnung gab es noch recht
interessante und lehrreiche Aussprachen, bis nach getaner Arbeit
und Festsetzung der nächsten Versammlung, die in Hagen statt¬
finden soll, zur Mittagstafel geschritten wurde. Das Mahl mundete
unter den Klängen der Kurkapelle vortrefflich, und die später
kredenzte obligate Erdbeerbowle hielt noch lange die Teilnehmer
zusammen.
Alles in allem, es war ein schöner Tag, den wir verlebten.
B. Kirsten, Schriftführer.
Tagesordnungen.
Tierärztliche Gesellschaft zu Berlin. (E. V.)
Einladung
zur Sitzung am Montag, den 14. Dezember 1906, abends 8 l /i Uhr
pünktlich, im Restaurant „Zum Heidelberger 0 , Berlin (am
Bahnhof Friedrichstraße).
Tagesordnung:
1. Vereinsangelegenheiten.
2. Vortrag des Herrn Regierungstierarzt Dr. Springefeldt:
Ein Streifzug durch Kamerun.
3. Mitteilungen aus der Praxis.
Gäste willkommen.
Der Vorstand.
I. A.: Bongert, Schriftführer.
Außerordentliche Generalversammlung des Tierärztlichen Vereins der
Provinz Westfalen
am Sonntag, den. 20. d. Mts., vormittags 11 Uhr, im Hotel
Feldhaus in Hamm.
Tagesordnung:
1. Geschäftliche Mitteilungen.
2. Mitgliederaufnahme.
3. Vortrag mit Demonstrationen über das von der Landwirtschafts¬
kammer eingeführte Tuberkulose-Tilgungsverfahren. Referent:
Herr Geh. Rat Prof. Dr. Dam mann-Hannover.
Nach der Sitzung findet um 2*/a Uhr ein gemeinschaftliches
Mittagessen, Gedeck 3,00 M., statt, zu dem Anmeldungen an den
Schriftführer des Vereins, Herrn Tierarzt Wolfram in Bochum zu
richten sind. Der Vorsitzende.
Nutt.
Kleine Mitteilungen.
Von einem Kollegen aus München wird angefragt, ob in
Berlin eine Konferenz von Hochschullehrern getagt habe, wie
in der Tierärztlichen Rundschau mitgeteilt sei, und was der
Beratungsgegenstand gewesen sei. Hierzu ist zu bemerken,
daß eine Konferenz tierärztlicher Hochschullehrer hier jeden-
faUs nicht stattgefunden hat; es müßte denn damit die Beratung
einer neuen Prüfungsordnung gemeint sein, über welche in
Nr. 44 der B. T. W., S. 787, kurz berichtet worden ist.
Rostock.
In Rostock in Mecklenburg ist ein tierärztlicher Kollegenabend
gebildet worden, der jeden Sonnabend im Hotel „Rostocker Hof“
oder „Europäischer Hof“ Zusammentritt, und zu welchem alle
Kollegen freundlichst eingeladen sind.
Bolle I, Tierarzt am Schlachthof.
Promotion.
Die Universität Rostock hat sich bekanntlich den tierärztlichen
Promotionen gegenüber in neuester Zeit durch sehr strenge Be¬
stimmungen ziemlich abgeschlossen. Demgegenüber hat es ein
allgemeineres Interesse, daß neulich Herr Tierarzt Zschlösche
aus Breslau dort summa cum laude zum Dr. phil. promoviert
worden ist.
Berichtigung.
In dem mit K. Unterzeichneten Artikel zur Militärveterinär¬
reorganisation in Nr. 45 sind einige Druckfehler stehen geblieben.
Seite 800, linke Spalte, Zeile 13 von oben muß es heißen: „so
ihüssefa immer wietter die schon anderweitig usw.“; und in der
rechten Spalte, Zeile 14 muß es statt Haltung heißen „Erhaltung“,
sowie in der siebenten Zeile vom Schluß „Zusicherungen“ statt
Zuführungen.
Viehzählung.
Am 1. Dezember d. J. hat in Preußen eine außerordentliche
Viehzählung stattgefunden.
Dymal.
Ein Kollege bittet, in der B. T. W. darauf aufmerksam zu
j machen, daß der Preis für das von Zimmer&Co. jn Frankfurt a. M.
hergestellte Dymal seit 3 Jahren von 12 M. auf 40 M. pro Kilo
gestiegen ist, das Mittel daher fast doppelt so teuer als Jodoform
geworden ist, so daß es natürlich erscheint, die Kollegen darauf
aufmerksam zu machen.
Blcsulin.
Der Nr. 49 1908 der „B. T. W.“ lag ein Prospekt über Bissulin
zur Behandlung des ansteckenden Scheidenkatarrhs der Rinder bei.
Auf der ersten Seite des Prospektes befand sich, unterstrichen, der
Aufdruck: „Nur für die Herren Tierärzte“. Bezeichnenderweise
brachte aber auch Nr. 49 1908 der „Deutschen landwirtschaftlichen
Tierzucht“ denselben Prospekt, natürlich ohne diesen Hinweis. Die
Anpreisung des Bissulin findet sich wahrscheinlich noch in manchen
anderen landwirtschaftlichen Zeitungen als Beilage. R.
Redaktionelle Bitte.
Im Frühjahr und im Herbst pflegen in einem kurzen Zeitraum
die Versammlungen aller tierärztlichen Vereine stattzufinden. Die
Protokolle werden in der Regel zur Veröffentlichung eingesandt.
Es ist natürlich nicht möglich, in einer Nummer mehr als ein
Protokoll zu veröffentlichen, und es ist daher sehr erwünscht,
wenn sich die Einsendung der Protokolle verteilt. Ein großer
Teil pflegt erst kurz vor der nächstbevorstehenden Versammlung
einzutreffen, so daß dann die Veröffentlichung vor dieser Versamm¬
lung sich nicht mehr bei allen ermöglichen läßt. Ich möchte
914
BERLIN KR TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT._ _No. 50.
deshalb die Bitte ausBprechcu, die Protokolle doch möglichst früh¬
zeitig einzusenden. Schmaltz.
Genossenschaftliches.
Der Umsatz der Wirtschaftsgenossenschaft Deutscher Tier¬
ärzte, E. G. m. b. H. zu Posen, betrug im November 1908 bef
654 Ausgängen 16 644,65 M. gegenüber 441 Ausgängen im j
Werte von 12 446,69 M. im November 1907. Inzwischen wurde 1
das 13. Mitglied eingetragen. Die ordentliche Generalversamm- |
lung tagt am 12. Dezember 1908 in Posen um 12 Uhr im Hotel j
Mylius. Eine außerordentliche Generalversammlung soll in den !
nächsten Monaten nach Berlin berufen werden.
i
Mark 8-Posen.
Hengstkörung und Hengstmarkt am 28., 29. u. 30. Januar 1909
In Oldenburg I. Gr.
Wir weisen auf die in unserer heutigen Nummer enthaltene
Annonce des Vereins der Oldenburgischen Hengsthalter hin. Be¬
sonders machen wir darauf aufmerksam, daß die Geschäftsstelle
des genannten Vereins jede gewünschte Auskunft gern erteilt,
auoh die Beschaffung von gutem Hotel-Quartier und die Versendung
der Kataloge für die Körung besorgt.
Literarische Unterstatzung.
In Ermangelung von Quellen, die die Vor- und Nachteile
(weniger die Ausführung der Operation) der Kastration der
Kühe behandeln, bitte ich die Herren Kollegen höflichst mir solche
anzugeben. Alois Oeller, prakt. Tierarzt,
Holzkirchen b. München.
Staatsveterinärwesen.
Redigiert von Veterinärrat Preuße.
Erste Kommissions-Lesung der Novelle zum
Yiehsenchengesetz.
Die Kommission des Reichstages für das Viehsenchengesetz
hat nunmehr die erste Lesung des Gesetzentwurfs beendet.
Außer den bereits mitgeteilten hat sie noch verschiedene sehr
wichtige Abänderungsbeschlüsse gefaßt, die, wenn sie auch die
Genehmigung des Plenums des Reichstages finden, geeignet sein
können, das Zustandekommen des ganzen Gesetzes zu gefährden,
da die Reichsregierung mit diesen Abänderungen nicht durchweg
einverstanden ist. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die
Änderungen zu § 58 betr. die Entschädigungsleistungen. Bereits
zu § 4 wurde ein Zusatz angenommen, welcher bestimmte, daß
die durch das Verfahren entstehenden Kosten aus der Staats¬
kasse zu bestreiten sind. Die Bedeutung dieses Antrages ist
seinerzeit in der B. T. W. besprochen worden. Nachdem dann
der deutsche Landwirtschaftsrat in seiner Sitzung vom J.O. Fe¬
bruar 1908 den Wunsch ausgesprochen hatte, daß das Gesetz
nicht an Diiferenzen zwischen der Regierung und dem Reichs¬
tage bezüglich der Kostenfrage scheitern möge, konnte man
wohl annehmen, daß die Kommission bei der Beratung des § 58
den bei § 4 gefaßten Beschluß zum mindesten sehr wesentlich
mildern werde. Dies war aber nicht der Fall. Es fand trotz
energischen Widerspruchs seitens der Regierung folgender Antrag
znm § 58 mit starker Mehrheit Annahme:
„Die Kosten der Entschädigung sind aus öffentlichen
Mitteln zu bestreiten. Der landesrechtlichen Regelung bleibt
Vorbehalten, Bestimmungen darüber zu treffen: 1. von wem
die Entschädigung zu gewähren und wie dieselbe aufzubringen
ist, 2. wie die Entschädigung im einzelnen Falle zu ermitteln
und festzustellen ist. Werden von den Besitzern der be¬
treffenden Tiergattung Beiträge erhoben, so dürfen diese ins¬
gesamt die Hälfte der Gesamtsumme der jährlichen Ent¬
schädigungen nicht Übersteigen. Sofern in den Einzelstaaten
bereits für die Tierhalter günstigere Bestimmungen bestehen,
bleiben diese unberührt. Die Vorschriften der §§ 59 bis 64
dieses Gesetzes sind in allen Fällen maßgebend.“
Das heißt also, es dürfen von den Besitzern der betreffenden
Tiergattung Beiträge zu Entschädigungsleistungen nur bis zur
Hälfte der Gesamtsumme der jährlichen Entschädigung erhoben
werden. Die andere Hälfte ist aus öffentlichen Mitteln zu be¬
streiten, d. h. Staatskasse oder Kommunal verbände. Die hierdurch
den letzteren auferlegten Mehrleistungen müssen natürlich durch
Erhöhung der Abgaben aufgebracht werden. Es ist also hierbei
das Prinzip verfolgt worden, die Kosten für die Entschädigung
von infolge von Seuchen getöteten oder daran gefallenen Tieren
zur Hälfte den Besitzern der betreffenden Tiergattung und zur
andern Hälfte der Gesamtheit der Steuerzahler aufzuerlegen.
Hoffentlich wird das Plenum des Reichstages in seiner
Mehrheit anders denken, wie die Kommissionsmehrheit und wird
es bei den bisherigen Bestimmungen über die Entschädigungs¬
leistungen belassen. Die übrigen Bestimmungen über die Ent¬
schädigungen für Viehverluste §§ 59 bis 64 wurden von der
Kommission mit unwesentlichen Abänderungen, die sich teilweise
als Konsequenzen aus dem vorerwähnten Anträge ergaben, an¬
genommen.
Die Strafbestimmungen wurden mit einer Milderung nur im
§ 65, welcher von den vorsätzlichen Vergehungen handelt, an¬
genommen. Zu § 67 c (Schlußbestimmungen) gelangte eine vom
Zentrum beantragte Resolution zur Annahme:
Den Reichskanzler zu ersuchen, 1. durch das Reicks¬
gesundheitsamt eine volkstümlich gehaltene Zusammenfassung
der Vorschriften des Viehseuchengesetzes verfassen zu lassen;
2. Merkblätter über die einzelnen Viehseuchen und deren Be¬
kämpfung verfassen zu lassen; 3. diese Schriften unter den
Viehbesitzern unentgeltlich verteilen zu lassen.
Zu § 67 d, welcher Bestimmungen über die Behandlung von
Beschwerden des Besitzers enthält, gelangte ein von national¬
liberaler Seite gestellter Antrag einstimmig zur Annahme:
„Beschwerden gegen Anordnungen bei der Bekämpfung
von Viehseuchen im Inlande (§ 9 ff.) sind bei den von den
Landesregierungen dazu zu bestimmenden Organen anzubringen.
Vor der Entscheidung ist eine Kommission zu hören, die
mindestens zur Hälfte aus Sachverständigen zusammengesetzt
sein muß.“
Hiermit wird ein Novum für die Seuchengesetzgebung ge¬
schaffen. Also eine ad hoc zusammengesetzte Kommission soll
gehört werden, wenn ein Besitzer sich über Maßregeln beschwert
fühlt, welche von einer Behörde oder einem Beamten angeordnet
worden sind, bevor die zur Entscheidung bestimmten Organe ihr
Urteil abgeben.
Daß dadurch das Verfahren der Viehseuchentilgung eine
Vereinfachung erleidet, wird wohl niemand behaupten können.
Was ist hier überhaupt unter Sachverständigen zu verstehen,
sollen dies Tierärzte oder Landwirte sein. Man möchte fast
geneigt sein, letzteres anzunehmen. Eine solche Kommission
hat auch gerade noch gefehlt, um den beamteten Tierärzten
des Lebens Bitterkeit noch mehr fühlbar zu machen, und um
ihnen ihre Berufsfreudigkeit, an der sie es bisher gewiß nicht
10. Dezemb er 1908 . _BERLINER TIE RÄRZTE
haben fehlen lassen, zu rauben. Doch von dem Kommissions¬
beschluß bis zu seiner Verwirklichung ist noch ein weiter Weg,
hoffen wir, daß dies nur Beschluß bleibt.
Zum Schluß der Beratungen wurde noch folgende Resolution
angenommen, den Reichskanzler zu ersuchen, die auf Grund der
§§ 0, 6 a und 7 des Viehseuchengesetzes ergangenen Änderungen
alljährlich dem Reichstag zur Kenntnis vorzulegen.
Damit war die erste Lesung des Gesetzentwurfs beendigt. Die
zwoite Lesung dürfte erst nach den Weihnachtsferien stattfinden,
damit den verbündeten Regierungen Zeit bleibt, zu den Be¬
schlüssen der Kommission Stellung zu nehmen. Eine solche
Stellungnahme ist mit Rücksicht auf die prinzipiellen Änderungen
der Vorlage durch die Kommission erforderlich. Eine solche
prinzipielle Änderung ist in der Mitbeteiligung der Staats- oder
Reichskasse an der Aufbringung der Entschädigungskosten zu
finden. Da die Regierung das reine Versicherungsprinzip hierbei
aufrecht erhalten will, so erscheint es keinesweges ausgeschlossen,
daß, wenn eine Einigung im Plenum nicht erzielt werden kann,
das Gesetz von der Regierung zurückgezogen wird. Ein
solcher Ausgang wäre aber sehr bedauerlich, da das jetzige
Viehseuchengesetz in vieler Hinsicht dringend der Änderung
und Vervollständigung bedarf. Pr.
Dienstliche Versammlung der beamteten Tierärzte des
Regierungsbezirks Allenstein.
Mit Genehmigung des Herrn Ministers für Landwirtschaft
wurde die diesjährige Versammlung in Lyck abgehalten, um
den beamteten Tierärzten Gelegenheit zu geben, im Anschluß
an die Sitzung die klinischen Erscheinungen der in den Kreisen
Lyck und Johannisburg ausgebrochenen Beschälseuche durch
eigene Anschauung kennen zu lernen. Die Sitzung fand am
14. November statt. An derselben nahmen sämtliche beamteten
Tierärzte des Bezirks und auf Anordnung des Herrn Ministers
der Kreistierarzt des Kreises Goldap teil (der gleichfalls mit
der Teilnahme beauftragte Kreistierarzt des Kreises Oletzko
w'ar durch Krankheit am Erscheinen verhindert). Als Vertreter
des Herrn Regierungspräsidenten wohnte der Verwaltungs-
Dezernent in Veterinärangelegenheiten, Regierungsrat Dr. Leh-
feldt der Sitzung bei.
Die Tagesordnung lautete:
1. Die Beschälseuche in den Kreisen Lyck und Johannisburg.
Berichterstatter: Veterinärräte Lorenz und Kleinpaul.
2. Die landespolizeiliche Anordnung betr. die Influenza der Pferde.
Berichterstatter Kreistierarzt Migge.
3. Verschiedene Mitteilungen und Besprechungen.
Um 8 l / 4 Uhr abends eröffnete der Vorsitzende, Veterinärrat
Dr. Marks, die Sitzung und führte aus, daß er glaube, im
Sinne der Herren gehandelt zu haben, wenn er beim Herrn
Minister die Genehmigung zur Abhaltung der Sitzung in Lyck
erbeten habe, da Ihnen hierdurch die Möglichkeit gegeben sei,
ohne erhebliche Kosten die Beschälseuche an den kranken
Tieren selbst kennen zu lernen.
Alsdann erhält Veterinärrat Lorenz-Lyck das Wort zu
Punkt I der Tagesordnung.
Referent bespricht zunächst das Geschichtliche der Beschäl¬
seuche oder Zuchtlähme, geht dann auf die Verbreitung der
Seuche in den verschiedenen Ländern ein und erörtert die
gegenwärtig herrschenden Ansichten über die Ursache der
Krankheit. Nach seiner Meinung müßten Blutparasiten als
ICHE WOCHENSCHRIFT. _ _915
Ursache angesehen werden, da im Sekret kranker Stuten
Trypanosomen gefunden worden seien.
Die Beschälseuche ist eine chronische Infektionskrankheit
des Pferdegeschlechts, die nur Zuchttiere befällt und aus¬
schließlich durch den Begattungsakt übertragen wird. Die
Krankheitserscheinungen teilt Referent in zwei Stadien; im
ersten treten lokale Erscheinungen an den Geschlechtsteilen, im
zweiten allgemeine Erscheinungen auf, welche auf eine Er¬
krankung des Nervensystems hinweisen.
Das Inkubationsstadium soll nach den Angaben von
Maresch acht Tage bis zwei Monate, nach Marek sogar noch
länger betragen. Referent hat das erste Stadium niemals selbst
zu Gesicht bekommen, da die Infektion in den von ihm beob¬
achteten Fällen bereits im Frühjahr bzw. Sommer erfolgt war
und die Ermittlung der Seuche erst im Oktober erfolgte. Nach
den übereinstimmenden Berichten der Besitzer aber traten die
ersten Erscheinungen 8—14 Tage nach der Begattung auf.
Fig. 1.
Bei Stuten zeigen sich als örtliche Erscheinungen zuerst
eine teigige Schwellung der Scham und deren Umgebung, die
sich häufig bis auf das Euter, ja selbst unter dem Bauch und
| der Brust bis zu den Vorderschenkeln fortsetzt. Die Scheiden¬
schleimhaut ist höher gerötet und geschwollen, aus der Scheide
entleert sich mitunter ein graugelblicher Ausfluß, der zu Krusten
eintrocknet. Daneben besteht heftiges und andauerndes Rossig-
sein und Drang zum Urinieren, wobei Harn in geringer Menge
öfters abgesetzt wird. Zuweilen finden sich auch Knötchen und
Geschwüre auf der Scheidenschleimhaut. In weiterem Verlaufe
der Krankheit treten in vielen Fällen auf der äußeren Fläche
der Scham und in deren Umgebung pigmentlose Stellen auf;
diese sind öfter zuerst kaum erbsengroß und vereinzelt, sie
werden dann immer größer und zahlreicher, konfluieren und
schließlich kann die ganze Scham woiß werden. Referent sah
auch Fälle, in denen sogar das Euter teilweise weiß geworden
w r ar. Auch beobachtete er, entgegen den Angaben in der
Literatur, daß diese woißen Stellen sich regelmäßig ohne voran¬
gegangene Geschwüre entwickelten und er konnte auch fest¬
stellen, daß sich im späteren Verlaufe der Krankheit das
Pigment allmählich wiederfindet.
Beim Hengste bestehen die örtlichen Erscheinungen in
Schwellung des Penis, des Schlauches, des Hodensackes und der
Nebenhoden. Aus der Harnröhre fließt zuweilen graugelbliche
916
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 50.
Flüssigkeit. Daneben bestehen ebenfalls Drang zum Urinieren
und häufiges Ausschachten. An der Außenfläche des Penis sieht
man zuweilen runde Geschwüre auftreten, welche unter Zurück¬
lassung weißer Narben abheilen. Bei einem Hengst sah Referent
eine Penislähmung, bei einem anderen die schon erwähnten
pigmentlosen Stellen am
Hodensack. Diese lokalen
Erscheinungen können wieder
vollständig verschwinden oder
sie bleiben zum Teil bestehen,
wie die Anschwellung der
Scheide, der Scheidenausfluß
und die Weißfärbung der
Scham, und es stellen sich
neben diesen oder für sich
allein ' nach Wochen oder
Monaten die allgemeinen Er¬
scheinungen ein. Von diesen
sind zunächst die in der
äußeren Haut auftretenden
Quaddeln, die sogenannten
Talerflecke zu erwähnen. Es
sind dies flache, derbe An¬
schwellungen von verschiedener Größe und Form. Sie sind
bald kreisrund, taler- bis handtellergroß, bald länglich, bald
gewunden und striemenförmig. Die Peripherie der runden
Quaddeln ist höher als das Zentrum. Diese Anschwellungen
fahren plötzlich auf, können aber ebenso schnell wieder ver¬
schwinden. In einem
Falle bestanden sie
in wechselnder An¬
zahl vier Wochen.
Der Sitz der Qua¬
ddeln ist meist die
Kruppe und der
Rücken, aber auch an
den Brustwandungen
und am Halse werden
sie vorgefunden. Zu¬
weilen sollen an der
Brust und am Bauche
Hautausschläge mit
starkem Juckreiz auf¬
treten. Referent be¬
obachtete nurin ei¬
nem Falle, daß eine
Stute Juckreiz an
den Hinterfüßen
Fig 3 hatte und sich stark
scheuerte.
Später stellt sich bei den erkrankten Tieren Schwäche ein,
besonders im Hinterteil. Die Tiere können sich nur schwer
erheben, der Gang wird unsicher, schwankend. Die Tiere
stolpern, brechen während der Bewegung zusammen, knicken
oft in den Fesseln über. In der Ruhe werden die Füße nicht
gleichmäßig belastet, die Tiere schildern häufig, heben den Fuß
zuweilen in die Luft und in diesem Moment beobachtet man
dann Zittern des ganzen Fußes. Schließlich werden die
Lähmungserscheinungen immer hochgradiger, die Tiere können
sich nicht mehr erheben und verenden. Auch an den Lippen,
Ohren und Augenlidern werden, wenn auch seltener, Lähmungs¬
erscheinungen beobachtet. Mit diesen Schwäche- und Lähmungs¬
erscheinungen geht hochgradige Abmagerung einher, die be¬
sonders im Hinterteil bemerkbar ist, so daß die Konturen der
Beckenknochen und Rippen stark hervortreten.
Manche Tiere fressen andauernd gut, bei anderen ist der
Appetit wechselnd. Die Temperatur ist mitunter erhöht. Referent
beobachtete Temperaturen zwischen 38,5 und 39,5 0 G. Bei
vielen Tieren stellt sich bei vorgeschrittener Krankheit ein
Katarrh der oberen Luftwege ein, wobei eine mehr oder weniger
starke Anschwellung der Kehlgangslymphdrüsen und schleimig¬
eitriger Nasenausfluß auftreten. Letzterer ist meist gering,
trocknet an den Nasenrändern und auf der Nasenscheidewand
zu bräunlichen Krusten ein, entfernt man diese, so sieht man
die Schleimhaut gerötet und fein granuliert. Die Kehlgangs¬
lymphdrüsen erreichten in einem Falle die Größe von kleinen
Hühnereiern, waren jedoch weich und schmerzhaft. Bei einer
großen Anzahl der erkrankten Pferde stellte sich eine starke
Konjunktivitis ein. Einzelne Pferde zeigten, nachdem sie mehrere
j Schritte im Trabe bewegt worden waren, ein schniebendes
Atemgeräusch und Atemnot, was Referent auf eine Rekurrens¬
lähmung zurückführt.
Bei Stuten tritt, wenn sie tragend geworden sind, fast stets
Abortus ein, meist werden sie jedoch gar nicht tragend.
Bei der Sektion fand Referent keine charakteristischen
Merkmale. In einigen Fällen bestand eine Endometritis chronica,
in einem Falle waren außerdem Narben in der Uterusschleim¬
haut von abgeheilten Geschwüren vorhanden. Regelmäßig war
eine Schwellung der Leisten- und Lendendrüsen vorhanden. In
einem Falle (es wurde zweimal das Rückenmark herausgenommen)
fand sich eine geringe Flüssigkeitsansammlung zwischen den Rücken¬
markshäuten; am Rückenmark und den großen Nervenstämmen
waren makroskopisch Veränderungen nicht nachzuweisen.
Der Verlauf der Krankheit ist nach den Literaturangaben
immer ein chronischer. Die Krankheitsdauer beträgt 1—2 Jahre,
nach anderen Angaben 2—4 Jahre. Die Prognose ist un¬
günstig; die Mortalität soll zwischen 50 und 70 Proz. schwanken.
Zuweilen tritt auch eine nur vorübergehende Besserung ein.
In den Kreisen Lyck und Johannisburg ist die Beschäl¬
seuche durch die Königlichen Hengste des Landgestüts Rasten¬
burg verbreitet worden, die in Baitkowen stationiert waren.
Es sind von den 4 Hengsten im Kreise Lyck 149 Stuten gedeckt
worden. Die Ansteckung des ersten Hengstes muß etwa Mitte
März erfolgt sein, da von dieser Zeit an Erkrankungen der in
Baitkowen gedeckten Stuten beobachtet wurden. Von den
Stuten sind 37 erkrankt und 18 seucheverdächtig. Von diesen
sind bisher 6 getötet und 3 verendet. Außerdem sind von
Stuten, die zuerst den Baitkower Hengsten zugeführt waren,
noch 2 Privathengste angesteckt worden. Von den von diesen
gedeckten 67 Stuten ist 1 krank, 2 sind seucheverdächtig.
Das zweite Referat zu dem Thema Beschälseuche erstattete
VeterinärratKleinpaul-Johannisburg. Von den von den Baitkower
Hengsten gedeckten 59 Stuteu im Kreise Johannisburg sind
10 krank, 10 seuchenverdächtig; von den kranken sind 2 getötet
worden. Der Korreferent bestätigt im allgemeinen die Aus¬
führungen des Referenten, hebt aber im besonderen noch folgendes
hervor: Die beiden Krankheitsstadien sind auch von Kleinpaul
beobachtet worden, sie lassen sich aber im Einzelfalle nicht
10. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
917
immer genau abgrenzen. — Knötchen und Geschwüre auf der
Scheidenschleimhaut hat Kleinpaul nicht beobachtet. — Es
bestehen zwar die äußeren Erscheinungen des Rossigseins, doch
nehmen die Stuten zuweilen den Hengst nicht an. — Die
pigmentlosen Flecken treten auch in der Gegend des Afters auf.
[Sie finden sich übrigens, worauf man erst bei den jetzigen
Untersuchungen genauer geachtet hat, auch bei ganz gesunden
Tieren, hier sind sie, mit Ausnahme von Schimmeln, in der
Regel klein und verändern ihre Größe und Form nicht.]
Die von dem Referenten beobachteten Veränderungen in
der Haut beschreibt Korreferent als flache, jedoch nicht harte,
sondern festweiche, teigige Schwellungen, die sich manchmal
bloß durch die gesträubte Stellung der Haare markieren. Der
Gang der Tiere ist besonders hinten tappelnd, taumelnd.
Die Pferde fußen dann hinten zuerst mit den Trachten,
ähnlich wie ein rehekrankes Pferd mit den Vorderhufen fußt.
Die geschwollenen Kehlgangslymphdrüsen unterscheiden sich
von den rotzigen dadurch, daß sie weicher sind und nicht am
Unterkiefer festsitzen. Angeregt durch die Angaben französischer
Forscher (Schneider und Buffard) hat Kleinpaul in Ge¬
meinschaft mit seinem Assistenten Dr. Neumann bakteriologische
Untersuchungen angestellt und den Nachweis erbracht, daß das
Trypanosoma equiperdum sich bei der Beschälseuche vorfindet.
Die zuerst angestellten Blutuntersuchungen blieben resultatlos.
Später wurden folgende Impfversuche angestellt: Von 4 schwer
kranken Stuten wurden je 2 Tropfen Nasenschleim mit 2 ccm
sterilen Wassers in angewärmten sterilen Schalen verrieben und
von dieser Verreibung 0,2 ccm 2 Mäusen subkutan injiziert.
Beide Mäuse starben an einer Bakteriämie.
Ferner wurden 4 Mäuse mit sehr großen Dosen (1 ccm)
defibrinierten Blutes von kranken Stuten sofort nach der Ent¬
nahme des Blutes subkutan geimpft. Die 4 Mäuse blieben,
ebenso wie die zugesetzten Kontrollmäuse, am Leben. [Der
Versuch lehrt, daß sich mäuse-pathogene Parasiten in dem Blute
beschälseuchekranker Pferde nicht oder doch nur in sehr geringer
Zahl vorfinden. Hieraus ergibt sich, daß die Blutuntersuchung
bei beschälseucheverdächtigen Tieren zur Sicherung der Diagnose
nicht, wie bei der Tsetsekrankheit diagnostisch verwendbar ist.
Es gilt dies natürlich nur für den Nachweis körperlicher Elemente
und nicht für den Nachweis der etwa von den Trypanosomen
ausgeschiedenen Substanzen.] Daß man demnach die Diagnose
Beschälseuche durch den Nachweis der Trypanosomen im Blute
nicht sichern kann, ist um so bedauerlicher, als die klinische
Diagnose im Einzelfalle außerodentlich schwer ist und manch¬
mal überhaupt nicht mit absoluter Sicherheit ausgesprochen
werden kann, zumal eine Anzahl anderer Krankheiten differential-
diagnostisch in Betracht kommen: Bläschenausschlag, Urticaria,
Rotz, chronische Kreuzlähme; Lumbago in der Form wie sie
hier in Ostpreußen auftritt; phlegmonöse Prozesse an der Scham
mit Scheidenausfluß; chronischer Blasenkatarrh mit häufigem
Urinabsatz und Abmagerung verbunden.
Da die Geschlechtsorgane den Ausgangspunkt der Krank¬
heit bilden, untersuchten K. und N. auch den Vaginal- bzw. den
Uterusschleim. Den vier genannten, schwerkranken Stuten
wurden ungefähr je drei Tropfen des Sekretes entnommen und
diese zwölf Tropfen sofort in erwärmtem sterilen Gefäß mit 3 ccm
sterilen lauwarmen Wassers verrieben. Von dieser Verreibung
wurden zwei weiße Mäuse gleich nach der Herrichtung des
Materials mit 0,15 ccm subkutan geimpft. Zwei Mäuse wurden
als Kontrolltiere in dasselbe Glas gesetzt. Die eine Impfmaus
starb am zweiten Tage an einer Bakteriämie, die zweite zeigte am
fünften Tage nach der Impfung Lähmungserscheinungen des
Hinterteils. Sie war im übrigen munter, fraß gut, die Vorder¬
extremitäten wurden normal bewegt. Am Abend des fünften
Tages verendete die Maus. Aus dem Herzblute wurden Aus¬
strichpräparate gemacht, die mit Metbylenblaulösung und nach
Giemsa gefärbt wurden. Es fanden sich in ihnen zahlreiche
Trypanosomen, die zwischen den Blutkörperchen lagen und
kleiner und schmäler waren als die der Surrah- und Tsetse¬
krankheit; sie sind demnach wohl mit den von Schneider und
Buffard gefundenen Trypanosomen, wie ähnlich beschrieben
werden, zu identifizieren. Bei späteren Versuchen gelang es
auch, direkt in frischen Ausstrichen aus dem Scheidenscbleim
die Trypanosomen nachzuweisen.
Aus äußeren Gründen wurden weitere Versuche von K.
und N. nicht angestellt; mit der weiteren wissenschaftlichen
Erforschung der Seuche sind das pathologische Institut und die
interne Klinik der Tierärztlichen Hochschule in Berlin und die
Abteilung für Tierhygiene des Kaiser Wilhelm-Institutes in
Bromberg beschäftigt. Den Trypanosomenfund haben FrÖhner
und Mießner bereits bestätigt. Die von Kleinpaul und
Neumann hergestellten Trypanosomen-Präparate wurden am
1. November im Anschluß an die Sitzung des Vereins Ost¬
preußischer Tierärzte von K. demonstriert.
Über die biologischen Verhältnisse des Trypanosoma
equiperdum ist nichts Näheres bekannt. Interessant ist es, daß
die Übertragung nicht durch den Stich eines Zwischenträgers,
sondern durch den Geschlechtsakt erfolgt.
Veterinärrat Lorenz .hat} gleichfalls mehrfach die Trypano¬
somen im Scheidenschleim nachweisen können. Sie fanden sich
auch zahlreich vor, wenn man nur einen Objektträger in die
Scheide einführte und an die Scheidenwand andrückte.
Der Vorsitzende dankte den Referenten für ihre hoch¬
interessanten Ausführungen und gibt seiner Freude darüber
Ausdruck, daß es zwei in der Praxis außerordentlich stark be¬
schäftigten Kreistierärzten gelungen sei, nicht nur die anscheinend
schwierige klinische Diagnose der ihnen bisher völlig fremden
Seuche sofort zu stellen, sondern daß sie auch auf bakterio¬
logischem Gebiete sich so hervorragend betätigt und die
Trypanosomen bei der Beschälseuche einwandfrei nachgewiesen
hätten. Hierdurch würde die Klarstellung der Ätiologie der
Beschälseuche und ihres Verhältnisses zur Dourine erheblich
gefördert oder auch ganz sichergestellt werden.
Veterinärrat Michalik-Lötzen teilt noch auf Veranlassung
des Vorsitzenden, zu dessen Kenntnis er den Fall bereits vor
der Sitzung gebracht hat, mit, daß er am Tage zuvor einen
Fall in der Praxis zu Gesicht bekommen habe, welcher den
Verdacht erwecke, daß es sich um abgeheilte Beschälseuche
handle und daß die Seuche schon 1907 im Kreise Lötzen ge¬
herrscht zu haben scheine.*)
*) Dieser Verdacht hat sich bestätigt. Die inzwischen an¬
gestellten Ermittlungen und Untersuchungen haben folgendes er¬
geben: Eine im Oktober oder November 1906 aus Rußland ein¬
geführte Stute wurde am 25. Februar und später noch zweimal im
Mai von ihrem Besitzer, einem Spediteur in Lötzen, einem Ge¬
nossenschaftshengst in Paprodtken (Kreis Lötzen) zugeführt, weil
sie abmagerte und dauernd rossig war. Der Besitzer bezog die
Abmagerung auf unbefriedigten Geschlechtsdrang, während beide
Erscheinungen, Rossigsein und Abmagerung, Symptome der Beschäl-
018
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 50.
Es wird nun in eine Besprechung der veterinärpolizeilichen
Maßnahmen gegen die Seuche eingetreten. Der Vorsitzende
führt aus, daß die erste praktische Erprobung der Bestimmungen
der Bundesrats-Instruktion bezüglich der Beschälseuche ergeben
habe, daß dieselben mangelhaft und nicht ausreichend seien.
Insbesondere sei der § 112 der Abänderung in drei Punkten
dringend bedürftig. 1. Da nach den Literaturangaben die
Inkubationsdauer der Krankheit häufig bis 8 Monate betrage,
sei eine Beobachtungsfrist von 6 Monaten nach der Begattung
unzureichend und dieselbe müsse auf 9 Monate erhöht werden.
2. Die Krankheitserscheinungen seien in vielen Fällen so gering¬
gradig, daß sie von den Besitzern übersehen oder nicht richtig
gedeutet, auch wohl absichtlich verheimlicht werden könnten.
Nach den Bestimmungen der Instruktion (§ 114) findet eine
Untersuchung der verdächtigen Tiere durch den Tierarzt nur
nach Ablauf der sechsmonatlichen Beobachtungsfrist statt. Er
wird dann häufig nicht feststellen können, ob die betr. Pferde
überhaupt nicht erkrankt oder durchgeseucht sind, und es
werden manchmal Pferde zur Begattung freigelassen werden,
die als durchgeseuchte für drei weitere Jahre von der Zucht
ausgeschlossen werden müßten. Es erscheint bei der Art des
Verlaufs der Krankheit vielmehr erforderlich, daß jedes Pferd,
welches mit seuchekranken oder seucheverdächtigen in geschlecht¬
liche Berührung gekommen ist, sofort und dann regelmäßig in
Zwischenräumen von 14 Tagen amtstierärztlich untersucht wird.
3. Da einzelne Erscheinungen häufig schnell verschwinden (z. B
die Talerflecke), ist es auch erforderlich, daß der Besitzer wie
bei Rotz (§ 48 der Instruktion) von allen verdächtigen Er¬
scheinungen an den unter Beobachtung stehenden Tieren Anzeige
zu erstatten hat, damit in diesen Fällen eine sofortige tier¬
ärztliche Untersuchung herbeigeführt Werden kann.
Die Versammelten stimmen dem Vorsitzenden bei und halten
eine Abänderung der Instruktion in diesen Punkten für er¬
forderlich.
Eine längere Diskussion entsteht dann über den § 113. Die
Bestimmung, daß bei größerer Ausdehnung der Seuche die Zu¬
lassung zur Begattung „allgemein von einer vorgäugigen Unter¬
krankheit waren. Die Stute infizierte den Hengst mit Beschälseuche.
Der Hengst deckte 1907 im ganzen 23 Stuten im Lötzener Kreise,
von denen drei anscheinend an Beschälseuche eingegangen sind
und drei die Seuche Überstunden haben. Er ist im vorigen Jahre
nach Kruglanken (Kreis Angerburg) verkauft worden und hat in
diesem Jahre noch einige 20 Stuten gedeckt, von denen mehrere
mit Beschälseuche behaftet sind. Der Hengst soll bis vor "wenigen
Wochen, abgesehen vom dürftigen Nährzustand, keine Krankheits¬
erscheinungen gezeigt haben. Zurzeit hat er Schwellung der Hoden
und des Schlauches sowie des Unterbauches, weiße Flecke am
Scrotum und Schlauch, Schwäche in der Nachhand. Von diesem
Hengste im Lötzener Kreise gedeckte Stuten haben einen Genossen¬
schaftshengst in Dombrowken (Kreis Johannisburg) infiziert, der
seit November 1907 Erscheinungen der Beschälseuche gezeigt hat
und im August d. J. eingegangen ist. Der Hengst hat eine größere
Anzahl von Stuten in den Kreisen Lötzen, Sensburg und Johannis¬
burg gedeckt. Es muß angenommen werden, daß von hier infizierte
Stuten direkt oder indirekt durch Vermittlung eines weiteren
Hengstes die Ansteckung der Königlichen Beschäler in Baitkowen
bewirkt haben. Die Ermittlungen nach dieser Richtung sind noch
nicht abgeschlossen. — Die Einschleppung der Seuche aus Rußland
ist demnach erwiesen und cs ist anzunehmen, daß es sich nicht
um zwei verschiedene Fälle der Einschleppung handelt, sondern
daß die ganze Verseuchung von der russischen Stute von Lötzen
aus im Frühjahr 1907 ihren Ausgang genommen hat.
Buchung durch den beamteten Tierarzt abhängig gemacht werden“
kann, ist unklar in der Fassung und der verschiedensten Aus¬
legung fähig. Es wäre eine Bestimmung darüber erforderlich,
wie oft und in welcher Weise diese Untersuchungen ausgeführt
werden sollten. Wünschenswert wäre eine Fassung, daß die
Zulassung zur Begattung von der Beibringung eines amtstier¬
ärztlichen Gesundheitsattestes abhängig zu machen sei mit einer
Gültigkeitsdauer von 4 Wochen für Stuten und 14 Tagen für
Hengste.
Mangelhaft ist auch der § 116. Es ist erforderlich, daß
auch bezüglich derjenigen Pferde, welche auf 3 Jahre von der
weiteren Begattung ausgeschlossen werden, eine KontroUe über
ihren Verbleib ausgeübt wird. Es muß hier ein Zusatz gemacht
werden, daß ein Wechsel des Standortes nur mit Genehmigung
der Polizeibehörde erfolgen darf.
Der Vorsitzende bespricht dann noch kurz die Maßregeln
der aus Anlaß des Seuchenausbruches erlassenen landespolizei¬
lichen Anordnung, welche die Bildung eines Beobachtungsgebietes
vorschreibt, welches das verseuchte Gebiet und seine Umgebung
umfaßt.
Darauf werden von den beiden Referenten an zwei Mikro¬
skopen eine Reihe von Trypanosom'en-Präparaten demonstriert,
die teils aus dem Scheidensekret kranker Stuten, teils aus dem
Blute geimpfter Mäuse hergestellt sind.
Zum 2. Punkte der Tagesordnung erhält hierauf Kreis¬
tierarzt Migge-Osterode das Wort. Er bespricht die Ab¬
änderungen, welche die neue landespolizeiliche Anordnung betr.
die Influenza der Pferde gegenüber der seit zehn Jahren in
Ostpreußen in Kraft befindlichen aufweist. Die Verlängerung
der Frist zwischen Abheilung des letzten Falles und Unver¬
dächtigkeitserklärung von 4 Wochen auf 5 Wochen hält Referent
für unnötig, da 4 Wochen völlig ausreichend gewesen seien.
Die übrigen Abänderungen seien zu begrüßen, insbesondere die
Vorschriften über Düngerabfuhr und Düngerbehandlung und über
die Anordnung der Desinfektion durch den beamteten Tierarzt.
— Dagegen sei die gemeinfaßliche Belehrung in einigen Punkten
nicht ganz zutreffend. Das Inkubationsstadium sei auf bis
8 Tage angegeben; es vergehen aber oft 14 Tage, bis sich die
ersten Krankheitserscheinungen zeigen. Auf die leicht ver¬
laufenden Seuchengänge sei nicht scharf genug hingewiesen und
gerade bei diesen würde der Anzeigepflicht häufig nicht genügt,
weil die Erscheinungen nicht für die der Influenza gehalten
würden.
In der anschließenden Diskussion wird von mehreren Herren
die gemeinfaßliche Belehrung dahin kritisiert, daß sie eine Ver¬
quickung von gemeinfaßlicher Belehrung und Anweisung für
den Sachverständigen sei, als erstere gebe sie zu viel, da
manches von ihrem Inhalt gar nicht für den Laien verständlich
sei, für den Sachverständigen sei sie wieder als Anweisung
nicht erschöpfend genug.
Es wird dann zu Punkt 3 der Tagesordnung übergegangen
und es werden folgende Punkte besprochen: Veröffentlichung
der Seuchenausbrüche durch das offizielle Organ der Landwirt¬
schaftskammer; Formulare für die Abschätzung; Formen des
schriftlichen Verkehrs.
Mit einem Dank an die Herren Referenten schließt der
Vorsitzende um IIV 2 Uhr die Versammlung.
Am folgenden Morgen früh um 7 Uhr fuhren die Teilnehmer
in 7 Wagen bei —18° C in die Schneelandschaft hinaus in das
10. Dezember 1908._BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
919
Beschälseuchegebiet. Die Fahrt war bei wundervollem Rauhreif,
vollkommener Windstille und Sonnenschein eine köstliche und
lieferte nach der wissenschaftlichen Seite reiche Ausbeute. Es
wurden in einer Reihe von Ortschaften eine größere Anzahl
von kranken Stuten und 2 kranke Hengste besichtigt. Die
Teilnehmer hatten Gelegenheit, sämtliche Krankheitsformen des
chronischen Stadiums vom leichtesten bis zum schwersten Falle
und sämtliche Symptome kennen zu lernen — bis auf die
Talerflecke, welche bei keinem der Pferde vorhanden waren,
während fast alle der vorgestellten sie gehabt, 3 sogar noch
einige Tage vor der Besichtigung gezeigt hatten.
Von einzelnen der kranken Pferde wurden von Herrn
Kollegen Schulze, Grenztierarzt-Assistenten in Prostken,
einige wohlgelungene photographische Aufnahmen gemacht.
Fig. 1 zeigt eine braune Stute mit charakteristischer
Weißfärbung der Scham und des Afters, sowie Schwellung der
Scham.
Fig. 2 stellt einen Hengst mit starker Schwellung des
Hodensackes und Penislähmung,
Fig. 3 einen anderen Hengst mit starker Schwellung des
Hodens und Hodensackes dar.
In allen 3 Abbildungen sind auch deutlich Abmagerungs¬
erscheinungen wahrzunehmen: Schwund der Muskulatur, starkes
Hervortreten der Rippen und der Beckenknochen.
Nach der schönen und lehrreichen Fahrt vereinigte ein
gemeinsames Mittagsmahl im Hotel Kronprinz in Lyck die
Teilnehmer für einige fröhliche Stunden.
Gemeinfaßliche Belehrung über die als Influenza
der Pferde b©zeichneten Krankheiten.
Der Begriff der Pferdeinfluenza umfaßt zwei ihrem Wesen nach
verschiedene seuchenhafte Krankheiten der Pferde. Die eine dieser
Krankheiten ist eine ansteckende Lungenbrustfellentzündung und
wird daher als Brustseuche bezeichnet. Die andere ist durch
hochfieberhafte Allgemeinerkrankung, durch Schwellungen der Haut
und Augenschleimhaut sowie durch Entzündung der Magen- und
Darmschleimhaut gekennzeichnet. Diese Krankheit wird als
Pferdestaupe oder Rotlaufseuche oder als Influenza im
engeren Sinne bezeichnet. Zuweilen erkrankt ein und dasselbe
Pferd gleichzeitig an Brustseuche und an Pferdestaupe.
I. Die Brustseuche.
Wesen. Die Brustseuche ist eine ansteckende Entzündung
der Lunge und des Brustfells. Der Ansteckungsstoff ist zur¬
zeit noch nicht sicher bekannt. Auch die Art und Weise dor An¬
steckung steht noch nicht fest. Vermutlich wird der Ansteckungs¬
stoff durch die Atmungsluft und die Ausscheidungen, außerdem aber
auch durch Zwischenträger (Dünger, Streu, Personen usw.) von den
kranken Pferden auf gesunde übertragen. Die Seuche tritt namentlich
in den größeren Pferdebeständen der Städte auf und zeigt gewöhnlich
im Winter eine größere Verbreitung als im Sommer. Erkältungen,
Überanstrengungen, Transporte erhöhen die Empfänglichkeit der
Pferde für die Erkrankung.
Das einmalige Überstehen der Brustseuche schützt die meisten
Pferde gegen wiederholte Erkrankung. Die durchgeseuchten Pferde
können jedoch noch viele Wochen nach der Genesung den An¬
steckungsstoff auf gesunde Pferde übertragen.
Nach der Aufnahme des Ansteckungsstoffs werden die Er¬
scheinungen der Brustseuche nicht sofort sichtbar. Zwischen dem
Eindringen des Ansteckungsstoffs in den Körper und dem Auftreten
der ersten offensichtlichen Krankheitserscheinungen liegt vielmehr
eine verschieden lange sogenannte Inkubationszeit, die vielfach fünf
bis zehn Tage beträgt.
Merkmale an den lebenden Tieren. Die ersten Er¬
scheinungen der Brustseuche sind gelbrote Färbung der sichtbaren
Schleimhäute (Augenbindehaut, Maulschleimhaut), verminderte
oder aufgehobene Freßlust, Verstopfung, Mattigkeit und
in schweren Fällen Schwanken der Nachhand. Außerdem besteht
Fieber; die Mastdarmtemperatur steigt auf 40—41°.
Sehr bald, schon in den ersten Tagen, tritt das Krankheitsbild
der Lungenentzündung hinzu. Diese gibt sich zu erkennen
durch matten Husten, Beschleunigung und Erschwerung der Atmung,
rostfarbigen oder bernsteingelben Nasenausfluß, der zuweilen
auch ausbleibt, und durch besondere, beim Beklopfen und Be¬
horchen der Brustwandungen in den unteren Partien nachweis¬
bare Veränderungen (Dämpfung, Trommelton, Unterdrückung der
Atemgeräusche, Rasselgeräusche usw.).
Das Hinzukommen einer Brustfellentzündung wird durch
Schmerzhaftigkeit der Brustwand (Stöhnen beim Betasten und bei
der Bewegung), durch starke Atembeschwerde und durch besondere,
beim Beklopfen und Behorchen feststellbare Veränderungen
(horizontal verlaufende Dämpfung, Reibungsgeräusche) dargetan.
Verlauf. Die Krankheit erreicht bei regelmäßigem Verlauf
am fünften oder sechsten Tage ihren Höhepunkt. Von da ab sinkt
die Fiebcrtemporatur raBch, der Appetit stellt sich wieder ein, die
Munterkeit kehrt zurück, die Harnabsonderung ist auffallend reich¬
lich, und die Dämpfungen hellen sich auf; nach etwa einer Woche
sind die meisten Krankheitserscheinungen verschwunden. Bis zur
vollständigen Genesung vergehen jedoch, auch wenn die Krankheit
in dieser milden Weise verläuft, mehrere Wochen.
Zeitweise nimmt die Krankheit einen sehr schweren Verlauf,
namentlich bei schwächlichen Pferden und solchen Tieren, die, ob¬
wohl bereits erkrankt, noch zur Arbeit verwendet werden. Es
treten in diesen Fällen gefährliche Nebenerscheinungen auf,
die häufig zum Tode führen: Herzschwäche und Herzlähmung
(80 bis 120 schwache Pulse, Herzklopfen), Lungenbrand (übler
Genich der ausgeatmeten Luft, Lungenblutung), Darmentzündung
(Kolik, Durchfall), Gehirnentzündung (Krampfanfälle, Lähmung),
Nierenentzündung (Eiweißharnen, Blutharnen). Andere Neben¬
erscheinungen undNachkrankheiten sind: Sehnenscheidenentzündung
(Lahmheit), innere Augenentzündung (Lichtscheue, flockige Ge¬
rinnsel in der vorderen. Augenkammer), Kehlkopfpfeifen, Lungen-
und Herzdämpfigkeit, Krenzschwäche, Schweiflähmung, Blasen¬
lähmung, Mastdarmlähraung, Lähmung der Rute.
In besonders milden Seuchengängen kommt endlich ein sog.
abgekürzter Verlauf der Brustseuche vor; die Krankheitsdauer be¬
trägt dann nur einige Tage.
In den einzelnen Pferdebeständen verläuft die Krankheit ver¬
schieden. Häufig erkranken innerhalb 8—14 Tagen alle empfäng¬
lichen Pferde des Stalles, so daß die Seuche nach etwa sechs
Wochen vollständig wieder erloschen ist. In anderen Fällen ist die
Verbreitung unregelmäßig und sprunghaft; der Seuchengang kann
dann in einem größeren Pferdebestande mehrere Monate andauern.
Die Häufigkeit der Todesfälle bei der Brustseuche wechselt,
jedenfalls ist sie aber viel höher als bei der Pferdestaupe (Rotlauf¬
seuche, Influenza im engeren Sinne); sie beträgt im Durchschnitt
4—15 Proz.
Merkmale an den toten Tieren. Die Entzündung der
Lunge erstreckt sich in der Regel auf die mittleren, unteren und
die in der Nähe der Lungenwurzel gelegenen Teile. Die Ausbreitung
der Entzündung ist verschieden; bald sind größere Abschnitte der
Lungen, bald kleinere Herde in Form von Knoten erkrankt. Auch
der Grad der Lungenentzündung zeigt Abweichungen. Im all¬
gemeinen weist die Lungenentzündung einen blutigen Charakter
auf, der häufig zu einem Absterben der betreffenden Lungenteile
führt. In den leichten. Graden sind die entzündeten Lungenteile
braunrot, luftleer, auf dem Durchschnitt glatt und glänzend, anfangs
feucht, später trockener und derb anzufühlen. In den schweren
Graden sind sie schwarzrot (Blutungen), auf dem Durchschnitt
körnig und derb anzufühlen. Die abgestorbenen Lungenherde sind
graugelblich; aus den abgestorbenen Herden können sich brandige
Höhlen oder Eiterherde in der Lunge entwickeln.
Die Entzündung des Brustfells äußert sich in Rötung und
Trübung, in der Auflagerung gelblicher, geronnener, abziehbarer
Massen und in der Ansammlung einer meist trüben, rotgelben oder
schmutzig graugrünen, mit Flocken vermischten Flüssigkeit im
freien Raume der Brusthöhle (bis zu 30 Liter und darüber).
920
Außerdem findet man entzündliche Veränderungen an der Nasen-,
Kehlkopf- und Luftröhrenschleimhaut, sowie Veränderungen am
Herzen, an der Leber, an der Milz und an den Nieren.
Wenn in einem Pferdebestande zwei oder mehr Pferde gleich¬
zeitig oder bald hintereinander unter den beschriebenen Erscheinungen
erkranken, wenn mithin ein ansteckender Charakter der Lungen¬
entzündung dargetan ist, muß angenommen werden, daß die
Brustseuche ausgebrochen ist. Boi vereinzelten Fällen von
Lungenentzündung ist namentlich dann anzunehmon, daß Brust¬
seuche vorliegt, wenn sie mit Gelbfärbung der Schleimhäute, rost¬
farbigem Nasenausfluß und schweren Allgemeinerscheinungen (hohes
Fieber, Schwanken) verlaufen und andere Ursachen der Lungen¬
entzündung sich nicht nachweisen lassen. Die nicht unter den
Begriff der Brustseuche fallenden, nicht ansteckenden, durch andere
Ursachen bedingten Lungenentzündungen entstehen nach dem Ein¬
dringen von Fremdkörpern in die Lunge (Eingüsse bei Kolik, Ver¬
schlucken bei Halsentzündung und Gehirnentzündung), nach äußeren
Verletzungen und Quetschungen der Brustwand, nach längerem
Hochbinden und anhaltendem Liegen der Pferde, nach Erkältungen,
dnreh Einatmung von Rauch sowie im Verlaufe der Blutvergiftung
im Anschluß an eitrige Entzündungen und verunreinigte Wunden.
Der Verdacht der Brnstseuche liegt schon bei jedem Pferde
vor, das ohne nachweisbare äußere Veranlassung (Eindringen von
Fremdkörpern, Hochbinden, Verletzungen, Erkältung, Raucheinatmung,
Blutvergiftung) auch nur einige der nachstehend aufgeführten
Krankheitserscheinungen zeigt: Husten, Fieber, Mattigkeit oder
Schwanken, gelbrote Färbung der Schleimhäute, rostfarbigen Nasen¬
ausfluß, beschleunigtes und erschwertes Atmen, Dämpfung und
unterdrücktes Atemgeräusch in der Lunge.
Von dem Ausbruch der Brustseuche und dem Brustseuche¬
verdacht ist der zuständigen Behörde sofort Anzeige zu erstatten.
Bis zu behördlichem Einschreiten empfiehlt eB sich, die kranken
und verdächtigen Pferde unverzüglich abzusondem, mit Arbeit zu
verschonen und alsbald einen Tierarzt zu Rate zu ziehen.
2. Pferdestaupe (Rotlaufseuche, Influenza im engeren Sinne).
Wesen. Die Pferdestaupe (Rotlaufseuche) ist eine außer¬
ordentlich leicht übertragbare, hochfieberhafte Krank¬
heit, die mit entzündlichen Schwellungen der Haut und der Augen¬
schleimhaut verläuft. Eine Lungenentzündung besteht bei der
Pferdestaupe meist nicht. Ihre Ansteckungsfähigkeit übertrifft die
aller übrigen Pferdeseuchen. Sie verbreitet sich daher gewöhnlich
in ganz kurzer Zeit über große Bestände. Der Ansteckungsstoff
ist nicht bekannt; er wird von den kranken Pferden auf die ge¬
sunden wahrscheinlich durch die Atmungslust übertragen. Das
einmalige Überstehen der Pferdestaupe schützt viele Pferde gegen
eine nochmalige Erkrankung. Die durchgeseuchten Pferde können
jedoch den Ansteckungsstoff noch Monate nach ihrer Genesung auf
gesunde Pferde übertragen. Zwischen der Aufnahme des Ansteckungs¬
stoffs und dem Auftreten der ersten sichtbaren Krankheits¬
erscheinungen liegt gewöhnlich ein Zeitraum von vier bis sieben
Tagen.
Merkmale an den lebenden Tieren. Die Tiere zeigen
plötzlich große Mattigkeit, aufgehobene Freßlust und sehr hohes
No. 50.
Fieber (40 bis 42° und darüber); die Krankheit kann schon im
Verlaufe des ersten Tages ihren Höhepunkt erreichen. Gleichzeitig
werden die Pferde von schwerer Benommenheit des Kopfes
und Schlafsucht befallen, so daß häufig der Verdacht auf Ge¬
hirnerkrankung entsteht; außerdem besteht auffallende Muskel¬
schwäche, die sich in Zittern, Schwanken und Taumeln äußert.
Kennzeichnende Erscheinungen sind ferner schnell auf tretende und
oft ebenso schnell wieder verschwindende Schwellungen der Haut
und Unterhaut an den Beinen, an der Unterbrust, am Unterbauch
und Schlauche, Schwellung der Augenlider, sowie glasige, wulstige
Schwellung der Augenbindehäute mit Lichtscheue und Tränen¬
fluß. Sehr häufig besteht ferner Verstopfung, wobei die spärlich
abgesetzten harten und kleinen Kotballen mit schleimigen Massen
überzogen sind; in anderen Fällen beobachtet man Durchfall
und Kolikerscheinungen. Manchmal stellen sich auch wässeriger
oder schleimiger Nasenausfluß, Husten und leichte Schwellung der
Kehlgangslymphdrüsen ein. Viele Pferde zeigen außerdem eine
auffallend rasche Abmagerung.
Verlauf. Die Pferdestaupe verläuft in der Regel gutartig.
Die überwiegende Mehrzahl der Pferde ist nach einer Woche wieder
fieberfrei und nach ein bis zwei weiteren Wochen wieder gesund.
Nur in einer geringen Anzahl von Fällen, bei ausnahmsweise
schwerem Seuchenvcrlaufe sowie dann, wenn die noch nicht ganz
genesenen Pferde zu früh wdeder zur Arbeit verwendet werden,
treten gefährliche, unter Umständen tödliche Nebenerkrankungen,
wie Lungenentzündung, Herzschwäche, Magen-, Darmentzündung und
Gehirnentzündung hinzu.
Merkmale an den toten Tieren. Bei der Eröffnung der an
Pferdestaupe gestorbenen Tiere findet man außer den Veränderungen
der Haut und Unterhaut im Bereiche der Beine durch Entzündung
bedingte Schwellungen der Schleimhaut des Magens und Darmes,
der Kehlkopfschleimhaut, der Augenbindehaut von sulziger oder
glasiger Beschaffenheit, Schwellung der benachbarten Lymphdrüsen,
Vergrößerung der Milz, sowie trübe Schwellung der Leber, der
Nieren und des Herzmuskels.
Wenn in einem Pferdebestande zweT~bder mehr Pferde gleich¬
zeitig oder rasch hintereinander unter den beschriebenen Er¬
scheinungen erkranken, ist anzunehmen, daß die Pferdestaupe aus¬
gebrochen ist Bei vereinzelten Krankheitsfällen ist das Vor¬
handensein der Pferdestaupe namentlich dann anzunehmen, wenn
ein Pferd sehr hohes Fieber, starke Benommenheit und Mattigkeit
sowie Schwellungen der Haut und Augenschleimhaut zeigt.
Der Pferdestaupe verdächtig sind alle Pferde, die auch nur
einige der nachstehenden Krankheitserscbeinungen zeigen: sehr
hohes Fieber, starke Benommenheit, glasige Schwellung der Augen¬
schleimhaut, Schwellungen der Haut an den Beinen, an der Brust
oder am Bauche.
Von dem Ausbruche der Pferdestaupe (Rotlaufseuche) und dem
Verdachte dieser Krankheit ist der zuständigen Behörde sofort
Anzeige zu erstatten. Bis zu behördlichem Einschreiten empfiehlt
es sich, die kranken und verdächtigen Tiere im Stalle zu belassen
und alsbald einen Tierarzt zu Rate zu ziehen.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen dem Oberstabsveterinär
Karl Was8er8leben beim Feldart.-Regt. Nr. 10 der Rote Adlerorden
vierter Klasse.
Ernennungen: Tierarzt Dierick , Repetitor an der chirurgischen
Klinik der Tierärztlichen Hochschule in Hannover wurde mit den
kreistierärztlichen Geschäften in Neuerburg beauftragt. — Versetzt:
Kreistierarzt Kranx von Neuerburg nach Mayen; Oberamtstierarzt
Honeker von Maulbronn nach Freudenstadt (Wtirtt.).
Niederlassungen: Die Tierärzte Belmar Dun aus Frankfurt a. M.
in Aschaffenburg, Michael Heckmann aus München in Wörth [Isar]
(Niederbayern). — Verzogen: Tierarzt Rudolf Klaiber- Augsburg
als Assistent nach Sonthofen (Algäu).
Examina: Das Examen als beamteter Tierarzt haben be¬
standen: in Berlin: die Tierärzte Franz Balxer aus Rheydt, Emil
Huber aus Diersburg, Lothar Stephan aus Krempa; in Sachsen:
Tierarzt A. Hengst- Blasewitz bei Dresden. — Approbiert: die
Herren Walter Bergien aus Tiergart, August Jarnsen aus Vechta,
Nikolai Jadin aus Joensum (Finnland), Waino Rantanen aus Abo
(Finnland).
Todesfall: Städtischer Tierarzt Georg Hüfner in München.
Vakanzen. (Vgi. Nr. 49.)
Kaiser Wilhelms-Institut für Landwirtschaft ln Bromberg: Wissenscb.
Hilfsarbeiter für die Abteilung ftlr Tierhygiene zum 1. Januar 1909.
Gehalt 1800 M- Bewerb, a. d. Vorsteher der Abteilung.
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmalts in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung ron Richard 8ohoetx in Berlin. —
Druck ron W. BOxenstein, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift" eraehelnt
wöchentlich im Verlage von Richard Sohoetx ln
Berlin 8W. 48, Wilhelmatr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— Vierteljahr*
lieh (M. 4,88 fllr die Wochenschrift, 18 P£ für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (österreichische Post-Zeitungs*
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 86.)
Tierärztliche Wochenschrift
Berliner
Originalbeitrftge werden mit 60 Mk., In Petltaata mit
00 Mk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Scbmaltz, Berlin, Tierlrat*
liehe Hochschale. NW., LuisenstraSe 56. Korrekturen,
RezensionS'Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothes
Hamburg. Departements*T. in Cöln.
Med.-Rat Dr. Roeder Dr. Sohlegel
Professor in Dresden. Professor in Freiburg.
Helfer
Schlachth.-Direktor In Mülbamen
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Dr. Peter Veterinärrat Peters Veterinärrat PreuBe Dr. Richter
Staatstierarzt für Hamburg. Departements*T. in Bromberg. Departements*T. In Danzig. Professor in Dresden.
Dr. J. Schmidt Ober-Reg.-Rat Dr. Vogel Wehrte Zfindel
Professor in Dresden. Landestierarzt in München. Kais. Regierungsrat in Berlin. Kreistlerarst in Mülhausen L E.
Dr. H. Sieber Dr. Stüdter Dr. Zimmermann
LE. am Tropeninstitut In Hamburg. Stadt-Tierarzt in Hamburg. Dozent in Budapest «
Jahrgang 190S. J|£ 51 . Ausgegeben am 17. Dezember.
Inhalt: Kaiser: Beiträge zum Kälbersterben. — Nissen: EFn Beitrag zur Impfung gegen den Rauschbrand nach 0. Thomas. —
Pekaf: Zum „eigenartigen Fall von Erkrankung des Bewegungszentrums (?)“. — Referate: Cadeäc: Über die
Oateo-Arthriten. — Guhrauer: Pansenlähmung infolge reichlicher Aufnahme von Sand. — Stenose des Ostium pulmonale bei
einer Kuh. — Orth und Rabinowitsch: über Resorption körperlicher Elemente im Darm, mit besonderer Berücksichtigung
der Tuberkelbazillen. — Broll: Zum Wachstum der ovoiden Bakterien in Form von längeren Stäbchen und Fäden. — Tages¬
geschichte: Braunschweigisches Tierärztekammer-Gesetz. — Schmaltz: Zur Besoldung der Kreistierärzte. — Die Gehälter der
badischen Bezirkstierärzte. — Kunze: Ein Wort zur Besetzung amtlichor Stellen. — Verschiedenes. — 60. ordentliche General¬
versammlung des tierärztlichen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg. — Staatsveterinärwesen: Jahresbericht über die
Verbreitung der Tierseuchen im Deutschen Reiche 1907. — Verschiedenes. — Nahrungsmittelkontrolle, Fleischbeschau und Vieh¬
handel. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen.
Beiträge zum Kälbersterben.
Ein neues Schutz- und Heilserum gegen die septische Pneumonie.
Von Tierarzt Felix Kaioer-Seehausen (Altm.)
Die enormen Schäden, die unsere Landwirtschaft durch das
massenhafte Hinsterben jüngerer und älterer Kälber nicht nur
in beschränkten Gebieten, sondern im ganzen Reiche tagtäglich
erfährt, haben von jeher mein Interesse erregt und mich seit
Jahren schon veranlaßt, durch Experimente mannigfachster Art,
diesen früher allgemein Kälbersterben genannten Krankheiten
wirksam entgegenzutreten zu versuchen. Seit fünfzehn Jahren
wohne ich in einem intensiven Zuchtgebiet, stehe mit vielen
Züchtern in andauernder Fühlung und pflege mit letzteren bei
scharfer Beobachtung einen regen Meinungsaustausch. Zwei
Krankheiten sind es hauptsächlich, die den jungen Nachwuchs
gefährden, einmal die Ruhr und dann die septische Pneumonie
der Kälber.
Die Ruhr (ätiologisches Moment: Kolibakterien) befällt die
jungen Kälber in der Regel in den ersten Lebensstunden bzw.
Tagen, ist eine Stallseuche und hat ansteckenden Charakter.
Im Stalle geborene und hier anfwachsende Kälber erkranken
viel häufiger an Ruhr als im Freien geborene und im Freien
aufwachsende Tiere. Kälber, die an der Mutter saugen,
erkranken seltener als sogenannte gewässerte Tiere, auch wenn
die genossene Milch vorher pasteurisiert war.
Die gewöhnlichste Eintrittspforte für die Kolibakterien ist
meiner Erfahrung nach der Digestionsschlanch.
Der Infektion durch den Nabel und der deshalb geforderten
Nabelpflege der jungen eben geborenen Tiere wird eine über¬
große Bedeutung beigemessen.
Die wichtigsten Faktoren für die wirksame Bekämpfung
der Kälberruhr sind: Licht, Luft, freie Bewegung und rohe
Kolostralmilch.
In der Mehrzahl der Fälle komme ich mit diesen biologischen
Forderungen aus. Hunderte und Aberhnnderte von Fällen habe
| ich lediglich nach dieser Methode wirksam bekämpft, und zwar
' verfahre ich dabei folgendermaßen: Die hochtragenden Kühe
lasse ich einige Tage oder Wochen vor dem Kalben aus dem
infizierten Stalle entfernen. Wo eine Koppel zur Verfügung
steht, lasse ich die Muttertiere ins Freie bringen, auch im Winter.
Sogar höhere Kältegrade werden von den Neugeborenen gut
vertragen. Ein Schilf- oder Bretterschnppen oder ein dichtes
Gebüsch oder eine Hecke gewähren Muttertier wie Säugling
hinreichenden Schutz vor etwaigen starken Winden, Schnee-
und Regenschauern. Steht keine Koppel zu Gebote, so werden
die tragenden, kalben sollenden Kühe in eine leere Scheune
oder auf eine Scheunendiele gebracht und am besten frei umher¬
laufen gelassen.
Eine Nabelpflege der frisch geborenen Kälber wird nicht
eingeleitet.
Das Junge verbleibt mindestens 8 Tage bei der Mutter,
eventuell können zwei Kälber einer Mutter gegeben werden.
Eine etwaige intrauterine Infektion des Fötus mit Kolibazillen
wird von den in der Kolostralmilch befindlichen Antikörpern
in der Mehrzahl der Fälle wirksam bekämpft.
Steht weder eine Koppel noch eine Scheune zur Verfügung,
so ist unter allen Umständen zu fordern, den Kälbern Gelegen¬
heit zu geben, die Kolostralmilch der Mütter in rohem Zustande
zu genießen; am besten geschieht dies durch Säugenlassen an
der Mutter.
Die Kolostralmilch fördert infolge ihrer leicht abführenden
Wirkung den rechtzeitigen Abgang des Mekoninms, in dem die
Darmbakterien die günstigsten Lebensbedingnngen finden.
Tritt trotz dieser hygienischen Maßnahmen eine sichtbare
Erkrankung des Darmes (Ruhr) auf, so greife ich zu den
Darmadstringentien; die polyvalenten Sera haben mich infolge
ihrer inkonstanten Wirkung nicht befriedigt. Gleiche Erfahrungen
! haben auoh andere Kollegen gemacht.
022
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 51.
Von den vielen, die Kälberkranklieiten wirksam bekämpfen
sollenden älteren und neueren Mitteln ist wohl keines von mir
unversucht geblieben. Die Thüringer Pillen, jetzt Thürpil ge¬
nannt, deren Ruhr bekämpfende Eigenschaft der Fabrikant mit
schwungvoller Reklame täglich in landwirtschaftlichen und tier¬
ärztlichen Blättern anpreist, sind von mir seit langem als
wirkungslos beiseite getan. Ebenso erging es dem Vitnlosol
und vielen anderen Mitteln, wohin gegen andere Darmadstrin-
gentien mit gutem Erfolg verwertet wurden. Ein besonderes
Verdienst gebührt in dieser Beziehung dem Ben gen sehen
Salicyltannin-Albuminat, das mit Recht als exzellentes Mittel
gepriesen wird und als zurzeit bestes Antidiarrhöikum in
Tausenden von Dosen von mir zur Anwendung kommt. Die
septische Pneumonie befällt die Kälber in der Regel nicht in
den ersten Lebenstagen, sondern erst, nachdem sie einige Wochen
alt geworden sind, oft erst nach 4-8 Wochen; ich habe sie
auch schon bei halbjährigen Rindern beobachtet, ja sogar bei
erwachsenen Rindern Erscheinungen gesehen, die dem Bilde der
septischen Pneumonie der Kälber vollkommen analog waren.
Es gibt eine akute und eine chronische Form dieser Pneumonie.
Die akute Form verläuft innerhalb eines bis weniger Tage
tödlich oder geht in die chronische Form über, welche letztere
ein Siechtum von verschieden langer Dauer zur Folge hat und
schließlich letal endet.
Eine sorgfältig beobehtete biologische Haltung gibt auch
in diesem Falle mit eine vorzügliche Prophylaxe ab; jedenfalls
hat die Art der Haltung der Muttertiere wie des jungen Nach¬
wuchses auf den eventuellen Ausbruch und Verlauf der septischen
Pneumonie einen ganz gewaltigen Einfluß. Damit soll aber
andrerseits nicht gesagt sein, daß die Krankheit sicher durch
eine entsprechende Hygiene vermieden werden kann. Ich habe
z. B. sogar den Ausbruch der septischen Pneumonie auf der
Weide konstatieren können.
Während wir neue wirksame Arzneimittel zur Bekämpfung
der Kälberrnhr besitzen, habe ich bezüglich der septischen
Pneumonie der Kälber jede medikamentöse Behandlung als
zwecklos eingesehen und seit Entdeckung der verschiedenen
polyvalenten Sera diese in großen Mengen teils selbst verimpft,
teils nach von mir gegebener Anweisung von den Besitzern ver-
impfen lassen.
Zweifellos sind mit der Verimpfung dieser Sera Erfolge
erzielt worden; in meiner Gegend waren jedoch diese Erfolge
sehr ungleich und befriedigten mich nicht. Auf manchen
Gütern habe ich sogar nach voraufgegangener Einsendung von
Kadavern an die betreffenden Institute (um somit den eventuellen
Einwand der Polyvalenz auszuschließen) und dann folgender
umfangreichster Schutz- und Heilimpfungen das Ausbleiben jed¬
weder positiven Wirkung konstatieren müssen.
Auf Grund meiner vielfachen Beobachtungen und Erfahrungen
konstruierte ich mir eine neue Theorie zur Herstellung eines
Serums zur Bekämpfung der Kälberpneumonie; und Material bot
sich mir denn auch in Hülle und Fülle, um die zunächst noch
graue Theorie in der Praxis zu erproben.
In folgendem will ich eine Reihe von Versuchsergebnissen
mit teilen, die mit dem von mir neu hergestellten Serum erzielt
wurden und den Herren Kollegen anheimstellen, sich an der
Hand der einfach geschilderten Tatsachen ein Urteil zu bilden
und weitere Versuche mit meinem Serum vorzunehmen,
Wenn ich auch jetzt nur mit einer vorläufigen kurzen
Mitteilung eines Teiles meiner Versuche und Erfolge an die
Öffentlichkeit trete, so bemerke ich hiermit aber ausdrücklich:
1. Meine Versuche umfassen eine Zeit von 2 l j. 2 Jahren,
sind an einem immerhin umfangreichen Material vorgenommen
und daher als abgeschlossen zu betrachten.
2. Die betreffenden Bestände sind zum weitaus größten
Teile von mir untersucht, die Diagnose ist mithin einwandfrei
und durch zahlreiche Sektionen gesichert. Die Impfungen
dagegen sind zum Teil von mir selbst zum Teil selbständig von
den betreffenden Besitzern vorgenommen worden.
Die ersten Versuche nahm ich an 10 Kälbern vor, die ich
mir von Händlern aus den verschiedensten Stallungen kaufte uni
in meinen eigenen Stallungen unterbrachte. Eine Nabelbehandlung
hatte bei diesen Tieren vorher nicht stattgefunden.
Diese Versuchstiere wurden der Muttermilch so frühzeitig
entwöhnt und künstlich von mir mit durch Diastasolin ver¬
zuckerter Stärke und Magermilch ernährt, mit virulentem
Material infiziert und mit Serum geheilt.
Trotz mehrfacher Blutentnahmen gediehen die Tiere gut.
Ein Kalb bekam infolge der künstlichen Ernährung Tympanitis
"und verendete daran, da ich nicht rechtzeitig zur Behandlung
zugegen sein konnte. Bei der Sektion dieses verendeten Tieres,
sowie der später geschlachteten Kälber konnten in der Lunge
keine pathologisch - anatomischen Erscheinungen festgestellt
werden. Eine wissenschaftliche Arbeit über diese am eigenen
lebenden Material ausgeführten Versuche behalte ich mir für
später vor.
Der Rittergutsbesitzer Voigt-Herzfelde importierte im
Spätsommer 11106 80 Milchkälber aus Ostfriesland. In der
Herde brach die septische Pneumonie unter den bekannten Er¬
scheinungen aus. Die Diagnose wurde durch die Sektion einiger
Tiere gesichert. Nachdem zirka sechs von den Tieren verendet
waren, wurden die überlebenden mit Ausnahme zweier Tiere
mit meinem Serum geimpft. Weil ich zurzeit nicht genügend
Serum vorrätig hatte, mußten die einzelnen Dosen, namentlich
die Heildosen, etwas knapp bemessen werden. Die beiden
nicht geimpften Tiere hatten derartige Veränderungen in den
Lungen, daß eine Heilung von vornherein ausgeschlossen
werden mußte. Die beiden Tiere wurden geschlachtet.
Nach der Impfung ließ der Husten der tagtäglich trotz
rauhen Wetters weidenden Kälber mehr und mehr nach, und
das Allgemeinbefinden besserte sich zusehends.
Auf Antrag der Perleberger Vieh-Versicherungs-Gesellschaft,
bei der der Viehbestand versichert war, wurde 14 Tage später
eine nochmalige Impfung vorgenommen. Die geimpften Kälber
überstanden sämtlich die septische Pneumonie resp. blieben
davon verschont.
Herr Gutsbesitzer Schmidt-Groß-Holzhausen besaß ca.
15 Kälber verschiedenen Alters. Zwei Kälber waren hinter¬
einander an septischer Pneumonie verendet.
Bei der von mir vorgenommenen Untersuchung des Bestandes
fand ich noch zwei Tiere hochgradig erkrankt vor; die übrigen
schienen gesund zu sein. Dem Besitzer wurde geraten,* die
beiden sehr schwer erkrankten Tiere nicht mehr impfen zu lassen,
da der Erfolg ungewiß sei, und die Impfung zu teuer werden
würde (es hätte eine mindestens vierfache Heildosis verimpft
werden müssen). Der Besitzer bestand jedoch auf der Impfung.
Einmal wären die Tiere erst einen Tag krank und zweitens
17. Dezember 1908.
wolle er den Wert des Serums hieran kennen lernen. Darauf
wurden alle Tiere mit verschiedenen Mengen Serum geimpft, die
noch gesunden mit 5 und 10 ccm, die bereits erkrankten mit
20 bis 40 ccm. Am nächsten Tage fand ich die beiden kranken
Kälber ganz wesentlich gebessert, der Husten hatte merklich
nachgelassen, die Tiere standen mehr, atmeten ruhiger und
bekundeten regeren Appetit.
Durch diesen ganz frappanten Impferfolg ermutigt, wurden
jedem der beiden erwähnten kranken Kälber nochmals 10 ccm
Serum eingespritzt. Am folgenden Tage sprangen die beiden
Kälber bereits im Stalle umher und blieben sowie die übrigen
ebenfalls geimpften Tiere andauernd gesund.
Das in diesem Bestände verimpfte Serum stammte seinem
bakteriellen Ursprünge nach vom Rittergut Schönberg.
Auch auf dieses Gut wurde ich zur Behandlung der an
septischer Pneumonie leidenden Kälber gerufen. Nach dem Vor¬
bericht war ein Kalb nach dem andern erkrankt und verendet
bzw. notgeschlachtet worden.
Zwei Kälber impfte ich mit Heildosen, ein drittes sehr
schwer erkranktes wurde zwecks Blutentnahme von mir ge¬
schlachtet. Nach mehreren Wochen wurden in Schönberg
wieder 10 Kälber geboren und' diese Kälber mit von der
Schmidt sehen Wirtschaft aus Groß-Holzhausen stammenden
Serum schutzgeimpft. Resultat: Die Impflinge erkrankten nicht.
Das Schönberger und Groß-Holzhauser Serum gelangte des
ferneren bei verschiedenen kleineren Besitzern in Groß-Holz-
hausen und in dem benachbarten Dorfe Kruden als Heilimpfung
mit durchweg günstigem Ergebnis zur Verwendung.
Diese Impfungen wurden nicht von mir selbst aus-
gefuhrt, sondern von einem ebenfalls in Groß - Holzhausen
ansässigen größeren Besitzer, namens Öttken, einem Herrn
mit großem praktischem Blick, in dessen Bestand vorher
gleichfalls die Septikämie herrschte, vorgenommen. Der be¬
treffende Herr ist im Besitze einer Serumspritze und beherrscht
nach meiner Unterweisung die Impftechnik. Die kleinen Besitzer
hatten sich gewöhnt, zunächst die Diagnose und den Rat dieses
Herrn zu hören, der denn in der Weise erteilt wurde, daß den
betreffenden Nachbarn die zur Impfung benötigte Quantität
Serum genannt wurde, die diese dann von mir telephonisch
erforderten. Aus Billigkeitsrücksichten den kleineren Besitzern
gegenüber geschah diese Art der Impfung mit meinem aus¬
drücklichen Einverständnis.
Alle diese von Herrn Öttken mit meinem Serum des
öfteren mit einfacher Dosis heilgeimpften Kälber haben sich
nach Aussage der Besitzer schnell zusehends gebessert und
sind sämtlich genesen.
Interessant und bemerkenswert ist folgender Fall: Ein
Herr Nitzow aus Groß-Garz erbat meinen Rat wegen des Hin¬
sterbens aller seiner Kälber (Diagnose: Septische Pneumonie).
Die neugeborenen Kälber werden vom Besitzer mit meinem
Serum geimpft. Erfolg bei allen positiv. — Ein halbes Jahr
vergeht, ohne daß wieder Kälber geboren werden. Aus Spar¬
samkeitsrücksichten wird von nun an die Impfung wieder
unterlassen. Der Besitzer rechnete auch mit der Möglichkeit
des nach so langer Zeit ev. spontanen Erloschenseins der
Seuche. — Sofort geht das zuerst wieder geborene Kalb an
septischer Pneumonie ein. Bei den nun folgenden Geburten
wird die Schutzimpfung wieder vorgenommen. — Erfolg positiv.
Auf dem Rittergute Pallitz werden jährlich ca. 100 Kälber
923
geboren. Trotz sorgfältigster Pflege und peinlichster Aufsicht
haben die Kälberkrankheiten ihren Einzug in den Stall gehalten,
Ruhr so wohl wie auch Pneumonie.
Die zuerst bezogenen fremden Sera waren in ihrer Wirkung
inkonstant besonders bezüglich der Ruhr, so daß das Impfen
gegen die Ruhr alsbald gänzlich unterlassen wurde. Aber auch
die Impfung gegen die Pneumonie beschloß der Besitzer ein¬
zustellen, weil die Schutz- resp. Heilerfolge zu den Mißerfolgen
in keinem günstigen Verhältnis standen und eine Rentabilitäts¬
berechnung in Frage stellten.
Die Kalamität auf diesem Gute bestimmte mich vornehmlich
dazu, auf dem Gebiete der Serumbereitung und Serotherapie
eigene Forschungen und Versuche anzustellen.
Seit Einführung der Impfungen mit meinem Serum wird
*auf dem genannten Gute in jeder Beziehung ein befriedigender
Erfolg erzielt. Die Todesfälle, die jetzt noch eintreten (es
handelt sich jährlich um einen ganz geringen Prozentsatz),
sind purulenter und aktinomykotischer Natur; ganz selten
wurde auch eine Enteritis beobachtet.
Ganz analoge Impfresultate könnte ich ferner vom Ritter¬
gute Eickerhöfe bei Wittenberge berichten. Hier hörte das
Kälbersterben sofort nach Einführung der Impfung mit meinem
Serum auf, nachdem vorher in fortlaufender Aufeinanderfolge
ein Kalb nach dem andern an septischer Pneumonie verendet war.
Beim Amtsvorsteher Koch in Geest-Gottberg lagen die
Verhältnisse ganz gleich, ferner auf dem Rittergute Nienfelde
bei Seehausen, auf welch letzterem ich die Pneumonie in einem
Bestände von 20 Kälbern feststellte. Sichtbare hochgradige
Krankeitssymptome zeigten zwei Kälber. Eins wurde wegen
voraussichtlicher Unheilbarkeit sofort geschlachtet. Kalb 2 er¬
hielt 40 ccm Serum, die übrigen je 20 ccm. Alle Kälber genasen.
Nach einigen Wochen wurden einige der Tiere nochmals vom
Besitzer mit 10 ccm nachgeimpft.
Auf dem Rittergute Voßhof lierrschte in einem Bestände
von 15 Kälbern hochgradige akute Pneumonie. Das am schwersten
erkrankte Tier wird zu töten geraten. Der Besitzer verlangte
jedoch die Impfung. Das Tier repräsentierte nach seiner
Schätzung mindestens einen Wert von 50 M., und da kämen
nach seinen Worten die 7 M. für Serum nicht in Betracht,
wenn der Patient geheilt werden könne. Auf nochmaligen Vor¬
behalt meinerseits wurde das Kalb mit 45 ccm Serum geimpft.
Der Patient genas ohne Kräfteverfall und Gewichtsabnahme.
Irrtümlicherweise wurde das Tier ca. 21 Tage später anstatt
eines anderen geschlachtet. Bei der Fleischbeschau fanden sich
nur noch ganz kleine in Schrumpfung begriffene hepatisierte
lokale Herde als Residuen der glücklich überstandenen akuten
septischen Pneumonie vor. Die übrigen verschieden alten Tiere
erwarben die Immunität.
Herr Gutsbesitzer Müller-Schallubn, bittet mich, nachdem
er von der Möglichkeit Kälber zu immunisieren gehört, ca.
12 Kälber gegen das Sterben zu impfen. Ein Patient wird als
hoffnungslos erkrankt bezeichnet, jedoch auf ausdrücklichen
Wunsch mit größerer Heildosis geimpft. Geringere Heildosen
erhalten die andern Kälber. Alle Tiere gesunden.
Bei den folgenden Geburten wurde die Impfung aus mir
nicht bekannten Gründen unterlassen. Jetzt, nach Monaten,
bittet mich der Besitzer, die Impfung an sechs wieder geborenen
Tieren vorzunehmen mit folgenden Worten: „Merkwürdig, sowie
ich ein Kalb zu impfen unterlasse, krepiert es, lasse ich die
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
924
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. i)l.
Tiere impfen, erkranken sie nicht“. Bei diesem letzten Impf¬
besuch wurde mir voller Freude das erstmals als hoffnungslos
krank bezeichnete Tier robust und in brillanter Kondition be¬
findlich gezeigt.
Nach dem Gute Schindelhöfe wurde ich zur Behandlung*
eines wertvollen auf Mast gestellten sog. Doppellenders gerufen.
Diagnose: Septische Pneumonie. Therapie: 40 ccm Serum.
Restitutio ad integrum. Die Mast konnte fortgesetzt werden.
Beim Gutsbesitzer Tbaden in Rethhausen impfte ich zehn
ca. V 2 Jahre alte an septischer Pneumonie leidende Kälber.
Alle Tiere genasen.
Vom Gutsbesitzer Zimmermann in Ferchlipp wurde in
diesem Jahre wieder Serum, hinreichend zur Immunisierung von
20 Kälbern angefordert, weil sich die Impfung im Vorjahr
günstig bewährt hatte.
Auf dem Rittergut des weitesten Kreisen bekannten Züchters
und Vorsitzenden der Gesellschaft für Züchtungskunde, Herrn
Ökonomierat Felix HoeBch in Neukirchen, werden alljährlich
ca. 100 Kälber aufgezogen. Auch hier hatte die septische
Pneumonie ihren Einzug gehalten und zahlreiche Opfer gefordert.
Nach Bekanntgabe des Herrn Ökonomierats als Vorsitzenden
im hiesigen landwirtschaftlichen Verein hätten die vielen, von
den verschiedensten Seruminstituten bezogenen und zahlreich
verimpften Sera keinen Erfolg gehabt, wohingegen nach der
Verimpfung meines Serums kein einziger Todesfall mehr zu
verzeichnen gewesen wäre.
Ich möchte meinen Bericht nicht schließen ohne vorher
noch des Impferfolges auf dem Gräflich Bernstorffschen
Rittergute Quarnstedt im Kreise Lüchow Erwähnung getan
zu haben.
Wenn mir recht berichtet ist, wurde der Kälberbestand
bislang mit anderen Seris behandelt.
Zur genaueren Skizzierung des von mir gar nicht erwarteten
Erfolges lasse ich diesbezügliche Stellen aus den an mich ge¬
richteten Briefen des Administrators des Gutes in Abschrift folgen:
22. April 1908. Wie mir Herr Schmidt, Pollitz, vor
einigen Tagen mitteilte, verfertigen Sie Serum gegen die Pneu¬
monie der Kälber. Da ich nun hiermit auch einen Versuch bei
unseren Kälbern machen wollte, möchte ich freundlichst um
Übersendung eines Quantums Serum zum Impfen von ca. zehn
Kälbern bitten.
2. Mai 1908. Bestätige hiermit den Empfang Ihrer Sendung.
Ich habe die Impfung der Kälber nach Ihrer Vorschrift aus¬
geführt und ist auch scheinbar schon eine bedeutende Besserung
eingetreten. Bei einigen Kälbern war die Krankheit jedoch
schon sehr weit vorgeschritten, so daß diese wohl kaum wieder
durchkommen. Sollte das Serum sich nun bis zum nächsten
Winter aufbewahren lassen, so würde ich, Ihrem Wunsche gemäß,
Ihnen gern ein erkranktes Tier zusenden, und wollen Sie mir
hierüber Nachricht zukommen lassen.
15. Mai 1908. Übersende Ihnen heute ein größeres krankes
Kalb, welches dem Anscheine nach auch an septischer Pneumonie
leidet. Die übrigen Kälber haben sich recht gut gebessert und
glaube ich, daß diese alle wieder durchkommen. Es waren
einige hiervon damals so krank, daß ich diese schon aufgegeben
hatte und das Impfen ganz unterlassen wollte. Nachdem ich
diese jedoch zweimal geimpft hatte, haben sich die Kälber zu
meiner größten Freude ausgezeichnet gebessert. Einige der
Tiere möchte ich jedoch noch mal impfen und bitte Sie daher
freundlichst, dem Knecht noch zirka 100 ccm Serum mitgeben
zu wollen. Kälber ziehen wir hier pro Jahr zirka 70 Stück
auf. Die Krankheit zeigte sich hier hauptsächlich auch bei
älteren Kälbern; diese waren die ersten 10—12 Wochen nach
der Geburt gesund und munter und wurden dann von der
Krankheit befallen. Das Ihnen heute per Wagen übersandte
Tier ist wohl annähernd l j. 2 Jahr alt.
28. Mai 1908. Den Empfang Ihrer Serumsendung bestätige
ich hiermit dankend. Ich habe die Kiste Ihrer Vorschrift
gemäß an einem kühlen aber trockenen Orte zur Aufbewahrung
hingestellt.
Ich hatte hier vor einiger Zeit drei Stück 6—8 Wochen
alte, sehr kranke Kälber, welche ich bereits aufgegeben hatte
und deshalb an den Schlächter verkaufen wollte. Da ich aber
von diesem ein sehr niedriges Angebot bekam, verkaufte ich
nicht, sondern machte mit dem Serum auch noch bei diesen
einen Versuch. Ich habe diese Kälber jetzt in kurzen Ab¬
ständen dreimal geimpft und kann Ihnen zu meiner großen
Freude heute mitteilen, daß die betreffenden Tiere sich aus¬
gezeichnet gebessert haben.
So könnte ich noch von vielen ähnlichen Erfolgen be¬
richten. Aus diesen mannigfachen Versuchen geht aber schon
zur Genüge hervor, 1 daß mein Serum die akute wie chronische
Form der septischen Pneumonie der Kälber in ganz hervor¬
ragender Weise erfolgreich bekämpft hat. Sogar Fälle, die
vom Besitzer wie auch von mir als hoffnungslos angesprochen
wurden, sind in überraschendster, geradezu frappierender Weise
in kürzester Zeit geheilt worden.
Die günstige Wirkung des Serums wurde bei allen an¬
geführten Beständen beobachtet, manchmal sogar schon am
Tage nach der Impfung.
Die verimpften Dosen schwankten, es wurden Mengen von
5 bis 40 ccm Serum verimpft. Die kleinen Dosen erwiesen
sich in derselben Weise wirksam wie die großen; auch nach
den kleineren Dosen wurde sofort ein Nachlassen des Husten¬
reizes und eine Besserung des Allgemeinbefindens beobachtet.
In einigen besonders schweren Fällen ist die Wiederholung
der Impfung notwendig geworden, im allgemeinen wurde aber
nach der Verimpfung einer Schutz- resp. Heilimpfung die
Ifnmunität oder Restitutio ad integrum erworben.
Reaktionserscheinungen sind nach der Impfung nicht beob¬
achtet worden, im Gegenteil, die Impfung wurde in allen
Fällen gut ertragen. 1
Manchmal kam es mir vor, als beeinflusse das Serum auch
den Verlauf der Ruhr günstig.
Die Schutzdosis beträgt für eben geborene Tiere 5 bis
10 ccm, die Heildosis muß individuell höher bemessen werden.
I Außer in meiner eigenen Praxis will ich das Serum nur an
Kollegen abgeben, und habe ich den Preis für diesen Fall auf
1 M. pro 10 ccm festgesetzt.
Bei ersten Bestellungen von Serum bitte ich gleichzeitig
eine größere Menge nicht defibrinierten ungeschlagenen lebenden
Blutes eines am besten schon längere Zeit an septischer Pneu¬
monie erkrankten Kalbes oder lieber noch ein lebendes krankes
Kalb an mich einsehden zu wollen. Bei späteren Bestellungen
kann die Sendung von Blut unterbleiben.
Es wird von den zu impfenden Beständen am besten ein
älteres Kalb geschlachtet und das ganze Blut unter Beobachtung
antiseptischer Kautelen in einem oder mehreren durch Kochen
usw. vorher steril gemachten Werkschen oder ähnlichen ver¬
schließbaren Gefäßen aufgefangen.
Ich empfehle folgende Methode: Der Hals des zu tötenden
Kalbes wird geschoren und mit antiseptischen Lösungen ge¬
waschen, hinterher abgetrocknet. Darauf wird der Ösophagus
frei präpariert und in der Mitte des Halses thorakalwärts wie
pharyngealwärts unterbunden, um das peristaltische resp. anti¬
peristaltische Kontraktionen bedingte spätere Ausfließen von
Maul- oder Mageninhalt zu verhindern.
17. Dezember 1008.
Dann wird der Ösophagus zwischen den beiden Ligaturen
zugleich mit den Jugularen und den Carotiden durchschnitten,
das dann ergiebig strömende Blut schnell aufgefangen und so
wie es ist, in den schnell verschlossenen Gefäßen versandt.
In der wärmeren Jahreszeit setzt man dem Blute etwas
KonBervierungsflüssigkeit bei notwendig werdenden eventuell
weiteren Transporten nach folgendem Rezept hinzu: Glycerin
20,—, acid. carbol 5,5, aqu. dest. 74,5.
Das geforderte Serum kann in größeren Mengen erst nach
10 Tagen, in kleineren Quant eventuell von meinem Vorrat
umgehend geliefert werden.
Ein Beitrag zur Impfung gegen den Rauschbrand
nach 0. Thomas.
Von L. P. Nissen, Tierarzt in Bredstedt.
Die Thomas sehe Rauschbrandimpfmethode besteht darin,
unter die Haut eines Rindes am untern Drittel des Schwanzes
mit einer besonderen Nadel ein mit Impfstoff getränktes Stück
Schnur zu bringen, an welcher Stelle dieselbe, ohne daß sie
herausgezogen werden kann, während vieler Monate verbleibt,
wodurch das Rind seine Immunität dauernd bewahrt und gegen
jede natürliche Ansteckung gegen Rauschbrand geschützt bleibt.
Die Dosis des Impfstoffes ist immer bereit und bedarf weiter
keiner Herstellung, die Impfung selbst geht schnell und leicht
von statten. Der Impfstopf und seine Nadel lassen sich bequem
in der Westentasche mitführen.
Nach dieser Thomas sehen Methode impfte ich im letzten
Frühjahr den jungen Rinderbestand eines Hofbesitzers, der in
jedem Jahre den Verlust vieler Jungrinder durch Rausehbrand¬
infektion zu beklagen hatte. Angeblich infizierten sich die
Tiere auf einem Weidestück, auf dem vor ca. 20 Jahren mehrere
an Rauschbrand gefallene Tiere verscharrt sein sollten. Die
von mir nach obigem Verfahren geimpften Rinder ließ ich nun
späterhin absichtlich diesen Teil der Weide abgrasen. Ein
Rauschbrandfall ist nicht mehr aufgetreten. Der Bestand wird
auf Grund des durchschlagenden Erfolges in jedem Frühjahr
der Thomas sehen Schutzimpfung unterzogen werden.
Diese einfache, bequeme Impfmethode verdient infolge ihrer
zuverlässigen Wirkung höchste Beachtung. Den General-Ver¬
trieb für ganz Deutschland hat das bekannte Pharmazeut. Institut
Ludwig Wilhelm Gans in Frankfurt a. Main.
Zum „eigenartigen Fall von Erkrankung des
Bewegungszentrums (?)“.
Von k. k. Bezirkstierarzt Josef PekapBoskowitz.
Der oben bezeichnete, in Nr. 41 der B. T. W. von Tier¬
arzt Wolfstein-Bochum veröffentlichte Artikel erinnert mich
an einen ähnlichen Fall von Lahmheit nach Lumbago bei
einem zweijährigen belgischen Stutfohlen. Bei der Untersuchung
desselben gab der Eigentümer an, daß dieses Fohlen vor etwa
drei Monaten einen leichten Kolikanfall hatte, der jedoch nach
Ausstrahlung schwarzen Harnes und einer vorübergehenden
Schwäche in der Nachhand bald in Genesung überging. Nach
kurzer Zeit hatte man bei diesem Pferde einen eigentümlichen
und unsicheren Gang der Vorderfüsse, mit zeitweiligem Hoch¬
heben des Vorderkörpers beobachtet, welcher im Verlaufe weiterer
zwei Monate mit dem Unvermögen des Vorwärtsgehens einsetzte.
925
Da dieser Zustand bei gutem Appetit immer schlechter wurde,
hat die Versicherung das Pferd keulen lassen. Bei der Sektion
fand ich die Marksubstanz der Röhrenknochen flüssig, mit zahl¬
reichen blutigen Infiltrationen durchsetzt. Das Rückenmark
war an der Lendenpartie mit gelblichen Flecken gezeichnet,
die als Reste aufgesaugter blutiger Infiltrate anzusehen sind.
Es dürfte auch in dem obbezeichneten Falle sich um die Folgen
einer vom Eigentümer nicht bemerkten, leichtgradigen Er¬
krankung von Lumbago handeln, was durch eine genaue Sektion
hätte ermittelt werden können. In einem zweiten Falle von
Lumbago habe ich auch wiederum bei einem zweijährigen Fohlen
eine totale Lähmung des Sehzentrum (Erblindung) zu beob¬
achten Gelegenheit gehabt.
Bei dieser Gelegenheit will ich nicht unerwähnt lassen,
daß bei Pferden mit schwarzer Harnwinde in manchen Fällen
die eine oder die andere Vene thrombosiert ist, so daß beim
Aderlaß überhaupt kein Blut herausfließt. Diese Thrombose ist
also nicht immer die Folge einer intravenösen Injektion.
Referate.
Über die Osteo-Arthriten.
Von Prof. Cadeäc.
(Journal de Lyon 29. Februar 1908.)
Die unter den Namen trockene, deformierende, ankylosierende
Arthriten bekannten Osteo-Arthriten sind chronische Osteiten,
welche durch die Oberfläche der Gelenke und mit Vorliebe der¬
jenigen, welche am meisten unter der Ermüdung zu leiden
haben, hindurchzudringen suchen, um eine zentrale (wahre) oder
eine periphere (falsche) Ankylose zu bewerkstelligen. Sie sind
infektiöser Natur und durch Ecchymosen im Knochen und Ulze-
rationen am Knorpel gekennzeichnet. Sie treten in verschiedenen
Graden auf, einmal bestehen die ganzen Läsionen in einer oder
mehreren Ulzerationsstellen auf der Gelenkoberfläche, ein ander
Mal ulzeriert nicht nur diese, sondern auch die an sie anschlie¬
ßenden Knochenendteile und der Prozeß geht sogar auf die
periartikulären Gewebe über. Klinisch zeigen sie sich durch
einen mehr oder weniger heftigen Schmerz im Gelenk und durch
eine wenig ausgeprägte Schwellung an, welche die Entzündungs¬
erscheinungen auf die Knorpel und Knochen abzugrenzen scheint,
die Osteo-Arthriten treten häufig symmetrisch und polyartikulär
auf, können aber auch monoartikulär sein und bei generalisierter
Osteitis sogar alle Gelenke befallen.
Ätiologie: Die trockene Arthritis scheint sich den
chronischen Formen des infektiösen Pseudo-Rheumatismus anzu¬
schließen, welche sowohl die Knochen als die Gelenke beschädigen.
Da die Osteitis den Ausgangspunkt und das Grundübel dieser
Arthritis darstellt, so steht ihr der Name Osteo-Arthritis am
besten zu. Die entwickeltsten und bei der Fortbewegung oder
bei der Unterstützung des Tieres die Hauptrolle spielenden Ge¬
lenke werden am meisten von ihr befallen. Es sind dies das
Sprunggelenk, das Karpalgelenk, das Fessel-, Krön- und Huf¬
gelenk. Dies hat seinen Grund noch darin, daß diese Scharnier¬
gelenke keine ausgiebige Bewegung zulassen und die Gelenk¬
oberflächen dicht aneinanderliegen, wodurch es bei der Be¬
schädigung der letzteren sehr leicht zu ihrer Verschmelzung
kommt.
Die innere Ursache der trockenen Arthritis liegt in einer
schleichenden, latenten oder chronischen Entzündung des
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
926
Knochengewebe8, in welches sich früher einmal Infektionskeime
eingenistet haben, denn nur die Infektion kann ihr hartnäckiges
Fortbestehen, ihre progressive Entwicklung, ihr immerwährendes
Wiederaufleben und ihre regellosen Vorstöße erklären, welche
das Gelenk schließlich zur Ankylose bringen, die nichts anderes
als die Überbleibsel einer erloschenen Infektion darstellt. Ohne
infektiöse Ursache ist das Auftreten einer Osteitis undenkbar.
Die Ermüdung der Knochen und die Überanstrengung des
Lokomotionsapparates wirken wohl als prädisponierende Momente,
dadurch daß sie den im Körper herumirrenden Infektionskeimen
in den geschwächten Organen, wie es die Knochen und Gelenke
durch die Überarbeitung geworden sind, die Gelegenheit dar¬
bieten, sich zu lokalisieren. Es steht in der Tat fest, daß der
tätigste und der physiologisch wie pathologisch Läsionen am
meisten ausgesetzte Knochen am ehesten von ihnen befallen
wird. So wird der im Wachstum begriffene Knochen mit Vor¬
liebe von den Infektionskeimen aufgesucht, denn die Zonen des
physiologischen Wachstums geben einen guten Boden für patho¬
logische Prozesse ab. Daraus resultiert, daß die Lokalisierung
dieser Keime in den Knochen um so leichter stattfindet, je jünger
das Tier ist und desto früher es nach Überstehung einer an¬
steckenden Krankheit, wie z. B. der Druse, zur Arbeit an¬
gehalten wird; man sieht daher oft Lahmgehen, ohne bestimmten
Sitz, an mehreren Füßen, bei solchen Tieren auftreten, welche
kurz vorher infektiös erkrankt waren. Diese Lokomotions¬
störungen schließen sich in manchen Fällen direkt an die
primäre Krankheit an, in anderen sind sie durch einen längeren
Zeitraum des besten Wohlergehens von ihr getrennt, mitunter
treten sie, ohne völlig auszusetzen, einmal schwächer einmal
stärker auf.
Pathogenität: Um die Pathogenität der Osteo-Arthritis
der Pferde erklären zu können, hat man der Menschenmedizin
die von ihr darüber aufgestellten Hypothesen entlehnt. Dort
wird die Entstehung der trockenen Arthritis l. dem Rheumatis¬
mus, 2. der physiologischen Unterernährung, 3. der Gefäßsklerose,
4. der Veränderung des Nervensystems und 5. der Infektion
zugeschrieben. Da es aber feststeht, daß sie das Werk der
verschiedensten pathogenen Einflüsse sein kann, und eine und
dieselbe Ursache je nach ihrer Qualität und Intensität an dem
Ort ihrer Einwirkung verschiedenartige Gelenkläsionen hervor-
rufen kann, so wäre es vermessen, ihre Pathogenität in eine
unveränderliche Formel einzuschließen.
Die Auffassung, daß die trockene Arthritis ihre Entstehung
der gemeinsamen Einwirkung zweier pathogener Einflüsse näm¬
lich der mangelhaften Ernährung und der Gefäßsklerose ver¬
danken, hat Pecus aus der Menschenmedizin in die Veterinär¬
medizin übergeführt. In seiner Arbeit über diesen Punkt sagt
er, daß die Podotrochleitis, die nichts anderes als eine trockene
Arthritis des Hufgelenkes ist, mit arteriosklerotischen und haupt¬
sächlich mit phlebosklerotischen Läsionen einhergehen, so daß
die erstere die Folge der letzteren sein müsse. Diese Theorie
wäre begreiflich, wenn die Osteo-Arthriten anderer Gelenke, z. B.
des Sprung- oder des Karpalgelenks, von den gleichen Gefä߬
alterationen begleitet wären. Auch steht es für den Verfasser
noch nicht ganz fest, daß die Podotrochleitis regelmäßig eine
trockene Arthritis sein müsse, weil bei ihr in den meisten Fällen
die osteophysische Wucherung welche eine Begleiterscheinung
der trockenen Arthritis in den meisten anderen Gelenken ist,
gewöhnlich fehlt. Da die Phlebiten der Extremitäten ihrerseits
No. 51.
häufig traumatischen (Schläge, Wunden usw.) oder infektiösen
Ursprungs (Mauke, Furunkel, Abszesse usw.) sind, so ist die
Gefäßveränderung vermutlich selbst auf eine Infektion zurück¬
zuführen.
Beim Pferd veranlaßt die Druse, welche als die Krankheit
der sekundären Lokalisationen gilt, die meisten schleichenden
Infektionen des Knochengewebes. Sie ist auch die Erzeugerin
von Arteriten, Phlebiten, Nervenläsionen, Synoviten, Arthriten,
trockenen Pleuriten und Endokarditen. Bei jungen Pferden
sieht man die trockene Arthritis des Huf- (Podotrochleitis), des
Sprung- (Spat) und des Karpalgelenks sehr häufig schon im
Anfang der Ausbildung und des Trainings auftreten, ohne daß
sie zu sehr angestrengt worden wären, und dies wohl nur
infolge der Infektion. Bei jungen Tieren sind die Knochen
wegen ihres Wachstums und ihrer spät eintretenden Ossifikation
sehr empfänglich und infolgedessen den bakteriellen Lokali¬
sationen der Druse und ihrer toxischen Einwirkung am meisten
ausgesetzt. Da die Druse sowohl eine Krankheit des Blutes
als auch des Lymphapparates ist, so sucht sie auch das das Blut
und die Lymphe bereitende jugendliche Knochenmark am ehesten
heim. Dabei lokalisiert sich die Infektion zuerst im Knochen¬
mark der Markhöhle, von -da in dem in den Knochenkanälchen
sich befindlichen und schließlich in dem subperiostalen Mark,
da der ganze Knochen mit Mark durchsetzt ist, geht sie
schließlich auf das ganze Knochengewebe über. Sie erzeugt
darin zuerst eine infektiöse Osteomyelitis, die sich in einem
Schwinden des Knochengewebes dokumentiert, dann schreitet
sie gegen das Gelenk zu weiter, erreicht die unter dem Gelenk¬
knorpel gelegenen Gewebe, worin sie sich durch eine mehr
oder weniger intensive, meistens mit Ecchyomosierung verbundene
Kongestion bemerkbar macht, welche die Ulzeration des
Knorpels und den Einbruch der Entzündung in die Gelenk¬
höhle vorbereitet. Die Osteitis und die Chondritis sind die
beiden ersten Etappen auf dem Wege, den die Arthritis
befolgt, die primäre beim Pferde gewöhnlich von der Druse
herstammende Infektion wird während der Lebzeit des
Tieres durch Rezidiven dieser Krankheit, durch ihre ver¬
schiedenen Komplikationen, durch andere Bakterienarten, welche
sich zu den Drusecoccen hinzugesellen oder durch sekundäre
Infektionen, die sich in den schon durch ihre Erkrankung dafür
prädisponierten Knochenregionen festzusetzen suchen, immer auf¬
recht erhalten.
Anatomische Pathologie. Die Läsionen der trockenen
Arthritis erstrecken sich hauptsächlich auf die Knochen und
Knorpel, dann auf die Synovialis und die Bänder und sind fast
immer in mehreren und zwar symmetrisch liegenden Gelenken an¬
zutreffen.
1. Der Knochen. Die Infektion des Knochenmarks schleicht
sich gegen das Ende der Epiphysen hin und erweitert die
Hoversschen Kanälchen, die sich mit granulierendem Mark an-
füllen. Makroskopisch zeigt sich die primäre Osteitis durch
rötliche Ecchymosen oder hochrote Pedechien an, die unter dem
Knorpel oder in noch tieferen Schichten liegen und sich beim
durchgesägten Knochen sehr deutlich von der normalen gelblichen
Farbe abheben. Jeder ecchymotische Herd im Knochen ist ein
Entzündungsherd, der seinerseits wieder einen solchen im Gelenk
hervorbringt. Ist ein Entzündungsherd ins Gelenk gelangt, so
überträgt er sich auf den anderen das Gelenk mitbildenden
Knochen, sobald er auf diesen stößt und eine Zeitlang mit
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
17. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
927
ihm in Berührung bleibt. Die die primäre Knochenentzündung
kennzeichnenden Ecchymosen sind von der schwammigen Knochen¬
substanz ausgegangen und lassen vorerst die unter dem Knorpel
gelegenen Schichten noch frei, dies zeigt an, daß die schwammige
Knochensubstanz der Ausgangspunkt des ganzen Übels ist. Von
ihr gehen Gefäßwucherungen aus, die sicli durch die kompakte
Knochensubstanz hindurchziehen und unter dem Knorpel eine
rarefizierende Osteitis zutage fördern. Die abnorme Vaskularisation
der unter dem Knorpel gelegenen Knochenschicht bedingt eine
abnorme Ernährung des Knorpels, wodurch dieser in seinen
Embrionenzustand zurückkehrt, seinen Glanz und seine Glätte
verliert, sich abschürft und sich vollständig auflöst und so die
Ulzeration entstehen läßt. Diese Ulzerationen haben die Form
von Strichen, Furchen und Kluften, die sich nach allen Richtungen
hinziehen und das Knochengewebe immer mehr zum Schwinden
bringen. Sie beginnen im Zentrum des Gelenks, suchen aber
gewöhnlich die Peripherie des Knorpels zu erreichen, an dessen
Ränder sie sich fortentwickeln, um auf das andere Knochenende
überzugreifen; dabei zerstören sie die ganze Gelenkoberfläche
nach allen Richtungen hin. Durch die üppigen Gefäßwucherungen,
welche die Knochensubstanz zum Schwinden gebracht haben,
wird der Entzündungsherd mit Nährstoffen überschwemmt und
mit embrionalen Elementen, deren Wachstum durch die überaus
reichliche Ernährung gewährleistet ist, bereichert. Die Lakunen
der schwammigen Knochensubstanz füllen sich mit Zellen an,
die sich in parallelen Reihen anordnen und die Grundlage zu
den Gefäßwucherungen abgeben. Diese werden gegen die
Peripherie des Gelenkes bin, wo sie nur einen geringen Wider¬
stand finden, überaus üppig und lassen die Osteophyten ent¬
stehen, die einen Kranz um die Gelenksränder herum bilden.
Von da greifen diese Wucherungen auf die Ansatzstellen der
Bänder über, die Verknöcherung schreitet weiter, die Osteitis
wirkt verdichtender und die Ankylose des Gelenkes ist fertig.
2. Der Knorpel. Durch die progressive Usur verschwindet
im Zentrum der hyaline Überzug des Knorpels, während sich an
der Peripherie des Gelenks Ecchondrosen bilden, die sich ge¬
wöhnlich in kompakte oder spongiöse Osteophyten von ver¬
schiedenen Formen und Dimensionen umwandeln.
Histologisch betrachtet verläuft der Prozeß der trockenen
Arthritis mit einer Neubildung von Knorpelgewebe, die sich be¬
sonders stark in den fibrösen Partien des Gelenks vollzieht und
mit einer Entzündung des ursprünglichen Gelenkknorpels. Die
zentrale Partie des Gelenkknorpels, welche den stärksten Druck
auszuhalten hat, wird zerstört und resorbiert und die nun direkt
aufeinanderstoßenden Knochenenden bekommen eine elfenbein¬
artige Konsistenz und werden glatt oder gestreift.
Eine Ankylose kann sich ausbilden, ohne daß sie sich durch
eine äußere Deformation am Gelenk sichtbar macht. Die von
ihren Oberflächen entblößten, mit Gefäßwucherungen versehenen
Gelenkknochen vereinigen sich durch neu gebildete Knochen¬
masse, die das Aussehen des alten Knochens annimmt und die
Ankylose ist fertig. Diese Erscheinung tritt nur in den wenig
beweglichen Wechselgelenken auf, bei allen anderen über¬
schreitet die Knochenvegetation die Gelenksränder, erzeugt
eine Entwicklung von Osteophyten, deren Bildung in Form einer
deformierenden Arthritis in Erscheinung tritt. Diese den
Gelenksrand überschreitende Hyperplasie ist eine periphere
Entzündung, welche das ankylosierende Werk der Arthritis zu
Ende führt.
3. Die Bänder. Die Bänder sind verdickt und mit Knochen-
und Knorpelzellen infiltriert, die um das Gelenk herumliegenden
Sehnen und Muskeln sind verknöchert.
4. Die Synovialis. Die Synovialis bleibt oft unverändert,
gewöhnlich aber ist sie der Sitz einer chronischen Entzündung
und daher verdickt, sowie mit Vegetationen von hypertrophierten
Zotten, in deren Mitte sich Knorpel- und Knochenzellen, fibröses
und Fettgewebe vorfinden, besetzt, zu gleicher Zeit ist sie durch
eine seröse, weniger ölige Flüssigkeit, wie die normale Synovia,
erweitert. Die neuen Produkte sind bald gestielt, bald sitzen
sie fest, bald finden sie sich frei im Gelenk vor, wenn der
Stiel abgerissen ist.
Symptome. Die Osteo-Arthritis ist ein sehr heimtückisches
Leiden, das sich zuerst durch einen schwer zu lokalisierenden
Schmerz anzeigt. Man sagt, das Tier lahmt an einem nicht
herausgekommenen Spat, an einer in Bildung begriffenen Schale
oder es hat einen Anfang von Podotrochleitis oder Anzeichen
einer chronischen Hufrehe. Sie ist die Ursache von dreiviertel
aller Lahmheiten; dabei ist der Schmerz oft sehr gering, be¬
sonders dann, wenn der Prozeß sehr langsam vor sich geht oder
nur gelinde eingesetzt hat.
Ihr Auftreten ist durch lokale und funktionelle Störungen
gekennzeichnet, die Anzeichen der Entzündung sind oft wenig
ausgeprägt, der Schmerz ist dumpf, sitzt tief und ist bei der
Exploration .kaum feststellbar. Beim Herumtreten, beim Rück¬
wärtsgehen, beim Bergansteigen des Pferdes oder beim plötzlichen
Beugen der Gelenke wird er noch am besten wahrgenommen.
Er stellt sich mit der Entzündung ein, um das Tier bis zur
vollständigen Ankylose nicht zu verlassen. Die Entzündungs¬
wärme ist auch schwer festzustellen. Die Deformation der
Gelenke ist unregelmäßig und kann enorm werden. Die Funktions¬
störungen bestehen oft nur in einer geringen Beeinträchtigung
der Beweglichkeit des Gelenks, deren Grad mit der oft sicht¬
baren Größe der Läsion in keinem Verhältnis steht. Mit dem
Fortschreiten der Ankylosierung mindert sich der Schmerz und
hört auf, so bald jene vollständig zustande gekommen ist. Es
gibt keine Gelenksaffektion, welche so wenig die freie Beweg¬
lichkeit der Gelenke beeinträchtigt wie die Osteo-Arthritis, denn
in den meisten Fällen fällt nur eine gewisse Steifheit der Ge¬
lenke auf, ja die Ankylose kann sich sogar ohne jegliches Lahm¬
gehen des Pferdes ausbilden. Manche Pferde lahmen gleich von
Anfang der Krankheit an, andere gar nie.
Gang und Behandlung. Hat die Osteo-Arthritis einmal
ein Gelenk befallen, so verläßt sie es nie mehr. Sie kann darin
stationär bleiben oder langsam forts ehr eiten. Manchmal stellt
sich auch noch eine Hydrarthrose im Gelenk ein und zum Spat
können sich noch Gelenksgallen hinzugesellen.
Eine wirksame Behandlung der Osteo-Arthritis ist nicht
bekannt. Das Stehenlassen der Pferde und Druckverbände
wirken nur schädlich, auch die Ignipunktur ist von geringer
Wirkung. Helfer.
Pansenlähmung infolge reichlicher Aufnahme von Sand.
Von Oberveterinär Guhrauer.
(Zeitschrift für Veterinärkunde, 1908, S. 67.)
Eine etwa 7 jährige Kuh litt nach Aussage des Besitzers
seit 3 Tagen an verminderter Freßlust, lieferte weniger Milch,
kaute nicht wieder und war verstopft. — Der Pansen war am
Tage der Untersuchung in seinem oberen Drittel mit Gasen an¬
gefüllt, der übrige Inhalt war so fest, daß sicli schwer Ein-
928
drücke mit der Faust von außen machen ließen; hierbei zeigte
das Tier große Schmerzen. Der Pansen arbeitete nicht. Es
wurde Pansenlähmung festgestellt. Trotz der Behandlung mit
verschiedensten Mitteln (Tart. stibiat., Rhizom, veratr., Natr.
sulf., Aloe, Keratrin., Eserin) blieb die Lähmung bestehen. Auf
den Vorschlag der Operation (Pansenschnitt), welcher in der
Annahme des Vorhandenseins eines größeren Fremdkörpers
gemacht worden war, war der Besitzer nicht eingegangen. Die
Kuh wurde deshalb am 14. Krankheitstage geschlachtet. — Aus
dem Sektionsbefund sei folgendes wiedergegeben: Der Pansen
ist auffallend schwer, er ist angefüllt mit Gasen und zur
kleineren Hälfte mit festen, dunkelgrünen Inhaltsmassen. Die
tieferen Schichten erweisen sich als reiner Sand. Das Gewicht
des im Pansen befindlichen Sandes beträgt 23 Pfund. Die
Pansenwand ist im unteren Teil verdickt, die Schleimhaut ent¬
zündet. — Der Besitzer hatte vor einigen Wochen den Fu߬
boden vor den Krippen mit einigen Kasten voll Sand aus¬
gebessert. Richter.
Stenose des Ostium pulmonale bei einer Kuh.
(Veröffentl. a. d. Jahrcaveterinürberichten der beamt, Tierärzte Preußens f. d. Jahr
1905, II. Teil, S. 45. Berlin 1908.)
Kreistierarzt Francke in Mülheim fand bei einer Kuh Er¬
scheinungen, die zur Diagnose Pericarditis traumatica führten.
Bei der Sektion fanden sich jedoch neben Stauungstranssudaten
in Brust- und Bauchhöhle sowie im subkutanen Bindegewebe
folgende Veränderungen am Herzen: „Von den Klappen der
Art. pulmonalis ist nur noch eine als solche erkennbar, jedoch
stark verdickt und geschrumpft. An Stelle der beiden anderen
Klappen findet sich ein etwa kleinhühnereigroßer Tumor, der
das Lumen des Ostiems fast völlig ausfüllt. IJie Geschwulst
setzt sich aus einem sehr derben, sehnig-fibrösen Gewebe zu¬
sammen und ist zweifellos das Produkt einer chronischen
Entzündung der beiden Semilunarklappen. Die Oberfläche des
Tumors ist blumenkohlartig zerklüftet und mit dicken Fibrin¬
ablagerungen bedeckt. Sinnfällige Erscheinungen einer Hyper¬
trophie des rechten Ventrikels fehlten.“ Rdr.
Über Resorption körperlicher Elemente im Darm,
mit besonderer Berücksichtigung der Tuberkelbaziilen.
Von Orth, unter teilweiser Mitarbeit von Lydia Rabinowitsch.
(Sitzungsberichte der Kgl. preuß. Akademie der Wissenschaften 1908, XXXIX.)
Verfasser haben zunächst nachgewiesen, daß im Dickdarm
befindliche rote Blutkörperchen von den regionären Lympli-
drüsen resorbiert werden. Es sind dann eine größere Anzahl
von Versuchen angestellt worden, um den Nachweis zu führen,
daß Tuberkelbazillen vom Darme aus resorbiert werden, und
auf hämatogenem Wege in die Lungen gelangen. Um eine
Infektion des Respirationstraktus zu verhüten, werden die
Bazillen per Klysma verabfolgt und die Meerschweinchen ver¬
schieden lange Zeit nach der Applikation der Tuberkelbazillen
getötet. Genaue Versuchsprotokolle fehlen. Verfasser konnten
in einigen Fällen drei Tage nach der Infektion Tuberkelbazillen
in den Lungen nachweisen, eine Darmerkrankung war selten,
dagegen fanden sich stets Tuberkelbazillen in den mesenterialen
Lymphknoten. Es sind demnach die Drüsen stets primär er¬
krankt. Ob von dort aus die Lungen hämatogen oder lymphogen
erkranken, ließ sich nicht ermitteln. Nach des Referenten
Ansicht haben die Verfasser unberücksichtigt gelassen, daß die
Lungen auch vom oberen Respirationstraktus aus erkrankt
sein konnten. Wir wissen durch neuere Untersuchungen, daß
No. 51.
per Klysma eingegebene Mikroorganismen bis in den Schlund
durch rückläufige Bewegung gelangen. Die Verfasser haben
selbst in zwei Fällen nachgewiesen, daß per Klysma eingespritzte
Tuberkelbazillen 1 bzw. 3 Tage nach der Infektion im Magen
zu finden waren. Diterlen (Arb. a. d. K. G. A.) hat neuerdings
stets schon 4 Stunden nach der Rektalinjektion von Mikroorga¬
nismen diese in der Speiseröhre und im Schlunde nachreifen
können. Die in der Hauptsache von Calmette verbreitete
Ansicht, daß die Pneumokoniosen vom Darme aus entstehen,
dürfte als endgültig widerlegt gelten, besonders auch durch die
neuesten Versuche von Ruata (Zentralbt. f. Bakt. 1908. Br. 48).
Hiermit fällt eine der wichtigsten Stützen, auf welche sich die
Anhänger des enterogenen Ursprungs der Lungentuberkulose
bisher beriefen. M i e ß n e r.
Zum Waehstnm der ovoiden Bakterien in Form von
längeren Stäbchen nnd Fäden.
Von W. Broll.
(Zeitscbr. f. Iufektionskrankh. nsw. Bd. IV, S. 137.)
Bei Züchtung von Schweineseuchestämmen auf Agarkulturen
hat Junack als zufälligen Befund wahrgenommen, daß einzelne
Stämme neben kürzeren Formen lange Fäden bilden. Diese
Fadenbildung läßt sioh nach Broll künstlich durch Züchtung
der Bakterien auf stark alkalischem Agar hervorrufen.
Nach Zusatz von 5~h8proz. Normal-Sodalösung zu dem im
übrigen in der üblichen Weise hergestellten Nähragar sieht
man in Ausstrichen neben ovoiden Formen längere Stäbchen
und lange Fäden. — Diese Fadenbildung konnte außer bei
Schweineseuchebakterien auch bei Geflügelcholera-
und Wild- und Rinderseuchebakterien, beobachtet werden,
so daß die Bakterien dieser Gruppe auch bezüglich des Merk¬
mals der Fadenbildung sich konform verhalten. Richter.
Tstgesgcscliichte.
t
Ezio Nlarchi.
Am 25. Juli d. J. ist in Florenz, nach schwerer Erkrankung,
im Alter von 39 Jahren, Professor Dr. Ezio Marchi gestorben,
einer der unermüdlichsten Männer der Wissenschaft, die Tier¬
zucht und Veterinärmedizin je unter ihren Jüngern gezählt haben.
Es geziemt sich auch für uns, das Andenken dieses Mannes
zu ehren, dessen reger Geist über die Grenzen seiner italienischen
Heimat hinaus an allem Anteil nahm, was in seinem Berufe ge¬
arbeitet wurde, und rfer besonders auch für das Deutsche Reich
eine warme Sympathie an den Tag legte. Davon zeugten seine
Briefe an den Unterzeichneten, in denen er durch unermüdliche
Fragen über alles Auskunft zu haben wünschte, was auf dem
Gebiete der Tierzucht in Deutschland und in der Schweiz
während der letzten Jahrzehnte geleistet worden ist. Im schrift¬
lichen wie im persönlichen Verkehr zeigte er sich zugleich auch
als feingebildeter, liebenswürdiger Mann, von herzlicher Dank¬
barkeit, wenn man seine Arbeiten durch gelegentliche Winke
zu unterstützen vermochte, und selbst stets hilfsbereit und ge¬
fällig, so bald man sich für italienische Verhältnisse interessierte.
Als bei uns die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde ins
Leben gerufen und die Aufgabe ins Auge gefaßt wurde, durch
ausgedehnte Erhebungen mehr Klarheit in züchterischen Fragen
BERLINER^IERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
17. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
929
zu gewinnen, da war Marchi der erste Ausländer, der die Be¬
deutung solcher Untersuchungen zu würdigen wußte, und sich
mit dem ihm eigenen selbstlosen Eifer zur Mitarbeit auf
italienischem Boden bereit zeigte. ' Nnn hat d$r Tod seinem
rastlosen Streben ein jähes Ende* bereitet. Wir aber wollen
den Entschlafenen ehren, als einen der Besten,. die Italien be¬
sessen hat.
Als Mann der Wissenschaft, als Lehrer, und als ein von
Vaterlandsliebe durchdrungener Bürger, hat Marchi, besonders
in der Gegend des trasimenischen Sees, im Tale von Chiana,
eine fruchtbringende Tätigkeit entfaltet und stets neue Quellen
für die Hebung des Wohlstandes zu finden gewußt. Stets war
er bestrebt, die Bevölkerung Mittelitaliens auf eine höhere
wirtschaftliche und soziale Stufe zu heben, durchglüht von
Begeisterung und von der Überzeugung des endlichen Erfolges.
Er erweckte, wie Dr. Curradi in einem warmen Nachrufe
schreibt, in diesen fast verkommenen Gegenden bei der Be¬
völkerung das Bewußtsein ihres Seins, belebte wieder die
Gefühle von Menschenwürde und Brüderlichkeit, von Rechten
und Pflichten, von Seelen, welche vom tatkräftigen Willen zum
Handeln erfüllt sind, und ließ sie, gebessert an Leib und Seele
und geeigneter zum Kampfe ums Dasein zurück.*)
Im Val di Chiana scheint Marchi wie ein Apostel verehrt
worden zu sein. Er hat sich um die kulturelle Hebung der
dortigen Bauern unvergängliche Verdienste erworben, Ver¬
dienste, die heute in ganz Italien und darüber hinaus an¬
erkannt sind.
Nachdem Ezio Marchi an der Universität von Pisa seine
Studien in der Tierheilkunde vollendet hatte, verzichtete er
schon nach kurzer Zeit auf die praktische Ausübung des tier¬
ärztlichen Berufes, um im landwirtschaftlichen Institute in Vegni
zu wirken, wo er wiederum die schon im Athenaeum zu Pisa
bewiesenen Eigenschaften entfaltete: entschiedenen Willen,
schärfste Beobachtungsgabe und einen hingebenden Fleiß, der
ihn freilich auch zur Rücksichtslosigkeit gegenüber seiner
eigenen Gesundheit verführte. Von Pisa ging er nach dem
landwirtschaftlichen Versuchsinstitut von Pertfgia, dann nach
der königl. tierärztlichen Hochschule in Reggio Emilia, und
schließlich wiederum nach Perugia an die landwirtschaftliche
Hochschule, welche ihn festzuhalten bemüht war, bis zu seiner
kürzlichen Berufung nach Bologna. So war die Laufbahn
glänzend, und die Erfolge auf dem Gebiete der Wissenschaft
ganz überraschend. Überall, wo seine Arbeit einsetzte, hinter¬
ließ er die Spuren seines Wirkens und brach durch die Neuheit
und Ursprünglicl\keit seiner Ansichten den Nachfolgern Bahn.
Und so leidenschaftlich er auch für alles einzutreten gewöhnt
war, was er einmal als richtig erkannt hatte, so war er doch
eine vornehme und friedfertig-heitere Natur. In literarischen
Kämpfen fiel er nie mit persönlichen Kränkungen über seine
Mitmenschen her, sondern suchte durch wissenschaftliche Beweis¬
führung den Gegner zu überzeugen. Voll Mut in der Sache,
war er voll Maß in der Form.
BeiMarchis feiner Geisteskultur und umfassender Bildung,
die ihn vor schroffer Einseitigkeit bewahrte, ist es begreiflich,
*) „Egli risuscitö in quelle popolazioni la coscienza delT essere,
ravvivö il sentimento della dignitü e fratellanza umana, dei diritti
e doveri, delle aspirazioni dotatc di volantä f&ttive e dictro a se
le traase migliorate nell’ anima c nella mente, piii atte e pronte alle
battsglie della vita.“
daß es ihm vergönnt war, eine eigene Schule ins Leben zu
ruferf und enthusiastische Anhänger zu gewinnen, die in seinem
Sinn und Geist in Italien weiter arbeiten. So ist er in seiner
Heimat zum Begründer der wissenschaftlichen Tierzucht ge¬
worden, die • er auf biologischen Forschungen nnd der Rassen-
geschichte auf baute. Und’ Iso begrüßte er auch die Deutsche
Gesellschaft für Züchtungskunde, deren Ziele und Aufgaben bei
ihm das tiefste Verständnis gefunden haben.
In all seinen Schriften, Erinnerungen, Monographien, ex¬
perimentellen Forschungen, Kritiken nnd Berichten, wie auch
in seinen größeren zootechnischen Abhandlungen traten in voller
Klarheit die wissenschaftlichen Leitgedanken zutage, von denen
aus Ezio Marchi die nationale Tierzucht betrachtete. Und es
geht daraus hervor, daß er auch ein hohes Verständnis für alle
Forderungen des praktischen Lebens besaß.
Aus diesem Grunde wurden seine Ratschläge auch oft von
den größten Zuchtzentralen Italiens gewünscht, und wo solche
gegründet öder technisch verbessert werden sollten, Marchis
Arbeit und seine organisatorischen Fähigkeiten in Anspruch
genommen. Er hat die Tierzucht in seiner Heimat auf eine
höhere Stufe gehoben, und alle ihm in Italien oder im Auslande
anvertrauten Aufträge von Privaten oder Behörden stets zur
Zufriedenheit und höchsten Anerkennung erledigt. Die Land¬
wirtschaft Italiens genießf jetzt die Vorteile seines Wirkens
und wird auch noch in Zukunft von den Fachschriften und dem
unermüdlichen Wirken dieses für uneigennützige Arbeit be¬
geisterten Mannes Gewinn ziehen.
Da Marchi sich bewußt war, daß eine ersprießliche Arbeit
in der Tierzucht einen weiten Horizont, sowie Anschauungen
und Erfahrungen erfordert, so reiste er, so oft sich Gelegenheit
bot, zur unmittelbaren Beobachtung umher und studierte dann
wieder in seinen Laboratorien und Sammlungen, die von der
fieberhaften Tätigkeit dieses Mannes Zeugnis ablegen. Seine
in Italien hochgeschätzte Feder erhöhte auch im Auslande, wo
er ein sehr geachteter Mitarbeiter bedeutender Zeitschriften war,
das Ansehen der italienischen Wissenschaft. Von seinen An¬
hängern geliebt und verehrt, wurde er mit öffentlichen Ämtern
betraut, und die hohe Achtung, welche ihm seine tadellose
Lebensführung eintrug, sowie sein streng rechtlicher, unabhängiger
Charakter, ließen es als gegeben erscheinen, daß er auch zum
Führer der organisierten Tierärzte Italiens erwählt wurde.
Sein kurzes Dasein verbrachte er mit jedem Atemzuge auf
beruflichen Reisen oder in seinem Studierzimmer, kurz, in dem
ununterbrochenen, fruchtbaren Wirken für seine Wissenschaft;
und wenn das Leben für eine edle Natur wahrhaftig kein Ver¬
gnügen, sondern eine hohe Aufgabe ist, dann tat gerade
Marchi wie kein zweiter seine Pflicht, zum Segen für die
Wissenschaft und die Menschheit, unter Aufopferung seines
eigenen Selbst.
Professor Dr. H. Kraemer.
Braunschweigisches Tierärztekammer-Gesetz.
Angenommen in der Sitzung des Braunschweigischen Landtages
vom 20. November 1908.
§ 1. Die approbierten Tierärzte, welche sich zur Ausübung
der Tierheilkunde im Herzogtums niedergelassen haben, werden
durch die Tierärztekammer des Herzogtums Braunschweig in der
durch dieses Gesetz bestimmten" Weise vertreten.
Auf die Militärveterrnäre finden die Bestimmungen dieses Ge¬
setzes keine Anwendung.
***
930 _BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.___No. 51.
§ 2. Die Tierärztek«immer hat ihren Sitz in der Stadt Braun¬
schweig; sie führt ein Dienstsiegel mit dem springenden P/erde
und genießt Freiheit von Stempel und Gebühren.
§ 8. Die Tierärztekammer übt die Disziplinargewalt über die¬
jenigen approbierten Tierärzte aus, welche sich zur Ausübung der
Tierheilkunde im Herzogtume niedergelassen haben; ‘jedoch unter¬
liegen dieser Disziplinargewalt die beamteten Tierärzte und
städtischen Schlachthoftierärzte nur insoweit, als es sich um Ver¬
fehlungen in der Ausübung der Privatpraxis handelt. Darüber, ob
die Verfehlung bei Ausübung der Privatpraxis oder bei Verrichtung
der Amtsgeschäfte vorgekommen ist, entscheidet im Zweifelsfalle
die Vorgesetzte Dienstbehörde des Angeschuldigten.
§ 4. Kommen in bezug auf einen beamteten Tierarzt oder
städtischen Schlaohthoftierarzt Tatsachen zur Kenntnis der Tier¬
ärztekammer, welche bei einem anderen Tierärzte die Einleitung
eines Disziplinarverfahrens zur Folge haben würden, so bat der
Vorsitzende der Kammer hiervon der Vorgesetzten Dienstbehörde
des Angeschuldigten Mitteilung zu machen.
§ 5. Die Tierärztekammer setzt sich aus fünf tierärztlichen
Mitgliedern zusammen, von welchen je eins von den Tierärzten der
Kreise Braunschweig, Wolfenbüttel und Helmstedt, zwei gemein¬
schaftlich von den in den Kreisen Gandersheim, Holzminden und
Blankenburg ansässigen Tierärzten gewählt werden.
Herzogliches Staatsministerium ist befugt, auf Antrag der I
Kammer die Anzahl der Mitglieder der Kammer zu erhöhen, und
wird im Falle einer entsprechenden Anordnung zugleich wegen der
Wahlkörper Bestimmung treffen.
Die Wahl der Kammermitglieder erfolgt auf sechs Jahre. Alle
drei Jahre scheiden abwechselnd drei bzw. zwei Mitglieder aus, um
durch Neuwahl ersetzt zu werden. Über das erstmalige Ausscheiden
entscheidet das Los. Wiederwahl ist zulässig. Für jedes Kammer¬
mitglied ist zugleich ein Stellvertreter zu wählen.
Mit beratender Stimme nimmt an den Sitzungen der Kammer
deren Rechtsbeistand teil, welcher von ihr aus der Zahl der Braun¬
schweigischen öffentlichen Beamten oderRechtsanwälte gewählt wird.
§ 0. Die Wahl der KammermitgKeder und ihrer Stellvertreter
erfolgt von seiten der in den einzelnen Wahlkreisen des Herzogtums
ansässigen Tierärzte auf Anordnung des Vorsitzenden der Tierärzte¬
kammer schriftlich durch Einsendung von Stimmzetteln an die
Tierärztekammer.
Zu diesem Zweck hat der Vorsitzende der Tierärztekammer die
einzelnen Tierärzte mittelst eingeschriebenen Briefes aufzufordern,
bei Vermeidung einer von der Kammer endgültig festzusetzenden
Ordnungsstrafe von 10 M. und binnen einer Ausschlußfrist von drei
Wochen einen Stimmzettel in einem Umschläge einzusenden, dem
der Wählende, unter Angabe von Wohnort und Datum, eine be¬
sondere schriftliche Erklärung des Inhalts beizufügen hat, daß sich
in dem Umschläge ein Wahlvorschlag zur Tierärztekammer befinde.
Auf dem Stimmzettel sind die als Karamermitglieder und Stell¬
vertreter vorgeschlagenen Tierärzte nach Namen und Wohnort zu
bezeichnen.
Ungültig sind Stimmzettel, auf deren Umschlag die Person des
Wählenden nicht bestimmt kenntlich gemacht ist oder welche die
Person des bzw. der Vorgeschlagenen nicht deutlich bezeichnen
oder die Namen nicht wählbarer Personen enthalten oder welche
erst nach Ablauf der Ausscblußfrist eingehen.
Sind mehr Namen auf dem Stimmzettel angegeben, als Mit¬
glieder oder Stellvertreter zu wählen sind, so gelten der Reihen¬
folge nach die zuerst Genannten als gewählt.
Fehlt auf dem Stimmzettel die Angabe, wer von den Vor¬
geschlagenen als Mitglied und wer als Stellveitreter gewählt werden
soll, so gelten die zuerst Genannten als zu Mitgliedern, die nächsten
als zu Stellvertretern vorgeschlagen.
Die Wähler sind bei der Wahl auf die in ihrem Wahlkreise
ansässigen Tierärzte nicht beschränkt.
Das Wahlergebnis wird durch die Tierärzlekammer festgestellt.
Bei der Öffnung der die Wahlvorschläge enthaltenden Umschläge
ist so zu verfahren, daß das Wahlgeheimnis gewahrt, bleibt. So weit
erforderlich, werden die zu dem Zwecke nötigen näheren Vor¬
schriften im Verwaltungswege erlassen. Zur Wahl genügt einfache
Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet das vom Vor¬
sitzenden der Tierärztekammer zu ziehende Los.
Der gewählte Tierarzt ist von der auf ihn gefallenen Wahl
durch eingeschriebenen Brief mit der Aufforderung zu benach¬
richtigen, sich binnen einer Woche über die Annahme der Wahl zu
erklären.
Die Wahl kann abgelehnt werden von demjenigen, welcher
sechs Jahre hindurch Kammermitglied gewesen ist, für die nächsten
sechs Jahre, und aus anderen Ablehnungsgründen, welche die Tier¬
ärztekammer als triftig anerkennt. Unberechtigte Ablehnung hat
den Verlust des Wahlrechts auf die Dauer von sechs Jahren
zur Folge.
Das Wahlergebnis wird in den Braunschweigischen Anzeigen
i bekannt gemacht und dem Landesmedizinalkollegium mitgeteilt.
Mit Zustimmung der Tierärztekammer ist die Niederlegung des
Amtes zulässig. Unberechtigte Niederlegung desselben hat den
Verlust des Wahlrechtes für die gleiche Zeitdauer zur Folge, wie
die unberechtigte Ablehnung der Annahme der Wahl.
§ 7. Die Aufgabe der Tierärztekammer umfaßt:
1. die Führung der Rollen der Tierärzte;
2. die* Wahrnehmung der tierärztlichen Standesinteressen durch
Anträge an die Landesregierung;
8. die Sorge für Entfaltung und Erhaltung eines würdigen
Standesgeistes durch Erlaß einer Standesordnung, in welcher
diejenigen Pflichten zusammengestellt werden, die den
approbierten Tierärzten in Ausübung ihres Berufs zur
Wahrung der Ehre und des Ansehens ihres Standes in- und
außerhalb ihrer Berufstätigkeit obliegen;
4. die Ausübung der Disziplinargewalt über die Tierärzte (§ 3);
5. die Sorge, Streitigkeiten unter den Tierärzten vorzubeugen,
bei entstandenen Streitigkeiten die gütliche Beilegung zu
versuchen und über eingereichte gegenseitige Beschwerden
zu entscheiden;
6. die Erstattung von Gutachten über Angelegenheiten der
Tierärzte und der Tiergesundheitspflege, insbesondere über
den Erlaß und die Veränderung einer Gebührenordnung für
die approbierten Tierärzte, wenn solche vom Herzoglichen
Staatsministerium oder von dem Landesmedizinalkollegium
gefordert werden;
7. die Erstattung von Gutachten über Streitigkeiten zwischen
Privatpersonen und Tierärzten anläßlich der Berufsausübung
der letzteren, wenn solche Gutachten von den Streitenden
oder einer Behörde angefordert werden;
8. die Beaufsichtigung der Kassen- und Rechnungsführung der
Kammer;
9. die weitere Verfolgung von Beschwerden, welche Tierärzte
gegen Behörden oder Beamte zu führen haben und zur
weiteren Verfolgung an die Kammer abgeben;
10. die schiedsrichterliche Entscheidung über die Höhe des im
Einzelfalle zur Anwendung zu bringenden Satzes der tier¬
ärztlichen Gebührenordnung auf Anrufen beider Teile.
§ 8. Die Kammer kann nach Anhörung der Beteiligten
folgende Disziplinarstrafen verhängen;
1. Warnung;
2. Geldstrafe bis 500 Mark;
3. Schriftlichen Verweis;
4. Verweis vor versammelter Kammer;
6. Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts für eine oder
mehrere Wahlperioden und entsprechende öffentliche Be¬
kanntmachung.
Es bleibt dem Ermessen der Kammer überlassen, unter diesen
Strafübeln zu wählen oder auch mehrere zugleich anzuwrenden.
Die durch ein eingeleitetes Disziplinarverfahren erwachsenen
Kosten (Auslagen) können dem Bestraften ganz oder teilweise
auferlegt und im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens ein¬
gezogen werden.
Von den abgegebenen Disziplinarverfügungen ist dem Landes¬
medizinalkollegium Mitteilung zu machen.
$ 9. Disziplinarverfügungen der Kammer, einschließlich der
nach § 8 Absatz 3 ergehenden Kostenentscheidungen, können von
17. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
931
dem V erurteilten mittelst Beschwerde beim „tierärztlichen Disziplinar-
hof*‘ angefoehten werden; dessen Entscheidung ist endgültig.
Der Disziplinarhof besteht aus einem von der Herzoglichen
Landesregierung zu ernennenden richterlichen Beamten, welcher
den Vorsitz führt, einem gleichfalls von Herzoglicher Landes¬
regierung zu ernennenden Mitgliede des Landesmedizinalkollegiums
und einem von der Tierärztekammer auf sechs Jahre zu wählenden
Mitgliede, welches nicht zugleich Mitglied der Kammer sein darf.
An den Disziplinarhof zu richtende Beschwerden sind binnen einer
Ausschlußfrist von 14 Tagen nach Zustellung der anzufechtenden
Verfügung bei der Kammer einzureichen und von dieser unter
Beifügung der Vorakten an den Disziplinarhof weiter zu befördern.
§ 10. Der Geschäftsgang der Tierärztekamraer bei Ausübung
ihrer Disziplinarbefugnis und des Disziplinarhofes regelt sich nach
einer Anweisung, die vom Herzoglichen Staatsministerium nach
Anhörung der Tierärztekammer zu erlassen ist.
§ 11. Für den Geschäftsgang der Kammer ist, insoweit nicht
die nach dem § 10 vom Herzoglichen Staatsministeriura zu er¬
lassenden Vorschriften in Frage kommen, die von der Kammer
selbst festzustellende „Geschäftsordnung“ maßgebend.
Die Kammer wählt in der ersten nach jeder Neuwahl von
Kammermitgliedern stattfindenden Sitzung mit voller Stimmen¬
mehrheit aus ihren Mitgliedern einen Vorsitzenden und einen
Stellvertreter, welche die Geschäfte nach der Geschäftsordnung zu
leiten haben.
Mitglieder der Kammer, gegen welche eine der in § 8 Ziffer 3,
4 und 5 aufgeführten Disziplinarstrafen verhängt oder eine gericht¬
liche Bestrafung wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens
erfolgt ist, scheiden für die betreffende Wablzeit aus der Kammer aus.
Scheidet aus diesen oder anderen Gründen ein Mitglied der
Kammer aus, so hat der Vorsitzende bis zu der alsbald anzu¬
ordnenden Ersatzwahl seinen Stellvertreter einzuberufen und für
diesen mit Zustimmung der Kammer einen einstweiligen Vertreter
zu bestimmen.
Die Ersatzwahl hat nur für die Dauer der regelmäßigen Wahl¬
periode Geltung.
§ 12. Die Kammer ist beschlußfähig, wenn mindestens drei
Mitglieder, unter denen sich der Vorsitzende oder dessen Stell¬
vertreter befinden muß, anwesend sind.
Ihre Beschlüsse werden nach voller Stimmenmehrheit gefaßt.
Bei Stimmengleichheit entscheidet in Disziplinarsachen die für den
Beschuldigten günstigere Meinung, in anderen Fällen die Stimme
des Vorsitzenden.
$ 18. Die Kammer versammelt sich, so oft der Vorsitzende
sie zusammenruft, oder sobald mindestens zwei Mitglieder der
Kammer die Anberaumung einer Sitzung bei dem Vorsitzenden
unter Angabe des Verhandlungsgegenstandes beantragen.
Ein Mitglied, welches am Erscheinen behindert ist, hat dies
unter Angabe der Gründe vor der Sitzung beim Vorsitzenden an¬
zuzeigen und zugleich seinen Stellvertreter zu benachrichtigen, auf
welchen dadurch die Pflicht zum Erscheinen übergeht. Mitglieder
und Stellvertreter, welche ohne genügende Entschuldigung nicht
erscheinen, und Mitglieder, welche im Falle eigener Behinderung
ihfen Stellvertreter rechtzeitig zu benachrichtigen versäumen, ver¬
fallen in eine Strafe bis zu 15 Mark, welche endgültig von der
Kammer verfügt wird.
§ 14. Mindestens alle zwei Jahre hat die Kammer einen Bericht
über ihre Tätigkeit abzufassen und nebst einer Abrechnung über
die Kassenverhältnisse den wahlberechtigten Tierärzten des Herzog¬
tums, sowie dem Landesmedizinalkollegium zugehen zu lassen.
§ 15. Bei der Kammer wird eine Kasse eingerichtet; die
Kassen- und Rechnungsführung wird von der Kammer geordnet.
In die Kasse fließen:
1. Die einmaligen Eintrittsgelder von je 15 Mark, welche als¬
bald nach dem Inkrafttreten gegenwärtigen Gesetzes von
jedem eine tierärztliche Tätigkeit im Herzogtum ausübenden
und darin wohnenden approbierten Tierarzt und demnächst
von jedem neu hinzukommenden approbierten Tierärzte zu
entrichten sind;
2. die von der Kammer verhängten Disziplinär- und Ordnungs¬
geldstrafen;
3. die von den Tierärzten aufzubringenden Beiträge, welche
ihrer Höhe nach von der Kammer je nach Bedarf festgestcllt
und ausgeschrieben werden.
Alle diese Kasseneinnahmen werden erforderlichenfalls im Wege
des Verwaltungszwangsverfahrens beigetrieben.
Aus der Kasse bestritten werden die durch die Geschäfts
führung der Kammer entstehenden Kosten, insbesondere auch die
dom juristischen Beistand und dem etwa außerdem angenommenen
Schrift-, Kassen- und Rcchnungsführer auszuwerfende feste Ent¬
schädigung und die den auswärtigen Mitgliedern der Kammer für
die Reisen zu den Sitzungen nach Maßgabe der Geschäftsordnung
zu bewilligenden Tagegelder und Reisekosten.
§ 16. Die im Herzogtum ansässigen Tierärzte haben den von
der Kammer innerhalb ihrer Zuständigkeit gefaßten Beschlüssen
und abgegebenen Verfügungen Folge zu leisten. Gegen Ungehor¬
same kann die Kammer nach Befinden Ordnungsstrafen bis zu
30 Mark verhängen. Die Herzoglichen Behörden und Beamten
haben der Kammer und dem Disziplinarhof bei den derselben nach
ihrer Zuständigeit obliegenden Geschäften auf Ersuchen die er¬
forderliche Hilfe zu leisten. Insbesondere haben in Disziplinär-
Untersuchungssachen die Herzoglichen Amtsgerichte bei der Er¬
mittlung oder Feststellung von Tatsachen auf Ersuchen mitzuwirken
und auf Antrag Zeugen öder Sachverständige unter Beiladung des
Beschuldigten und des von der Kammer bestellten Berichterstatters
eidlich zu vernehmen. Bei den bezüglichen Handlungen der er¬
suchten Gerichte finden die §§ 158—160, 166 G. V. G. bzw. die
Bestimmungen der St. P. 0. über die Vernehmung von Zeugen und
Sachverständigen mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß
die zur Erzwingung des Zeugnisses zulässige Haft nicht über die
Zeit von sechs Wochen hinaus angeordnet werden kann.
§ 17. Die Kammer steht unter der unmittelbaren Aufsicht des
Herzoglichen Staatsministeriums, welches solche durch einen dazu
besonders ernannten Beauftragten ausüben wird.
Der Regierungsbeauftragte ist berechtigt allen Sitzungen der
Kammer beizuwohnen und gegen ihre Beschlüsse, insoweit diese
nicht nur Disziplinarverfügungen enthalten, Einsprache einzulegen.
Geschieht dies, so ist die Ausführung der Beschlüsse bis dahin,
daß das Herzogliche Staatsministerium entschieden hat, auszusetzen.
Der Regierungsbeauftragte ist von den angesetzten Kammer¬
sitzungen zeitig zuvor zu benachrichtigen. Die von der Kammer
gefaßten Beschlüsse sind ihm mitzuteilen.
§ 18. Übergangsbestimmung.
Bei der erstmaligen Bildung der Tierärztekammer werden die
durch § 6 dem Vorsitzenden der Tierärztekammer bzw. dieser
selbst zugewiesenen Obliegenheiten von einer Kommission wahr¬
genommen, welche aus dem Kreistierarzt des Kreises Braunschweig
als Vorsitzenden und zwei weiteren, von jenem auszuwählenden in
der Stadt Braunschweig ansässigen Tierärzten besteht.
§ 19. Dieses Gesetz tritt, soweit es sich um die zu seiner
Durchführung erforderlichen Maßnahmen handelt, mit dem Tage
seiner Verkündigung, im übrigen am 1. April 1909 in Kraft
Alle, die es angeht, haben sich hiernach zu achten.
*
Die Braunschweigischen Tierärzte sind zu diesem Erfolge
ilirer Bestrebungen zu beglückwünschen. Das Gesetz im ganzen
kann als mustergültig bezeichnet werden und erfüllt alle be¬
rechtigten Wünsche. Namentlich ist es gelungen, in § 3 einen
klaren und richtigen Mittelweg zur Abgrenzung der Disziplinar-
befugnisse zu finden. S.
Zur Besoldung der Kreistierärzte.
Von Professor Dr. Schmaltz.
Die Kommission für die Beratung der Beamtenbesoldungs¬
vorlage in Preußen hält in dieser Woche die zweite Lesung
ab. Es wäre also jetzt die letzte Möglichkeit gegeben, jenen
Beschluß zu revidieren, durch welchen die Kreistierärzte eine
ebenso peinliche als unbegründete Zurücksetzung gegenüber
den Kreisärzten erfahren haben. Der Antrag, das Gehalt
der Kreisärzte zu erhöhen, kam ganz überraschend; er war,
032
da er von allen Parteien aufgenommen wurde, offenbar in aller
Stille vorzüglich vorbereitet werden. Wenn die Kreistierärzte
eine ähnliche Einwirkung auf die KommissionBmitglieder nicht
versucht haben, so kann ihnen das die Kommission eigentlich
nur hoch anreebnen, und die Standesgenossen dürfen ihnen nicht
den Vorwurf der Lässigkeit machen; denn man hatte eben an¬
genommen, daß an den vorgeschlagenen Sätzen, wenn das ganze
Werk zustande kommen sollte, nicht allzu viel gerüttelt werden
dürfe, und daß gerade die akademischen Kreise sich mit ihren
Wünschen Zurückhaltung auferlegen müßten. Der Antrag auf
Erhöhung des Gehalts der Kreisärzte hätte gerechtigkeishalber
mit einem gleichen Antrag für die Kreistierärzte beantwortet
werden müssen. Regierungsseitig konnte ein solcher Antrag
nicht gestellt werden, da die ganze Vorlage auf festen Ab¬
machungen beruht. Daß aus der Kommission heraus ein solcher
Antrag nicht gestellt worden ist, findet nicht dadurch allein
seine Erklärung, daß die Position der Kreistierärzte vor der
für die Kreisärzte zur Beratung gekommen war. Es gewinnt viel¬
mehr — man muß es mit Bedauern aussprechen — den Anschein,
als ob auf mehreren Seiten des Hauses und gerade unter den
landwirtschaftlich interessierten Parteien die Stimmung gegen
die Kreistierärzte, die früher eine durchaus wohlwollende war,
öleh merklich zuungunsten verändert habe. Es ist dies um so
befremdlicher, als doch wirklich gerade von den sachverständigen
Seiten unmöglich verkannt werden kann, daß die Kreistier¬
ärzte nicht allein ihre Schuldigkeit im Dienste der Land¬
wirtschaft voll getan haben, sondern gerade in den letzten
Jahren z. B. mit der Niederhaltung der Maul- und Klauenseuche
und mit der Tilgung der Lungenseuche glänzende Erfolge erzielt
haben, für die sie eigentlich auch von den Interessenten einige
Anerkennung erwarten dürften. Wehn statt dessen bei letzteren
— das schien auch bei den Beratungen des Seuchengesetzes
durchzusickern — eine Art von Gereiztheit sich bemerklich
macht, so wird man vergeblich nach einem berechtigten Grunde
dazu suchen. Es scheint fast,, als ob die Bekämpfung der
Schweineseuchen eine Mißstimmung in der Landwirtschaft erzeugt
hätte, die man bei der Erfolglosigkeit jenes Kampfes an sich
verstehen kann, die aber auf die Kreistierärzte unter keinen
Umständen sich entladen darf. Es ist dies um so unberechtigter,
als jener Kampf jetzt ganz andere Bahnen einzuschlagen beginnt
und die Tätigkeit der Kreist ierärzte auf diesem Gebiete ganz
außerordentlich zurückgegangen ist. Die Vertreter der Parteien,
namentlich, wie gesagt, der landwirtschaftlich interessierten,
sollten es sich daher doch in zwölfter Stunde ernstlich über¬
legen, ob sie angesichts der Erfolge der Veterinärpolizei den
Kreistierärzten nicht wenigstens Gerechtigkeit widerfahren lassen
sollten. Es wäre vielleicht nicht einmal politisch klug, wenn
die Kreistierärzte gerade von dieser Seite — anscheinend
wenigstens — vor den Kopf gestoßen würden; denn auch die
Landwirtschaft hat durchaus ein Interesse daran, daß die Kreis¬
tierärzte auf ihrer Seite stehen und nicht etwa, auch einer
Mißstimmung folgend, ihren vielfach nicht unerheblichen Einfluß
in anderer Richtung geltend machen. Wenn der zweitgrößte
deutsche Bundesstaat seine Bezirkstierärzte den Ärzten gleich¬
stellt, so kann der größte Staat unmöglich gerade das Gegenteil
tun. Die Kreistierärzte haben nichts gesagt, als sie die Gleich¬
stellung nicht erlangten; aber es muß ihnen die Geduld reißen,
wenn nun nicht einmal der von der Regierung vorgeschlagene
Abstand innegehalten wird. Die (angeblich gefallene) Be¬
No. 51
hauptung, daß die Kreist ierärzte viel höhere Einnahmen hätten,
ist eine vollkommen willkürliche; mit Recht hat Krüger auf
die entsprechenden Nebeneinnahmen der Kreisärzte hingewiesen.
Wer in einer arbeits- und verdienstreichen Kreistierarztstelle
sitzt, der ist auch in längstens 20 Jahren fertig mit seiner
Kraft; denn an Anstrengung ist der kreistierärztliche Dienst
allerdings doppelt so reich als der des Kreisarztes. Es wird in
mehr als einer Richtung keine gute Wirkung haben, wenn der
Kommissionsbeschluß bestehen bleibt. Das Richtigste wäre daher
schon, wenn die Kommission zu dem A nun auch das B sagte,
den Kreisärzten die Erhöhung ließe und sie den Kreistierärzten
ebenfalls zuspräche.
Anträge in der Kommission.
Dem Vernehmen nach sind bereits Anträge von Kommissions¬
mitgliedern gestellt worden. Der eine besagt einfach, daß das
Gehalt der Kreisfierärzte auf 1500—3300 M., im Durchschnitt
2400 M., festgesetzt werden soll. Im Fall der Ablehnung
wird beantragt werden: 1200—3300 M. in 5 Stufen und zwar
95 zu 1200, 94 zu 1800, 95 zu 2300, 94 zu 2800, 94 zu 3300,
wobei sich auch noch eine mäßige Erhöhung des Durchschnitts¬
gehaltes ergeben würde. Ein Antrag, das Gehalt auf 1200 bis
3300 M. festzusetzen, unter Belassung des ursprünglichen
Durchschnittsgehaltes von 2100 M., hat natürlich gar keinen
wirklichen Wert. Ferner wird beantragt werden, bei der
Pensionierung statt 1950 M. in Anrechnung zu bringen 2250 M.
Das Ergebnis.
Soeben meldet die Morgenzeitung, daß die Kommission ihre
Beschlüsse schon gefaßt hat. Den Kreisärzten ist ihre Gehalts¬
erhöhung von 600 M. (2400—4200 M., durchschnittlich 3300 Mv)
gegen einen konservativen Antrag belassen worden. Dem
Durchschnittsgehalt der Kreistierärzte sind — sage und
schreibe: 250 M. hinzugefügt worden (2350 M. statt 2100 M.).
Hat’s für 300 M. wirklich nicht gelangt? Gott der Gerechte!
Nähere Angaben fehlen noch.
Die Gehälter der badischen Bezirkstierärzte.
In den Mitteilungen des Vereins badischer Tierärzte hat
Oberregierungsrat Hafner die gegenwärtige Stellung der
Bezirkstierärzte im neuen Gehaltstarif historisch besprochen,
woraus folgendes zu entnehmen ist.
Durch das Beamtengesetz vom 24. Juli 1888 erhielten die
Bezirkstierärzte Gehälter von 700 bis 1600 M. (sie erreichten
dadurch in Deutschland damals eine bevorzugte Stellung); dazu
kam ein Wohnungsgeld von 130 M.; nach 30 jähriger Anstellung
konnte man in den Bezug des Höchstgehalts einrücken. Die
Novelle zur Gehaltsordnung von 1894 versetzte die Bezirks¬
tierärzte aus der Klasse G nach F. 0. Z. 6 mit einem Gehalt
von 1000 bis 2200 M., welches letztere in 17 Jahren erreicht
werden konnte. Durch das Wohnungsgeldgesetz von 1902
wurde eine erhebliche Erhöhung des Wohnungsgeldes erreicht.
Nach der neuen Regelung vom 24. Juni d. J. sind die
Bezirkstierärzte aus der Klasse F in die Klasse D 4 versetzt
mit einem Gehalt von 1200 bis 2800 M., welches in 16 Jahren
erreicht wird; dazu werden bei der Pensionierung 700 M. wandel¬
bare Bezüge angerechnet und ebenso ein Wohnungsgeld von
900 M., so daß das höchste pensionsfähige Einkommen in dieser
Klasse sich auf 4400 M. beläuft. Ein Drittel der Bezirks¬
tierarztstellen ist jedoch in eine gehobene Klasse C 5 gebracht
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
17. Dezember 1908.
HERLINER TIERÄRZTLICHE„WOCHKNSCmiFT.
worden mit einem Gehalt von 2000 bis 3800 M., erreichbar
in 12 Jahren, einem Wohnungsgeld von 1050 M. und einer An¬
rechnung von 1000 M. Nebenbezügen bei der Pensionierung,
so daß hier das pensionsfähige Höchsteinkommen sich auf
5850 M. beläuft. Dazu treten noch außerordentliche Zulagen
in Klasse D 200 M. und in Klasse € 300 M. Der Referent
gedenkt lobend der Tätigkeit der Kommission, die von den
Bezirkstierärzten zur Vertretung ihrer Wünsche gewählt worden
ist. Er betont, daß mit dem Erfolg die Reorganisation des
Veterinärwesens in bezug auf die Stellung der beamteten Tier¬
ärzte einen voraussichtlich längere Zeit dauernden befriedigenden
Abschluß gefunden hat. Eine völlige Gleichstellung aller
Veterinärbeamten mit den Sanitätsbeamten auch in betreff des
Gehaltes ist allerdings noch nicht erreicht worden; dieser letzte
Wunsch wird einer künftigen Revision Vorbehalten bleiben
müssen.
Ein Wort zur Besetzung amtlicher Stellern
Von Amtstierarzt Kunze-Lommatzsch.
Die Erörterung dieser Frage macht sich nachgerade einmal
notwendig, nachdem speziell in Sachsen zu wiederholten Malen
bei Besetzung amtlicher Stellen Gesichtspunkte maßgebend ge¬
wesen sind, die keinesfalls den Beifall der praktischen Tier¬
ärzte finden konnten.
Früher herrschte, speziell in Sachsen zu Siedamgrotzkys
Zeiten, die Ansicht, daß zur Bekleidung einer amtlichen staat¬
lichen oder höheren städtischen Stellung ohne weiteres ganz
besonders die Militärveterinäre vorgebildet seien, gleichviel ob
sie in der Praxis gestanden, ob sie jemals Fleischbeschau aus¬
geübt hatten pder nicht« Meist hatten dieselben keins von
beiden getan, denn die einseitige Pferdepraxis bei der Truppe
kann, zumal vom Standpunkte der Seuchenbekämpfung aus, als
allgemeine praktische Ausbildung wohl nicht gelten. Ein Nicht-
Militär kam verhältnismäßig selten an die Reihe, der Militär¬
veterinär war eben der Mann für alles. Oder ist es etwa
Zufall, daß die große Anzahl Zivilstudierender aus ihren Reihen
weniger Inhaber .solcher Stellen entsandte ^als die verschwindend
geringe Zahl der Militärstudierenden? Daß diese Stellen in
der Folge natürlich Hand in Hand gingen, dafür könnte man
noch aus der letzen Zeit der Siedamgrotzkyschen Tätigkeit ein
schlagendes Beispiel anführen. Hat neuerdings das alte Vor¬
recht der Militärveterinäre zu existieren aufgehört, so findet
dennoch eine auffällige Bevorzugung, nur nach anderer Richtung
hin, statt. Zunächst die Äußerlichkeit der Promotion, die ich
als Vorbedingung gern gelten lasse für Dozenten, und welche
zu erwerben ich jedem jungen Kollegen nur empfehle, die aber
für die Tüchtigkeit unserer beamteten Tierärzte ganz ohne
BelaDg ist, denn sonst müßten die meisten unserer älteren be¬
amteten Tierärzte als nicht genügend \ tüchtig pensioniert
werden. Und doch war es gerade die promotionslose
Generation, die im Verein mit meist immaturen Hochschul¬
lehrern den Aufschwung im Veterinärwesen mit herbeiführten,
die den jüngeren Kollegen, die sicherlich nichts für die Ein¬
führung der Maturität und die Möglichkeit der jetzt so ge¬
wichtig hervorgekehrten Promotion können, als reife Frucht in
den Schoß fällt. Mit der Hervorhebung einer jetzt zufällig er¬
möglichten reinen Äußerlichkeit sanktioniert der Staat geradezu
die Zweiteilung der Tierärzte in solche erste und zweiter
Klasse, er beleidigt direkt die nichtpromovierten Kollegen,
933
indem er sie für unfähig zur Bekleidung einer amtlichen
Stellung erklärt. Wieviele Angehörige anderer Berufe, in
denen man nicht derart durch solche Äußerlichkeiten zu
imponieren sucht und braucht, wo man vielmehr den Mann nach
seinem wirklichen Werte schätzt, erklimmen auch ohne
Promotion viel höhere Rangstufen, als es uns überhaupt
möglich ist, ich erinnere nur an höchstgestellte Juristen,
Gesandte, Minister usw. Bei uns hingegen glaubt man ohne
diese Äußerlichkeit fast nicht leben zu können.
Ein weiterer Punkt, und zwar der wichtigste, ist die ganz
offensichtliche Bevorzugung der ehemaligen Hoch¬
schulassistenten. Nicht jeder hat Neigung zu solchem Amte
oder es fehlen ihm die Verbindungen zur Erlangung eines solchen.
Es sind nicht stets die tatkräftigsten Kollegen, die den Weg
in die an die Person selbst viel höhere Anforderungen stellende
Praxis scheuen und ein ruhiges und sorgenfreies Leben unter
den Fittichen der Hochschule vorziehen. Warum auch, diese
Hoehschule versorgt ja so manchen später mit einer bequemen
Existenz!*) Wenn die nötigen Jahre abgeschraubt sind, vielleicht
als Übergang noch einige Zeit Fleischbeschau ausgeübt ist, oder
auch nicht, dann ist man ja wohl heutzutage das Ideal eines
Bewerbers um eine amtliche Stellung. Daß diese meine Ansicht
auch von anderen geteilt wird, also wohl richtig ist, beweist
neben den Ausführungen des Kollegen Haupt (cf. B. T. W.
Nr. 32) unter anderem die Tatsache, daß ein Tierarzt, vor
zirka einem Dezennium approbiert, im Besitze der Promotion
und des amtlichen Examens, alles im Stiche gelassen hat und
jetzt an der Dresdener Hochschule eine mäßig bezahlte Assistenten-
Btelle bekleidet. Warum? Doch nicht etwa, um sich in dem
betreffenden Fache, in welchem nach Lage d^ Falles ein Weiter¬
arbeiten oder Nutzen für später so gut wie ausgeschlossen ist,
weiter auszubilden! Wer weiß es, die Zukunft wird es lehren,
wir werden ja sehen! Einstweilen jedenfalls berechtigt das
Geschehene zu eigenen Gedanken. Denn vor einigen Jahren
avancierte ein Assistent desselben Instituts unter ähnlichen
Verhältnissen kurzerhand zum Königlich Sächsischen Bezirks¬
tierarzte, auch ohne die nötigen praktischen Erfahrungen.
Oder, so möchte ich mit Haupt fragen, hält man einen Assistenten
eines Hochschulinstituts z. B. auch desjenigen für Tierzucht,
ohne weiteres für geeignet, eine solche Stelle einzunehmen?
Man kann sich dessen Klage, daß zuweilen recht wenig geeignete
Persönlichkeiten den Vorzug erhalten, nur anscbließen. Sollte
da die Aussicht, daß die Assistentenstellung das Sprungbreit
zum beamteten Tierarzte bildet, nicht verlockend genug sein,
um den dargelegten Rückschritt zu machen!
Es wäre schlimm, wenn die Professoren unserer Hoch¬
schulen sich den nötigen Nachwuchs an Assistenten dadurch
sichern müßten, daß man ihnen in Aussicht stellt, als Entgelt
für ihre Dienste die beamteten Tierärzte aus ihren Reihen zu
wählen; nebenbei auch ungerecht, da man doch beim besten
Willen nicht alle unterbringen kann. Ist die Aussicht, als
♦) Jeder wirkliche oder vermeintliche Übelstand mag öffentlich
besprochen werden und jede solche Besprechung, die sich durch
ihren Charakter qualifiziert, findet in der B. T. W. eine Stätte.
Aber ich muß hier doch Verwahrung dagegen einlegen, als ob die
Bequemlichkeit das reguläre Zugmittel für Bewerbungen um
Assistentenstellen wäre. Ich denke, es ist doch wohl ein gewisser
Drang nach Fortbildung (Ausnahmen kommen vor). So bequem
sind auch die Assistentenstellen gar nicht, von der „Bezahlung“ (?)
ganz abgesehen. S.
934
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 51.
Assistent sich in einem zusagenden Fache besonders auszubilden,
bei der Promotions- oder amtlichen Arbeit die Hilfsmittel der
verschiedenen Institute, die Bibliothek usw. der Hochschule so¬
fort zur Hand zu haben, nicht Zugmittel genug, dann mag man
einfach die Bezahlung erhöhen, statt umgekehrt sich zum
Schaden anderer zu verpflichten. Daß man jetzt in besser
bezahlte Stellen vielfach unter Beiseiteschiebung älterer d. h.
im richtigen Alter stehender Kollegen zu junge, zum Teil recht
unerfahrene Tierärzte, die versorgt werden möchten, wählt, ist
von anderer Seite an dieser Stelle mit Hecht schon gerügt
worden. Es gibt nicht wenige Fälle, in denen sicher der
Untergebene dem Vorgesetzten über war. Wohin aber soll das
führen? Soll eine solche absichtliche Kränkung eines großen
Teiles unserer Tierärzte durch offensichtliche Bevorzugung
Einzelner dem Ganzen zum‘Gedeihen gereichen? Mit nickten,
das gerade Gegenteil ist der Fall! — Wenn ich behaupte, daß
nur derjenige Tierarzt zur Abgabe eines der fachmännischen
Kritik standhaltenden Gutachtens ev. Obergutachtens im Gebiete
der Fleischbeschau oder der kurativen Praxis mit Einschluß
der Seuchenbekämpfung fähig ist, der die dazu erforderliche Er¬
fahrung besitzt, so wird mir wohl jeder recht geben. Gründliche
Erlernung der Fleischbeschautechnik usw. an einem größeren
Schlachthofe, die anschließende Beurteilung der zum Teil recht
schwierigen Notschlaclitungen in Verbindung mit umfangreicherer
kurativer Praxis während eines möglichst langen Zeitraumes,
nicht etwa nur ein Jahr oder gar Monate, sind die unerläßliche
diesbezügliche Vorbedingung. Man bedenke, daß der beamtete
Tierarzt bei divergierenden Gutachten von den Gerichten oft
als Obergutachter angerufen wird und in Fleischbeschauangelegen¬
heiten überhaupt die letzte Instanz bildet. Die älteren unserer
beamteten Tierärzte werden dem Werdegange unserer noch
jungen FleischbeschauwissenBchaft durch Selbststudium* gefolgt
sein, unterstützt von ihrer praktischen Erfahrung. Von einem
jungen angehenden beamteten Tierärzte dagegen muß man mit
allem Nachdruck fordern, daß er die nötige praktische
Erfahrung in Praxis und Fleischbeschau unbedingt
mitbringt. Wird er den oben angegebenen Bedingungen nicht
voll und ganz gerecht, dann ist er für solche Stelle nicht
genügend qualifiziert, dann gehört er eben nicht dorthin. Es
darf keinesfalls mehr geduldet werden, daß die Herren Kollegen
nach ihrer Anstellung erst sich die fehlende und doch so nötige
Erfahrung aneignen wollen bzw. müssen, nicht zuletzt auf Kosten
der umwohnenden Privattierärzte. Wie darf der neuangestellte,
noch unerfahrene beamtete Tierarzt, der bisher hinter Schlacht¬
hof- oder Hochschulmauern ein von den Mühen und Beschwerden
aber auch den Problemen der Praxis unberührtes, sorgsam be¬
hütetes beschauliches Dasein führte, beurteilen, ob die Ansicht
des wohlerfahrenen älteren Praktikers betreffs einer Not¬
schlachtung oder einer Seuche, die der jüngere vielleicht noch
nie allein gesehen, die richtige ist! Bei Seuchen, die der be¬
treffende anzeigende Privattierarzt wohl fast immer bereits fest¬
gestellt hat, mag das Dilemma ja nicht allzu gefährlich sein,
anders in der kurativen Praxis. Man kann getrost behaupten,
daß alle diese Bedingungen bei den meisten Neuanstellungen
speziell in Sachsen m. v. w. nicht erfüllt worden sind.
Auch die Besetzung der Stellen der Sachverständigen bei
der staatlichen Schlachtviehversicherungsanstalt fand in Sachsen
wenig Verständnis, zumal als man den Fehler machte, an die
zweite Stelle wiederum einen Herrn, noch dazu von jungen
Jahren, zu wählen, der keine Erfahrung aus der Praxis betreffs
Notschlachtungen mitzubriugen hatte und doch über die
Beurteilung der im Lande vorgekommenen zu Gericht sitzen
soll. Fehler kann man machen, aber man soll dieselben nicht
in verstärktem Maße wiederholen. Völlig fern liegt es mir, den
betreffenden Herren aus dem Mangel an vorheriger Praxis einen
Vorwurf machen zu wollen, sie selbst werden nicht zum
wenigsten darunter zu leiden gehabt haben. Diese Stellen
sollten älteren, geeigneten Praktikern, die nach den Beschwer¬
nissen langjähriger Praxis noch einige Jahre ruhiger Arbeit
leben und auch einmal die angenehmen Seiten des Lebens kennen
lernen wollen, eventuell unter Modifizierung der Pensionsver¬
hältnisse unbedingt Vorbehalten bleiben. Ich glaube, es gäbe
deren genug.
Aus vorstehendem ergibt sich eigentlich von selbst, welche
Gesichtspunkte bei Besetzung amtlicher Stellen maßgebend sein
sollten; doch das sind nicht alle. Man nehme sich die Mühe, die
vorhandenen Anwärter auf ihre Geeignetheit zu prüfen, man wähle
unter ihnen einen ans. Man schreibe ferner offene Stellen, statt
in dem von keinem Tierärzte gelesenen Regierungsblatt, in einer
tierärztlichen Fachzeitung aus oder wenigstens in der am meisten
gelesenen gleichzeitig mit aus, wie es mit den preußischen
Stellen schon geschieht, sonst gelangt die Vakanz nur zur
Kenntnis der in der Zentrale wohnenden oder auf irgendeine
andere Weise mit ihr in Verbindung resp. Fühlung stehenden
Tierärzte. Der Provinztierarzt, zumal der nicht inkorporiert
gewesene, erfährt natürlich nichts. Doch nicht nur die Fähig¬
keit, auch das Verdienst entscheide bei der Wahl, die
am besten aus mancherlei Gründen, zumal in Sachsen, eine
solche ohne vorgängige Ausschreibung und Bewerbung ist.
Man spricht vom dankbaren Vaterlande! Jeder noch so
kleine Beamte, der eine oft weniger verantwortungsvolle,
doch meist angenehmere Position innegehabt, als der
praktische Tierarzt, hat ein Recht auf diesen Dank in Form
seiner Pension. Anders der praktische Tierarzt. Dieser darf
zeitlebens, Tag und Nacht und tagtäglich, Sonn- und Feiertage
inbegriffen, für das Wohl der vaterländischen Landwirtschaft und
Erhaltung des Nationalvermögens tätig sein, bis er nicht mehr
kann. Und das auch noch unter ständiger Gefährdung seiner
Gesundheit und seiner Person überhaupt, unter Verzicht auf
so manchen Lebensgenuß bis an das Ende seiner Tage, da
nicht genügend hohes Einkommen ein früheres Aufgeben der
Berufstätigkeit unmöglich machen. Noch mehr, der Praktiker
soll z. B. auf Anordnung der Behörde durch Belehrung bei
jeder sich bietenden Gelegenheit über Verhütung von Krank¬
heiten usw. sogar den Ast, auf den er oft recht notdürftig sich
gegen die Stürme des Lebens behauptet, höchst eigenhändig
absägen. Dabei wird die Praxis täglich geringer, dank der viel
zu weit gehenden Aufklärung oder richtiger der Anleitung zum
Selbstkurieren, die unsere als Lehrer an landwirtschaftlichen
Schulen tätigen Kollegen zum Teil geben. In Sachsen speziell
fällt es außerdem fast keinem Besitzer seit Einführung der
staatlichen Schlachtviehversicherung ein, sich auf eine längere
Behandlung von Rindern oder Schweinen einzulassen.
Dies alles zeitigt einen Konkurrenzkampf, der gerade von
jüngeren Tierärzten, zum Teil mit unnötiger Schärfe, bisweilen
sogar mit unfairen, die Allgemeinheit und das Standesansehen
schwer schädigenden Mitteln geführt wird. Dazu hat man bis
vor kurzem die Überproduktion an Tierärzten künstlich gefördert.
17. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
935
Man möge also in erster Linie Tierärzte wählen, die sich um
die heimische Landwirtschaft verdient gemacht haben, man
verpflichte sich nicht gegenüber den Hochschul-Assistenten,
sondern zahle lieber besser, man halte sich frei auch von allen
anderen Rücksichten, man hole sich den Ersatz, gleich unserem
Heere, wieder aus der Provinz und räumt im übrigen bei sonst
gleicher Tüchtigkeit dem verdienten Kollegen den Vorzug
ein. Denn wenn auch leider bei uns noch nicht gesetzlich, so
ist der Staat doch zweifellos moralisch verpflichtet, sich denen
gegenüber, die ihre besten Lebensjahre, ihre beste Kraft unter
steten Mühen und Gefahren in aufopferungsvoller Weise für das
Allgemeinwohl eingesetzt haben, wenigstens einigermaßen
dankbar zu erweisen. Nicht beiseite geschoben wollen wir sein,
wir mögen ebenso wenig einige Wochen vor unserem Ende
einen Titel oder Orden haben, nein, wir wollen Taten sehen in
der obenbezeichneten Richtung neben Maßregeln anderer Art,
auf die ich ein anderes Mal zurttckkomme. Dann wird die Wahl
die jetzt so sehr zurückgestellten Praktiker auch befriedigen
und auch beim großen Publikum Verständnis finden, wo dies
jetzt meist nicht der Fall war, weil man vergebens nach einem
besonderen Grunde, nach einer großen Tat der gewählten
jüngeren Herren und einem Verschulden der übergangenen
älteren suchte.
Tut man das nicht, sondern schreiten die maßgebenden
Stellen auf dem eingeschlagenen Wege weiter, dann wird bald
auch bei uns eine tiefe Unzufriedenheit und ein Klassenhaß
großgezogen werden, wie er Ende Juli a. c. in einem Artikel
der Nationalliberalen Korrespondenz wegen der offensichtlichen
Bevorzugung des Adels bei Besetzung höherer preußischer
Verwaltungsstellen zum Ausdruck kam. Am Schlüsse führte der
betreffende Schreiber aus: „Der Wunsch der Unzufriedenen geht
ja, so weit man sieht, auch nur dahin, daß bei gleicher
Tüchtigkeit und gleicher Pflichttreue der Bürgerliche dem
Adeligen nicht nachstehe und daß weiter innerhalb des
Bürgertums nicht in ungerechter Weise der den obersten
Schichten durch studentische oder andere persönliche Be¬
ziehungen nahestehende Teil bevorzugt werde.“ Diese Worte
kann man bei sinngemäßer Anwendung voll und ganz unter¬
schreiben, ja man muß dies sogar tun, weil keiner unserer
neuen beamteten Herren ein sogenannter „gewöhnlicher Bürger¬
licher“ ist, sondern die eine oder die andere der der Bevorzugung
unterliegenden Eigenschaften besitzt.
Zum Schlüsse möchte ich bemerken, daß es mir weder um
dabei beteiligte „bevorzugte“ Personen noch um egoistische
Motive zu tun war. Nein, nur das bisher geübte Verfahren be¬
mängele ich, im Interesse des Friedens und der Ermöglichung
eines gedeihlichen Zusammenarbeitens der beamteten und der
praktischen Tierärzte möchten in Zukunft andere Gesichtspunkte
maßgebend werden.
Vorbildung der Zahnärzte.
Nach Zeitungsmeldungen ist die Steigerung der zahnärzt¬
lichen Vorbildung nunmehr beschlossene Sache. Mehrfach ist
irrtümlich angenommen worden, daß die Universitätsreife schon
eingeführt worden sei (eine solche Mitteilung hat sich auch in
der B. T. W. befunden). Dies ist nicht der Fall; man hatte
sich nur über diese Forderung in maßgebenden Instanzen ge¬
einigt. Der Bundesratsbeschluß, durch den die Einführung
perfekt wird, steht noch aus und wird gleichzeitig eiue neue
Prüfungsordnung zur Einführung bringen, die dem Bundesrat
bereits vorliegt. Die Studiendauer soll auf sieben Semester
festgesetzt werden; auch ist dem Vernehmen nach außerdem
die Einführung eines praktischen Semesters beabsichtigt.
Ausbildung der Nahrungsmittelchemiker
Mit Rücksicht auf schwebende Fragen wird es für die
tierärztlichen Leser von Interesse sein, zu erfahren, welche An¬
forderungen an die Vorbildung der Nahrungsmittelchemiker gestellt
werden. Chemiker, die die Befähigung zum Nahrungsmittel¬
chemiker erhalten wollen, müssen nach Ablegung des Doktorexamens,
das unerläßliche Vorbedingung ist, noch zwei Semester studieren und
dann eine Vorprüfung ablegen, auf Grund deren sie zu den
staatlich autorisierten Vorbereitungsanstalten zugelassen werden;
dort müssen sie drei Semester praktisch tätig sein und können
sich dann der Prüfung als Nahrungsmittelchemiker unterziehen.
Diejenigen Apotheker, die das Staatsexamen mit „Sehr gut“
bestanden haben, können auch ohne Universitätsreife Nahrungs¬
mittelchemiker werden, wenn sie nach dem Apothekerexam* n eine
9semestrige Vorbildung durchmachen, und zwar sechs Semester
Universitätsstudium und drei Semester praktische Tätigkeit an einer
staatlich zur Vorbildung von Nahrungsmittelchemikern autorisierten
Anstalt. Danach können sie sich der Prüfung als Nahrungsmittel¬
chemiker unterziehen, ohne daß sie die Vorprüfnng abgelegt und
promoviert haben.
Demonstration offener Tuberkulosefälle der Landwlrtsohaftskammer in
Königsberg.
Im Anschluß an die Versammlung des Vereins der ostpreußischen
Tierärzte und einen dort von dem Leiter des bakteriologischen
Instituts der Landwirtschaftskammer, Herrn Dr. Müller gehaltenen,
vorbereitenden Vortrag fand am nächsten Tage die Vorführung von
19 mit Lungen-, Gebärmutter-, Euter- und Darmtuberkulose behafteten
Rindern auf dem Schlachthofe statt, die lebhaftes Interesse erweckte,
wie die Zahl zum Teil aus großer Entfernung herbeigeeilter Kollegen
bewies. Und ihre Erwartung wurde, wie alle übereinstimmend
anerkannten, nicht getäuscht, jeder hat etwas Neues gelernt und
dankbar mit nach Hause genommen.
Die Veranstaltung war in der Art getroffen, daß sämtliche
Rinder in zwei Reihen mit zur Untersuchung genügend weiten Ab¬
ständen angebunden waren. Vor jedem Tiere war auf einer ange¬
nagelten Papptafel der genaue klinische Befund verzeichnet, z. B.
Lungentuberkulose, sakkadiertes Atmen, links oben knarrendes
Geräusch, rechts Piepsen, Euter so und so verändert usw., so daß
jeder in der Lage war, die Befunde schnell selbst aufzunehmen und
seine eigenen Wahrnehmungen, wenn nötig, zu verbessern. Durch
diese buchstäbliche Festnagelung der klinischen Befunde, die bei
so vielen Tieren niemand hätte im Gedächtnis behalten können,
war es auch jedem Teilnehmer möglich, nach der erfolgten
Schlachtung die Genauigkeit der bei Lebzeiten gestellten Diagnose
naebprüfen zu können.
Es wurde nach der Tötung bei jedem Rinde die dazu gehörige
Tafel laut verlesen und es ergab sich eine verblüffende Überein¬
stimmung der Befunde. Selbst einzelne kleine Herde in den Lungen
waren mit Sicherheit ermittelt worden. Bei einer sehr fetten Kuh,
die lediglich mehrmals umgerindert batte, war uns das Vorhanden¬
sein charakteristischen, mit Flocken versehenen Zervikalscbleims
mittelst Entnahme durch den Scheidenlöffel demonstriert worden;
die Tafel gab nur Gebärmuttertuberkulose als vorliegend an. Bei
der Obduktion wurde tatsächlich auch nur eine solche gefunden
nebst wenigen alten Herden in den Mediastinaldrüsen. Daß es nicht
unmöglich ist, flockenhaltiges Sputum mittelst des Scheidenlöffels
zur bakteriologischen Untersuchung zu gewinnen, wurde uns praktisch
bewiesen, an einem Tiere wurde die Harpunierung des Euters
gezeigt.
Kurz, es gab vieles zu sehen und zu hören. Zu bedauern war
nur, daß es in der bis zum Abgang der Züge zur Verfügung stehen¬
den Zeit nicht möglich war, die einzelnen Fälle mit Muße noch mehr
auszunutzen.
936
No. 51.
B ERLINER TIERAEZTLICHE W OCHENSCHKI^T.
Alle anwesenden Kollegen waren darüber einig, daß die Land-
wirtscbaftskammer und deren Vertreter, unser Berufsgenosse, Herr
Dr. Müller, der Tuberkulosetilgung durch diese mit sehr großen
Geldopfern verknüpften alljährlichen Vorführungen und die damit
verbundene Vertiefung der Kenntnisse der Sachverständigen große
Dienste leisten. Beiden darf ich wohl an dieser Stelle für das, was
sie uns Teilnehmern gütigst geboten haben, unseren aufrichtigen
Dank abstatten. Dr. .Johann-Bütow i. P.
60. ordentliche Generalversammlung des tierärztlichen
Vereins von Unterfranken und AsehafFenburg.
Zu der auf Sonnabend, den 19. September, früh IO 1 /* Uhr im
Bahnhofhotel zu Würzburg anberaumten 60. ordentlichen General¬
versammlung waren die Mitglieder aus allen Teilen Unterfrankens in
der stattlichen Zahl von 32 Kollegen erschienen, nämlich Bauer-
Dettelbach, Besenbeck-Mellrichstadt, Brohm-Alzenau, Fried-
rich-Wemeck, Garrecht-Karlstadt, Göpfert-Eltmann, Gold¬
mann - Königshofen, Grottenmüller - Stadtlauringen, Grün- Königs¬
hofen, Gutbrod-Schweinfurt, Härtlc-Aschaffenburg, Handschuh-
Obernburg, Hauck-Wttrzburg, Hockh-Kissingen, Hofmann-
Volkach, Huß-Gemünden, Kamm- und Klingler-Neustadt a. H.,
KÖrber-Schweinfurt, Lechle-Aub, Lenz-AsehafFenburg, Miller-
Brückenau, Dr. Reis in ger-Amorbach, Ritzer-Bütthard, Schäfer-
Schöllkrippen, Schwaimair - Haßf urt, S t a u d i n g e r - Lohr, S t e n g e r -
Würzburg, Summa-Münnerstadt, Vill-Gerolzhofen, Weißgerber-
Hofheim und Zießler sen.-Kitzingen.
Als Vertreter der k. Kreisregierung war anwesend Herr
k. Kreistierarzt Schneider, als liebe Gäste konnte der Verein in
seiner Mitte begrüßen die Kollegen Louis-Neustadt a. H., Hitt-
linger-Hanau, Sand-Uffenheim und Dr. Regn-Volkach.
Der Vorstand, Stenger, hieß alle Erschienenen, insbesondere
den Vertreter der k. Kreisregierung, Herrn k. Kreistierarzt
Schneider und die Gäste herzlichst willkommen, er gedachte
sodann mit ehrenden Worten der im vergangenen Jahre gestorbenen
Mitglieder Loos und Fröber, zu deren Andenken sich die An¬
wesenden von ihren Sitzen erhoben.
Hierauf erstattete er eingehend Bericht über die Tätigkeit, des
Vorstandes im letzten Jahre, insbesondere in der Angelegenheit der
Gehaltsaufbesserung und anderer Standesfragen; die Versammlung
hieß einhellig die unternommenen Schritte gut.
Die vom Kassierer Garrecht vorgetragene Rechnung schließt
bei 468,29 M. Einnahmen und 237,26 M. Ausgaben mit einem Aktiv¬
rest von 231,03 M. ab, so daß der bisherige Jahresbeitrag von
3 M. auch fernerhin genügt.
Die durch Miller und Vill vorgenommene Prüfung gab zu
Beanstandungen keinen Anlaß.
Beschlossen wurde, von Kollegen, die aus anderen Kreisvereinen
übertreten, eine Beitrittsgebühr nicht zu erheben, beschlossen wurde
ferner, sich den Beschlüssen der tierärztlichen Gesellschaft 211
Berlin anzuschließen, wonach besondere Vorlesungen über die
gesamte animalische Nahrungsmittclkunde an den tierärztlichen
Hochschulen ein zeitgemäßes und dringendes Bedürfnis seien. An¬
gefügt wurde noch, daß auch eine Prüfung in diesem Fache er-
j wünschenswert sei.
| Die bekannt gewordene Notlage einer Bezirkstierarztwitwe
, gab dem Vorsitzenden berechtigten Anlaß, allen jüngeren Kollegen
dringend den Beitritt zu dem so segensreich wirkenden, tierärztlicheil
Unterstützungsverein ans Herz zu legen.
I Bei der anschließenden Wahl wurde zum Schriftführer Gutbrod
| gewählt, als Delegierter zum Obermedizinalausschnß Stenger,
; als Vertreter Gutbrod, in den Initiativausschuß Stenger, Gar-
recht, Gutbrod, Härtle und Staudinger, als Ersatzmänner
Handschuh, Huß und Lenz.
Sodann erstattete Dr. Reißin ger einen einstündigen, hoch-
i interessanten Vortrag über „chronische Erkrankungen des Sprung-
gelenks“. Die Demonstration guter Photographien und sehr hübscher
Knochenpräparate unterstützte wirksam den Vortrag.
Wegen vorgerückter Zeit mußte zum lebhaften Bedauern vieler
Kollegen das zweite Referat über Erfahrungen über Tollwut auf
die nächste Gauversammlung verschoben werden.
Anschließend an die Sitzung fand ein gemeinsames Mahl statt,
bei dem der Vorsitzende Gelegenheit nahm, in herzlicher Weise
verschiedener Jubilare zu gedenken, zum ersten des Vereins, der
vor 60 Jahren, im Sturm- und Drangjahre 1848 gegründet wurde,
dann des leider abwesenden Kollegen Hollenbach, der heuer
sein 50jähriges Jubiläum als Tierarzt feiern konnte, endlich der
Mitglieder Hauck und Zießler, die vor 40 Jahren, und Besen¬
beck und Härtle, die vor 25 Jahren ihre Studien vollendeten.
An Hollenbach wurde ein Glückwunschtelegramm gesandt,
ein telegraphischer Abschiedsgruß auch an den bisherigen Schrift¬
führer Nuss er, jetzt in Berneck.
Nach dem exquisiten Mahle erfolgte ein Bummel durch die
elegant belebten Straßen Wttrzburgs, dem sich ein für viele Kollegen
leider zu früh endender Dämmerschoppen anschloß. Gutbrod.
Wiesbadener Verein.
Der Verein der Tierärzte des Regierungsbezirks Wiesbaden
hat in seiner General-Versammlung zu Frankfurt a. M. am
28. November d. J. nachstehende Resolution angenommen: „Der
Verein der Tierärzte des Regierungsbezirks Wiesbaden drückt
dem tierärztlichen Verein für Schleswig-Holstein seine volle
Sympathie aus und sagt tatkräftige Unterstützung zu/
In der sehr lebhaften Diskussion wurde die Erwartung aus¬
gesprochen, daß das Vorgehen des schleswigschen Vereins zu
keiner Spaltung in der tierärztlichen Standesvertretung führen
dürfe, sondern nur die durchaus notwendige Schaffung eines
Presse-Bureaus schon vor Zusammentritt des Deutschen Veterinär¬
rates bewirken solle.
Der Verein der Tierärzte des Regierungsbezirks Wiesbaden:
I. A.:
Siinmerinacher, stellvertr. Vorsitzender.
Staatsveterinärwesen.
Redigiert von Veterinärrat Preuße.
Jahresbericht Aber die Verbreitung der Tierseuchen
im Deutschen Reiche 1907.
Der 22. Jahrgang des Jahresberichtes über die Verbreitung
von Tierseuchen im Deutschen Reich, welcher das Jahr 1907
umfaßt, ist nunmehr im Verlage von Julius Springer ln
Berlin erschienen. Der Inhalt und seine Anordnung ist die
gleiche wie in den früheren Jahrgängen. Das statistische und
Tabellenmaterial ist ein sehr umfangreiches. Besonders sorg¬
fältig bearbeitet ist wiederum das Kapitel Gesetze und Ver¬
waltungsverordnungen auf dem Gebiete der Veterinärpolizei und
verwandter Gebiete im In- und Auslande. Dem Bericht an¬
gehängt sind 4 kartographische Darstellungen über Häufigkeit
- der Tollwutanfälle unter den Händen, der Häufigkeit von Rotz-
fallen unter den Pferden, der Verbreitung der Maul- und Klauen¬
seuche und der Verbreitung der Schafräude, welche uns in sehr
instruktiver und übersichtlicher Weise über die Ausbreitung der
genannten Seuchen im Jahre 1907 informieren.
Aus dem Inhalt des Jahresberichtes ist folgendes zu ent-
! nehmen:
Allgemeines:
Von den der Anzeigepflicht unterliegenden Seuchenkrank-
! heiten der Haustiere sind sämtliche bis auf die der Rinderpest
und die Beschälseuche zur Beobachtung gekommen. Es sind
insgesamt erkrankt 1473 Pferde, 12 986 Rinder, 560 Schafe,
17 Ziegen, 167 882 Schweine und 66 093 Geflügel, außerdem
1 Hund an Milzbrand, 700 Hunde und 3 Katzen an Tollwut.
17. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
937
Es sind dies 5,5 Proz. weniger Erkranknngen von Pferden,
5,3 Proz. weniger von Rindern, 7,5 Proz. weniger von Schweinen
und 12,3 Proz. weniger von Geflügel. Bei Schafen und Ziegen
hat sich nicht viel geändert. Bei Hunden kamen 14,7 Proz.
mehr Erkrankungen zur Kenntnis. Die Zahl der an Maul- und
Klauenseuche, Schafpocken und Schafräude erkrankten Tiere
ist nicht bekannt, dagegen die Zahl der Tiere in den durch die
genannten Seuchen betroffenen Gehöfte. Diese Zahlen waren
bis auf die Ziegen durchweg höher wie 1906, bei Rindern
154,5 Proz., bei Schafen 58,3 Proz., bei Schweinen 74,6 Proz.
Abgesehen von den durch Maul- und Klauenseuche, Bläschen¬
ausschlag, Räude der Pferde und Schafe verursachten Ver¬
luste sind an Seuchen gefallen oder getötet 589 Pferde, 7178
Rinder, 772 Schafe, 17 Ziegen, 126 932 Schweine und 66 093
Stück Geflügel. Dies ist im allgemeinen weniger wie 1906, die
Differenz ist am größten beim Geflügel, hier beträgt sie 12,3 Proz.,
bei Schweinen 5,5 Proz. Auf je 10 000 nach der Zählung vom
1. Dezember 1904 vorhandenen Tiere der betreffenden Art ent¬
halten.
erkrankte gefallen oder getötet
1907 0906* 1907 (1906)
Pferde . 3,45 (3,65) 1,38 (1,39)
Rinder . 6,72 (7,10) 3,71 (3,79)
Schafe . 0,71 (0,69) 0,98 (0,82)
Ziegen . 0,05 (0,05) 0,05 (0,05)
Schweine. 88,73 (95,98) 67,09 (70,99)
Geflügel. 10,24 (11,67) 10,24 (11,67)
Von je 10 000 vorhandenen Tieren entfallen nachweislich
12,41 (4,88) Rinder, 125,35 (79,16) Schafe, 0,40 (0,76) Ziegen
und 6,97 (3,99) Schweine auf die durch Maul- und Klauenseuche,
Pockenseuche und Schafräude neu betroffenen Gehöfte. An Ent¬
schädigungen wurden auf Grund reichsgesetzlicher Bestimmungen
zusammen 247 639,79 M. gezahlt, 16,7 Proz. mehr wie 1906, auf
Grund landesgesetzlicher Bestimmungen 2240784,84 M., 20 Proz.
mehr wie 1906.
Die durch die Schätzung verursachten Kosten, für Ver¬
nichtung von Stallutensilien und sonstige Unkosten verursachten
Ausgaben sind hierbei nicht mitgerechnetj,
Fälle von Übertragung auf Menschen sind bei Milzbrand,
Tollwut, Rotz, Maul- und Klauenseuche, Schweinerotlauf und
Pferderäude gemeldet worden.
Im Jahre 1906 (für 1907 liegen noch keine Angaben vor)
wurden folgende gerichtliche Verurteilungen wegen Zuwider¬
handlungen gegen die zur Abwehr und Unterdrückung von Tier¬
seuchen erlassenen Bestimmungen durch deutsche Gerichte aus¬
gesprochen! 720 wegen Vergehen gegen § 328 Str. G. B. und
20 wegen Vergehen gegen die zur Abwehr der Rinderpest er¬
lassenen Einfuhrverbote. Die wegen Übertretungen verhängten
Strafen sind nicht mitgeteilt.
Der Milzbrand im Jahre 1907.
Im Vergleich zum Vorjahre sind 0,72 Proz. weniger Er¬
krankungsfälle an Milzbrand vorgekommen und sind 1,09 Proz.
weniger Gehöfte betroffen worden. Es sind erkrankt 127 Pferde,
5343 Rinder, 492 Schafe, 14 Ziegen und 205 Schweine, zu¬
sammen 6181. Von diesen sind 2,7 Proz. wieder genesen, die
Sterblichkeit betrug demnach 97,3 Proz. Es sind in 4204 Ge¬
meinden usw. und 5000 Gehöften Fälle an Milzbrand festgestellt
worden. Die meisten Erkrankungen fallen auf die ersten beiden
Vierteljahre. In 309 Kreisen kamen Milzbranderkrankungen
überhaupt nicht vor. Von Bundesstaaten blieb nur Mecklenburg-
Strelitz milzbrandfrei.
Die größte räumliche Verbreitung zeigte die Seuche in dem
Regierungsbezirk Schleswig (305 Gemeinden und 445 Gehöfte),
Posen (191 und 212), Breslau (182 und 204) und Liegnitz
(164 und 177), sowie in den Kreisen Steinburg (49 und 89),
Pinneberg (37 und 67), Lebus (34 und 36), Dippoldiswalde
(33 und 42), Rendsburg (31 und 40) und Wolfenbüttel (30
und 37). In 20,7 Proz. aller betroffenen Kreise verseuchte
nur je 1 Gehöft. Hohe Erkrankungsziffern weisen auf die
Regierungsbezirke Schleswig (506), Posen (309), Düsseldorf
(294), Merseburg (249) und Stettin (247), sowie die Kreise
Pyritz (147) Steinburg (110), Halle (71), Pinneberg (67),
Cleve (66), Mosbach (55) und Tecklenburg (54). In 18,6 Proz.
aller betroffenen Kreise kam nur je ein Erkrankungsfall vor, und
in 87,3 Proz. aller betroffenen Gehöfte.
Unter je 1000 nach der Zählung vom 1. Dezember 1904
vorhandenen Tiere sind erkrankt: 0,30 Proz. Pferde, 2,76 Rinder
0,62 Schafe, 0,04 Ziegen und 0,11 Schweine.
Von ausländischen Staaten hatten viele Milzbrandfälle zu
verzeichnen: Österreich, hier kamen die meisten Fälle in den
drei Monaten August, September, Oktober vor; Mitte September
waren 37 Gehöfte betroffen; Ungarn mit ebenfalls sehr starker
Verseuchung in den Sommer- und Herbstmonaten, auch hier fiel
die größte Zahl der gleichzeitig betroffenen Gehöfte, 437, auf
die dritte Septemberwoche; Rumänien, hier erkrankten 15 Pferde,
291 Rinder und 177 Schafe. Die Zahl der erkrankten Tiere
betrug in Rußland 46 636, davon entfallen allein 40 273 auf das
europäische Rußland; in Bosnien und Herzegowina erkrankten
38 Pferde, 384 Rinder und 108 Schafe, in Serbien 7 Pferde,
70 Rinder und 28 Schafe; in Bulgarien wurden 46 Ortschaften
durch Milzbrand betroffen. Die Zahl der erkrankten Tiere
betrug in Italien 2925, in der Schweiz 418; in Frankreich ver¬
seuchten 457 Gehöfte, in Großbritannien 1095 mit 1494 Er¬
krankungen. In Belgien erkrankten 688 Tiere, in den Nieder¬
landen 471, in Norwegen 503; in Dänemark wurden 146 Ställe,
in Schweden 219 Ställe neu betroffen. Der Milzbrand ist also
überall in Europa ziemlich stark verbreitet gewesen.
Eine direkte Einschleppung des Milzbrandes aus dem Aus¬
lande nach Deutschland wurde in keinem Falle nachgewiesen.
Je eine Milzbranderkrankung in zwei württembergischen Ober¬
amtsbezirken wurde mit der Einschleppung des Ansteckungs¬
stoffes durch ausländische Tierhäute in Verbindung gebracht.
Die Verfütterung russischer Kleie wurde in mehreren Fällen als
Anlaß zu Milzbranderkrankungen beschuldigt, desgleichen andere
russische und amerikanische Futtermittel, insbesondere russisches
Gerstenschrot. Auch Baumwollensamenkuchen, Sesamölkuchen,
Baumwollensamenmehl werden als Träger des Ansteckungsstoffes
beschuldigt. In einem Gehöft in Mecklenburg - Schwerin, in
welchem vorher niemals Milzbrand vorgekommen war, ereigneten
sich plötzlich nach Verabreichung von Baumwollensamenmehl
unter dem Jungvieh mehrere Milzbrandfälle. Der erste Fall
trat bereits 30 Stunden nach Verabreichung des Futtermittels
ein. Nach dem Auf hören der Verfütterung des verdächtigen
Mehles traten weitere Erkrankungen nicht auf. Bei der
bakteriologischen Untersuchung des Baumwollensamenmehls
konnten Milzbrandkeime nicht nachgewiesen werden. In zehn
Fällen waren die mit Milzbrand behaftet befundenen Tiere
938
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 51.
bestimmt oder doch wahrscheinlich erkrankt oder angesteckt, als
sie in den Besitz der betreffenden Eigentümer gelangten.
Im Regierungsbezirk Magdeburg erkrankte ein Ochse vier.
Tage nach der Impfung mit Pasteurschem Milzbrandimpfstoff.
In einem württembergischen Oberamtsbezirk wurden zwei
Seuchenfülle auf die Verfütterung infizierten Heues aus dem
Schmeie-Gebiet zurückgeführt. Durch Verfütterung von Grün-
utter einer infizierten Wiese traten drei Erkrankungen in einem
Gehöft im Kreise Dessau auf. Heu von Wiesen aus dem Über¬
schwemmungsgebiet der Elbe veranlaßte mehrere Milzbrandfälle
in den Kreisen Dessau und Zerbst. Im Kreise Köthen trat der
Milzbrand unter den Schafen eines Gehöftes auf, als ein Brunnen,
der vor mehr als zehn Jahren anläßlich einer Milzbrandepizootie
geschlossen worden war, vom neuen Pächter wieder in Be¬
nutzung genommen wurde. Die Erkrankungen hörten auf, sowie
der Brunnen nicht mehr zum Tränken der Schafherde verwandt
wurde. Im gleichen Kreise verendete ein Rind an Milzbrand,
das einige Zeit vorher an einem Abdeckerwagen geleckt hatte
der gerade zum Transport eines Milzbrandkadavers gedient
hatte und in ungereinigtem Zustande vor einem Wirtshaus hielt.
Im Kreise Saargemiind verendeten plötzlich drei Rinder an
Milzbrand, die auf einer Wiese geweidet hatten, welche die
Abwässer eines Gehöftes aufhimmt, in welchem vor längerer
Zeit der gesamte Viehbestand vermutlich an Milzbrand ein
gegangen war. In einem Falle ist die Ansteckung eines Rindes
wahrscheinlich durch einen Fliegenstich erfolgt, an der Vorder¬
brust hatte sich eine typische Milzbrandgeschwulst entwickelt.
Unterlassene oder mangelhafte Ausführung der Desinfektion
wird als Ursache der Milzbranderkrankungen im Regierungs¬
bezirk Frankfurt a. 0. beschuldigt. Im Regierungsbezirk
Koblenz veranlaßte ein Viehbesitzer, der beim Vergraben eines
Milzbrandkadavers behilflich gewesen war und sich nicht
genügend desinfiziert hatte, einen Neuausbruch dieser Seuche.
Durch Blut milzbrandkranker Tiere, die im Stalle notgeschlachtet
worden waren, und welches den Fußboden infiziert hatte, wurden
mehrfach neue Milzbrandfälle verursacht, da eine genügende
Desinfektion des Fußbodens nicht stattgefunden hatte. Durch
das Blut notgeschlachteter Tiere sind auch sonst noch Ver¬
schleppungen der Seuche veranlaßt worden.
Ein sehr häufiger Anlaß zu Neuausbrüchen des Milzbrands
war die unzweckmäßige Beseitigung von Milzbrandkadavern
oder Teilen von solchen. In einem Gehöft im Kreise Rastenburg
(Ostpr.) war ein Milzbrandfall nicht erkannt worden, Blut und
Kadaverteile wurden in den Ställen und im Hofraum verstreut.
Infolge davon forderte die Seuche das ganze Jahr hindurch
immer wieder neue Opfer. Im Marienwerder Bezirk erkrankten
16 Schweine, welche von dem Fleische eines an Milzbrand ver¬
endeten Pferdes gefressen hatten. Der Schäfer, der die er¬
krankten Schweine geschlachtet hatte, verschleppte die Seuche
in den Schafstall, und erkrankten hier 5 Schafe. Auf einem
Gute im Kreise Anklam in Pommern wurde ein Sandberg zur
Gewinnung von Bausand aufgewühlt, dabei wurden zahlreiche
Knochen von Schafen und Rindern bloßgelegt. An diesen wurde
durch bakteriologische Untersuchung das Vorhandensein von
Milzbrandsporen festgestellt. 200 bis 300 m von dem Sandberg
entfernt lagen oberflächliche Schnitzel- und Rübenblättermieten.
Auf diese wurde der Sand heraufgeweht, wodurch sie vermutlich
infiziert wurden, denn es erkrankte ein Ochse dieses Gutes an
Milzbrand. Eingesäuerte Rübenblätter, die in einer Grube im
Kreise Witkowo (Posen) eingemietet worden waren, die vor
29 Jahren zur Aufnahme von Rindviehkadavern gedient hatte,
verursachten das Auftreten mehrerer Milzbranderkrankungen.
Nach dem Einstellen der Rübenblätterfütterung hörten auch die
Erkrankungen auf. In einer Gemeinde im Bez. Schleswig ver¬
endete ein Schwein, welches Bohnenkaff erhalten hatte, das von
einem Acker herstammte, auf welchem das Jahr vorher ein
Milzbrandkadaver verbrannt worden war. Es war unterlassen
worden, die durch den Kadaver infizierte Erde abzustoßen und
mitzu verbrennen. Durch Verwertung des Fleisches einer
milzbrandkranken Kuh als Hundeftitter wurde im Kreise Uslar
der Milzbrand verbreitet. Es sind auch eine Reihe anderer Fälle
mitgeteilt, welche auf die unzweckmäßige oder ungenügende
Beseitigung von Milzbrandkadavern oder von Blut solcher zurück¬
zuführen sind, sie besitzen jedoch kein besonderes Interesse.
Die Ermittlung der Seuchenausbrüche erfolgte in 158 Fällen
bei der tierärztlichen Beaufsichtigung der Schlachthäuser, der
ordentlichen und der Ergänzungsfleischbeschau, in 65 Fällen in
Abdeckereien, und in einem Falle im bayrischen Bezirk Staffel¬
stein bei einer polizeilich angeordneten Untersuchung aller durch
die Seuche gefährdeten Tiere am Seuchenorte oder in dessen
Umgebung.
An sicher ermittelten Inkubationszeiten sind angegeben
in je einem Fall 2 Tage, 3 Tage 23 Stunden, 4 Tage eine
Stunde, 5, 6, 7, und 9 Tage.
In 7 Gemeinden in Württemberg wurden 398 Rinder nacli
Pasteur geimpft. Mehrere Jungrinder und im Zahn Wechsel
begriffene Kalbinnen erkrankten nach der 1. Impfung mehr oder
weniger heftig. Die Umgebung der Impfstelle schwoll an, die
Tiere fieberten und bekundeten Schmerzen in den Extremitäten.
Verluste traten nicht ein, auch blieben die Impflinge vom
natürlichen Milzbrand verschont.
Im Kreise Bernburg wurden drei an Milzbrand erkrankte
Rinder mit Sobernheimschein Serum erfolgreich behandelt.
In Elsaß Lothringen wurden 196 Rinder, 7 Pferde und 6 Schweine
mit Pasteurschem Impfstoff erfolgreich behandelt. Erkrankungen
und Verluste kamen nicht vor.
Von Übertragungen des Milzbrandes auf Menschen wurden
156 Fälle mitgeteilt, von denen 21 also 13,4 Proz. tödlich ver¬
liefen. Über ein Drittel der erkrankten Personen waren Schlächter,
ferner 5 Abdecker, 4 Schäfer, 3 Fleischbeschauer, 2 Gerber
und andere Berufe, auch ein Tierarzt und ein Laboratoriums¬
diener sind an Milzbrand erkrankt, letzterer starb.
Die meisten Erkrankungen, 26, ereigneten sich in der
Provinz Schlesien.
Der Rauschbrand im Jahre 1907.
Auch die Rauschbranderkrankungen sind im Vergleich zum
Vorjahre an Zahl etwas zurückgegangen. Es sind in 15 Staaten
1643 Gehöfte betroffen worden und 1831 Tiere erkrankt,
5 Pferde, 1762 Rinder, 61 Schafe, 2 Ziegen und 1 Schwein,
11,3 Proz. weniger verseuchte Gehöfte und 9,6 Proz. weniger
Erkrankungen. Bis auf ein Rind sind sämtliche erkrankten
Tiere verendet oder getötet worden. Etwas weniger als die
Häfte aller Erkrankungen ereignete sich im 3. Vierteljahre,
demnächst im 2., im 4., am wenigsten im 1. Vierteljahre.
Die höchsten Erkrankungsziffern wurden wiederum aus dem
Reg.-Bez. Schleswig (719), Münster (138) und Schwaben (103)
gemeldet. Räumlich am stärksten war die Seuche im Reg.-Bez.
Schleswig verbreitet.
17. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
939
Im Auslande kamen Rauschbrandfälle vor in Österreich,
besonders zahlreich aber in Ungarn und zwar im Monat
November am stärksten, in der dritten Novemberwoche waren
172 Gemeinden und 210 Gehöfte betroffen. In Italien erkrankten
an Rauschbrand 16 Pferde und 379 Rinder. In Frankreich
wurden 753 Gehöfte betroffen, in der Schweiz 264 Gemeinden,
in welchen 921 Rinder erkrankten. In Belgien betrug die Zahl
der betroffenen Gehöfte 200, die der erkrankten Tiere 299. In
anderen Staaten kamen nur wenige oder gar keine Rauschbrand¬
fälle vor.
Einschleppungen des Rauschbrands aus dem Auslande haben
nicht stattgefunden, ebenso nicht Verschleppungen aus einem in
den anderen Bundesstaat. In Westfalen ist ein rauschbrand¬
krankes Tier beim Besitzwechsel, wahrscheinlich schon krank
oder angesteckt gewesen. In den Kreisen Marienburg und
Elbing (Reg.-Bez. Danzig) sind viele Weiden derartig mit
Rauschbrandkeimen durchsetzt, daß sich beim Beweiden derselbe
trotz vorschriftsmäßiger Ausführung der veterinärpolizeilichen
Maßnahmen immer wiederholte Ausbrüche des Rauschbrandes
nicht verhindern lassen. Im Bezirk Schleswig wurden drei
Rauschbrandfälle auf das vor Jahren erfolgte oberflächliche
Verscharren von Rauschbrandkadavern znrückgefülirt. Daß aber
nicht nur die Weide, sondern das auf diesen gewonnene Rauh¬
futter Rauschbrandkeime enthält, beweist das wiederholte Auf¬
treten der Seuche bei Stallhaltung in den Wintermonaten.
Der Rauschbrand .wurde in einigen 20 Fällen bei der tier¬
ärztlichen Beaufsichtigung der Schlachthäuser, der ordentlichen
Fleischbeschau und der Ergänzungsbeschau festgestellt und in
21 Fällen in Abdeckereien. An Inkubationszeiten wurden er¬
mittelt 24 Stunden, 31 Stunden, zwei und drei Tage.
Über Rauschbrandschutzimpfungen wird aus Bayern, Baden
und Elsaß-Lothringen berichtet. In Bayern wurden in 119 Ge¬
meinden 14 249 Jungrinder geimpft. An Impfrauschbrand er¬
krankte 1, d. s. 0,007 Proz., an natürlichem Rauschbrand 23,
d. s. 0,16 Proz. Von 7052 nicht geimpften Tieren derselben
Gemeinden fielen an Rauschbrand 119, d. s. 1,68 Proz.
In Baden wurden in 4 Amtsbezirken 712 Rinder geimpft,
welche sämtlich von der Seuche verschont blieben. In Elsaß-
Lothringen wurden 165 Rinder mit gutem Erfolg geimpft.
Entschädigungen für Milz- und Rauschbrand.
In Preußen, Bayern, Württemberg, Sachsen-Weimar, Braun¬
schweig, Sachsen-Altenburg und Elsaß-Lothringen wurden für
Milz- und Rauschbrand zusammen an Entschädigungen gezahlt:
1453 548,24 M., in Sachsen, Baden, Hessen und Sachsen-
Meiningen, Anhalt, Waldeck, Reuß j. L., Reuß ä. L. und Lippe
für Milzbrand allein 230 249,26 M., und in Sachsen, Baden,
Hessen, Sachsen-Meiningen für Rauschbrand allein 27 599,24 M.
Insgesamt wurden also für Milz- und Rauschbrandfälle in Deutsch¬
land gezahlt 1 711 396,74 M.
Die Viehseuchenkommission des Reichstages hat ihre
Sitzungen wieder begonnen. In ihren Beratungen ist sie bis
zu den Vorschriften über Maul- und Klauenseuche gekommen.
Während die besonderen Vorschriften für Milzbrand, Rausch¬
brand, Wild- und Rinderseuche, Tollwut und Rotz ohne wesent¬
liche Änderungen angenommen wurden, erhielt § 44 a, betreffend
Maßregeln gegen Maul- und Klauenseuche, folgende Fassung:
„Für einen verseuchten Ort oder einen bestimmten ge¬
fährdeten Bezirk kann der Verkehr von Personen auch in
Räumlichkeiten (Gehöft, Stall, Standort, Hofraum, Weidefläche,
Viehausstellung, Marktplatz usw.), in denen sich für die Seuche
empfängliche Tiere befinden, beschränkt oder insoweit aus¬
geschlossen werden, als er nicht zur Wartung und Pflege des
Viehes erforderlich ist, mit der Maßgabe, daß zur Ein¬
bringung der Ernte auf die Beschränkung des Ver¬
kehrsmittels Rücksicht genommen werden solle. Inner¬
halb eines gefährdeten Bezirkes dürfen, unbeschadet
der nach den allgemeinen Vorschriften zulässigen
Beschränkungen des Verkehrs mit Tieren, öffentliche
Wege vorübergehend gegen den Verkehr, auch von
Personen, gesperrt werden, wenn dadurch die Be¬
nutzung von Tieren, die einer Sperre (§ 522) unter¬
liegen, zur Feldarbeit, oder der Auftrieb solcher
Tiere auf die Weide ermöglicht oder erleichtert wird.“
Der letztgenannte Zusatz bedeutet eine Verschlechterung
der im § 44a vorgeschlagenen veterinär-polizeilichen Ma߬
nahmen, da jede Erleichterung des Verkehrs von gesperrtem
Vieh die Möglichkeit der Verschleppung der Seuche vermehrt.
Nachweisung Ober den Stand der Tlereenohen In Deutschland
vom 15. November 1908.
Die Zahlen bedeuten die Kreiae (Oberamtabealrke) usw., eingeklammert die Gemeinden.
Schweineseuche und Schweinepest
Regierungs¬
bezirk usW.
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Auf je 1000
Gemeinden
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Regierungs¬
bezirk usw.
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4 §
Preußen:
Sigmaringen . . .
—
—
Königsberg....
13
29
9
Waldech.
3
6
Gumbinnen ....
6
8
3
Bayern:
Allenstein ....
4
6
3
Oberbayem ....
6
12
Danzig.
5
12
10
Niederbayern. . .
4
14
Marienwerder . .
12
20
9
Pfalz.
—
—
Berlin.
—
—
—
Oberpfalz.
1
3
Potsdam.
12
76
29
Oberftanken . . .
—
—
Frankfurt . . . .*.
16
69
25
Mittelfranken. . .
2
3
Stettin.
9
24
18
Unterfranken. . .
—
—
Köslin.
6
23
12
Schwaben.
$
12
Stralsund ....
—
—
—
Württemberg .
—
—
Posen .
22
74
22
Sachsen.
2
2
Bromberg.
11
89
40
Baden .
7
9
Breslau ....*.
23
156
41
Hessen.
6
9
Liegnitz.
15
98
35
Meckl.-Schwerin
7
17
Oppeln.
13
32
11
Meckl.-Strelitz .
2
2
Magdeburg ....
5
! 8
6
Oldenburg . . .
10
18
Merseburg ....
10.
20
8
Sachs.-Weimar.
3
8
Erfurt.
4
12
20
Sach s.-Meiningen
1
1
Schleswig ....
9
30
14
Sach s.-Altenburg
1
2
Hannover .
5
6
9
Sachs.-Kob.-Got
—
—
Hildesheim ....
7
12
17
Anhalt.
2
5
Lüneburg .
9
14
9
Braunschweig
6
31
Stade .
11
19
26
Schwarzb.-Sond.
1
1
Osnabrück ....
5
7
12
Schwarzb.-Rud.
— i
—
Aurich.
—
—
—
Reuß ä. L.
— |
—
Münster.
5
7
27
Reuß j. L.
—
—
Minden ......
4
5
10
Schaumb.-Lippe
2
3
Arnsberg.
11
22
26
Lippe-Detmold .
8
27
Kassel.
12
41
25
Hamburg ....
3
4
Wiesbaden ....
8
27
29
Lübeck .
.1
1
Koblenz.
7
17
16
Bremen.
—
_
Düsseldorf ....
11
33
77
Elsaß.
1
1 '
Köln..
2
2
7
Lothringen . .
—
—
Trier.
5
10
9
Aachen.
2
2
5
940
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT,
No. 51.
Maul- und Klauenseuche.
Regierungsbezirk usw\
bzw. Staat
(* = neu verseucht)
fl
Gegenüber d. 15. Oktober
Kreise
T3
a
a
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O
Gehöfte
Kreise
Gemein¬
den
Gehöfte
Preußen:
*Allcnstein ....
1
2
7
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+ 2
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Potsdam.
1
1
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0
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0
Stettin.
1
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*Posen .
1
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1
+ 1
+ 1
+ i
*Bromberg ....
1
1
1
4- 1
4- 1
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Preußen zusammen
5
8
13
+ 3
4- 4
4- 9
Bayern:
Oberbayern ....
I
2 ,
2
— 4
— 5
- 21
Oberfranken . . .
0
0
0
— 1
- 1
- 1
Mittelfranken . . .
1
2
3
0
0
- 6
Schwaben ....
0
0
0
— 1
— 1
— 2
Elsaß-Lothringen:
Unter-Elsaß . . .
3
3
20
0
' - 7
“ 9
Ober-Elsaß ....
1
0
o |
0
- 2
— 3
- 13
Lothringen ....
1
1 1
11
— 2
- 4
1 — 7
Zusammen
11 1
16 |
49
— 7 j
- 17 |
— 50
Rotz.
Preußen: Im Stadtkreis Berlin 1 (1), in den Reg.-Bez. Oppeln,
Düsseldorf je 1 (1), Marienwerder 2 (3), Frankfurt, Posen je 3 (3),
Breslau 4 (4), Cöln 4 ^8), Bromberg 5 (5), Potsdam 6 (6). Zusammen
35 Gemeinden (38 im Oktober).
Lungenseuche.
Preußen: Stadtkreis Berlin in einer Gemeinde.
Landespolizeiliche Anordnung.
Wegen des wiederholten Ausbruchs der Maul- und Klauen¬
seuche und der Lungenseuche im Landespolizeibezirk Berlin
und seiner Umgebung und wegen der bestehenden Gefahr der
Verbreitung dieser Seuchen wird auf Grund der §§17 bis 20
des Gesetzes vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894, betreffend die
Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen und der §§ 1 und 7
des dazu erlassenen Preußischen Ausführungsgesetzes vom
12. März 1881, sowie des § 1 der Bundesratsinstruktion vom
30. Mai bis 27. Juni 1895 mit Genehmigung des Ministers für
Landwirtschaft, Domänen und Forsten für den Umfang des
Landespolizeibezirks Berlin folgendes angeordnet:
§ 1. Die mit der Eisenbahn von außerhalb .in den Landes¬
polizeibezirk Berlin gebrachten Rinder dürfen von der Bahnhofs¬
rampe nicht entfernt werden, bevor sie von dem zuständigen
Kreistierarzt oder dessen Vertreter auf ihren Gesundheitszustand
untersucht worden sind. Die Untersuchung hat beim Ausladen
der Tiere und bei ausreichendem Licht zu erfolgen.
§ 2. Die rechtzeitige Benachrichtigung des Kreistierarztes
ist Sache des Besitzers oder Führers (Begleiters) der Vieli-
sendung. Der Kreistierarzt ist nicht verpflichtet, die Unter¬
suchung zur Nachtzeit vorzunehmen.
§ 3. Zuwiderhandlungen gegen § 1 dieser Anordnung
werden, sofern nicht nach § 328 des Strafgesetzbuches eine
höhere Strafe verwirkt ist, auf Grund der §§ 66 und 67 des
Reichsviehseuchengesetzes vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894 bestraft.
§ 4. Diese Anordnung tritt am 1. November dieses Jahres
in Kraft und wird aufgehoben werden, wenn die vorhandene
Seuchengefahr beseitigt ist.
Berlin, den 15. Oktober 1908.
Der Polizeipräsident, von Stuben rauch.
Gebührentarif.
(Gen. 654. II a. D. 08.)
Für die amtstierärztliche Untersuchung des auf den Bahn¬
höfen des Landespolizeibezirks Berlin zur Entladung kommenden
Rindviehs ist von den Pflichtigen, so weit nicht mit polizeilicher
Genehmigung etwas anderes vereinbart ist, eine Gebühr von
0,25 M. für jedes untersuchte Stück Rindvieh zu entrichten.
Für Sendungen, die weniger als sechs Stück Rindvieh zählen,
wird eine Mindestgebühr von 1,50 M. erhoben. Wenn mehrere
Rindviehtransporte desselben oder verschiedener Besitzer gleich¬
zeitig eintreffen oder zu gleicher Zeit untersucht werden, so
ist die — alsdann nötigenfalls auf die verschiedenen Zahlungs¬
pflichtigen nach der Stückzahl der Tiere zu verteilende —
Mindestgebühr von 1,50 M. nur dann zu erheben, wenn die
Gesamtzahl der Tiere dieser Transporte weniger als sechs
beträgt; andernfalls ist die Stückgebühr von 0,25 M. in Ansatz
zu bringen.
Berlin, den 15. Oktober 1808.
Der Polizeipräsident, von Stubenrauch.
Maul- und Klauenseuche.
Nach der im Kaiserlichen Gesundheitsamt bearbeiteten Statistik
über die Verbreitung von Tierseuchen im Deutschen Reich während
des 2. Vierteljahrs 1908 trat die Maul- und Klauenseuche neu auf
in 300 Gehöften gegen 156 im 1. Vierteljahr 1908.
Am Schlüsse des 2. Vierteljahrs 1908 blieben noch 163 Gehöfte
in 49 Gemeinden (Gutsbezirken) verseucht.
Neuausbruch. Dominium Lohne, Krdis Rotenburg, Reg.-Bez.
Stade am 14. Dezember, Mietesheim, Kreis Hagenau am 16. Dezember.
Nahrungsmitteikunde, Fleischbeschau und Viehhandel.
Redigiert von Glage.
Verfügung, betreffend den biologischen Nachweis von Pferdefleisch.
Im Ministerialblatt der königlich preußischen Verwaltung
für Landwirtschaft, Domänen und Forsten vom November d. J.
ist eine Verfügung vom 13. Oktober veröffentlicht, der folgendes
zu entnehmen ist:
Der biologische Nachweis von Pferdefleisch ist für die
Auslandsfleischbeschau in erster Linie vorgeschrieben. In einer
Abhandlung der Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt
(Band 28, S. 449 ff.) ist Technik und Methodik dieses Verfahrens
eingehend besprochen. Das Verfahren wird sich mit Nutzen
auch bei Untersuchungen von Fleisch im Inlande da anwenden
lassen, wo es sich um Nachweis von Pferdefleisch, besonders
beim Verdacht von Wurstverfälschungen handelt. Das Kaiser¬
liche Gesundheitsamt ist in der Lage, das pferdefleischausfällende
Serum ebenso, wie dies für die Auslandsbeschaustellen geschieht,
auch für andere Untersuchungsanstalten vorrätig zu halten, und
ist bereit, die für eine Untersuchung genügende Dosis von
1 ccm zum Preise von 2 M. abzugeben. Das Untersuchungs-
Verfahren beruht bekanntlich darauf, daß in Auszügen von
Fleischeiweiß durch ein spezifisches Serum eine Trübung erzeugt
wird, wenn es sich um Pferdefleischeiweiß handelt; es ist dann
aber nicht ausführbar, wenn das Eiweiß in unlöslichen Zustand
z. B. durch Kochen und scharfes Räuchern übergeführt ist.
Die Ausführung sowohl wie die Beurteilung der Ergebnisse ist
nicht ganz einfach, und nur mit einer gewissen Übung und
Erfahrung läßt sich ein sicheres Urteil gewinnen. Das Kaiser¬
liche Gesundheitsamt hat sich bereit erklärt, Sachverständigen,
die sich mit dem Verfahren vertraut machen wollen, dazu Ge-
17. Dezember 1908. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 941
legenheit zu geben. Die Regierungspräsidenten werden durch
die Verfügung ersucht, die mit der Nahrungsmittelkontrolle be¬
auftragten Stellen auf das Verfahren und gleichzeitig auf die
Fehlerquellen aufmerksam zu machen, sowie die Namen der¬
jenigen, welche sich im Gesundheitsamt unterrichten wollen,
dem Ministerium mitzuteilen.
Protest gegen den Viehhandel nach Lebendgewicht.
Der Verband der Viehhändler Deutschlands hat, wie die
Zeitungen berichten, eine Protestversammlung gegen die be¬
absichtigte Einführung des Handels nach Lebendgewicht ver¬
anstaltet. In dieser Versammlung hat der Schlachthofdirektor
Goltz-Berlin nach der Fleischerzeitung darauf hingewiesen,
daß die Einführung der Notierung nach Lebendgewicht der
Stadt Berlin au einmaligen Kosten 2 Millionen und an dauernden
Kosten 7a Million jährlich verursachen würde. Außerdem würden
die Händler stark vermehrte Kosten haben. — Es wird nicht
darauf ankommen, ob einzelnen Beteiligten erhöhte Kosten er¬
wachsen, sondern darauf, eine Methode zu finden, die eine
gerechte Preisermittlung sicherstellt.
„Erwiderung“.
In Nummer 45 der „Berliner Tierärztlichen Wochenschrift“ be¬
richtet Herr Dr. G. unter der Überschrift „Feilhalten von ver¬
dorbenen Nahrungsmitteln“ über eine Gerichtsverhandlung gegen
den Metzger Z. in Bochum wegen Feilhaltens verdorbener Nahrungs¬
mittel.
Herr Dr. G. bemängelt die Hinzuziehung des städt. Nahrungs¬
mittel-Chemikers und weist darauf hin, daß derartige Revisionen
animalischer Nahrungsmittel in tierärztlichem Standesinteresse nur
von Fachangehörigen (Tierärzten) vorgenommen werden sollten,
zumal in Bochum vor kurzem ein spezialistisch ausgebildeter Polizei¬
tierarzt angestellt worden wäre.
Aus dem Herrn Dr. G. zur Kenntnis gekommenen Berichte über
die fragliche Gerichtsverhandlung hätte derselbe vermutlich bei der
nötigen Aufmerksamkeit den Zeitpunkt des zur Aburteilung stehenden
Vergehens ersehen können. Weiter wird Herrn Dr. G. bei seiner
vorzüglichen Kenntnis tierärztlicher Personalien und Vakanzen
bekannt gewesen sein, daß die hiesige Polizeitierarztstelle erst zum
1. April d. J. — also viel später als das fragliche Feilhalten ver¬
dorbener Nahrungsmittel geschah — besetzt worden ist. Die bis
dahin am städtischen Schlachthofe vorhandenen Tierärzte aber
waren wegen anderweitiger dienstlicher Ihanspruchnahme außer¬
stande die außerordentliche Fleischbeschau äuszuüben.
Dem als Polizeitierarzt tätigen Kollegen sind nach seinem
Dienstantritt die Revisionen der Wochenmärkte, Metzgerläden,
Wurstküchen usw. von der Stadtverwaltung übertragen worden.
Damit sind aber auch die von Herrn Dr. G. an den Prozeß ge¬
knüpften Bemerkungen hinfällig, und der Artikel desselben war
zur Wahrung der tierärztlichen Standesinteressen in Bochum weder
erforderlich, noch hat er etwas dazu beigetragen.
Dr. Doenecke.
Versammlung des Bundes deutscher Nahrungsmittelfabrikanten und -hfindler.
Vom 5.-8. Oktober tagte in Berlin der Bund deutscher Nahrungs¬
mittelfabrikanten und -händler, u‘m über die Anträge und Abänderungs¬
vorschläge für das im September 1905 vom Bunde herausgegebene
„Deutsche Nahrungsmittelbuch“ zu beraten. Bei dem Kapitel
„Molkereierzeugnisse“ war von der Handelskammer Dessau für
Vollmilch die Festsetzung eines Mindestfettgehaltes gefordert, für
Kindermilch von 3 Proz., und eines Höchstgehaltes an Bakterien in
1 ccm Milch, für Ziegen-, Esels- und Schafmilch wurde des ferneren
Deklarationszwang verlangt. Diese Anträge lehnte dio Versammlung
ab. Ein Mindestgehalt an Fett kann nicht festgelegt werden, da
der Fettgehalt von Rasse, Alter, Art der Fütterung usw. zu sehr
beeinflußt wird. Eine Mindestgrenze wird außerdem leicht zur
Nonualgrenze und daher oft die Ursache zu Verfälschungen. Da
z, B, Zugtiere fettreiche Milch zu liefern pflegen, so würde der
Händler geneigt sein, den Fettgehalt durch Verwässerung herab¬
zudrücken. Ebenso ist die Festsetzung eines Höchstgehaltes an
Bakterien nicht angängig, denn es kommt mehr auf die Art als die
Menge der Bakterien an. Die Benennung „Kuhmilch“ endlich
macht eine Deklaration für Ziegen-, Schaf- und Eselsmilch über¬
flüssig. — Die Handelskammer Hannover wünschte die Frist von
mindestens 14 Tagen nach dem Kalben, die zur Abgrenzung der
Kolostralperiode festgesetzt war, auf „mindestens 8 Tage nach dem
Kalben“ herabzusetzen. Nach Weigmann ist die Festlegung einer
Grenze überhaupt untunlich. Die Versammlung einigte sich denn
auch dahin, daß bei Neuauflage des Buches einfach zu sagen sei:
„Als Milch ist Kuhmilch mit unverändertem Gehalt zu verstehen,
wie sie von gesunden, gutgefütterten Kühen durch regelmäßiges,
ununterbrochenes und vollständiges Ausmelken genügende Zeit nach
dem Kalben gewonnen wird“. — Weiter beschloß die Versammlung:
Zur Feststellung des Schrautzgehaltes wird die Methode Weig¬
mann empfohlen, die darin besteht, daß man beobachtet, ob sich
nach Vs ständigem Stehen ein Bodensatz bildet; Milch, die mit dem
doppelten Volumen neutralen 50 proz. Alkohols sofort gerinnt, ist
nicht als frisch anzusehen, sie als verdorben zu bezeichnen, wäre
zu weitgehend; pasteurisierte Milch ist als solche zu deklarieren.
(Nach der Milchzeitung.)
Schlachthöfe.
Schlachthofbauten sind geplant in Einbeck, Kulenbach, Pfaffen¬
hofen und in Grünstadt.
Gesundheitliche Aufgaben des Schlachthofes.
Die Begründung der Vorlage über den neuen Schlachthof zu
Bruchsal besagt, daß die Anlage nicht lediglich den Interessen der
Metzger, sondern in erster Linie der Allgemeinheit durch die Garantie
einer einwandfreien Beschaffenheit des wichtigsten Nahrungsmittels
dienen soll Die veranschlagten Gebühren sind so angesetzt, daß
sie kaum die Hälfte der Ausgaben aufbringen. Es ist erfreulich,
daß bei der Ordnung die hygienische Bedeutung des Schlachthofes
klar hervorgehoben wird, der keine Einnahmequelle für die Ge¬
meinden bilden soll.
Freibankordnung.
In Hannover ist verfügt worden, daß Fleisch von der Freibank
an Kinder unter 14 Jahren nicht mehr abgegeben wird. Die Be¬
stimmung, daß jeder Kunde nicht über 5 Pfund erwerben darf, war
wiederholt dadurch umgangen worden, daß mehrere Kinder derselben
Familie sich das erlaubte Quantum hatten verabfolgen lassen.
Diesen Mißbrauch soll die neue Bestimmung beseitigen.
Trichinenschau.
Der Tierärztliche Landesverein in Württemberg hat beschlossen,
das Ministerium des Innern zu bitten, es wolle die Einführung der
obligatorischen Trichinenschau in Württemberg in Erwägung ziehen.
Viehschmuggel.
Einer der größten Schmugglerprozesse, die jemals verhandelt
wurden, gelangte vor der Strafkammer zu M.-Gladbach zur Ent¬
scheidung. Es handelte sich um eine seit 1901 betriebene, banden¬
mäßige Einschmuggelung von Vieh an der holländischen Grenze.
Das Vieh wurde teils mit gefälschten oder unrechtmäßig erworbenen
Einführungsscheinen, teils nachts auf Schleichwegen über die Grenze
gebracht Ferner waren Unregelmäßigkeiten bei der Stallkontrolle
und in der Führung der Viehbestandsbücher mancher Landwirte
festgestellt worden. Angeklagt wurden 19 Personen, Händler,
Metzger, Landwirte, Ackerer und Handwerker. Für die Verhandlung
waren über 200 Zeugen geladen; die Anklage lautete auf Schmuggel,
Betrug und Urkundenfälschung. Die vier Hauptangeklagten wurden
zu 38000 M. Schadenersatz für Unterzogene Zölle und zu 5 bis
10 Monaten Gefängnis verurteilt
Erfreuliche Folgen der „Trommsdorffschen Miloheiterprobe“.
Von Dr. W. Rull mann in München.
(Milch-Zeitung. 1908. S. 39.)
Die von Trommsdorff-Miinchen empfohlene Milchleukocyten-
probe dient bekanntlich zur Feststellung der so häufig vorkommenden
chronisch verlaufenden Euterentzündungen. Das Verfahren hat sich
vielerorts eingebürgert und ist auch von wissenschaftlicher Seite
nachgeprüft, wobei die meisten Autoren wie Bergey u. a. sich
1
942
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 51.
Uber den Wert sehr günstig geäußert haben. Auch in München
wird in der amtlichen Milchuntersuchungsstelle die Methode benutzt.
Wiederholt konnten hier Produkte euterkranker Kühe in der Sammel¬
milch nachgewiesen werden. Die Sammellieferanten erhielten daher
den Auftrag, jeden Milchlieferanten und Produzenten vor der Bei¬
mengung der Milch euterkranker Tiere zu warnen. Die amtliche
Milchuntersuchungsstelle nahm auch Gelegenheit, auf die Unzulässig¬
keit der Beigabe von Milch von ein-, zwei- oder dreistrichigen
Kühen aufmerksam zu machen, da die Milch aus den anscheinend
gesunden Vierteln bereits schädlich wirken kann, ohne augenfällig
verändert zu sein, ferner auf die Übertragbarkeit der Euter¬
entzündungen von Tier zu Tier hinzuweisen und vor dem Melken
in das Stroh zu warnen. Das Verbot, die Milch solcher Tiere in
den Verkehr gelangen zu lassen, mag als eine Schädigung des
Produzenten aufgefaßt werden können, in Wirklichkeit bedeutet es
durch Verhütung der Weiterverbreitung ansteckender Krankheiten
einen direkten Nutzen für den Landwirt und Milchviehhalter.
In einem Nachtrag in der Milchzeitung 1908, Nr. 6, Seite 62,
wird ein Erlaß der Milchuntersuchungsstelle der Stadt München zur
Kenntnis gebracht, der an die Milchproduzenten herausgegeben
wird und im wesentlichen folgenden Inhalt hat:
Der Besitzer eines Stalles wird davon benachrichtigt, daß die
Untersuchung der von ihm gelieferten Milch zweifellos die Anwesen¬
heit euterkranker Tiere auf seinem Gehöft bewiesen bat und daß
er sich durch Lieferung der Milch von solchen Tieren der Über¬
tretung des N.-M.-G. schuldig macht. Dann heißt es weiter:
„Wollen Sie weiter Milch nach München liefern, so haben Sie
die Verpflichtung, ihre Kühe durch einen Tierarzt auf Euterkrank¬
heiten untersuchen zu lassen. Es ist zu empfehlen, daß der be¬
treffende Unternehmer von dem Gemelke jeder Kuh entsprechend
bezeichnete Proben gut gekühlt in kleinen, reinen Gläsern an die
amtliche Milchuntersuchungsstelle sendet. Nach der Untersuchung
werden Ihnen die Kühe bezeichnet, deren Milch in den Verkehr
darf. Bis dahin wird die amtliche Milchuntersuchungsstelle jede
solche Milchsendung aus Ihrer Stallung beschlagnahmen, die nach
München geschickt wird, da die Milch verdorben im Sinne des
Nahrungsmittelgesetzes ist und die menschliche Gesundheit
schädigen kann.
Es ist daher in Ihrem Interesse, wenn Sie bis nach Bestimmung
der kranken Tiere die Anlieferung derMilch nach München unterlassen/
Übertragung von Typhus duroh die Milch.
ln der „Medizinischen Statistik des Hamburgischen Staates für
das Jahr 1906“ ist ein interessanter Fall der Verbreitung des
Typhus durch den Milchhandel geschildert. Fünf Angestellte eines
Postamts, die sich mittags Milch von einer benachbarten Handlung
zu holen pflegten, erkrankten kurz nach einander an Typhus. In
der Familie des Milchhändlers und in der Nachbarschaft war Typhus
nicht vorgekommen, so daß die Quelle weiter rückwärts bei den
Lieferanten liegen mußte. Da vier Lieferanten mit etwa 50 Pro¬
duzenten in Frage kamen, ließ sich die Herkunft zunächst nicht
sicher ermitteln; sehr verdächtig erschien aber ein an der Oberelbe
gelegenes Dorf. Nach einiger Zeit brach eine zweite Epidemie aus
mit 19 Infektionen, darunter zwei tödlichen. Hier kamen sechs
Milchhändler in Betracht, die ihre Milch ebenfalls aus dem ver¬
dächtigen Dorf bezogen. Die Ermittelungen ergaben denn auch, daß ein
typhuskranker Knecht beim Melken und Umgießen der Mischmilch
in die Sammelgcfäße beschäftigt gewesen war und somit Ver¬
anlassung zu den Epidemien gegeben hatte. Der Knecht wurde
am 4. Juni ins Krankenhaus gebracht, muß aber vorher noch eine
Kanne infiziert haben, da im Kundenkreise des Milchhäudlers, in
dessen Hände diese gelangte, allein zwölf weitere Typhusfälle nach
2—J Wochen vorkamen, ebenso vier im Juli, später keine mehr,
ln der „Medizinischen Statistik“ für 1905 wird ferner ein Fall mit¬
geteilt. in dem sich acht Erkrankungen nach dem Genuß infizierter
Milch in einer Schule ereigneten.
„Bazillen mit Sporen“.
Bei Schilderung des bakteriologischen Befundes an einer
Fleischware erwähnte ein Sachverständiger vor dem Schöffengericht
zu 11., daß er Bazillen in dem Fleisch gefunden habe, darunter
auch solche, die Sporen getragen hätten. Das Wort „Bazillen“
mochten die Schöffen schon gehört haben, daß aber Bazillen auch
Sporen tragen, erschien, wie die verwunderten Fragen des einen
bewiesen, unglaublich. Offenbar hatte der Gute zunächst an
Sporen anderer Art gedacht, als man in der Bakteriologie meint.
Das Vorkommnis zeigt die Notwendigkeit einer populären Aus¬
drucksweise vor Gericht in drolliger Weise.
Studien Uber die sogenannte sterilisierte Milch des Handels.
Einen Beitrag zur Biologie der peptonisierenden Milchbakterien.
# Von Otto Knüsel.
lnaugural-Diasertation. Berlin 1908. Verlagsbuchhandlung von Richard Scho et?.,
Wilhelmatraße 10.
Verfasser hat in einer eingehenden, im hygienischen Institut
der Berliner tierärztlichen Hochschule angefertigen Arbeit fest¬
gestellt, daß von der sterilisierten Milch des Handels nur
0—87 Proz. der untersuchten Proben aus den verschiedenen Be¬
zugsquellen keimfrei waren. Je größer der Prozentsatz der keim¬
freien Flaschen war, desto deutlicher hafteten der Milch Be-
warmung und Kochgeschmack an. Die Schwierigkeit der voll¬
ständigen Sterilisation ist bedingt durch die Anwesenheit sehr
lebenszäher Sporen von Anaerobiern und Probeolyden. Die
Knackprobe beweist nur, daß das Vakuum über der Milch in der
Flasche noch vorhanden ist, also in der Milch keine Gasentwicklung
stattgefunden hat. Die Peptongärung verläuft aber ohne Gas¬
bildung und beeinflußt das Vakuum daher nicht. Keimhaltige
Flaschen können im Thermosteten noch lange unverändert bleiben.
Zur Vorprüfung auf die Sterilität eignen sich die Koch- und
Alkoholprobe nur wenig, die Wasserstoffsnperoxydprobe zeigt da¬
gegen durch sehr energische Sauerstoffentwicklung die An¬
wesenheit von I’roteolyden schon an, bevor die Milch sinnlich
wahrnehmbare Abweichungen erkennen läßt, und kann daher zur
Kontrolle die Sterilität der Flaschenmilch Anwendung finden.
Die anaerobischen Bakterien spielen in der sterilisierten Milch des
Handels eine untergeordnete Rolle. Hinsichtlich der peptonisieren¬
den Milchbakterien kommen in der Praxis nur die raschpeptonisie-
renden in Betracht. Diese Bakterien bilden ein proteolytisches
Ferment, ein Labferment, eine Redukdase und eine Superoxydase.
Bakterienlab ist verschieden von Tierlab und koaguliert auch ste¬
rilisierte Milch. Es wirkt bei 60° Grad eben so gut wie bei 37°. Das
häufig beobachtete Gerinnen der Milch im Thermostaten ist auf
Labwirkung von Proteolyten zurttckznführen, unter 22° wirkt dieses
jedoch nicht mehr. Das proteolytische Ferment greift das Kasein
dagegen auch bei Temperaturen unter 22° an. Daher kann Milch
bitter werden ohne zu gerinnen. Die peptonisierenden Milchbak¬
terien entwickeln auf verschiedenen Nährböden Ammoniak und
Schwefelwasserstoff, sind aber keine oder schlechte Indolbildner,
haben zumeist die Fähigkeit, Nitrate und Nitrite abzubauen und
vermögen zum Teil Nitrate bei Gegenwart von Glyzerin zu ver¬
gären. Die Peptongärung ist ein Fäulnisprozeß der Milch. Wegen
des Wachstums in der breiten Grenze von 8—65° können einige
peptonisierende Bakterien fast bei jeder praktisch in Frage kom¬
menden Aufbewahrungstemperatur sich in der Milch rasch ver¬
mehren. Dies zu verhüten, wäre daher eine Aufbewahrung unvoll¬
ständig sterilisierter Milch bei unter 8° nötig. Die Milchkuranstalten
haben endlich die Möglichkeit durch aseptisches Melken und sofor¬
tige Sterilisation eine Infektion der Milch mit Sporen zu verhindern
oder beträchtlich zu beschränken.
Die Bedeutung der Kommunalen Kinder- und Kurmilchanstalten und die
Bedeutung der Tierärzte für die Leitung dleeer Wohlfahrtseinriciitiiagen.
Von Schlachthofdirektor Edm. Suckow, Leiter der städtischen
Kinder- und Milchkuranstalt Bergisch - Gladbach.
(Verlag von Chr. Illinger in Bergiach-Gladbach.)
Die Broschüre behandelt in statistischen Darlegungen die
Säuglingssterblichkeit, die Notwendigkeit der Versorgung der
Säuglinge mit einwandfreier Milch und die Gesichtspunkte, nach
denen diese in den Städten zu geschehen hätte. Verfasser verweist
dabei auf den von ihm herausgegebenen „Leitfaden zur Errichtung
von Kindermilcbanstalten“ (erschienen bei Schaper in Hannover
und gibt in der obigen Broschüre, die feinen Vortrag auf der 5. all¬
gemeinen Versammlungen des Vereins preußischer Scblachtboftier
ärzte in Berlin darstellt, deshalb nur einen allgemein gehaltenen
überblick über die ganze Frage. Glage.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
943
17. Dezember 1908.
FUtterungsversuohe mit Milchkühen.
Im Aufträge des Sonderausschusses für Fütterungs wesen der
Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft dargestellt von Professor
Dr. J. Hansen-Bonn.
(Herl!n SW. 11, Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft, Deasauerstr. 1-1. 1907.)
Der erste Teil der Arbeit behandelt die Ernährung der Abmelk¬
kühe. Für diese ist, da sie große Milchmengen liefern uud gleich¬
zeitig beim Sinken des Milchertrags auf 8—10 Litern fett sein
sollen, eine intensive Ernährung notwendig. Der für Milch-Zuchtvieh
gültige Maßstab scheint nach den Versuchen für die Fütterung
dieser Tiere nicht ohne weiteres angelegt werden zu können. Drei
Versuchsreihen mit fünf Kühen zeigten, daß zur Erreichung be¬
friedigender Milchleistung und gleichzeitiger Mästung eine Menge
von 12,6 kg Stärke in dem Gesamtfutter nicht ausreichend war.
Genügende Nährstoffzufuhr ergeben dagegen 14,3 bis 14,4 kg
Stärkewert auf 10U0 kg Lebendgewicht. Ferner sind 2,5 kg Eiweiß
und 3 bis 3,1 kg Rohprotein erforderlich, während 2,2 bis 2,3 kg
Eiweiß bzw. 2,7 kg Rohprotein nicht genügten. Vielleicht ist eine
Steigerung auf 3 kg Eiweiß und 3,5 Rohprotein wirtschaftlich am
zweckmäßigsten, wobei in erster Linie an eine befriedigende Zu¬
nahme des Lebendgewichts gedacht ist. •
Der zweite Teil der Arbeit schildert einen Versuch, bei dem
eingesäuerte Rübenblätter mit trockenen Rübenblättern in Vergleich
gestellt worden sind. Glage.
Milchkontrolle in New-York (Konzessionsschluß).
Die Beaufsichtigung der Milch ist sehr unähnlich derjenigen des
Fleisches in manchen Bundesstaaten der Union eine sehr gewissen¬
hafte und auch für uns vorbildliche. So ist der Kleinverkauf der
Milch möglichst beschränkt, in der richtigen Voraussicht, daß bei
Kleinbetrieben mit ihrem kunterbunten Durcheinander (in manchen
Großstädten bei uns sind sogar kleine Kohlenlager neben den
.Milchkannen oder sogar offenen Behältern etabliert) keineswegs
geeignet sind, eine geruch- und geschmackfreie Aufbewahrung vom
Produzenten bis zum Konsumenten zu garantieren. Demzufolge
verabfolgt die Polizeiverwaltung in New-York auch nur Lizenz¬
scheine auf je ein Jahr, die nur dann auf ein weiteres Jahr verlängert
werden, wenn die sämtlichen Kontrollgänge der Beamten zu keinem
Anstand Anlaß gegeben haben. Die Konzessionsscheine sind un-
übertragbar, können nicht einem andern Individuum so wenig wie
auf ein anderes Lokal übertragen werden. Jeweils vielmehr ist
eine neue Konzession bei Geschäftsverlegung oder beim Verkauf
eines solchen neu einzuholen. Der Lizenzschein enthält vollständige
Adresse der Milchhändler, auch fehlt nicht der Vermerk, daß zu
jeder Zeit die Konzession entzogen werden kann. Die Kontroll-
beamten überzeugen sich bei jeder Revision, daß sämtliche Be¬
dingungen eingebalten werden. Was uns nun ferner besonders
interessiert, ist, daß fast sämtliche Kontrollbeamten (Inspektoren)
aus Tierärzten bestehen, die einem Oberbeamten unterstellt
sind. Dieselben sind angehalten, jedesmalige eingehende Unter¬
suchungen des Milchviehes vorzunehmen, kranke Tiere auszurangieren
und Protokolle über die sanitären Verhältnisse im allgemeinen der
Tiere sowohl wie der Ställe, der Einrichtungen samt und sonders
aufzunehmen. Demzufolge sind die Ställe, ihre Ausdehnung,
VentilationsVerhältnisse, Anstrich, Böden, Geräte, Futter und
Reinlichkeit der Milchtiere genau zu berücksichtigen. Desgleichen
müssen die Manipulationen der Milchgewinnung und Milchbehandlung
Situationsplan der Brunnen, die zum Betriebe nötig sind, Dung¬
gruben, Reinlichkeit des Personals, Transport der Milch genau unter
Aufsicht gehalten werden. Aucli die Produzenten erhalten solche
Lizenzscheine. Ohne diese Scheine ist der Eintritt in die Stadt
New-York für Milchlieferanten verboten. In solchem Falle werden
Produzenten wie Wiederverkäufer unter Strafe gestellt, die Milch
fällt ohne weiteres der Vernichtung anheim. In Deutschland wäre
verhältnismäßig schon viel erreicht, wenn schon die den Kranken¬
häusern gelieferte Milch und die betreffenden Stallungen unter
regelmäßiger Kontrolle ständen. Dr. G.
Einfluß der Tuberkulinprobe auf die Mllch8ekretion.
Von S. H. Gillilaudet und E. L. Gorumann.
(American veterinary Review, Januar 1908.)
Über den Einfluß der Tuberkulinprobe auf die Milchsekretion
gesunder und kranker Tiere hat Dr. Schweinitz im Jahre 1896
Beobachtungen angestellt. Gesunde Tiere werden kaum beeinflußt,
wohin gegen bei reagierenden eine Abnahme des Ertrages zu be¬
merken ist. Moore hat eine Verminderung festgestellt, welche mit
der Temperaturerhöhung zusammenhängt Gillilaudet und Coru-
mann wollten besonders den Einfluß der Tuberkulinprobe auf
nicht reagierende Tiere ermitteln und prüften 500 derartige Kühe
neben 48 reagierenden. Die Resultate sind die folgende:
•Nicht reagierende Tiere.
Zeit seit der Zahl der
In
Mittlere
Impfung
Tiere
Prozenten
Schwankung
in kg.
f 243
48,6
+ 0,5175
24 Stunden . . |
26
5,2
+
[ 231
46,2
— 0,545
1
f 189
37,8
4- 0,472
2. Tag.|
14
2,08
+
l 297
59,4
- 0,625
I
[ 193
38,6
-f 0,5175
3. Tag.
13
2,6
58,8
4-
l 294
— 0,648
1
f 192
38,8
4 0,509
4. Tag.|
14
2,8
-F
l 294
58,8
44 0,63
Durchschnitt in den i
f 189
37,8
4- 0,472
vier Tagen nach
18
3,6
-F
der Impfung . . 1
[ 293
58,6
— 0,553
Die Autoren beziehen die geringe Verminderung der Milchmenge
j bei 58,6 Proz. der Tiere auf die Beunruhigung, welche die Kühe
bei der Impfung und den Temperaturmessungen erleiden.
Reagierende Tiere.
Zeit seit der
Zahl der
In
Mittlere
Impfung
Tiere
Prozenten
Schwankung
in kg.
f 5
10,4
+ 0,432
24 Stunden
• • 1
2,08
•F
l 42
87,5
- 1,12
1 3
6,25
+ 0,45
2. Tag . . .
' • I 45
93,7
— 1,96
3. Tag . . .
■■ 1 12
25
-f 0,55
1 36
75
— 1,13
1 17
35
+ 0,97
4. Tag . . .
. . 8
6,25
+
l 28
58,3
- 1,00
Durchschnitt in
(len 1 7
14
©3
ö
-f
4 Tagen nach
der 41
85,4
- 1,017
Impfung
(Nach L’Hygiene de la Viande et la Lait.)
Milohverbrauoh der Welt
Der gesamte Verbrauch beträgt nach einer amerikanischen
Statistik täglich 1 324 500 000 Liter Milch. Den größten Bedarf mit
505 000 Tons täglich hat Nordamerika, darauf folgen Rußland mit
190 000, Deutschland 160 000, Österreich 85 000 und Italien mit
75 000. Die nächsten Stellen nehmen ein Canada 65 000, die
Niederlande 60 000, Frankreich und England mit je 10 000.
Einfuhr von Milch und Milcherzeugnlssen nach Deutschland Im Jahre 1907.
Nach den „Monatlichen Nachweisen über den auswärtigen
Handel Deutschlands“ gelangten im Jahre 1907 zur Einfuhr in
Doppelzentnern (100 kg) an: Milch, frisch, auch entkeimt usw.
401106; Rahm, frisch, auch entkeimt usw. 100692; Magermilch
3509; Buttermilch, Molken 127; Milchbutter 388119; Butterschmalz
7325; Hartkäse, außer Margarinekäse 183 941; Weichkäse, außer
Margarinekäse 19 091.
Sibirischer Butterexport.
Der Butterexport aus Sibirien ist in den letzten Jahren so
rapide gestiegen, daß 1907 in den monatlichen Ausweisen über den
auswärtigen Handel Deutschlands Rußland in Europa mit 73 151
und Rußland in Asien mit 18 483 Doppelzentner vermerkt ist,
während 1905 eine solche Trennung noch nicht vorgenommen
werden konnte. Sibirien hat danach bereits Schweden, Dänemark,
Frankreich und Österreich bei der Versorgung Deutschlands über¬
flügelt, und die Niederlande stehen mit 152 291 Doppelzentner noch
an der Spitze.
044
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 51.
Der Einfluß der Molkereigenossenschaften auf die Viehzucht.
In einem auf dom Verbandstag des Verbandes hannoverscher
landwirtschaftlicher Genossenschaften gehaltenen Vortrag äußerte
sich Prof. l)r. Hansen* Bonn nach der Milchzeitung dahin, daß
ausweislich der Ergebnisse der Viehzählung der Anteil der Kühe
und Färsen immer kleiner, derjenige des Jungviehs im Alter von
V, bis 2 Jahren stetig größer geworden ist. Das trifft für ganz
Deutschland zu, besonders auch für Schleswig-Holstein und Hannover.
Es hat also keine Abnahme der Zucht stattgefunden, sondern die
neu entstandenen Molkereien haben im Gegenteil die letztere ge¬
fördert. In der Einführung der Kontrollvereine und Molkereien auf
genossenschaftlicher Grundlage sind deshalb zwei wichtige Fort¬
schritte zu sehen, die die Rente aus der Viehhaltung dauernd zu
steigern in der Lage sind.
Ertrag der Milchwirtschaft in Württemberg.
In Württemberg sind nach einer vorläufigen Zusammenstellung
der Ergebnisse der letzten Viehzählung vom 2. Dezember 1907 an
Milchkühen vorhanden 505 000 Stück, an Ziegen etwa 71 000 Stück.
Der Jahresmilchertrag einer Kuh ist nach dem statistischen Landes¬
amt auf durchschnittlich 1700 1, derjenige einer Ziege zu 550 1
zu berechnen. Demnach beträgt der Gesamtmilchertrag des Landes
rund 9 Millionen Hektoliter, von denen die Kühe 96 Proz., die
Ziegen 4 Proz. liefern. Der Milchpreis ab Stall beträgt im Landes¬
durchschnitt 13,5 Pf. für das Liter. Der Gesamterlös für die Land¬
wirtschaft beläuft sich auf 31,1 Millionen Mark das Jahr für die
Milch, welche hier von der städtischen Bevölkerung geliefert wird.
Dieses Quantum ist auf 2,3 Millionen Hektoliter zu berechnen.
Verarbeitet in gewerblichen und genossenschaftlichen Molkereien
und Käsereien wird für 29,5 Millionen Mark Milch. Der Erlös aus
der Selbstverarbcitung in den landwirtschaftlichen Betrieben, d. h.
für Verkaufsbutter ferner, beträgt 7,2 Millionen Mark. Alles in
allem beläuft sich nach der „Württemb. Zeitung“ der Ertrag aus
Milch und Molkereiprodukten für die württembergische Landwirt¬
schaft auf nahezu 67,8 Millionen Mark Bargelderlös.
Die Konservierung der Milchproben für analytische Zwecke.
Von Prof. I)r. Karl W indisch-Hohenheim.
(Milcbwirtschaftlichea Zentralblatt 190S, 8. 97.)
Unter den zahlreichen empfohlenen Mitteln zur Konservierung
der Milch für chemische Analysen kommen nur Formaldehyd, Kalium-
bichromat und allenfalls noch Kupferammonikumsulfat in Frage. Von
diesen wird in dem Institut vom Verfasser nach eigenen Unter¬
suchungen Kaliumbichromat benutzt (0,15—0,2 g auf 100 ccm Milch),
wobei zufriedenstellende Resultate erhalten wurden.
Milchkannen aus Papier.
Eine Londoner Fabrik bringt Milchgefäße in den Handel, die
aus Papier (Papier Mache) bestehen. Die Behälter sollen sowohl
in dem Großhandel als auch bei der Lieferung von Flaschenmilch
Verwendung finden. Die Flaschen und Gefäße sind von hellbrauner
Farbe, außerordentlich leicht und angeblich sehr sauber.
Milchersatz bei der Kälberaufzucht.
Daß alle bisherigen Versuche, die Milch durch Surrogate
bei der Kälberaufzucht anzuwenden, nahezu vergeblich sind, be¬
weisen auch die Experimente Fingerlings. Die diätetischen
Eigenschaften der Milch konnten niemals ersetzt werden, wenn
auch Lebendgewichtzunahme und Stickstoffansatz befriedigten.
Am nächsten kam noch Leinsamen hinsichtlich des diätetischen
Einflusses; ebenso war Erdnußöl (Arachisöl) in Emulsionsform
nicht ganz wertlos. Verkleisterte Stärke hingegen vermochte
die ungünstige diätetische Wirkung nicht aufzuheben, vielmehr
war die Reizung der Darmschleimhaut die gleiche wie die beim
Tränken mit reiner Magermilch. Dr. G.
Verdienst in der Meiereibranche.
Nach der Berliner Molkereizeitung zahlt Kommerzienrat
Dr. med. Bolle, Inhaber der bekannten Bo 11 eschen Meierei
65332 Mark Einkommensteuer jährlich. Es entspricht dieser
Satz Einkommensteuer einem Jahreseinkommen von weit über
einer halben Million Mark! Dr. G.
Abgeschaffte Milchsteuer.
Zu den 1300 Mark Kosten der Milchkontrolle in Dessau
wurden bisher nur die Milchhändler herangezogen, Diese
Steuer soll nun abgeschafft werden. Dr. G.
Häufigkeit der Eutertuberkulose in den französischen Schlachthäusern.
Nach einer Notiz in „L’Hygiene de la Viande et du Lait“ wurde
1904 bei den tuberkulösen Kühen in den französischen Schlachtböfen
Eutertuberkulose ermittelt in den nordwestlichen Departements bei
5,33 Proz., 1905 bei 4,85 Proz., in den südwestlichen 1904 bei 15,26
Proz. und 1905 bei 10,22 Proz. In Saint-Nazaire waren unter 18
tuberkulösen Kühen, von denen 6 generalisierte Tuberkulose auf-
wieBen, 16 mit Eutertuberkulose behaftet.
Beförderung von Milch auf der Eisenbahn.
Am 1. Juli traten neue Bestimmungen über den Versand der
Milch auf der Bahn in Kraft. Die Abweichungen betreffen die
Höhe der Milchgefäße und die Beschilderung derselben. Der Fassungs¬
gehalt soll nicht über 40 Liter, die Höhe nicht über 75 cm betragen,
das Schild aus Messingblech bestehen. Die alten nicht vorschrifts¬
mäßigen Gefäße sind noch 3 Jahre zugelassen.
Ultraviolettes Licht beim Sterilisieren von Milch.
Nach dem deutschen Reichspatent Nr. 195 012 wird Milch bei
niederer Temperatur (etwa 4° Celsius) abgekühlt und eine ent¬
sprechende Lüftung der Milch bewirkt. Die Abkühlung kann durch
einen Halogenhydrat bewirkt werden, welchem durch eine Kühl¬
flüssigkeit die seitens der zu sterilisierenden Flüssigkeit abgegebene
Wärmemenge entzogen wird. Dr. G.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen: dem Oberstabsveterinär
Wilden im Hus.-Rogt. Nr. 9 das Ritterkreuz zweiter Klasse des
Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Hausordens.
Ernennungen: Tierarzt AiVwWer-Kanth mit den kreistierärztlichen
Geschäften in Habelschwerdt betraut. — Städt. Tierarzt 0 Büdel
zum III. Schlachthoftierarzt in Freiburg i. Breisgau. — Versetzt:
Kreistierarzt tfacäi^er-Habeischwerdt nach Bielefeld.
Examina: Promoviert: Die städt. Tierärzte Albert Georyi-
Pausa, Fauß- Giengen, Julius Scigel - Heppenheim a. Bergstr. zum
Dr. med. vet. in Bern. — Approbiert: Die Herren Otto Fobl/c
aus Hannover, Alfred Grimm aus Riesalingen in Hannover.
Todesfälle: Oberstabsveterinär Albert Dönickc- Wesel, Stabs¬
veterinär Josojth La uger-'S elfte. Frankreich: Professor Baron
in Alfort.
Verantwortlich fa r den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Sehmalt* in Berlin.
Druck von W.
I Vakanzen. (v*i. Nr. 49.)
| Stellen für ambulatorische Fleisch beschau und Privatpraxie: Herx-
! heim bei Landau (Rheinpfalz): Tierarzt Gesuche an das Bürger-
| meisteramt.
Tierarzt Jacobsohn in Friedrichshagen bei Berlin, der seit
' Jahren gelähmt war, ist gestorben und hat seine Witwe mit kleinen
I Kindern in größter Not zurückgelassen. Der Verein der beamteten
und der Privattierärzte haben je 300 M. bewilligt, auch der Unter¬
stützungsverein, der übrigens seit Jahren laufende Untcr-
stützunggewährt hatte, gibt eine Weihnachtsspende — Zeichen,
daß die Not überall anerkannt ist. Das Ziel muß sein, der Witwe
ein kleines Kapital zur Begründung eines Erwerbs zu verschaffen.
Die B. T. W. ist gern bereit, Spenden anzunehmen und ihrem Zwecke
zuzuführen. Die Sendungen werden an die Verlagsbuchhandlung
j von R. Schoetz, Berlin SW. 48, Wilhelmstraße 10, erbeten.
Schmal tz.
- Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung tou Richard ßchoeta ln Berüu. —
Iftxeaatelu, Berlin.
. Die „Berliner Herbstliche Wochenschrift“ erscheint
wöchentlich im Verlage von Richard Seboets ln
Berlin SW. 48, Wilhelmatr. 10. Durch Jede« deutsche
Postamt wird dieselbe tum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, IS P£ für Bestellgeld)
* frei ins Haus geliefert (österreichische Post-Zeltongs-
Preisliste Nr. 574. Ungarische Nr. 86.1
Tierärztliche Wochenschrift
Redaktion:
Professor Dr. Sehmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor 6lage Veterinärrat Dr. Lothes Professor Dr. Peter Veterinärrat Peters Veterinärrat Preuße Dr. Richter
Hamburg. Departementa-T. in Cöln. Staatstierarst für Hamburg. Departements-T. in Bromberg. Departements-T. in Danaig. Professor in Dresden.
Med.-Rat Dr. Roeder Dr. Schlegel Dr. J. Schmidt Ober-Reg.-Rat Dr. Vogel Wehrte Zöndel
Professor in Dresden. Professor ln Freiburg. Professor in Dresden. Landestlerarxt in München. Kais. Regierungsrat in Berlin. Kreistierarzt ln MUlhaoaen i. B.
Helfer Dr. H. Sieber Dr. Städter Dr. Zimmermann
8cblacbtb.-Direktor in Mfllbau en 1. EL am Tropeniostitot in Hamburg. Stadt-Tieiarxt in Hamborg. Dozent ln Budapest
Berliner
Original beitrüge werden mit S§ ttk. y fn Petltsata mit
00 Bk. für den Bogen honoriert. Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Lui»enstraB6 56. Korrekturen.
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagabuchh andl u n g.
Jahrgang 1908. JV£. 52 . Ausgegebeh am 24. Dezember.
Inhalt: Toepper: Ausgewählte Kapitel aus der Kastration. — Referate: Gläsraer: Tierseuchenbekämpfung im Felde. —
Donath: Die Rolle der Neurotoxine in der Auslösung epileptischer Krampfanfälle. — Wierth: Ein Beitrag zur Statistik der
Hundestaupe. — Jakob: Gastroenteritis acuta beim Bären. — Möller: Der Brechweinstein als Antbelminthicum. — Schade:
Floria-Fliegenöl. — Aus der medizinischen Literatur. — Tageogeacblohte: Witt: Zur tierärztlichen Ausbildung. — Bayern voran.
Preußische Beamten-Besoldungskommission. — Gebühren und Reisekosten der Oberamtstierärzte in Württemberg. — Das
Fothsche Pressebureau. — Kleine Mitteilungen. — Sitzungsbericht über die 97. Frübjahrsversammlung des Vereins Schlesischer
Tierärzte. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen.
Ausgewählte Kapitel aus der Kastration.
Vortrag, gehalten im tierärztlichen Verein für die Provinz Brandenburg
am 21. Juni 1908.
Von Dr. Paul Toepper-Berlin.
Meine Herren! Die Veranlassung zn dem heutigen Vortrage
ist unser hochverehrter Vorsitzender Herr Veterinärrat Dr. Arndt.
Die Wahl des Themas war mir überlassen. Daß ich gerade
die Kastration wählte, hat seine besonderen Gründe. Wenn
unser bedeutendster Spezialist der Kryptorchidenkastration und
der Kastration überhaupt, Professor Degive-Brüssel, einen
geharnischten Artikel in die tierärztliche Welt wirft und dabei
vor den neuen Kastrationsmethoden warnt, so gibt dies mindestens
znm Nachdenken Veranlassung. Der von Degive in den
Annales de med.-vet., T. I—V, pag. 675, erschienene Artikel
ist betitelt: „Die Kastration des Pferdes. Eine neue Kluppe
mit besonderer Schnürvorrichtung. Der Wert der neuen
Kastrationsmethoden bei den Einhufern.“ Degive rät, zur
alten Kluppenkastration zurückzukehren. Seine Gründe hierfür
sind, daß jede Operation nicht allein schön, sondern daß sie
unter allen Umständen sicher sein soll.
Professor Fr ick-Hannover nimmt zu diesem Artikel in
der Deutschen tierärztlichen Wochenschrift Nr. 47, 1907
Stellung. Seine Ausführungen über Kastration und Kastrations¬
methoden der männlichen Haustiere sind so ausgezeichnet, daß
ich die Gesichtspunkte, von denen Frick ausgeht, nicht nur
gutheißen, sondern auch bei der Beschreibung der Kastration
mir als Richtschnur nehmen will. Dies schließt jedoch nicht
aus, daß wir in einigen Maßnahmen verschiedener Meinung sind
und daß wir zn den Zielen, die wir beide erstreben, in anderer
Ausführung gelangen.
Endlich beschloß im Dezember 1907 der Vorstand der
westprenßischen Landwirtschaftskammer auf eine Vorlage des
Landrates in Dirschan and nach einem eingehenden Referat
des Herrn Wannow-Fischau die Errichtung von Kursen zur
Ausbildung von Viehkastrierern bei dem Kaiser Wilhelm-Institut
zu Bromberg bei dem Herrn Landwirtschaftsminister zu be¬
antragen. Fürchten Sie nicht, meine Herren, daß ich Sie mit
der Beschreibung der Operation und der Literatur über dieselbe
lajigweilen will. Wollte ich die letztere auch nur oberflächlich
ötreifen, so könnte ich bis morgen früh sprechen, ohne sie nur
einigermaßen zn erschöpfen. In dem heutigen Vortrage habe
ich vielmehr nur die Absicht, einige Fragen zu beantworten;
Fragen, die nicht allein den praktischen Tierarzt, der sich mit
der Kastration beschäftigt, sondern auch die beamteten Tierärzte
interessieren. Die Antworten sind die Frucht der eigenen
Erfahrung, die ich im Laufe von 31 Jahren gesammelt habe.
Theoretische Schlußfolgerungen sollen dabei nicht in Betracht
kommen.
Beschäftigen wir uns zunächst mit der Frage: Soll der
praktische Tierarzt kastrieren? Davon ausgehend, daß jede
an Tieren auszufübrende Operation das unbestrittene Recht
und die Pflicht des Tierarztes ist, müssen wir die Frage
unbedingt bejahen. Es kommen jedoch so viel Nebenumstände
hierbei in Betracht, die wohl eine Berticktigung verdienen.
Zunächst die Operation selbst. Hoffman n-Stuttgart sagt in
den tiermedizinischen Vorträgen Band II, Heft 12 darüber
in treffender Ausführung: „Die Kastration ist eine bedeutungs¬
volle Operation und um sie in allen Fällen korrekt aus¬
führen zu können, dazu gehört ein wissenschaftliches Studium
und tierärztliche Fertigkeit. Wer will sich dessen schämen?
Wenn aber einige Tierärzte deshalb, weil sie im Anfänge nicht
genügende Erfolge hatten, auf die Kastration ganz verzichten
oder sich doch nur an einige Haustiere wagen, so beweisen
sie damit, daß sie nicht den Grad von Mut besitzen, der für
die Ausübung des Berufes eines Tierarztes gehört, daß sie
nicht das Vertrauen zu ihrer Wissenschaft besitzen, das not¬
wendig ist, daß sie auch in anderen Dingen unentschlossen
sein Werden, daß sie sich im eigenen Bezirk ein Pfuschertum
1
946 _BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT._;_No. 52.
großzielien, welches mit ihnen ans einer Schüssel ißt und durch
welches noch Nachbarn und Nachfolger gestört werden. Trotz¬
dem wird die Kastration von Laien, sogenannten Viehkastrierern,
ausgeführt, die weder die geringsten anatomischen Kenntnisse
über die Geschlechtsorgane noch die einfachsten Regeln der
Chirurgie und Desinfektion kennen. Das Gewerbe der Kastrierer
ist verachtet und vererbt sich in der Regel vom Vater auf den
Sohn oder bleibt wenigstens in der Familie. Es gibt Leute
unter ihnen, die eine bewunderungswerte Geschicklichkeit in ,
der Ausführung der Operation erlangen. In Ostpreußen ist es
besonders die Familie Ambrosius (Vater der Dichterin Johanna
Ambrosius), in Pommern die Familie Specht. Nach der alten
Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 mußten die Kastrierer
einen Befähigungsnachweis beibringen. Dies geschah dadurch,
daß sie vor dem Departeraentstierarzt ein Examen ablegen
mußten. Die Examina wareA durch Polizeiverordnungen in den
einzelnen Provinzen geregelt. Für die Provinz Pommern hatte
ich eine solche in der Hand. Sie stammte aus den fünfziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts und enthielt genaue Angaben
über die Forderungen, die an die Kastrierer gestellt werden.
Zurzeit wird die Kastration der Tiere von den Viehkastrierern
gewerbsmäßig betrieben. Dieselben sind verpflichtet, sich einen
Gewerbe- bzw. Wandergewerbeschein zu lösen. Jeder, der einen
solchen besitzt, kann die Kastration vornehmen. Unsere land¬
wirtschaftlichen Haustiere repräsentieren besonders in letzter
Zeit einen solch hohen Wert, daß ich in bezug auf die Aus¬
führung der Kastration bei der Forderung des Befähigungs¬
nachweises für Kastrierer stehen bleiben muß. In derselben
Weise wie für Schmiede der * Befähigungsnachweis gesetzlich
geregelt ist, ebenso sollte auch für Kastrierer ein solcher
gefordert werden. Daß wir Tierärzte aber diejenigen sein
sollen, welche für die Kastrierer einen Instruktionskursus auf
der Akademie in Bromberg abhalten sollen, wie die Landwirt¬
schaftskammer in Westpreußen will, das können die Landwirte
von uns nicht verlangen. Wir würden uns hiermit ins eigene
Fleisch schneiden. Das Richtigste und Beste wäre es ja, wenn
es wie in Dänemark wäre. In Dänemark besteht ein Gesetz,
nach welchem sämtliche Operationen an Tieren nur von
approbierten Tierärzten, beziehentlich von dem Besitzer des |
Tieres ausgeführt werden dürfen. Daher kommt es auch, daß
die dänischen Tierärzte alle kastrieren und eine außerordent¬
liche Geschicklichkeit in der Ausführung dieser Operation besitzen.
Zur Ausführung einer jeden Operation ist eine gewisse
natürliche Anlage notwendig. Gute Sinne, ein scharfes Auge,
ein feines Gefühl, eine ruhige Hand sind erforderlich. Setze
ich dieses voraus, so empfehle ich jedem jungen praktischen
Tierarzte, sich mit der Kastration zu beschäftigen. Es wird
ihm die Operation nicht nur viel Geld einbringen, sondern ihn
auch für die Vornahme anderer Operationen befähigen.
Geschicklichkeit im Werfen, in der Handhabung des Messers
und verschiedener Instrumente wird er hierbei gleichzeitig
erlernen. Zum Kastrieren der Haustiere gehört aber auch
körperliche Kraft. Ebenfalls bringt die Operation, bevor man
sich eine gewisse Fertigkeit angeeignet hat, zeitige Aufregungen
mit sich. Darum rate ich jedem Tierarzt, der das 40. Lebens¬
jahr überschritten und bis dahin nicht kastriert hat, überhaupt
diese Operation zu unterlassen.
Die Begründung dieses letzten Ratschlages hängt mit der
Geldfrage zusammen, die ich hier kurz berühren will. Die
Kastrierer erhalten in der Regel wenigstens in Pommern und
in Ostpreußen 3 M. für die Kastration eines jährigen Hengstes.
Daß wir Tierärzte für den Preis nicht kastrieren können, ist
klar. In ^Pommern liquidierte ich für die Kastration eines
jährigen Hengstes 6 M., für diejenige eines zweijährigen 9 M.;
für einen dreijährigen 12 M. und für einen vierjährigen Hengst
15 M. Alle über vier Jahre alten Hengste gelten als große
Hengste und berechnete ich für die Kastration eines solchen
Hengstes 20 M. Außerdem hatte ich mit den Besitzern in
Pommern folgendes vereinbart: Wurde die Kastration an einem
bestimmten Tage gewünscht und machte ich hierzu eine direkte
Reise nach dem Ort mit eigenem Fuhrwerk, so berechnete ich
Reisekosten. Waren vier oder mehr Hengste zur Kastration
vorhanden, so wurde für die Reise nichts liquidiert. Im übrigen
meldeten die Besitzer die zu kastrierenden Hengste in jedem
Frühjahr, bis Anfang Mai bei mir an. Die Kastration führte
ich denn aus, wenn ich gelegentlich nach dem Ort selbst oder
in die Nähe desselben kam. In Ostpreußen hatte ich dieselben
Preise eingeführt. In einigen Kreisen Ostpreußens namentlich
Rastenburg und Angerburg starben im Jahre 1896 fast die
Hälfte aller der durch Kastrierer kastrierten Fohlen. Infolge¬
dessen baten die Besitzer die dortigen Kreistierärzte, doch die
Kastration zu übernehmen und erboten sich aus freien Stücken
für jeden einjährigen Hengst 10 M. zu zahlen. Dies reizte uns,
Kreistierarzt Poeschke-Rastenburg und mein alter Freund
Oskar Schumann baten mich, ihnen genau die Kastration zu
zeigen. Poeschke kastrierte unter meiner Aufsicht sechsjährige
Hengste und obwohl derselbe zuerst recht wenig gewandt war,
kastrierte er später recht gut. Mißerfolge blieben aber auch
nicht aus, weil er in Beständen kastriert katte, in denen Druse
bzw\ ‘Brustseuche herrschte oder geherrscht hatte. Dennoch
bekam Poeschke so viel Aufträge zur Kastration, daß er sich
gerade durch die körperliche Anstrengung, die die Kastration
mit sich bringt, überarbeitete und nervös wurde. Ähnlich ging
es meinem Freund Oskar Schumann-Angerburg. Derselbe
freute sich ungemein, als er an einem Vormittag auf einem
großen Gut Ostpreußens 90 M. durch Kastration verdient hatte,
schrieb mir aber nach einigen Tagen, daß ihm die Hände und
Glieder dermaßen wehe täten, daß er auf die weiter^ Aus¬
führung der Kastration verzichten müßte.
Wollen wir aber, meine Herren, daß unsere jungen Tier¬
ärzte kastrieren, müssen wir auch ihnen Gelegenheit geben,
dies praktisch zu erlernen und hierzu möchte ich folgenden Vor¬
schlag machen. Es wäre zweckmäßig, Instruktionskurse zu
errichten, nicht aber, wie die Landwirtschaftskammer in West¬
preußen will, für Kastrierer, sondern für Tierärzte. Für
Westpreußen und Posen wäre die Akademie in Bromberg dazu
ein geeigneter Ort. Als Lehrer müßte aber eine Kraft ge¬
wonnen werden, die nicht allein theoretisch die Operation in
jeder Hinsicht beherrscht, sondern und dies ist die Hauptsache,
die auch in der Praxis selbst viel kastriert hat Es ist ein
großer Unterschied, ob ich in meinem Institut eine Operation
vornehme oder in der Praxis. Um Material für den Kursus zu
gewinnen, wäre es angebracht, eine Annonce zu, erlassen, daß
während der Zeit des Kursus (zirka 10—14 Tage würden ge¬
nügen) alle dorthin gebrachten Hengste umsonst kastriert
würden. Würden von einem Besitzer mehr als zehn Hengste
angemeldet, könnte man sich auch auf das Gut begeben, um die
Kastration an Ort und Stelle vorzunehmen. Unter Aufsicht des
24. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
947
Lehrers müßte jeder Kursist ein bis zwei Hengste selbständig
werfen und kastrieren, nachdem der Lehrer vorher genau die
Operation ausgeführt und auf die besonders wichtigen Punkte
dabei aufmerksam gemacht hatte. Käme dieser Vorschlag zur
Ausführung, dann, meine Herren, seien Sie versichert, wären
nicht allein die westpreußischen Landwirte zufrieden und zahlten
gern statt 3 M. 6 M., sondern auch die Tierärzte, die sich mit
der Kastration beschäftigten, würden Freude und Passion für die
Operation gewinnen. Wenden wir uns nun zu den Vorbereitun¬
gen für die Kastration. Dieselben möchte ich einteilen in Ma߬
nahmen, welche der Tierarzt auszuführen hat und in solche,
welche für die Tiere Anwendung finden. Ad. 1. Vor jeder
Operation prüfe der Tierarzt genau sein Wurfzeug, überzeuge
sich von der Beschaffenheit der Taue, der Lederriemen, der
Schnallen usw., denn von der Haltbarkeit des Wurfzeuges hängt
das Wohl und Wehe nicht nur des Tierarztes selbst, sondern
auch der ihm zur Beihilfe gegebenen Leute ab. Diese Vorsichts¬
maßregel ist seit Bestehen des bürgerlichen Gesetzbuches um
so wichtiger, als der Tierarzt für den Schaden, der ihm von
dem Tier selbst oder den Leuten zugefügt wird, verantwortlich
ist. Es kommen hierbei die §§ 833 und 834 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs in Betracht. Dieselben haben folgenden Wortlaut:
§ 833 „Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper
oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache
beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet,
dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
§ 834. Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung
der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für
den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der
im § 833 bezeichnten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit
tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden
auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde“.
Auf Grund dieser Paragraphen liegt die Sache in betreff
der Haftpflicht des Operateurs nach verschiedenen Ent¬
scheidungen des Reichsgerichts folgendermaßen: Über¬
nimmt der Tierarzt an einem Tier die Ausführung einer
Operation, so schließt derselbe stillschweigend mit dem Be*
sitzer während der Dauer der Operation einen Werkvertrag.
Von diesem Zeitpunkt an geht die Haftpflicht von dem Besitzer
auf den Tierarzt über. Der Tierarzt ist jetzt nicht allein für
alle Schäden haftpflichtig, die ihn selbst, sondern auch den¬
jenigen Leuten zugefügt werden, die ihm bei der Operation
helfen. Erst dann geht die Haftpflicht von dem Tierarzt wieder
auf den Besitzer zurück, wenn der Tierarzt nachweisen
kann, daß ihm auch nicht der geringste Teil einer
Schuld zur Last fällt. Dies ist oft äußerst schwer und für
uns Tierärzte recht hart, um so mehr, als wir oft gezwungen
sind, mit ungeübten, ängstlichen und unverständigen Leuten /
eine Operation auszuführen. Ein Glück ist es vorläufig noch,
daß ein großer Teil der Besitzer das Gesetz in seiner Aus¬
legung noch nicht genau kennt. Ich fürchte aber auch, daß
die Operationsfreudigkeit der Tierärzte durch das Gesetz stark
eingedämmt werden wird. Von verschiedenen Juristen wird
neuerdings gegen diese Auslegung des Gesetzes folgendes
geltend gemacht Es ist fraglich, ob mit der Übernahme einer
Operation stillschweigend ein Werkvertrag abgeschlossen
wird. Zur Übernahme eines Werkvertrages gehört nicht allein
die Ausführung einer Handlung, die ich übernommen habe,,
sondern vor allen Dingen auch die Garantie für den Erfolg,
für das Gelingen dieses Werkes. Eben so wenig wie die Ärzte
eine Garantie für das Gelingen einer Operation übernehmen
können, eben . so wenig können wir Tierärzte dies. Was
Tillmanns-Leipzig in seiner „Modernen Chirurgie“ für die
Ärzte sagt, gilt auch für uns. „Wir Ärzte können vor jeder
Operation nur versprechen, den operativen Eingriff nach bestem
Wissen und Gewissen sachgemäß unter strengster Beobachtung
der modernen chirurgischen Technik auszuführen, auch können
wir nach menschlichem Ermessen den wahrscheinlichen glück¬
lichen Ausgang in sichere Aussicht stellen, mehr aber nicht.
Wenn also der Erfolg nicht garantiert werden kann, ist es
auch kein Werkvertrag. Am 7. Mai d. J. ist zu § 833 in
dritter Lesung vom Reichstag folgender Zusatz angenommen
worden: „Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden
durch ein Haustier verursacht wird, das dem Berufe, der Er¬
werbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen
bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beauf¬
sichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt be¬
obachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt
entstanden sein würde“. Ob dieser Zusatz für die Haftpflicht
des Tierarztes eine besondere Auslegung finden wird, müssen
wir abwarten. Das einzige, meine Herren, sich einigermaßen
gegen Unfälle bei Operationen zu schützen, ist, sich Unfall- und
Haftpflicht zu versichern.
Als Vorbereitung für die zu kastrierenden Hengste ist es
in Deutschland Brauch, dieselben einen Tag vor der Kastration
hungern zu lassen bzw. ein bis zwei Futter vorher zu ent¬
ziehen. Bei meinen Kastrationen in Pommern legte ich hier¬
auf gar kein Gewicht, da die Kastration in der Regel ge¬
legentlich einer anderen Reise bei den vorher angemeldeten
Jährlingen ausgeführt wurde. In Ostpreußen wollte ich es aber
besonders gut machen. Als ich den Auftrag bekam, an dem¬
selben Tage auf einem Gute vormittags 27 Hengste und auf
einem anderen Gute nachmittags 11 Hengste , zu kastrieren, bat
ich die Besitzer, die Jährlinge bzw. zweijährigen Hengste einen
Tag vorher hungern nnd dursten zu lassen. Wer beschreibt
aber, meine Herren, meinen Schreck, als ich vormittags bei
27 Hengsten 5 Netzbrüche und nachmittags bei 11 Hengsten
sogar 6 Netzbrüche vorfand. Obwohl die Netzbrüche nicht ge¬
fährlich sind, wenn man damit Bescheid weiß, so sind sie immer
unangenehme Begleiter bei der Kastration. Anfänglich konnte
ich mir die Sache nicht erklären. Da erschien im Jahre 1896
ein Artikel von Masch in den Mitteilungen für Tierärzte, Heft 4,
dem dasselbe bei Jährlingen passiert war und der daher vor
dem Hungernlassen von ein- bis dreijährigen Hengsten warnt.
Masch erklärt sich die Entstehung der Netzbrüche durch die
Lageveränderung des leeren Magens bzw. des am unteren
Rand des Magens befestigten Netzes. Ferner könne eine völlig
leere Darmschlinge leicht durch den Leistenkanal gepreßt
werden, eine mäßig gefüllte Darmschlinge könne überhaupt nicht
in den Leistenkanal treten.
Ältere Hengste, besonders aber Vollbluthengste, lasse ich
in der Regel einen Tag vorher hungern und dursten. An dieser
Stelle möchte ich aber auf ein Ereignis aufmerksam machen,
das infolge des Huugerns und Dnrstens bei den Tieren vor¬
kommt, dessen Beschreibung man aber vergeblich in der
Literatur sucht. Ich habe dasselbe nur bei Vollbluthengsten
und solchen Hengsten beobachtet, die vor der Kastration durch
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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 52.
Chloroform, Chloralhydrat, Morphiam usw. narkotisiert waren.
Bei Russen und anderen Halbbluthengsten, die nicht narkotisiert
waren, sah ich dasselbe nicht. Läßt man nach der Kastration
die Tiere aufstehen, führt sie in den Stall und wirft ihnen in
der Krippe etwas Heu vor, so greifen sie mit großer Hast das
Heu, kauen wenig und versuchen dasselbe herunterzuschlucken.
Dann tritt sehr oft ein eigentümliches Würgen ein, der Kopf
wird krampfhaft an den Hals gezogen, die Tiere werden un¬
ruhig und fließt ihnen oft Schleim in Mengen aus dem Maul.
Dann muß -man die Tiere sofort herunterbinden, will man nicht
unangenehme Folgen haben. Einige Pferde husten dann sofort
und stoßen auf diese Weise das zusammengeballte Heu und
Schleim aus. Geschieht dies nicht und dauert das Würgen
fort, so erfaßt man entweder die Zunge und zieht sie lang aus
dem Halse heraus oder greift direkt mit der Hand tief ins
Maul und holt das geballte Heu heraus. Korpsstabsveterinär
Hell-Altona (mündliche Mitteilung) wurde zu einem Vollblüter,
den er kurze Zeit vorher kastriert hatte, mit dem Bericht ge¬
rufen, der Hengst wolle ersticken und künne kaum noch atmen.
Hell fand einen großen Heuballen in der Rachenhöhle. Nach
Entfernung desselben hörten die beängstigenden Atembeschwerden
sofort auf. Auch Oberstabsveterinär Koedix-Hoppegarten, der
viel Vollbluthengste kastriert, beobachtet oft diesen Zustand.
Um dies zu vermeiden, lasse ich den Pferden nach der
Kastration nicht mehr zuerst Heu geben, sondern biete ihnen
lauwarmes Wasser oder lauwarmen Kleientrank an. Haben die
Tiere dann nun etwas gesoffen, so daß der Schlund funktioniert
hat, so tritt dies Würgen nach dem Fressen von Heu nicht
mehr ein.
Dann, meine Herren, wollen Sie sich eines Kunstfehlers
nicht schuldig machen, so vergessen sie vor der Kastration
nicht die Untersuchung des Hengstes auf Weite des Leisten¬
kanals bzw. äußeren Bauchringes. Seit 25 Jahren, als mir der
erste Dannvorfall bei der Kastration eines vierjährigen Hengstes
passierte, beschäftige ich mich mit dieser Frage und habe da¬
raufhin mindestens 500 Hengste untersucht. Dabei bin ich zu
folgendem Resultat gekommen: Am stehenden Pferde ist es
nicht möglich, den äußeren Bauchring in seiner Ausdehnung
und Weite zu betasten. Außerdem kommt hinzu, daß ein großer
Teil der Hengste selbst bei Anwendung der Bremse und Auf¬
heben eines Vorderfußes sich die Untersuchung der Leisten¬
gegend nicht gefallen läßt. Bei Anwendung des Berliner Wurf¬
zeuges ist im Liegen des Pferdes der äußere Bauchring nur
dann zu betasten, wenn das betreffende Bein der zu unter¬
suchenden Seite auBgebunden ist. Nur bei Benutzung des
dänischen Wurfzeuges ist man imstande, und zwar auch genau
nur bei mageren Pferden, die Konturen des äußeren Leisten¬
ringes festzustellen. Oft liegen bei gut genährten Pferden so
große Fettmassen in der Leistengegend, daß dadurch die Unter¬
suchung sehr erschwert wird. Auf Grund dieser meiner Unter¬
suchungen stehe ich jetzt auf dem Standpunkte, am stehenden
Pferde keine Untersuchungen auf Weite des äußeren
Bauchringes vor der Kastration mehr vorzunehmen. Wohl
aber untersuche ich die Weite des äußeren Bauchringes und
die Samenstränge sehr genau am liegenden Pferde nicht
allein vor, sondern auch während der Kastration, da ich
ältere Hengste schon seit zehn Jahren nur noch mit verdeckter
Scheidenhaut kastriere. Erscheint mir nach freigelegter Scheide¬
haut der Samenstrang oberhalb der Hoden besonders stark, so
taste ich genau den Samenstrang ab und kann, da derselbe nur
von der tunica vaginalis communis bedeckt ist, sehr genau fest?
stellen, ob neben dem Samenstrang sich Netz oder Darm in der
Scheidenhaut befindet. Wenn wir auch am stehenden'Pferde
nicht gut imstande sind, den äußeren Bauchring zu untersuchen,
so können wir aber genau die Samenstränge jeder Seite befühlen
und betasten. Und dies ist nicht allein in bezug auf die Kolik
der Pferde beim Bestehen eines Leistenbruchs von großer Wich¬
tigkeit, sondern läßt auch Rückschlüsse in bezug auf die Weite
des äußeren Leistenringes zu. Ist bei demselben Hengste der
eine Samenstrang dem anderen gegenüber besonders weit und
stark, so können Sie versichert sein, dann ist der Leistenkanal
derjenigen Seite, an welchem sich der starke Samenstrang be¬
findet, abnorm weit. Ich hatte Gelegenheit, dies an verschiedenen
Hengsten festzustellen. Es ist dies auch leicht erklärlich, da
Samenstrang und Leistenkanal in Wechselbeziehung zu einander
stehen.
Die Dicke, Weite, Härte der Samenstränge ist außerordent¬
lich verschieden. In der Regel sind die Samenstränge desselben
Tieres normal ziemlich gleich. Ebenso wie der linke Hoden
meistens tiefer herunterhängt, ebenso ist der linke Samenstrang
vielfach etwas stärker. Zunächst muß man iu bezug auf die
Untersuchung der Samenstränge zwei große Gruppen von
Hengsten trennen: 1. Solche Hengste die gedeckt haben und
2. solche die noch nicht gedeckt haben. Bei Hengsten, die
viel gedeckt haben, also Beschäler sind oder gewesen sind, sind
die Samenstränge oft mehr wie doppelt? so stark. Haben
Hengste das Deckgeschäft längere Zeit nicht mehr aasgeübt,
wie z. B. die Hengste, die wir als Wagenpferde im Königlichen
Marstall benutzen, so verkleinern sich ganz allmählich wieder
die Samenstränge. Interessant wäre es, wenn Messungen da¬
rüber existierten. Ferner haben wir außerordentliche Unter¬
schiede bei den einzelnen Rassen der Pferde. Die Schlaffheit
oder Festigkeit der Gewebe, der Muskulatur wird hierbei von
großem Einflüsse sein. Den Unterschied bei den Samensträngen
einzelner Rassen sehen Sie recht deutlich bei der Kastration
besonders beim Abdrehen. Manche Samenstränge sind weich und
elastisch, andere wieder zähe, spröde, dünn und leicht brüchig,
so daß sie bei den geringsten Zerrungen schon einreißen, brechen
und bluten.
Leistenbrüche bei jungen Fohlen sind angeboren und gerade
nicht selten. In der Regel sind sie so leicht zu diagnostizieren,
daß sie von Laien fast immer gesehen werden. In Pommern
operierte ich zwei Leistenbrüche bei jungen Fohlen. Die Ope¬
ration war gerade nicht schön, jedoch praktisch und von Erfolg.
Eiaem vier Wochen altem kräftigen dänischen Fohlen injizierte
ich 0,2 Morphium, warf es mit dem Berliner Wurfzeug und
band den Hinterfuß, an dem der Leistenbruch vorhanden war,
aus. Dann legte ich das Fohlen, das tief eingeschlafen war,
auf den Rücken, wodurch die Eingeweide sofort in den Bauch
zurücktraten. Jetzt wurde der Hoden mit der rechten Hand
erfaßt. Der Daumen und Zeigefinger der linken Hand fest um
Haut und Samenstrang gelegt und so weit wie möglich nach
dem unteren Bauchring geschoben. Dann legte ich über die
Haut, gemeinschaftliche Scheidenhaut und Samenstrang fest eine
Kluppe und rieb die Umgebung sofort mit scharfer Salbe ein.
Nach 14 Tagen fiel die Kluppe ab und war die Wunde in
drei Wochen geheilt. Auf gleiche Weise operierte ich ein
Fohlen iih Schievelbeiner Kreise mit demselben guten Erfolge.
24. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
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In Trakehnen wurde in den Jahren 1894 bis Herbst 1897 bei
100 bis 140 Hengstfohlen in jedem Jahre drei bis sechs Fohlen
mit Leistenbruch geboren. Als mir dies zuerst von dem Stuten¬
meister gemeldet wurde, fragte ich, was früher damit gemacht
worden wäre. Das heilt von selbst, sowie die Fohlen größer
und kräftiger werden, war die Antwort. Dies war auch richtig.
Ich habe mir diese Fohlen notiert, um nicht bei der Kastration
durch Darmvorfall überrascht zu werden. Es kam jedoch bei
der Kastration kein Bruch zum Vorschein. Ich rate Ihnen
daher, wenn nicht direkt die Operation gefordert wird, dieselbe
vor Ablauf des ersten Jahres nicht zu machen, da die Leisten¬
brüche meistenteils von selbst heilen. Ist der Leistenbruch
nach Ablauf eines Jahres nicht von selbst geheilt, muß derselbe
operiert werden, da dann Naturheilungen in der Regel nicht
mehr eintreten.
Bei der Ätiologie der rezenten Leistenbrüche kommen alle
diejenigen Momente in Betracht, welche zur Verkleinerung des
Bauchraumes und zur Erweiterung des inneren Leistenringes
führen. Eine Verkleinerung des Bauchraumes bedingen die
Bauchmuskeln, bei einer Erweiterung des inneren Leistenringes
kommen mehr die Schenkelmuskeln in Betracht. Es treten
Leistenhernie bei noch so heftiger Gewalteinwirkung auf
die erschlafften Bauchdecken sehr selten ein. Dies beweist
die Tatsache, daß Pferde, die bei Verladung in Schiffsräumen an
breiten Gurten aufgezogen werden, fast nie Hernien sich zu¬
ziehen. Ebenso tritt fast nie eine Hernie bei Ausübung des
Coitus ein, obwohl der auf die Bauchwand ausgeübte Druck ein
sehr starker ist. Daß eine übermäßige Anspannung der Kruppen-
und Schenkelmuskeln z. B. beim Steigen und Ausschlagen her¬
vorruft, wußte schon Bouley, der diese Ursachen genau be¬
schrieben hat. Ebenso ereignen sich Darmvorfälle nach der
Kastration dadurch, daß die Hengste die Hinterfüße nach hinten
stellen und sich dehnen und strecken. Auf diese auch von mir
beobachtete Tatsache machte schon Dieckerhof aufmerksam.
Beim Strecken der Hengste erweitert sich der Leistenkanal und
kann so das Hervorschlüpfen der Darmeingeweide begünstigen.
Der nach der Kastration zur Aufsicht hingestellte Mann muß
hierauf aufmerksam gemacht werden, damit er dasselbe durch
einfaches Antreiben der Hengste mit einer Gerte verhindert.
Rezente Leistenbrüche bei Beschälern kommen nach meinen Er¬
fahrungen selten vor. Vom Jahre 1881—1894 war ich Gestüt¬
inspektor am Landgestüt Labes, das durchschnittlich einen
jährlichen Bestand von 180—200 Hengsten hatte. Obwohl
Koliken bei den Beschälern nicht selten waren, so kamen solche
infolge von Darmeinschiebungen in den Leistenkanal nur bei
einem Hengste, namens Jacob, vor. Während fünf Jahren traten
dieselben ungefähr jährlich drei- bis viermal ein. Die Kolik
trat immer des nachts oder frühmorgens vor dem Futtern ein.
Ebenso beobachtete ich bei einem Hengste im Königl. Marstalle
zweimal Kolik durch Darmeinschiebung immer dann, wenn der¬
selbe drei bis vier Stunden im Zuge gegangen war und der
Magen und die Dünndärme leer waren. Zum erstenmale trat
die Kolik auf, als derselbe vom Marstall des Neuen Palais bei
Potsdam nach Berlin kam. Acht Tage hierauf machte er die¬
selbe Tour in entgegengesetzter Weise. Als derselbe im
Marstall des Neuen Palais eintraf, erkrankte derselbe an Kolik.
Am nächsten Morgen wurde mir die Erkrankung gemeldet,
wobei ich Kollegen Th in ins sofort meine Vermutung einer
Darmeinschiebung in den Leistenkanal mitteilte. Doch schon
eine halbe Stunde darauf starb der Hengst. Die Obduktion
bestätigte meine Annahme. Tritt bei einem Hengste Kolik auf,
so ist mein erster Griff nach dem Pulse, mein zweiter nach den
Samensträngen. Fühlt man die Konturen derselben bis hoch
hinauf, so liegt keine Darmeinschiebung vor. Liegt eine solche
vor, so ist der Samenstrang meistens verdeckt, der Hoden der
Seite ist geschwollen, die Tiere beim Betasten empfindlich. Ich
behandelte beide Tiere folgendermaßen: Bei dem Beschäler
Jacob des Pommerschen Landgestüts trat die Kolik in der Regel
unter so heftigen Erscheinungen auf, daß es kaum möglich v war,
an denselben heranzukommen. Ich ließ ihn im Stande hernm-
drehen, legte mich über den Raumbaum und injizierte 0,1
Eserinsulfuric. in Lösung. Dann wurde er in eine große Boxe
mit hoher guter Streu gebracht und frei gelassen. Sofort warf
sich der Hengst und legte sich auf den Rücken, wobei er den¬
jenigen Schenkel, an dem die Darmeinschiebung lag, beugte und
weit vom Körper absperrte. Oft sprang er dann schon nach
Verlauf von fünf Minuten auf, schüttelte sich und war gesund.
Am 1. Mai 1894 wurde ich nach Trakehnen versetzt, im Juli
desselben Jahres wurde Jacob ausrangiert und kastriert. Sofort
bei Öffnung der tunica vaginalis communis kamen die Darm¬
eingeweide zum Vorschein und der Kollege ließ den Hengst
töten. Bei dem Königl. Marstallhengste injizierte ich 0,1 Arecol.
hydrobrom. und ließ ihn ebenfalls in eine große Boxe bringen.
Auch dieser Hengst legte sich sofort auf den Rücken und sperrte
den betreffenden Schenkel ab. Der Hengst lag einmal zehn
Minuten auf dem Rücken. Nach einer Stunde sprang er plötzlich
auf, schüttelte sich und war gesund. Wäre derselbe nach einer
Stunde nicht gesund gewesen, hätte ich denselben mit dem
dänischen Wurfzeuge gefesselt, unter das Kreuz und die Kruppe
quer zwei festgeschnürte Strohbunde gebracht, damit das Hinter¬
teil höher lag, und dann die Schenkel abgesperrt. Gelingt die
Reposition auf diese Weise nicht, fasse ich behutsam in den
Mastdarm und versuche sehr vorsichtig den Darm aus dem
Leistenkanal in die Bauchhöhle zu ziehen, wobei ein Gehilfe
den Hoden erfaßt und straff nach oben zieht. Erst dann ver¬
suche ich die Reposition, indem ich gleichzeitig mit verdeckter
Scheidenhaut kastriere. Darum, meine Herren, werden Sie zu
einem Hengste mit Kolik gerufen, vergessen Sie nicht die
Untersuchung der Samenstränge und nehmen Sie immer ein
festes, wenn möglich dänisches Wurfzeug mit, da nach meiner
Erfahrung dies sich für die Reposition des Darmes am besten
eignet.
Aus der verhältnismäßig geringen Zahl von Leistenbrüchen
bei älteren Hengsten und den sehr viel häufiger auftretenden
Darmvorfällen bei der Kastration, die vielfach immer den¬
selben Operateuren passiert, drängt sich uns die Überzeugung
auf, daß diese Vorfälle besonders häufig durch bestimmte Wurf¬
zeuge bzw. durch gewisse Kastrationsmethoden hervorgerufen
werden. So passierte dem Oberinspektor Heidemann in Hoppe¬
garten bei der Kastration fast in jedem Jahre ein Darmvorfall.
Ebenso ging es meinem Vorgänger Dr. Albrecht. Derselbe
kastrierte 4 Hengste im Marstalle. Der eine brach sich das
Kreuz, bei den 3 anderen waren Darmvorfälle die Todesursache.
Ältere Hengste kastriere ich jetzt nur noch mit verdeckter
Scheidenhaut und stelle sie nach der Kastration sofort in einen
Stand, dessen Boden in seiner hinteren Abteilung durch Sand
und dünne Strohlagen so erhöht ist, daß der Hengst 1—IV 2 Fuß
mit den Hinterbeinen höher als mit den Vorderbeinen steht.
950
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 52.
Dann, meine Herren, vergessen Sie nicht 1—2 Kluppen
mitzunehmen,, nicht aber unsere alten Holzkluppen, sondern die
von Kreistierarzt Pflanz konstruierten, die ich Ihnen zeigen
und beschreiben will. Endlich erkundigen Sie sich bei dem
Besitzer, ob Brustseuche, Pferdestaupe oder Druse unter seinen
Pferden herrsche oder ob häufiger Starrkrampf auf dem Gute
vorkomme. In ersterem Falle kastrieren Sie nicht, und ver¬
schieben die Kastration auf spätere Zeit. Im anderen Falle
impfen Sie die zu kastrierenden Pferde mit Pasteur scher
Präkautionslymphe, bei deren Anwendung besonders Kollegen
im Elsaß gute Erfolge zu verzeichnen haben.
Zur Frage der Narkose stehe ich genau auf dem Stand¬
punkte Fröhners, der jede Narkose zur Ausführung der
Kastration verwirft. Sind Sie gezwungen, dieselbe bei der
Kastration anzuwenden, so rate ich Ihnen zur Narkose mit
Chloralhydrat per clysmam, wie sie Fröhner beschreibt und
ausführen läßt. Ich habe bei der Kastration Chloroform, Mor¬
phium, Morphium-Atropin, Chloralhydrat intravenös und per
clysma versucht und wieder verlassen. Die Gründe hierfür sind
die Nachwehen, die der Narkose folgen und die die Tiere viel
mehr mitnehmen, als der kurze Schmerz bei Ausführung der
Kastration. Durch Chloroform verlor ich einen Cryptorchiden in
folge von Fremdkörperpneumonie, nach Morphium, besonders aber
Morphium-Atropininjektionen trat fast immer das Würgen und
große Unruhe ein, nach Chloralhydrat tritt starke Herabsetzung
der Freßlust ein und endlich sehen wir bei sämtlichen Narkoticis,
daß die Wunden viel schwerer und schlechter heilen, als ohne
Narkose, da die Vitalität der Gewebe sicher darunter leidet.
Ob endlich bei Anwendung der Narkose die Brüche beim Werfen
der Tiere vollständig ausbleiben, ist doch eine sehr große Frage.
Die Kastration wird entweder am stehenden Pferde vorge-
nomraen oder die Tiere werden niedergelegt. Ich persönlich
habe nie am stehenden Pferde die Kastration ausgeführt, da ein
nach dieser Richtung hin bei einem Fohlen ausgeführter Versuch
mißglückte. In Lothringen sah ich einen gewerbsmäßigen
Kastrierer 4 Hengste im Stehen von der Seite aus mit Kluppen
kastrieren. Denselben wurde nur eine Bremse aufgesetzt und
der eine Vorderfuß aufgehoben. Die Franzosen Joyeux
Mesnar (Rec. 1890 pag. 123) und Blaueuil (Rec. Bull. 1890
pag. 470) kastrieren immer am stehenden Pferde, dem beide
Hinterfüße und ein Vorderfuß eingeschnallt sind. Ebenso ge¬
schieht die Kastration am stehenden Pferde vielfach in Amerika.
Ein amerikanischer Tierarzt kastrierte hier in Hoppegarten
mehrere Vollbluthengste im Stehen, als sich aber einige Pferde
dabei losrissen und wegliefen, verschwand auch er aus Hoppe¬
garten. Tierarzt Klingner-Berlin kastrierte im Beermann-
schen Institute einige Hengste im Stehen, indem er ihnen die
Hinterfüße ebenso spannte, als wie man Stuten beim Deckakte
spannt. Bei uns in Deutschland ist es üblich, die Hengste zur
Kastration niederzulegen. Ich habe in meinem Leben nur zwei
Arten von Wurfzeugen benutzt
1. das Berliner Wurfzeug und
2. das dänische Wurfzeug.
Ad 1. Das Berliner Wurfzeug eignet sich für die Kastration
absolut nicht. Ich habe dasselbe vom Jahre 1877 bis 1896
dazu benutzt. Glücklicherweise passierte mir bei Anwendung
desselben nur ein Oberschenkelbruch bei einem 2jährigen Hengste
Will man es aber durchaus benutzen, so muß man den rechten
Hinterschenkel ausbinden. Dies kann nach zwei Methoden ge¬
schehen. Entweder legt man den Ausbindestrick um den Fessel,
geht unter dem Halse durch nach der anderen Seite des Halses
und schlingt den Strick vom Widerrist aus nochmals über den
Fessel, den man nicht höher als bis zum Ellenbogengelenk
hervorziehen soll oder man benutzt die Gerlachsche Ausbinde¬
methode. Eine Schlinge des Ausbindestrickes legt man ober¬
halb des Sprunggelenks um die Achillessehne, dann führt man
den Strick zwischen den Vorderfüßen hindurch und unter dem
Halse weg zur anderen Seite und schlingt vom Widerrist ans
den Strick um den Fessel, den man bis zur Höhe des Schulter¬
gelenks zieht. Gut ist es noch, wenn man den Hinterfuß durch
nach Hintendrücken der Zehe beugen läßt. Die Haupt aufraerk-
samkeit beim Berliner Wurfzeug ist auf den Kopf zu richten,
der immer gestreckt gehalten werden muß. Um ein Beugen
des Kopfes zu verhindern, haben die Franzosen Bernadot und
Butel einen Apparat ersonnen, den ich auch angewendet habe,
der aber selbst bei sehr starker Ausführung von Hengsten mit
starkem Halse sehr leicht gesprengt wird.
Ad 2. Das dänische Wurfzeug habe ich genau beschrieben
und durch Abbildungen erläutert in meiner Abhandlung über
die Kastration der Kryptorchiden. B. T. W. 1898 S. 301.
Auch die Chirurgie von Müller u. Frick, sowie die Operations¬
lehre von Bayer bringen die Abbildungen.
Zum Schlüsse meiner Ausführungen will ich die Kastration
besprechen. „Als die idealste Kastrationsmethode männlicher
Tiere ist stets diejenige anzusehen, wie Frick sagt, wobei die
Hoden entfernt werden, ohne einen Fremdkörper (Ligatur,
totes Gewebe) in der Wunde zu hinterlassen und die gesetzten
Wunden per primam intentionem oder mindestens ohne Hinzn-
tritt von Infektionen zu heilen.“
Für die Kastration gibt es folgende Operationsarten:
1. Die Kastration mit unbedecktem Samenstrange
und Hoden;
2. die Kastration mit bedecktem Samenstrange und
unbedeckten Hoden. Diese von Vanderelst im Jahre
1845 in Belgien zuerst angewandte Methode wurde von
Degive besonders volkstümlich gemacht;
3. die Kastration mit bedecktem Hoden und Samen*
sträng. Die Abtragung der Hoden kann geschehen:
1. Durch Kluppen;
2. durch Unterbindung (mit Asepsis vereinigt durch Bayer u.
Frick besonders ausgeführt und beschrieben):
3. durch Abquetschen. Der Ekraseur von Chassaignac ist
besonders häufig angewandt worden. Da das Abquetschen
aber sehr langsam geschehen muß, will man nicht starke
Blutungen haben, so ist derselbe für die Praxis un¬
brauchbar ;
4. durch Abreißen, eine rohe Methode, wie sie häufig von
Kastrierern ausgeführt wird;
5. durch Abschaben (muß sehr langsam geschehen);
6. durch Abbrennen; 7. durch Abschneiden.
Zur Vollständigkeit der Übersicht habe ich nun die sämt¬
lichen Methoden angeführt, bespreche jedoch nur diejenigen,
welche ich selbst in der Praxis angewandt und probiert habe.
Die Kastration vermittelst Etappen auf unbedeckten Samen¬
strang und Hoden habe ich vom Jahre 1877—1892 angewendet.
Zuerst kastrierte ich mit Kluppen, die in der Mitte der Innen¬
fläche eine Rinne hatten. In diese Rinne wurde Mehlkleister
gestrichen, der mit einem Gemisch von Kupfervitriol und essig-
24. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
951
saurem Kupfer bestreut wurde. Später kastrierte ich mit soliden
Kluppen, deren Innenflächen mit Gummi arabicum bestrichen
wurden, auf welche dann Sublimat gestreut wurde. Auch
probierte ich die von Schlamp-München empfohlene Methode,
nach welcher auf die Innenflächen der Kluppen Leinwandstreifen
geklebt wurden, die vorher mit Sublimatspiritus, der verdunstet
war, imprägniert wurde. Die Leinwandstreifen enthielten dann
nur so viel Sublimat, als nötig war, nm den gequetschten Samen¬
strang zum Absterben zu bringen. Die Stümpfe der Samen¬
stränge waren dann gleich einem Papierblatte, sauber und frei
von überschüssigen Ätzmitteln. Der Kastration mit Kluppen
auf dem unbedeckten Samenstrang und Hoden kann ich nicht
das Wort reden, da dieselbe keine Vorteile, wohl aber viele
Nachteile besitzt. Jeder, der den Mut gehabt hat, die alte
Kluppenmethode zu verlassen und in der ersten Zeit kein Pech
gehabt hat, wird wohl nie wieder zu derselben zurückkehren.
Unsere ganze Kluppenmethode krankte daran, daß die Kluppen
den Samenstrang breit drückten. Hierdurch war es nicht
möglich, einen solchen Druck auf den Samenstrang auszuüben,
daß der Samenstrang vollständig abstarb. Um dies sicher zu
erzielen, unterstützte man die Kompression durch Ätzmittel, die
zwar gleichzeitig desinfizierend wirkten, deren Wirkung aber
nicht in der Hand des Operateurs lag. Derselbe Nachteil des
Breitquetschens haftete der früheren Methode der Kastration
vermittelst Abdrehens an Alle zu diesem Zwecke erfundenen
Zangen, die Tö gl sehe, die Renaultschen, die von Beaufils,
die Möller sehe, quetschen den Samenstrang breit und waren
daher nicht imstande, die Hauptwirkung, auf die es ankam
nämlich die Blutung, vollständig zu verhindern. Dieser Fehler
an unseren Instrumenten zur Kastration wurde erst gehoben,
als Professor Sand-Kopenhagen seine Zange konstruierte.
Schon an anderer Stelle habe ich geäußert, daß die Erfindung
der Sand sehen Zange auf dem Gebiete der Kastration der be¬
deutendste Fortschritt des vorigen Jahrhunderts ist. Die
Sand sehe Zange quetscht den Samenstrang nicht breit, sondern
rollt ihn auf und erst dann erfolgt die Quetschung gleichmäßig
von allen Seiten. Ich bin der Meinung, die Sandsche Zange
ist die Grundlage für alle unsere neuen Instrumente, ja sogar
des Emasculators, denn dieser stellt doch auch nichts weiter
dar als eine Sandsche Zange, die an einer Seite schneidet.
Durch die Liebenswürdigkeit meines alten hochverehrten Lehrers
Prof. Dr. Möller kam ich schon in den Besitz derselben im
Jahre 1892. Von dieser Zeit an benutze ich ein und dieselbe
Zange, habe mit derselben zirka 3000 Tiere kastriert und sie
nur im Jahre 1898 und kürzlich wieder steifen lassen. Die
zuerst von der Firma Hauptner angefertigten Zangen waren
anders wie die jetzigen. Die ersteren waren leichter, die
Zangenschenkel dünner und elastischer, die Zangenmäuler etwas
schmaler im Querdurchmesser und die Ränder des Mundes oft
zu scharf, so daß dieselben bei schnellem und festem Schließen
den Samenstrang direkt abschnitten und zerrissen. Besonders
geschah dies, wenn man die Sandsche Zange direkt auf den
entblößten Samenstrang legte und daher resultierten dann oft
auch die Blutungen, die bei der Anlegung der Sandsehen Zange
vorkamen. Bei den jetzt von der Firma Hauptner an¬
gefertigten Zangen sind die oben gerügten Mißstände
beseitigt worden. Will aber der praktische Tierarzt
immer sicher mit dem Instrument arbeiten, so muß er
dasselbe häufiger nachsehen und probieren, ob es auch
noch genügend schließt, drückt und funktioniert, denn
auch die Instrumente lassen in ihrer Wirkung nach. Frick
sagt sehr treffend: „Will man die Kastration durch Abdrehen,
Abquetschen und mit dem Esmaskulator richtig beurteilen, so
darf man folgendes nicht vergessen. Erstens muß die Quetschung
eine genügend kräftige sein. Zweitens darf nicht zentralwärts
von der Quetschungsstelle eine Läsion der Gefäße zustande
kommen, so daß von dort aus Blutungen erfolgen. Drittens
muß die Quetschung nicht zu hastig oder flüchtig ausgeführt
werden, sondern sie muß eine bestimmte Zeit andauern.
Schließlich müssen auch alle Gefäße, welche für eine Blutung
in Frage kommen, also auch die Venen an der Außenseite der
gemeinschaftlichen Scheidenhaut berücksichtigt werden. Frick
kommt nun zu folgendem Schluß: Mit Rücksicht auf die
Blutstillung soll die Kastration mit bedecktem Hoden
die Regel sein. Unter Beachtung der obigen vier
Punkte kann die Kastration sowohl durch Abdrehen,
Abquetschen, als auch namentlich mit dem Emas-
kulatur ausgeführt werden, ohne wesentliche
Blutungen befürchten zu müssen.“ Letztere Sätze unter¬
schreibe ich voll und ganz. Seit zehn Jahren kastriere ich
ältere Hengste nur noch mit verdeckter Scheidenhaut,
trage den Samenstrang aber nicht, wie Frick will, mit dem
Esmaskulator ab, sondern drehe mit Hilfe der Sandschen Zange
und einer der Mathiasschen Abdrehzange ähnlichen Zange den
Samenstrang mit verdeckter Scheidenhaut ab. MitdemEmaskulator
allein habe ich nur zwölf Hengste kastriert. Bei zehn Hengsten
trat keine Blutung aus dem Samenstrang ein, bei dem elften
Hengste aber eine außerordentlich heftige, ebenso bei dem
zwölften Hengste. In der Praxis wurden von den meisten
Kollegen dieselben Erfahrungen gemacht, so daß der Emaskulator
allein, weil derselbe die Blutungen nicht absolut verhindert,
zur Kastration in der Regel nur in seltenen Fällen verwendet
wird. Frick gibt uns nun die Erklärung für die verschieden¬
artige Wirkung des Emaskulators, indem er betont, daß es
gerade für den Emaskulator wichtig ist, den Druck eine ge¬
wisse Zeit einwirken zu lassen. Ich möchte hinzufügen, daß
die Verschiedenartigkeit der Wirkung des Emaskulators auch
wohl zurückzuführen ist auf die Instrumente selbst und auf die
Verschiedenheit der Saraenstränge in ihrer inneren Konstruktion,
die ich bereits erwähnte. Alle Emaskulatoren sind in ihrer
Wirkung nicht gleich, wie Frick 1901 angibt. Auch die Größe
derselben läßt in der Wirkung auf die Blutgefäße eine große
Verschiedenheit erkennen. Ich besitze drei verschieden große
Emaskulatoren, einen sehr großen mit Sperrvorrichtung, einen
gewöhnlichen mittelgroßen und einen kleinen. Den großen hatte
ich mir mit Sperrvorrichtung anfertigen lassen, da es mir nicht
möglich, durch Druck beider Hände die mannesarmdicken
Samenstränge von Beschälern, die ich für den Königl. Marstall
zu kastrieren hatte, zu durchschneiden. Erst die Kastration
mit verdeckter Scheidenhaut ergibt eine viel gleichmäßigere
Wirkung des Emaskulators, da die Quetschung zuerst die
Scheidenhaut trifft und dann sekundär auf die Blutgefäße des
Samenstrangs einwirkt.
Die ungleichmäßige Wirkung des Emaskulators war die
Veranlassung, den Emaskulator mit der Sandschen Zange zu
kombinieren. Im Jahre 1900 war es, als ich auch einen Vor¬
trag über Kastrationsmethoden mit neuen Instrumenten im
Verein Brandenburger Tierärzte hielt und die Vereinigung der
952 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 52.
Sandschen Zange mit dem Emasknlator empfahl. Ich hätte
nicht geglaubt, meine Herren, einen wie großen Umfang diese
Konstruktionsmethode genommen hat. Fast sämtliche jüngeren
Tierärzte Schleswig - Holsteins, Ostpreußens, Westpreußens,
Brandenburgs, Posens und besonders Meckenburgs bedienen sich
ihrer meistens mit verdeckter Scheidenhaut und offenen Hoden.
So empfiehlt Schiel im Jahre 1901 (Berliner Tierärztliche
Wochenschrift Nr. 35. S. 527) die Toeppersche Methode, die
er bei 210 Hengsten (darunter 24 drei- und 59 zweijährige)
mit sehr gutem Erfolge ohne jegliche Nachblutung ausführte.
Auch Rasmußen (MaanedsBkrift for Dyrlaeger 1902, XIV, S. 58)
hat 100 Fohlen mit Sand scher Zange und Emasknlator kastriert,
da bei Anwendung des Emaskulators allein Blutungen erfolgten.
Im Jahre 1905 kastrierten nach dieser Methode Dörrwächter
(Mitteilungen des Vereins badischer Tierärzte, Bd. V, S. 68),
Hope (Norsk Veterinair Tidsskrift, Bd. XVII, S. 82), Schaible
(Mitteilungen des Vereins badischer Tierärzte, Bd. V, S. 188),
Herlov-Müller (Maanedsskrift for Dyrlaeger, Bd. XVII, 1906,
S. 463) in dieser Weise mit verdeckter Scheidenhaut 300 Pferde
mit sehr gutem Erfolge.
Über die Brauchbarkeit einer Methode entscheidet allein
die Praxis, die Ausübung derselben an vielen Pferden jeden
Alters von verschiedenen Operateuren. Erst dann erhält man
ein richtiges Urteil. Fr ick spricht sich gegen diese Methode
aus und hat entschieden recht, wenn die Voraussetzung, von
der Fr ick ausgeht, richtig ist. Fr ick sagt: „Übrigens muß aber
bei dieser Variation der Samenstrang stumpf von der Quetschungs¬
stelle mit der Sandschen Zange bis zur Durchtrennungsstelle
häufig nekrotisch werden, was mit Rücksicht auf die In¬
fektion und den Wundverlauf ja eben vermieden werden sollte.“
Nach meinen Erfahrungen, die sich anf 300 nach dieser Methode
kastrierten Jährlinge stützen, stirbt der Samenstrangstumpf
bei diesen jungen Tieren nie ab und die Heilung erfolgte fast
immer per primam intentionem. Diese Jährlinge wurden mit
offenem Hoden und bedeckter Scheidenhaut kastriert, die Sand-
sche Zange auf die Scheidenhaut gelegt und hierunter die
Scheidenhaut inkl. Samenstrang mit dem Emasknlator ab¬
geschnitten. Anders liegt die Sache bei alten Hengsten. Bei
einigen der auf diese Weise kastrierten Hengsten, bei denen
auch die Heilung sehr bald nach 14 Tagen erfolgte, mußten
die Wunden nach drei Wochen wieder geöffnet werden, da An¬
schwellungen des Samenstranges der einen Seite erfolgten. Es
entleerten sich dann kleinere Mengen Serum oder es waren kleine
nekrotische Stückchen der gemeinschaftlichen Scheidenhaut oder
des Samenstranges zu dieser Anschwellung die Veranlassung.
Aus diesen Gründen kastriere ich alte Hengste nur noch mit
verdeckter Scheidenhaut und bewirke die Abtragung des Samen¬
stranges und der Testikel durch Abdrehen mit besonders kon¬
struierter Zange.
Bald nach der von mir angegebenen Kombination der Sand¬
schen Zange mit dem Emasknlator entwickelte sich eine fieber¬
hafte Tätigkeit unter den Kollegen, die fast an Manie grenzt,
neue Instrumente für die Kastration zu schaffen, um die den
beiden anderen Instrumenten anhaftenden Mängel zu beseitigen.
Die meisten der Instrumente stellen weiter nichts als eine mehr
oder minder gute Vereinigung der beiden genannten Instrumente
dar. Die Firma Hauptner hatte die Freundlichkeit, mir folgende
Instrumente zur Verfügung zu stellen, die ich in ihrer Wirkung
und Anwendung nicht besprechen will und nicht besprechen
kann, weil ich selbst keins derselben zur Kastration benutzt
habe. Ich Btehe auf dem Standpunkte, daß ein Instrument nur
dann richtig beurteilt werden kann, wenn dasselbe in der Praxis
bei der Operation, zu welcher es konstruiert worden ist, sehr
oft und von verschiedenen Operateuren angewendet
worden ist. Die Firma Hauptner stellt die Instrumente
Kollegen, die dieselben probieren wollen, kostenlos gern zur
Verfügung.
Instrumente zur Kastration männlicher Tiere.
4 verschiedene Kluppenzangen Nr. 3750, 3753, 3755, 3756.
1 Kluppenzange nach Masch mit Sperrvorrichtung Nr. 3751.
1 Kluppenzange nach Frick Nr. 3758.
1 Kluppenzange mit langem Maul Nr. 3759.
1 Kluppenzange nach Krolikowski, Lemberg, Nr. 3761.
1 Kluppenschraube nach Krolikowski, Lemberg, Nr. 3762.
2 Kluppenschrauben Nr. 3764 und 3765.
1 Kluppenschraube nach Münich Nr. 3766.
1 Kluppenschraube nach Eckeberg Nr. 3768.
4 Holzkluppen.
2 englische Kastrierklammern Nr. 3781 und 3782.
1 Kastrierzange nach Mögele Nr. 3784.
1 do. nach Tögl Nr. 3787.
1 do. mit Sperrverschluß Nr. 3788.
1 do. nach Bayer Nr. 3790.
1 do. zum Halten des Samenstranges Nr. 3792.
1 do. nach Kraft Nr. 3795.
1 do. nach Sand Nr. 3797.
1 do. do. modif. nach Wessel Nr. 3798.
1 do. nach Masch Nr. 3800.
1 do. nach Bernhard Nr. 3802.
1 do. nach Cinotti Nr. 3804.
1 do. franz. Modell nach Renault Nr. 3806.
1 do. do. do. Nr. 3807.
1 do. nach Vennerholm Nr. 3809.
1 do. do. Nr. 3810.
1 do. zum Abdrehen Nr. 3812.
1 Torsionszange nach Petersen Nr. 3813.
1 Kastrierzange nach Matthias Nr. 3815.
1 do. do. Nr. 3816.
1 do. Modell des Herrn Dr. Toepper, Hier.
1 do. (Emasknlator) 26 cm lang Nr. 3820.
1 do. do. 34 cm lang Nr. 3821.
1 do. do. 19 cm lang Nr. 3822.
1 do. verstärkt (Mod. Hochschule Hannover
Nr. 3823.
1 Kastrierzange nach Verböczy Nr. 3825.
1 do. nach Blunk Nr. 3827.
1 Duplexemaskulator nach Torma-Babolna Nr. 3829.
1 Kastrierzange für Kryptorchiden nach Degive Nr. 3831.
1 Universal-Kastrier2ange nach Mögele Nr. 9085.
1 stumpfen Emaskulator nach Blunk Nr. 10 101.
1 Kastrierzange nach Reimers Nr. 10 103.
1 do. nach Pflanz Nr. 10 105.
1 Kastrierkluppe nach Pflanz Nr. 10 106.
Instrumente zur aseptischen Kastration von Hengsten, naoh Prof. Hofftnann.
1 Greifzange Nr. 3851.
1 Klammerzange Nr. 3852.
1 Doppelhakenzange Nr. 3853.
1 Torkulum Nr. 3854.
24. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
1 Messer Nr. 3850.
1 Wundklammer nach Kragerud Nr. 3835.
1 do. nach Bernhard Nr. 3836.
1 Fixierzange nach Kragerud Nr. 3838.
1 Dänisches Wurf zeug.
1 Beigurt.
Alle die Ihnen gezeigten Instrumente sollen eine der ge-
fürchtetsten Folgen bei der Kastration, „die Blutung“ ver¬
hindern. Die Blutung erfolgt aber bei der Kastration nicht
allein aus dem Samenstrangstumpfe bzw. seinen Gefäßen (Art.
spermatic. und plexus pampiniformis), sondern auch vielfach aus
den die gemeinschaftliche Scheidenhaut umgebenden Gefäßen,
großen Venen, die nach der Mittellinie des Körpers schwächer,
nach dem Schenkel zu größer und umfangreicher werden. Diese
Venen besitzen keine Klappen. Liegt das Pferd auf dem Rücken,
so fließt ihr Inhalt nach dem Innern des Körpers ab, und daher
bluten dieselben erst und zwar stark, wenn das Pferd auf¬
gestanden ist. Endlich kann die Blutung noch erfolgen, wenn
oberhalb der Abtragungsstelle eine Läsion des Samenstranges
bzw. der Gefäße stattfindet. Dies geschieht häufiger dadurch,
daß bei der Kastration mit unbedeckten Hoden und nicht be¬
deckter Scheidenhaut der Operateur in dem Momente den Hoden
fest erfaßt und womöglich daran zieht, wenn gleichzeitig das
Pferd denselben anzieht. Es erfolgt dann oft ein Einreißen des
Samenstranges hoch oben und eine starke Blutung. Vermieden
kann dies werden durch Kastration mit bedeckten Hoden und
bedeckter Scheidenhaut, wodurch auch die Blutungen aus den
großen oben erwähnten Venen geringer sind. Um eine Infektion
bei und nach der Kastration zu umgehen, ist die größte Sauber¬
keit und Desinfektion der Instrumente, Hände und des
Operationsfeldes notwendig. Ich bewirke, dieselbe folgender¬
maßen: Die Instrumente, welche ich zur Kastration benutze,
verwende ich nie zu anderen Operationen; dieselben kommen
daher nie mit Eiter oder anderen Infektionserregern
in Berührung. Nehme ich nacheinander mehrere Kastrationen
vor, dann koche ich dieselben eine Stunde in starker Soda¬
lösung. Sonst lege ich sie 10—15 Minuten vor der Operation
in eine heiße 3proz. Septoformlösung. Ich verwende überall
bei meinen Operationen deshalb Septoform, weil mir der Geruch
desselben angenehm ist, bald von den Händen nach der Operation
verschwindet und dasselbe eine genügende Desinfektionskraft
besitzt. Die Hände bürste ich 3—4 Minuten mit Septoform¬
lösung, reinige dann das Nagelbett der Finger und den Unter¬
nagelraum, wasche mit Seifenspiritus und dann mit SOproz.
Alkohol. Das Operationsfeld bürste ich ebenfalls mit Septoform¬
lösung, reibe erst mit Watte trocken und dann mit Seifen¬
spiritus so lange, bis die Watte weiß bleibt, dann wird zum
Schluß mit 50 proz. Spiritus nachgerieben. In die Vorhaut
schiebe ich einen Pansch reiner Wundwatte. Es ist dies die¬
selbe Desinfektion, wie ich sie bei der Kryptorchidenkastration
anwende. Auch verwende ich bei den gewöhnlichen Kastrationen
nur sterilisierte Wundwatte. Die 5 Pf., die jedes Paket Watte,
wenn es sterilisiert wird, teurer ist, kommen gar nicht in Betracht.
Die Operation mache ich ziemlich schnell. In der Regel dauert
die Kastration mehrerer großer Hengste hintereinander je
10—15 Minuten inkl. Werfen und Desinfektion, die Operation
eines Hengstes inkl. Vorbereitung, Instruktion der Leute usw.
30 Minuten. Auch geschieht die Operation viel mit Instrumenten
und beschränke ich das Anfassen mit den Händen auf das
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notwendigste. Da ich alle großen Hengste nur mit verdeckter
Scheidenhaut kastriere, findet eine Berührung des Samenstranges,
speziell aber des Endothels der Scheidenhaut, des Processus
vaginalis, nie direkt statt, sondern immer erst vermittelst der
Scheidenhaut. Dann, meine Herren, um sekundäre Infektionen
des Samenstranges zu vermeiden, möchte ich auf eine Maßnahme
aufmerksam machen, auf welche Fr ick mit Recht großes
Gewicht legt. Es ist dies die Absetzung des Samenstranges
so hoch wie möglich. Gerade bei Verwendung des dänischen
Wurfzeuges geschieht dies sehr leicht. Ist der Samenstrang
inkl. Scheidenhaut, die ich zugedreht habe, hoch genug abgesetzt,
so verschwindet derselbe bei Loslassen aus der Zange sofort
auf Nimmerwiedersehen. Endlich, um Stauungen des Wund-
sekretes zu vermeiden, muß der Hautschnitt ein langer,
ergiebiger sein. Ich kastriere zurzeit große Hengste
folgendermaßen: Der Hoden wird fest mit der linken Hand in
der bekannten Weise erfaßt, so daß das Scrotum straff darüber
liegt. Dann Führe ich genau parallel mit der Raphe und 1 cm
von derselben entfernt (da hier die erwähnten großen Venen
am schwächsten sind) über den ganzen Hoden einen langen
Schnitt durch die Haut und Tunica dartos, aber so vorsichtig,
daß die Tunica vaginalis communis nicht verletzt wird. Doch
müssen, wenigstens an einer größeren Stelle, die verschiedenen
dünnen Bindegewebsschichten der Tunica dartos vollständig
durchschnitten werden. Dies ist nämlich der Pfiff, durch
den es gelingt, mit Leichtigkeit die Tunica vaginalis communis
von ihrer Umgebung zu trennen. Jetzt lege ich das Messer
weg und schiebe mit dem Zeige- und Mittelfinger, mich immer
dicht an der Außenseite der Tunica vaginalis communis haltend,
die Hand in die Tiefe und trenne mit einem festen Stoß die
gemeinschaftliche Scheidenhaut von ihrer Umgebung. Dasselbe
mache ich mit der anderen Hand an der Innenseite. Jetzt
habe ich die Hoden, nur umgeben von der gemeinschaftlichen
Scheidenhaut, vor mir und entblöße die gemeinschaftliche
Scheidenhaut so weit, bis dieselbe anfängt dünner zu werden.
Hier lege ich die Sand sehe Zange fest um und schließe sie.
Dicht über derselben erfasse ich die gemeinschaftliche Scheiden¬
haut mit Samenstrang fest mit der Abdrehzange, schließe sie
und hänge den Hoden an den an derselben befindlichen Haken.
Jetzt drehe ich fest, gleichmäßig aber ruhig ab und behalte
oberhalb der Sand sehen Zange einen kurzen Stumpf, der aus
der rosettenartig zusammengedrehten Tunica vaginalis communis
und aus kleinen Stückchen Muskel vom Cremaster besteht.
Auf diesen Stumpf lasse ich ein Glutol-Schleich raspat. streuen
und reibe dies mit den Fingern fest ein. Die kleinen Muskel¬
stückchen werden dabei abgerieben. Ist der Stumpf mir zu
groß geworden, so schneide ich entweder, mit dem Emaskulator
oder auch der einfachen Schere etwas ab und öffne dann die
Zange. Der Stumpf verschwindet sofort. Den anderen Hoden
kastriere ich auf dieselbe Weise. Dann erfasse ich die Ecken
des langen Hautschnittes und ziehe den Hodensack in die
Höhe. Derselbe bildet dann einen weiten Trichter. In dem¬
selben liegt das von der gemeinschaftlichen Scheidenhaut ab¬
gerissene Bindegewebe und Fett. Dies bepudere ich mit
Tannoform oder besser, da Tannoform zu sehr ballt und stein¬
harte Stücken bildet, Tannoform und Acid-Tannana. Es kommt
oft vor, daß, läßt man das Pferd aufstehen, aus der Schnitt¬
wunde das lose Bindegewebe heraushängt. Vielfach schneide
ich dasselbe mit dem Emaskulator ab. Im Hochsommer bei
***
954
großer Hitze habe ich zweimal durch dies Abschneiden recht
erhebliche Blutungen gehabt. Schneidet man es nicht ab, ist
die Schwellung nach der Kastration bedeutender. In der Regel
schneide ich jetzt nach dem Aufstehen, sollte etwas heraus¬
hängen, mit der Schere ab, sonst nicht.
Nachdem die Kastration vollendet, drücke ich einen großen
Pausch Watte auf die Kastrationswunde, um sie vor Ver¬
unreinigung zu schützen und lasse dann das Pferd aufstehen.
In den Stall geführt, wird dasselbe hochgebunden und dem¬
selben lauwarmes Wasser oder warmer Kleientrank zum Saufen
gegeben. Dann bekommt das Pferd Heu zu fressen. Zur Be¬
aufsichtigung wird ein Mann hingestellt, der die Blutung beob¬
achtet. Tritt eine stärkere Blutung ein, so lasse ich das Pferd
durch einen Raumbaum fest an die Wand stellen, um ein Hin-
und Hertreten des Pferdes zu vermeiden und die Schenkel fest
zusammenzudrücken. Dann hört in den meisten Fällen die
Blutung sofort auf.
Tropfenweise Blutungen sind nicht zu vermeiden und diese
sind auch hier nur gemeint.
Dem Besitzer wird eingeschärft, ein Berühren der
Wunde und des ganzen Operationsfeldes absolut zu
unterlassen. Nur gestatte ich, das auf den unteren Teil der
Extremitäten abgeflossene Blut und Blutserum nach einigen
Tagen abzuwaschen. Vom nächsten Tage wird nun das Pferd
täglich vormittags und ebenso nachmittags eine Stunde auf
einem möglichst staubfreien Platz oder Straße im Schritt ge¬
führt. Während des ersten Führens lasse ich, wenn möglich,
eine Boxe gründlich reinigen und den Boden mit reiner Stroh¬
streu bedecken. Die Pferde, die in Boxen gestanden haben,
werden dann losgelassen und können sich je nach Belieben hin¬
legen. Durch das Führen des Pferdes erfolgt ein besseres Ab¬
fließen der Wundsekrete und zweitens, und dies ist die Haupt¬
sache, wird die Blutzirkulation wieder hergestellt. Am siebenten
Tage reinige ich in der Regel die Wunden, indem ich mit dem
desinfizierten Finger dieselben weit öffne und die fast immer
vorhandenen Stückchen Tannoform und einige abgestorbene
Fetzen der Tunica dartos, die von der Tunica vaginalis communis
losgerissen sind, entferne. In 14 Tagen bis höchstens in drei
Wochen sind dann die Wunden vollständig geheilt.
Diejenigen Forderungen, die bei Ausführung einer Kastration
nach dem heutigen Standpunkt der Wissenschaft gestellt werden
müssen, sind kurz gefaßt folgende:
1. Die Kastration soll so antiseptisch wie möglich erfolgen;
2. der Hautschnitt soll lang und ergiebig sein und parallel
und 1 cm von der Raphe entfernt verlaufen;
5. die Kastration geschehe am besten mit verdecktem Hoden
und verdeckter Scheidenhaut oder wenigstens mit ver¬
deckter Scheidenhaut und offenem Hoden;
4. die Abtragung des Samenstranges erfolge hoch und kann
durch Abdrehen, Abquetschen oder Abschneiden mit dem
Emaskulator oder Kombination der Sandschen Zange mit
dem Emaskulator geschehen. Jeder kastriere mit
Instrumenten, mit denen er besonders eingeübt ist und
daher am besten arbeitet.
Nicht besprochen habe ich heute meine Erfahrungen über:
1. Die Folgen der Kastration in bezug auf Wachstum ver¬
schiedener Körperteile, speziell der Knochen usw., ein für
die Züchter äußerst interessantes Kapitel;
2. die Operation der Netz- und Darmleistenbruehe, besonders
No.52 .
aber die der Samenstrangfisteln, die ich nach besonderem
Verfahren operiere;
3. die Kastration der Bullen, Eber, Ziegenböcke, Hunde»
Katzen und endlich die der Kaninchen.
Diesen zweiten Teil will ich gern später in einem Vortrag
zusammenfassen, sollten einige Herren unter ihnen sein, die
Nutzen aus demselben erhoffen könnten.
Vorläufige Mitteilung.
Um den Vorwürfen des Herrn Dr. Piorkowski in Nr. 49
der B. T. W. entgegenzutreten, habe ich mich veranlaßt ge¬
sehen, der Redaktion dieser Zeitschrift umfassendes Material
zur Verfügung zu stellen. Die Veröffentlichung desselben wird
erfolgen, sobald es die redaktionellen Verhältnisse gestatten.
Dr. Richter-Dessau.
Referate.
Tierseuchenbekämpfung im Felde.
| Von Dr. Curt GläBmcr, Oberveterinär im Leib-Garde-Husaren-
Regiment, qualifiziert zum preußischen Kreistierarzt.
Der Verfasser behandelt die Schwierigkeiten, die sich in
den Feldzügen in China und Deutsch-Südwestafrika der Durch¬
führung veterinärpolizeilicher Maßnahmen beim Herrschen von
Tierseuchen entgegengestellt haben, und will Fingerzeige für
künftige Feldzüge geben. Da die Abhandlung manche Behaup¬
tungen enthält, die zum Widerspruch herausfordem, sollen in
folgendem einige Irrtümer, so weit Südwestafrika in Betracht
kommt, berichtigt werden; auch füge ich einige ergänzende Be¬
merkungen ein.
Bei der Besprechung der Rinderpestimpfung behauptet
Gläsmer (S. 20 und 21), die Galle rinderpestkranker Tiere
enthielte Schutzstoffe und Rolle-Turners Methode bestände darin,
„daß man an der einen Seite des Halses Galle pestkranker
Tiere oder Rinderpestschutzserum einspritzt und auf der an¬
deren Halsseite Blut, das von rinderpestkranken Tieren stammt“;
ferner will Gläsmer größere Mengen Rinderpestgalle (20 bis
100 ccm) zur Heilimpfung von Tieren, bei denen sich die Krank¬
heit noch im Inkubationsstadium befindet, verwenden.
Dem gegenüber ist zu bemerken, daß die Rolle-Tumerscke
Impfung eine Simultanimpfung mit Immunserum und Rinderpest¬
blut ist. Die Pestgalle enthält höchst wahrscheinlich das Virus
in abgeschwächter Form und die -Immunität tritt nach Ein¬
spritzung der Galle frühestens 6 Tage später ein. Daher darf
die Injektion von virulentem Blut erst nach dieser Zeit erfolgen,
was aus Gläsmers Darstellung nicht hervorgeht; in der Praxis
haben sich jedoch die nachfolgenden Blutinjektionen in vielen
Fällen als nicht ungefährlich erwiesen. Eine Heilwirkung aber
hat die Galle keinenfalls.
Entschieden zu widersprechen ist der Empfehlung der
Simultanimpfung, die Gläsmer als „ungleich sicherer und für
den Feldzug verwertbar“ bezeichnet (Verschleppung der Seuche,
Texasfieber!), und geradezu gemeingefährlich ist der Vorschlag
Gläsmers, das Rinderpestvirus dadurch vorrätig zu halten,
daß man „in einem Institut von Zeit zu Zeit ein oder
zwei Tiere rinderpestkrank macht“ (S. 22). Sollte man
in Südafrika noch einmal mit einem Ausbruch von Rinderpest
zu tun haben, so werden nach dem Urteil aller maßgebenden
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
24. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
95Ö
Fachleute in erster Linie Injektionen von größeren Dosen Immun-
serum in den verseuchten und gefährdeten Herden zur An¬
wendung kommen; das Serum wird in Südwestafrika an mehreren
Orten vorrätig gehalten. Die Gallenimpfung gilt nur als Not¬
behelf. Im übrigen möchte ich auf die Ausführungen Rick-
manns in seinem Buche „Tierzucht und Tierkrankheiten in
Deutsch-Südwestafrika“ verweisen.
Zu dem Abschnitt Milzbrandimpfung (S. 32) teile ich
ergänzend mit, daß im Jahre 1906/07 im Bezirk Windhuk etwa
2000 Tiere nach Sobernheim geimpft worden sind. Die Impf¬
verluste betrugen ca. 2 Prom. Der Impfschutz war gut. Ein
Farmer, der mit geimpften wertvollen Zuchtrindern und Merino¬
schafen einen Marsch durch stark verseuchtes Gebiet machen
mußte, schrieb mir sehr erfreut, daß er keinen Verlust an
Milzbrand gehabt habe, während er kurz vorher auf demselben
Wege bei ungeimpften Tieren schwere Verluste infolge dieser
Seuche zu beklagen hatte.
Eine Anzahl Zugochsen jedoch bekam noch 4 bis 6 Wochen
•nach der Impfung, nachdem sie in Gebrauch genommen waren,
umfangreiche Ödeme an den Impfstellen des Halses. Ein Teil
der Erkrankten ging ein, wahrscheinlich an Erstickung; weder
aus den Sektionsberichten noch aus dem Ergebnis der bakterio¬
logischen Untersuchungen (Material auf Gipsstäben) war auf
Milzbrand als Todesursache zu schließen. Die Entstehung der
Ödeme hängt wohl mit der eigenartigen afrikanischen Anspannung
zusammen (Druck der Jochscheite auf die Impfstellen). Für
Zugochsen ist daher als Impfstelle die Haut hinter der Schulter
zu empfehlen; auch müssen die Tiere mehrere Wochen nach der
Impfung außer Dienst gestellt werden.
Bei dem Fall von Tollwut, der in Swakopmund aufgetreten
ist, wurde doch nicht so leichtfertig verfahren, wie Gläsmer er¬
zählt (S. 36). Der Kopf des verdächtigen Hundes wurde von
dem Stabsveterinär Ludwig in Glyzerin an das Laboratorium in
Gamams gesandt und dort durch subdurale Impfung zweier Hunde
die Diagnose bestätigt.
In dem Abschnitt über Räude (S. 53) wäre ein sehr wirk¬
sames und leicht zu beschaffendes Heilmittel, nämlich eine
Mischung von 1 Teil Petroleum und ca. 4 Teile Fett oder Öl
(kein Leinöl) zu erwähnen.
Die ansteckende Lymphangitis ist nicht, wie Gläsmer
(S. 61) erwähnt, zuerst von Oberveterinär Erhardt, sondern
bereits im Jahre 1904 von Veterinärrat Rickmann in Swakop¬
mund bei Pferden, die aus der Kapkolonie kamen, festgestellt
und in einem Bericht an das Gouvernement erwähnt worden;
in diesem Bericht, der an das Truppenkommando weiter gegeben
wurde, hat Rickmann auf die differentialdiagnostische Be¬
deutung der Krankheit hinsichtlich Rotz und Druse aufmerksam
gemacht. Nachdem im Jahre 1905 die Versuchsstation Gamams
wieder in Betrieb gesetzt war, hat Rick mann die Lymph¬
angitis durch Kultur der Hefepilze und Tierversuche näher
studiert und in einer Veröffentlichung in der „Deutsch-Südwest¬
afrikanischen Zeitung“ auf die Krankheit und ihre Diagnose
durch den mikroskopischen Nachweis der Hefepilze im un¬
gefärbten Präparat hingewiesen. Oberveterinär Erhardt ist
an dieser Sache insofern beteiligt, als er im Jahre 1905 die
Truppenveterinäre auf diese Seuche erneut aufmerksam machte
und dem Laboratorium in Gamams auf Rickmanns Bitte
weiteres Untersuchungsmaterial übersandte. Leipziger.
Die Rolle der Neurotoxine in der Auslosung
epileptischer Krampfanfälle.
Von Dr. Julius Donath-Budapest
(Oroosl Hetilap 1907, Nr. 43)
! Um die Frage, ob bei genuiner Epilepsie durch Ein¬
schmelzung und Resorption von Gehirnmasse und besonders von
Rindensubstanz krampferregende Gifte frei werden, experimentell
zu lösen, hat Verfasser Meerschweinchen und Hunden die feine
Emulsion der ganzen Gehirnmasse derselben Tiergattung bei
Einhaltung der strengsten Asepsis intraperitoneal injiziert. Das
Resultat der Versuche war folgendes. Weder bei Meer¬
schweinchen noch bei Hunden konnte die intraperitoneale In¬
jektion eines ganzen emulgierten Gehirnes auch nur Spuren
von Krämpfen erzeugen. Auch psychische Veränderungen oder
andere pathologische Veränderungen, sowie anatomische Läsionen
konnten nicht beobachtet werden. Bei den Hunden stellte sich
mitunter Unlust und verminderter Appetit ein, am Tage der
Operation kann auch Erbrechen auftreten, vom nächsten Tage
jedoch blieben auch diese Tiere während der ganzen, drei Monate
lang währenden Behandlung ganz gesund. Das Peritoneum
resorbiert die Gehirnmasse rasch und vollständig. Die Versuche
bieten daher keinen Anhaltspunkt für die Hypothese, daß bei
genuiner Epilepsie die supponierte Einschmelzung des Gehirns,
insbesondere der Rindensubstanz, Konvulsionen zu erzeugen
imstande wäre. Dr. Z.
| Ein Beitrag znr Statistik der Hundestaupe.
| Von cand. med. vet. D. Wierth.
j (Aus der medizinischen Klinik der K. K. Tierärztl. Hochschule in Wich.)
! (Tierärztliches Zentralhlait 1908, Nj. 13.)
W. hat die von 1901—1906 in der Wiener medizinischen
Klinik zur Behandlung gekommenen Staupefälle nach Rasse,
Geschlecht, Form der Erkrankung und nach dem Behandlungs¬
erfolg statistisch geordnet. Er kommt zu dem Resultat, daß
die Rasse keinen Einfluß ausübt auf die Anzahl der erkrankten
Tiere; wohl aber scheint ein solcher Einfluß der Rasse in bezug
auf den günstigen oder ungünstigen Ausgang der Staupe zu
bestehen. Die wenigsten ungünstigen Ausgänge lieferten die
Foxterriers. Weiter fand Wierth, daß das weibliche Geschlecht
eine größere Disposition für die nervöse Form der Staupe be-
keine größere ist, als bei erwachsenen Tieren. Rdr.
| Gastroenteritis acuta beim Bären.
j Von Dr. H. Jakob, München.
i (Woehenscbr. f. Tierheilk. u. Viehzucht, 52. Jabrg., Nr. 6).
Jakob konstatierte bei einem 4 Monate alten braunen Bären,
der 14 Tage zuvor aus Rußland importiert worden war, akuten
Magendarmkatarrh aufGrund der wahrgenommenen Erscheinungen:
mangelnder Appetit, Brechreiz, Erbrechen, heftiger wässeriger
Durchfall, Unlust, große Schwäche. Das fürchterliche Schreien
des Tieres verhinderte eine genaue Untersuchung. Es wurde
Tannoform (5 g täglich in dickem, etwas gezuckerten Milchreis)
verabreicht, und das Tier in einem warmen Raume untergebracht.
Heilung trat am 5. Tage ein. J. Schmidt.
Der Brechweinstein als Anthelminthlcum.
Von Tierarzt Dr. Albert Möllcr-Alpirsbach (Schwarzwald).
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 1908. Nr. 29.)
Der Verfasser macht darauf aufmerksam, daß die für Pferde
übliche Dosis Brechweinstein von 10—15 g bei weitem noch zu
, hoch gegriffen sei. Bei* einer Tagesdosis von 8 bis 10 g be-
956
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 52.
obachtete Möller in zwölf Fällen nacheinander Vergiftungs¬
erscheinungen. Die Pferde erkrankten samt und sonders an aus¬
gesprochener akuter Hufrehe, und zwar beginnt das Leiden
etwa 5 bis 6 Stunden nach Aufnahme des Mittels. Verlauf und
Dauer variierten. Der Brechweinstein war aus verschiedenen
Apotheken bezogen. Rdr.
Floria-Fliegenöl.
Von Amtstierarzt Schade.
(Deutsche Tierärztlich« Wochenschrift 1908. Nr. 31.)
Schade verwendete mit recht gutem Erfolge das von der
chemischen Fabrik Dr. Nördlinger in Flörsheim a. M. hergestellte
Floria-Fliegenöl gegen die Fliegen- und Mückenplage bei Pferden.
Das Öl (pro Kilo 2,50 M.) wird nach dem Putzen mittels eines
Leinwandläppchens auf die Körperoberfläche gewischt. Eine
einmalige Einreibung genügt gewöhnlich für zwei Tage. Rdr.
Aas der medizinischen Literatur.
Münchener Medizinische Wochenschrift, 55. Jahrgang , 100K, S. 2601.
Beitrag znm Nachweis von Parasiten im Blute. Von 0. Stäubli-
Basel. Die vom Verfasser angegebene Sedimentierungs-
methode mit Essigsäure ermöglicht das Auffinden selbst spärlich
im Blute kreisender Parasiten. Das frisch gewonnene Blut wird
unter möglichster Vermeidung von Gerinnung und anderen Ver¬
unreinigungen mit einer größeren Menge 3 proz. Essigsäure ver¬
dünnt. Hierdurch lösen sich die roten Blutkörperchen auf,
während die Parasiten unbeschädigt bleiben. Durch Zentrifugieren
werden dann die Parasiten nebst den noch erhalten gebliebenen
Leukocytenkernen sedimentiert. Bei Trichinose gelang es
dem Verfasser, im Blute künstlich infizierter Tiere junge
Trichinen nachzuweisen. Er glaubt, daß es auch beim Menschen
gelingen wird, in Fällen von Trichinose, bei denen infolge
stärkerer Infektion eine einigermaßen erhebliche Auswanderung
von jungen Trichinen stattfindet, solche im Blute z. B.
der Fingerbeere oder des Ohrläppchens nachzuweisen. Hier¬
durch wäre die Diagnose auch ohne Muskelexzision ge¬
sichert. Bei den eigentlichen Blutparasiten gelingt der
Nachweis ihres Vorhandenseins noch sicherer als bei den
Trichinen, die sich nur vorübergehend im Blut aufhalten. So
gelang es leicht, Filarien, Trypanosomen und Malariahalbmonde
im Blute festzustellen. Bei Lues haben Noeggerath und
Stähelin mit der genannten Methode die Spirochaeta pallida
im Blute nachgewiesen. Verfasser zweifelt nicht, daß sich
Ankylostomalarven, Spirillen und Bakterien (namentlich Tuberkel-
und Milzbrandbazillen) durch die Sedimentierungsmethode leicht
im Blute werden ermitteln lassen, so daß ihr bei diesen und
bei eiuer großen Reihe von parasitären und Tropenkrankheiten
bei Mensch und Tier ein praktisch - diagnostischer Wert bei¬
zumessen ist.
Dieselbe Zeitschrift S. 2615.
Eine seltene Lokalisation des Echinokokkus. Von M. Rudolph.
Ein vier Monate altes Kind hatte einen über hühnereigroßen
Tumor der Orbita. Der Augapfel war intakt und extrem nach
außen und oben gedrängt. Die Probepunktion ergab deutlich
bernsteinsäurehaltiges, fast eiweißfreies, leicht gelbliches Exsudat,
das zwar keine Skolices, wohl aber geschichtete Hüllenfetzen
erkennen ließ. Es handelte sich sonach um eine Echinococcen-
cyste.
Deutsche Medizinische Wochenschrift , 34. Jahrg. Nr. 51, S. 2224.
Schwarzes Kolostrum. Von Dr. M. Semon. Bei einer 44 Jahre
alten Frau wurde zufällig beobachtet, daß ihre rechte Mamma
schwarzes Kolostrum absonderte. Auf Befragen ergab sich, daß
die Frau die Absonderung der „schwarzen Milch“ schon seit
18 Jahren, und zwar seit Beendigung ihres ersten Wochenbettes
beobachtet hatte. Seitdem war bei jeder Menstruation starke
Absonderung aus beiden Brüsten eingetreten. Stets war das Sekret
der rechten Brust schwarz, das der linken wässerig-farblos oder
weiß. Es konnte festgestellt werden, daß die Pigmentation
weder auf eine Blutbeimischung, noch auf Anwesenheit eines
besonderen geformten Pigmentes, noch auf irgendeine mykotische
Einwirkung zurückzuführen war. Eine maligne Neubildung war
mit Sicherheit auszuschließen. Mikroskopisch waren in dem
schwarzen Sekret von Formbestandteilen nur sehr große, stark
lichtbrechende und bräunlich tingierte Kolostrumkörperchen
nachzuweisen. Eine exakte Erklärung der merkwürdigen Er¬
scheinung kann nicht gegeben werden. Verfasser ist geneigt,
eine zelluläre Anomalie anzunehmen und hält es für möglich,
daß die besonders gearteten Kolostrumkörperchen den von
Bizzozoro und Vas alle während der Schwangerschaft ge¬
fundenen Pigmentzellen entsprechen, die Unger als pigment¬
beladene Mastzellen auffaßt, die das Pigment nach dem Warzen¬
hof transportieren. Man müßte also in dem vorliegenden Falle
an eine auch außerhalb der Schwangerschaft fortbestehende
Bildung solcher Zellen denken. W.
Schädelbruch durch HundebiD. Von Gerichtsärzten Dr. Pfleger
und Dr. Marx. Ein l l / 2 jähriges Kind wurde von einem großen
Hofhunde derart in den Kopf gebissen, daß es starb, bevor es
noch von dem Tiere befreit werden konnte. Die gerichtliche
Obduktion ergab, daß am Schädel zahlreiche den Formen der
Hundezähne entsprechende Lochbrüche vorhanden waren. Dabei
war der Ausbruch an der der ein wirk enden Gewalt abgekehrten
Knochentafel größer als an der ihr zugekehrten Tafel. Das
eine Scheitelbein war zertrümmert und die Kranznaht klaffte
weit auseinander. Hirnhäute und Gehirnsubstanz waren an den
den Knochenverletzungen entsprechenden Stellen gleichfalls ver¬
letzt. (Zeitschr. f. Med.-Beamte 16/08.) • W.
Tagesgeschichte.
t
Am 28. November d. J. verschied nach langem, schwerem
Leiden im 63. Lebensjahre der Tierarzt Eduard Niemela zu
Ratibor.
Niemela wurde 1846 zu Branitz, Kreis Leobschütz 0. S.,
geboren, besuchte die Realschule in Troppau (Österr. Schles.),
verließ dieselbe mit dem Einjährigenzeugnis und widmete sich
zuerst dem Baufach. Von 1864—1866 studierte er an der Tier¬
arzneischule in Wien, von 1866 an in Berlin, wo er 1868 die
Approbation als Tiererzt I. Klasse erhielt. Als Unterroßarzt
beim Feldartillerie-Regiment Nr. 5 machte er den Feldzug
1870/71 mit, nahm an den Schlachten von Weißenburg, Wörth,
Sedan teil und wurde vor Paris verwundet. Als Invalide ent¬
lassen war Niemela von 1871 an praktischer Tierarzt in
Kätscher, seit 1880 in Ratibor. Vor zwei Jahren sah er sich
wegen fortschreitender Krankheit genötigt, seine umfangreiche
praktische Tätigkeit aufzugeben.
24. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
957
Dem Verein Schlesischer Tierärzte gehörte der Verstorbene
seit langer Zeit an. Er war ein treues und eifriges Mitglied,
und fehlte auch in den letzten Jahren selten bei einer Ver-
8ammlnng. Sein besonderes Interesse wendete er der Tuber¬
kulose zu und er hatte sich früher in weiten Kreisen der Land¬
wirte einen Namen erworben durch das „Niemelin“, ein haupt¬
sächlich aus Carbo und Glyzerin hergestelltes Präparat, das nach
seiner Ansicht ein Heilmittel gegen Tuberkulose sein sollte und
in sehr vielen Beständen angewandt wurde.
Niemela war ein tüchtiger, mühsamer Tierarzt und von
seinen Kollegen und weiteren Kreisen geschätzt. Der Verein
Schlesischer Tierärzte wird dem Entschlafenen ein dankbares
Andenken bewahren.
Leicht sei ihm die Erde.
Der Verein Schlesischer Tierärzte.
Prof. Dr. M. Casper.
«
Am 7. d. M. verschied plötzlich in Breslau, wo er Heilung
seines Leidens gesucht hat, der Tierarzt des städtischen Schlacht¬
hofes zu Neiße Herr Stabsveterinär a. D. Josef Langer. Er
war am 18. März 1857 zu Neiße geboren und trat nach Besuch
des dortigen Realgymnasiums in das Feld-Artillerie-Regiment
Nr. 21 ein, um sich der militär-tierärztlichen Laufbahn zu
widmen. 1881 approbiert, leistete der Verstorbene dem Staate
als Roßarzt und Oberroßarzt treue Dienste, nahm 1895 seinen
Abschied, um sich nahe seiner Heimatsstadt in Steinsdorf,
Kreis Neiße, als praktischer Tierarzt zu betätigen; 1897 jedoch
wurde er mit den tierärztlichen Funktionen des Schlachthofes
zu Neiße betraut, und trotz dieser anstrengenden und auf¬
reibenden Tätigkeit fand er dennoch Zeit, an der dortigen land¬
wirtschaftlichen Winterschule zu unterrichten.
Mit dem Verstorbenen ist ein Mann aus dem Leben ge¬
schieden, der seinem Beruf mit Leib und Seele treu ergeben
war. Seltene Pflichttreue, eiserner, nie ermüdender Fleiß, außer¬
ordentliche Sorgfalt und Peinlichkeit im Dienst waren seine
hervorragenden Eigenschaften. Nicht minder ausgezeichnet war
seine treue, wahre Kollegialität und herzlich sein Verkehr mit
den Kollegen. — Groß war daher auch die Zahl seiner Freunde
und Verehrer. — In dem stattlichen Trauergefolge, dessen |
Größe *von der Liebe, Wertschätzung und Achtung des Dahin¬
geschiedenen Zeugnis ablegte, folgten dem mit Kranzspenden
überladenen Sarge die Abgeordneten der städtischen Behörden
mit dem Oberbürgermeister an der Spitze, eine Deputation des
Feld-Artillerie-Regiment8 Nr. 21, Mitglieder der verschiedenen
Vereine und sämtliche neun Kollegen des Kreises Neiße. — An
seinem Grabe trauert die tiefgebeugte Gattin. — Er ruhe in
Frieden!
Der Verein Schlesischer Tierärzte, insonderheit die Gruppe
Schlesischer Schlachthoftierärzte betrauert tief den Verlust des
tüchtigen, verehrten Kollegen und liebgewordenen Freundes.
Ein dauerndes und ehrendes Gedenken ist ihm allezeit
gesichert. I. A.: Henschel-Oels,
Obmann der Gruppe Schlesischer Schlachthoftierärzte.
*
Am 11. Dezember er. starb in Wesel der Königliche Ober¬
stabsveterinär im Feldartillerie - Regiment Nr. 43 Herr Albert
Doenicke.
Im Jahre 1883 approbiert, war er einer der Teilnehmer an
der Feier des 25 jährigen Berufsjubiläums, welches die „1883 er“
Mitte Oktober d. J. in Berlin festlich begingen. An der Seite
seiner Gattin und seines ältesten Sohnes war er in dieser Fest¬
versammlung einer der Fröhlichsten und keiner von den Semester¬
kollegen konnte ahnen, daß gerade diesem so»kräftigen und
gesunden Manne zuerst und so bald die Todesstunde schlagen
würde.
Am 7. Dezember erkrankte Doenicke an Influenza; zwei
Tage später trat Lungenentzündung hinzu, welche so rapid
verlief, daß schon am 11. Dezember nachmittags 4 Uhr der
Tod eintrat.
Der so plötzlich Dahingeraffte hatte sich durch seine außer¬
gewöhnliche Tüchtigkeit als Veterinär und durch seine Arbeits¬
freudigkeit eine vorzügliche militärische Stellung geschaffen.
Auch in der Zivilbevölkerung von Stadt und Land genoß er ein
bedeutendes Vertrauen als Tierarzt, so daß sein Schaffen und
Wirken weit über Wesels Mauern hinaus bekannt war,- und ihm
den Ruf eines hervorragenden Praktikers eintrug.
Daß er aber auch als Mensch hoch geachtet und verehrt
wurde, davon legte die große Zahl von Leidtragenden, welche
seinem Sarge folgten, und die herrlichen und zahlreichen Blumen¬
spenden bei seiner Beerdigung auf dem Militär-Friedhof beredtes
Zeugnis ab.
Sein Andenken wird bei uns in Ehren fortleben.
Nehrhaupt.
Zar tierärztlichen Ausbildung.
Von Witt, Hadersleben.
Die von mir in Nr. 36 der B. T. W. gemachte Äußerung über
Ausbildung der Tierärzte als kurze Einleitung zu meinem Artikel
über Malaria des Rindes sollte den Zweck haben, die Kollegen
anzuregen zur Besprechung einer Sache, die sicherlich vielen am
Herzen liegt.
Ich habe nun die Befürchtung, daß die Kürze des Aus¬
drucks, wie sie in der erwähnten Einleitung geboten erschien,
zu Mißdeutungen Veranlassung geben könnte, und halte es des¬
halb für richtig, wenn ich meine Gedanken ausführlicher erläutere
und schärfer präzisiere, bevor die Kritik an die anatomische
Zerlegung und die histologische, bakteriologische Untersuchung
geht. Ich hoffe damit zu erreichen, daß Meinungen der Art
nicht aufkommen, als beabsichtigte ich Ungerechtigkeiten und
wollte meine Pfeile gegen bestimmte Personen richten. Nichts
liegt mir ferner. Aber ich will freimütig und offen, ohne Furcht
vor Tadel und Kritik daB sagen, was ich im Interesse unseres
Standes für notwendig halte. Wer mitten im Leben steht, der
weiß, wie oft Rücksichten nach oben und unten hindern, das
auszusprechen, was das Herz bewegt, weiß, daß solche Rück¬
sichten direkt proportional sind der Standeshöhe, die jemand
erreicht hat. Deshalb mag dem Manne draußen im Lande, fern
an der Grenze gestattet sein, das zu beleuchten, was sein
offenes Auge zu sehen wähnt und für tadelnswert erachtet.
Als ersten Punkt habe ich angedeutet, daß ich die Zahl von
7—8 Semestern als tierärztliche Studienzeit für nicht ausreichend
halte. Viele Beweise werde ich hierfür nicht zu liefern brauchen,
da jeder Tierarzt diese Ansicht teilen wird, teilen muß. Und
weisen wir den Landwirt und Laien darauf hin, welche Aus¬
dehnung unsere Wissenschaft gewonnen hat, welche Anforderungen
die Veterinär-, die Sanitätspolizei stellt, welche Fähigkeiten das
bakteriologische Arbeiten voraussetzt, so wird auch der Laie
zugeben, daß ohne Anwendung eines Nürnberger Trichters das
958
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 52.
alles nicht in 7—8 Semestern dem menschlichen Hirn zu über¬
liefern ist.
Welche Verantwortung muß heute der Tierarzt tragen
z. B. in der Fleischbeschau?! Welche Schwierigkeiten bieten
sich ihm, nicht so sehr auf den großen Schlachthöfen, sondern
weit mehr auf dem Lande?! Es ist keine so schwere Arbeit,
einen Menschen mit einem Milzbrandkarbunkel ärztlich zu be¬
handeln. Ein anderes .ist es, wenn in der Praxis auf der einen
Seite die Interessen des Landmannes, die der armen Witwe zu
berücksichtigen sind, welche in der Verzweiflung ihre schwer
erkrankte Kuh notschlachten ließ, auf der anderen die Gesetze
drohen, die Gesundheit von Hunderten von Mitmenschen auf dem
Spiele steht. Dann setzt die Entscheidung weniger Minuten
einen ganzen Mann, ein ganzes Wissen und Können voraus
Es ist leicht gesagt, wenn unsere Lehrer vom Katheder herab
verkünden: in dubio malum. Aber ich wage zu behaupten, daß
Konflikte oben geschilderter Art manchem Tierarzt schon die
Ruhe einer langen Nacht gekostet haben!
Mehr und mehr dringt auch die Ansicht durch, daß sich
die Ausbildung der Tierärzte heben wird mit der Angliederung
ihrer Hochschulen an die Universitäten. Ist diese erreicht, so
wird auch in dem stud. med. vet. das Verlangen reifen, durch
Hören von Vorlesungen auf den verschiedensten Gebieten der
Wissenschaft seinen Horizont zu erweitern. Erst eine solche
Umschau wird das geistige Niveau der Tierärzte zur vollen
Höhe heben, sich aber nie in einer Studienzeit von 7—8 Semestern
ermöglichen lassen.
Die früher von seiten der Landwirtschaft gehegte Be¬
fürchtung, daß durch Verlängerung und Verteuerung des Studiums
sich die pekuniäre Leistung an die Tierärzte steigern würde,
hat sich nach Einführung der Maturitätsforderung als unbe¬
gründet erwiesen. Sie wird kaum wiederkehren, da Angebot
und Nachfrage im wesentlichen die Preise regeln, und das
Angebot tierärztlicher Kräfte in den meisten Gegenden die
Nachfrage überwiegt, mit anderen Worten, eine Überproduktion
an Tierärzten vorhanden ist. Außerdem wird auf allen ärztlichen
Gebieten nicht die Entschädigungsfrage, sondern vor allem
ärztliches Wissen und Können maßgebend sein und bleiben
müssen! Ich möchte nun davon abraten, nach dem Kuhhandel¬
system sich mit der Mehrforderung von einem Semester zu be¬
gnügen. Es wird nötig sein, ganze Arbeit zu machen. Wir
begegnen oft dem Einwand, daß in der Humanmedizin manche
Gebiete, z. B. der Gehirnkrankheiten oder Krankheiten der Sinnes¬
organe U8W. eine Ausdehnung gewonnen haben, welche sie in der
Veterinärmedizin nie erreichen können. Hierauf will ich ent¬
gegnen, daß auf jenen Spezialgebieten der Humanmedizin ein
Meister nicht vom Himmel fällt, ein Meister nie in der Studien¬
zeit ersteht, und daß ganz abgesehen von der Mannigfachheit
unserer Behandlungsobjekte viele Fächer unserer Wissenschaft
diejenigen der Schwesterwissenschaft weit an Bedeutung über¬
wiegen.
Erforderlich halte ich eine Ausbildungszeit von 10 Semestern;
läßt sich diese Forderung nicht durchsetzen, so wird jedes
abgestrichene Semester durch ein Semester praktischer Tätigkeit,
ähnlich dem praktischen Jahre der Humanmediziner, zu er¬
setzen sein!
H. Nun zur Doktorfrage:
Es liegt wohl im Geiste unserer Zeit, daß dem jungen
Studiosus der Doktor, ich meine das Dr., als höchstes Ziel vor
Augen schwebt. Er empfindet, daß dies heute an vielen Orten
zum guten Ton gehört, und er wird von vor- oder weitsichtigen
Eltern oder Basenkreisen darüber belehrt, daß besonders für die
Damenwelt der Dr. eines gewissen Reizes nicht entbehrt. Und
was tut man nicht den Damen zuliebe?! Was Wunder also,
wenn auch viele Tierärzte trachten, sich mit einem solchen
gesellschaftlichen Nimbus zu umgeben, zumal sie merken, daß
vielerorts die Bezeichnung Tierarzt nicht den rechten Klang hat.
Die Mode müssen wir mitmachen, denn wer gegen herrschende
Moden kämpft, fällt leichter auf als derjenige, der sie willig
befolgt. Es hat auch ohne Frage der Dr. nicht bloß dekorativen
Wert, wenn Kollegen rein wissenschaftliche Bahnen beschreiten
wollen, oder in späteren Jahren einmal einen Vortrag halten
wollen, bei denen ihnen die Dissertation als gefällige Lücken¬
büßerin stets zur Seite steht. Also wohl gemerkt, ich bekämpfe
den Dr. an sich nicht; ja, ich gestehe offen, daß ich zu meiner
Assistentenzeit auch an Dr.-Anwandlungen gelitten, sie allerdings
bald niedergezwungen habe. Aber — ich gewinne mehr und
mehr die Überzeugung, daß die heutige Sucht nach dem Dr.
die Jugend leicht zur Äußerlichkeit verführt, und daß* viele,
oder milder gesagt, einige meiner Kollegen dem Dr. einen über¬
großen Wert beilegen. Es erscheint dann der Dr. groß, der
Tierarzt klein geschrieben, vielleicht auch in Klammern gesetzt.
Soll allem die Krone aufgesetzt werden, so entbrennt ein Streit
darüber, welcher Dr. schwerer wiegt, der mit med. oder mit
phil., ob der mit med. vet. konkurrenzfähig ist, und ob der in
der Schweiz erworbene überhaupt noch als Nimbus gelten kann!!!
Hiergegen will ich mich wenden aus Furcht, es könnten
andere Stände über uns lachen, und ich will einmal klipp und klar
erklären: „Haben viele unserer jungen Kollegen nicht das zum
Promovieren nötige Kleingeld geerbt, zwingt der Kampf ums
Brot sie zu einem Verzicht, so ist das kein Grund zum Ver¬
zagen. Die Zeit wird kommen, wo man sich in unserem Vater¬
lande wieder auf sich selbst besinnt, wo der Hang zum Luxus,
der Trieb nach Titeln überwunden wird vom gesunden deutschen
Idealismus. Dann wird die Leistung, nic^it der Name
entscheidend sein!“
Was die Landwirtschaft braucht, sind tüchtige
praktische Tierärzte, ob beamtete oder private. Sie
bilden den wichtigsten Faktor zur Hebung des tier¬
ärztlichen Standes! Gewiß können auch die Kollegen
tüchtige Tierärzte sein; ich bin der letzte, der das bestreiten
will. Müssen aber unsere Kollegen zum Dr. phil. ihre Zuflucht
nehmen, diesen erkaufen durch ein längeres Studium für den
tierärztlichen Beruf bedeutungsloser Fächer, so läßt es sich nicht
vermeiden, daß eben eine längere Zeit dem eigentlichen Berufe
verloren geht. Dann schwindet das Interesse für die tierärztliche
Praxis, und der sogenannte praktische Blick erleidet eine Trübung,
d. h. wenn er vorhanden ist. Wird man eine Statistik aufstellen
darüber, wie viele Dr. phil. Kollegen noch in die Praxis gehen,
so werde ich eines Beweises für meine Worte enthoben sein.
Sind wir aber bestrebt, uns durchzusetzen als prak¬
tische Tierärzte, sind wir selbstbewußte, anständige
Menschen, so wird es uns bald gelingen, Ehre und
Achtung zu gewinnen. Seien wir Tierärzte, nichts mehr,
nichts weniger. Zeppelin baute sein Luftschiff ohne
Dr., und Bismarck hat ohne Dr. das Deutsche Reich
gegründet! Können viele von uns den Dr. nicht ent¬
behren, so muß das Ziel der Tierärzte sein der
24. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
959
Dr. med. vet., von Tierärztlichen Hochschulen ver¬
liehen. Beherzigen wollen und müssen wir aber das
eine: das ceterum censeo des tierärztlichen Standes
ist nicht die Dr.-Frage, sondern es ist die wirklich
hinreichende wissenschaftliche und praktische Aus¬
bildung der jungen Tierärzte!!!
HL Zum dritten habe ich darauf hingewiesen, daß ich es
für einen Fehler halte, wenn wir an unseren Hochschulen die
Einrichtung des Privatdozententums noch immer entbehren müssen.
Mit diesem Ausdruck habe ich weder ein Schlagwort prägen,
noch durch ein Panacöe servieren wollen. Was ich sagen wollte,
ist kurz folgendes:
An allen Universitäten finden wir neben den Ordinarien und
Extraordinarien die Privatdozenten, und zwar in einem Verhält¬
nis, daß letztere zuweilen 2 / ;{ aller Lehrfächer vertreten. Der
Privatdozent wählt sich sein Feld, das er beackern, vielleicht
ganz neu anlegen will, auf dem er zeigen will, daß er geeignet
ist, im Kampfe der Wissenschaft eine Führerrolle zu übernehmen.
In seinem selbstgewählten Fache reift er heran zum
außerordentlichen und ordentlichen Professor.
Sollen bei uns Lehrstühle neu besetzt werden, so rächt sich
stets von neuem das Fehlen der Privatdozenten. Die letzten
Jahre haben es deutlich genug erwiesen. Es mag etwas für sich
haben, wenn in einzelnen Fällen bei der Professorenwahl einmal
auf Männer der Praxis zurückgegriffen werden muß, und Namen
wie R. Koch oder Dieckerhoff zeigen, daß es auch in der
Praxis tüchtige Männer gibt. Im allgemeinen wird man mir aber
zugeben müssen, daß eine solche Wahl stets ein gewisses Risiko
in sich birgt gegenüber der Möglichkeit, aus der Zahl der be¬
währten Privatdozenten die Lehrkräfte zu entnehmen.
Kommt bei uns nun ein homo novus zur Hochschule, so
sieht er sich in vielen Fällen gezwungen, vorerst mit Fächern
fürlieb zu nehmen, die ihm absolut nicht Zusagen. Bei Frei¬
werden eines besseren Stuhles rückt er auf und wirft dann alleB
das als unnützen Ballast über Bord, was ihm ein gut Teil seiner
besten Jugendkraft raubte. Ich sage nicht mit Unrecht „unnützer
Ballast“. Die Hochschullehrer sollen m. E. nicht Universal¬
menschen, sondern Spezialisten in des Wortes ureigenster Be¬
deutung sein. Herrscht an unseren Hochschulen aber
immer noch das alte Regime, so muß dies dazu führen,
daß viel beste’Jugendkraft vergeudet wird, anstatt sie
zu sammeln, sie auf ein Fach zu konzentrieren. Hier
sei mir eine Frage gestattet: War es richtig, daß ein Mann
wie Geheimrat Ostertag gezwungen war, Jahre hindurch in der
Poliklinik Pferde „in die Gabel“ zu schicken, um nachher als
Hygieniker, als Direktor der Vet.-Abt. des Kaiserl. Gesundheits¬
amtes zu endigen?! Ist die Klinik für kleine Haustiere an der
Berliner Hochschule nicht eine solche Durchgangsstation, wo
verschiedene Professoren im Stillen geseufzt haben, wo die Zer¬
splitterung der Geisteskräfte einem Manne wie Eber das Leben
kostete?!*)
Doch ich will nicht weitschweifig werden. Mag der Streit
der Meinungen beginnen. Mögen jetzt, wie Prof. Schmaltz
sagt, in erster Linie die Hochschulen antworten. Im Lande,
weiß ich, werden viele meiner Kollegen meine Ansicht teilen und
die mich kennen, sind dessen gewiß, daß nicht Ungerechtigkeiten,
beabsichtigt oder nicht, auch nicht persönliche Motive mir die
Feder führten. Lust und Liebe zu meinem Beruf zwangen mich,
ein offenes Wort zu reden.
„Wer die Wahrheit kennet und saget sie nicht,
Der ist fürwahr ein erbärmlicher Wicht!“
Bayern voran.
Daß Bayern im Militärveterinärwesen vorangestanden hat
und noch voransteht, hat ihm noch niemand bestritten. Daß
die Parole Abiturientenexamen zuerst in Bayern ausgegeben
worden ist, soll unvergessen bleiben. (In der Hochschul¬
verfassung hat allerdings Preußen den Weg gewiesen.) Nun
hat auch das Zivilveterinärwesen in Bayern mit einem Schritt
die Spitze erreicht: Durch die neue Gehaltsordnung sind die
bayrischen Bezirkstierärzte den Bezirksärzten gleichgestellt
worden. Die Gleichstellung ist nunmehr auch in der Regierungs¬
instanz vollendet. Durch Allerhöchste Verordnung vom
12. Dezember 1908 ist bestimmt worden, daß vom 1. Januar
1909 ab die Kammern des Innern bei den Kreisregierungen
(Regierungsbezirken) besetzt werden mit Regierungs- und Bau¬
räten, Regierungs- und Medizinalräten und Regierungs- und
Veterinärräten. Die obersten Tierärzte in den bayrischen
Regierungsbezirken haben also als erste die Gleichstellung mit
den Medizinern und die Stufe des Regierungs- und Veterinär¬
rates erreicht. Ihr (für Preußen mißverständlicher) Titel Kreis¬
tierarzt ist beseitigt. Man braucht diesen Erfolg in Bayern
nicht zu benutzen, um bei seinem Lichte die preußischen Ver¬
hältnisse in den Schatten zu stellen, weil hier dieses Ziel noch
vor uns sich befindet. Wir freuen uns vielmehr einfach dieses
Fortschrittes in Bayern und rufen: Vivat sequens!
Schmaltz.
Preußische Beamten-Besoldungskommission.
Die Kommission für die preußische Beamtenbesoldungs-
vorlage hat ihre zweite Lesung bekanntlich beendet und ist in
einer Anzahl von Positionen über die Regierungsanträge hinaus¬
gegangen. Die in letzter Nummer eben noch aus der Morgen¬
zeitung übernommene Mitteilung betreffs der Kreistierärzte
ist jedoch nicht ganz zutreffend. Den Kreisärzten ist ihre
in der ersten Lesung beschlossene Erhöhung um 600 M. trotz
sehr starken Widerspruchs erhalten geblieben; die Konservativen
hatten beantragt, nur 300 M. zu bewilligen. Wenn dann die
Kreistierärzte um 300 M. heraufgesetzt worden wären, dann
würde die Differenz ausgeglichen gewesen sein. Dies ist
nun nicht erreicht worden. Immerhin haben die Kreistierärzte
auch noch eine Verbesserung davon getragen, über die jedoch
nicht richtig berichtet war. Das Gehalt ist auf 1200 bis 3300 M., im
Durchschnitt 2250 M., erhöht worden; es ist also die Durchschnitts¬
erhöhung nicht um 250 M., wie Seite 932 mitteilt, sondern nur um
150 M. erfolgt. Trotzdem ist der Beschluß günstiger insofern aus¬
gefallen, als bei der Berechnung des pensionsfähigen Gehalts außer¬
dem noch 300 M. zugelegt werden sollen, so daß das pensionsfähige
Durchschnittsgehalt sich tatsächlich um 450 M. steigert. Das
pensionsfähige Höchstgehalt hat demnach in Wirklichkeit eine
ebenso hohe Verbesserung erfahren, wie die den Kreistierärzten
bewilligte Zulage beträgt. Denn nach der Regierungsvorlage
beträgt das Höchstgehalt 3000 + 1950 gleich 4950 M.,
während es jetzt beträgt 3300 M. + 2250 M. gleich 5550 M.
Das Durchschnittsgehalt bleibt freilich mit 2250 M. hinter
3300 M. bei den Kreisärzten um 1050 M. zurück, also um
450 M. mehr, als die Regierungsvorlage vorsah. Immerhin ist
*) Diese Auffassung ist irrtümlich. S.
960
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 52.
es doch ein Trost und auch ein anerkennenswerter Erfolg, daß
wenigstens in den Höchstgehältern der Vorsprung der Kreis¬
ärzte ausgeglichen worden ist. Dabei dürfte die unzweideutige
Stellungnahme unseres Ministeriums gegen die Benachteiligung
der Kreistierärzte von ausschlaggebender Wirkung gewesen sein.
Trotz der Genugtuung, welche die Kreistierärzte därüber
empfinden können, sollte man sich nun aber, nachdem einmal
der Stein ins Rollen gekommen ist, damit nicht zufrieden geben.
Hinter der Kommission steht noch das Plenum, und obwohl das
Plenum viel schwerer in Bewegung zu setzen ist, ist das doch
nicht völlig aussichtslos. Nun also: heran an die Abgeordneten
in den Weihnachtsferien! Wir wollen nur den Abstand, den die
Regierung selbst uns hat zubilligen wollen, nicht nur im Höchst¬
gehalt, sondern auch im Durchschnittsgehalt erreichen. Aber es
wird nützlich sein, dabei zu betonen, daß auch gegenüber der
Regierungsvorlage die Kreistierärzte sich nur beschieden haben,
und daß im übrigen wie in Bayern so auch in Preußen die
Kreistierärzte den Kreisärzten gleichgestellt werden sollten.
Eine sehr erfreuliche Anregung hat übrigens die Kom¬
mission noch gegeben. Unter dem Widerspruch des Finanz¬
ministeriums wurde eine Resolution aller Parteien angenommen,
in der die Regierung ersucht wird, die Verhältnisse der Assi¬
stenten von wissenschaftlichenlnstituten der Universitäten,
Technischen Hochschulen und sonstigen gleichstehenden wissen¬
schaftlichen Anstalten einer weiteren Prüfung zu unterziehen
und die sich etwa als angemessen herausstellende Erhöhung
der Remunerationen vorzunehmen. Das ist in der Tat ein
absolut dringendes Bedürfnis. Die Assistenten müssen so ge¬
stellt werden, daß sie bei durchaus bescheidenen und soliden
Ansprüchen von ihrem Einkommen leben können. Gewiß ist es
für sie eine Lehrzeit, und sie haben davon erhebliche Vorteile;
aber auch um zu lernen, muß man existieren können, und die
Möglichkeit zu lernen darf kein Monopol für diejenigen werden,
die Zuschüsse von Hause haben. Es ist ein Jammer, wenn
tüchtige Leute für solche Stellen verloren gehen.
Schmaltz.
Gebühren nnd Reisekosten der Oberamtstierärzte
in Württemberg.
Die Gebühren der Oberamtstierärzte in Württemberg sind
durch Verfügung vom 23. Juli 1908 neu festgesetzt worden. Die
Sätze sind folgende:
Für Dienstleistungen, die zu den ordentlichen Amteobliegen¬
heiten gehören, haben die Oberamtstierärzte nach § 1 folgende
Gebühren zu beanspruchen:
I. Gegenüber der Staatskasse und der Zentralkasse der Tier¬
besitzer für Feststellung des Milzbrandes bei Entnahme einer
Blutprobe ohne Leichenöffnung 4 M., bei Eröffnung der Bauch¬
höhle 6 M., für die Zerlegung einer Leiche samt Obduktions¬
bericht nach abgekürztem Verfahren bei Milzbrand, Tollwut und
Rotz 8 M., in anderen Fällen bei großen Tieren 6 M., bei kleinen
Tieren 4 M., bei ausführlichem Obduktionsverfahren bei den
genannten Seuchen 10 M., in anderen Fällen 8 bzw. 5 M. bis zu
einem Höchstbetrage von 20 M. an einem Tage. Für die Unter¬
suchung einer bereits zerlegten Tierleiche zwei Drittel der
Sätze. Für die Untersuchung auf Geflügelseuchen unter An¬
wendung der üblichen bakteriologischen Methode mit Protokoll
und kurzem Gutachten ohne Tierversuch 3 M., mit Tierversuch
5 M., wobei jedoch die Gebühr in jedem Versuchsfalle auch bei
mehreren Untersuchungen nur einmal gewährt wird. Für die
Malleinprobe bis zu 5 Pferden 5 M., bei größeren Beständen 1M.
für jeden Impfling. Für die Schutzimpfung gegen Milzbrand
40 Pf., gegen Rotlauf bei zweimaliger Kultureinspritzung 20 Pf.,
bei einmaliger Einspritzung 15 Pf. für jeden Impfling. Für die
Nachprüfung eines Fleischbeschauers 5 M. bis zum Höchstbetrage
von 20 M. am Tage. Für die Behandlung der Haustiere im
Staatsbesitz die in der Privatpraxis geltenden Sätze:
II. gegenüber anderen Verpflichteten, soweit nicht besondere
Vereinbarungen bestehen: für die veterinärpolizeiliche Beauf¬
sichtigung eines Marktes 5 M. für Tierschauen, Ausstellungen
usw. 2 M. für jede angefangene Stunde. Am Wohnort darf der
Zu- und Abgang eingerechnet werden, auswärts nur die eigent¬
liche Dauer des Dienstgeschäftes; die daneben etwa für andere
Verrichtungen verwendete Zeit muß außer Berechnung bleiben.
Für die Ausstellung von Gesundheitszeugnissen, a) für große
Tiere, ausgenommen Rinder 2 M., für jedes weitere Tier 1 M.,
b) für Rinder, ausgenommen Kälber, für 1 Tier 60 Pf., für
jedes folgende Tier 30 Pf. bis zum Höchstbetrag von 5 M. für
je ein Zeugnis, c) für kleine Tiere (Fohlen, Kälber, Schafe,
Schweine) für 1 bis 3 Stück 60 Pf., für jedes weitere Stück
20 Pf. bis zum Höchstbetrage von 5 M. für ein Zeugnis, d) für
wandernde Schweineherden bis zu 10 Tieren 1 M., von 11 bis
30 Tieren 2 M., von 31 bis 50 Tieren 3 M., von 51 bis 100 Tieren
4 M., von über 100 Tieren 5 M., e) für Schafherden von 5 bis
100 Tieren 1 M., von 101 bis 200 Tieren 2 M., von über 200
Tieren 3 M., f) für Geflügel bis zu 10 Stück 1 M., für jedes
weitere Stück 10 Pf. Für Gesundheitszeugnisse, welche an
Markttagen am Marktort ausgestellt sind, darf nur die Hälfte
der Sätze berechnet werden. Für die auf der Entladestation
vorzunehmende seuchenpolizeiliche Untersuchung von eingeführten
Tieren, einschließlich Geflügel, für jede angefangene Stunde 2 M.
Neben diesen Gebühren, mit Ausnahme derjenigen für die Nach¬
prüfung eines Fleischbeschauers, findet Reisevergütung statt.
Nach § 3 erhalten die Stellvertreter der Oberamtstierärzte
dieselben Gebühren und Reisevergütungen. Wird ein fester
Gehalt nicht gewährt, so hat der Stellvertreter dem Auftraggeber
gegenüber außer den genannten Vergütungen noch gewisse be¬
sondere Entschädigungen zu beanspruchen, die in § 3 im einzelnen
aufgeführt werden.
§ 4 regelt die Reisevergütungen. Danach erhalten die
Oberamtstierärzte und deren Stellvertreter bei Verrichtungen,
die zu ihren ordentlichen Amtsobliegenheiten gehören, innerhalb
ihres Amtsbezirks d. h. des Bezirks, für den sie ein oberamts¬
tierärztliches Gehalt beziehen) als Gesamtvergütung für Tage¬
gelder und Reisekosten für den vollen Tag 15 M., für den halben
10 M.; außerhalb ihres Amtsbezirks Tagegelder und Reisekosten
nach den Bestimmungen der jeweiligen Reisegebührenordnung
für Staatsbeamte, und außerdem an Entschädigung für ent¬
gehenden Erwerb für einen vollen Tag 8 M. und für einen halben
Tag (weniger als 8 und mehr als 2 Stunden) 5 M.
Die Verfügung ist am 1. August in Wirksamkeit getreten.
Das Fothsche Pressebn re au.
Der von Herrn Veterinärrat Dr. Foth in Nr. 48 der
„B. T. W.“ in Aussicht gestellte Aufruf an die Vereine ist in¬
zwischen ergangen. Da Herr Dr. Foth mit Recht den Wunsch
zu erkennen gegeben hat, daß bei der Besprechung sein Plan
berücksichtigt werde, so teile ich hier den Wortlaut des
Schreibens, aus dem sich jener Plan ergibt, mit.
24. Dezember 1908.
Ab sämtliche deutschen tierärztlichen Vereine.
Die tierärztliche Fachpresse beschäftigt sich seit Monaten mit
dem von Herrn Kollegen Kreistierarzt Krüger-Ohlau gegebenen
und in tierärztlichen Kreisen schon vielfach ventilierten Gedanken
der Gründung eines Pressebureaus.
Es liegt im Sinne unserer gesellschaftlichen und sozialen
Struktur, daß ein Einfluß auf die Öffentliche Meinung und eine Ver¬
tretung gewisser sozialer sowie Standesinteressen nur dann mit
Nachdruck und Erfolg betrieben werden kann, wenn man eine gute
Vertretung im Parlament und eine gute Presse hat. Eine Vertretung
beider in unserem Interesse müssen wir zurzeit leider entbehren.
Wenn andere Stände, z. B. der Stand der Gymnasiallehrer, in den
letzten Jahren so überaus glückliche Erfolge aufzuweisen haben,
so verdanken sie es anerkanntermaßen in erster Linie einer teils
maßvollen, teils scharfen, dauernden und nachdrücklichen Ver¬
tretung ihrer Interessen in der Presse.
Der große Wert tierärztlicher Standesvertretungen und der
Dienst, welchen sie uns bisher in aufopfernder Weise geleistet
haben, wird allgemein mit Dank anerkannt werden.
Die von unseren Zentralorganisationen an zuständigen Stellen
zu vertretenden Wünsche können aber erst dann auf einen
befriedigenden Erfolg rechnen, wenn die öffentliche Meinung, und
das ist die Presse, unsere Wünsche mit vertritt
Was über uns, unsere Arbeit und Bedeutung im wirtschaftlichen
Leben in der breiten Masse des Publikums bekannt ist, ist so
außerordentlich der Berichtigung bedürftig, daß schon nach dieser
Richtung hin ein großes Maß von Arbeit in unserem Interesse nutz¬
bringend geleistet werden muß. Die noch so vielfach anzutreffenden
Meinungen über uns sind dringend einer nachdrücklichen Korrektur
bedürftig. Die öffentliche Meinung bearbeiten kann aber nur eine
Zentralstelle, welche sich dieser Au'V ibe speziell widmet.
Durch die Verbesserung des Resonanzbodens der öffentlichen
Meinung wird wohl sicher Einfluß auf die gesetzgebenden Körper¬
schaften und auf die Regierungen gewonnen.
Hierüber dürften wohl in keiner Weise Zweifel erhoben werden.
Als nun dieser glückliche und uns so notwendige Gedanke der
Gründung eines Pressebureaus in unserer Fachpresse der Allgemein¬
heit zur Erwägung anheimgegeben wurde, konnte dieser Gedanke
nicht mehr als solcher bestehen, er mußte nach unserem Erachten
in die Tat umgesetzt werden.
Wenn nun von einer Seite mit Nachdruck der Gedanke ver¬
fochten worden ist, daß die Gründung und Leitung eines Presse¬
bureaus die Domäne des deutschen Veterinärrates unbedingt sein
müßte, so können wir uns dieser Ansicht nur anschließen. Der
deutsche Veterinärrat tagt aber frühestens im Frllhjahr 1909 in
Stuttgart Seine Beschlüsse können erst im Sommer in die Hände
der in ihm vertretenen tierärztlichen Vereine gelangen, nachdem
diese längst ihre großen Frtthjahrssitzungen gehabt haben. Die
Beschlüsse könnten demnach frühestens im Herbst 1909 in den
einzelnen Vereinen zur Beratung gestellt werden, und günstigenfalls
wäre eine Übersicht über den Erfolg aller Mühen erst im Winter
1909/10 zu erwarten, mit anderen Worten, es würde mindestens ein
Jahr vergeben, ehe die Sache so weit gediehen wäre, daß sie Leben
bekommt Wir haben nun diese kostbare Zeit nicht verstreichen
lassen wollen, ohne den Gedanken in die Tat umzusetzen. Wie
den Vereinen bekannt sein dürfte, sprach unsere Generalversammlung
vom 26./2T. September 1908 durch einstimmigen Beschluß die Not¬
wendigkeit der Gründung eines Pressebureaus aus und bewilligte
zu diesem Zweck einen Beitrag von jährlich 800 M. Wir erlauben
uns nunmehr, an die verehrlichen Vereine mit der Bitte heran¬
zutreten, unsere Bemühungen nach dieser Richtung tatkräftig zu
unterstützen und nach ihrem Können und der Wichtigkeit der Auf¬
gabe ihr Scherflein beizusteuern.
Wir bemerken nochmals ausdrücklich, daß wir dem Deutschen
Veterinärrat nicht vorgreifen und seine Beschlüsse in keiner Weise
bestimmend beinflussen wollen, und daß wir schließlich abtreten
würden, wenn er die Sache in die Hand genommen hat. Es liegt
uns nur daran, daß keine wertvolle Zeit weiter verloren und schon
jetzt Arbeit geleistet wird. Der Verein behält sich vor, seinerzeit
beim Deutschen Veterinärrat weitere Schritte zu tun.
961
Was nun die Organisation der Versorgung der Presse mit uns
dienendem Material anlangt, so dürfte es einleuchtend sein, daß die
zu bewältigende Arbeit eine außerordentlich große ist. Geleistet
kann sie nur werden, wenn sie warmen Herzens für den Stand,
unter intimster Kenntnis unseres Sehnens und Strebens geleistet und
in die Form gegossen wird, welche uns dienstbar sein kann. Wir
stehen auf dem Boden, daß die Zentralisation unserer Bestrebungen
in der Presse nur in eine Hand gelegt werden kann, die wie wir
und für uns denkt, fühlt und auch weiß, wo uns der Schuh drückt.
Wir sind der Ansicht, daß z. B. ein Nationalökonom eine Menge
Zeit und Mühe drangeben müßte, um erst das zu fühlen, was wir
wollen. Eine solche Kraft würde dann immer noch auf die
Informationen, die ihm von unseren Standesangehörigen gegeben
werden, angewiesen sein und ob der Betreffende dann das Material
so verarbeitet, wie wir es als Tierärzte empfunden wissen wollen,
ist noch die Frage. Wir selbst wissen besser wie jeder andere,
wie es uns ums Herz ist und einer der Unsrigen kann sicher eher
der Dolmetsch unserer Gefühle und Wünsche sein, als jeder andere.
Auch die Philologen erkoren sich einen aus ihren Reihen zum Rufer
im Kampf für ihre Interessen. Wenn man einwendet, die großen
landwirtschaftlichen Organisationen z. B. hätten mit Erfolg National¬
ökonomen in ihren Dienst gestellt, z. B. Dr. Diedrich Hahn im
Bund der Landwirte, Dr. Dade im Deutschen Landwirtschaftsrat,
so ist das wohl richtig, der Vergleich ist aber nicht treffend. In
dem Bund der Landwirte findet jeder Mann, der landwirtschaftliche
Interessen mit Nachdruck vertritt, seinen Platz. Der erste ver¬
storbene Vorsitzende, Herr von Ploetz, ferner die Herren von Wangen¬
heim, von Oldenburg, Dr. Roesike sind teils Offiziere, bzw. Juristen
gewesen, die dann als Landwirte in hervorragender Weise agitatorisch
und organisatorisch tätig waren und sind. Überdies verfolgt der
Bund große politische Ziele, die mit unserem Wollen gar nicht in
Vergleich zu ziehen sind. Die Geschäftsführer in den großen
Berufsorganisationen, z. B. im Deutschen Landwirtschaftsrat, in den
Handels-, Handwerker- und Landwirtschaftskammern, in denen teil¬
weise Nationalökonomen vorteilhaft arbeiten, haben ebenfalls ganz
anderen Zwecken zu dienen, als wir sie im Auge haben, und sind
ebenfalls mit dem, was wir erstreben, nicht zu vergleichen.
Was wir wollen, erstreckt sich lediglich darauf, sobald als
möglich durch eine uns geeignet erscheinende Persönlichkeit, die
unser aller Vertrauen hat, die große Tagespresse und die Provinz¬
presse periodisch mit Material zu versorgen/ welches in unserem
Sinne wirksam sein soll. Die Notwendigkeit dieses Strebens dürfte,
wie wir annehmen, von keiner Seite bestritten werden. Es fragt
sich nun, wie soll dor Plan verwirklicht werden, durch wen und
mit welchen finanziellen Hilfskräften. Wenn wir uns eingangs nur
als Vorläufer einer eventuell vom Deutschen Veterinärrat dauernd
zu schaffenden Einrichtung ansprechen, so möchten wir diesen
Standpunkt nochmals wiederholen. Es soll sich zunächst darum
handeln, die Presse mit uns genehmen Artikeln durch einen der
Unsrigen zu versorgen. Das wäre ein Anfang, der nur nützen,
keinem aber schaden kann, auch nicht eventuell späteren Tat**n des
Deutschen Veterinärrates hindernd vorgreift, im Gegenteil, ihm die
Arbeit und Stellungnahme zur Sache ganz wesentlich erleichtert.
Ein in unseren Reihen genügend bekannter Kol¬
lege, Herr Zuchtdirektor Marks in Posen, hat sich be¬
reit gefunden, in dem Provisorium für urfs tätig zu sein.
Wenn wir gerade auf ihn kamen, so glaubten wir einen Kollegen zu
gewinnen, der mit Geschick und Nachdruck der Aufgabe gewachsen
sein dürfte. Vielseitige und weitreichende Beziehungen neben
sonstigen, ihn qualifiziert machenden Eigenschaf>en bestimmen uns,
ihn für diesen Zweck vorzuschlagen. Dazu kommt, daß ein Bureau,
in dem die erforderlichen Arbeiten zu leisten sind, dank dem Ent¬
gegenkommen des Vorstands und Aufsichtsrats der Wirtschafts¬
genossenschaft Deutscher Tierärzte, der ein Zehntel aller Tierärzte
Deutschlands zurzeit angehört, in der Genossenschaft zur Verfügung
steht Da Herr Kollege Marks ferner die nötige Zeit für die Arbeiten
hat und diese im Standesinteresse unentgeltlich zu leisten sich
erbot, so wäre die finanzielle Seite ziemlich einfach gelöst, denn es
sind nur notwendig die Mittel für eine Schreibkraft, Portis, Papier,
Drucksachen usw. Allerdings werden diese nicht niedrig sein, es
dürfte aber vor der Hand eine Etatisierung dieser Posten mit 300Q M.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
962
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 52
für das Jahr angemessen erscheinen. Daß bei einer sehr aus¬
giebigen Korrespondenz, die teils mit den heranzuziehenden Mit¬
arbeitern der Presse zu pflegen sein wird, dieser Betrag nicht sehr
hoch gegriffen ist, wird wohl zugegeben sein. Das vorläufig in
Posen befindliche Pressebureau wird sachgemäß mit einem Stabe
von Mitarbeitern tätig sein müssen, es wird den Stoff sichten, bear¬
beiten und gleichsam die redaktionelle Zentrale für unsere Presse¬
arbeit sein. Bewährt sich diese Idee, so kann späterhin der Deutsche
Veterinärrat eventuell die Arbeit und Erfahrungen des interimisti¬
schen Pressebureaus verwerten, andernfalls sich zu einem Besseren
verstehen. *
Daß Herr Kollege Marks sich die Sache wird sehr angelegen
sein lassen, dessen sind wir sicher. Zu der Sache braucht er aber
das allgemeine Vertrauen und dieselbe glückliche Hand, wie in
seiner Genossenschaftssache. Wird ihm ersteres zuteil, worum wir
bitten, so können wir das weitere ruhig der Zeit überlassen. Gehts
wider Erwarten nicht und befindet der Deutsche Veterinärrat über
die Materie in anderem Sinn, so ist Herr Kollege Marks der Mann,
der still von der Bühne abtritt, um einer anderen Kraft Platz zu
machen.
Wir denken, daß vor der Hand die Agitation wie folgt zu be¬
treiben ist: Herr Kollege Marks sucht die Fühlung mit der Presse
teils direkt, teils durch ihm bekannte einflußreiche Persönlichkeiten.
In Frage kommt die große Tagespresse und die größere Lokal¬
presse von konservativer bis zur freisinnigen Schattierung. Diese
Zeitungen werden mit allen uns nabegehenden Fragen durch die
Sendung von Originalartikeln und Notizen periodisch zu versorgen
sein. Da die Verhältnisse in den einzelnen Bundesstaaten vielfach
verschieden liegen, so wird eine Mitarbeit anderer Kollegen nicht
zu vermeiden, ja sehr vorteilhaft sein. Artikel über die verschiedensten
Gebiete unserer Standes- und Berufsfragen werden aus sach¬
kundigen Federn herauszuholen sein und in dem Pressebureau so
zusammengestellt werden müssen, daß sie in ihrer Einheitlichkeit
innerhalb der ganzen Artikelserie keine Lücke lassen. Schiefe
Urteile über uns interessierende Sachen werden in ruhiger Form
dauernd zu berichtigen sein. Jeder Kollege, der Beruf und Neigung
hat, seine Arbeib in den Dienst unserer gemeinsamen Interessen zu
stellen, wird hiermit freundlichst zur Mitarbeit eingeladen. Je
reichlicher und vielseitiger das Material an unser Presseburean
fließt, um so nutzbringender dürfte es sein. Es erscheint vorteilhaft,
daß für die agrarische Presse eine Nuance anders geschrieben
werden muß, wie für die liberale. Hier das Richtige zu treffen,
wird nicht geringes Geschick erfordern. Von nicht zu unter¬
schätzender Bedeutung wird auch die Pflege der Interessen der
Militärkollegen sein. Gerade diese besitzen keine Vereins¬
organisation, welche ihre Wünsche öffentlich vertritt
Es werden nicht nur in Frage kommen längere Artikel, sondern
auch dauernd kurze Notizen über die Allgemeinheit interessierende
Fragen, welche in unserem Interesse ausgenützt werden können.
Was nun die Zusammenbringung der erforderlichen Mittel an¬
langt, so kann nur mit Hilfe aller Kollegen, insbesondere mit Hilfe
der Vereine etwas Brauchbares aus der Sache werden. Wir wenden
uns daher an Ihren Verein mit der Bitte, den oben skizzierten Plan
billigen zu wollen. Sollte der Verein sich unseren Ausführungen
anschließen, so richten wir an ihn die dringende und herzliche
Bitte, eine Beihilfe für die Zwecke des Pressebureaus b willigen zu
wollen. Unser Verein bewilligte vorläufig, wie wir oben sagten,
jährlich 300 M. Über die uns von den anderen Vereinen zur Ver¬
fügung gestellten Mittel werden wir seinerzeit Rechnung legen.
Werden diese nicht verbraucht und organisiert der deutsche
Veterinärrat ein gleichen Zwecken dienendes Bureau, so würden
wir nach vorherigem Einvernehmen der sich an unserer Arbeit mit
Geldmitteln beteiligenden Vereine die bei uns noch vorhandenen
Mittel dem deutschen Veterinärrat zuführen oder auch sie auf
Wunsch pro rata der gemachten Zuwendungen den Vereinen wieder
zur Verfügung stellen. Je kräftiger und einheitlicher die Unter¬
stützung unseres Planes erfolgt, um so mehr vorbereitet käme dann
die Sache an den Deutschen Veterinärrat und könnte diesem die
Stellungnahme zu der Angelegenheit ganz außerordentlich erleichtert
werden. Die von dem verehrlichen Verein zu bewilligende Summe
bitten wir, an die Schleswig-Holsteinische Genossenschaftskasse m.
b. H. in Kiel für Rechnung unseres Vereins abführen zu wollen.
Wir glauben, daß, solange der Deutsche Veterinärrat ein
Pressebureau nicht eingerichtet hat, die von uns eingeleiteten
Bestrebungen mit der Unterstützung aller Vereine Deutschlands
schon gute Früchte tragen werden. Sollte in nächster Zeit der
Deutsche Veterinärrat sich entschließen, mit den Vereinen ein
Pressebureau einzurichten, so würden wir uns gern bescheiden, und
diejenige Organisation, welche unsere gemeinsamen Interessen zu
wahren berufen wird, an unsere Stelle treten lassen, damit sie,
unterstützt von der ganzen tierärztlichen Welt, etwas Großes auch
nach dieser Richtung hin für den Stand leistet.
Schleswig, 22. November 1908.
Namens des Vorstandes
des tierärztlichen Provinzial Vereins für Schleswig-Holstein.
Der Vorsitzende:
Veterinärrat Dr. Foth,
Ivönigl. Departementstierarzt.
*
Ich versage mir eine Besprechung dieses Planes im einzelnen
und bemerke nur, daß ich auch nach der Enthüllung auf meinem
Standpunkt stehen bleibe: jedes einseitige Vorgehen, gleichgültig
mit welchem Plane, ist eine Quelle der Gefahr. Derartige
Unternehmungen gehören den großen Standesvertretungen. Da
der Plan in Preußen aufgetaucht ist, so wird die preußische
Zentral Vertretung sich zunächst mit demselben zu befassen
haben. Da sie am 20. Februar Zusammentritt, uns also nur
noch 6 Wochen davon trennen, so erübrigt es sich völlig, die
Diskussion in der Presse weiterzuspinnen. Schm alt z.
Zur Kurpfu8Cherfrage!
Bei Erörterungen über das Pfuschertum ist wiederholt
geklagt, daß einzelne Apotheken diesbezüglich nicht handeln,
wie man es eigentlich erwarten dürfte, trotzdem glaube ich,
daß man der Tätigkeit des Apothekers auf diesem Gebiete
nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkt.
Ich möchte aus meiner Praxis einige Fälle hier Vorbringen,
aus denen jeder sich selbst seine Schlüsse ziehen kann.
I. Auf Umschlägen und am Kopf von Rechnungen der
hiesigen Apotheke ist zu lesen:
„Tierarzneimittel für sämtliche Haustiere nach bewährten
Vorschriften.“
II. Die hiesige Apotheke stellte auf den Dörfern in Gast¬
häusern sogenannte Arzneikästen auf, wobei die „"Vieharznei¬
mittel“ keine geringe Rolle spielten. Inwieweit diese „Filialen“
noch bestehen, weiß ich nicht, doch noch vor einigen Tagen
wurde ich in einem Dorfe durch ein Schild am Gasthause er¬
freut, das auf gelbem Grunde ein weit sichtbares weißes Kreuz
und die Aufschrift „Drogen, Vieharzneimittel“ usw. hatte.
III. Ein Landwirt konsultiert mich wegen eines Rindes,
das angeblich an „Blutnetzen mit hochgradiger Verstopfung“
litt. Auf mein Befragen, was er bereits dem Tiere verabfolgt
hat, erklärt er mir, daß er das nicht wisse, der Apotheker
habe aber seinem Sohne vor einigen Tagen etwas für die Kuh
verordnet und wenn nötig, wollte er in der Apotheke nach-
fragen, was es gewesen sei. Ich ließ ihn hingehen mit der
Bemerkung, daß er sich das Mittel aufschreiben lassen möge.
Der Mann bringt mir nun folgenden Zettel wieder: „Herrn —
prakt. Tierarzt, Hier.
Es war verabfolgt: 01. ricini 350,0, 01. croton gtt IIII.,
Rhiz. Tamentill 25,0, Nat. bic. 75,0.
Hochachtungsvoll
p. Dr. —
24. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
963
IV. Vor einiger Zeit holt mich ein Lehrer von einem
benachbarten Dorfe, nebenbei erwähnt er, daß seine Knh nicht
rindern will, früher habe er immer dafür in der Apotheke ein
Pulver bekommen, das gut geholfen habe, diesmal trete aber
keine Wirkung ein. Auf näheres Befragen betreffs dieses
Pulvers erklärte er, daß er das Pulver nicht kenne, es habe
aber grün ausgesehen.
Ähnliche Fälle könnten die hiesigen praktischen Ärzte aus
ihrer Praxis sicher auch zum besten geben, von dieser Seite
sind auch schon Schritte gegen das Verhalten der hiesigen
Apotheke getan, anscheinend jedoch ohne jeden Erfolg.
Der ganze Zweck meiner Zeilen ist, daß ein Berufener, der
sich schon eingehend mit der Materie beschäftigt hat, darüber
sich ausläßt, in wieweit ein Apotheker berechtigt ist, auf Grund
einer ihm vorgetragenen Krankengeschichte Arzneien zu ver¬
ordnen. Auch wäre es vielleicht zweckmäßig zu erörtern, wie
man der „Königl. Apotheke“, eine Bezeichnung, die Landleuten
mächtig imponiert, in dieser Frage entgegentritt. N.
Kleine Mitteilungen.
Ministerium für Landwirtschaft
Anläßlich der Hundertjahrfeier der Begründung preußischer
Ministerien sind verliehen worden dem Unterstaatssekretär
v. Conrad der Stern zum Roten Adlerorden H. Klasse, dem
Geheimen Oberregierungsrat Schröter der Rote Adlerorden
II. Klasse mit Eichenlaub, dem Ministerialdirektor Wirklichen
Geheimen Rat Dr. Thiel der Kronenorden I. Klasse.
Berlin.
Der Professor der Zoologie an der Landwirtschaftlichen
und an der Tierärztlichen Hochschule, Dr. Plate, hat einen
Ruf nach Jena als Nachfolger Haeckels erhalten und an¬
genommen.
Welcher Mangel an allgemein anerkannten physiologischen
Kräften besteht, wird wohl durch nichts besser als durch die
Tatsache illustriert, daß der Lehrstuhl Dubois-Reymonds
von Professor Rubner eingenommen wird, der schon vor einer
sehr langen Zeit von der Physiologie zum Fach der Hygiene
übergegangen war.
Schweizer Promotion.
Nach einer Mitteilung der „Deutschen Tierärztlichen Wochen-
schrift u hat das Herzoglich Anhaitische Ministerium die Führung
des an der Universität Zürich erworbenen Dr. med. vet. (wohl in
einem bestimmten Falle) bedingungslos anerkannt.
Veterinär-Institut zu Dorpat.
Die Zahl der Studierenden betrug im Jahre 1907 im ganzen 305.
Neu immatrikuliert wurden 191, darunter 78 frühere Studenten des
Warschauer Veteriilär-Institutes. Wirklicher Staatsrat, Professor
v. Raupach, ist in ( den Ruhestand getreten, außerordentlicher
Professor Wald mann wurde zum ordentlichen Professor, Dozent
Negotin zum außerordentlichen Professor, Prosektor Schröder
zum Dozenten ernannt
Verfügung betreffs Erkrankung und Vertretung beamteter Tierärzte.
Über alle Erkrankungen von Kreistierärzten, die Vertretung
erfordern und voraussichtlich länger als vier Wochen dauern,
sowie über Erkrankungen, die entgegen der ursprünglichen
Annahme länger dauern, ist fortab dem Herrn Minister zu
berichten und Mitteilung über die Regelung der Vertretung zu
machen. Die Vertretung ist grundsätzlich benachbarten Kreis¬
tierärzten zu übertragen. Zu einer Abweichung von diesem
Grundsatz ist Genehmigung des Ministers erforderlich.
Tierzuchtinspektoren in Pommern.
Die Landwirtschaftskammer der Provinz Pommern fängt in
der Tierzucht an, aus dem Vollen zu wirtschaften, indem sie
nicht weniger als 6 Tierzuchtinspektoren, sämtlich natürlich
Landwirte, aufstellt. Die Tätigkeit erfolgt nach einem be¬
stimmten Arbeitsplan kostenlos; Beratung außerhalb dieses
Planes ist gebührenpflichtig. ' Die Tätigkeit umfaßt die gesamte
Haustierzucht einschließlich Pferdezucht, Einrichtung von Jung¬
viehweiden U8W.
Berichtigung.
Herr Amtstierarzt Kunze bittet mit Rücksicht auf meine
Anmerkung zu seinem Artikel S. 933, seine Auffassung dahin
richtig zu stellen, daß er nicht gemeint habe, die Assistenten¬
stellen seien bequem, sondern die Versorgung mit amtlichen
Stellen sei bequem.
Maul- und Klauenseuche.
Neuausbrüche werden gemeldet aus Niederhof, Kreis Neiden-
burg, Regierungsbezirk Allenstein, vom 17., aus Gieraltowitz»
Kreis Tost-Gleiwitz, Regierungsbezirk Oppeln, vom 17. und aus
Lützelrimbach, Kreis Heppenheim in Hessen, vom 18. Dezember.
I Genossenschaftliches.
Die am 13. Dezember d. J. in Posen stattgehabte General¬
versammlung der WirtschaftsgenoBsenschaft deutscher Tierärzte
E. G. m. b. H. zu Posen hat die im Anzeigenteil dieser Nummer
veröffentlichte Bilanz genehmigt. Von den im Jahre 1907/08 er¬
zielten Gewinn sind endgültig verwendet worden:
4,8% Zinsen für die Geschäftsanteile der Mitglieder
1500,00 M. dem Unterstützungsverein für Tierärzte
300,00 „ dem Unterstützungsverein bayerischer Tierärzte
1192,14 „ zum Reservefonds (jetziger Bestand 4366,66 M)
1068,00 „ Gewinnvortrag für 1908 09.
Die den Mitgliedern im Jahre 1907/08 zugeführten Rabatte
betrugen rd. 15000 M. Im November wurde das 513. und nicht,
wie an dieser Stelle irrtümlich zu lesen war, das 13. Mitglied ein¬
getragen. Marks-Posen.
Lieferung von Impfstoffen an Landwirte.
Der Artikel von Dr. Goldbeck hat begreiflicherweise viele
Interessenten an- und aufgeregt. Eine Verteidigung des Pharma¬
zeutischen Instituts von L. W. Gans glaubte ich in der B. T. W.
aufnehmen zu sollen. Gerade hier, wo es immerhin schwer ist,
die Grenzen zu finden, muß ja jede Seite zu Worte kommen
können. Der in den Ausführungen zu findende Vorwurf jedoch,
daß die Tierärzte gewissermaßen nicht genug Impffreudigkeit
hätten, darf nicht unwidersprochen bleiben. Er trifft nament¬
lich auch für den Osten nicht zu. Andererseits fehlt in dem
Bukett von Firmen, die Dr. Goldbeck genannt hat, eine
besonders saftige Blüte; das ist die Vereinigung Deutscher
Schweinezüchter, der doch hier bescheinigt werden soll, daß
ihre Annoncen in einer ganzen Anzahl landwirtschaftlicher
Zeitungen ganz besonders hervorstechen.
Bissulin.
Die Firma Tromsdorff, chemische Fabrik in Aachen,
bittet mit Bezug auf die Notiz in Nr. 50, S. 913, ihr Bissulin
betreffend, folgendes festzustellen: Ein Prospekt von ihr trägt
die Aufschrift „Nur für die Herren Tierärzte“, weil sein Inhalt
von einem anderen für Landwirte bestimmten Prospekt abweicht.
Auch in diesem für Landwirte bestimmten Prospekt ist aber
ausdrücklich folgendes gesagt: ,,Da der ansteckende Scheiden¬
katarrh zu den Krankheiten gehört, deren Behandlung unbedingt
durch einen Tierarzt erfolgen sollte, weil nur der Fachmann in
der Lage ist, angeben zu können, welche Tiere sich zur Be-
964
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 52.
handlang eignen, wann die Krankheit als erloschen zu betrachten
ist usw., so liefert die Fabrik Bissulin nur an die Herren Tier¬
ärzte, nicht aber an Guts Verwaltungen usw.“ Die Fabrik
wünscht ferner festgestellt zu sehen, daß sie die Ausführung
eines jeden, nicht durch einen Tierarzt erfolgten Auftrages
grundsätzlich ablehnt.
Sitzungsbericht über die 97. Frülgahrsversanunlung
des Vereins Schlesischer Tierärzte
in Breslau am 31. Mai 1908.
Anwesend waren: a) Mitglieder: 1. Anders-Trebnitz, 2. Angen¬
heister-Breslau, 3. Berenz - Schönau, 4. Bi sch off - Ratibor,
5. Brandes-Trachenberg, 6. Prof. Dr. Casper-Breslau, 7. Dinter-
Münstorberg, 8. Eh rieht - Strehlen, 9. Enderle in - Salzbrunn,
10. Dr. Franke-Breslau, 11. Dr. Fröhner-Groß-Strehlitz, 12. Füll¬
bier - Freiburg, 13. Gerlach - Liegnitz, 14. Goedel - Strehlen,
15. Herwig - Quaritz, 16. Hey-Namslau, 17. John - Trebnitz,
18. Jungmann-Festenberg, 19. Kattner-Neustadt, 20. Kindler-
Canth, 21. Kolbe-Rosenberg, 22. Kretschmer-Ziegenhals, 23. Lux -
Beuthen, 247 Machnig-Habelschwerdt, 25. Mahlendorff-Breslau,
26. Manasse-Lähn, 27. Dr. Marschner-Breslau, 28. Marx-Zobten,
29. Mattauschek-Waldertburg, 30. Müller-Horka, 31. Nissen-
Namslau, 32. Nowag-Sprottau, 33. Östreich-Kattowitz, 34. Ort¬
mann-Domslau, 35. Pflanz-Kreuzburg, 36. Prasse-Kühnem,
37. Proske - Obemigk, 38. Rieck - Breslau, 39. Riedel - Ohlau,
Richter-Lublinitz, 41. Dr. Roth-Breslau, 42. Rilckner-Brieg,
43. Ruppert- Brockau, 44. Rust-Breslau, 45. Schliwa-Brieg,
46. Schmidt-Hirschberg, 47. Schmidt-Bernstadt, 48. Schönfeld-
Leobschütz, 49. Schüber - Hundsfeld, 50. Schwintzer - Öls,
51. Stöcker-Lüben, 52. Siissenbach-Woblau, 53. Tappe-Beuthen,
54. Ulm-Bunzlau, 55. Wancke - Neiße, 56. Wierzba - Zabrze,
57. Wittenbring-Waldenburg, 58. Dr. Wölfel-Breslau; b) Gäste:
59. Becker-Guhrau, 60. Becker-Zirlau, 61. Vet.-Rat Bermbach-
Oppeln, 62. Böhm - Wüstegiersdorf, 63. Heintzel - Friedland,
64. Henrich - Raudten, 65. Hieronym i-Breslau, 66. Hirsch-
Guttentag, 67. H o y e r- Breslau, 68.1 rrg an g- Falkenberg, 69. Jo s c h k o -
Strehlen, 70. Kleiner - Löwenberg, 71. Loewenthal - Breslau,
72. Pommrich-Breslau, 73. Wittlinger - Hanau, 74. Woost-
Steinau a. 0.
Nach Erledigung der Vorstands- und Gruppensitzungen, welche
in der Zeit von 10—lD/a Uhr stattfanden, eröffnete der Vorsitzende
um ll 3 / 4 Uhr die Hauptversammlung und begrüßte die erschienenen
Mitglieder und Gäste.
Zu Punkt la der Tagesordnung teilt der Vorsitzende der Ver¬
sammlung die eingelaufenen Schreiben unserer lieben Ehrenmitglieder,
der Herren Prof. Dr. Schmaltz-Berlin, Dr. Marks-Allenstein und
Riedel-Neisse mit, worin diese Herren ihr Fernbleiben entschuldigen
und dem Verein ihre Grüße übermitteln. An Herrn Kollegen Riedel,
welcher krankheitshalber am Erscheinen verhindert ist, entsendet
der Verein ein Telegramm mit dem Dank für das Interesse und
mit dem Wunsche baldiger Genesung. Es waren ferner Ent¬
schuldigungsschreiben von einigen Mitgliedern, und zwar den Herren
Böhner-Ober-Glogau, Lehnert-Leobschütz und Rudloff-Sprottau
eingegangen.
Alsdann widmet der Vorsitzende dem verstorbenen Herrn
Kollegen Andrich in Kattowitz Worte der Erinnerung und die
Versammlung ehrt das Andenken des Verblichenen durch Erheben
von den Plätzen.
In Erledigung za lb werden die Herren Becker-Guhrau,
Vet.-Rat Bermbach-Oppeln, Böhm-Wüstegiersdorf, Heintzel-
Friedland, Henrich-Raudten, Hieronym i-Breslau, Hirsch-
Guttentag, Irrgang-Falkenberg, Jos chko-Strehlen, Kleiner-
Löwenberg, Loewenthal-Breslau und Wo o st-Steinau a. 0. in
den Verein neu aufgenommen und vom Vorsitzenden herzlich be¬
grüßt. Diesem erheblichen und freudigen Zuwachs gegenüber
haben die Herren Hoehne-Ohlau und Krüger-Jauer unbegründet
ihren Austritt aus dem Verein erklärt.
Zu 1 c der Tagesordnung gibt der Kassierer einen Finanzbericht
und nach Prüfung der Kasse durch eine Kommission wird dem
Kassenwart Entlastung erteilt.
Überwachung der Milchgewinnung und des Marktverkehrs.
Darauf ging der Vorsitzende zu Punkt 2 a der Tagesordnung
über und erteilte Herrn Obertierarzt Dr. Marschner-Breslau das
Wort zu seinen Referaten über die Stellungnahme unseres Vereins:
1. zur Resolution des tierärztlichen Vereins in Schleswig-Holstein
betreffend die tierärztliche Überwachung der Milchgewinnung
und des Verkehrs mit Milch;
2. zur* Resolution der Tierärztlichen Gesellschaft in Berlin, be¬
treffend die tierärztliche Überwachung des Marktverkehrs mit
animalen Nahrungsmitteln, sowie die Schaffung eines beson¬
deren Lehrauftrages hierfür an den tierärztlichen Hochschulen.
Zu 1 führt Redner aus, daß es schon längst das Bestreben der
Tierärzte gewesen ist, die Gewinnung und den Vertrieb der Milch,
des wichtigsten Volksernährungsmittels, unter behördliche Bewachung
und Kontrolle zu stellen. Später haben auch die Ärzte diesem
Zweige der öffentlichen Gesundheitspflege ihre besondere Aufmerk¬
samkeit gewidmet und auf dem letzten Kongresse für Hygiene und
Demographie zu Berlin ist die Frage der Milchhygiene mehrfach
Gegenstand eingehender Erörterungen gewesen. Dr. Marschner
empfiehlt Interessenten den Vortrag des Herrn Reg.-Rat Dr. Weber
über Herstellung tadelloser Kindermilch zu lesen.
Der Umstand, daß der internationale hygienische Kongreß sich
mit der Frage der Milchhygiene beschäftigt hat, ist dann wohl auch
Veranlassung gewesen, daß der tierärztliche Provinzialverein für
Schleswig-Holstein zu dieser Frage Stellung genommen und be¬
schlossen hat, die Milchkontrolle als ständigen Verhandlungsgegen¬
stand auf die Tagesordnung zu setzen. Hat doch gerade der Herr
Vorsitzende dieses Vereins bei den auf dem Kongreß über die Milch¬
kontrolle geführten Debatten sich in dankenswerter Weise bemüht,
die Notwendigkeit einer Mitwirkung der Tierärzte bei der Milch¬
kontrolle darzulegen.
Zurzeit wird der Verkehr mit Milch in vielen Städten durch
ortspolizeiliche Vorschriften geregelt, die mehr oder minder streng
sind und zumeist darauf hinauszielen, Verfälschungen der Marktmilch
zu begegnen. Einzelne Verordnungen haben auch die Gewinnung
einer einwandfreien Kindermilch zum Zweck. Der Mitwirkung der
Tierärzte wird hierbei ln vielen Städten, wenigstens der Ostprovinzen,
wenig oder gar keine Bedeutung beigemessen, jedenfalls nicht die
Bedeutung, welche die Tierärzte ohne allen Zweifel hierbei zu be¬
anspruchen haben. Darum wäre es sehr erwünscht, wenn die ganze,
die Milchhygiene betreffende Frage eine reichsgesetzliche Regelung
erfahren möchte, eine Hoffnung, welche sich bei den vielfachen
Wandlungen, die die Wissenschaft gerade bezüglich dieser Frage
in der letzten Zeit vorgenommen hat, kaum so bald erfüllen dürfte.
Dennoch müssen wir Tierärzte eine reichsgesetzliche Regelung an¬
streben, dürfen dabei aber die beiden Hauptforderungen niemals
außer acht lassen, nämlich
1. daß die zu ergreifenden Maßnahmen derartige sind, daß sie
allgemein durchführbar sind, und
2. daß der Preis der Milch ein solcher bleibt, daß jedermann
aus dem Volke denselben bezahlen kann.
Im weiteren führt Redner aus, daß von den zu ergreifenden
Maßnahmen bei Einführung einer Milchkontrolle vier Punkte zu
berücksichtigen wären:
1. Kontrolle des Gesundheitszustandes der Milchküche,
2. Beaufsichtigung der Fütterung und Stallhaltung,
3. Überwachung der Milchgewinnung,
4. Beaufsichtigung der Milchbehandlung.
Es bedarf wohl nicht besonderer Erörterung, daß bei einer
gesetzlichen Regelung der Milchkontrolle die beiden zuerst ge¬
nannten Forderungen ausschließlich durch Tierärzte durchgeführt
werden können, doch auch bei Überwachung der Milchgewinnung
wird man der Mitwirkung der Tierärzte nicht entraten können.
Alsdann setzt Redner seine Ansicht über die zu ergreifenden
Maßnahmen nebst Begründung auseinander.
Als Krankheit der Milchkühe kommt zunächst die Tuberkulose
in Betracht. Während man früher die Forderung stellte, alle der
Erkrankung an Tuberkulose verdächtigen Kühe von der Milch¬
gewinnung auszuschließen, denkt heut kein Sachverständiger ernstlich
mehr an die Durchführung dieser Forderung.
24. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
965
Die Ärzte sind der Meinung, daß ein gesunder Mensch durch
einen Phthisiker nur durch die sogenannte Tropfeninfektion und
auch nur dann angesteckt werden kann, wenn ein ständiges Zu¬
sammensein mit solchen Kranken stattfindet. Milch, welche Tuberkel¬
bazillen vom Typus bovinus enthält, soll erwachsenen Menschen
überhaupt keine Gefahr bringen, nur junge, schwächliche, kranke
Individuen sollen sich durch tuberkclbazillenhaltige Milch infizieren
können. Somit wären nur diejenigen tuberkulösen Kühe von .der
Milchgewinnung auszuschließen, welche an Eutertuberkulose oder
offener, klinisch feststellbarer Tuberkulose leiden. Auf die klinisch
feststellbare Form ist besonderer Wert zu legen, weil die Tuberkulin¬
probe vielfach unzuverlässig sich erwiesen und bei vorgespritzten
Tieren sogar zu falschen Schlüssen geführt hat; daher kann die
Tuberkulinprobe nur als Hilfsmittel für die klinische Diagnose
herangezogen werden. Kühe, die zu Immunisierungszwecken mit
Bovovaccin behandelt wurden, sind als äußerst gefährlich von der
Milchgewinnung au<zuschließen, da sie Tnberkelbazillen vom Typus
humanus mit der Milch ausscheiden.
Von sonstigen Krankheiten, welche die zeitliche oder dauernde
Ausschließung einer Kuh als Milchtier verlangen, ist hier nur die
Streptococcenmastitis zu erwähnen. Da solche Streptococcen mit
der Milch ausscheidendc Kühe häufig keine klinisch qaehweisbare
Eutererkrankung zeigen, so kann das Vorhandensein einer solchen
nur dadurch geführt werden, daß man den Leukozyten gehalt der
Milch feststellt. Wenn in 10000 mg Milch 10 mg Leukozyten naeh.-
zuweisen sind, so gilt das Tier als mastitiskrank. Zu beachten ist
aber, daß Kolostralmilch sowie die Milch hochträchtiger Tiere
immer einen übernormalen Leukozytengehalt besitzt.
Bezüglich der Fütterung der Milchkühe stand man früher auf
dem Standpunkt, Kühe, welche Kindermileh liefern sollten, nur
trocken zu füttern. Durch gleichmäßige Zusammensetzung der
Nahrung erhält man eine ständig sich gleich bleibende Milch.
Heute empfiehlt man den Weidegang der Milchkühe, weil die im
Grünfutter enthaltenen mineralischen Stoffe leichter resorbiert
werden als aus dem Trockenfutter. Zu verbieten ist unbedingt
wenigstens bei der Kindermilchgewinnung die Darreichung von
rohen Kartoffeln, Rübenblättern, frischen Schnitzeln, Schlempe und
Bierträbern, ferner die bei der ölfabrikätion gewonnenen Rück*
stände, weil diese einmal den Geschmack der Milch beeinflussen
und dann auch giftig wirken können. Frische Erdnuß-Palmkern-
und Kokosnußkuchen sind allenfalls zu gestatten, auch der Dar¬
reichung von Rüben in geringen Mengen kann man das Wort reden.
Die Schrote des Weizens, Hafers, Roggens und der Gerste sind als
vorzügliche Kraftfuttermittel sehr zu empfehlen, stellen sich aber
leider sehr teuer. Die bei der Gewinnung von Kindermilch ver¬
botenen Futterstoffe sind natürlich da zuzulassen, wo es sich um
Gewinnung einer Normalmilch handelt, doch sind dieselben niemals
in großen Mengen, sondern immer in einem bestimmten Mischungs¬
verhältnisse mit den bei der Kindermilchgewinnung gestatteten
Futtermitteln zu geben.
Der Stall darf vor allem nicht feucht sein, daher muß für
trockene Wände und Decke sowie für undurchlässigen Fußboden
Sorge getragen werden. Bei Neubauten sollen die Fenster des
Stalles möglichst groß angelegt werden, die Stände müssen leichten
Fall nach hinten haben und sollen lang und breit sein, um dem
Tiere möglichste Bewegungsfreiheit zu garantieren. Reinlichkeit
und Sauberkeit sind natürlich ein Haupterfordernis in jedem Milch¬
viehstalle, daher müssen solche Ställe Wasserleitung und offene
Jaucheabzugsrinnen besitzen.
Als Einstreumaterial ist Roggen- oder Weizenstroh, welches je
nach Bedarf erneuert werden muß, zu verwenden. Dumpfiges Stroh,
Torf, Müll oder Sägespäne sind zu vermeiden.
Die Stalltemperatur soll 16—18° C betragen/ dabei ist für
ständige Lüftung Sorge zu tragen. Den Kühen ist tunlichst täglich
ein kurzer Aufenthalt im Freien zu gewähren. Kranke Tiere sind
aus dem Stalle zu entfernen, ebenso solche, bei denen nach dem
Abkalben die Nachgeburt nicht innerhalb 24 Stunden abgeht.
Der Vortragende kommt dann zur Frage der Überwachung
der Milchgewinung. Hier ist natürlich das Haupterfordernis Rein¬
haltung des Milchtieres und peinlichste Sauberkeit des Melkpersonahs*.
Die Milch bietetbekanntermaßen..infolge .ihre« Zusammen*
setzung einen vorzüglichen Nährböden iür Baktf^iöiieniwteldubgi
Diese Bakterien entstammen zum äflorgeringeten. Teil ^em.Eutet
des Milchtieres, sondern gelängen Zumeist aus dev. Außenwelt in
die Milch. So entstammen nach Webers.Äbsicbt diein der.Hitoddläi
milch Vorgefundenen Tubcrkelbazülen des /Typus hUwanAs flicht
dem Milchtier, sondern sind aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine
Verunreinigung durch phthisische Perfeoiien zurüekzirfübren. \Mmi
auch die Erreger anderer spezifisch menschlicher Krankbcite^ wio
Typhus, Ruhr, Cholera,. Scharlach und Masern,>können durchraiiä
Milch verbreitet werden. Noch viele andej-f», Bakterjcnarte$ der
Außenwelt können sich in der Milch ansammel», Appb i$t es;
Ansicht des Redners falsch, den Wert dqr .Milch in gesundheitlicher
Beziehung ganz allgemein nach der Anzfchb dei yoriiagdopen-K^m^
zu beurteilen, weil sich doch Keime, .wie ;z. B. die. .LuftkpJ^ken
Heubazillen, in der Milch ansiedeln können, ohne, 4ieaclbe^4irgei^>
wie zu beeinträchtigen. Hingegen muß die Anwesenheit ^90 gpring^x
Mengen von Staphylokokken .oder KoUbfkterico, in df^MjJch
große Bedenken erregen. v _vi
Das Euter der Milchkuh ist täglich mit, La^yy^m^ Wassep..^!
zuwaschen und alsbald abzutrocknen, sodann ist os vorteilhaft das¬
selbe einzufetten. Die Schwanzquasteij der, Milchkühe sind-täglich
zu w aschen und zu trocknen. Die zur Aufnahme Mikb lj«*
stimmten Gefäße sind vor der jedesmaligen, Ipgebtaucbpahnje
gründlich zu reinigen. Das gleiche hat; mit den Futterkrippen
Tränkgefäßen vor Beginn des Melkens zu geschehen. llfppij
erfordernis ist die Sauberkeit des Mplkef* und.ih^bei
in der Praxis auf die größten Schwierigkeiten, Dr.. Marschner be¬
schränkt deshalb die in dieser Beziehung zu steflenden Fpr% ri lüKp9
auf das allernotwendigste und beansprucht, daß der Melker sich
zunächst Hände und Arme sauber mit $etfe wäscht, den Kopf mit
einem Tuche bedeckt und sich mit eineip mit 'kurzen Anpein y^
sehenen, frisch gewaschenen Melkmapfej'bekleidet . Frauen jjä^eji
statt dessen eine -mit Brustlatz versehene breite Schürfe, anzuJegejnL
Kranke und besonders an Hautausschlägen Icidpnde P.ejrsynep sind
mit dem Melkgeschäfte nicht zu betrauen. Das Au^werferi vpp
Speichel während des Melkens ist zu unterlassen,, ebenso Bolj ’daf
Husten unterdrückt werden. Bei Beginn de? Melkens sind "dm
ersten Milchstrahlen in die Streu oder noch besser in ein b^söndeyes
Gefäß zu melken, weil sich sehr hähfig ihi StJritfhltänäPBakterlfeti
der Umwelt ansiedeln, die bei Vermeidung dieser Vorschrift iii älb
Milch gelangen und den Keimgehalt "der' Mübh ! ;hrhe1)iih^*yei^S.b ; rhh
würden. ‘ v ’' 1 " ”/ ' !l ' f “ : ,fi
Es ist stets für das Vorhandensein einer'bösöiadcren, heben
dem Viehstalle gelegenen Milchstube Sorge zq tragen, i/i 3 <fef fräs
Milchsammelgefäß anfgestellt ist. Die im Stalle' abgemö'lkene ^lilch
wird sofort aus dem Stalle gegeben, geseiht‘ und 1 dem mit hiiiht
Kühlvorrichtung versehenen Satomhlgeföße ein verleibt. Sehr vor¬
teilhaft ist es, die Milch doppelt zu seiheti tiiitjl z l wär benützt J mkti
am besten das erste Mal ein feines Drahtsieb, das zweite Mal ein
Wattefilter. Während des Melkens sowie 1 auch' X —2 Stuüdfeh ‘Vbr
dem Melken ist das Füttern und; Einsfreuen zu Verbietdeh,
im Futter und in der Streu enthaiteneti.lKhime t.erspi'eDgt werdöd
und durch Zwischenträger in die Milch gelangen können." '
Was die Milchbehandlung betrifft, so interessiert' uns zuhäöbkf
die Frage der notwendigen Abkühlung nnmitte'Ibar' häch Jef Ge¬
winnung. Großen Sammelmolkereien mit Kühlvotnchtungen' öoyiyih
den in Verbindung mit öffentlichen Schlachtllöfeh' örrichtetcfl’ M1T6h-
kuranstalten bereitet diese Frage keine Schwierigkeiten; für Äbs
kommt aber hauptsächlich das platte Land als die HaupfgfeWibnüngs-
stätte der Milch in Betracht. Hier kann nur djh Tlökuhfuhgünd
die Kühlung mit kaltem Wasser in Frage kommen. 'Ersterö ' er¬
möglicht zwar eine Herabsetzung auf 4° CV ftoch stellcri Sich dtjj
Unkosten so hoch, daß ihre unbedingte Anwendung ;iicbt gö^bfjÖfert
werden darf. Es bleibt also nur die WasshrküVuhg.übrig ühd'piij,
deren Hilfe läßt sich im Durchschnitt keine niedere Tempefätur
als höchstens 12*C erzielen. Diese Temperatur genügt äupil yö(U
ständig, nur ist es nötig, daß die Milch ‘‘auf efem “ eventuellen
Transport zur Stadt und in den Verkaufshalleii' der Händler auf
dieser Temperatur erhalten bteibt oder doch' wenigsten? 1? °C n^e.hf
Übersteigt. Eine allzulange Aufbewahrung ' ist 1 ja “äuch' nicht *4r-
T"
966_BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT._No. 52.
wünscht, weil erfahrungsgemäß die Milch die ihr innewohnenden
bakteriziden Eigenschaften bald verliert Hierbei ist des Umstandes
Erwähnung zu tun, daß die Milch zirka 5 Stunden nach der Ge-
winnung, selbst wenn sie nicht gekühlt wird, eine nur geringe
Bakterienentwicklung zeigt, erst wenn die bakteriziden Eigenschaften
der Milch verloren gegangen sind, beginnt ungehindert eine Bakterien*
Vegetation in derselben. Gerade die in der frischen Milch ent*
haltenen Antitoxine sind bei Bluttemperatur am wirksamsten,
weshalb man z. B. der kuhwarmen Milch zur Heilung mancher
Krankheiten, wie der Barlowscben Krankheit, nicht entraten kann.
Keine Frage dürfte in der Neuzeit so viele sich wider¬
sprechende Ansichten gezeitigt haben als die: „Ist die Milch ab¬
zukochen, iu sterilisieren oder zu pasteurisieren?“ Die Furcht vor
dem Tuberkelbazillus hatte allgemein die Forderung entstehen
lassen, keine Milch ungekocht zu genießen, sondern dieselbe stets
vor dem Gebrauch zu erhitzen. Demgegenüber wird geltend
gemacht, daß die Milch durch den Erhitzungsprozeß Umsetzungen
erfahre, welche die Eiweißverdauung erschweren und die Milch
ihrer natürlichen Schutzstoffe beraube. Die Ansichten, welcher
Nachteil der schwerere sei, sind heute noch verschieden,
von Behring und seine Schüler Römer und Much glaubten
einen Ausweg aus diesem Dilemma darin gefunden zu haben, daß
sie versuchten, dem Organismus Immunkörper gegen Tuberkulose
mit der rohen Kuhmilch zuzuführen. So empfahlen sie die
Formaldehydmilch, später die Perhydrasemilch und die Sufonin-
milch, doch keine hat sich Eingang verschafft. Der Zusatz von
Formaldehyd ist sogar für unzulässig erklärt worden.
Somit dürfte es ratsam erscheinen, den Säuglingen pasteuri¬
sierte Milch zu verabreichen, weil dieses Verfahren den Chemismus
der Milch am wenigsten verändert. Die zur Ernährung Er¬
wachsener bestimmte Milch ist ratsam vor dem Genuß abzukochen.
Wenn auch die Abkochung der Milch keine volle Maßregel be¬
deutet, so ermöglicht sie doch, daß ein großer Teil der vor¬
handenen Keime abgetötet wird. Nicht unerwähnt muß bleiben,
daß die Butter sehr oft, vielleicht häufiger als die Milch, Tuberkel¬
bazillen enthält, so daß vor der Verabreichung von nicht
pasteurisierter Butter wenigstens an kleine Kinder zu warnen ist.
Die marktpolizeiliche Kontrolle der Milch, soweit dieselbe sich
auf die Bestimmung des spezifischen Gewichtes und des Fett¬
gehaltes erstreckt, erwähnt der Redner kurz und schließt seinen
Vortrag mit dem Wunsche, daß bei ev. gesetzlicher Regelung der
Milcbkontrolle ein bedeutender Teil der zur Durchführung not¬
wendigen Maßnahmen dem tierärztlichen Wirkungskreise zugewiesen
werden möchten.
Die Anregung des tierärztlichen Vereins in Schleswig-Holstein
ist daher mit Freuden zu begrüßen und Dr. Marschner empfiehlt, I
den Beschlüssen dieses Vereins zuzustimmen bzw. dieselben auch
zu den unseren zu machen.
Alsdann geht der Vortragende zum zweiten Referat über, in¬
dem er ausführt, daß in verschiedenen Großstädten Preußens Ver¬
ordnungen besteben, welche nicht nur eine regelmäßige Beauf¬
sichtigung der Fleischverkaufsstellen anordnen, sondern auch be¬
stimmen, daß die Wurst-, Wild- und Geflügelhandlungen in bestimmten
Zeiträumen durch beamtete Tierärzte revidiert werden. Diese Ver¬
ordnungen sind indessen alle lückenhaft und sie müßten vielmehr
alle auf öffentlichen Märkten bzw. in den Markthallen feilgebotenen
Nahrungsmittel berücksichtigen und der polizeilichen Kontrolle
unterwerfen.
Die „Tierärztliche Gesellschaft zu Berlin“ hat nun auf Grund
eines durch Herrn Polizeitierarzt Borchmann über diesen Gegen¬
stand gehaltenen Vortrages sich dahin schlüssig gemacht, daß sie
nicht nur die Überwachung des Marktverkehrs mit animalen
Nahrungsmitteln durch Tierärzte für nötig erachtet, sondern daß sie
auch die Schaffung eines besonderen Lehrstuhles für animalische
Nahrungsmittelkunde, einschließlich der außerordentlichen Fleisch¬
beschau sowie der Auslandsfleischbeschau an den tierärztlichen
Hochschulen für erforderlich hält.
Wenn wir Tierärzte von den Behörden verlangen, daß wir bei
der vom Staate eingeführten Nahrungsmittelkontrolle nicht nur mit-
wirken, sondern daß wir an erster verantwortlicher Stelle unseren
Platz erhalten, so können die Behörden andererseits beanspruchen,
daß die mit jenen Obliegenheiten zu betrauenden Beamten auch nach
jeder Richtung hin volle Gewähr für das in sie gesetzte Vertrauen
bieten. Nun sind ja zweifelsohne die Tierärzte ganz allgemein auf
Grund ihrer Ausbildung, besonders in der Tierhygiene, der Zoologie,
der Tieranatomie und pathologischen Anatomie und der Fleisch¬
beschau zurzeit die einzigen, welche bei der Einführung jener
animalen Nahrungsmittelkontrolle überhaupt als Sachverständige in
Frage kommen können, aber dasjenige Wissen und diejenige Sach¬
kenntnis, welche für dieses Amt erforderlich sind, bringen unsere
jungen Kollegen von der Hochschule sicherlich nicht mit. Es ist
dies ja bei dem Fehlen eines Kolleges und eines praktischen Kursns
Uber diesen Gegenstand auch nicht zu verlangen, ihnen ergeht ob
ebenso, wie es den vor 20 Jahren approbierten Kollegen mit der
Fleischbeschau ergangen ist. Wer es damals in der Fleischbeschau
und wer es jetzt auf dem Gebiet der Nahrungsmittelhygiene zu
einer Vollkommenheit gebracht hat, hat sich dieselbe nur durch
Selbststudium und durch praktische Erfahrung erwerben können.
Je besser vorgebildet aber ein Sachverständiger ist, um so größere
Bedeutung wird er erlangen und um so höher wird das Vertrauen
sein, das Vorgesetzte sowohl wie Interessenten zu seinem Gutachten
haben und in seine Entscheidungen setzen.
Zwar würde man ja mit der Kontrolle der animalen Nahrungs L
mittel nur ältere Tierärzte, nach Ansicht des Redners nur beamtete
Tierärzte, betrauen, weil mit Recht anzunebmen ist, daß diese eine
gewisse Summe von Erfahrungen für ihr Amt mitbringen.; doch
Erfahrungen kann jemand in einer Sache nur dann sammeln, und
es darin zu einer gewissen Vollkommenheit bringen, wenn er
theoretisch gut vorgebildet ist. Darum ist es ohne Zw'eifel von¬
nöten, daß die für eine ev. Nahrungsmittelkontrolle zu kreierenden
Sachverständigen — das sind nur die Tierärzte — eine entsprechende
Ausbildung in diesem Fache erhalten. Mit dieser Ausbildung könnten
sehr gut die Unterweisungen über die Kontrolle des aus dem Aus¬
lande eingeftihrten Fleisches verbunden werden. Einen besonderen
Lehrstuhl hierfür zu schaffen, hält Redner bei der noch im Entstehen
begriffenen Spezialwissenschaft wenigstens zurzeit für nicht erforder¬
lich, sondern Referent ist der Meinung, daß dieser Zweig dem Lehr¬
auftrage über Fleischbeschau angeglicdert werden müßte. Dies
würde sich an der Tierärztlichen Hochschule in Berlin um so be¬
quemer bewerkstelligen lassen, als dort ja die Fleischbeschau von
der Hygiene abgetrennt und zur selbständigen Disziplin erhoben
worden ist. Hierbei wäre anzustreben, daß die allgemeine
animale Nahrungsmittclkunde Prüfungsgegenstand im Approbations-
Examen wird.
Es empfiehlt Dr. Marschner dem Verein die Annahme folgender
Resolution:
1. Der Verein schlesischer Tierärzte hält es für wünschenswert,
daß mit Rücksicht auf eine zur Einführung gelangende staat¬
liche Kontrolle der animalen Nahrungsmittel Unterweisungen
über diesen Wissenszweig an den tierärztlichen Hochschulen
stattfinden; die Vorlesungen und praktischen Übungen könnten
dem Lehrstuhl für Fleischbeschau angeschlossen werden.
2. Bei der Prüfuug zum Zwecke Erlangung der Approbation
als Tierarzt wäre die animale Nahrungsmittelkunde als
Prüfungsgegenstand der Fleischbeschau anzugliedern.
Die Resolution wird von dem Verein einstimmig angenommen.
Nunmehr erhielt Herr Kreistierarzt Bischoff aus Ratibor von
dem Vorsitzenden das Wort zu Punkt 2b der Tagesordnung:
Über tierärztliche Geburtshilfe.
Ein volkstümlicher Vortrag in Wort und Bild, zur
Bekämpfung des Kurpfuschertums.
In diesem Vortrage führt Referent zunächst aus, daß in dem
Kampfe gegen das überhandnehmende Kurpfuschertum bisher keine
Erfolge zu verzeichnen seien, daß dasselbe von nun ab unter staat¬
licher Aufsicht weiter existieren werde. Die Tierärzte seien also
auf Selbsthilfe angewiesen. In einem seiner früheren Referate über
„das praktische Jahr“ habe Redner darauf hingewieBen, daß er¬
höhte Leistungen auf dem kurativen Felde der Tierheilkunde am
besten geeignet sein würden, die Pfuscher zurückzudrängen. Ein
anderes Hilfsmittel erblicke er in Abhaltung von Vorträgen in
24. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
967
landwirtschaftlichen Vereinen. In diesen seien die intelligentesten
und leistungsfähigsten Tierbesitzer zusammengeschlossen. Hier
mUBse diesen gezeigt werden, was die Tierärzte zu leisten imstande
seien, wie sie ihnen tatsächlich helfen könnten, wenn rechtzeitig
ihre Hilfe beansprucht würde; es muß ferner dem Landwirt über¬
zeugend dargetan werden, wie er es nicht machen soll und daß
alle Quacksalberei, Bücherbehandlung und alles Kurpfuschertum
ihm nicht in dem Maße helfen können, wie dies einem tüchtigen
Tierarzt möglich sei. Nun ging Referent näher auf oben genanntes
Thema als Beispiel für derartige Vorträge ein, indem er von der
Beschreibung des normalen Geburtsaktes ausging. An der Hand
von verschiedenen Wandtafeln mit Abbildungen anormaler Lagen
des Fötus und mit Hilfe eines Phantoms erläutert Redner in für
Laien leichtverständlichen, gemeinfaßlichen Worten die erste Hilfe
in derartigen Fällen, Boweit solche Hilfe von Laien ohne Gefahr
für das Neugeborene sowohl als auch für das Muttertier ausgeführt
werden kann. Er warnt vor Eingriffen roher Gewalt, schildert
deren schädigenden Folgen und hebt die Fälle hervor, in welchen
die Hilfe eines Tierarztes beansprucht werden soll.
Folgende vom Referenten dem Verein vorgeschlagene Resolution
fand einstimmige Annahme:
1. Der Verein schlesischer Tierärzte beklagt lebhaft, daß in
tierärztlichen Kreisen so wenig mit Erfolg gegen die Kur¬
pfuscherei getan wird.
2. Neben erhöhten Leistungen auf kurativem Gebiete sieht der
Verein in Vorträgen in landwirtschaftlichen Vereinen, welche
das tierärztliche Wissen in allgemeinen Umrissen zeigen und
dem Landwirt überzeugend dartun sollen, wie er es nicht
machen soll, um sich vor Schaden zu schützen, ein wirk¬
sames Bekämpfungsmittel gegen das Kurpfuschertum.
3. Der Verein empfiehlt daher die Entfaltung einer rührigen
Betätigung in landwirtschaftlichen Vereinen auf diesem Ge¬
biete zum Schutze tierärztlicher Interessen.
Hierauf Punkt 2c anschließend, demonstriert Herr Kreistierarzt
Pflanz ans Kreuzburg ein von ihm neu konstruiertes Instrument,
um bei Schwergeburten leicht und schnell erfprderliche Stricke an¬
zulegen. Das Instrument ist von der Firma H. Hauptner-Berlin
zu beziehen und dürfte vielen Praktikern willkommen sein, denn
es vervollkommnet unser geburtshilfliches Instrumentarium.
Alsdann erbittet Herr Depart-Tierarzt Veterinärrat Bermbach
aus Oppeln vom Vorsitzenden das Wort und stellt nachstehenden
Antrag:
Der Verein Schlesischer Tierärzte wolle beschließen, folgende
Schritte zu unternehmen:
I. Bei der Zentralvertretung der tierärztlichen Vereine Preußens
dahin zu wirken, daß
a) baldigst Tierärztekammem gebildet werden, die aus den Ver¬
tretern sämtlicher tierärztlichen Gruppen nach dem Verhältnis
ihrer numerischen Stärke zusammengesetzt sein sollen und
vor allen wichtigeren Neuerungen auf dem Gebiete des
Veterinärwesens gutachtlich zu hören sind;*)
b) die veraltete Taxe von 1815, wie dies bei den Ärzten und
Zahnärzten schon seit Jahren geschehen ist, bald durch eine
neue, den heutigen Verhältnissen Rechnung tragende Taxe
ersetzt werde;
c) auf dem Wege der Ausführungsbestimmungen unzweideutig
zum Ausdruck gebracht werden möge, daß die Tierärzte bei
der Neubesetzung von Fleischbeschauerstellen in erster
Linie zu berücksichtigen sind;
d) verdienten älteren Privat- und Schlachthaustierärzten eben¬
falls der Titel „Veterinärrat“ verliehen werden möge;
e) durch Anstellung zuverlässiger Ermittelungen über die Ver¬
hältnisse der einzelnen Schlachthaustierarztstellen, deren
Ergebnis zu veröffentlichen und den Interessenten jederzeit
zugänglich zu machen ist, Unterlagen zur Einleitung der
*) Der Antrag ist in der Vereinssitzung am 30. Mai d. J., also
noch vor der Veröffentlichung des Artikels von Schmaltz über
die Notwendigkeit der Bildung von Tierärztekammem (S. 433
B. T. W.), gestellt
nötigen Schritte behufs Verbesserung der Stellung der
Scblacbthoftierärzte gewonnen werden;
f) den Kreistierärzten durch die Verleihung des Ranges der
Räte V. Klasse und den Departementstierärzten durch die
Ernennung zu Regierungs- und Veterinärräten eine ihrer
dienstlichen Tätigkeit und der Bedeutung des staatlichen
Veterinärwesens entsprechende Stellung eingeräumt werde.*)
II. Obige Beschlüsse nicht nur der tierärztlichen Zentralver-
tretung, sondern auch sämtlichen übrigen tierärztlichen Vereinen
mit der Bitte um gleichartiges Vorgehen bekannt zu geben.
Mit Rücksicht auf die bereits vorgerückte Zeit der Sitzung
wurde von einer eingehenden Besprechung und Begründung seitens
Antragstellers sowie einer allgemeinen Diskussion über den Antrag
Abstand genommen, der Antrag selbst aber als Hauptberatungs¬
gegenstand auf die nächste Tagesordnung angenommen, wobei
namentlich der Umstand maßgebend war, daß den diesmal nicht
anwesenden Vereinsmitgliedem Gelegenheit geboten werden sollte,
sich auch zu den Anträgen, von denen sie jetzt keine Kenntnis
hätten, zu äußern.
Mit dem Dank der Versammlung schloß der Vorsitzende die
Vorträge und Ausführungen der Herren Redner sowie die Sitzung
selbst gegen 2Va Uhr.
Ein gemeinsames Mittagsmahl mit Beteiligung einer Anzahl
von Damen vereinigte noch die meisten Versammlungsbesucher im
Kammermusiksaal des Konzerthauses.
Der Vorstand.
I. A.: Ri eck, I. Vorsitzender.
ßücheranzeigen und Kritiken.
Neue Eingänge. (Besprechung Vorbehalten.)
Prof. Emil Abderhalden, Neuere Ergebnisse auf dem Gebiete
der speziellen Eiweißchemie. Gustav Fischer, Jena 1909.
Dr. R. Abel, Geh. Medizinalrat, und Prof. Dr. M. Ficker, Ein¬
fache Hilfsmittel zur Ausführung bakteriologischer Unter¬
suchungen. Zweite Auflage. Kurt Kabitzsch (A. Stübers Verlag)
Würzburg 1909. Preis 1,20 M.
Dr. C. Nörner, Praktische Schweinezucht Ein Hand- und
Lehrbuch für Landwirte und Tierärzte. Zweite, völlig umgearbeitete
und vermehrte Auflage mit 112 in den Text gedruckten Abbildungen.
J. Neuroann, Neudamm 1909.
Fritz Zahn, Schlachthofdirektor, Der Nährwert der Milch, ihre
zweckmäßige Behandlung un'd Verwendung im Haushalt nebst
einem Merkblatt für Säuglingsernährung. Heidelberger Verlags¬
anstalt «nd Druckerei (Hörning & Berkenbach), Heidelberg 1908.
Internationales Centralblatt für die gesamte Tnberknlose-
Forschung. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrten des In« und
Auslandes, herausgegeben von Prof. Dr. L. Brauer, Prof. Dr. Oskar de
la Camp und Dr. G. Schröder. III. Jahrg., Nr. 1. Curt Kabitzsch
(A. Stübers Verlag), Würzburg 1908.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und spezifischen
Tuberkuloseforschung. Herausgegeben von Prof. Dr. L. Brauer.
Band XI., Heft 1. Shingu, Beiträge zur Physiologie des künst¬
lichen Pneumothorax und seiner Wirkung auf die Lungen¬
tuberkulose. Mit 6 lithographierten Tafeln. Eber, Experimentelle
Übertragung der Tuberkulose vom Menschen auf das Rind.
(Dritte Mitteilung). Much, Granula und Splitter. Wlrths, Die
Machschen „Granula“ und die Cor Spenglerschen „Splitter 44 .
Curt Kabitzsch (A. Stübers Verlag). Würzburg 1908. Einzelpreis 5,50 M.
Zeitschrift für wissenschaftliche und praktische Veterinär-
medizin, herausgegeben von dem Veterinärinstitut zu Jurjew (Dorpat)
Bd. H, Liefg. 1. 1908.
La Macellazione ed ilConsumo Carneo in Roma. Negli anni
1906—1907.
Sleeping Sickness Bureau« Bulletin Nr. 1, 1908. London 1906.
O. Fuhrmann, Die Cestoden der Vögel. Suplement 10, Heft 1 der
von Prof. Dr. Spengel herausgegebenen zoologischen Jahrbücher. Jena,
Verlag von Gustav Fischer. 232 Seiten, Preis 8 M.
Das vorliegende Werk ist nicht eine einfache Zusammenstellung der
Literatur, sondern das Ergebnis elfjähriger eigener Untersuchungen des
Verfassers über alle bei den Vögeln vorkommenden Cestoden. Sehr
beachtenswert ist hierbei die Feststellnng, daß eine bestimmte
Taenion-Art immer nur in einer bestimmten Vogelgruppe
vorkommt und für dieselbe typisch ist. ■■
Das Werk gliedert sich in einen allgemeinen Teil, welchem
Bemerkungen über die Cestoden der verschiedenen Vogelgruppen sowie
über die geographische Verbreitung der Vogel-Cestoden beigegeben sind
und in einem sehr umfangreichen systematischen Teil. Ein alpha¬
betisches Verzeichnis der Familien, Genera und Arten sowie ihrer
*) Der Antrag wegen der Verleihung der V. Rangklasse an
die Kreistierärzte ist inzwischen infolge Einspruchs des stell¬
vertretenden Vorsitzenden des Vereins beamteter Tierärzte zurück¬
gezogen worden.
mn
BERLINER TIERÄRZTLICHE W0 CHENSGHRIFT.
No. 52.
Äytiooynife' tfiad -rein mnfaai^reirti«'»' Literaturverzeichnis beschließt. das
Bach. Bei dem anerkanuiep Rufe, den der genannte Verfasser als
Cestoden-Forscher genießt, empfiehlt sich das werk von selbst. Auch
dfefi, tietärtrtfeclteft InstJtuteü des ln- und Auslandes dürfte es in
jtokunft £ein .wertvolles Hilfsmittel bei. der Bestimmung der Vogel-
Ceatodeh werden. * Knuth.
~' r - Report öf th'« kovernmenfU vetCrlhary bacteriologist. 1906—1907.
PnWöria» .im> i
In .dein yorliegendcn Jahresbericht gibt der Direktor des Ticrärzt-
licheit 'Regiernngs-Liiboratorinms in Pretoria Dr. A. Theiles unter
öfldeteta ^ine übertiefrt ictier seine.experimentellen Studien, welche das
Piroplasma onutans, die Unterschiede zwischen englicliem und südafrika¬
nischem Reil water, al6 Übertragbarkeit des Ostküstenfiebers mittelst
Zecken; ate RfcSultnte d^r Pferdesterbeimpfungen in der Praxis, ole
Impfungen gegen die Pferdepiroplasmose, die Blue tongue, die Unter¬
suchungen über <fie ( Gouw-Z1ckte und die Stiff-Sickness oder Three days
i fnÄessK betreffeil. :
- ‘ Die uibfangreiohefi Versuche sind vom Verfasser ebenso wie in den
früheren Jahren mit großer Sorgfalt beschrieben worden. Über die
Etiizeilieiteiv und die gCwönmnien Resultate muß im Original nachgelcsen
iw^fden. .Denr Berieht beweist «*iufB neue, daß die Tätigkeit Dr. Theiles
ftr. die. Xierfteuchenbehämpfung in Transvaal nnd Südafrika überhaupt
eine seiir .erfolgreiche gewesen ist.
'• ; AüA deiti Vei*w:dt\itighberioht des Laboratoriums dürfte noch inte-
4 $fftieren, daß l>r.iTheiles i,m laufenden Jchrc über einen Etat von
620000 M. verfügte. Beachtenswert ist hierbei, daß das Laboratorium einen
bedeutenden Teil der Ausgaben durch Einnahmen aus dem Verkauf von
Pbckenlymphe'Und ^eryehiedjBner Serumarten zu decken verstanden hat.
,,J>r# K-unibert Möller,, Bestimmungen des Gewichtes des
^ItgCrts lind foartnes bei mageren, mittelfetten nnd fetten
Tieren und Gewichtsbestimmungen des Magen- und Darm-
inh-altes, ..soweit di.e letzte Fütterung bekannt ist. Verlags-
Bucnhanalühg vün' Richard Schöetz, Berlin. Preis 80 1 f.
^ ; Tlis<rBdnkdletufbr‘ für Fleischbeschauer und Trichinen¬
schau er. Neunter Jahrgang. 1909. Herausgegeben vom Geh. Medi¬
zinalrat Professor Dr. A. Johne. Mit einem auswechselbaren Taschen¬
tagebuch nach amtlicher Vorschrift. Verlagsbuchhandlung Paul Parey.
Berlin 1909. Preis gebunden 2,23 M.
Professor Antonio Pirocchi, La Razza ovina d! Karakul. Proposta
d’importarla in Italia per una prova di acclimamento c d’incrocio. Rela-
zione al consiglio zootecnico (Sessione ordiuaria del 1908). Roma 1908.
Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte.
Heft 9, lguSfrrD^^fWterlqnf-Beitrag zur Frage der Hchnell-
diagnose tTßYThb er k‘u lo s e inr Ti er verbuch. - Dr. F. Dieterlen,
Beitrag zur....Fnagö - der Infektions wege. — Regierungsrat
Dr. C. Tltze, Ausscheiden von Tuberkclbakillen mit der Kuh-
wriflli wamh intravenöser Injektion menschlicher Tuberkel-
bazillah. o— Regjerüugsriit Dr. C. Tltze und Dr. O. Weidanz, Iri-
friktianä-vcfrsKcIrö air Hunden mit Tuborkelbazillen des
Typus boVinira üntb Tubevkelbazillen des Typus humanus. —
Regienmgsrat • Dr. A. Weber, Regierungsrat Dr. Tltze und Dr. O. Weidanz,
Über Papageien- und Kanaricnvagel-Tuberkulose. —■ Re-
fefenmgsrfct Dr, A.'Weber ;tind Regierungsrat Dr. Tltze, Die Immuni¬
sierung *der vRIjrder gegen Tuberkulose. II. Mitteilung. — Re-
girrungarat Dr. A. Weber, Geheimer Regierungsrat Prof. Dr. Schflzt,
Regierungsrat Dr. Tltze und Dr. Holland, Versuche über die Halt-
bnr^eit dfe c be huf» -I tivtinnis iemirg ein ge spritzten mens.ch-
Itcheii'Tübexfcelbazil 1 en- ira Körper des Rindes. (Vorlag von
Springer in Berlin.)
Neünter Internationaler Tierärztlicher Kongreß im Haag. 13.—19.
September 1909 Ndtional-Komitees, Verhandlungsgegenstände usw. Nr. ri
1 c;. Dr. H^Markus, BiJdrageTot de Kennis Der Torsio Ventricul.
By den-Hnhd.' fMcdedeöling uit liet Pathologisch lnstitunt van’B Rijkes
eiwartHeiiyscböol.] (Overihnk nit het Tijdachrift voor „Vceartscniykmido“,
deel 36 atlevering 1.)
Magyar Klnalyi Ailatbrvasi Fftiskola Evkönyve az 19«»7 , i908.
Taaevröl ) Atf iifteCet FenniBüänak GXXI., Mint Föciskolänak IX. Eve)
Budapest 1008. r * i ^. T ' rr.
f •.* ftepott' öf the Government Veterihary Bacteriologist 1906 -1907
Pretoria diföft.’i i r--
Profi Dn . L.e Edlnger und Prof. Dr. Ed. Clapartde, Über Tler-
risycfralögfe. ZwleiiVorträge. M;t 16 Abbildungen. Inhalt: Edinger:
.Die Beziehungen del* vergleichenden Anatomie zur vergleichenden
J>SiVcHbtdg*ei Neue Aufgaben^ CIaparede: Die Methoden der tier-
paychoiogisfcheh' lieobne jungen nnd Vtrsnehe. Johann Ambrosius Barth,
Letoalg 1909v Preis ^ Al.
H. Kurtzwig, über Peridentitls (Periostitis alveolarls) beim Pferde,
imit besonderer Berücksichtigung drr Erkrankung des M, im Unterkiefer.
Mit 15 Abbildungen auf Tafel I—IV. (Inaugural-Diss. der verein, ined.
Fakultät Gießen.) .
•; Sohdetabdrnck. aas „Mönatshcfte für praktische Tierheilkunde“,
XX.Ufcmd. Union^ Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1908.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und spezifischen Tuberkulose-
forscJuing. Bd. XI, Heft. 2: Römer, Spezifische Überempfindlichkeit
mM-TntocihutoseimumnitäL Mit 1 Tafel. — Cohn, über die durch
Romplemonrbindungnaebweisbareo Tuberkulose-Antikörper im Blute von
Phthiuikernv — Meißen, Tnbeikulöse Infektion und tuberkulöse Er¬
krankung. - Schröder, über das Vorkommen von Perlsnclitbazillen
im Sputum der Phthisiker und ihre Bedeutung für die Therapio der
chronischc<ii Lungentuberkulose. j — Tcndelor, Die Bedeutung der
Atmungsgrößo tür die Entstehung und die Ausdehnung bzw. Heilung
der Lungentuberkulose. — Roepke, Die diagnostische und prognostische
Bedeutung der Konjimktivalreaktioiu Curt Kabitzsch (A. Stübers Verlag).
Würzlmrg 1908. Preis 5,50
G. Zuelzcr, in Gemeinschaft mit Max Dohrn und Anton Marxer y
Spezifische Anregung der Darmperfstaltik durch intravenöse Injektion
dos ..Peristaltik-Hormons“ fSondcrabdruck aus der Berliner klinischen
Wdcnenschrift 1908, Nr. 46).
Verwaltungsbericht Aber den städtischen Vieh- und Schlichthol
zu Zwickau auf das Jahr 1907. (Sonderabdruck aus dem Verwaltungs¬
bericht. der Stadt Zwickau.) Zwickau 1908;
Stabsarzt Dr. Walter Guttmann, Medizinische Terminologie. Ab¬
leitung und Erklärung der gebräuchlichsten Fachausdrücke aller Zweige
der Medizin und ihrer Hilfswissenschaften. Dritte nmgearbeitete und
erweiterte Anfrage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1909.
Preis gebunden 18 M.
Tierärztlicher Taschenkalender für 1909. Bearbeitet und heraus¬
gegeben von Hofrat Professor Dr. M. Albrecht und K. Bezirkstierarzt
H. Bürchner XIII. Jahrgang, 3 Teile. CI. Attenkofersche Buchhandlung,
Straubing.
Personalien.
Auszeichnungen: Es wurde verliehen den Stabsveterinären Paul
Klingberg im Feldart.-Regt. Nr. 2 und Karl Aulich im Feldart.-Regt.
Nr. 6 der Königl. Kronenorden vierter Klasse.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Dr. Walter Rogge-
DelmenborBt zum Assistenten an der medizinischen Klinik und
Dr: T’ÄMroM'sfo-Königsberg i. Pr. zum wissenschaftlichen Hilfsarbeiter
am Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule in Berlin,
Dr. Paul Aro^s-Dresden zum Assistenten am Pathologischen Institut
der Tierärztlichen Hochschule Dresden. — Veterinärbeamte:
Bezirkstierarzt Dr. Hermann Männer - Karlsruhe zum veterinär¬
technischen Hilfsarbeiter beim Ministerium des Innern, Gr. Bezirks¬
tierarzt August Anz-Stockach (Baden) .etatsmäßig angestellt. Dem
Leiter der Auslandfleischbeschaustelle und Assistenten am bakterio¬
logisch-hygienischen Institut der Universität Straßburg Dr. Max
Müller wurde der Titel Kreistierarzt verliehen. — Schlachthof¬
verwaltung: Oberveterinär Nikolaus «Sc^arx-Aschaffenburg zum
Schlachthoftierarzt in Frankfurt a. M.
Niederlassungen: Dr. Münieh jr. in Straubing, Emil Ruitmann
in Zwiesel, Dr. Arte^er-Reisbach als Vertreter des Distriktstierarztes
Wirthl in Gangkofen, Tierarzt Helmar Dun in Bahnhof-Hösbach
bei Aschaffenburg (nicht in Aschaffenburg, wie in Nr. 50 irrtümlich
angegeben. — Verzogen: Die Tierärzte Hans Ebert- Hof nach
Schwarzach (Niederbayern), Heinrich Müller von Buchen nach
Grünsfeld, Friedrich Rütger von Freiburg nach Nürnberg, Dr. Frilx
Eichacker von Heidelberg nach Stuttgart.
Examina: Promoviert: Die Tierärzte Karl Dammkahn in
Wittenberg, Emü Honigmann in Cönnern, Franx Lerne aus Geseke,
Christian Mühlenbruch aus Othfresen, Carl Stern in Grünberg
(Hessen), Kurt Weineck aus Erfurt zum Dr. med. vet. in Gießen;
Alfred Zschiesche aus Breslau zum Dr. phil. in Rostock;
Hermann Müller in Herbede (Westfalen) zam Dr. med. vet. in Bern.
— Approbiert: Die Herren Emst Schaele aus Bärwalde, August
Theis aus Mainz, Heinrich Buschbaum aus Hambergen bei Bremen,
Karl Boemer aus Greußen (Thüringen), Wilhelm Schmidt ans Darm¬
stadt, Hermann Buttron aus Hungen (Oberhessen), Jacob Roßkopf
aus Sauer-Schwabenheim in Gießen; Friedrich Neubert aus Bernburg,
Ludwig Krieger aus Reisbach, Julius Siehring aus Mannheim, Paul
Lange ans Bnnzlau in Hannover; Ruppert Seidl ans Erding in
München, Franx Orucxa aus Peiskretscham, Gustav Lewek aus Oels
(Schlesien), Michael Ruthenberg aus Angermünde in Dresden.
In der Armee: Preußen: Versetzt: Die Unterveterinäre Melxer
im Hus.-Regt. Nr. 18 zum Feldart.-Regt. Nr. 30, Otto im Feldart.-
Regt. Nr. 1 und Fröhlich im Hus.-Regt. Nr. 5 gegenseitig; letzterer*
unter Belassung in dem Kommando zur Militär-Lehrschmiede in
Berlin. — Verabschiedet: Oberveterinär Quba im Feldart-Regt.
Nr. 8. Im Beurlaubtenstande: Befördert: Oberveterinär der
Landwehr 1. Aufgebots Ehrhardt (Bez.-Kdo. Stendal) zum Stabs¬
veterinär. Die Unterveterinäre der Reserve Schulx (Bez.-Kdo.
NeuhaldenSleben) [Garde], Dunkel (Bez.-Kdo. I, Bochum), Retxgen
(Bez.-Kdo. Hagen [Garde], Braun (Bez.-Kdo. Detmold).
Vakanzen. (Vgi. Nr. 49 .)
Schlachthofstellen: Stargard i. Pomm. Assistenztierarzt zum
1. Februar 1909. Gehalt 1800 M., freie möblierte Wohnung nsw.
Meldnngen an Herrn Schlachthofdirektor Zahl.
Verantwortlich ftlr den Inhalt (exkl. Inseratenteil); Prof. Dr. Schmalta in Berlin.'— Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Srboets in Berlin. —
Druck ron W. Bftxenstcln, Berlin.
Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift* 4 eraohelnt
wöchentlich im Verlage von Richard Schoetz in
Berlin SW. 48, Wilhelmatr. 10. Durch jedes deutsche
Postamt wird dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljähr¬
lich (M. 4,88 für die Wochenschrift, 12 P£ für Bestellgeld)
frei ins Haus geliefert (Österreichische Post-Zeitunga-
Preisliate Nr. 674. Ungarische Nr. 85.)
Berliner
Originalbeiträge werden mit 60 Hk., in Petitsatz mit
00 Hk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte,
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man
zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, Tierärzt¬
liche Hochschule. NW., Luisenstra&e 68. Korrekturen,
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die
Verlagsbuchhandlung.
Tierärztliche Wochenschrift
Professor Glage Veterinärrat Dr. Lothe«
Hamburg. Departements-T. in Cöln.
Med.-Rat Dr. Boeder
Professor in Dresden.
Redaktion:
Professor Dr. Schmaltz-Berlin
Verantwortlicher Redakteur.
Professor Dr. Peter
Staatstierarzt für Hamburg.
Veterinärrat Peters
Departements-T. in Bromberg.
Dr. Schlegel
Professor in Freibnrg.
Dr. J. Schmidt
Professor in Dresden.
Ober-Reg.-Rat Dr. Vogel
Landestierarzt in München.
Dr. Richter
Professor in Dresden.
Helfer
Schlachth.-Direktor in Mülhausen L E.
Dr. H. Sieber
am Tropeniustitut in Hamburg.
Veterinärrat Preuße
Departements-T. in Danzig.
Wehrte Zilndel
Kais. Rogierungsrat in Berlin. Kreistierarzt in Mülhausen L E.
Dr. Stödter Dr. Zimmermann
Stadt-Tierarzt in Hamborg. Dozent in Budapest
Jahrgang 1908. 53 . Ausgegeben am 31. Dezember.
Inhalt: Nielsen: Eine neue Euterseuche in Schleswig-Holstein. — Dexler: Die Schreekziegen oder Fainting goats. —
Hohmann: Über das Koppen der Pferde und ein Instrument dasselbe zu verhüten. — Piorkowski: Antiformin. —
Holterbach: Mitteilungen aus der Praxis. — Becher: Weitere günstige Impfergebnisse mit Suptol-Burow. —
Zum Artikel „Kälberruhrimpfungen von Dr. Goldbeck“. — Referate: Okholm: Filaria papillosa im Auge des Pferdes.
— Fayot und Gas send: Über den Widerstandsgrad der Magen Wandungen des Pferdes gegen den Luftdruck. — Edelmann:
Mitteilungen aus den Berichten der sächsischen Bezirkstierärzte. — Pincemin: Puerperale Pyämie bei der Stute. — Neven:
Cystoide Hodendejreneration. — Dammann und Hasenkamp: Einiges über Tollwut — Dammann: Versuche der Immuni¬
sierung von Rindern gegen Tuberkulose nach dem Behringschen Verfahren. — Rühm: Zur Frage der Pathogenität der
Streptococcenmilch. — Fölger: Über lokale Eosinophilie (Gewebseosinophilie) bei zooparasitären Leiden. — Ostertag: Die
Bekämpfung der Schafräude. — Tageageschlchte: Mascb: Selbsthilfe gegen die veraltete tierärztliche Taxe. — Uhlmann:
Berufs-überfüllung. — Unterstützungsverein für Tierärzte. — Eröffnung des Kolonialinstituts. — Zur Geschichte der inter¬
nationalen tierärztlichen Kongresse. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen.
Eine neue Euterseuche in Schleswig-Holstein.
Von Tierarzt Nielsen-Tondern.
Eine ansteckende Enterentzündung, die man in den mir zur
Verfügung stehenden Lehrbüchern wenig oder gar nicht beschrieben
findet, herrscht seit einigen Jahren hier in der Umgegend von
Tondem unter den trocken stehenden Kühen, die auf die
Weide gehen. Die Euterseuche verursacht großen Schaden.
Wohl sterben nicht Hunderte oder 20—50% von den erkrankten
Kühen, wie Glage nach einer Zeitungsnotiz in Nr. 47 derB.T.W.
angibt, aber die betroffenen Kühe leiden unter der Krankheit
sehr, magern ab und das betroffene — resp. die betroffenen —
Enterviertel sind bei dieser Euterentzündung immer unrettbar
verloren. Die Ursache dieser Euterentzündung ist in einer
Mischinfektion von Pyogenesbazillen nnd anderen Mastitidis-
bazillen zu suchen. Die Verbreiter sind sicher in den meisten
Fällen Fliegen und andere Insekten. Ist der Vorsommer
sehr warm nnd trocken, dann tritt die Seuche im verstärkten
Grade auf.
Klinische Symptome: Bei den infizierten Kühen beginnt
gewöhnlich die Zitze des betroffenen Enterviertels anzuschwellen.
Am zweiten Tage hat sich schon eine ausgeprägte parenchy¬
matöse, bzw. interstitielle Euterentzündung eingefunden. Das
betroffene Euterviertel schwillt an. Es wird hart und ist ver¬
mehrt warm. Ans dem entzündeten Euterviertel kann man eine
übelriechende, grau-gelbe, anfangs dünnflüssige, späterhin
dickflüssige Masse melken. Der üble Geruch rührt sicher von
Pyogenesbazillen her. In anderen Fällen — nach meiner Be¬
obachtung die schlimmsten Fälle — melkt man in geringer
Menge aus dem kranken Euterviertel eine übelriechende, wasser¬
ähnliche Flüssigkeit, die mitunter mit Blut vermengt ist. Die
betroffene Kuh hat hohes Fieber bis zu 42°. Die Freßlust ist
sehr vermindert. Herzschlag und Puls sind in den meisten
Fällen wenig alteriert. Wird keine sorgfältige Behandlung
sofort eingeleitet, bekommen die Kühe in wenigen Tagen ein
sehr schlechtes Aussehen nnd magern stark ab. Bei geeigneter
Behandlung kann die Krankheit in 10, 14—20 Tagen in Heilung
übergehen. Oft wird der Verlauf chronisch und kann monate¬
lang dauern. In den schlimmsten Fällen tritt dann Herz¬
schwäche hinzu, und geht das Tier zugrunde. Bei eingetretener
Heilung atrophiert das betreffende Euterviertel. Tragende
Kühe verwerfen oft das Kalb. Dann tritt häufig eine eitrige
Gebärmutterentzündung hinzu, die stets tödlich verläuft. Auch
Lungen- und Nierenentzündungen habe ich infolge dieser Euter¬
entzündung gesehen. Die Krankheit greift anfangs gewöhnlich
nur ein Euterviertel an, doch können nach und nach alle 4 Euter¬
viertel angegriffen werden, so daß die Kuh nach eingetretener
Geburt überhaupt keine Milch gibt. Bei einigen Kühen scbwelleh
die Hinterbeine an. Es rührt diese Anschwellung meiner Ansicht
nach von kleinen Wanden her, die mit dem Sekret des kranken
Euters infiziert werden. Der Gang wird dann steif und schwer¬
fällig, nnd liegen diese Kühe fast ausschließlich. Graskühe
werden am besten sofort verkauft, so sie einigermaßen in gutem
Nährzustande sich befinden. Tragende Kühe müssen in Behand¬
lung genommen werden nnd zwar gleich zu Anfang. Außer
Borwasserinjektionen, habe ich auch Injektionen von schwachen
Jodlösungen — Tinct. Jod. 100,0 zu Spiritus 1000,0 täglich
70—100,0 ins Euter injiziert — angewandt nnd gute Erfolge er¬
zielt. Ich wende außer Einreibungen von Jodvasoliment bei
sehr großem Schmerz Einreibungen von schmerzlindernden
Salben an. Bei Anschwellungen der Beine tun feuchte Umschläge
mit Burowscher Mischung gute Dienste. Innerlich gebe ich
Acetanilitt und sterile Bierhefe von Bengen & Co. Nach meiner
Beobachtung leiden bei Anwendung von steriler Bierhefe die
Tiere nicht so sehr. Tritt bei Beginn der Krankheit Herz¬
schwäche ein, gebe ich subkutan oder innerlich Kampfer
in großen Dosen. Zwar wird das Fleisch durch Kampfer un¬
brauchbar, aber das Fleisch ist von euterkranken Tieren, so
Herzschwäche eintritt, doch unbrauchbar, worauf ich den Besitzer
5)70
BERLIN ER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 53.
stets aufmerksam mache. Man läuft daun nicht so leicht Gefahr,
daß der nach dem behandelnden Arzt kommende Beschauer dem
Besitzer einredet, das Fleisch sei deshalb unbrauchbar, weil
dem Tiere Kampfer gegeben sei.
Als Vorbeugungsmittel wendet man verschiedene Insekten
abhaltende Einpinselungen an. Abgesehen davon, daß diese
Einpinselungen bei richtiger Anwendung das Euter und die
Zitze wund machen, so wird der Landmann dessen von selbst
bald müde. Auch Gummibezüge werden zur Vorbeugung an¬
gewandt. Die sind jedoch sehr wenig haltbar und deshalb ein
uns sicheres Vorbeugungsmittel. Hoffentlich werden wir Tier¬
ärzte ein sicheres Vorbeugungsmittel im Laufe der Zeit finden,
damit dieser mit Recht von den Gräsern gefürchteten Seuche
Einhalt getan wird.
Aus dem tierärztlichen Institut der k. k. deutschen Universität
in Prag.)
Die Schreckziegen oder Fainting goats.
Von Prof. H. Dexler.
Gelegentlich der Untersuchungen über die Störungen der
sensoriellen und affektiven Erregbarkeit der Tiere stieß ich
u. a. auf eine Arbeit von White und Plaskett, die für die ein¬
schlägige Kasuistik von besonderer Bedeutung war. Nach diesen
Autoren soll in Nordamerika die Zucht eines Ziegenstammes
betrieben werden, dessen Individuen sich durch eine besonders
hohe Reizempfindlichkeit gegen Schall, Schreck und andere an
sich geringfügigen Anlässe auszeichnen. Diese Ziegen fallen
bei lautem Anrufen steif nieder und bleiben wie bei einer
Strychninvergiftung starr liegen. Die Körpermusknlatur ist
dabei so starr und hart, daß eine passive Beugung der Gelenke
fast unmöglich wird. In einigen Fällen soll die Schreckreaktion
dieser sogenannten Fainting goats so stark gewesen sein, das
sie daran starben.
Da ich mich lebhaft dafür interessierte, hierüber genaueres
zu erfahren, wendete ich mich an den mir befreundeten Assistenten
des pathologischen Institutes der Cornell University in New
York, Dr. J. F. Gudernatsch, der nach Örtlichen Erhebungen
folgenden mir zur Verfügung gestellten Bericht abgab:
In Spring Hill, Maury County, Tennessee wird auf der
E well-Farm ein besonderer Schlag von Ziegen gezogen, der
zur Zeit etwa 70 Köpfe zählt. Man nennt sie „steife“ oder
„nervöse“ Ziegen. Ihre Vorfahren wurden von den Farmbesitzern
Campeil Brown vor beiläufig 7 Jahren aus der benachbarten
Uounty of Marshall erworben und vornehmlich aus 2 besonderen
(iriinden gezüchtet: Einmal als Kuriosität wegen ihres sonder¬
baren Verhaltens; zweitens weil sie gerade infolge dieser
Eigenschaft in den Umzäunungen leichter zu halten waren wie
andere Ziegen. Die Zäune oder Fences sind auf den weiten
Territorien der Ewell-Station nicht immer in tadellosem Zustande
sodaß gewöhnliche Ziegen oft ausbrechen und sich verlaufen.
Bei den „nervösen“ Ziegen pflegt dies nie vorzukommen.
Die „Ohnmachtsziegen“ unterscheiden sich äußerlich kaum
von gewöhnlichen Artgenossen: sie scheinen nur etwas zarter
gebaut zu sein, weil sie ein mittleres Lebendgewicht von
Gu Pfund haben sollen. In ihren Lebensäußerungen weichen
*ie aber von diesen durch den oben erwähnten Zug beträchtlich
ab. Sie sind alle melir oder weniger scheu und in krank¬
hafter Weise schreckhaft: „If these goats are suddenly
surprised or friglitened, they will at once become perfectly rigid,
and in their efforts to escape will fall to the ground. The fit
laste a few seconds and unless the frlght is continued, they will
soon arise and gallop away. Once limbered up they are difflcult
to frighten again into prostration untill they have had a period
of repose.they do not jump fences and are easely
confined within pour fences, as the effort to jump will throw them
into a state of prostration such as you will find fully described in
an article written by White and Plaskett of Nashville.“
Eine Ziege, die von diesen letztgenannten Autoren in deren
Krankenstallungen durch mehrere Monate beobachtet worden
war, kam nach dieser Frist auf die Farm zurück. Durch die
vielen Untersuchungen und Besichtigungen seitens Neugieriger
war das Tier infolge der fortgesetzten Schreckreaktionen so
herabgekommen, daß es ganz marantisch wurde und jämmerlich
schrie. Doch erholte es sich in der Freiheit innerhalb zweier
Wochen völlig.
Nach den vorliegenden Berichten bereiten sich die Muskel¬
kontraktionen allem Anscheine nach über den ganzen Rumpf
aus und sind schmerzhaft, weil die Ziegen das Eintreten der¬
selben durch Unterlassen des Springens zu vermeiden trachten.
Eigentümlich bleibt, daß schon die Sprungbewegung den Krampf
auslösen soll, der reflexartig eintritt und sich wie ein Reflex
bei schnell nach einander vorgenommener Reizfolge bald er¬
schöpft. Auch konsumieren die tonischen Kontraktionen die
Kräfte der Tiere beträchtlich; daß sie aber zum Tode führen,
wissen die Ewell-Farmer nicht zu berichten. Dagegen ist es
nach den vorhandenen, nun von mehreren Seiten erstatteten
Mitteilungen ganz unzweifelhaft, daß sich die Krampfneigung
sicher vererbt und bei Kreuzungen unregelmäßig durchschlägt,
also vermutlich mendelt.
Über die Herkunft dieser Ziegen konnte nichts Sicheres in
Erfahrung gebracht werden. Bekannt war den Ewelleuten nur,
daß sie in Marshall County seit 50—GO Jahren rein gezogen werden.
Aber auch dort scheint man über ihren Ursprung nicht ganz
orientiert zu sein. Jedenfalls handelt es sich nicht um eine
ganz lokale Erscheinung,denn die Farmer berichten weiter, daß
sie neuestens in den Besitz eines hornlosen Ziegenbocks ge¬
langten, der aus Canada eingeführt wurde und einer dort ein¬
geborenen Familie von „stiff goats“ angehörte. Es wäre im
Interesse mehrerer biologischer Fragen sehr wünschenswert,
Exaktes über diese Tiere in Erfahrung zu bringen, da es sich
bei ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach um die Stammesvererbung
von pathologischen oder degenerativen Eigenschaften handelt,
die in eine gewisse Parallele zu stellen wären mit den Sinnes-
8 törungen der Tanzmäuse und albinotischer tauber Tiere.
Ich wende mich mit dieser Skizzierung der vorliegenden
Angaben an die Leserschaft dieser weit verbreiteten Zeitschrift
mit der kollegialen Bitte, im Interesse wissenschaftlicher
Förderung in den eventuell vorhandenen Ziegenzucht treibenden
Kreisen ihrer Einflußsphären Nachschau halten zu wollen, ob
ähnliche Erscheinungen erhoben werden können oder bekannt
geworden sind. Die Publikation eventueller Ergebnisse dieser
Art oder ihre Einsendung an mich würden von den oben er¬
wähnten Gesichtspunkten aus ein sehr wertvolles Material liefern.
31. Dezember 1908.
Über das Koppen der Pferde und ein Instrument
dasselbe zu verhüten.
Von Tierarzt Hohmann- Borken (Bez. Kassel).
Über die Art und Weise, wie der Akt des Koppens bei
dem Pferd sich abspielt, sind die Ansichten der Autoren von
alters her geteilt gewesen und stimmen auch nocli heute nicht
überein.
Im allgemeinen ist zu beachten, daß die Pferde das
Koppen nur nach entsprechender Einübung. der Zunge aus¬
zuführen vermögen und daß die Zunge wesentlich dabei be¬
teiligt ist. Durch wiederholtes, ziemlich rasch aufeinander¬
folgendes Herausstrecken und Wiederzurückziehen der Zunge,
leckenden Bewegungen derselben gegen die Oberlippe, die oberen
Schneidezährie und den harten Gaumen unter wiederholten,
ziemlich rasch sich folgenden nickenden Bewegungen mit dem
Kopf, wird der Akt bei den sog. Freikoppern eingeleitet, welche
koken, ohne die Schneidezähne auf irgendeinen erreichbaren
festen Gegenstand aufzusetzen. Die sog. Krippensetzer drücken
die oberen Schneidezähne fest auf die Krippe oder einen
anderen erreichbaren Gegenstand, beißen nicht selten förmlich
in denselben hinein, fixieren so den Kopf nach vorn und
bringen Kopf und Hals in eine möglichst gestreckte, der An¬
spannung der am vorderen Halsrande gelegenen Muskeln
günstige Lage, dabei füllen sie infolge des Auseinanderweichens
der Schneidezähne und Zurückziehen der Zunge ihre Maulhöhle
mit Luft. Nachdem die Maulhöhle, wie oben beschrieben, unter
spielenden Bewegungen mit der Zunge mit Luft gefüllt und
die Maulspalte geschlossen worden ist, wird der Kehlkopf, sowie
Schlundkopf und Zungengrund durch die langen Kehlmuskeln
(Mm. sterno-thyreoidei, sterno-hyoidei und omo-hyoidei) will¬
kürlich stark nach abwärts gezogen, wobei die Feststellung des
Kopfes und die gestreckte Lage des Kopfes und Halses bei den
Krippensetzern eine starke Kontraktion der oben erwähnten
Muskeln ermöglicht. Dann öifnet das Pferd, ebenfalls willkürlich,
den Verschluß der Maulspalte, sowie den Abschluß der Maul¬
höhle gegen die Rachenhöhle dadurch, daß das velum
palatinum durch die Zusammenziehung der Mm. palatinus und
palato-pharyngeus gehoben wird. In diesem Augenblick stürzt
die in der Maulhöhle angesammelte Luft in die Rachenhöhle
hinein und erzeugt dadurch den Koppenton.
Daß der Vorgang beim Koppen auf diese Weise stattfindet,
und nicht, wie Dieckerhoff glaubte, ein Einatmungsspiel eigen¬
tümlicher Art ist, hat Professor Malkmus durch Untersuchungen
an koppenden Pferden vermittelst eines sinnreich erdachten
971
Pneumographen (vgl. Deutsche tierärztliche Wochenschrift 1903,
Nr. 40) überzeugend nachgewiesen.
Ohne auf die Ansichten anderer Autoren über die Art und
Weise des Zustandekommens des Koppakts des weiteren ein¬
zugehen, der dieselben durch die oben zitierten Untersuchungen
von Malkmus meines Erachtens ziemlich gegenstandslos geworden
sind, will ich die gebräuchlichsten der gegen das Koppen in
Anwendung gebrachten Mittel kurz erwähnen und erörtern.
1. Operation das heißt Durchschneidung beziehungsweise
Resektion der Brustzungen und Brustschildmuskeln nach der
von Dreckerhoff angegebenen Methode: Der Erfolg dieser
Operationen ist nach dem Fröhner-Friedbergerschen Lehr¬
buch der speziellen Pathologie und Therapie nach den zahlreichen
in der preußischen Armee in den Jahren 1897 und 1898 ge¬
machten Erfahrungen, sowie nach den Erfahrungen von Hering,
Bassi, Vogt, Schwendimann u. a. unsicher, indem die
Operation in den meisten Fällen nicht die gewünschte Wirkung
hatte. Auch ich hatte in zwei Fällen mit der Operation nach
Dieckerhoff nicht den gewünschten bzw. nur einen vorüber¬
gehenden Erfolg. Dagegen ist diese Operation in Amerika von
einem dortigen Tierarzt (der Name desselben ist mir entfallen)
bei einem Weidepferd mit Erfolg ausgeführt worden, was um so
bemerkenswerter ist, weil das Mittel, welches meinen Erfahrungen
nach das wirksamste ist, nämlich die modifizierte Günther sehe
Koppröhre, bei Weidepferden nicht in Anwendung gebracht
werden kann. Indessen dürfte bei solchen der Fehler wohl nur
selten sich vorfinden.
Die Koppriemen verschiedener Art und Konstruktion er¬
füllen meines Erachtens alle ihren Zweck nicht, da sie einesfalls
bei routinierten Köppern den Fehler auf die Dauer nicht ver¬
hindern können, andererseits bei längerem Liegen leicht sich
verschieben und dadurch unwirksam werden, weil sie umständ¬
lich in der Anwendung sind und auch durch die andauernde
Kompression venöser Gefäße mit Behinderung der Blutzirkulation,
bzw. durch wiederholte Verletzungen der Haut, welche zu
phlegmonösen Anschwellungen führen können, nachteilig wirken.
3. Einschüchterung durch Strafen hilft gewöhnlich
nicht, da nicht stets Wache zu den Pferden gestellt werden
kann, welche dieselben bei Ausübung der Untugend abstraft.
4. Entfernung aller Gegenstände, auf welche die Pferde
die Schneidezähne aufsetzen können, Zerlegung der Krippe auf
den Erdboden, Beschlagen der Krippe mit Blech, Anbringen von
spitzen Stacheln auf dem Krippenrand: kann zu Verletzungen
führen, ist ein tierquälerisches Mittel, ist meistens sehr umständ¬
lich, hilft meistens nicht auf die Dauer und kann bei den Frei-
koppern überhaupt keinen Erfolg haben.
5. Angestrengte Arbeit und Vermeidung längeren un¬
tätigen Stehens im Stall hat meistens guten Erfolg.
Bei enragierten und routinierten Köppern schlagen gewöhn¬
lich alle angewendeten Mittel fehl. Nur eins vermag das Kop¬
pen wirksam zu verhindern und den Pferden die Lust dazu zu
verleiten, nämlich die Günthersehe Koppröhre. Sie ver¬
hindert mit Sicherheit das Koppen dadurch, daß sie es den
Pferden unmöglich macht, die Maulspalte an den Lippenwinkeln
zu schließen und die Maulhöhle mit Luft anznfüllen, da sie
ausgiebige Bewegungen der Zunge unmöglich macht und ver¬
hindert, daß dieselbe gegen den harten Gaumen gepreßt werden
kann. Das Instrument verhindert nicht nur das gewöhnliche
Koppen (welches ja nach dem bürgerlichen Gesetzbuch alsGewährs-
B ERLIN ER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
972
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 53.
mangel gilt, aber meines Erachtens von keiner so großen Bedeutung
ist, weil es keine besonderen Nachteile im Gefolge hat, weil
ferner die Köpper meist gute und ausdauernde Arbeitspferde
sind), sondern auch dessen unangenehmste Komplikation, näm¬
lich das Abschlucken eines Teils der beim Koppen in die Rachen¬
höhle hineinströmenden Luft, mit darauf folgender, oft sehr
hartnäckiger Windkolik. Ein Teil der in der Rachenhöhle an¬
gesammelten Luft entweicht beim Schluckakt durch die Choanen.
Mehrere auf dem Fehler des Koppens mit Abschlucken von
Luft und konsekutiver starker Windkolik behaftete Pferde
konnte ich durch Anwendung der Koppröhre dauernd • heilen.
Die Röhre wird nur während des Fressens aus dem Maul ent¬
fernt. Nachteilige Folgen sind nicht eingetreten, obgleich
ein Pferd das Instrument schon länger als zwei Jahre
dauernd trägt.
Da routinierte Köpper die Unart trotz Anwendung der
gewöhnlichen Günthersehen Koppröhre praktizierten, habe ich
die letztere modifiziert durch entsprechende Vergrößerung
des Querdurchmessers der Röhre und durch eine einfache Be¬
festigungsvorrichtung derselben vermittelst der seitlichen Halfter¬
ringe.
Interessenten, welche eineKoppröhre zu gebrauchen wünschen,
haben nur anzugeben: 1. Die Entfernung (in Zentimetern) des
Maulwinkels (Lippenwinkels) der einen von dem der andern
Seite quer durch die Maulhöhle gemessen an der Stelle, w r o das
Gebiß auf der Zunge liegt. 2. Die Entfernung des Maulwinkels
(Lippenwinkels) von dem untern seitlichen Halfterring der
gleichen Seite beiderseits. 3. Ob die Röhre für ein kleines,
mittleres oder großes, schweres Pferd bestimmt ist.
Die Firma H. Hauptner fabriziert das Instrument in be¬
kannter, gediegener Ausstattung, je nach Wunsch in einfacher
oder feinerer, für Luxuspferde bestimmter Form, auf Verlangen
mit Kautschuküberzug der Röhre.
Antiformin.
Von Dr. Piorkowski.
Die kürzlich in der Nr. 29 der Berl. kl. Wochenschrift er¬
schienene, in Nr. 44 der B. T. W. referierte Arbeit über Anti¬
formin, von Prof. Dr. Uhlenhuth und Dr. Xylander aus dem
Kaiserlichen Gesundheitsamt, die zu bemerkenswerten Ergeb¬
nissen bezüglich der dort angestellten Versuche geführt hat,
veranlaßt mich, einige kurze Erläuterungen zu dieser Arbeit wie
auch zu diesem Präparat zu geben.
Im November 1902 wurde mir Gelegenheit gegeben, die
Eigenschaften eines Desinfektionsmittels zu untersuchen, das
Antiformin genannt wurde und das seiner reinigenden, bakteri¬
ziden und besonders schleimlösenden Wirkungen wegen, einen
vorteilhaften Eingang in die Gärungsindustrie, namentlich in
das Brauereigewerbe zu gewinnen begann.
Die Firma Hans Knorr hatte ein Patent erworben, das
sich auf ein Reinigungsverfahren für die Gärungsindustrie
gründete und seit 1900 erteilt war. (Patent Nr. 133 895 für
Axel Sjöö und Viktor Törneil.) Danach handelt es sich
um ein Eau de Javelle, d. h. ein Natriumhypochlorid mit
0,32 Proz. nativem Chlor, dem noch 0,32 Proz. Natriumhydrat
beigemengt war. Der Zusatz von Alkalihydrat bewirkte hierbei
eine Anzahl Vorteile, wie namentlich eine gesteigerte Löslichkeit
des Biersteins, eine Desinfektionserhöhung und Unterdrückung
des starken Chlorgeruchs. Ein mir vorgelegtes Gutachten des
Gerichtschemikers Dr. Jeserich vom 8. Dezember 1902 gab
als Analysen-Resultat folgende Zusammensetzung an:
Gesamt-Chlor. 1,6746 Proz.
Wirksames Chlor .... 1,2993 „
Ätznatron. 13,200 r
Total-Natron als Ätznatron . 16,202 r
Schwefelsäure (als Anhydrid) 0,150 „
Eine bereits vorhandene Arbeit von Will konstatierte die
starke Entwicklungshemmung uud Abtötung an obergärigen,
untergärigen und wilden Hefen. Auch Professor Lindner hatte
sich in ähnlichem Sinne ausgesprochen.
Ich ließ mir nun von dem bei Herrn Dr. Jeserich lagern¬
den Vorrat eine Quantität des Antiformins holen* und stellte
eine Anzahl Versuche an, die sich zunächst in der Richtung
obiger Arbeiten bewegte. Wie üblich wurden Glasperlen, Seiden-
fäden usw. mit den verschiedensten Kulturarten imprägniert und
der Einwirkung des Mittels in verschiedenen Verdünnungen
ausgesetzt.
Sowohl sehr resistente Hefearten wie Sarcinen und Schim¬
melpilze konnten in verhältinismäßig kurzer Zeit in der Ent¬
wicklung gehemmt oder abgetötet werden. Weit schneller
spielte sich der Prozeß mit Säurebakterien und Typhusbakterien
ab, wobei noch konstatiert wurde, daß Holz, Gummi und Leder
in den in Betracht kommenden Verdünnungen nicht angegriffen
wurde. Im übrigen war die Wirkung auf die im Antiformin
zustande gebrachte Kombination von Chlor mit Natronhydrat
zurückzuführen.
Durch diese Vorarbeiten, angeregt, wurde im nächsten Jahre
eine Anzahl weiterer Versüche unternommen, indem zur Reti-
nierung der Keime in der Milch, diese mit abgestuften Mengen
Antiformin versetzt wurde, wie auch Mäuse mit 7 2 Proz. Anti¬
formin enthaltender Milch injiziert wurden. Die Ergebnisse
waren nur zum Teil günstige, die Mäuse blieben am Leben.
Weiterhin wurde dann dazu übergegangen, den bei einer
großen Anzahl Tierseuchebakterien, wie Kälberruhr-, Schweine¬
seuche-, Geflügelcholera-Bakterien etc. erzielten Desinfektions¬
erfolgen entsprechend, die Desinfektion im größeren Maßstabe
auszuführen. Im Jahre 1905 wurde eine Anzahl größerer
praktischer Versuche vergleichsweise mit anderen Methoden aus¬
geführt, über die ich demnächst Gelegenheit haben werde, mich
eingehender zu äußern, die ich daher heute übergehen möchte.
In den darauffolgenden Jahren wurden auf 2 größeren
Rittergütern Versuche angestellt, die die Nutzanwendung der
bisherigen Ergebnisse im großen ausweisen Bollten. Es wurden
demzufolge Schweineställe, die stark verseucht waren, Rinder¬
und Kälberställe mit 5 proz. Antiforminlösung behandelt. Gleicher¬
weise wurden Stalldünger, Abortjauche, künstlich infizierte
Fäkalien und Strohmassen untersucht. Die Resultate waren
hierbei sehr bemerkenswert.
Wenn man bedenkt, wie außerordentlich schwierig gerade
die Desinfektion solcher Stallungen bewirkt werden kann, daß
die häufig ungedielten Fußböden und namentlich die sog. Buchten
eine gründliche Bearbeitung fast zur Unmöglichkeit machen, so
muß doch der erzielte Erfolg; schon ein recht bedeutender
genannt werden. Vor allem war daneben noch die erzielte
Desodorierung der Fäkalien, die in wenigen Minuten erreicht
war, eine außerordentliche zu nennen.
31. Dezember 1908,
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
973
Die im Laboratorium vorgenommenen Versuche erklärten
die Vorgänge. Wenn auch resistentere Arten einen längeren
Einwirkungsprozeß zur Abtötung beanspruchen, so konnten andere
doch in sehr kurzer Zeit vernichtet werden. Beispielsweise
wurden Coli- und Staphylococcen-Kulturen bereits nach 10 und
15 Minuten von öprozentigen Antiforminlösungen abgetötet.
Am auffallendsten waren die Agglutinations- und Bakterio-
lysen-Vorgänge beim Zusammenbringen von Bouillonkulturen mit
Antiformin. In wenigen Minuten wurden die Lösungen völlig
klar und ließen am Boden der Gefäße nur einen schwachen
Hauch als Reste der Bakterien zurück oder lösten auch diese
noch auf. Der Vorgang war so bezeichnend, daß ich in der
Folge diesen Umstand benützte, um mit ihm in den Kursen
Demonstrationen über Bakteriolyse und* Agglutination zu ver¬
anstalten, sowohl makroskopisch wie im hängenden Tropfen.
Alle die obigen Arbeiten sind in einer Reihe von Gutachten
niedergelegt und ich habe sie hier nur kurz skizziert, um darauf
hinzuweisen, daß ich durch die Erfolge, die ich hierbei ge¬
wonnen, angeregt, den Fabrikanten des (übrigens auch billigen)
Desinfektionsmittels Antiformin (50 Pf. pro Liter) veranlaßt
habe, im Reichsgesundheitsamt, auf Grund der bisher erzielten
Resultate, weitere Versuche anstellen zu lassen, um auch nach
anderen Richtungen hin das Mittel seiner allgemeineren Ver¬
wendung entgegenführen zu können.
Mitteilungen aus der Praxis.
Von Tierarzt H. Holterbach-Offenburg.
(Vgl. Nr. 49.)
2. Ein durchschlagender Yohlmvetolerfolg.
Wird eine Kuh, eine Hündin usw. im Verlauf eines
chronischen Leidens steril oder bleiben derartige Tiere infolge
mangelhafter Entwicklung der Geschlechtsdrüsen frigid, kommt
es bei einem männlichen Tier im Anschluß an eine Hoden¬
erkrankung oder wegen kümmerlicher Entwicklung dieser Organe
zu Impotenz: Dann ist alle Welt darüber einig, daß Frigidität
oder Impotenz auf Grund der von jeder chronischen
Erkrankung mehr oder minder unzertrennlichen
„degenerativen“ Veränderungen in den betreffenden
Organen sich eingestellt hat. Wollte nun jemand kommen
und sich anheischig machen, diesen Zustand innerhalb 24 Stunden
mit einer einmaligen Medikation zu heben, so würde man über
den Mann und seine wissenschaftliche Logik mitleidig lächeln.
Man würde sich vermutlich nicht einmal die Mühe geben, einen
solchen Optimisten darüber zu belehren, daß degenerative
Veränderungen im günstigsten Falle erst nach längerer
Zeit, die sich nach dem Grade der bereits eingetretenen
Degeneration richtet, abheilen können. Und doch
machen wir uns in praxi fast alle der gleichen logischen Sünde
schuldig, sobald es sich darum handelt, ein impotentes oder
frigides Tier zu „heilen“. Das hat sich auch bei der Ein¬
führung des Yohimvetol in die tierärztliche Praxis gezeigt,
nachdem, zu unserem Tröste, die Herren Mediziner bei der
Behandlung der männlichen Impotenz in den gleichen Fehler
verfallen waren. Kühe, die schon seit Jahren absolut
frigid waren, wollten praktische Tierärzte mit einer
Dosis Yohimbin heilen! Was davon zu halten ist, das
kann man getrost der ruhigen Überlegung überlassen; diese wird
sich nicht wundern, wenn bei einer solchen Behandlungsweise
der Erfolg ausbleibt; sie wird aber auch nicht so ungerecht
sein, den Mißerfolg auf die Rechnung des Yohimvetol zu setzen.
Die Schablone, die elende, gedankenlose Routine ist in jeder
Wissenschaft die gefährlichste Feindin des Fortschrittes.
Ich hatte gleich bei meinen ersten Veröffentlichungen betont,
daß nicht „die hohe Dosis, sondern die fortgesetzte
Verabreichung kleiner Dosen“ den Erfolg nach sich ziehe;
in allen Abhandlungen der Theoretiker begegnet man dem Satz,
daß „minimale Dosen genügen um den Effekt auf die
Blutgefäße hervorzubringen“. Wie überraschend dieser
Effekt ist, das lehrten uns die Versuche von Daeis, der auf¬
merksam geworden durch die tierärztlichen Erfolge bei weib¬
lichen Tieren, an Hündinen die Wirksamkeit des Yohimbin
studierte. Es gelingt nach ihm, durch wenig Yohimvetoldosen die
Ovarien und den Uterus in den Zustand höchster Blutfülle zu
versetzen, der dem makroskopischen Zustand der Brunst ent¬
spricht. Und diese Hyperämie ist eine dauernde, wochenlang
fortbestehende und läßt sich, wenn sie nachlassen will, durch
eine oder einige neue Yohimvetoldosen wieder herstellen. Das
ist durch die Laparotomie an yohimbinisierten Tieren deutlich
bewiesen. Und darin liegt die Bedeutung des Yohimbin für die
Behandlung chronischer Leiden der weiblichen Geschlechtsorgane.
Es entspricht der heut herrschenden Anschauung, daß man
degenerative Zerstörungen der Gewebe durch eine
künstlich hervorgerufene Hyperämie heilen kann.
Bei der Impotenz und Frigidität haben wir in den meisten
Fällen es mit einer solchen mehr oder minder ausgeprägten Dege¬
neration zu tun; die Yohimbinwirkung setzt uns in den Stand,
diese Stellen dauernd mit einer gewaltigen Hyperämie zu be¬
einflussen, versuchen wir also diese Tatsachen zu einer ratio¬
nellen Heilung dieser annoch in den meisten und schwersten
Fällen als unheilbar geltenden Zustände auszunutzen.
Nachdem es mir schon früher gelungen war, in monate¬
langer, mit Unterbrechungen geübter Yohimbintherapie einige
solche als hoffnungslos auch von Fachleuten betrachteten Fälle
zu glücklicher Heilung zu bringen, bot sich mir im Frühjahr
1908 eine schöne Gelegenheit, diese Yohimvetolwirkung demon¬
strativ darzutun; die Details sind folgende:
Herr Bürgermeister Eidmann aus Richen in Hessen-
Starkenburg hatte im April 1906 eine hochträchtige Kalbin in
Erlenbach (Schleswig) zu dem Preis von 2000 Frcs. gekauft.
Sie kalbte im Juli leicht und rasch, die Nachgeburt ging normal
ab, Folgezustände irgendwelcher Art traten nicht ein; vor allem
fehlte jeder Ausfluß. Im September und Dezember 1906 wurde
diese wertvolle Simmenthalerin noch je einmal brünstig und
erfolglos gedeckt, dann blieb sie dauernd frigid. Selbst¬
verständlich machte diese Frigidität dem Besitzer schwere
Sorgen und veranlaßte ihn, ihre Heilung mit allen erdenklichen
diätetischen Maßnahmen zu versuchen. Darüber verging
das ganze Jahr 1907. Im Januar 1908 beschloß er einen
Versuch mit dem Yohimvetol, von dem er in der „Deutschen
landwirtschaftlichen Tierzucht“ gelesen hatte. Sein Tierarzt,
ein enimenter Praktiker, riet ihm weder ab noch zu, hielt aber
den Fall für hoffnungslos. Im Januar, Februar und März
wurden 45 Tabletten verabreicht, nicht gerade in der
rationellsten Weise. Eine Wirkung trat nicht ein. Da Herr
Eidmann einen letzten Versuch mit einem so hochpreisigen
Tier machen wollte, wandte er sich an mich. Ich reiste im
März nach Richen und fand: Bildschönes Rassetier von ein wand-
974
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 53
freier Gesundheit in jeder Beziehung, mit Ausnahme der
Frigidität. Die äußeren Genitalien sind vollständig normal.
Die Exploratio per rectum ergab: Ovarien von normaler
Größe, ohne Cysten. Da die Kuh schon seit Januar
unter dem Einfluß des Yohimvetol stand, hatte ich mit
Bestimmtheit erwartet, ihre Ovarien im Zustand
starker Hyperämie zu finden, muß also den tatsächlich
normalen Befund als abnorm bezeichnen und daraus
schließen,daß dieseDriisen ohne Yohimbinisierung und
vor dieser sicherlich atrophisch waren. Ich riet zu
weiterer Behandlung mit Yohimvetol und verordnete aufs neue
30 Tabletten (ä 0,1 Yohimbin, muriatic. enthaltend). Drei Tage
lang sollte die Patientin je drei Dosen bekommen, dann sollte
einige Tage (6—7 Tage) ausgesetzt werden, dann wieder einen
Tag lang drei Dosen Yohimvetol gereicht werden usw. Im
Verlauf des Mai und Juni kam es zu einer ausgesprochenen
Schwellung der Schamlippen, das einzige sichtbare Zeichen der
Yohimvetolwirkung. Am 2. Juni trat starke Brunst ein, das
Tier wurde sofort gedeckt. Am 13. Juni wiederholte Brunst,
erneuter Deckakt. Seitdem ist die Kuh „normal“, d. h. ruhig,
wie eine Kuh, die aufgenommen hat.
Daß der Eintritt der Brunst, nach mehr als 1V 2 Jahre
langer Pause, nur dem Yohimvetol zuzuschreiben ist, wird man
nicht ableugnen können. Der Fall regt auch zu allerlei, für
die Tierzucht wesentlichen Betrachtungen an.
Es itft eine ziemlich häufige Klage der besten Züchter,
daß sie oft durch unheilbare, Frigidität und Sterilität wertvoller
weiblicher Zuchttiere große pekuniäre Verluste erleiden. Es
fragt sich nun, ob die Versuche zur Heilung dieser Zustände,
wenn sie mit Yohimbin, dem einzigen Spezifikum das wir heute
besitzen, angestellt wurden, auch rationell inszeniert und nicht
zu früh als aussichtslos aufgegeben wurden. Ein jeder
Versuch, diese Heilung durch eine kurz dauernde Behandlung
mit hohen Dosen Yohimvetol zu erreichen, ist verwerflich. Das
einzig rationelle Verfahren besteht darin, daß man den Patienten
drei Tage lang je 3 Dosen Yohimvetol verabreicht, um damit
die Hyperämisierung der Ovarien, des Uterus (der Hoden etc.)
zu erreichen und daß man sich dann bestrebt, in wöchentlichen
Intervallen je einen oder zwei Tage lang je 2 Dosen Yohimvetol
zu geben, um diesen Zustand der Hyperämie dauernd aufrecht
zu erhalten. Dadurch wird nebenbei noch der Geldbeutel des
Tierbesitzers und das Tier selbst geschont, denn das Yohimvetol
„greift an“. Das dürfen wir nie vergessen. Es gehört zu den
stark wirkenden Arzneimitteln.
Aus dem vorstehenden ergibt sich von selbst die Form der
Applikation: Rationell kann für die Praxis nur die von mir
stets verteidigte Verabreichung per os sein. Daß dabei die
Denaturirung des Präparates irgendwelche schädliche Folgen
haben können, ist eine ganz grundlose Befürchtung. Mir ist
noch niemals über eine schädliche, auf die Denaturirung zurück¬
zuführende Wirkung bekannt geworden, trotzdem ich selbst
massenhaft die Yohimvetoltabletten verwende und mit Kollegen
aus den verschiedensten Ländern, die von dem Mittel in
denaturierter Form Gebrauch machen, in Verbindung stehe.
Man lasse sich also durch ein derartiges Bedenken nicht abhalten,
die handlichen Tabletten zu benutzen.
Diese neue Seite der Yohimbinwirkung hat auch für unsere
Stiefbrüder in Asculap, die Mediziner, einige Bedeutung. Seine
Verwendung in der Gynäkologie ist noch jungen Datums und
man hat wohl kaum bei der Behandlung chronischer Frauenleiden
zu einer dauernden, mit Intervallen geübten Yohimbinisierung
der Patientin gegriffen. Dem stand noch vielfach das Vorurteil
gegenüber. Ob es durch die tierärztlichen Erfolge bei der
Behandlung chronischer weiblicher Leiden gebrochen wird? Ich
zweifle nicht. Die Tage, in denen der Mediziner hochmütig
die Erfolge der Veterinärmedizin ignorieren zu müssen glaubt,
um dem Nimbus seines Standes nichts zu vergeben, sind zum
Segen für Medizin und Veterinärmedizin endgültig abgetan.
Wir hatten den Medizinern vieles zu danken; es ist Zeit, daß
wir diese Dankesschuld abtragen. Und der Mediziner, der sich
in anachronistischem Dünkel heute eine Einmischung der
Veterinärmedizin in sein Fach verbitten wollte, der Mann könnte
sich, und wäre er der’berühmteste Professor, als „Attraktion“
im Panoptikum bewundern lassen.
Zum Schluß sei mir gestattet, anhangsweise noch der
Yohimvetolwirkung beim Geflügel zu gedenken. Sie ist
so unwichtig nicht.
Das Mittel bei Hühnern zu versuchen, lag sehr nahe.
Leider fand ich bei den hyperkonservativen deutschen Geflügel¬
züchtern für meine diesbezüglichen Bestrebungen wenig Interesse.
Oder trauten sie mir, da ich keine Geflügelzucht treibe, nicht
die Befähigung zu, mitreden zu können? Das mag wohl der
Grund sein. Ich kann also nur auf drei eigene Versuchsserien
mich stützen, die aber durch ausgedehnte Versuche englischer
Züchter Bestätigung finden.
Das Yohimvetol (0,001—0,005 täglich dreimal) wirkt schon
nach 3—4 Tagen auffallend ein auf Gefieder und Kamm (Lappen).
Ersteres wird glänzend, Kamm und Lappen werdeu
leuchtend rot. Man hat deshalb in England Tiere,
die ausgestellt werden sollen, yohimbinisiert, um sie
repräsentabler zu machen. Ferner hat sich das Mittel
bewährt bei einem Leiden der Hühner, das zu mangelhaftem
Legen geführt hatte. Ich hatte in einem Fall vollen Erfolg,
der auch von England ans bestätigt wird. (Siehe Illustrated
Kennel News vom 8. Mai 1908.) Kollegen haben also zur
Betätigung ihres Forschertriebes noch Spielraum genug vor sich.
Mit dieser Publikation schließe ich meine YohimbinBtudien
ab. Es sitzt jetzt fest im Sattel, und daß es reiten kann, hat
sich vielfach gezeigt. Der nicht immer sehr wissenschaftliche
Widerspruch, den ich seitens meiner Kollegen und der inter¬
essierten Laien gefunden habe, war für meine Energie der
Stimulus zu stets neuen Versuchen gewesen. Was ich mit
ihnen beweisen wollte, habe ich bewiesen.
Weitere günstige Impfergebnisse mit Suptol-Burow.
Von Tierarzt Becher-Salzmünde.
In Nr. 27 dieser Zeitschrift, Jahrgang 1907 habe ich bereits
Gelegenheit genommen, über meine Erfahrungen mit Suptol-
Burow in günstigem Sinne zu berichten. Nach dieser Zeit habe
ich das Präparat in verschiedenen unten angeführten Schweine¬
beständen angewendet, und hat sich dasselbe auch bei diesen
Impfungen als durchaus brauchbar erwiesen. Ich muß daher
auch jetzt, wie schon früher, wiederum die Ansicht vertreten,
daß wir in dem Suptol, welches bekanntlich aus dem Bacillus
suisepticus hergestellt wird, ein äußerst zuverlässiges Mittel
zur Behandlung resp. Heilung der Schweineseuche besitzen.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
975
_31. Dezember 1908 .
Zum Beweise dessen gestatte ich mir, in folgendem sämt¬
liche von mir noch ausgeführten Impfangen nebst Resultat hier
anzogeben.
Auf einem Qnte in Naundorf bei Salzmünde, woselbst seit
längerer Zeit Schweinezucht betrieben wird, impfte ich nach
bereits angeordueter Sperre am 25. November 1907 zunächst
23 Zuchtsauen, welche mit wenigen Ausnahmen mehr oder
weniger schwer an der Seuche erkrankt waren. Zwei Tage
darauf wurden dieselben nochmals geimpft, ein Todesfall ist bei
diesen Tieren nicht vorgekommen. Dieselben konnten vielmehr
nach etwa vier Wochen als geheilt angesehen werden. Weiter
wurden auf demselben Gute geimpft:
18. Dezember 1907 8 Ferkel 10 Wochen alt,
8. Januar 1908 43 „ 12 ., „
8. Februar 1908 8 „ 8 „ r
20. Februar 1908 15 „ 3 r
9. März 1908 12 r 3 „
Diese 86 erkrankten Tiere wurden, da erfahrungsgemäß
mit einer einmaligen Impfung nicht immer der gewünschte
günstige Erfolg erzielt wird, zwei-, einige sogar dreimal geimpft.
Eingegangen sind von den drei Wochen alten Tieren etwa die
Hälfte, die anderen älteren Impflinge sind gesund geworden.
Es ist dies vielleicht ein Hinweis darauf, daß man die Ferkel
nicht so früh nach der Geburt impfen darf, oder sollten die von
den vorher erkrankten Muttertieren geworfenen Ferkel in ihrer
Entwicklung gehemmt und nicht genügende Widerstandsfähigkeit
besessen haben? Der Besitzer schreibt mir wörtlich folgendes:
Bei den älteren Tieren, die mit Suptol geimpft wurden,
ist kein einziger Todesfall vorgekommen, während von den drei
Wochen alten Ferkeln fast die Hälfte (12 Stück) verendet ist.
Jedenfalls ist die Impfung bei ganz jungen Tieren nicht so
nützlich wie bei älteren. Ich muß aber betonen, daß die ge¬
heilten während der Mastperiode ebenso gut und schnell zu¬
genommen haben, als früher meine gesunden Schweine, nur
schien es mir, als wenn dieselben in der Zeit der Impfung und
kurz nach derselben nicht so recht gedeihen wollten. Trotzdem
glaube ich, daß wir an dem Suptol ein recht wirksames Mittel
zur Bekämpfung dieser schrecklichen Seuche haben, denn
schrecklich muß ich sie nennen, weil ich fast ein halbes Jahr
gesperrt gewesen bin.
Auf dem Rittergute Schochwitz bei Salzmünde, welches
gleichfalls wegen Schweineseuche gesperrt war, habe ich von
Mitte Februar bis Anfang März 132 Schweine im Alter von
4 Wochen bis zu 3 Monaten geimpft, welche zum Teil schwer an
der Seuche litten. Eine zwei- resp. dreimalige Impfung führte
zu dem Ergebnis, daß sämtliche Impflinge, mit Ausnahme von
sieben schwer erkrankten und später verendeten Tieren, genesen
sind. Durch die Sektion konnten schwere krankhafte Ver¬
änderungen an der Lunge, am Herzen etc. nachgewieseu werden,
so daß eine Heilung von vornherein als ausgeschlossen betrachtet
werden mußte.
Auf einem Rittergute in Beesenstedt wurde Mitte März d. J.
amtlich Schweineseuche festgestellt. 43 etwa 3—4 Monate
alte Schweine, die außer häufig vernehmbarem Husten sonstige
erhebliche Krankheiten nicht erkennen ließen, wurden zweimal
in zeitlichen Zwischenräumen von 3 Tagen geimpft. Nach kaum
14 Tagen ließ der Husten nach, die Tiere wurden schnell
gesund; ein Todesfall ist nicht vorgekommen.
Im ganzen kann ich also, wie auch aus vorstehendem her¬
vorgeht, nunmehr über das Impfresultat bei 284 Schweinen
berichten mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß es sich in
allen Fällen um reine Schweineseuche gehandelt bat. Die
Verluste in N. betrugen 12, in Sch. 7 Stück, in B. kein Todes¬
fall; sicherlich ein günstiges Resultat.
Ich werde daher bei vorkommenden Fällen zur Bekämpfung
der Schweineseuche mich stets des Suptols bedienen und bin
überzeugt, daß bei richtiger Anwendung ev. rechtzeitiger
Wiederholung der Impfung auch die von anderen Kollegen
bereits vielfach bestätigten günstigen Wirkungen nicht aus-
bleiben werden.
Zum Artikel „Kälberruhrimpfungen von Dr. Goldbeck '.
Von Tierarzt Kaiser-Seehausen.
Zum Artikel Kälberimpfungen in Nr. 47 B. T. W. von
Herrn Kollegen Dr. Goldbeck möchte ich mir auch einige
Worte zu sagen erlauben:
Ich bin ganz gewiß dafür, daß die Impftherapie den Tier¬
ärzten erhalten bleibt; aber ganz wie der Herr Dr. Goldbeck
sich dies wünscht, geht es wirklich manchmal nicht. Hier
sprechen örtliche Verhältnisse und besondere Eigentümlichkeiten
bestimmter Distrikte unseres Vaterlandes mit, die billigerweise
berücksichtigt werden müssen.
Ich selbst habe verschiedene Herren meiner Klientel in
der Impftechnik unterwiesen, ohne deshalb irgendwie Reue zu
empfinden.
In meiner Praxis gibt es beinahe keine geschlossenen
Dörfer, sondern nur vereinzelt liegende Güter und kleinere
Gehöfte. Und das wollen wir uns zunächst doch auch vor
Augen halten. Abgesehen von der Rotlaufimpfung, welche
Impfung war denn bezüglich ihrer Wirkung bisher wirklich
ideal, ich habe noch keine kennen gelernt.
Wenn dann ein Besitzer, der von mir 21 km entfernt
wohnt, mich zur Impfung eines Kalbes bestellen resp. mit
dem Kalbe bei grundlosen Wegen zu mir mit dem W T agen
kommen soll und nicht einmal die Garantie des positiven Er¬
folges hat, so kann ich ihm das wirklich nicht verdenken,
wenn er in Anbetracht der hohen Kosten das Impfen ganz
unterläßt und es dem Zufall anheimgibt, das Kalb groß werden
resp. den Kälberseuchen zum Opfer fallen zu lassen.
Damit nun der Segen der Impfung der Landwirtschaft in
meiner Praxis nicht verloren geht, habe ich verschiedene
Herren mit der Impftecbnik vertraut gemacht.
Allerdings stelle ich selbst Sera her und habe die Genug¬
tuung, daß sich die Herren meiner Sera auch bedienen.
Übrigens vertrete ich auch den Standpunkt, daß man Firmen
wie Bengen & Co., die ausschließlich mit Tierärzten arbeiten,
nach Kräften unterstützen soll.
Vielfach haben die Tierärzte selbst schuld, daß sie über¬
gangen werden und zwar lediglich dadurch, daß die allzu ver¬
schwenderisch in der Ausstellung von freiwilligen und an¬
geforderten Gutachten sind.
Heutzutage liegen die Verhältnisse so:
Wenn irgendein Fabrikant ein neues Serum oder ein neues
Desinfektionsmittel, Streupulver etc. von seinem Chemiker hat
ausfindig machen lassen, so versendet er zunächst Gratisproben
in unglaublichen Mengen an jeden tierärztlichen Reflektanten.
976
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 53.
Nach kurzer Zeit folgt ein ergebenes Schreiben mit der
Bitte um gefällige Mitteilung, respektive kurzes Gutachten über
die mit dem betreffenden Mittel eventuell erzielten Erfolge. Die
ungünstig lautenden Berichte wandern in den Papierkorb,
die günstigen werden fein säuberlich zu Reklamestatistiken zu¬
sammengestellt und gelangen so in Separatdruckschriften in die
verschiedensten Zeitungen und Betriebe.
Ich bin fest überzeugt, daß die Zahl der ungünstig lautenden
Berichte häufig die der günstigen tiberwiegt. Jedenfalls ent¬
ziehen sich derartige Anpreisungen hinsichtlich ihres wahren
Wertes jeglicher Kontrolle, besonders dann, wenn es z. B. heißt:
„Herr Tierarzt B. in H. schreibt.... etc.“. Wer dieser Herr
B. und so fort ist, und wo er wohnt, weiß niemand.
Manche derartiger von Tierärzten gegebenen Empfehlungs¬
schreiben prangen dann sogar häufig auf bunten Reklameschildern
womöglich mit einem Pferdekopf darauf, wie man das hier zu
Lande in jedem Sattler- und Schnsterladen z. B. vom Fricol
sehen kann. Solche Mittel helfen bekanntlich gegen alle Krank¬
heiten und Leiden und der Sachverständige wird überflüssig.
Die betreffenden Kollegen graben sich mit derartigen ge¬
gebenen gutachtlichen Äußerungen selbst ihr Grab und ich halte
es für angebracht, darauf hinzuweisen, daß solche leichthin
gemachten Empfehlungsschreiben in Zukunft ganz unterbleiben
sollten.
Referate.
Filaria papillosa im Auge des Pferdes.
Von Tierarzt V. Okholm-Oksböl St
(Maanedsskrift for Dyrlaeger, 1908, Heft 12.)
Das in Frage stehende Pferd — eine zweijährige dänische
Stute — wurde Okholm mit dem Bemerken vorgeführt, daß
sich auf dem rechten Auge seit längerer Zeit eine „Haut“ zeige,
welche am unteren Rande der Hornhaut ihren Anfang genommen
hätte. Tränenfluß und Lichtscheu waren nicht beobachtet,
dagegen soll das Tier oft mit dem Kopfe schlagen.
Bei näherer Untersuchung fand Okholm folgendes:
Das Allgemeinbefinden des Pferdes ist einwandfrei. Das
linke Auge ist normal und zeigt einen lebhaften Ausdruck; das
rechte, halbgeschlossene Auge sieht schläfrig aus; es zeigt eine
Keratitis parenchymatosa, welche in der unteren Hälfte der
Cornea am deutlichsten ausgeprägt ist und sich nach oben zu
allmählich verliert; der obere Rand der Cornea ist fast normal,
aber doch nicht völlig durchsichtig. Eine Untersuchung des
inneren Auges ist deshalb zunächst unmöglich. Konjunktivitis
und Tränenfluß sind nicht vorhanden, der Bulbus oculi ist rechts
wie links von normaler Größe. Das Sehvermögen ist auf dem
rechten Auge erloschen. Ordination: Zweimal täglich Einträufeln
einer einprozentigen Höllensteinlösung und einer zweiprozentigen
Borsäurelösung; gleichzeitig Applikation eines feuchten Um¬
schlages.
Im Laufe dieser Behandlung ging die Keratitis in der
oberen Hälfte der Cornea etwas zurück und man konnte in der
vorderen Augenkammer einen Wurm erblicken, der sich deutlich
bewegte.
Der Patient wurde im Anschluß an diese Feststellung
niedergelegt und chloroformiert, nachdem das erkrankte Auge
zunächst, kokainisiert war. Die Cornea wurde im äußeren oberen
Teil mit der Spaltnadel geöffnet; es floß eine geringe Menge
Flüssigkeit ab, der Wurm aber blieb im Auge liegen und mußte
mit einer feinen, durch den Corneaspalt in die vordere Augen¬
kammer eingeführten Pinzette entfernt werden. Nach erfolgter
Operation wurde das Auge mit einem Verband versehen, der
dauernd mit Borwasser befeuchtet wurde. Eine Eiterung trat
nicht ein, die Keratitis aber blieb bestehen; das Sehvermögen
des rechten Auges konnte trotz erfolgreich durchgeführter
Operation nicht wiederhergestellt werden. Das lästige Schlagen
mit dem Kopfe aber hörte sofort nach der Operation auf.
Dr. Stödter.
Über den Widerstandsgrad der Magenvrandungen des
Pferdes gegen den Luftdruck.
Von Fayot und Gassend.
(Recueil d’Alfort, 81. Mirz 1908.)
Eine Stnte, welche infolge eines Unterkieferbruchs keine
feste Nahrung aufnehraen konnte und nur stark verdünnte
Gerstenmehltränke erhalten hatte, wurde 3 Tage nach dem
Unfall durch intravenöse Chloralhydratinjektion und durch Genick¬
stiche getötet, und gleich nachher in die Rückenlage gebracht
und ihr der Bauch in der Mittellinie direkt hinter dem Schaufel¬
knorpel geöffnet. Nachdem der Schlund vor der Kardia durch
eine elastische Ligatur fest zugebunden worden ist, wird in das
Ende des Pylorus ein Kautschukschlauch hineingesteckt, welcher
mit einer Luftpumpe in Verbindung steht. Alle Organe werden
in ihrer natürlichen Lage liegen gelassen, der Einschnitt durch
eine Knopfnaht zugenäht, der Kadaver auf die rechte Seite
gelegt und etwas Luft eingepnmpt.
Kaum zeigt das am Schlauch angebrachte Manometer
V12 Atmosphäre Druck, so vernahmen die Verfasser ein aus der
Tiefe der Bauchhöhle herauskommendes dumpfes Geräusch, zu
dem sich noch ein Flüssigkeitsgeräusch gesellte. Im gleichen
Moment wurden die Bauchorgane nach hinten und oben ver¬
schoben. Diese Verschiebung bewirkte ein leichtes Auftreiben
der Bauchwand, das aber sofort wieder zurückging, als Luft
durch die Schnittwunde in die Bauchhöhle hineindrang. Die auf
die Wunde aufgelegte Hand nahm ein Kleinerwerden des Magens
wahr, während der Zeiger des Manometers auf 0 zurückging,
was eine Magenruptur anzeigte.
An dem herausgenommenen Magen wurde festgestellt, daß
die bei einem Innendruck von V12 Atmosphäre erfolgte Zer¬
reißung an der großen Krümmung 3 cm von der Anheftungs¬
stelle des Netzes und fast ganz am rechten Magensack unter
den gleichen Bedingungen und mit denselben Anzeichen wie bei
den Rupturen erfolgt ist, welche manchmal nach Magenindigestionen
zustande kommen. Der Riß in der Schleimhaut beginnt schon
an der Grenze der beiden Magensäcke, um sich 10 cm lang auf
der rechten Magenhälfte hinzuziehen. Der Magen selbst hat
infolge des Hungerns des Pferdes nur eine sehr kleine Menge
halbflüssigen Futters enthalten.
Schlußfolgerung: Aus diesem Versuche geht hervor, daß
der Magen des Pferdes gegen den inneren Druck nur wenig
widerstandsfähig ist.
Erwägungen: Ist auf die Erscheinungen, wie sie bei dieser
künstlichen Magenruptur wahrgenommen worden sind, wie das
dumpfe und das gurgelnde Geräusch, das Zurückdrängen des
Darmes und das schnelle Aufblähen nicht ein besonderer Wert
zu legen, da sie doch vom aufmerksamen Praktiker bei der
Magenberstung infolge von Magenindigestion auch aller Wahr-
31. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
977
scheinlichkeit nach zu beobachten sind, und können sie, falls
sie bei einem an heftiger Kolik leidenden Pferde nach dem
plötzlichen Niederstürzen und nachherigen Besserwerdens auf-
treten, bei der Troquote nicht auch die gleiche Bedeutung haben
wie das Erbrechen, das als pathognostisches Symptom der
Magenruptur angesehen wird? Helfer.
Mitteilungen ans den Berichten der sächsischen
Bezirkstierärzte.
Von Obermedizinalrat Professor Dr. Edelmann in Dresden.
(Her. Uber d. Veterinärwr. im Kgr. Sachsen, 1907, S. 77.)
Arzneimittel und Kurmethoden.
Antipyrin wandte Lange-Dippoldiswalde bei Hündinnen
gegen Milchandrang nach Wegnahme der Jungen in dreimaligen
Dosen zu je 0,25—1,0 g pro die mit dem Erfolg an, daß die
Milchsekretion nach 2—3 Tagen zum Versiegen gebracht wurde.
Das Dr. Reißsche verstärkte Ester-Dermasan für Tiere
leistete Zietzsckmann-Kamenz bei Verdickungen des Unter¬
hautzellgewebes, Streichballen und dergleichen gute Dienste.
Formaldehyd. Hufkrebs brachte Freytag-Plauen in
zwei vorgeschrittenen Fällen, die schon länger vergeblich be¬
handelt worden waren, durch Bestreichen mit einer Lösung von
Formaldehydum solutum (1:4) und durch Aufträgen von
Schlagschem Pulver zur Heilung. Nach Bestreichen mit der
Formalinlösung traten erhebliche Schmerzen auf.
Hämostogen ist vier Jahre hindurch von Lange-
Dippoldiswalde als hervorragendes Kräftigungsmittel, das auch
von einem sehr schwachen Darmkanal gut vertragen wird, in
der Hundepraxis (Staupe) angewendet worden. Auch als
Knochenbildner wurde es bei Rachitis der Hunde und Schweine
mit gutem Erfolg gegeben.
Physiologische Kochsalzlösung, subkutan injiziert in
täglicher Dosis von 20—50 g, hat in fünf Fällen von leichter
und mittelschwerer Hundestaupe nach 5—8 Tagen Heilung
erzielt. Lange warnt aber, an einer Stelle über 20 g ein¬
zuspritzen, da in jedem Falle, in welchem dieses Quantum
überschritten wurde, zehnpfennig- bis talergroße Hautstücke
gangränös ausüelen.
Spießglanzbutter (Liquor Stibii chlorati) hat sich |
Dehne-Schwarzenberg als gutes Mittel gegen frische Exostosen
(Überbein, Spat) bewährt. Je nach beabsichtigter Wirkung
wird auf die Exostose täglich mit einem Pinsel so viel von dem
Mittel aufgetragen, daß die Stelle vollkommen befeuchtet ist.
Nach 8—10 Tagen bildet sich ein trockener Schorf; die Ätzung
ist eine langsame und hauptsächlich in die Tiefe gehende.
Mit Tetanusantitoxin hat Haubold-Meißen den Starr¬
krampf der Schafe oft mit Erfolg behandelt. Es genügen bei
manchen Tieren zwei Dosen von 5 g zur Heilung, sogar bei
großen Böcken, welche bereits steif waren und festlagen.
Des Bierschen Saugverfahrens mit der Glocke be¬
diente sich Lange in drei Fällen von parenchymatöser Mastitis.
Alle drei Fälle sind ohne andere Medikation in 3—4 Tagen
und ohne Verödung der Viertel zu hinterlassen, geheilt worden.
Ein wesentliches Erfordernis zum Gelingen ist starkes Einfetten
von Euter und Glockenrand.
Die Kastration der Pferde hat Eichhorn-Rochlitz mit
der Kastrierzange nach Masch mehrfach ausgeführt. Die bei
Verwendung des Emaskulators hin und wieder vorkommenden
Nachblutungen sind nie beobachtet worden.
Heiße Prießnitzumschläge haben sich nach Grund¬
mann-Marienberg bei Kolik der Pferde als ein vorzügliches
Beruhigungsmittel bewährt und vielfach bessere Dienste als
Morphium geleistet.
Einziehen von Bullenringen. Bei acht etwa V/ 2 bis
2 jährigen Bullen waren die Ringe in den Scheidewandknorpel
eingelegt worden. Der Besitzer stellte bei den kommenden
Wägungen eine nennenswerte Minderzunahme gegen früher fest.
Die Bullen waren nicht krank, die Ringe jedoch beschmutzt,
nicht blank, die Tröge nicht rein geleckt. Jede Berührung des
Ringes löste Schmerzen aus, was die Tiere zu vorsichtigem
Umgang mit dem Ring veranlaßte. Bei vier Bullen wurden die
Ringe entfernt und anschließend neue Ringe vor der knorpeligen
Scheidewand eingezogen. Nach 14 Tagen bereits brachte die
Wage die Entscheidung. Die vier übrigen Bullen bekamen
ebenfalls andere Ringe; von da an — äußerte der Besitzer —
waren die Bullen gesund. Richter.
Puerperale Pyämie bei der Stute.
Von Pincemin, Veterinär in Bell&ne, Frankreich.
(Österreichische Monatsschrift für Tierheilkunde 1908, S. 971.)
Es kommt selten vor, daß vom Uterus ausgehende Infektionen
sich rasch generalisieren, ohne daß schwere Läsionen des Uterus
oder des Peritonäums vorhanden sind. Einen solchen Fall be¬
obachtete Pincemin bei einer Percheronstute. Das Tier hatte
verworfen, Fötus und Eihüllen zusammen ausgestoßen. Im
Laufe der übernächsten Nacht erkrankfe das Tier unter An¬
schwellen der Füße und starken Schweißausbrüchen. Am Morgen
zeigte die Stute die Symptome einer akuten Rose. Im weiteren
Verlaufe entstanden auf der ganzen Körperoberfläche etwa nu߬
große Beulen in der Haut, welche nach 48 Stunden beim
Punktieren weißgelblichen Eiter entleerten; neue Anschwellungen
bildeten sich an den Extremitäten zu kleinen Ketten sich
ordnend. Unter starkem Fieber, vermehrter Pulszahl und
Atmung sowie starken Schmerzen verschlimmerte sich der Zu¬
stand; es trat Exitus letalis ein. Der Uterus erscheint normal,
Peritonitis fehlt, die Nieren sind in ihrem Volumen vervierfacht
und zeigen viele eitrige Herde; die Lungen — namentlich die
j linke — enthalten viele Abszesse von gleichmäßiger Größe einer
Nuß. Der Ansteckungssfoff rührte vermutlich von zwei Fällen
von Pyämie her, der im verflossenen Jahre zwei Fohlen in dem
Stalle erlegen waren. Richter.
Cystoide Hodendegeneration.
Von Oberveterinär Neven.
(Zeitschrift für Veterioärkunde 1908, S. 102.)
Ein 17 jähriger Deckhengst hatte einen heftigen Kolikanfall
überstanden; beim Gehen wurde der rechte Hinterschenkel unter
leichtem Stöhnen stark abduziert; der Hodensack war verdickt,
die Hoden waren von normaler Größe und Konsistenz, der rechte
jedoch schmerzhaft. Nach drei Tagen wurde Neven wegen
anfallsweiser kolikartiger Schmerzen zu erneuter Untersuchung
des Tieres gerufen. Der rechte Hoden war kindskopfgroß
geschwollen, nach weiteren sieben Tagen wuchs die Schwellung
zu Mannskopfgröße, das Skrotum hing bis zur Hälfte des Unter¬
schenkels herab. Bei der Sektion zeigte sich der rechte Hoden
als weiche Masse; gallertartige, sulzige Maschen umschlossen
große Mengen klarer Flüssigkeit, vom eigentlichen Hodengewebe
war nichts mehr zu sehen. Der linke Hoden war normal.
Peritonitis fehlte; die Ursache dieser cystoiden Hodenentartung
***
978
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT,
No. o 8.
ließ sich nicht ermitteln. Die Kürze der Zeit von elf Tagen,
welche für die Veränderung des Hodens genügte, dürfte
beachtenswert sein. Richter.
Einiges über Tollwnt.
Von Geheimrat Dr. Dammann, Leiter, und Hasenkamp, Assistent
des hygienischen Instituts der Kgl. Tierärztlichen Hochschule
zu Hannover.
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift, 1908, Nr. 32.)
Dammann und Hasenkamp erzengten bei Katzen experi¬
mentell die Tollwut, indem sie in den langen Rückenmuskel in
Emulsionsform Teile der Medulla oblongata und der Ammons¬
hörner von wutkranken Kaninchen einspritzten. Die Katzen
erkrankten stets an der stillen Wut. Es war also die Weiter¬
entwicklung des Virus im Rückenmark vor sich gegangen. Die
Tiere erkrankten am 12. bis 20. Tage nach der Impfung und
am 3. Tage der offensichtlichen Erkrankung war die Lähmung
vollständig, jedoch wurde in keinem Falle das Herabhängen des
Unterkiefers beobachtet. Jüngere Katzen konnten leichter
infiziert werden als ältere. Die Verfasser beschreiben aus¬
führlich die Methoden des Nachweises der Negri sehen Körperchen.
Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit behandelt die
Frage, ob die Wut vererbbar ist. Von mehreren Autoren wird
diese Frage verneint. Callignac hingegen hat eine erbliche
Übertragung der Tollwut beobachtet. Auch Dammann und
Hasenkamp sahen einen solchen Fall, denn es erwiesen sich
einwandfrei die drei Jungen, die ein wutkrankes Kaninchen
gebar, als wutkrank. Möglicherweise ist die Übertragung auf
dem Wege des Plazentarkreislaufes erfolgt.
# Im dritten Teile wird über einen Abortivverlauf der Tollwut
bei einem Hunde berichtet. Ein mit Virus fixe geimpfter Hund
zeigte die ersten Krankheitserscheinungen. Um nachzuweisen,
ob der Speichel schon in diesem Stadium infektiös ist, ließen
sie von dem Hunde eine Katze beißen, die jedoch gesund blieb.
Mit dem Speichel impften sie aber auch zwei Kaninchen. Das
eine Kaninchen starb am 3. Tage an Sepsis, das andere er¬
krankte jedoch am 20. Tage an der Wut und ging daran ein.
Bei dem Hunde nahm die Erkrankung nicht den typischen
Verlauf, vielmehr trat Heilung ein.
Endlich nahmen Dammann und Hasenkamp auch Infektions¬
versuche bei Fröschen und Fischen vor. Diese Versuche fielen
negativ aus. Rdr.
Versuche der Immunisierung von Rindern gegen Tuber¬
kulose nach dem Behringschen Verfahren.
Von Prof. Dr. Dammann in Hannover.
(Archiv f. wlaicmchaftl. und prakt. Ticrheilk. Bd. 34, II. 4.)
In vorliegender Arbeit veröffentlicht Dammann den ersten
Bericht über die von ihm mit Behringschem Bovovaccin vor¬
genommenen Schutzimpfungen und Prüfung deren Wirksamkeit
durch spätere künstliche Infektion. Je drei Bullenkälber und
ein Schafbock dienten zu diesen Versuchen und als Kontroll¬
iere. Von den vier mit Bovovaccin vorbehandelten Tieren
widerstand nur eins der späteren künstlichen Infektion mit
virulenten Perlsuchtbazillen, während das andere, ebenfalls
intravenös infizierte Kontrollkalb an ausgebreiteter Miliar¬
tuberkulose einging. Die übrigen drei bovovaccinierten Tiere
zwei Kälber und ein Schafbock — leisteten der künstlichen
Infektion keinen Widerstand. Sie sind nach der subkutanen
Einverleibung einer Perlsuchtreinkultur ebenso tuberkulös ge- '
worden, wie die drei gleichzeitig mit derselben Kultur¬
aufschwemmung und auf demselben Wege infizierten Konfron¬
tiere. Es ist nicht zu verkennen, daß Grad und Ausdehnung
der Tuberkulose wenigstens bei den beiden mit Bovovaccin
vorbehandelten Kälbern etwas geringer waren als bei den beiden
Kontrollkälbern; für den bovovaccinierten Schaf bock trifft
solches aber in keiner Weise zu, denn er erkrankte beinahe
noch heftiger, als der nicht immunisierte Bock. Anhaltspunkte
für die Dauer eines etwaigen Impfschutzes bieten die Versuche
nicht.
Nach Dammann genügen die von ihm beschriebenen
Versuchsresultate noch nicht zur eingehenden Kritik des
Behringschen Verfahrens. Hierzu gehören vor allem die
Beobachtungen, welche er an schutzgeimpften Rinderbeständen
der Güter Grohnde und Jeinsen machen wird.
J. Schmidt.
Zur Frage der Pathogenität der Streptococcenmilch.
Von Tierarzt G. Rühm, Perlach.
(Wocliensehr. f. Tierblk. und Viehzucht, 52. J&hrg., Nr. 9.)
Verfasser bespricht die von Albrecht-München mit der
Verfütterung von streptococcenhaltiger Milch vorgenommenen
Versuche. Das zur Infektion benötigte Material hatte Rühm
mit Hilfe der Trommsdorffschen Leukocytenprobe gewonnen.
Die Milch wurde bis zur Verwendung als Impfstoff im Eis¬
schrank aufbewahrt, um eine Vermehrung der Keime zu ver¬
hindern. Als Infektionsweg wurde die Fütterung gewählt, da
diese der natürlichen Weise am besten entspricht. Bei den
Kälbern wurde auch der Nabel mit der Eitermilch bestrichen,
weil die Eintrittspforte für die Erreger der Kälberseptikämien
erwiesenermaßen der Nabel ist.
Für die Experimente kamen zur Verwendung 2 Meer¬
schweinchen, 2 Hühner, 4 kleine Hunde, 2 junge Ziegen und
7 Kälber. Die Fütterungsversuche verliefen negativ. Nur bei
einem Hunde wurde eine geringe Temperatursteigerung, bei
einem anderen Erbrechen nach dem Genuß streptococcenhaltiger
Milch beobachtet. Aus der geringen Versuchsziffer läßt sich
nach Rühm keineswegs der Schluß ziehen, daß die erwähnte
Milch etwa nicht pathogen wäre. Vor allem hätte die Ver¬
fütterung längere Zeit hindurch geschehen müssen. Verfasser
führt im Anschluß hieran einige von ihm in der Praxis beob¬
achtete Fälle an, die für die Pathogenität sprechen.
Wegen des überaus häufigen Vorkommens von Strepto¬
coccenmastitis sollte Säuglingen rohe Milch nur dann gegeben
werden, wenn sie mittelst der Milcheiterprobe nach Tromms¬
dorff als einwandfrei befunden wurde.
J. Schmidt.
Über lokale Eosinophilie (Gewebseosinopliilie) bei
zooparasitären Leiden.
Von A. F. Fölger-Kopenhagen.
(Zcitschr. f. InfekUonskrankh. uaw., Bd. IV, S. 102.)
Das gegenseitige Zahlenverhältnis der verschiedenen
Gruppen der farblosen Blutkörperchen ist nicht konstant, sondern
schwankt bei verschiedenen physiologischen Zuständen, so daß
sich unter normalen Verhältnissen in einigen Geweben ein ge¬
wisses Übergewicht irgendeiner Zellenart geltend macht. Dieses
Verhalten kann sich bei krankhaften Vorgängen in verschiedener
Weise ändern, z. B. dadurch, daß große Mengen von Zellen auf-
treten, die normalerweise nicht an den betreffenden Orten ange¬
troffen werden. Zu den Änderungen dieser Art gehört eine starke
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
970
■ »1. Dezember 1908.
Infiltration mit eosinophilen Zellen bei der Distomatose der
Leber, bei der Myositis unter starker Infektion mit Sarko-
sporidien und bei Einwanderung des Cysticercus tenuicollis in
die Leber.
Folger hat sich überzeugt, daß die acidophilen Zellen in
allen Fällen von Myositis und Glossitis sarcosporidica vorhanden
sind. Ferner wird man nach Fölger beim Rind wohl kaum
eine Leber finden, die Egel enthält oder vor kurzem enthalten
hat, und nicht wenigstens einige eosinophile Infiltration zeigte.
Die Untersuchung einiger nicht durch Leberegel erregter Fälle
von Leberzirrhose ergab, daß in solchen Fällen keine Gewebs-
eosinophilie vorhanden war. Außer beim Rinde stellte Fölger
auch bei einigen anderen an Distomatose leidenden Tieren
(Schaf, Pferd, Schwein, Meerschweinchen) Gewebseosinophilie
fest. — In fünf Fällen von Einwanderung von Cysticerken in
die Leber fand Fölger gleichfalls eine (übrigens nicht be¬
sonders große) Vermehrung der eosinophilen Zellen.
Richter.
Die Bekämpfung der Schafrände.
Von Vct.-Rat Ostertag in Schwäb.-Ginfind.
(Deutsche Tier&rztl. Wochenschrift 1908, Nr. 32.)
Der Verfasser berichtet über die guten Erfolge, die er mit
der Schmierkur bisher gehabt hat. Er verwendet die von
Kapp & Sohn in Mühlacker zum Preise von 80 Pf. pro Liter
zu beziehende Tabakpresse, welcher er vor der Verwendung
ca. 5 Proz. Terpentinöl zufügt. Zur Vornahme der Schmierkur
sind 4—6 Mann nötig, welche die Schafe Stück für Stück mit
zusammengebundenen Füßen auf einen Schrägen zu legen haben.
Hierauf wird die Wolle mit allergrößter Sorgfalt vom Kopf bis
zum Schwanz gescheitelt, so daß auch nicht die kleinste Stelle
der Körperoberfläche unberücksichtigt bleibt. In jede verdickte
Hautstelle, die sich vorfindet, wird ein Einschnitt gemacht, mit
Tabakpresse übergossen und geknetet, um die in der Tiefe
liegende Milbenbrut zu zerstören. Am 7. und 14. Tage wird
das Verfahren wiederholt. Die behandelten Schafe werden von
den unbehandelten getrennt gehalten. Hürden und Stallungen
werden am 1., 7. und 14. Tage vorschriftsmäßig desinfiziert.
Jedes Schaf, welches sich noch nachträglich juckt oder reibt,
wird sofort gefangen und nachgeschmiert. Nach drei Wochen
ist die Herde, auch wenn sie noch so räudig war, geheilt. Ein
Bad hält Ostertag nicht für erforderlich. Da es aber so vor¬
geschrieben ist, verwendet er die Badekur nach Zündel.
Die Schafräude aus der Liste der anzeigepflichtigen Krank¬
heiten zu streichen, wie dies Landrat von Schwenzel auf der
letzten Generalversammlung der Landwirtschaftskammer für den
Regierungsbezirk Kassel beantragte, hält Ostertag für verfehlt,
weil dann die ,,reinen“ Schäfereien schutzlos der Ansteckung
ausgesetzt wären. Auch würde der mit großen Schwierigkeiten
kämpfenden deutschen Schafzucht insofern ein empfindlicher
Schlag versetzt, als z. B. die Ausfuhr räudekranker Schafe nach
Frankreich verboten und überdies ja auch der Verlust an Wolle
und Fleisch ganz belangreich ist. Rdr.
Tagesgeschichte.
Selbsthilfe gegen die veraltete tierärztliche Taxe.
Vortrag,, gehalten im Verein der Tierärzte Schleswig-Holsteins
von Tierarzt Masch-Wilster.
/. Die im Kreise Schleswig ansässigen Tierärxfe sind überein -
gekommen, nach einheitlicher Taxe xu liquidieren und erklären j
sich xu Hilfeleistungen außerhalb des Ortes während der Nacht
nur dann bereit, wenn Fuhrwerk gestellt wird.
2. Liquidationen sind halbjährlich xu senden.
3. Die Weiterbehandlung eines bereits in Behandlung befindlichen
Tieres darf ohne Einverständnis mit dem behandelnden Kollegen
nicht übernommen teer den.
4. Es ist dringend von der Übernahme eines Jahresfixums ah-
x u raten.
5. Es ist ferner dringend erwünscht , mit der alten Kluppen-
Kastrafionsmethode xu brechen und sich der modernen Richtung
anxuschließen.
fi. Das Abhalten von regelmäßigen Sprechstunden außerhalb des
Wohnortes ist untersagt.
7. Rexepte sind — wenn irgend möglich — nicht ahxugebcn ,
Atteste in möglichst geringer Zahl.
■N. Für Nachtbesuche (von abends 9 Uhr bis morgens 6 Uhr) wird
die Taxe auf das Doppelte erhöht.
Meine Herren! Die sozialen Verhältnisse haben in dem
letzten Jahrzehnt gewaltsam dahin gedrängt, daß die Zu¬
gehörigen der einzelnen Stände sich zu engen Vereinigungen
zusammenfinden mußten. Kein Stand konnte sich auf die Länge
der Zeit der Ansicht verschließen, daß nur in solchen Ver¬
bänden der einzelne den in Ausübung seines Berufes not¬
wendigen Schutz finden und zu dem Ziele gelangen könne, in
eine den sozialen Verhältnissen seines Standes entsprechende
Stellung einzurücken.
Welche oft riesigen Vereinigungen, Verbände heutzutage
bestehen, darüber ist hier kein Wort zu yerlieren.
Diesem Drängen der Zeit folgend, sind die Tierärzte in
ganz Deutschland bald in größeren, bald in kleineren Verbänden
vereint. In solchen werden die Standesinteressen vertreten und
bei unseren Versammlungen die Standesfragen erörtert. Was
können wir Tierärzte in unseren Vereinen zur Förderung
unserer notwendigen Interessen, zur Hebung unseres Standes
in zeitentsprechender Weise erreichen? Darüber, meine geehrten
Herren Kollegen, wird man sich zurzeit in den einzelnen Provinzial¬
vereinen unterhalten. Man ist bestrebt, ohne persönliche Über¬
hebung die rechten Wege zu finden, wie das zu erreichen, was
auch uns Tierärzten nottut.
Im Kreise Schleswig ist in der Versammlung vom 30. August
über eine Reihe Standesfragen in gleicher Weise verhandelt,
wie dies in Westfalen und anderen Provinzen bereits vorher
geschehen.
In der Versammlung zu Schleswig, wo 17 Kollegen aus
den Kreisen Flensburg, Rendsburg, Husum und Schleswig er¬
schienen waren, hat man die ihnen gedruckt vorliegenden acht
Grundsätze aufgestellt, nach welchen die Ausübung der tierärzt¬
lichen Praxis erfolgen soll.
Der Vorstand hat mir nun die Aufgabe gestellt, mich zu
diesen Grundsätzen zu äußern.
Ob man sich solcher Aufgabe leichten Herzens unterziehen
kann, oder ob deren Erfüllung Schwierigkeiten bietet, darüber
mag jeder nach seinem Ermessen urteilen. Ich stehe auf dem
Standpunkt, daß wir zu einem, allen Kollegen willkommenen
Ziele hinsichtlich aüer dieser Fragen, welche in den Grund¬
sätzen angeschnitten sind, nur dann gelangen können, wenn wir
zunächst einmütig uns des Grundsatzes erinnern „Juncti
valemus collidentes frangimor“. Einig lassen Sie uns darin
sein, daß wir in unseren Verbänden nicht nur an eine Förderung
der materiellen Interessen denken, daß eine wahre innere Stärke
unserer Vereinigung nur dann innewohnen kann, wenn wir auch
das Ideale nicht aus den Augen verlieren. Die rechte Freude
980
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 53.
in und für unseren Beruf muß uns beseelen, dann wird, von
kleinen Ärgernissen abgesehen, auch der materielle Erfolg uns
nicht fehlen. Ich persönlich kann nicht dafür eintreten, daß der
einzelne Kollege in Ausübung seines Berufs durch allzueng
gezogene Schranken sich behindert fühlt. Grundsätze, welche
für den einen passen, können für den anderen leicht hinderlich
sein. Persönlichkeiten, Wirkungskreise sind doch nicht überall
gleich. Ein jeder von uns muß wissen, daß er Mitglied eines
Verbandes ist, der auf sich etwas hält nnd der darauf achtet,
daß auch seine Mitglieder ihre Stellung würdig ausfüllen.
Von solchen Erwägungen ausgehend, will ich in eine kurze
Besprechung der uns mitgeteilten acht Grundsätze eintreten.
Meine Herren! Seit den letzten dreißig Jahren sind die
ländlichen Besitzungen und erst recht alle landwirtschaftlichen
Produkte, besonders aber das Vieh, als Pferde, Rinder und
Schweine, um zirka 30—50 Proz. und noch mehr in ihrem
Werte gestiegen. Ebenso sind auch alle industriellen Erzeug-,
nisse in dem letzten Jahrzehnt im Preise ganz rapide in die
Höhe gegangen. Mit, diesen Steigerungen mußten naturgemäß
auch die Löhne für die Land- und Fabrikarbeiter, sowie der
Verdienst der Handwerker den Bedürfnissen entsprechend ge¬
steigert werden. Durch die Erhöhung der Lebensmittelpreise
sowie die Preissteigerung für alle anderen Lebensbedürfnisse
wurde es ebenfalls nötig, die Gehälter der Beamten, einerlei,
welchem Berufe sie angehören, aufzubessern. Ebenso haben
sich andere Berufsklassen, als Anwälte, Ärzte usw. zusammen¬
getan, um ihren Verdienst mit den gesteigerten Lebensbedürfnissen
in Einklang zu bringen. Was sich in dieser Hinsicht erreichen
läßt, wenn alle Berufsgenossen einmütig Zusammenhalten, das
zeigt uns der Leipziger Verband der Ärzte.
Also alle, Arbeiter, Handwerker, Beamte und sonstige
BerufBklassen sind dem Drange der Zeit gefolgt und haben ihre
Einnahmen zu den für das Leben notwendigen Ausgaben ins
richtige Verhältnis zu bringen gesucht. Nur wir Tierärzte sind
zum großen Teile noch zurückgeblieben und liquidieren für
unsere Hilfeleistungen noch dieselben bescheidenen Preise, die
schon vor 30 Jahren, als das zu behandelnde Objekt nur einen
geringen Wert hatte, in Ansatz gebracht wurden. Durch solche
vorweltlichen, dem Grade unserer Vor- und Ausbildung nicht
entsprechenden Preise wird es vielen, besonders aber jüngeren
Kollegen recht schwierig gemacht, sich redlich, d. h. ihrer
Bildung entsprechend, durchs Leben zu schlagen, weshalb denn
auch recht viele Tierärzte lieber eine Beschäftigung am Schlacht¬
hause oder Hygienischen Institut oder dergleichen suchen, als
sich der mühsamen und oft noch mit materiellen Sorgen ver¬
knüpften Privatpraxis zu widmen. Aber die auskömmlichen
Stellen an genannten Instituten sind auch nicht so reichlich
aufgetischt, es ist stets mehr Nachfrage als Angebot, das sieht
man an den vielen Inseraten in unseren laufenden Zeitschriften,
in denen junge Kollegen Stellung suchen und bereit sind, jede
auch noch so kärglich dotierte Stellung anzunehmen, nur, um
vor äußerster Not bewahrt zu bleiben. Andere, denen es ver¬
sagt blieb, eine Stellung am Schlachthof zu erhalten, stürzen
sich in die Praxis und suchen nun mit aller Gewalt und oft
auch wohl mit nicht ganz einwandfreien Mitteln, einen Kunden¬
kreis zu erwerben. Mancher ideal veranlagte Tierarzt mag
über das, unserem Stande oft unwürdige Gebaren eines solchen
Kollegen die Nase rümpfen, aber er muß wohl bedenken, daß
der betreffende meist nicht aus eigenem Triebe, sondern der
Not gehorchend, so handelt, ohne zu überlegen, daß er sein
eigenes Ansehen und das seines ganzen Standes in den Augen
des Publikums untergräbt; denn auch der gebildete Landmann
begleitet das Auftreten eines solchen Tierarztes nur mit einem
höhnischen Lächeln.
Ganz anders ist das Verhalten derjenigen praktizierenden
Tierärzte zu beurteilen, die da Landtouren von 15 bis 20 km
und noch mehr, bis in den Wohnort des Nachbarkollegen oder
noch darüber hinausfahren für einen Preis, den der Nachbar¬
kollege im Wohnorte liquidiert. Die Landleute konsultieren einen
Tierarzt mit so niedrigen Preisen gern und nehmen ihren eigenen
Vorteil wahr; im übrigen aber haben sie für seine Habgier oder
seinen zweifelhaften Dünkel „Hier! Ich bin der Tüchtigere, ich
werde weit und breit geholt“, nur ein verächtliches Achsel¬
zucken. Wir aber, meine Herren, müßten ein solches Verhalten,
welches das Ansehen unseres ganzen Standes tief herabdrückt,
einfach als trivial bezeichnen. Das Wort ist heraus, verzeihen
Sie, meine Herren, diesen scharfen Ausdruck. Aber ich merke,
ich schweife ab, ich wollte ja über einheitliche Taxe sprechen.
Meine Herren! Wenn Sie meinen Ausführungen gefolgt
sind, werden Sie leicht begreifen, daß wir, ebensowenig wie die
Schwarzen und die Roten, deren Zugehörige doch unter sehr
scharfer Kontrolle stehen, es bis jetzt nicht vermocht haben,
all ihre Schäfchen unter einen Hut zu bringen, ebensowenig es
fertig bringen werden, daß all unsere Kollegen in der ganzen
Provinz für ihre Leistungen gleiche Preise liquidieren.
Von diesen Erwägungen ausgehend, haben denn auch die
am 30. August in Schleswig versammelten Herren nur eine
Mindesttaxe festgelegt, und zwar so niedrig, daß die gewerbs¬
mäßigen Empiriker meistens darüber hinausgehen. Es wäre
wirklich unseres ganzen Standes unwürdig, wenn wir mit
unseren Forderungen noch unter dieser vorgeschlagenen Mindest¬
taxe bleiben würden.
Die zweite Forderung in dem unter Nr. 1 aufgeführten
Grundsätze, wonach wir uns zur Nachtzeit zu Hilfeleistungen
außerhalb des Wohnortes nur dann bereit erklären sollen, wenn
Fuhrwerk gestellt wird, hat mich nicht allein in Staunen ver¬
setzt, sondern sogar sehr unangenehm berührt. Wie wäre es,
meine Herren, wenn nachts jemand käme, der nur ein Pferd
hat und gerade dieses wäre krank, oder er hat gar kein Pferd,
sondern nur eine Kuh oder gar nur eine *Ziege, die nicht ge¬
bären kann, und die sein ganzes Vermögen repräsentiert, wollten
Sie auch diesem Mann Ihre Hilfe versagen, weil er außerstande
ist, ein Fuhrwerk zu stellen? Das hieße doch, ihn direkt dem
Pfuscher in die Arme treiben. Der Empiriker würde meilen¬
weit mitgehen und der Hilfesuchende würde ihm dankbaren
Herzens und freudig seinen ganzen Wochenlohn opfern, auch
wenn die Kur zu seinem Nachteil ausgefallen wäre. Den be¬
treffenden Tierarzt aber würde er verfluchen und jede erdenk¬
liche Gelegenheit benutzen, um seine Mitmenschen vor diesem
zu warnen.
Dem unter 2 aufgestellten Grundsatz, wonach Liquidationen
halbjährlich zu senden sind, dürfen wir alle wohl freudig zu¬
stimmen.
Der Landwirt von heute ist ein sehr scharfer Rechner, er
verkauft seine Produkte nur gegen bar und trägt das empfan¬
gene Geld, sofern er es nicht anderweitig verwenden will, sofort
auf die Bank oder zur Sparkasse, um es zinstragend zu belegen.
Wir aber, meine Herren,, die wir unsere Rechnungen nur all-
981
1S H K LI NEU TIEKÄKZTLICH E WOCHENSCHRIFT.
1. Dezember 1908
jährlich ausstellen, verlieren, wenn wir brutto 10000 M. im
Buche haben, jährlich 2—300 M. an Zinsen, die unsere Kunden
vorweg eingeheimst haben. Meine Herren, das ist also nicht
kaufmännisch gerechnet. Hierzu kommt noch ein zweiter,
größerer Übelstand. Der junge Anfänger, der von Hause aus
nicht so viel Barmittel mitgebracht hat, daß er ein ganzes
Jahr sorgenlos davon leben und alle die noch zum Geschäfte
gehörigen, laufenden Ausgaben für Fuhrwerk, Arzneien, Instru¬
mente, Verbandstoffe und Bücher usw. bezahlen kann, oder der
gar noch ein Minusvermögen aus der Studienzeit mitgebracht
hat, der ist unter diesen Verhältnissen gezwungen, das ganze
Jahr auf Pump zu leben, was natürlich noch viel höhere Zinsen
frißt und ihn womöglich nicht ganz einwandfreien Manichäern
in die Hände treibt. Wenn nun das Jahr um ist und er hat
mit den eingegangenen Geldern seine Schulden bezahlt, dann
steht er mit seinen Kenntnissen wieder allein und die Pump¬
wirtschaft muß von neuem beginnen, was nicht gerade zur Er¬
höhung seines Ansehens beiträgt. Ferner hat die Rechnungs¬
ausstellung in kürzeren Fristen noch den Vorteil, daß die
Summen nicht so groß und von den Kunden leichter bezahlt
werden, was besonders bei den ärmeren und säumigen Zahlern
zutrifft. Es erscheint daher dringend geboten, unsere Liqui¬
dationen halbjährlich, und noch besser quartaliter auszustellen,
wie solches von den Ärzten, Anwälten, von allen Kaufleuten
und Handwerkern schon seit einer Reihe von Jahren eingeführt
worden ist.
Dem unter Nr. 3 aufgestellten, wohl am schwersten ins
Gewicht fallenden Grundsatz kommen wir am leichtesten nach,
wenn wir uns als Kollegen und nicht als Konkurrenten be¬
trachten. Wenn die Kollegen einmütig Zusammenhalten, dann
kann das Publikum gar nichts gegen uns machen; wir und auch
unser ganzer Stand können dadurch in der Achtung des
Publikums nur steigen. Nichts ist mehr geeignet, das Ansehen
der Tierärzte zu fördern, als dieser Grundsatz. Wenn es auch
nicht in jedem Falle angängig sein mag, daß der zuerst be¬
handelnde Tierarzt vor der Übernahme der Weiterbehandlung
eines Patienten benachrichtigt wird, so muß man doch dem Be¬
sitzer klar machen, daß man solches lieber gesehen, oder am
liebsten mit dem Kollegen zusammen konsultiert hätte. Viel- |
fach verschweigt der Besitzer aber auch, daß der Patient vor¬
her von einem anderen Kollegen behandelt war. Häufig aber
auch versucht der Besitzer, die Behandlungsmethode des ersten
Tierarztes zu kritisieren oder abfällig zu beurteilen, um dem
zweiten Tierarzt zu schmeicheln. Wehe dem Tierarzt, der sich
in überhebendem Dünkel dadurch geschmeichelt fühlt und ihm,
sei es durch eine zustimmende Geberde oder gar durch Wort
beipflichtet; der Besitzer wird bei nächster Gelegenheit wieder
zu seinem früheren Tierarzt zurückkehren und ihm, zu seiner
Entschuldigung, brühwarm erzählen: „Ja, Ihr Kollege war aber
auch der Ansicht, daß Ihre Behandlung nicht die richtige war.“
Die natürliche Folge davon würde sein, daß die beiden Kollegen
sich fortan scheel ansehen, oder gar in unstillbaren Haß ver¬
fallen. Derartige herabwürdigende Verdächtigungen der Tier¬
ärzte seitens des Publikums können nicht schroff genug zurück¬
gewiesen werden. Dadurch erst zwingt man dem Landwirt
Achtung ab vor unserem ganzen Stand.
Ob es zu 4 ratsam oder nicht ratsam ist, die Behandlung
eines Viehbestandes für ein Jabresfixum zu überlassen, darüber
kann ich mir kein Urteil erlauben, denn ich habe noch nie, ab¬
gesehen von der Fleischbeschau, für ein Jahresfixum gearbeitet
und so viel mir bekannt, ist solches auch an der ganzen West¬
küste unserer Provinz nicht Sitte. Dieser Modus wird meines
Wissens nur auf den großen Gütern gehandhabt und muß ich
daher das Urteil denjenigen Kollegen überlassen, die ihr Ein¬
kommen aus solchen Jahresabschlüssen beziehen.
Meine Herren! Die Wissenschaft schreitet stetig vorwärts,
was heute als Norm hingestellt wird, ist morgen nicht mehr zu¬
treffend, wer nicht mit der Wissenschaft vorwärts schreitet, der
geht zurück, einen Stillstand gibt es nicht. Die größten Fort¬
schritte sind nächst der Bakteriologie wohl in der Chirurgie zu
verzeichnen. Sie alle wissen, meine Herren, daß wir heute
bald vor keinem chirurgischen Eingriff zurückschrecken brauchen.
Dieser Fortschritt fällt dem Landwirt am meisten in der Ge¬
burtshilfe und den täglich vorkommenden Kastrationen in die
Augen. Wir haben bei letzteren mit der Kluppenmethode längst
gebrochen, sie mußte vor zirka zehn Jahren der Kastrations¬
methode vermittelst Emaskulators resp. der von verschiedenen
Konstrukteuren zweckmäßig abgeänderten Sandschen Zange
weichen. Diese Methode, die so furchtbar einfach und so wenig
nachhaltig in das Empfinden des Kastraten einzugreifen scheint,
zwang dem Tierbesitzer hohe Bewunderung ab. Aber gerade
infolge der verblüffend einfachen Handhabung dieser Instrumente
sind wir schon längst nicht mehr die alleinigen Beherrscher
dieser Kastrationsmethode. Fast alle gewerbsmäßigen Kastrierer
und auch schon recht viele Bauern haben sich diese Zangen
von der Firma Hauptner-Berlin kommen lassen und kastrieren
ihre Bullen, Kälber und Eber selbst, ja nicht bloß die eigenen,
sondern auch vielfach noch die ihrer Nachbarn.
Ich habe in den beiden letzten Jahren, besonders ira letzten
Winter und auch in der heißen Jahreszeit, verschiedene
Kastrationen bei Hengsten und Bullen aseptisch ausgeführt und
die Wundränder sofort wieder vernäht. Eine Schwellung des
Operationsfeldes trat nur in ganz geringem Maße ein und die
Heilung erfolgte in ganz kurzer Zeit per primam. Diese
Methode hat den Vorteil, daß eine Infektion der Wunde unter
allen Umständen vermieden wird und daß sie von dem Laien
nicht nachgeahmt werden kann, da ihm das Verständnis für eine
vollkommene Asepsis abhanden geht.
Ich möchte Ihnen dringend empfehlen, meine Herren, sich
stets den neusten Errungenschaften in der Chirurgie anzupassen
und besonders bei sehr schmerzhaften Operationen die Narkose
anzuwenden, oder, wo solche unter gegebenen Umständen nicht
tunlich erscheint, sich der^Lokalanästhesie zu bedienen, denn
gerade darin stehen wir so hoch über dem Empiriker.
Was nun 6. das Abhalten von regelmäßigen Sprechstunden
außerhalb des Wohnortes und die regelmäßigen Rundfahrten
anbetrifft, so sind diese absolut zu verpönen, denn wir sind
weder Scherenschleifer noch Siebmacher, die in gewissen Zeit¬
abschnitten von Dorf zu Dorf fahren und sich dann Haus bei
Haus zum Schleifen stumpfer Scheren oder zur Ausbesserung
defekter Siebe anbieten. Meine Herren, eine solche Hausier¬
praxis ist unserer unwürdig, man soll sie den Zigeunern und
Wahrsagern überlassen. Auch mit dem Abgeben von Rezepten
hat man vielfach recht traurige Erfahrungen gemacht; nicht
allein, daß der Apotheker solche gelegentlich weiter benutzt,
sondern besonders auch, weil sie vielfach im ganzen Dorfe und
der näheren Verwandtschaft herumwandern und hierdurch nicht
1)82
HEHLINEU TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. . r >3.
nur der Tierarzt umgangen und in seinem Verdienste geschmälert,
sondern auch vielfach großer Unfug damit angerichtet wird.
Dieses erinnert mich an ein Bild in einem früheren Jahr¬
gange der Fliegenden Blätter: „Steht da ein Bäuerlein hinter
seinem Zaun und raucht seine Pfeife. Sein Nachbar kommt
und sagt: Du Nahwer! min Kauli is krank, Din wär jo nülich
ok krank, giff mi doch mal dat Rezept. Jawoll Nahwer! Er
holt das Rezept und übergibt es dem Nachbarn. Am nächsten
Tage erscheint dieser wieder, kratzt sich hinter den Ohren und
sagt: Du Nahwer! Dat Rezept is min Kauli awerst siecht
bekanfn, se is krepiert! Ja - - sagt der erstere: Dat is
min ok.“ —
Ferner dürfen wir mit dem Abgeben von Attesten nicht so
leicht bei der Hand sein, weil sie oft nur dazu dienen sollen»
dem einen oder anderen einen nicht ganz einwandfreien Vorteil
einzubringen. Hierzu dürfen wir die Hand nicht bieten.
Endlich, für Nachtbesuche ist die Taxe anf das Doppelte
zu erhöhen.
Meine Herren! Es kommt recht häufig vor, daß ein Pferd
schon den ganzen Tag über an Kolik erkrankt war. Da werden
alle Nachbarn zusammengetrommelt, der eine weiß diesen Rat»
der andere jenen. Der eine hat dies schon mal erlebt und der
andere schon ganz was anderes und alle Mittel werden durch¬
probiert. Die Nachbarn sitzen den ganzen Tag mit im Stall
und unterhalten den Besitzer. Wenn es aber Abend wird, sagt
der erste Nachbar: „Ja Nahwer, ik will nu to Bett, wenn wat
passieren sehull, denn schick man Order, denn kam ik gliks
wedder.“ „Ja, velen Dank ok Nahwer.“ — Ebenso verfahren
auch der zweite und dritte Nachbar. Jetzt sitzt der Besitzer
allein bei seinem Kranken und langweilt sich. Sobald nun der
Patient unruhig wird, bekommt der Bauer es mit der Angst,
er hat ja keinen mehr, mit dein er den Fall besprechen könnte;
er holt schleunigst den Knecht oder Dienstjungen aus dem Bett
und schickt ihn zum Tierarzt mit der Weisung, daß er sofort
hinkommen möchte, ohne zu bedenken, daß auch der Tierarzt
seiner Nachtruhe bedürftig ist.
Der Geldbeutel ist aber ein kitzlicher Punkt, wenn der
Viehbesitzer weiß, daß er nachts doppelt bezahlen muß, richtet
er sich meistens schon so ein, daß er den Tierarzt am Tage
konsultiert.
Hiermit will ich meine Ausführungen schließen, meine
Herren, mit dem Wunsche, daß die nun folgenden Debatten zu
einem uns alle befriedigenden Ziele führen mögen.
Bernfs-ÜberfüHuiig.
Von Dr. med. vet Uhl mann-Lengefeld i. Krzgh.
Zu dem Artikel „Berufsüberfüllung“ in Nr. 40 der „B. T. W.“
kann ich nicht schweigen, obwohl ich mich mit mancher Ansicht
des Verfassers identifiziere. In einem Punkte besonders nicht.
Es sollen immer nur die jungen Kollegen mit dem großen
Einkommen, zwar solche, die sich damit brüsten, die Schuld
tragen au der beklagenswerten Proletarisierung unseres Berufes.
Ist hier nicht ein Widerspruch? Erst werden die jungen Tier¬
ärzte beschuldigt, in weiteren Schriftsätzen werden die „lukrativen“
Stellenangebote in den Fachzeitschriften glossiert, zuletzt wird
nachgererhnet. wie hoch denn in Wirklichkeit ein tierärztliches
Einkommen steigen kann. Am Schluß der Appell an die tier¬
ärztlichen Vereine behufs Aufklärung der Abiturienten.
Alles sehr gut gemeint! Wird die Sache im Kern getroffen?
Sind nach den Ausführungen des Kollegen die „Jungen“ wirklich
immer nur die Schuldigen?
Der Praktiker, mit wenig Zeit wie immer, liest den Artikel
und freut sich, daß es doch noch Leute gibt, die aufpassen, wie
die Vogel des Kapitols, denen ihre Tätigkeit noch Zeit läßt,
Artikel in die Zeitung zu lancieren. Wenn nur von Zeit zu
Zeit ein Warnungsruf ertönt, so ist der „Praktische“ zufrieden,
schläft weiter.
Mir war es schwer, die bekannte Seitenbewegung der
Mundwinkel zu unterdrücken, als ich die Nr. 40 beiseite
legte. Vergleichsweise fiel mir ein, mit welchen Mitteln die
Verbindungen an unseren Hochschulen sich ihren heiß ersehnten
Nachwuchs zu sichern suchen. Die ähnliche Methode der Fuchs¬
gewinnung an anderen Hochschulen kann hier füglich nicht zum
Vergleich dienen, weil diese Verbindungen keine Fachkorpo¬
rationen, wie bei uns, repräsentieren.
Zu den illustren Mitteln gehört unter anderen das Keilen
der alten Herren in den Städten mit höheren Schulen. Dies
mag seine Berechtigung haben, sobald ein alter Couleurstudent
| einen Mulus für seine Verbindung keilt, der bereits sicher fürs
I tierärztliche Studium sich entschieden hatte. Wenn aber Tier¬
ärzte in ihrer Keilwut sich so w r eit hinreißen lassen, noch
schwankende durch die Kraft ihrer Rede dahin zu bringen,
Veterinärmedizin zu studieren, um sie natürlich auch in die
betreffende Korporation hineinzulavieren, so betrachte ich dies,
gelinde gesagt, als eine Todsünde gegen unseren Beruf als
Praktiker. Als Praktiker sage ich. Der beamtete und der
Schlachthoftierarzt steht der Überfüllung schon bedeutend kühler
gegenüber. Kann es nach den heutigen Verhältnissen auch.
Ihnen erwächst nicht die sogenannte Konkurrenz wie den prak¬
tizierenden Veterinären. Letztere müssen alles aufnehmen. Solche,
die das amtliche in der Tasche, auf Anstellung lebenslänglich
warten, wieder solche, die wegen allzu großer fleischbeschau¬
licher Tüchtigkeit einen Schlachthofposten nie erreichen. Zur
Praxis reichte noch immer!
Doch zurück zum Nachwuchs! Hier gehört die Sonde auch
angesetzt. Ich bin der letzte, der gegen das Wachsen, Blühen
und Gedeihen unserer tierärztlichen Verbindungen einen Stein
würfe. Daß aber in der recht in Aufnahme gekommenen
Methode, die ich kennzeichnete, für den gesamten Stand eine
schwere Gefahr liegt, muß jeder sehen, dem des Blickes Schärfe
nicht durch die ermüdende Couleurbrille gestumpft ward.
Die tierärztlichen Vereine dagegen mobil zu machen, stiftet
m. A. nach nicht den ersehnten Nutzen. Die sind zu etwas
anderem da. In deren Versammlungen werden vielfach ganz
neue Errungenschaften der Wissenschaft der staunenden Zuhörer¬
schaft übermittelt. Sie dienen mehr informatorischen, instruktiven
Zwecken und führen die praktischen Tierärzte herrlichen Zielen
entgegen.
Vollständig abseits hiervon noch einige Streiflichter: Vor
ca. einer Woche stand in den „Leipziger N. N.“ ein Artikel,
wonach den Pädagogen die Erwerbung des Doktortitels nicht
mehr in Aussicht stand. Nur Maturp sollten ihn noch erwerben
können. Prompt acht Tage später stand an gleicher Stelle:
Der Verein akademisch gebildeter Seminarlehrer hätte sich in
beregter Frage ans Ministerium um Auskunft gewandt. Diese
Behörde hätte von ersterer Zeitungsmeldung nichts gewußt, die
j Möglichkeit für die Pädagogen zu promovieren, nach wie vor
31. Deze mber 190«. BERLINER TIERÄRZTE!
nach den bisherigen Bestimmungen ins Bereich der Möglichkeit
gestellt.
Hierzu paßt nachstehendes: In letzter Nummer der Tier¬
ärztlichen Rundschau fragt ein Kollege an, welche Auskunft die
oberste Behörde auf eine vor langer, langer Zeit erfolgte Ein¬
gabe des „Deutschen Veterinärrats“ behufs Anerkennung des
Doctor helvet. gegeben habe. — Jedenfalls noch im Stande der
Erhebungen und Erwägungen.
Die sächsischen Lehrer halten wenigstens einmal im Jahre
eine Wanderversammlung mit erschütternden Resolutionen als
Beratungsgegenständen ab. In einem größeren Orte stets, wo
Sitz mehrerer Behörden. Zu den Versammlungen erscheinen,
wie ich mir vorstelle, auf Einladung regelmäßig die obersten
Beamten der Stadt, bringen Willkommen aus und wünschen
guten Fortgang .... Auch erscheint vom Ministerium ein
Geheimrat, um den Versammelten die Huld der Regierung zu
versichern. Um ihnen zu sagen, wie großen Wert man ira
Ministerium auf ihre Beratungsgegenstände legt.
Wenn Tierärzte, speziell praktische, Zusammenkommen, ist
es anders. Quantitö negligeable! Wir, die folgsamen Kinder,
die sich immer nur freuen, wenn einigen Vertretern des Standes
gewisse Ehrungen in den Schoß geworfen werden. Sonst aber
nur auf die Brosamen, die vom Tische fallen, warten.
Dort bei den Pädagogen. Eine einzige schiefe Beurteilung
des Standes in der Zeitung, bei Behörden, beim Ministerium !
Sofort setzt eine — einmütige — polemische Behandlung des
Gegenstandes ein, die ihresgleichen sucht. — Jedoch, sie
erreichen was!
Wir haben immer einen vollen Bauch, sind satt.
Unterstfitzungsverein für Tierärzte.
Der Unterstützungsverein ist nach Kräften bemüht, in allen
Fällen, in denen sich Tierärzte oder Hinterbliebene solcher in
Not befinden, nach Maßgabe seiner Mittel zu helfen. Wenn
dies nicht immer ganz gelingt, so liegt dies einesteils daran,
daß die Not zu groß ist, andernteils, daß unsere Mittel zu
klein sind. Es ist daher nicht zu vermeiden, daß trotz des
Bestehens des Unterstützungsvereins in einzelnen Fällen immer
wieder zur Hilfeleistung öffentlich aufgefordert werden muß.
Dies war jetzt wieder der Fall, als der seit Jahren gelähmte
und arbeitsunfähig gewesene Tierarzt Jak ob sohn in Friedrichs¬
hagen starb und seine Frau und Kinder völlig mittellos zurück¬
ließ. Jakobsohn hat durch den' Unterstützungsverein fast
sechs Jahre hindurch teils regelmäßige, teils außerordentliche
Unterstützungen erhalten. Als er starb, ließ es sich der
Unterstützungsverein nicht nehmen, auch hier wieder helfend
einzugreifen. Da unsere Mittel jedoch sehr beschränkt sind,
so konnte auch unsere Unterstützung nur eine beschränkte sein,
und da sehr große Not vorlag, so mußte auch von anderer
Seite eingegriffen werden. Das ist u. a. auch geschehen von
seiten des Vereins beamteter Tierärzte und des Verbandes der
Privattierärzte. Einzelnen Herren Kollegen scheint dieses
jedoch noch nicht zu genügen. So bat uns kürzlich ein Herr
Kollege, seinen Namen als Mitglied des Unterstützungsvereins
für Tierärzte streichen zu wollen. Er habe für die Familie
Jakobsohn in Friedrichshagen fünf Mark abgesandt, er werde
von jetzt an direkt unterstützen.
Nachdem er nun seinen Austritt erklärt hat, bittet dieser
Herr in demselben Atem als Mitglied des Unterstützungsvereins,
CHE WO< 1IENSCHR1FT. 983
daß der Verein die Familie Jakobsohn doch reichlich unter¬
stützen möge. Wir danken dem Herrn Kollegen für seine
Anregung; aus vorstehendem möge er jedoch ersehen, daß wir
seinem Wunsche längst zuvorgekommen sind. Die Absicht des
Herrn Kollegen, von jetzt an direkt unterstützen zu wollen, ist
ja sehr löblich, und wenn viele so denken wollten, wäre ein
Unterstützungsverein überflüssig. Da es aber viele vorziehen,
lieber regelmäßig Beiträge zu zahlen als im Einzelfalle unter
ihrem Namen kleine Unterstützungen auszuteilen, so bedarf es
einer größeren Organisation, welche ihrerseits die Auszahlung
von größeren Unterstützungen in die Hand nimmt. Diese bedarf
natürlich einer sehr tätigen Unterstützung seitens der Tierärzte
durch Anmeldung zur Mitgliedschaft. Es sollte daher kein Kollege
versäumen, dem Unterstützungsverein für Tierärzte beizutreten,
damit dieser in die Lage versetzt wird, alle erforderlichen
Unterstützungen übernehmen zu können, und damit endlich einmal
die öffentlichen Aufrufe zur Mildtätigkeit aus unseren Fachblättern
verschwinden. Viel werktätige Hilfe ist uns in unserem Unter¬
nehmen schon zuteil geworden. So hat die Wirtschaftsgenossen¬
schaft deutscher Tierärzte uns auch diesmal wieder zu Weih¬
nachten 1500 M. überwiesen, um damit bedürftigen Tierärzten
oder Hinterbliebenen solcher eine Weihnachtsfreude machen zu
können. Tausend Dank den hochherzigen Spendern. Eine eben¬
solche Weihnachtsfreude würden aber auch alle diejenigen Herrn
Kollegen, die noch nicht Mitglied unseres Vereins sind, unseren
Schützlingen bereiten, wenn sie jetzt bei Gelegenheit des Weih¬
nachtsfestes dem Unterstützungsverein beitreten.
Anmeldungen zum Beitritt nimmt der Unterzeichnete Vor¬
sitzende. sowie der Schatzmeister Herr Veterinärrat Heyne in
Posen an, außerdem auch die übrigen Mitglieder des Vorstandes,
die Herren Geh. Rat Esser-Göttingen, Prof. Dr. Schmaltz-
Berlin und Veterinärrat Dr. Arndt-Berlin.
Veterinärrat Preuße-Danzig.
Eröffnung des Kolonialinstituts.
Das Kolonialinstitut in Hamburg wurde am 20. Oktober
durch eine würdige Feier eröffnet. Anwesend waren Vertreter
des Reichs, des Hamburgischen Senats, die Spitzen der Zivil¬
und Militärbehörden und ein Kreis von Gelehrten und Kaufleuten.
Das Lehrerkollegium war vollzählig versammelt. Im Namen
des Reichs begrüßte Staatssekretär Dernburg in warmen
Worten die Schaffung einer Stätte zur Ausbildung der Beamten
für die Kolonien und zur Förderung der wirtschaftlichen Interessen
der Schutzgebiete durch wissenschaftliche Arbeit. „Der Boden“,
so führte der Staatssekretär aus, „war in Hamburg für das
Kolonialinstitut längst gut vorbereitet, aber die große Tatkraft,
mit der das Unternehmen angegriffen wurde, als das Institut
ins Leben treten sollte, ist bewundernswert. In kurzer Zeit ist
eine bedeutende Anstalt auf die Füße gestellt worden!“
Der Staatssekretär wandte sich darauf den Aufgaben und
Zielen des Hamburgischen Kolonialinstitutes zu, im wesentlichen
den allgemeinen Aufgaben: „Wir hoffen und wünschen, daß die
in Hamburg gepflegte Wissenschaft der wissenschaftlichen
Kolonialkunde eine Zentralstätte werde. Den Schülern des *
Hamburgischen Kolonialinstitutes wünschen wir, daß ihnen —
seien sie Farmer, Pflanzer, Kaufleute, Beamte — das unent¬
behrliche Rüstzeug mitgegeben wird, das sie drüben brauchen,
wenn sie hinausgehen. Zu einem tüchtigen Verwaltungsbeamten
oder Pflanzer oder Kaufmann gehört Begabung und Erfahrung.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 53.
984
Aber es wird jeder lernen, für die mannigfachen Fragen, die
drüben an ihn herantreten, die richtige Anknüpfung zur Be¬
antwortung zu linden. Im Institut werden die wichtigsten
Probleme des Kolonialwesens zur Erörterung kommen.
Die Schüler sollten auch gleich hier für die richtige Sanierung
ihres Körpers sorgen.“
Der Staatssekretär hob dann hervor, daß im Kolonialinstitut
junge Leute aus allen Schichten gemeinsam und einträchtig
theoretischen Unterricht über das gesamte Kolonialwesen er¬
halten und für die Praxis vorbereitet werden: Juristen mit ab¬
geschlossener Berufsbildung, Ärzte, Zollbeamte, Kaufleute,
Farmer: „Sie alle sollen jeder für das Gebiet des anderen
Verständnis erlangen, und so soll es allmählich zu einer gerechten
Würdigung anderer in den Kolonien kommen. Wer mit einem
anderen gemeinsam auf derselben Schulbank gesessen hat, der
wird den eigenen Beruf nicht überschätzen und den des anderen
nicht unterschätzen, sondern diesen als gleich wertvoll an¬
erkennen. So soll und wird drüben eine gesellschaftliche Wert¬
schätzung entstehen, die auch auf die Heimat nicht ohne Rück¬
wirkung bleiben wird.
Mein Wahlspruch, den ich heute dem Kolonialinstitut mit¬
gebe, ist dieser:
Der Erfolg einer Kolonisationsarbeit hängt nicht von unserer
Machtstellung ab auch nicht von dem Maße der Wohlhabenheit
des einzelnen in den Kolonien, vielmehr von dem Geist, in dem
alle arbeiten an der Lösung der ethischen und kulturellen Auf¬
gaben. Nur die Nation, die diese Aufgaben mit gebührendem
Emst angreift, wird mit Ehren bestehen im Kolonisieren vor
der Mit- und Nachwelt.“
*
Geh.-Rat Dr. Stuhlmann ist zum Generalsekretär des
Kolonialinstituts ernannt worden.
*
Ausbildung der Kolonialbeamten.
Mit der Eröffnung des Hamburger Kolonialinstituts treten
für die Ausbildung der Kolonialbeamten neue Bestimmungen in
Kraft. Hamburg wird in Zukunft die Beamten für Deutsch-
Südwestafrika, Kamerun und Togo, also die westafrikanischen
Schutzgebiete, ausbilden, Berlin diejenigen für Deutsch-Ostafrika
und die Schutzgebiete in der Südsee. Die Ausbildung in Berlin
erfolgt am Orientalischen Seminar und auf der Handelshochschule.
Die Anwärter haben jetzt das Recht, unter den Kolonien zu
wählen, während sich bisher alle Beamten für alle Kolonien
verpflichten mußten.
Zur* Geschichte der internationalen tierärztlichen
Kongresse.
In Nr. 33, S. 586 der B. T. W. habe ich einige Angaben
über die internationalen tierärztlichen Kongresse gemacht und
zugleich ein Fragment aus einer Photographie veröffentlicht,
welche von 50 Teilnehmern am ersten Kongreß zu Hamburg
aufgenommen worden war. Diese Veröffentlichung ist an¬
scheinend mit Interesse aufgenommen worden und hat eine gute
Wirkung insofern gehabt, als einige Irrtümer aufgeklärt worden
sind, die sich namentlich auch auf das Kongreßbild beziehen.
Zunächst verdanke ich meinem verehrten Kollegen, dem Biblio¬
thekar des Veterinärinstituts zu Dorpat Herrn Professor emer.
Rosenberg die Mitteilung, daß auch von den ersten drei
Kongressen selbständige amtliche Berichte vorhanden sind. Der
amtliche Bericht über den ersten Kongreß ist von Hering und
Probstmayr verfaßt und befindet sich sogar auf der Universität
zu Berlin. Der Bericht über den zweiten Kongreß ist von
Roll und Förster veröffentlicht, Wien 1865. Der dritte
Kongreßbericht ist in Zürich 1865 von Zanger herausgegeben.
Über den ersten und zweiten Kongreß sind auch Berichte in
englischer Sprache erschienen; sie finden sich in einem Werk;
The cattle plague von Gamgee, London 1868, worauf mich Herr
Dr. Knuth-Berlin aufmerksam gemacht hat. Dem interessanten
Bilde der Teilnehmer am ersten Kongresse ist sogar eine ge¬
druckte Skizze mit Namenregister beigegeben worden; Herr
Veterinärrat Struve-Altona, in dessen Besitz sich ebenfalls
ein Exemplar des Bildes befindet, hat die Freundlichkeit gehabt,
mir dieselbe zu übersenden. Danach ist der Nachbar von Roll
in der sitzenden Reihe Falke-Jena; die am Boden sitzende
Persönlichkeit ist der Professor Köhne. Unterberger sen.
ist irrtümlich von mir als Haubner bezeichnet worden. Der
zwischen Leisering und Fürstenberg stehende alte Herr ist
W T üst, und zwischen ihm und Fürstenberg erscheint der
interessante Kopf des verdienten Direktors der Münchener Tier-
arzneiSchule Probstmayr. Leider ist auf dem wiedergegebenen
Ausschnitt des Bildes gerade der links neben Röll sitzende Be¬
gründer der Kongresse Gamgee ausgefallen, dessen Bild ge¬
legentlich besonders veröffentlicht werden soll. Den freundlichen
Zusendern der Ergänzung zu meinen Notizen sage ich meinen
verbindlichsten Dank. Schmaltz.
Sachsen-Weimar.
Zu denjenigen Staaten, die den Veterinärrats-Titel verleihen,
ist als erster in Thüringen nunmehr auch das Großherzogtum
Weimar getreten, indem die Bezirkstierärzte Hepke in Weimar
und Krüger in Eisenach nach über 25jähriger Dienstzeit vom
Großherzog hierzu ernannt wurden. Zwei Bezirkstierärzte sind
auch staatlich ernannte Zuchtinspektoren. Einer davon hat das
betr. Zuchtinspektoren-Examen in Jena vor 14 Tagen „magna cum
laude“ bestanden. Auch hören wir, daß eine Tierärztekammer
angestrebt wird. Noch fehlt ein tierärztlicher Referent im
Ministerium, über das Veterinärwesen referiert ein Mediziner.
Hoffentlich tritt auch in diesem Punkte bald Weimar dem Bei¬
spiele von Anhalt, Baden usw. bei.
Professoren und Naturforscherversammlung.
Anläßlich der Naturfors.cherversammlung zu Köln haben die
tierärztlichen Professoren einen milden Tadel erhalten darüber, daß
sie sich an dieser Versammlung nicht beteiligt haben (vgl. B. T. W.
Nr. 46, S. 835). Es ist nicht das erstemal, daß derartige Be¬
merkungen gefallen sind. Demgegenüber möchte ich doch auf
folgendes hinweisen.
Wenn aus der im Vergleich zu den tierärztlichen Professoren
enormen Zahl von Universitätslehrern sich auf jeder Naturforcher-
versammlung eine kleine Anzahl einfindet, so beweist dies nicht,
daß die Teilnahme in diesen Kreisen relativ eine regere wäre. Im
allgemeinen haben die tierärztlichen Professoren während des
Semesters außerordentlich viel zu tun; sie müssen unzweifelhaft
auch den größten Teil ihrer Ferien für ihre wissenschaftlichen
Arbeiten verwenden, wenn sie solche überhaupt leisten wollen.
Unter diesen Umständen ist es ihnen wohl nicht zu verargen, wenn
sie den verbleibenden Rest wirklich zu ihrer Erholung ausnutzen.
Daß eine heutige Naturforscherversammlung mit ihrer Überfülle und
ihrem Trubel alles andere eher als eine derartige stille Erholung
ist, wird niemand bestreiten können; daß heutzutage ferner ihre
wissenschaftliche Bedeutung insofern zurttckgetreten ist, als die
Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen sich auf literarischem
31. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
985
Wege viel bequemer einem größeren Kreise zugänglich machen
lassen, ist ebenfalls nicht zu verkennen. Unter diesen Umständen
möge man es verzeihen, wenn die Professoren es nicht als eine
Pflicht empfinden, auf den Naturforscherversammlungen zu repräsen¬
tieren. In der Tat sind diese Versammlungen viel wichtiger, wie
auch in Köln zutreffend hervorgehoben wurde, für die jungen wissen¬
schaftlichen Kräfte, welche sich noch bekannt machen und unter¬
einander persönliche Beziehungen anknttpfen wollen.
Kürzlich ist in Wien der Hofrat Professor Dr. Lechner in den
Ruhestand getreten und durch den Professor Dr. Günther ersetzt
worden. Aus einer Rede des letzteren, die im Tierärztlichen
Zentralblatt mitgeteilt wird, sind folgende interessante Daten zu
entnehmen:
Jakob Lechner ist 1838 geboren. Nach mannigfachen Hinder¬
nissen ermöglichte er den Besuch des Gymnasiums und kam nach
Wien auf das Tierarzneiinstitut, um dort als Zivilschüler zu
studieren. Er unterbrach das Studium im Kriegsjahr 1859 und
rückte bei einem Infanterieregiment ins Feld, wo er bei Magenta
die Feuertaufe erhielt, verwundet wurde und in französische Kriegs¬
gefangenschaft geriet. Im Herbst 1859 kehrte er zum Tierarznei¬
institut zurück, wurde Militäruntertierarzt und kam in ein ungarisches
Gestüt Er setzte privatim seine Studien fort und legte 1865 am
deutschen Gymnasium zu Temesvar die Reifeprüfung ab. Nun
ging er nach Wien und studierte Medizin. 1866 machte er zum
zweitenmale den Feldzug in Italien, und zwar als Militäruntertierarzt
im Hauptquartier mit. 1870 promovierte er dann und wurde Landes¬
tierarzt in Salzburg, wo er sich namentlich Verdienste um die
Tierzucht erwarb. 1879 wurde er als ordentlicher Professor an das
Tierarzneiinstitut berufen und erhielt hier einen Lehrauftrag für
Arzneimittel- und Instrumentenlehre, Exterieur und Hufbeschlag.
Die Verdienste, die er auf diesem Gebiete sich erworben hat, sind
in tierärztlichen Kreisen allgemein bekannt.
Ungünstige Entscheidung betr. die Flelschbeschaugebühren.
Unter Bezugnahme auf die Eingabe vom 19. Juni v. J.,
Reisekostenentschädigung für die bei der Fleischbeschau be¬
teiligten Tierärzte betreffend, erwidere ich ergebenst, daß der
Herr Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten nur
dann eine Zu- und Abgangsgebühr von 1,50 M. bei Benutzung
von Eisenbahnen zugestehen will, wenn gleichzeitig die Gebühr
für Landweg von 40 Pf. auf 30 Pf. pro Kilometer herabgesetzt
wird. Da eine solche Regelung für die Herren Tierärzte eine
Verschlechterung dem jetzigen Zustande gegenüber bedeuten
würde, so habe ich unter Berücksichtigung der Verhältnisse der
Ergänzungsbeschaubezirke des Regierungsbezirks beschlossen,
es hinsichtlich der Gewährung der Reisekosten bei den bisherigen
Bestimmungen bewenden zu lassen.
Der vorstehende Bescheid ist an einen Tierarzt des
Regierungsbezirks Lüneburg ergangen. In die Herabsetzung
der Gebühren für Landweg können die Tierärzte natürlich nicht
willigen. Auch diese Gebühren sind gerade niedrig genug.
Der Ab- und Zugang mit 1,50 M. wird eben doch schließlich
bewilligt werden müssen. So können die Gebühren nicht bleiben.
Zu den Abdeckereiprivilegien.
Die privilegierten Abdecker haben bekanntlich zur Abwehr der
zahlreichen und harten Anfechtungen, die ihr Privileg auf Über¬
lieferung abgestandenen usw. Viehes erfahren hat, einen eigenen
Verein gegründet, dem auch eine Zeitschrift für das gesamte
Abdeckereiwesen zur Verfügung steht. In dieser Zeitschrift, die in
Eberswalde in der Mark redigiert wird, sind in Nr. 17 und 19 An¬
griffe gegen die Tierärzte erschienen, die angeblich irrige An¬
schauungen bezüglich der Abdeckereiprivilegien verbreiteten. Dabei
ist auch ausdrücklich auf den Deutschen Veterinärkalender Bezug
genommen worden, welcher angeblich eine irrige Darstellung ent¬
halten sollte. Hierzu bemerke ich, daß der geehrte Redakteur der
Zeitschrift für das gesamte Abdeckereiwesen sich im Besitz eines
älteren Jahrganges des Kalenders befunden haben muß; dort war
eine Kammergerichtsentscheidung über die Ablieferung von Schweinen
an die Abdecker angezogen, die inzwischen durch eine andere Ent¬
scheidung umgestoßen ist. Dieses neue und maßgebende Urteil,
durch welches dem Abdecker das Recht auch auf die Ablieferung
von Schweinen und ferner bei unterlassener Ablieferung ein Ent¬
schädigungsanspruch nach heutigem Werte zugebilligt wird, ist in
dem vorliegenden Jahrgang des Deutschen Veterinärkalenders be¬
rücksichtigt. Die Bemängelung der Zeitschrift für das gesamte
Abdeckerei wesen ist also gegenstandslos. Schmaltz.
Siebente Versammlung der Veterinärbeamten des
Regierungsbezirks Schleswig.
Beschluß über das Presse-Bureau.
Auf Einladung des Kreistierärztes, Veterinärrats Rodewald
in Kiel hielten die Veterinärbeamten des Regierungsbezirks
Schleswig am 20. Dezember d. J. im Hansa-Hotel in Kiel ihre
diesjährige zweite nicht amtliche Versammlung ab.
Nach Erledigung einer umfangreichen Tagesordnung, die sich
auf Gegenstände aus dem Gebiete der Veterinär- und Gesundheits¬
polizei erstreckte, brachten die Unterzeichneten die bekannten
neuesten Vorgänge in der Besoldungskommission des Hauses der
Abgeordneten zur Sprache.
Allzufrüh habe sich gezeigt, wie recht der Vorsitzende des
Schleswig-Holsteinischen-Provinzialvereins gehabt habe, als er auf
der letzten Generalversammung des Vereins der beamteten Tier¬
ärzte Preußens am 28. November d. J. bei der Beratung der Ein¬
gabe an das Abgeordnetenhaus empfahl, di^ Hoffnungen nicht zu
hoch zu spannen, weil nicht erwartet werden könne, daß die über
die tierärztliche Wissenschaft und ihre Bedeutung für das wirtschaft¬
liche Leben unseres Volkes, ihre Fortschritte, ihi^e Erfolge und über
den tierärztlichen Stand und die innere Berechtigung seiner Wünsche
teils gar nicht, teils mangelhaft oder falsch unterrichteten Kom¬
missionsmitglieder nur allein durch eine, noch dazu im letzten
Augenblick kommende Eingabe bestimmt werden könnten, die
Kreistierärzte den Kreisärzten gleichzustellcn.
Heute müsse auch der Befangenste zugeben, daß die
Beratungen der Kommission einen ganz anderen Verlauf
genommen hätten, wenn die öffentliche Meinung und
damit auch die Abgeordneten über die Tierärzte und die
tierärztliche Wissenschaft gründlich informiert gewesen
wären.
Noch aber sei es nicht vollends zu spät. Das Plenum des
Hauses der Abgeordneten hat noch die Entscheidung. Bis dahin
könne immerhin noch aufklärend und orientierend in der Öffentlich¬
keit gewirkt werden. Manches Vorurteil gegen die Veterinärmedizin
und ihre Vertreter könne noch durch einige ruhige, jeder Polemik
sich enthaltende, sachliche Aufsätze in gelesenen Blättern ver¬
schiedener Parteirichtungen zerstreut, manches Verständnis ge¬
weckt werden.
Daher werde beantragt: Die Versammlung wolle den
Schleswig-Holsteinischen Provinzialverein ersuchen, so¬
bald als möglich in diesem Sinne zu wirken und wolle
ihn durch Bewilligung eines angemessenen Betrages
unterstützen.
In der Diskussion wurde von allen Seiten zum Ausdruck ge¬
bracht, daß es tief bedauerlich sei, daß die aus idealen Beweg¬
gründen hervorgegangene Aktion des Schleswig-Holsteinischen
tierärztlichen Provinzialvereins von mancher Seite mißverstanden
sei; daß vielfach befürchtet werde, der Verein wolle gesondert Vor¬
gehen, er greife dem Deutschen Veterinärrat vor und lege den
Keim zur Zwietracht; daß es anscheinend heute noch manche
Tierärzte gäbe, die die Dringlichkeit der Sache nicht einsehen
könnten oder wollten.
Nur die Not der Zeit, die außerordentliche Dringlichkeit
der Aufgabe habe den Verein bewogen, mit der Information der
öffentlichen Meinung schon jetzt zu beginnen. Freudig zu be¬
grüßen seien daher auch die zustimmenden Beschlüsse des Vereins
der beamteten Tierärzte Preußens am 28. November 1908
(Deutsche Tierärztliche Wochenschrift Nr. 49, S. 708) und des
tierärztlichen Vereins des Regierungsbezirks Wiesbaden
986
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 53.
(Berliner Tierärztliche Wochenschrift Nr. 51, S. 936 und Deutsche
Tierärztliche Wochenschrift Nr. 51, S. 740). Es sei zu hoffen, daß
noch weitere Vereine die selbstlosen und nur auf die Förderung
der Interessen des tierärztlichen Standes gerichteten Bestrebungen
des Schleswig-Holsteinischen Provinzialvereins unterstützen würden.
Den Bemühungen des Vereins sei ein um so sichererer Erfolg
beschieden, je weniger er selbst oder seine Beauftragten in der
Tagespresse hervortreten, je weniger die die tierärztlichen Dinge
behandelnden Aufsätze ihre Herkunft verrieten, wie dies ja auch
beabsichtigt sei.
Die Versammlung nahm hiernach den Antrag der
Unterzeichneten einstimmig an und bewilligte einen Bei¬
trag von 200 M.
Es kam die Überzeugung zum Ausdruck, daß der Provinzial¬
verein die Aufgabe so weit fördern werde, daß der Deutsche
Veterinärrat sich bei seiner nächsten Tagung bereits ein Urteil
bilden könne. Rodewald. Meifort.
Bericht über die am 3. Mai 1908’ abgehaltene Fruh-
jahrsyersammlung des Yereins der Tierärzte des
Regierungsbezirks Düsseldorf.
Der Vorsitzende, Herr Veterinärrat Schmitt, eröffnete um
12 l / 4 Uhr die Versammlung und begrüßte aufs herzlichste die er¬
schienenen Gäste und Mitglieder und sprach seinen Dank aus für
den überaus zahlreichen Besuch. Anwesend waren: 1. Veterinärrat
Schmitt, 2. Schlachthofdirektor Schenk, 3. Tierärzte Schnackers,
4. Platen, 5. Dr. ^ausmann, 6. Wigge, 7. tho Gempt,
8. Bolle, 9. Bath, 10. Dr. Hipp-Düsseldorf, 11. Bettelhäuser,
12. Dr. Heine, 13. Luckmann, 14. Nienhaus-Duisburg, 15. van
Straaten, Kreistierarzt, Dinslaken, 16. Dennemark-Großenbaum,
17. Kreistierarzt Grube, 18. Beckedorf, 19. Möhling, 20. Direktor
Heckmann-Krefeld, 21. Kreistierärzte Dr. Keuten - Geldern,
22. Lehmke-Emmerich, 23. Veterinärrat Eckardt-Neuß/24. Tier¬
ärzte Lütkefels-Emmerich, 25. Heinen-Homberg, 26. Kraus-
Odenkirchen, 27. Niens-Oberhausen, 28. Diekmann, 29. Spangen-
berg-Remscheid, 30. Kreistierarzt Pfleger - Opladen, 31. Dr.
Bettendorf-Ürdingen, 32. Tacke-Ratingen, 83. Schache-Alten-
essen, 34. Knüppel-Solingen, 35. Knörrchen-Werden, 36.Schulte-
Borbeck, 37. Wielers - Xanten, 38. Kreistierärzte Scheffer-
Grevenbroich, 39. Meyer-Wesel, 40. Beckers-Kempen, 41.Belcour-
Gladbach, 42. Gebhardt-Vohwinkel, 43. Tierärzte Levens-Goch,
44. Schröder-Straelen, 45. Sommers-Dormagen, 46. Thal-
Dülken, 47. Dr. Kallenbach-Kevelaer, 48. Dr. Coenders-Rees,
49. Friedheim-Solingen, 50. Bähr-Hilden, 51. Coppel-Mörs,
52. Platen-Viersen, 53. Hoffmanns-Kempen, 54. Maintz-Neuß,
55. Kühl - Burscheid, Kreistierärzte 56. Dr. Neuhaus - Lennep,
57. Otte-Essen, 58. Schmitz-Mülheim, 59. Brandmann-Benrath,
60. Kahlert-Essen; als Gäste: 61. Steinke, 62. Krampe, Stabs¬
veterinär, 63. Brühlmeyer, Oberveterinär, 64. Kettner, Ober-
veterinär, Düsseldorf, 65. Mohr, Stabsveterinär, Krefeld, 66. Kreis¬
tierarzt Prayon-Call, 67. Tierarzt Dümme 1-Osterath, 68. Meisen-
Viersen.
Der Schriftführer Bettelhäuser verlas das Protokoll der
letzten Versammlung, dasselbe wurde genehmigt. Der Kassierer
Otte bittet von einer Erhebung von Eintrittsgeld absehen zu dürfen,
da erstens die pekuniäre Lage des Vereins eine sehr gute sei,
zweitens sei es aber vielen Herren unangenehm, da sie doch immer
mehreren Vereinen angehörten und oft auch nur kürzere Zeit im
Verein seien. Der Antrag des Kassierers wurde einstimmig an¬
genommen. Der Herr Vorsitzende verlas sodann ein Entschuldigungs¬
schreiben des Kollegen Lünnemann und zwei Empfehlungsschreiben
der Firmen Mittler & Sohn, Berlin und Schaper in Hannover;
letztere Firma empfiehlt den Bezug von Druckexemplaren des Vor¬
trages des Kollegen Suckar über Schrittpferdezucht. Diese wird
vom Herrn Vorsitzenden warm empfohlen.
Als neue Mitglieder wurden aufgenommen die Herren 1. Schlacht¬
hofdirektor Dr. Heine in Duisburg, 2. Schlachthoftierarzt W. S as s e n -
liagen in Duisburg, 3. Tierarzt Coppel in Moers, 4. Tierarzt
Lütkefels in Emmerich, 5. Tierarzt Schroeder in Straehlen.
Der Herr Vorsitzende heißt die neu aufgenommenen Herren, I
soweit sie erschienen sind, aufs herzlichste willkommen und teilt
ihnen mit, daß sie durch die Aufnahme nicht nur Rechte erwürben,
sondern auch Pflichten übernähmen, wie z. B. regelmäßigen Besuch
der Versammlungen und Teilnahme an den Verhandlungen, er über¬
reicht jedem der Aufgenommenen ein Exemplar der Statuten.
Herr Tierarzt Tacke berichtet sodann über die Beratungen der
Kommission, betreffend Herbeiführung eines Abschlusses mit einer
Unfall- und Haftpflichtversicherung, als Resultat empfiehlt er den
Abschluß mit der Stuttgarter Haftpflicht-Versicherungs-Gesellschaft.
Bettelhaeuser, Wigge, Dümmel und namentlich Gebhardt
sprechen gegen diesen Vertrag. Dr. Kallenbach spricht für die
Zürich-Winterthur-Gesellschaft. Gebhardt schlägt die Gesellschaft
Deutscher Anker vor, da diese gleichzeitig eine Krankenversicherung
sei, neben der Unfallversicherung. Bettelhaeuser erwähnt, er
habe an die Gesellschaft geschrieben, aber leider bis zur heutigen
Sitzung keine Antwort erhalten, er will bei der nächsten Ver¬
sammlung darüber Bericht erstatten. Auf Vorschlag des Vor¬
sitzenden wird diese Angelegenheit bis zur nächsten Versammlung
vertagt
Auf Anmahnen des Schriftführers traten der allgemeinen Unter¬
stützungskasse noch bei die Herren Dr. Neuhaus, Thal, Beckers,
Schulte, Wieler, Tacke, Niens, Möhling und Spangenberg.
Nunmehr erhält Herr Veterinärrat Eckard als Vorsitzender der
Kommission für die Vorberatung der Gebührenordnung das Wort.
Er teilt mit, daß die 14 Mitglieder im April zusammengekommen
seien und daß alle es als ein dringendes Bedürfnis anerkannt hätten,
eine Mindesttaxe, welche den heutigen Verhältnissen entspräche,
für den Regierungsbezirk festzusetzen. Nach längerer Beratung
habe man sich dahin geeinigt, der Versammlung folgende Taxe
vorzuschlagen, die sich im wesentlichen auf die von Westfalen auf¬
baue. Herr Veterinärrat Schmilt wollte, ehe er die Besprechung
über die einzelnen Punkte eröffnete, wissen, ob man nun auch all¬
gemein für die Einführung der neuen Taxe sei. Lehmke-Emmerich
sprach sich gegen die Einführung aus, da er zum Teil mit hollän¬
dischen Kollegen konkurrieren müßte, die sehr billig arbeiteten.
Dr. Neuhaus glaubte sich auch dagegen aussprechen zu müssen,
da in seinem Kreise sehr viele arme Leute wohnen. Gebhardt,
Wigge und andere sprachen sich aber mit Begeisterung für die
Einführung der erhöhten Gebührenordnung aus und halten die
Bedenken der beiden Vorredner für zu gering, sie fordern die Ver¬
sammlung auf, sich den Beschlüssen der Kommission anzuschließen.
Eckardt glaubt, wenn die Taxe festgelegt würde, so sei dies doch
auch angenehm für die einzelnen Behörden. Diese könnten nach
Kenntnisnahme die Taxe als Grundlage benutzen. Nachdem sich
noch viele Redner für dieselbe ausgesprochen hatten, konnte der
Herr Vorsitzende feststellen, daß sämtliche 68 anwesende Tierärzte
für eine erhöhte Gebührenordnung stimmten. Es wurde nunmehr
in die Besprechung der einzelnen Punkte eingetreten. Nach vielem
Hin- und Herdebattieren einigte man sich auf folgende Normen.
Zu unserm größten Bedauern muß nun bemerkt werden, daß
durch Ministerialerlaß vom 23. Juli er. es den beamteten Tierärzten
verboten wurde, die Anerkennung der beschlossenen Minimaltaxe
zu unterschreiben, da durch die bei Nichtbefolgung derselben fest¬
gesetzte Strafe eine Disziplinargewalt über die Beamten ausgeübt
würde. Bei der Drucklegung sind daher jetzt die Sätze, welche
über Bestrafung usw. handeln, fortgelassen worden. Es kann nun¬
mehr jeder Kollege, auch der beamtete, die Gebührenordnung ge¬
brauchen und in seiner Praxis dieselbe benutzen, um eine Erhöhung
überall da durchzuführen, wo bis jetzt diese Taxe nicht erreicht
worden ist. Der Vorstand nimmt an, daß es jeder Tierarzt des
Regierungsbezirks sich angelegen Bein läßt, im Interesse des Standes
streng unter Zugrundelegung dieser Minimaltaxe zu liquidieren.
Allgemeine Bestimmungen.
§ 1. Die Tierärzte deB Regierungsbezirks Düsseldorf be¬
schlossen, in Ausübung der Privatpraxis nicht unter folgenden
Sätzen zu liquidieren.
§ 2. Verrichtungen, für welche diese Taxe Gebühren nicht
aus wirft, sind nach Maßgabe derjenigen Sätze, welche für ähnliche
Leistungen gewährt werden, zu vergüten.
§ 3. Die nachfolgend genannten niedrigsten Preise verstehen
31. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
987
sich für die Behandlung eines Tieres. Für jedes weitere auf dem¬
selben Gehöft befindliche Tier, für welches die Behandlung ver¬
langt wird, ist ein Aufschlag von 1 M. zu gewähren.
§ 4. Die Preise verstehen sich für alle Tiergattungen. Bei
der Behandlung der Tiere unbemittelter Besitzer können die Preise
ermäßigt werden.
§ 5. Für Nachtbesucbe und -Beratungen sind die doppelten
Gebühren zu gewähren. Als solche gelten diejenigen, welche im
Sommer in der Zeit von 9 Uhr abends bis 7 Uhr morgens, im
Winter in der Zeit von 8 Uhr abends bis 7 Uhr morgens verlangt
und ausgeführt werden.
§ 6. Die Taxe für Besuche versteht sich einschließlich Unter¬
suchung und Verordnung nebst Auslagen für Fuhrwerk und Eisen¬
bahn, jedoch ausschließlich operativer Eingriffe resp. mikroskopischer
oder chemischer Untersuchungen. Hierfür ist nach den für diese
oder ähnliche Verrichtungen angesetzten Gebühren resp. nach der
ZeitversUumnis zu liquidieren. Besondere Zeitversäumnis ist mit
2 M. pro Stunde zu honorieren.
§ 7. Wird ein Besuch zu einer bestimmten Stunde oder am
Sonntag verlangt, so erhöhen sich die Sätze um die Hälfte.
§ 8. Sämtlichen im Regierungsbezirk praktizierenden Tier¬
ärzten soll ein Exemplar dieser Gebührenordnung zugestellt werden.
A. Taxe für allgemeine Verrichtungen.
Beratungen:
1. Für eine Beratung in der Behausung des Tier¬
arztes, auch falls dieselbe durch Fernsprecher erfolgt 1,00 M.
Besuche:
2. Für den ersten Besuch eines Tieres am Wohnorte
des Tierarztes.2,00 „
Für jeden anderen Besuch.1,50 „
3. Besuche über Land:
a) in einer Entfernung von 2 bis 7 km, pro km . 1,00 * „
b) betrügt die Entfernung über 7 km, für jedes
folgende km mehr.0,50 „
c) gelegentliche Besuche im Orte oder bis 7 km
entfernt 2 M., mehr als 7 km.3,00 „
d) Ist der Weg per Eisen- oder Straßenbahn ge¬
macht, so muß die Entfernung und dem Zeit-
aufwande entsprechend liquidiert werden, min¬
destens aber 3 / 4 des Landweges.
Gutachten:
4. Für kurze Bescheinigung.1,50 „
5. Für gutachtliche Untersuchung zum Zweck von An¬
oder Verkauf eines Pferdes oder eingehende Unter¬
suchung auf besonderen Mangel.3,00 „
sonst 5,00 „
Die schriftliche Bescheinigung des Befundes erhöht
die Sätze um.2,00 „
0. Für Obduktion, Bericht und Gutachten, wird ge¬
richtliche Taxe liquidiert
B. Besondere Verrichtungen.
1. Für einfache, durch einen einzigen Kunstakt zu
vollbringende Operation, wie Injektion von Arzneien,
Anlegen von Ligaturen und Heften, Spalten ober¬
flächlicher Abszesse, Hufoperation . . .1,50 bis 3,00 M.
2. Für leichtere Operationen wie Anwendung der
Schlundsonde, des Katheters, des Troikars,
öffnen tiefliegender Abszesse, Amputation des
Schweifes.3,00 bis 5,00 M.
3. Für schwierigere Operationen, wie Brennen, Aus¬
schneiden von Geschwülsten, Tracheotomie, Teno
tomie, größere Zahnoperation.5,00 bis 15,00 M.
4. Für besondere schwierige Operationen, Trepanation,
Operation von Hufknorpelfisteln, Brüchen, Samen¬
strangfisteln, Neurektomie u. dgl. . . . 10,00 bis 30,00 M.
5. Für Operation am liegenden Tier .10,00 M.
6. Narkose.3,00 M.
(Die Kosten der verwendeten Arznei extra.)
7. Kastration.10,00 M.
bei mehreren Tieren desselben Besitzers, oder
wenn mehrere Tiere auf einem Gehöft kastriert
werden, kann eine Ermäßigung bis zu 6,00 M. pro
Stück eintreten
8. Für den Tierärztlichen Beistand
a) bei einer einfachen Geburt.6,00 M.
b) bei einer Schwergeburt.12,00 M.
Embyrotomie. 20,00 M.
Da die Zeit zu weit vorgeschritten war, konnte Herr Dr.
Bettendorf mit seinem Vortrage leider nicht mehr zu Worte
kommen, so viel Zeit nahm man sich aber noch, um die Apparato
zu besichtigen und sich erklären zu lassen. Der Herr Vorsitzende
dankte allen für die außerordentliche rege Teilnahme, mit der sie
den Verhandlungen gefolgt wären und spricht gleichzeitig die
Hoffnung aus, eine solche Teilnehmerzahl für die Folge immer hier
zu sehen und schließt nunmehr die Versammlung.
I. A.: Bettelhäuser, Schriftführer.
Bericht über die 53. Sitzung des tierärztlichen Vereins
in Westpreußen.
Am 21. Juni 1908 fanden sich zahlreiche Mitglieder des tier¬
ärztlichen Vereins in Westpreußen im Zoppoter Kurhause zu seiner
diesjährigen Hauptversammlung ein. Das idyllisch gelegene Seebad
und das schöne Frühjahrswetter hatte viel westpreußische Tierärzte,
zum Teil mit ihren Damen, hierher gelockt, um sich ein paar Stunden
froher Geselligkeit im Kreise guter Freunde und Kollegen zu er¬
freuen. Leider war aber der Besuch etwas schwächer, als er sonst
zu sein pflegt.
Die Versammlung wurde um 11 */ a Uhr durch den Vorsitzenden,
Veterinärrat Preuße, eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung
gedenkt er zunächst mit ehrenden Worten des verstorbenen ältesten
Vereinsmitgliedes, des Tierarztes Uhl sen. in Briesen. Als ersten
Punkt der Tagesordnung werden eine Reihe geschäftlicher An¬
gelegenheiten erledigt und zahlreiche Begrüßungs- und Ent¬
schuldigungsschreiben zur Kenntnis der Mitglieder gebracht. Der
Schriftführer verliest hierauf das Protokoll über die letzte gemein¬
same Sitzung des Posener und des westpreußischen tierärztlichen
Vereins im November v. J. in Bromberg. Zu dem bei dieser Ge¬
legenheit von Dr. Mießner gehaltenen Vortrag über infektiöse
Schafkrankheiten, bemerkt Dr. Müller, daß er auch in Ostpreußen
Bradsot nachgewiesen habe. Er glaube wohl berechtigt zu sein,
die von ihm beobachtete Krankheit für Bradsot zu halten, da sich
hierbei das von Jen sen hergestellte Btadsot-Serum wirksam er¬
wiesen habe. Dr. Mießner teilt mit, daß er auch in Pommern
Bradsot beobachtet habe. Erhalte den von Jen sen beschriebenen
Bradsot-Bazillus nicht für den Erreger der Seuche, da er auch in
stark gefaulten Kadavern verschiedener nicht an Bradsot verendeter
Tiere vorkomme, es sei auch nicht möglich, ihn vom Ranschbrand-
und Ödembazillus zu unterscheiden. Nach Aufnahme zweier neuer
Mitglieder, Raether-Ortelsburg und Huser-Danzig, berichtet der
Kassenführer über den Stand der Vereinskasse. Am Beginn des
Jahres war Kassenbestand 2286,90 M., es w'urden eingenommen
779,55 M. und ausgegeben 261,95 M., so daß am Jahresschluß ein
Bestand von 2804,50 M. in der Kasse verblieb. Nach eingehender
Prüfung durch zwei Revisoren wird die Kasse als richtig anerkannt
und dem Kassenftthrer Entlastung erteilt.
Die tierärztliche Gesellschaft in Berlin hat an sämtliche tier¬
ärztlichen Vereine ein Zirkular betr. die Überwachung des Markt¬
verkehrs mit animalischen Nahrungsmitteln und die Einführung
dieser Disziplin als besonderen Lehrgegenstand in das Lehrpensum
der tierärztlichen Hochschulen versandt. Den hierzu gefaßten Be¬
schlüssen wird einstimmig beigepflichtet. Hierauf erhebt sich
Veterinärrat Jacob und beglückwünscht den Vorsitzenden, Veterinär¬
rat Preuße zu seinem 25 jährigen Berufsjubiläum unter besonderer
Hervorhebung seiner Verdienste um den tierärztlichen Stand und
insbesondere auch um den westpreußischen Verein, Als sichtbares
Zeichen des Dankes des Vereins überreicht Herr Jacob dem Vor¬
sitzenden eine schwere silberne Jardiniere. Im Namen der Militär-
veterinäre des 17. Armeekorps spricht Korpsstabsveterinär Bleich
dem Vorsitzenden herzliche Glückwünsche aus, er dankt ins¬
besondere für seine Bemühungen, allezeit ein gutes kollegialisches
Verhältnis zwischen Zivil- und Militärveterinären herzustellen und
zu erhalten und überreicht einen sehr schönen silbernen Pokal mit
988
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 58.
entsprechender Widmung. Der Vorsitzende dankt für die Glück¬
wünsche und die schönen Spenden in bewegten Worten. Es
folgte sodann ein Vortrag des Herrn Dr. Müller-Königsberg über
die Bekämpfung der Rindertuberkulose. Die schweren Verluste,
welche die Tuberkulose mit sich bringe, sowohl die direkten, und
noch mehr die indirekten, mache eine Bekämpfung dieser Krankheit
unbedingt notwendig. Sie gewinnen fortdauernd an Umfang durch
das immmer mehr aufblühende MeiereiweBen. Eine Vernarbung der
Tuberkulose erfolge nicht. Die Infektion geschehe erst nach der
der Geburt. Nur wenige Kälber kommen bereits erkrankt zur Welt,
diese seien von der kranken Mutter infiziert. In der Jugend erfolge
die Infektion durch die Milch, besonders wenn diese von Kühen
mit Eutertuberkulose herkomrae. Bei dieser Krankheit sei die Menge
der Bazillen in der Milch so groß, daß sie die gesamte Milch aus
dem Stalle infizieren können. Auch nach dem Zentrifugieren der¬
artiger Milch seien immer ausreichend Bazillen in der Magermilch
vorhanden. Eutertuberkulose komme bei 0,2 bis 0,7 aller Rinder
vor. Redner führt einige Beispiele an, in denen ein Fall an Euter¬
tuberkulose in einer Herde den größteu Teil des Nachwuchses
infiziert hatte. Nach Behrings Ansicht finde die Infektion der
Menschen fast nur mittelst der Milch statt. Wenn dieser Stand¬
punkt auch nicht als richtig anzuerkennen sei, so treffe dies doch
sehr häufig zu. Die mit der Nahrung aufgenommenen Tuberkel¬
bazillen können in die Drüsen gelangen, ohne in ihnen Veränderungen
hervorzurufen. Sie können dann später gelegentlich frei werden
und sich in anderen Organen festsetzen. Die Injektion erwachsener
Tiere erfolge durch das Zusammenleben mit solchen Tieren, die mit
offener Tuberkulose behaftet sind. Es bestehe auch die Möglichkeit
der Übertragung der Tuberkelkeime durch Ratten. Bei der Be¬
kämpfung der Tuberkulose sei vor allem der Schutz der Nachzucht
anzustreben. Dieses Ziel erstrebe auch die Behrings che Schutz¬
impfung. Diese gewähre jedoch nur Schutz für die Dauer eines
Jahres. Die Anwendung der Schutzimpfung bei älteren Tieren
sei bedenklich, weil zur Impfung menschliche Tuberkelbazillen be¬
nutzt werden und diese noch lange Zeit hindurch von den geimpften
Tieren mit der Milch ausgeschieden werden. Das Koch-Schütz-
sche Verfahren sei dem Behringschen sehr ähnlich, es werde
voraussichtlich auch nicht mehr leisten. Redner besprach sodann
das Heymannsche Verfahren, welches darin besteht, daß Tuberkel¬
bazillen in Schilfsäckchen unter die Haut geschoben werden. Hier
geben sie ihre Stoffwechselprodukte an den Körper ab, ohne
letzteren selbst infizieren zu können, ferner das Klimm ersehe
Verfahren, die Verwendung von Tuberkelbazillen, die durch eine
Passage durch den Molch abgeschwächt worden sind. Diese alle
haben bisher große Erfolge nicht aufzuweisen. Auf wesentlich
anderen Grundsätzen beruhen die Verfahren von Bang und von
Oster tag. Ersteres habe sich in Deutschland der Schwierigkeit
seiner Durchführung wegen nicht einzubürgern vermocht. Dagegen
breche sich das Ostertagsche Verfahren immer weiter Bahn. In
Ostpreußen werde es seit 1901 mit gutem Erfolg angewendet. Der
Hauptgrundsatz dieses Verfahrens sei der Schutz des Nachwuchses
vor der Infektion. Die Kälber müssen bald nach der Geburt von
den erwachsenen Tieren getrennt und mit der Milch nachweislich
tuberkulosefreier Ammenkühe ernährt werden. Das Kochen der
Milch sei nicht gut durchführbar. Um zu vermeiden, daß den
Kälbern infektiöse Magermilch verabreicht wird, unterliegen die
Viehbestände, die einer Meierei angehören, der tierärztlichen Auf¬
sicht. Tiere mit offener Tuberkulose insbesondere Eutertuberkulose
müssen alsbald ausgemerzt werden. Die Milch aus den Meiereien,
die sich der Tuberkulosetilgung angeschlossen haben, wird von
Zeit zu Zeit auf das Vorhandensein von Tuberkelbazillen unter¬
sucht Die gefährlichsten Tiere werden ausgemerzt. Die klinische
Untersuchung der Viehbestände werde alle Jahr wiederholt. Ver¬
dächtige Milchproben werden im bakteriologischen Institut der
Kammer auf das Vorhandensein von Tuberkelbazillen untersucht.
Viermal jährlich erfolgt eine Untersuchung des Gesamtgemelkes.
Werden Tuberkelbazillen gefunden, so erfolgt eine nochmalige
klinische Untersuchung der Tiere. Um die Tierärzte der Provinz
mit dem klinischen Verfahren der Tuberkulosetilgung eingehend
vertraut zu machen, habe die ostpreußische Landwirtschaftskammer
einen Kursus veranstaltet, an dem sich etwa 70 Tierärzte beteiligt haben.
Für den sehr instruktiven Vortrag dankt der Vorsitzende Herrn
Dr. Müller und spricht er hierbei die Hoffnung aus, daß, wie
viele andere Landwirtschaftskammern, sich auch die westpreußische
Kammer bald von der Nützlichkeit des Ostertagseben Tilgungs¬
verfahrens überzeugen und in der Provinz zur Einführung
bringen möge.
In der darauffolgenden lebhaften Diskussion kommt Dr. Mi eßner
auf das von Ostertag neuerdings empfohlene Verfahren zu sprechen,
die Tuberkulinisierung der Kälber und deren getrennte Aufzucht.
Es sei dies eine nicht zweckmäßige Verschärfung des Tilgungs¬
verfahrens. Je schwieriger die Durchführung eines Tilgungs¬
verfahrens sei, desto weniger seien die Landwirte geneigt, ein
solches zur Anwendung zu bringen. Mi eßner erwähnt zudem
nochmals die verschiedenen Immunisierungsmethoden, von denen er
die Bovovaccin- und Taurumanimpfungen noch für die besten ansebe,
da sie doch immerhin ein Jahr hindurch Schutz verleihen mögen.
Augenblicklich schweben Versuche, die Schutzzeit durch wiederholte
Einspritzung eines unschädlichen Impfstoffes zu verlängern. Auf
eine Anfrage vom Veterinärrat Jakob über den Verbleib der
tuberkulös befundenen Rinder, erwidert Dr. Müller, daß die Besitzer
durch Vertrag verpflichtet sind, diese Tiere zu beseitigen. Hierzu
wird dem Besitzer durch den Vertrauenstierarzt ein Termin gestellt,
bis zur Beseitigung muß das kranke Tier von den gesunden
getrennt werden.
Kreistierarzt Schoeneck bittet um statistische Angaben über
die Abnahme der Tuberkulose seit Anwendung des Tilgungs¬
verfahrens. Dr. Müller erwidert hierauf, daß die Fälle der offenen
Lungentuberkulose von 4.4 auf 0,8 Proz. zurückgegangen seien,
auch die Gebärmutter- und Eutertuberkulose sei sehr zurück¬
gegangen.
Inzwischen war die Zeit sehr weit vorgerückt, so daß der
zweite auf der Tagesordnung stehende Vortrag über die Bekämpfung
der Maul- und Klauenseuche abgesetzt werden mußte.
Als Ort der nächsten Versammlung im Frühjahr 1909 wird
wiederum Zoppot gewählt. Auf die Sitzung folgte ein gemeinsames
Mittagsmahl unter Teilnahme zahlreicher Damen in den ächöhen
Räumen des Zoppoter Kurhauses. Nach diesem folgte ein Spazier¬
gang nach dem herrlich an der See gelegenen Restaurant Stolzen¬
fels, wo der Kaffee eingenommen wurde und wo sich die Teilnehmer
mit ihren Damen noch einige Stunden fröhlichen geselligen Zu¬
sammenseins erfreuen konnten.
Preuße, Felbaum,
Vorsitzender. Schriftführer.
Das Automobil für die ärztliche Praxis.
Von Dr. med. Kötschau-Schönwölkau.
Alle Automobilfirmen haben zuerst mit der Fabrikation von
kleinen Wagen begonnen, sind dann aber schnell der Sport-
bogeisterung folgend zum Bau von großen Wagen, speziell von
Rennwagen mit mehr oder weniger Glück tibergegangen; jetzt, wo
sich infolge der polizeilichen Maßnahmen und der überaus großen
Unkosten bei den reichen Leuten die Begeisterung legt, kommen
auch alle Firmen wieder zurück zur Fabrikation von kleinen Wagen,
und sie machen das einfach so, daß sie ihre großen Modelle ins
kleine übertragen: Das führt aber durchaus nicht zum rechten Ziel,
diese Wagen bewähren sich in der Praxis nicht und daher die fort¬
währenden Umkonstruktionen. Andere Firmen und zwar haupt¬
sächlich solche, die früher Fahrräder fabrizierten, glaubten die Kon¬
struktion des Fahrrades mehr oder weniger auf das Automobil
übertragen zu müssen und stellen somit das andere Extrem vor.
So brachte z. B. eine bekannte Firma bei ihren kleinen Wagen im
vorigen Jahr den ganz komplizierten Zweizylinder in V-Form, in
diesem Jahre wieder Parallelzylinder, dazu eine Unmenge kom¬
plizierter Einzelheiten an den Wagen, die den Anfänger und auch
den Geübten verwirren müssen und die Demontage erschweren.
Die V-Motoren haben sich zwar bei Motorrädern und Cyklonetten
mit gutem Erfolg eingeführt, verschwinden aber beim Motorwagen
ebenso schnell wie sie aufgetauebt sind, und das hat seinen guten
Grund. Die Außenwände am Motor sind durch die schräge Lage
der Zylinder naturgemäß mehr beansprucht wie bei Vertikal¬
anordnung, die Zylinder laufen leicht oval, die Verteilung des Öles
.‘31. Dezember 1908.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
989
erscheint meist unregelmäßig, man findet bei V-Motoren häufig un¬
vollkommene Schmierung des Kurbelzapfens, bedingt durch den
Angriff beider Pleuelstangen ans demselben; Folge davon ist dann
ein früher Verschleiß der Pleuelstangenlagerschalen.
In diese Kategorie, dem Fahrradbau am nächsten stehend,
zählen auch sogenannte luftgekühlte Fahrzeuge. Wie das Motor-
Zwei- und Dreirad mit luftgekühlten Motoren ganz ansprechende
Leistungen erzielt, ist dies auch bei kleinen Wagentypen mehr
oder weniger der Fall, doch kann ein Wagen mit luftgekühltem
oder besser gesagt mit ungekühltem Motor niemals die Ansprüche
auf Vollkommenheit und Leistungsfähigkeit erheben, als ein Wagen
mit guter Wasserkühlung. Luftgekühlte Fahrzeuge mögen wohl
befriedigen, so lange die Maschine neu ist, die Ventile gut abdichten
und alle einzelnen Konstruktionen regelrecht zusammen funktionieren;
dieses regelrechte Zusammenfunktionieren läßt jedoch in kürzester
Zeit schon nach, denn durch die kolossale Überhitzung, deren ein
solcher Motor insbesondere in Sommermonaten ausgesetzt ist, ent¬
stehen nur zu leicht umfangreiche Deformationen einzelner Teile,
wie Ventile — dieselben werden leicht undicht — und dergleichen,
es findet eine unregelmäßige Funktion der Maschine statt und dem¬
entsprechend ist die Leistung sofort eine herabgeminderte und der
Besitz eines derartigen Fahrzeuges eine Kette fortwährenden Ver¬
drusses. Gewiß lassen sich die Ventile auch wieder einschleifen
und der Motor, wenn er peinlich beobachtet wird, auch wieder auf
frühere Leistung oder wenigstens annähernd dahin zurückbringen,
doch ist dies stets nur von kurzer Dauer, und die Arbeit, die man
fast täglich mit derartigen Fahrzeugen hat, ist eine solch weit¬
gehende, daß sie nicht im Vergleich steht zu^der geringfügigen
Arbeit des Wasserablassens, welche mit einem wassergekühlten
Motor während der Frostmonate verknüpft ist Die Scherereien,
welche man angeblich mit der Wasserkühlung im Winter hat, wurde
tatsächlich nur von den Leuten, welche ein Interesse haben, den
luftgekühlten Wagen zu empfehlen (also -nur Fabrikanten und
Händler mit solchen Fahrzeugen), in die Welt gesetzt, in Wirklich¬
keit sind die Umstände mit der Wasserkühlung minimaler Natur
und habe ieh beispielsweise nichts werter zn beobachten-, als nach
erledigter Praxis den Wasserhahn zu öffnen, worauf das Wasser
ohne Umstände ins Freie abläuft; anderntags oder sobald eben eine
neue Fahrt gemacht werden muß, sind 6—7 Liter Wasser in den
Kühler einzugießen, was das Werk von zwei Minuten ist. Während
der Fahrten in der Praxis selbst besteht absolut keine Frostgefahr,
denn das Wasser im Kühlsystem erwärmt sich durch die Tätigkeit
der Maschine in Kürze ziemlich hochgradig und zwar so, daß keines¬
wegs innerhalb 10 oder 20 Minuten, die eine Arztvisite gewöhnlich
erfordert, ein Frostschaden eintreten kann. Zu aller Vorsicht breite
ich beim Absteigen meine Reisedecke über den Kühler, was eine
gewisse Isolation bedeutet und das Wasser noch langsamer dem
Gefrierpunkt entgegenführt. Hat man länger beim Kranken zu tun,
beispielsweise bei Operationen, Entbindungen und dergleichen, so
ist es wiederum nur eine Kleinigkeit, vorsichtshalber das Wasser
eben abzulassen und beim Wegfahren wieder frisch aufzugießen.
Letzteres besorgen sogar in der Regel mit größter Bereitwilligkeit
die Hausgenossen "des betreffenden Patienten. Kurz es kann ein
Frostschaden nur dann eintreten, wenn man leichtsinnigerweise
sein Fahrzeug mehrere Stunden beispielsweise über Nacht an un¬
geschütztem Ort mit vollem Wasser stehen läßt, und selbst dazu
gehören schön ganz bedeutende Kältegrade. Auf der Fahrt selbst
ist, wie schon oben erwähnt, ein Einfrieren des Kühlsystems aus¬
geschlossen und wenn man ab und zu von derartigem hört, dann
kann es sich nur um äußerst schnellaufende Fahrzeuge, also so¬
genannte Rennwagen, Vierzylinder mit 30, 40 und mehr HP., die
aber als Ärztegebrauchswagen gar nicht in Betracht kommen, handeln,
wobei die Schnelligkeit des Luftzuges entsprechende Wirkungen
ausübt. Derartige Momente kommen jedoch beim üblichen Doktor¬
wagen nicht in Frage. Übrigens kann man durch Zusatz von
Glyzerin und anderen Chemikalien die Frostgefahr des Kühlwassers
vollständig beseitigen, so daß selbst das mehrerwähnte Ablassen
des Kühlwassers überflüssig ist. Es ist also die Frage, ob Wasser¬
kühlung oder Luftkühlung vorzuziehen sei, ganz entschieden für
erstere zu bejahen. Der beste Beweis dürfte schließlich sein, daß
die ganze Fahrzeugindustrie, von Fahrrädern einschließlich drei¬
rädrigen Vehikeln abgesehen, in ihre Wagen wassergekühlte
Motoren baut; unter den vierrädrigen Fahrzeugen gibt es nur eine
Firma in Deutschland, die Luftkühlung an dem Mcrtor besitzt, so
daß auf 100 in Deutschland gebaute Wagen 99 wassergekühlte und
1 luftgekühlter kommen. Wasserkühlung allerdings ist mit etwas
mehr Anschaffungsunkosten verursacht, allein dieser Grund kann
nicht ausschlaggebend sein, denn wer seine Apparate (ich meine
nicht allein Motorwagen) der Billigkeit nach kauft, wird stets und
immer zu klagen haben, denn in der Regel ist ein Apparat um so
unvollkommener, je billiger er hergestellt wird; überdies ist nicht
alles Gold was glänzt, luftgekühlte Maschinen, deren Zylinder stets
mehr oder weniger die Temperatur glühenden Eisens aufweisen,
erfordern ganz bedeutende Mengen von Zylinderöl, da nur durch
eine sehr reichliche Ölung eine Überhitzung nach Möglichkeit ver¬
mieden werden kann. Durch den Verbrennungsprozeß dieser großen
Ölquantität verbleiben aber eine ganze Menge Rückstände, die sich
durch Verschmutzen und Verrußen der Ventile in der unangenehmsten
Weise bemerkbar machen.
Da wir gerade beim Ölverbrauch sind, mag auch der anderen
Verbrauchsmaterialien gedacht werden. Den Kenner mutet es
manchmal recht eigentümlich an, wenn ein Neuling nach dem
Benzinverbrauch fragt und er dementsprechend den Kostenpunkt
für sein Gebrauchsautomobil berechnen möchte, dabei aber nicht
berücksichtigt, daß der Benzinverbrauch gegenüber dem Pneumatik-
verschleiß gar keine Rolle spielt, leider ist die Pneumatikbereifung
jedoch nicht zu entbehren. Es wird also bei Anschaffung eines
Automobils hierauf ein Hauptaugenmerk zu richten sein. Der
stärkste Gummireifen, der sich auf die Felge des Wagens auf¬
montieren läßt, ist wohl in der Anschaffung der teuerste, aber für
den intensiven Gebrauch der billigste; er hält erheblich länger aus
als der schwächere Reifen; außerdem hat man sehr selten einen
Gummidefekt. Übrigens hilft ja auch das Stephneyreserverad, das
sich in wenigen Minuten an das Rad mit dem Gummidefekt an¬
schrauben läßt, über den früher so unangenehmen Gummidefekt
auf der Fahrt hinweg. Man kann so den defekten Reifen in aller
Rahe zu Hause reparieret* 1 . 1 . .
Sehr häufig werde ich auch gefragt über meine Ansicht in
bezug auf die Antriebsart, ob Kettenantrieb oder Kardanantrieb
vorzuziehen sei, und stelle ich hierauf die Gegenfrage: Warum
haben wir beim Fahrrad noch immer die Kette und nicht allgemein
den Kardan? Kettenlose Fahrräder werden ja schon seit Jahren
fabriziert, sie führen sich aber doch nicht ein, und das hat folgenden
Grund: Alle Stöße, welche durch die Unebenheit dea Bodens auf
das Fahrrad einwirken, werden beim Kettenantrieb durch die Kette
abgefangen upd abgeschwächt, schonen daher die Lager und den
Rahmen; beim Kardan werden alle Stöße direkt auf das Getriebe
übertragen und führen vorzeitig zum Verschleiß des Getriebes.
Alles in der Welt hat zwei Seiten und so auch dieser Punkt: Die
Kette hat den Nachteil, daß sie etwas mehr Geräusch verursacht
und daß sie sich nach mehr oder weniger angestrengtem Gebrauch
ausreckt, was vielen Herren Kollegen wohl von ihrem Fahrrad aus
schon bekannt ist und dementsprechend natürlich nach ihrem Ver¬
brauchtsein ersetzt werden muß. Ein Kettendefekt anf der Straße
ist nichts angenehmes und solche Punkte sind es auch, die den
Wunsch nach einer anderen Antriebsart rege machen. Doch will
ich nicht unerwähnt lassen, daß nichts leichter vermieden werden
kann, als gerade ein Kettendefekt. Bei häufiger Untersuchung
durch äußerliche Besichtigung, ohne die Kette abzunehmen, lassen
sich defektwerdende Kettenglieder erkennen, und kann also ein
derartiges Glied schon zu Hause in aller Ruhe ansgewechselt
werden. Das allmähliche Recken der Kette muß wieder ausge¬
glichen werden durch rechtzeitiges Nachspannen derselben, wie wir
dies vom Fahrrad kennen; sind die Kettenglieder jedoch allmählich
soweit ausgereckt, daß sie nicht mehr in die einzelnen Zähne der
Kettenräder passen, was sich durch entsprechendes Knacken,
Knistern und Knirschen genügend rechtzeitig bemerkbar macht, so
hat die Kette eben ausgedient und muß durch eine neue ersetzt
werden. Man kann annehmen, daß eine gute Kette 5—6000 km
vorhält. Wer also vorstehende Winke beobachtet, der wird wohl
kaum jemals in die Lage kommen, auf der Straße eine Ketten¬
reparatur vornehmen zu müssen. Es muß also unbedingte Zuver-
990
lässigkeit der Kette and ständige Betriebssicherheit als ein großer
Vorzug des Kettenantriebes anderen Betriebsarten gegenüber hervor¬
gehoben werden. Ein weiterer Vorzug ist der, daß man jederzeit
durch Auswechslung eines Kettenrades, was etwa zehn Minuten
Zeit in Anspruch nimmt, die Übersetzung des Wagens jederzeit
ändern kann, was manchem Käufer als eine sehr angenehme Bei¬
gabe willkommen sein dürfte.
Der Kardanantrieb dagegen hat den Vorzug eines etwas
ruhigeren Ganges, sowie denjenigen, daß man irgendwelche
nennenswerte Arbeiten (ausgenommen Schmieren) während des
Betriebes an demselben nicht vorzunehmen hat, mit anderen
Worten, man braucht den Mechanismus dieses Antriebes nicht
so zu beobachten als die Kette, wie denn auch derartige Mani¬
pulationen, wie Nachspannen der Kette usw., in Fortfall kommen.
Es sind dies also ganz unleugbare Vorzüge, dagegen ist auch
diese Antriebsart nicht ohne Schattenseiten, und zwar ist der
Nachteil, der dem Kardanantrieb dem Kettenantrieb gegenüber
anhängt, ein nicht unbedeutender insofern, als bei einem etwaigen
Defekt (und diese Defekte sind gar nicht so selten) die Betriebs¬
störung eine ganz empfindliche ist. Während bei der Kette, selbst
der schlimmste Fall, ein Defekt auf der Landstraße angenommen,
dieser Defekt innerhalb weniger Minuten beseitigt ist (denn einige
Kettenglieder wird jeder vorsichtige Fahrer in seinen Reserven
mitführen), ist man bei einem Defekt im Kardangetriebe unrettbar
einer längeren Betriebsstörung verfallen. Der Wagen kann nicht
mit eigener Kraft in die nächste, wenn auch noch so nahe gelegene
Ortschaft befördert werden, sondern es muß fremde Hilfe requiriert
werden und die Auswechslung, Reparatur und Erneuerung des
Getriebes erfordert unter Umständen mehrere Wochen; daß eine
derartige Reparatur auch noch ganz bedeutende Unkosten ver¬
ursacht, ist klar. Derartige Unannehmlichkeiten können den Käufer
bestimmen, von der Antriebsart abzugeben. Hierzu kommt noch
der Nachteil, daß man stets nur auf ein und dieselbe Übersetzung
angewiesen ist. Man sieht also, daß man über die beiden Antriebs¬
arten verschiedenerlei Meinung sein kann, und Tatsache ist ferner,
daß sich die Gesamtindustrie in ihrer Herstellung in beide Antriebs¬
arten ziemlich gleichmäßig teilt. Schließlich sei noch erwähnt, daß
man beim Kauf eines Automobils mehr als bei jedem anderen
Apparat auf Einfachheit in der Konstruktion und Stabilität der
Einzelteile größtes Gewicht zu legen hat. Ersteres kommt einem
in der Bedienung des Wagens außerordentlich zustatten, denn je
weniger Teile vorhanden sind bzw. je einfacher dieselben in ihrer
Konstruktion sind, desto schneller ist man mit der täglichen Instand¬
setzung des ganzen fertig, wie auch naturgemäß Reparaturen viel
seltener Vorkommen, als bei kompliziert gehaltenen Fahrzeugen.
Stabilität aber ist beim Fahrzeug des Arztes erste Bedingung. Ein
Wagen, der Sommer und Winter bei Tag- und Nachtzeit alle vor¬
kommenden Berge fahren muß, darf seine Konstruktion nicht dem
Fahrradbau entlehnt haben, sondern muß so stabil sein, daß er allen
Schwierigkeiten gewachsen ist.
Einige wenige Firmen haben von vornherein die Herstellung
kleinerer Wagen als Spezialität vorgenommen und zwar nach dem
goldenen Mittelwegsprinzip, nicht so schwach wie Fahrrad ähnliche
Vehikel und auch nicht ins Ungeheuerliche gehend ä la Renn- und
Tourenwagen der großen Firmen, die heute schon mehr Lokomotiven
und Eisenbahnwaggons ähnlich sind und deshalb keinen Anspruch
machen können, in der ärztlichen Praxis verwendet werden zu
können. Zu diesen wenigen Firmen nach dem Mittelwegsprinzip
zählt die Nürnberger Motorfahrzeugo-Fabrik „Union", die seit reich¬
lich 8 Jahren ihre wohlbewährten, so überaus einfachen und stabilen
Gebrauchswagen hinausgibt. Die genannte Firma hat sich nie
bemüht, große Rennen zu belegen, hat dagegen auf allen Zuver-
lässigkeitsfahrten, die sie mitmachte, stets die ersten Preise geholt,
wie denn auch gerade der Maurer-Union-Wagen in Ärztekreisen sich
großartig bewährt hat, wo es vor allem auf einen betriebssicheren,
leistungsfähigen Wagen, der wenig Wartung benötigt, ankommt.
Der Maurer-Union-Wagen ist ein Gebrauchswagen im vollen
Sinne des Wortes, so einfach, übersichtlich in der Konstruktion,
leicht zugänglich in allen Teilen, betriebssicher bei geringster
Abwartung und sehr leistungsfähig auf jedem Terrain. Die Union
hat ihren Wagen immer ab- statt zukonstruiert und auf diese Weise
No. 53.
haben wir seit vielen Jahren bereits den ärztlichen Gebrauchs wagen,
der sich ja nach den vielen glänzenden Zeugnissen stets bewährt
hat. Es gibt kein einfacheres, übersichtlicheres, leichtverständ¬
licheres und ebenso zu fahrendes, dabei zuverlässiges, leistungs¬
fähiges und zugleich dauerhaftes System in der Automobilbranche,
als die Friktionsübertragung, wie sie die Union baut. Jeder ge¬
wöhnliche Kutscher ist in der Lage, den Wagen nach wenigen
Tagen Instruktion zu bedienen und zu fahren.
Man hat bei der Friktion, für deren Nicht- Versagen di6 Fabrik
jede gewünschte Garantie leistet, nicht bloß drei oder vier ver¬
schiedene, sondern eine beliebig variable Abstufung der Geschw indig¬
keiten und kann somit aus dem Motor das jeweil Möglichste den
Terrainverhältnissen entsprechend herausholen.
Diese ideale Terrainanpassung ist einer der Hauptvorzüge des
Maurer-Union-Wagens. Anfahren und Übersetzungswechsel geht
vollkommen sanft und stoßfrei vor sich und schont im Gegensatz
zur Zahnradübertragung ganz außerordentlich die Reifen, und die
bilden ja, wie wir oben gehört haben, den Hauptkostenpunkt im
Automobilbetrieb. Es ist nachgewiesen, daß ein Zahnradw r agen,
dessen Antrieb stets und immer ruck- und stoßweise erfolgen muß,
wenn auch die einzelnen Fabriken ihre Erzeugnisse stets als
möglichst stoßfrei hinstellen, genau den doppelten Verbrauch an
Pneumatiks aufweist, als ein Friktionswagen, wenigstens sofern es
sich um die Hinterräder, die den Antrieb zu betätigen haben, handelt.
| Wegebeschaffenheit und Steigeverhältnisse kommen bei diesem
Friktionswagen (System Maurer-Union) überhaupt nicht in Betracht,
die Wagen ziehen selbst auf schlechtesten Sandwegen durch und
überwinden glatt jede Steigung.
Der Nutzeffekt ist der denkbar günstigste, w'eil die Kraftüber¬
tragung durch Andruck einer auf der Kurbelwelle des Motors
befestigten Scheibe gegen ein zu dieser senkrecht verlaufendes auf
einer Achse seitlich verschiebliches Rad, also durch Hebelarme
geschieht Dank dieser einfachen Konstruktion ist es auch uns
Laien bei einigem guten Willen möglich, uns mit der Handhabung
des Wagens genügend vertraut zu machen. Wir brauchen deshalb
weder zum Ankauf noch zur Unterhaltung dieses einfachen Wagens
einen Zwischenhändler und können uns zudem bei etwaigen Repara¬
turen ganz auf die anerkannte Kulanz der Firma verlassen.
Ein Einzylinder 6 HP genügt für die Praxis; bei sehr guten
Wegeverhältnissen und weniger forcierter Beanspruchung mag sogar
der 4—5 HP-Wagen vollkommen genügen. Legt man Wert auf
ruhigeren Gang, größere Bequemlichkeit der Sitze und eleganteres
Äußere, so ist Zweizylinder 9—11 HP zu empfehlen, zumal der
Preisunterschied zwischen Ein- und Zweizylinder nicht sehr erheb¬
lich ist. Vierzylinder sind für die Praxis nicht zu empfehlen, sie
benötigen unverhältnismäßig mehr Benzin und öl zu ihrer Leistung
und sind auch etwas kompliziert in Bau und Behandlung, dement¬
sprechend Reparaturen häufiger.
Über die Antriebsarten habe ich mich oben schon ausgelassen.
Die Nürnberger Motorfahrzeugefabrik „Union“ baute bisher in der
Hauptsache ihre Wagen mit Kettenantrieb, stellt aber in neuerer
Zeit vielfachen Wünschen entsprechend auch Kardanwagen her, wie
es von jeher Bestreben dieser Firma war, den Wünschen der All¬
gemeinheit sich nach Möglichkeit anzupassen. Dieser Kardanantrieb
in Verwendung mit Friktionsübertragung, die jeden Ruck und Stoß,
der sonst auf das Kardangetricbe ausgeübt w ird, vollständig ver¬
meidet, stellt einen wirklich idealen Antrieb vor und dürften die so
gefürchteten Kardandefekte auf diese Weise gänzlich ausgeschaltet
sein. Für diejenigen Herren, die also dem Kardanantrieb besonders
zuneigen, dürfte somit in dem neuen Maurer-Union-Kardanwagen
ein Fahrzeug geschaffen sein, wie es keine andere Firma in dieser
Vollkommenheit zu bieten vermag.
Über einen weiteren Punkt werde ich häufig gefragt, und
dieser betrifft das Differentialgetriebe. Beim Maurer-Union-Wagen
weicht auch dieses Getriebe vorteilhaft von anderen Konstruktionen
ab, indem sich dasselbe auf der ungebrochenen Achse befindet,
was natürlich ganz bedeutende Vorzüge mit sich bringt, indem
verschiedene Lager, die durch eine gobrochene und durch ein be¬
sonders stark konstruiertes Gehäuse wieder verbundene Achse be¬
nötigt werden, in Fortfall kommen. Irgend einen Defekt habe ich
I mit diesem Getriebe noch nicht gehabt und wenn ein solcher ein-
BERLI NER TIERÄRZTLICHE WOCHE NSCHRIFT.
.11. Dezember 1908.
tritt — er kann aber nur eintreten, wenn man sinnlos durch tiefe
Löcher jagt, ohne auszukuppeln — so ist derselbe nicht besonders
störend, da ein Weiterfahren immerhin noch leicht möglich ist,
indem man das große Kettenrad mit dem linken Laufrad durch
einen Riemen oder Bindfaden verbindet. Es erfolgt dann allerdings
der Antrieb nur auf eines der beiden Hinterräder statt auf beide,
doch ist der Zweck, den Wagen nach Hause zu bringen, damit
vollständig erreicht. Gibt es doch verschiedene Fahrzeuge, die
überhaupt nur mit einem Rad angetrieben werden.
Die vorstehenden Punkte sind in der Hauptsache diejenigen,
über die ich häutig interpelliert werde, und die scheinbar den einen
Wagenkauf beabsichtigenden Herren Kollegen zu denken geben. Ich
will deshalb auch nicht näher auf andere Einzelheiten eingehen,
als da sind die äußerst vollkommene und zu Störungen nie Anlaß
gebende Boschzündung, welche die Nürnberger Motorfahrzeugefabrik
„Union“ seit ihres Anbeginns verwendet und die auch nicht nach
der Billigkeit gearbeitet ist, sondern in erster Linie nach dem
Prinzip der Vervollkommnung, ein minimaler Benzinverbrauch durch
einen vorzüglich ausgearbeiteten Vergaser usw., wie ich mich über¬
haupt nicht berufen fühle, mich über technische Einzelheiten weiter¬
gehend zu äußern. Ich habe in vorstehendem lediglich das nieder¬
gelegt, was ich als Laie am eigenen Leibe erfahren habe, und
möchte diese meine Erfahrungen auch nur dem Laien gegenüber
zum Ausdruck gebracht wissen. Wenn ich insbesondere das Fabrikat
der Nürnberger Motorfahrzeugefabrik „Union“ als das für den
ärztlichen Gebrauch vollkommenste Fahrzeug, das mir je unter¬
gekommen ist, hervorhebe, so hat dies seine sehr berechtigten Gründe,
die einzig und allein in der Vollkommenheit des Fabr-kats zu
suchen sind, und daß ich mit dieser meiner Ansicht nicht allein
stehe, ist den Lesern dieses Blattes zur Genüge bekannt. Haben
sich doch im Sommer vorigen Jahres, als es sich um einen Konkurrenz¬
angriff auf das Union-Fabrikat handelte, mehr als 60 Stimmen ira
Briefkasten zusammengefunden, die diesem Fabrikat das höchste
Lob zum Ausdruck brachten. Tatsache ist ferner, daß für den viel¬
beschäftigten Arzt die Erledigung der Praxis mittelst Automobil
eine Wohltat bedeutet, wie ich denn auch verschiedene Herren
kenne, die um keinen Preis zum Pferdebetrieb zurückkehren möchten;
eine große ausgedehnte Praxis läßt sich eben in sicherer, an¬
genehmer und überaus schneller Weise mit dem Auto erledigen.
Seuchennachrichten.
Maul- und Klauenseuche.
Neuausbriiche werden gemeldet aus Hochzoll, Bezirksamt Fried¬
berg (Oberbayern) vom 22. Dezember, aus Beuthen, Stadtkreis (Reg.-
Bez. Oppeln) vom 24. Dezember.
Tierseuchen im Auslande II. Semester 1907.
Großbritannien.
An Milzbrand erkrankten bei 482 Ausbrüchen 650 Tiere, wovon
415 auf England, 11 auf Wales und 224 auf Schottland kamen. An
Rotz erkrankten in England 779, in Schottland 16 Pferde. (In
Wales ist im Berichtssemester keine Rotzkrankheit vorgekommen.)
Die Zahl der wegen Sehweinefieber getöteten, erkrankten und an¬
steckungsverdächtigen Tiere betrug 5030, wovon 4625 auf England,
210 auf Wales und 195 auf Schottland kamen. Von Schafräude
wurden 356 Ausbrüche konstatiert, wovon 103 auf England, 207 auf
Wales und 46 auf Schottland kamen. Tollwut, Lungenseuche und
Maul- und Klauenseuche sind nicht beobachtet worden.
Belgien.
Zahl der Krankheitsfälle an Milzbrand 322, Rauschbrand 185,
Wut 161, außerdem wurden 56 Hunde, 18 Katzen und 2 Rinder als
wutverdächtig getötet, Maul- und Klauenseuche 6233. Rotz und
Wurm wurde bei 27 Pferden festgestellt: außerdem wurden in
Schlachthäusern 46 Pferde als rotzkrank ermittelt (darunter 30 aus
England, 1 aus Frankreich, wovon 1 auf den Hafen von Antwerpen,
4 auf den Hafen von Gent kamen). Räude ist im Oktober bei
137 Schafen und im Dezember bei 50 Schafen festgestellt worden.
Niederlande.
Milzbrand in 227, Rotz in 21, Maul- und Klauenseuche in 335 063,
Räude der Schafe in 991, Schweinerotlauf in 829, bösartige Klauen¬
seuche der Schafe in 228 Fällen. Außerdem Tollwut in 10 Fällen.
991
F rankreich.
Milzbrand herrschte im Juli in 29, im August in 66, im Sep¬
tember in 44, im Oktober in 33, jm November in 49, im Dezember
in 32, Rotz und Wurm in 24 bzw. 25, 37, 18, 34, 27 Ställen. Ge¬
tötet wurden wegen dieser Seuche 34 bzw. 29, 46, 27, 43, 31 Pferde.
Die Zahl der gemeldeten tollen Hunde belief sich auf 268 bzw. 146,
122, 118, 132, 118. Die Maul- und Klauenseuche trat im Juli in 340,
im August in 467, im September in 533, im Oktober in 392, im
November in 169, im Dezember in 127 Gemeinden auf. Schafpocken
herrschten im Juli in 6, im August in 10, im September in 10, im
Oktober in 18, im November in 42 und im Dezember in 7 Herden.
Schafräude wurde ermittelt in 3 bzw. 3, 5, 34, 11, 14 Herden.
Rauschbrand trat in 59 bzw. 59, 86, 96, 100, 75 Ställen auf. Rotlauf
der Schweine herrschte in 22 bzw. 22, 18, 18, 24, 25 Departements.
Schweineseuche (einschließlich Schweinepest) wurde festgcstellt in
21 bzw. 19, 14, 19, 16, 40 Beständen. Die Lungenseuche ist im
Benchtssemester nicht aufgetreten.
Italien.
Es wurde festgestellt Milzbrand bei 2377, Rauschbrand bei 291,
Tollwut bei 283, Rotz und Wurm bei 269, Maul- und Klauenseuche
bei 129 962, Pockenseuche bei 181, Räude bei 24 634, Schweine¬
seuche bei 6390 Tieren.
Schweiz.
Die Zahl der gefallenen oder getöteten Tiere betrug bei Rausch¬
brand 739, Milzbrand 176. Die Zahl der verseuchten und verdächtigten
Tiere betrug bei Maul- und Klauenseuche 462 in 28 Gemeinden
(43 Ausbrüchen). Von Stäbchenrotlauf und Schweineseuche wurden
517 Gemeinden bei 936 Ausbrüchen betroffen, die Zahl der ge¬
fallenen und getöteten Tiere betrug 1341, der verseuchten und ver¬
dächtigten 3948. Außerdem Wut bei 2 Hunden in 2 Gemeinden:
Rotz und Hautwurm in 4 Gemeinden 4 Pferde und 6 rotzverdächtig:
Räude bei 55 Schafen bei 1 Gemeinde in 1 Herde.
Österreich.
Die Zahl der verseuchten Orte betrug in den einzelnen Monaten
des Berichtssemesters 57, bzw. 62, 65, 91, 46, 19 bei Milzbrand;
27 bzw. 30, 15, 33, 4, 8 bei Rauschbrand: 95 bzw. 66, 66, 109, 49,
58 bei Tollwut; 78 bzw. 78, 61, 75, 64, 52 bei Rotz und Wurm;
22 bzw. 39, 73, 192, 343, 165 bei Maul- und Klauenseuche; 233 bzw.
87, 74, 35, 5, 8 bei Bläschenausschlag; 156 bzw. 117, 141, 149, 107 bei
Räude der Einhufer; 12 bzw. 6, 11, 9, 5, 5 bei Räude der Schafe;
1030 bzw. 1118, 964, 613, 243 bei Rotlauf der Schweine; 723 bzw.
576, 563, 760, 575, 472 bei Schweinepest (Schweineseuche); 47 bzw.
50, 49, 144, 113, 49 bei Geflügelcholera. Die Lungenseuche, Pocken¬
seuche der Schafe, die Beschälseuche der Zuchtpferde und die
Hühnerpest sind nicht aufgetreten.
Ungarn.
Es waren in den Monaten Juli, August, September, Oktober,
November und Dezember folgende summarisch aufgeführten Orte
verseucht: Mit Milzbrand 635 bzw. 558, 1086, 1332, 831, 544; Rausch¬
brand 444 bzw. 363, 393, 605, 637, 548; Wut 831 bzw. 635, 545.
631, 530, 620; Rotz 243 bzw. 231, 216, 211, 169, 108; Maul- und
Klauensenche 142 bz\y. 175, 599, 1458, 1370, 812; Pockenseuche
der Schafe 72 bzw. 67, 103 186, 185, 198; Bläschenausschlag
274 bzw. 164, 98, 88, 46, 32; Räude der Einhufer 1791 bzw. 948,
738, 718, 406, 253; Räude der Schafe 188 bzw. 97, 79, 89, 87, 78; Rot¬
lauf der Schweine 3911 bzw. 3078, 2617, 2148, 1260, 795; Schweine¬
seuche (Schweinepest) 6024 bzw, 5676, 5441, 5592, 3381, 2271.
Geflügelcholera 87 bzw. 48, 49, 96, 129, 149; Hühnerpest 5 bzw. 1,
die übrigen Monate frei.
Dänemark.
Die Zahl der verseuchten Tierbestände betrug bei Milzbrand:
Juli 6, August 4, September 5, Oktober 11, November 18, Dezember
16; Rotlauf der Schweine: Juli 15, August 23, September 21,
Oktober 53, November 43, Dezember 22; Chronische Schweine¬
diphtherie (Schweinepest): Juli 2, September 3, November und
Dezember je 1; Rückenmarkstyphus der Pferde: Juli 3, August 2,
September 2, Oktober, November, Dezember je 1; Katarrhalfieber
des Rindes: Juli 9, August 13, September 4, Oktober 1, November
und Dezember je 2.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.
No. 53.
992
Norwegen.
Zahl der Krankheitsfälle in den Monaten Juli, August, September,
Oktober, November, Dezember: Milzbrand 45 bzw. 31, 27, 28, 34,
28; Rauschbrand 6 bzw. 1, 7, 2, 2, 1; Schweineseuche (einschl.
Schweinepest) 1 bzw. 1, keine, keine, 2, keine; bösartiges Katarrhal-
fiebcr der Rinder 77 bzw. 46, 25, 26, 34, 24; Bradsot 2 bzw. 1, 2,
11, 29, 12 Fälle.
Schweden.
Die Zahl der verseuchten Ställe betrug: Milzbrand: im Juli
16, August 9, September 14, Oktober 14, November 22, Dezember 30;
hiervon neu betroffen 15 bzw. 3, 12, 7, 19, 18. liauschbrand: im
Juli 9, August 5, September 5. Oktober 6, November 12, Dezember 9;
hiervon neu betroffen 5, bzw. 5, 4, 5, 9, 3. Rotlauf der Schweine:
im Juli 1, August 3, September 5, Oktober 5, November 6,
Dezember 3; hiervon neu betroffen 1 bzw. 2, 3, 3, 3, 2. Schweine¬
seuche: im Juli 1, August 5, September 8, Oktober 18, November 22,
Dezember 17; hiervon neu betroffen 1 bzw. 5, 8, 5, 8, 4.
Biicheranzeigen und Kritiken.
Atlas der tierärztlichen Operationslehre in fünf Büchern. I. Ruch:
Zwangsmittel und Zwangsmaßregeln. II. Buch: Instrumenten-
lehre. III. Buch: Verbandsichre. IV. Bnch: Allgemeine
Operationen. V. Buch: Spezielle Operationen. Bearbeitet von
Professor Leonhard Ho ff mann, Vorstand der chirurgischen Klinik
und Dozent für Chirurgie, Operationslehre und Operationstechnik an
der K. W. tierärztlichen Hochschule in Stuttgart. Mit 107 i afeln und
307 Textfiguren. Stuttgart 1908. Verlagsbuchhandlung von Eugen Ulurer,
Verlag für Landwirtschaft und Naturwissenschaften.
Vorliegendes Werk enthält 508 Seiten, 107 Tafeln mit 2545 Figuren
nnd 307 im Texte befindlichen Abbildungen. Durchblättert man das
großartig angelegte Werk zunächst oberflächlich, so glaubt man sich in
das 18. Jahrhundert versetzt, so primitiv, so technisch minderwertig ist
die Ausführung eines großen Teiles der Abbildungen. Besonders machen
die auf der Tafel 25 (Zwangsmittel bei Schweinen) abge dldeten Figuren
der Männer den Eindruck, als wenn es sich um Karikaturen in einem
Witzblatte und nicht um ein wissenschaftliches Werk, mn einen Atlas
für Operationsichre handelte. Gleich minderwertig sind die Figuren der
Tafeln 27 und 28. Ob dort einige Tiere Hunde oder Fischotter, Katzen
oder Eichhörnchen darstellen sollen, ist fraglich Abgesehen aber von
der schlechten Ausführung dieser Abbildungen sind säimliche Figuren
auf de*) Tafeln, besonders aber die des 1., H. und TH. Buches, so klein
und infolgedessen so wenig deutlich, daß selbst die Form und Eigen¬
tümlichkeit der jedem Tierärzte bekannten Instrumente hieraus nicht
ersichtlich ist. Jeder Tafel ist aber nicht allein ein Text, sondern anch
eine besondere Erklärung der Abbildung beigegeben. Leider sind diese
Erklärungen und Texte nicht immer der Reihenfolge nach geordnet,
wodurch die Übersichtlichkeit leidet. Was den Inhalt anbetriffr, so stellt
das vorliegende Werk dar: Auszüge aus den Chirurgien- und Operations¬
lehren von Hertwig, Hering, Bayer, Möller, Hoffmann, Frick, Möller-
Frick, Vennerholm und dein großen Sammelwerke von FrÖhuer und
Bayer, sowie Auszüge aus vielen Einzelarbeiten, die in tierärztlichen
Zeitschriften in den letzten 20 .Jahren erschienen sind.
Die Beschreibungen der speziellen Operation geschehen in großartig
angelegtem Rahmen. Sie enthalten nicht nur die aus den angeführten
Werken gemachten Auszüge, sondern auch die persönlichen chirurgischen
Erfahrungen des Verfassers selbst. Es ist wohl selten in einem Buche
so viel wertvolles Material mit solchem großen Eifer und Flciße zu-
sammengetragen worden, wie in dem vorliegenden Werke. Daß bei
der Fülle des Materials nicht immer der beabsichtigte Zweck erreicht,
ist, ist selbstverständlich Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen.
An Mängeln möchte ich folgendes hervorheben. Das fünfte Bnch ent¬
hält außerordentlich viele Druckfehler, die bei genauer Durchsicht wohl
hätten vermieden werden können. Dann vermisse ich bei den speziellen
Operationen gerade die praktischen Methoden, Methoden, die es dem
Tierärzte in der Praxis ermöglichen auch große, schwierige Operationen
ohne Assistenten und ohne diejenigen Hilfsmittel, die dem Operateur
in den Kliniken zur Verfügung stehen, auszuführen. Bei der Operation
der sogenannten Kniebeule vulgo Knieschwainm beim Rinde fehlt die
äußerst wertvolle Operationsmethode von Mas eh (Mitteilungen für
Tierärzte Hamburg II. 10). Bei der Kastration sind nicht verzeichnet
die neue letzte Abhandlung, die je über diese Operation geschrieben
ist, von Frick (Dt. T. W. 1907), die Abhandlung von Mascli (Netzbrüche),
die vorzüglich wirkenden Metallkluppcu von Pflanz. Bel der Operation
der Samenstrangfistel fehlt die ausgezeichnete Methode von Malkinus
i Dt. T. W. 1S99, S. 161) und bei der Knorpelfisteloperation ist die fast
nur in der Praxis angewandte Methode von Möller gar nicht erwähnt.
Wünschenswert bei einer Neuauflage wäre: Wegfall aller derjenigen
Abbildungen von Instrumenten, welche in der .Jubiläumsausgabe von
Hauptner vorhanden sind, da dieselben sich in der Hand eines jeden
Tierarztes befinden. Vereinfachung der Beschreibung der Instrumente,
deren Erklärung, wenn Nummer des Textes und der Tafel zusammenfallen,
überflüssig Gr. An .Stelle des hierdurch entstehenden Platzes wäre es
von großem Worte, wenn mindestens jeder speziellen Operation ein voll¬
ständiges Literaturverzeichnis beigegehen würde, das jedem Leser in
Anbetraeht. des kurzen oft telegrammmäßig verfaßten Textes es möglich
machte, die Original»* nachzulesen. Endlich wichtige Stellen im Texte '
durch großen Druck hervorzuheben, da der kleine gleichmäßige Druck i
sehr ermüdend auf die Augen wirkt. T. I
Recht und Unrecht im Pferde- und Viehhandel. Systematische
Darstellung nach Reichsrecht mit tierärztlichen Erläuterungen. Be¬
arbeitet von Dr. Viktor Wrede, Rechtsanwalt und Dr. Paul Oehmke,
Hof- und Kreistierarzt. Carl Ileymanns Verlag, Berlin 1909.
Prof. Dr. M. Braun und Privatdozent Dr. M. Lühe, Leitfaden zur
Untersuchung der tierischen Parasiten der Menschen und der Haus¬
tiere für Studierende, Ärzte und Tierärzte. Mit 100 Abbildungen im
Text. Kurt Kobitzsch (A. Stübers Verlag) Würzbnrg 1909. Preis 5,20 M.,
gebunden 6 M.
Dr. W. Müller nnd Dr. G. v. Wendt, Abhandlungen aus dem Ge¬
biete der Tierhaltung. Heft 1. Wie futtert der Landwirt zweck¬
mäßig Rübenblätter? Ein Beitrag zur Kenntnis der Ursachen der
durch Rübcnblattfütternng hervorgerufenen Übelständc. Preis 50 Pf.
Heit 2. Milchgewinnung vom hygienischen und w irtschaft¬
lichen Standpunkte aus nebst Vorschlägen zur Bekämpfung der
Rindertuberkulose und Regelung des Verkehrs mit Milch. Preis 1,20 M.
Heft 3. Grundzüge einer wirtschaftlichen Ernährung der
Milchkühe nebst Anleitung zur schnellen Berechnung der Fntterationen
und Einschätzung des Futterwertes der Ernte. Preis 1,20 M. Verlags¬
buchhandlung Paul Parev, Berlin 1908 09.
Dr. Erich Simon, Vieh- und Schlachthöfe in den Jahren 1904 n d
1905. (Sonderabdrnck ans den« Statist. Jahrbuch Deutscher Städte,
Jahrg. XV. Wilh. Gottl. Korn, Breslau.)
Jahresbericht über die Ergebnisse der Immunitätsforschung. Unter
Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von Dr. Wolfgang
Weiehardt, Privatdozent. Bd. III: Bericht über das Jahr 1907 ein¬
schließlich einer zusammenfassen len tibersicht „über Anaphylaxie“
von C. Levaditi und über „Phagozytose, Opsonintheorie und
Verwandtes“ von Dr. W. Rosenthal. Ferdinand Enke, Stuttgart 1908.
Preis 17 M.
Bayer-Fröhner, Handbuch der tierärztlichen Chirurgie und Geburts¬
hilfe. 111. Bd. 2. Teil. Bartke, Sattel- und Geschirrdrücke, Widerrist¬
fisteln. Gutmann, Chirurgische Krankheiten des Magens nnd Darmes.
Hendrick, Männliche Gcsrhlechts- nnd Harnorgane inkl. Kastration.
Gmelin, Die Krankheiten des Nabels.
In verhältnismäßig kurzer Zeit ist eine neue Auflage dieses Teiles
notwendig geworden. Einzelne Kapitel haben Zusätze und Erweiterungen
erfahren, die sich aus der Literatur der letzten Jahre ergeben. So sind
in der schwierigen Behandlung der Verlagerungen und Vorfälle des
Darmes selbst bei größeren Haustieren durch die Ausbildung der
chirurgischen Technik einige gute Erfolge zu verzeichnen, die den
Praktiker ermutigen, in geeigneten Fällen einen operativen Eingriff
vorzunchmeu. T.
Bayer-Fröhner,.Handbuch der tierärztlichen Chirurgie und Geburts¬
hilfe. IV. Band, 1. Teil. Zschokke, Die Krankheiten der Knochen.
Hell, Krankheiten der Muskeln, Faszien, Nerven und Gefäße an den
Extremitäten. Siedamgrotzky-Lungwitz, Krankheiten der Sehnen, Sehnen¬
scheiden nnd Schleimbeutel. Bartke, Kriegschirurgie und Statistik.
Lanzilloti-Bunnsauti, ..Kraukheiieu-4er Geleuko inkL -Spat nnd Schale.
Vor kurzem ist d< r IV. Baud, 1. Teil des obengenannten Lehrbuches
in zweiter Auflage erschienen. In dem Kapitel über Sehnen lind Sehnen-
sch iden sind die neueren Untersuchungen über das Zustandekommen
und die Beurteilung der partiellen Sehnenzerreißungen eingefügt und die
vielfachen neuen Erfahrungen in der Behandlung der Sehnenscheiden¬
gallen initgeteilt worden. Neil aufgenommen sind desgleichen die Unter¬
suchungen über die Kniegelenksbeule des Rindes. Die in der neuesten
Literatur bekannt gewordenen Erfolge in der Behandlung der Gelenk¬
erkrankungen sind ebenfalls berücksichtigt worden. T.
Personalien.
Ernennungen: Wissenschaftliche Stellen: Tierarzt ff. Eick¬
mann zum Assistenten am Bakteriologischen Institut der Land¬
wirtschaftskammer für die Rheinprovinz in Bonn. — Schlachthof¬
verwaltung: Schlachthoftierarzt Dr. Jfaa/?-Hagen zum Schlachthof¬
tierarzt in Essen (Ruhr), Tierarzt Wilhelm Sindt -Nortorf zum Schlacht¬
hoftierarzt in Hagen i. W. — Versetzt: Kreistierarzt Ooldmann-
Sögel in die Kreistierarztstelle zu Ziegenhain.
Niederlassung: Dr. Richard Meckelburg aus Masehnen in Drengfurt
(Ostpr.). — Verzogen: Tierarzt Ritteimann aus Karlsruhe als
Assistent des Oberamtstierarztes nach Freudenstadt.
Examina: Promoviert: Die Tierärzte Franx Tinschert-
St. Wendel zum Dr. med. vet. in Gießen, Zeller, Assistent am
Gesundheitsamt der Landwirtschaftskammer für Pommern in
Züllichow-Stettin zum Dr. med. Vet in Leipzig, Dr. Hahn in
Dresden, Barbarossastr. 9. zum Dr. med. vet. in Bern. — Appro¬
biert: Die Herren Friedrich Gmßnickel aus Horn, Willi Jesse aus
Neustadt-Eberswalde, Florian Kasper aus Seeg (Bayern), Christian
Winter aus Veldhausen, Leopold Pins aus Dillmen, Paul Sach weh
aus Dortmund, Entert Srhrum aus Rendsburg in Hannover.
Todesfall: Veterinär I. Klasse a. D. Richard Öreger in München.
Vakanzen. (Vgi- Nr. 49.)
Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Bebmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum der Verlagsbuchhandlung von Richard Schont* in Berlin. —
Druck tob W. Büxenstein, Berlin.
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502160 _„_—--
Berliner tierärztliche
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Call Number:
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Berliner tierärztliche
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HEALTH
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